Torquato Tassos befreytes Jerusalem. Sechster Gesang

Textdaten
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Autor: Torquato Tasso
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Titel: Torquato Tasso’s befreytes Jerusalem, Sechster Gesang
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 45, S. 178/179; Nr. 46, S. 182/183; Nr. 47, S. 187/188; Nr. 48, S. 192; Nr. 49, S. 195; Nr. 50, S. 198/199;
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
Übersetzer: Adolf Ludwig Follen
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[178]
Torquato Tasso’s befreytes Jerusalem
teutsch durch
A. L. Follenius.

Tankred hat mit dem Heiden Argant einen Zweykampf bestanden. Beyde, verwundet, scheidet die Nacht. Am sechsten Morgen drauf soll sich der Kampf erneuern.




Sechster Gesang.
- - - - - - - - - - - - - - - - - -
54.

Es ließ zurück die grausenvolle Fehde
     Bey Allen, so das Kämpferpaar umstunden,
     Ein Graun, ein hohes Staunen, tief in jede
     Brust eingesenkt, was nicht so bald verschwunden.

[179]
5
     Nur von der Kraft, der Kühnheit geht die Rede,

     So man bey Diesem wie bey Dem erfunden.
     Doch wer dem Andern vorzuziehn, ist streitig;
     Das Volk, getheilt, bekämpft sich wechselseitig;

55.

Und schwebt in Sorgen, harrend, wer von dannen

10
     Als Sieger geh’ aus dem unbänd’gen Schlagen;

     Ob es der Wuth gelingt den Muth zu bannen,
     Ob Tapferkeit besiegt tollkühnes Wagen. -
     Doch mehr noch fühlt, als die besorgten Mannen,
     Das holde Kind Herminja Sorg’ und Plagen,

15
     Die von des Kriegsgotts ungewisser Schlichtung

     Befahret ihres bessren Theils Vernichtung.


56.

Sie war ein Kind Kassan’s, dem die Gefilde
     Von Antiochjen unterthänig waren.
     Sammt Reich und Beuten fiel dieß Frauenbilde

20
     Dann in die Hände Christi Siegerschaaren.

     Nun aber wies sich ihr der Tankred milde,
     Ließ sie kein Leid in ihrer Haft erfahren;
     Auf ihres hohen Vaterlands Verheerung
     Empfing sie noch als Königinn Verehrung.

57.

25
In hohen Ehren dient’ er ihr und sandte

     Sie frey zurück, der Ritter seltner Güte;
     Sorgte, daß Niemand ihr die Hab’ entwandte,
     Daß all ihr Gold, all ihr Gestein sie hüte.
     Sie sah ihn, der im Glanz der Jugend brannte,

30
     Im edlen Leib ein königlich Gemüthe,

     Und blieb von Lieb gefesselt, so die Schlingen
     Nur fest und fester zieht beym Gegenringen.

58.

So kam’s, daß, war der Leib auch frey, doch immer
     Herz und Gemüthe sich in Fesseln fanden.

35
     Von Ihm zu scheiden, nichts bedünkt ihr schlimmer,

     Vom süßen Herrn, von den geliebten Banden.
     Doch königliche Zucht und Scheu, die nimmer
     Aus einer edlen Maid Gemüthe schwanden:
     Die zwangen sie, zu Freunden sonder Weilen

40
     Mit der betagten Mutter hinzueilen.


59.

Und sie begeben sich gen Sion’s Mauern,
     Wo sie beym Heidenkönig Schutz erlangen.
     Bald muß sie dort der Mutter Tod betrauern
     Vom düsterlichen Leidgewand umfangen.

45
     Doch ward vom Schmerz und innigen Bedauern,

     So im unseel’gen Bann ihr Herz durchdrangen,
     Solch sehnend Lieben, das die Seele fühlet,
     So großer Gluthen Flamme nie gekühlet.

60.

Sie liebt und glüht; bey’m Hoffen Trost zu holen

50
     Mußt’ ihres Looses Unstern ihr misgönnen,

     Und Speiße den verschlossnen Liebeskohlen
     Kann nur Erinnrung, Hoffnung nicht, vergönnen;
     Und umjemehr dieß Glühn geheim, verstohlen
     Im Busen glimmt, jehöher steigt sein Können!-

55
     Gen Sion mit den Christen zog inzwischen

     Der Tankred her, ihr Hoffen aufzufrischen.

61.

Die andern Städter allzumahl erschauen
     So viel, unbändig Volk mit bangem Harme.
     Klar aber wird der trübe Blick der Frauen,

60
     Weilt fröhlich auf dem stolzen, ehrnen Schwarme.

     Den lieben Freund aufsuchend, rings die Auen
     Durchlugt mit sehnsuchtvollem Blick die Arme;
     Lugt oft umsonst; oft wähnt sie klar und lauter
     Zu sehn, und spricht: „ja, dieser ist mein Trauter!“

[182]
62.

65
Ein alter Burgturm, der gen Himmel strebet,

     Ist dort, gleich wo die Festungsmauer steiget,
     Der über Anger und Gebürg sich hebet
     Und rings die Lagerstatt der Christen zeiget.
     Dort sitzt sie, wann der Sonne Strahl sich hebet

70
     Bis daß die finstre Nacht zuthale steiget,

     Durchschweift mit Blicken das Gezelt der Franken
     Und sendet Seufzer, redet mit Gedanken.

63.

Von diesem Turm lauscht sie dem Kampfgewitter;
     Da pocht ihr Herz so heftig bey’m Betrachten,

75
     Daß es zu sagen scheint: „dein theurer Ritter

     Ist der, der drunten schlägt die Todesschlachten!“
     So steht sie dort, in Aengsten schwer und bitter,
     Des zweifelhaften Klingenspiels zu achten,
     Und stets, so oft den Säbel zückt der Heide,

80
     Tief in der Seele fühlt sie Schlag und Schneide.


64.

Doch wie sie recht es hört, wie sie vernommen,
     Der wilde Kampf soll bald auf’s neu beginnen:
     Da fühlt sie sich ganz ohne Maas beklommen,
     Ihr Herzblut augenblicks zu Eis gerinnen.

[183]
85
     Nun beben Seufzer, die verstohlen kommen,

     Nun läßt sie die verschwiegne Zähre rinnen;
     Bleich, blutlos, ganz verstöret in Gebehrden
     Läßt das Erbangen, läßt der Schmerz sie werden.

65.

Die Seele zeigt ihr ein Gebild voll Grauen,

90
     Das immer, immer wild die Brust empöret.

     Und Schlaf dünkt ärger nun, denn Tod, der Frauen,
     Von Träumen stets, seltsamem Spuck gestöhret.
     Den lieben Ritter glaubt sie dann zu schauen,
     Blutend, zersetzt! glaubt, daß den Ruf sie höret:

95
     „Herminia hilf!“ und ist der Traum zerflossen

     Fühlt Aug’ und Busen sie von Thau begossen.

66.

Doch was ihr Herze schlagen macht und bangen,
     Ist nicht blos Angst vor jenem sechsten Morgen:
     Auch um die Wunden, die er jetzt empfangen,

100
     Schwebt ihre Seele sonder Rast in Sorgen.

     Und die Gerüchte, die umher sich schwangen,
     Vergrößerten, was fern war und verborgen.
     So glaubte sie: zerquält, gemartert lieg’ er,
     Und schon dem Tode nah, der kühne Krieger.

67.

105
Und weil der Kräuterkraft geheimste Kunde

     Dem Töchterlein die Mutter einst ertheilet,
     Und des Gesangs, mit dem man jede Wunde
     Genäsen macht und all die Schmerzen heilet, -
     Die Kunst, die, fortgepflanzt von Mund zu Munde,

110
     Bey Asiens königlichen Töchtern weilet -

     So wünschet sie, daß nun durch ihre Hände
     Ihr vielgeliebter Herr Genäsung fände.

[187]
68.

Den Freund zu heilen, dahin geht ihr Trachten,
     Und pflegen soll sie hier des Feindes Leben:

115
     So daß Gedanken oft in ihr erwachten,

     Mit argem Todeskraut ihm zu vergeben.
     Doch muß sie bald so schnöde Kunst verachten,
     Wovor die fromm jungfräul’chen Hände beben;
     Das aber wünscht sie, daß die Kräutersäfte

120
     An Ihm verliehren all die Heilungskräfte.


69.

Und ohne Beben würde schon sie gehen,
     Wie fremd sie war, in all die Feindesschaaren.
     Denn oft schon hat sie Schlacht und Mord gesehen,
     Ein mühevoll und schwankend Loos erfahren,

125
     Daß Herz und Keckheit zu Gebot ihr stehen,

     Mehr als sie durch Geburt ihr eigen waren;
     Daß nicht so leicht gleich überall sie stutzet
     Und den geringern Schreckensbildern trutzet.

70.

Vor Allem scheucht der kühne Gott der Minne

130
     Dem weichen Busen jegliches Besorgen;

     Bey Tigern glaubte sie und mitteninne
     Bey Asiens Gift und Schlangen sich geborgen.
     Doch bangt es jetzt auch ihrem kühnen Sinne
     Um’s Leben nicht, macht doch der Ruf ihr Sorgen.

135
     Im Herzen kämpfen zwey feindseel’ge Triebe,

     Und zwey gewalt’ge Gegner: Ehre, Liebe.

[188]
71.

„O Mädchen – also klingt’s von jener Seite –
     Der mein Gebot und Spruch stets heilig galten:
     Keusch blieb dir Geist und Leib durch mein Geleite,

140
     Dir, Sklavinn einst in feindlichen Gewalten.

     Dies holde Mädchenthum wirft die Befreyte
     Jetzt weg, das die Gefangne rein erhalten?
     Ach, was kann in dein zartes Herz dir senken
     Solch einen Rath? was kannst du hoffen, denken?

72.

145
So leichtlich lässest du den Preis des Ruhmes

     Der Zucht und keuschen Sitte dir entwinden?
     Willt hin zum argen Feind des Heidenthumes,
     Nächtliche Buhle! dort Verschmähn zu finden?
     Stolz sagt der Sieger: deines Königthumes

150
     Verlust macht’ auch den Königssinn dir schwinden;

     Nicht würdig bist du mein; für andre Leute
     Sey die gemeine, schlechtwillkommne Beute!“

[192]
73.

Dann wird zur Lust sie wieder hingezogen
     Vom falschen Gott, der kosend um sie fleuget:

155
     „Bist du gezeugt vom kalten Fels der Wogen,

     O junges Blut? von Bärenmilch gesäuget?
     Daß flieh’n du müßtest Liebespfeil und Bogen,
     Verschmähtest, was so süße Lust erzeuget?
     Ist denn dein Busen Demantstein und Eisen,

160
     Daß Schmach es wäre, Liebende zu heißen?


74.

O gehe nur, wohin dein Wunsch dich führet!
     Doch kannst du grausam wol den Sieger meinen?
     Hat nicht dein Schmerz mit Schmerzen ihn gerühret?
     Litt Er nicht mit bey deinem Leid und Weinen?

165
     Nein Du bist grausam, die so träge führet,

     Wo’s gilt, dem Treuen hülfreich zu erscheinen!
     Der fromme Tankred schmachtet hin im Schmerze:
     Du heilst den Feind, o hart und danklos Herze!

75.

Ja, heil’ Arganten, daß es seinem Schwerde

170
     Gelinge, deinen Retter umzubringen!

     So wähnst du, daß die Schuld gezahlet werde?
     Solch einen Lohn soll seine Huld ihm bringen?
     Wie kannst du saümen dich von der Beschwerde
     Gottlosen Marterdienstes loszuringen?

175
     Gnügt Abscheu nicht und solches Unheils Drohen,

     Dorthin zu ziehn, im schnellsten Flug entflohen?

76.

Wohl wär’ es Menschenpflicht und wohl empfände
     Herminia herzinniges Vergnügen,
     Des Mitleids und der Heilung zarte Hände

180
     Dem starken Heldenbusen anzufügen:

     Daß so durch sie des Freundes Leid verschwände,
     Die Glut heimkehrte den verstörten Zügen,
     Und sie an seiner Huld, die nun zerronnen,
     Sich dürfte, als an ihrer Gabe, wonnen.

77.

185
Theil würde sie an seinem Lob erlangen

     Und des erhabnen Ruhmes stolzer Beute,
     Wann er mit süßem, züchtigen Umfangen,
     Und mit glückseel’ger Hochzeit sie erfreute,
     Gepriesen einst, hochausgezeichnet prangen

190
     Im Kreis der Römermütter und der Bräute

     Dort in Italja’s wunderschönem Lande,
     Des Muths und Glaubens wahrem Vaterlande.“

78.

So wird sie, ach! von Hoffnungswahn betrogen,
     Träumt Seligkeiten im bethörten Sinne!

195
     Doch schwimmt sie noch in tausend Zweifelswogen,

     Wie ohne Fahr sie aus der Stadt entrinne.
     Schildwachen halten rings die Burg umzogen,
     Schildwachen gehn rings auf der Mauerzinne;
     Auch wagt kein Tor bey diesen Kriegsunruhen,

200
     Denn um gewicht’gen Grund, sich aufzuthuen. –


79.

Es weilet oft Herminja bey Klorinden,
     Um lang an ihrer Nähe sich zu weiden;
     Dann wird bey Ihr das junge Roth sie finden,
     Bey Ihr die Abendsonne beym Verscheiden.

205
     Und wenn die Tageslichter all entschwinden,

     Umfängt ein Lager auch die schönen Beyden;
     Und kein Gedanke, der – bis auf die Liebe –
     Geheim dem Mädchen vor dem Mädchen bliebe.

80.

Nur hievon thut ihr nie Herminja Kündung;

210
     Und hört die Freundinn Klagen und Gewimmer:

     Dann deutet anders sie des Herzens Zündung,
     Und thut, als quäl’ ihr Ungemach sie immer.
     So stund, bey so herzinniger Verbündung,
     Herminjen offen stets Klorindens Zimmer,

215
     Sey sie im Rath, im Felde, oder dorten,

     Nie schlossen sich der Freundinn ihre Pforten.

[195]
81.

Einst kömmt sie hin, und anderswo verweilet
     Klorinde grad. Still steht sie, in Gedanken;
     Sie sinnet, wie sie klug von hinnen eilet,

220
     Wie sie verstohlen schleicht aus ihren Schranken.

     Da in verschiedne Pläne noch sie theilet
     Den irren Geist in zweifelvollem Schwanken,
     Erblickt sie an der Wand Klorindens schönen
     Schlachtrock und Wehrschmuck, und beginnt zu stöhnen.

82.

225
Und stöhnend sagt sie: „O zu seel’gen Loosen

     Ist doch die wunderkühne Maid erkieset!
     Wie neid’ ich sie! nicht um der Schönheit Rosen,
     Nicht um den Mädchenruhm, den sie genießet:
     Nein, weil kein lang Gewand sie hemmt den grosen

230
     Kriegsmuth kein neidisch Kämmerlein verschließet.

     Ihr Kleid ist Stahl. Wann sie zu gehn begehret,
     Wird nie durch Furcht noch Scheu es ihr gewehrt.

83.

Konnte mein Loos nicht gleiches mir erlauben,
     So starken Leib, ein Herz so unerschrocken,

235
     daß ich für Panzer auch und Waffenhauben

     Umtauschen dürfte Frauenschley’r und Rocken?
     Daß nie mein feurig Sehnen Sturmwindschnauben,
     Platzregen schreckte, Gluth und Winterflocken?
     Daß kühn ich ständ’, in Sonn’-, in Mondenscheine,

240
     Im Feld in Waffen, mit Gefolg, alleine?


84.

Dann durstest Du nicht, wilder Fürst Argante!
     Mit meinem Herrn den ersten Kampf verwalten:
     Ich war’s dann, die ihm erst entgegen rannte,
     Und könnt’ ihn jetzt vielleicht gefangen halten;

245
     Hier hätt’ er nur durch seine liebentbrannte

     Feindinn ein leicht und mildes Joch erhalten,
     Und diese Fessel, welche mich umwinden,
     Würd ich, durch seine, süß und linde finden.

85.

Und wenn sein Arm dagegen meinem Blute

250
     Bahn brach durch diese Brust mit Herzenswunden:

     Durch Schwerdschlag durfte die vom Liebesmuthe
     Geschlagne Wunde also doch gesunden.
     Dann mogte, wenn der matte Leib nun ruhte,
     Und wenn den Frieden meine Seel’ erfunden,

255
     Der Sieger ein’ge Ehre wol gewähren

     Der Asch’ und dem Gebein: ein Grab und Zähren!

86.

Doch ach, ich wünsch’ Unmöglichkeit! vom Schwarme
     Thörigter Träume nur lass’ ich mich jagen!
     Doch bleib’ ich hier? soll’ ich in feigem Harme,

260
     Nach Art gemeiner Weiber, hier verzagen?

     Nicht bleib’ ich, nicht! Muth stärkt mir Herz und Arme!
     Sollt’ ich nicht auch einmal den Panzer tragen?
     Nicht kurze Zeit gewachsen seyn den Waffen,
     Sind gleich die Glieder schwach und zart geschaffen?

87.

265
Ich könnt’, ich könnt’ es! Liebesgeister machten

     Mich stark, die hohe Kraft in Schwache bringen,
     Die oft dem feigen Hirsche Muth anfachten,
     Gewaffnet kühn zum Kampf hinan zu dringen.
     Ich suche mit der Wehr ja keine Schlachten,

270
     Will nur mit ihr die Liebeslist vollbringen;

     Klorinden spiel’ ich; sicher werd’ ich gehen,
     Lass’ ich mich als ihr Ebenbildniß sehen.


So hoff’ ich, daß ich leicht durchs Tor entrinne;
     Kein Torwart mag Klorinden widerstreben.

275
     Ich finde keinen Weg, wie sehr ich sinne;

     Mir, dünkt mich, öffnet sich nur dieser eben.
     Zufall begünstigt und der Gott der Minne
     Harmlosen Trug, den Er mir eingegeben.
     Wohl günstig ist die Stunde für die Sache,

280
     Dieweil Klorinde noch verweilt beym Schache“.
[198]
89.

Beschlossen ist’s. Gespornet, hingerissen
     Von Liebeswahnsinn, ohne Rast und Zagen
     Nimmt sie Klorindens Waffenzeug, beflissen
     In ihr Gemach, dicht neben, sie zu tragen.

285
     Sie war allein; kein Diener konnt’ es wissen;

     Die gingen, als sie kam; leicht kann sie’s wagen.
     Auch deckt die Nacht den Raub nun zu, der Diebe
     Befreundete Gefährtinn und der Liebe.

90.

Als nun die Dunkel sie am Himmel schaute

290
     Und flimmern hier und da der Sterne Feuer:

     Rief sie den Knappen schnell mit leisem Laute,
     Der stets sich ihr erwies als Vielgetreuer;

[199]

     Und eine Zof’, ihr lieb und hold: vertraute
     Ein Theil den Beyden von dem Awenteuer,

295
     Enthüllt den Plan, daß sie vonhinnen fliehe,

     Und daß ein andrer Grund sie weiter ziehe.

91.

Indeß nun rasch der treue Schildgeselle,
     Was ihm zur Reise nöthig dünkt, bereitet:
     Nimmt sie das Kleid ab, das in stolzer Welle

300
     Vom Haubte bis zur Sohl’ hernieder gleitet,

     Und steht im Unterkleid so schön zur Stelle,
     So schlank, daß es den Glauben überschreitet!
     Wobey ihr Niemand weiter Hülf’ erweiset,
     Als die Erwählte, welche mit ihr reiset.

92.

305
Sie zwängt und preßt in härtsten Stahl die milde,

     Jungfräul’che Brust und Lockengold zumahle;
     Die Mädchenhand greift nach dem schweren Schilde,
     Fast überwältigt von dem wicht’gen Stahle;
     Sie zwingt sich keck zu seyn, recht kriegrisch wilde,

310
     Hell funkelnd um und um im Waffenstrahle.

          Auf lacht der Liebesgott! so selbst zufrieden,
     Wie, als er barg im Weiberrock Alziden.

93.

O wie die übermächt’ge Last sie preßte,
     Wie mühsam regt sie sich, wie langsam schreitend!

315
     Hält an die treue Zofe stets sich feste,

     Die bey ihr gehn muß, stützend und geleitend.
     Doch Lieb’ und Hoffnung helfen ihr auf’s beste,
     Dem schwachen Leib stets neue Kraft bereitend:
     Bis sie den Weg zum Knappen bin vollbringen,

320
     Mit dem sie jach sich in die Bügel schwingen. u. s. w.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 87.