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ADB:Sabinus, Georg

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Artikel „Sabinus, Georg“ von Georg Ellinger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 107–111, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sabinus,_Georg&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 05:39 Uhr UTC)
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Sabinus: Georg S., Philologe und neulateinischer Dichter, geboren am 23. April 1508 in Brandenburg, wo sein Vater Balthasar Schuler ein angesehener Bürger war. 1523 oder 1524 bezog er die Universität Wittenberg und genoß hier den Unterricht und die Freundschaft Melanchthon’s, der ihn in sein Haus aufnahm und den er auf den Augsburger Reichstag von 1530 begleitete. In Wittenberg nahm er auch für seinen Familiennamen den Dichternamen Sabinus an. Eine innige Freundschaft verband ihn mit Joachim Camerarius, auch Eoban Hessus, Simon Lemnius u. A. standen ihm nahe und seit dem Augsburger Reichstage gelang es ihm, mannichfache Beziehungen zu Fürsten, geistlichen Würdenträgern und Hofleuten anzuknüpfen. Nach seiner Rückkehr aus Italien, wohin er sich 1533 begeben und wo er ebenfalls viele Beziehungen zu berühmten und einflußreichen Gelehrten und Dichtern einleitete – am wichtigsten war für ihn die Freundschaft mit Pietro Bembo – verlobte er sich mit Melanchthon’s Tochter Anna und heirathete am 6. November 1536 die erst Vierzehnjährige. Die Ehe war keine glückliche. Es kam durch eine Reihe von unglücklichen Umständen zwischen den beiden Gatten zu Zerwürfnissen, die Melanchthon eine längere Zeit S. gegenüber tief verstimmten. Die größere Schuld bei diesem ehelichen Zwist wird S. zuzuschreiben sein, doch war auch Anna nicht frei von Schuld, und ob sich S. wirklich so weit hat hinreißen lassen, einen von ihm selbst angefertigten Liebesbrief unterzuschieben, um Anna der Untreue zeihen zu können, bleibt unsicher, da uns nur von der einen Partei die Zeugnisse vorliegen. Anna starb, wie vorgreifend gleich hier bemerkt sein möge, am 26. Februar 1547; S. heirathete im J. 1550 zum zweiten Male. – Von Joachim II. wurde S. im J. 1538 als Professor der Beredsamkeit an die Universität Frankfurt a. O. berufen, wo er fünf Jahre lang mit Erfolg wirkte, bis ihn im J. 1544 Herzog Albrecht I. von Preußen als Rector an seine neugegründete freie Schule in Königsberg berief; und als unmittelbar darauf diese Schule in eine Universität verwandelt wurde, ging auch S. als Rector an dieselbe über. In Königsberg lebte S. in angesehener Stellung und in regem Verkehr mit Gönnern und Freunden, bis die seit der Berufung Osiander’s (1549) an der Universität ausgebrochenen [108] theologischen Streitigkeiten zu Zerwürfnissen unter den Lehrern der Universität führten und es infolgedessen auch zum Bruch zwischen dem Herzog und S. kam, wodurch dieser veranlaßt wurde, seine Stellung aufzugeben (Anfang 1555). Er ging wieder als Professor und kurfürstlicher Rath nach Frankfurt a. O. und übernahm mehrfach im Auftrage Joachim’s II. ehrenvolle Gesandtschaften nach Polen und Italien. Aus Italien zurückgekehrt, starb er in Frankfurt am 2. December 1560.

Seine Thätigkeit als Philologe ist nicht von besonderer Bedeutung. Er veranstaltete eine werthlose Ausgabe von Cicero’s Orator, die er seinen Vorlesungen zu Grunde legte. Von seinen Interpretationen römischer Dichter ist nur die Erklärung der Metamorphosen Ovid’s gedruckt worden (zuerst 1554), und diesem Werk kann eine gewisse Bedeutung nicht abgestritten werden, da es uns einen Einblick in die Lehrmethode des Sabinus und die damals übliche Art der Interpretation überhaupt gestattet. S. bleibt keineswegs bei der Außenseite des Schriftstellers, der sprachlichen Erklärung, stehen, sondern er sucht in den Geist des Kunstwerks einzudringen und macht beständig auf den Plan des Dichters und einzelne poetische Schönheiten aufmerksam. Daneben sucht er die Interpretation auch in den Dienst der moralischen Unterweisung zu stellen, bei sehr vielen Fabeln wird am Schluß die Lehre formulirt, die sich aus der Erzählung ergibt und so die Betrachtung mit einer moralischen Nutzanwendung geschlossen. Verwandte Sagen werden zum Vergleich herangezogen, Deutungen, zum Theil rationalistischer Art, versucht, und öfter kehren Anspielungen auf Ereignisse und Zustände der Zeit des Erklärers wieder. Und überall ist auf die Ausnützung des römischen Dichters für die poetische Production Rücksicht genommen; für einzelne Stellen wird geradezu auf die Gegenstände hingewiesen, bei deren dichterischer Behandlung sie einfach herübergenommen und verwendet werden könnten. – Eine Anzahl von Normen für die poetische Production stellte S. in seinem Büchlein „De carminibus ad veterum imitationem artificiose componendis praecepta bona et utilia“ (zuerst 1551) zusammen. Er warnt in diesem kleinen Abriß einer Poetik vor allzu hastigem Hinwerfen der Verse und mahnt zu ruhiger Ueberlegung und sorgfältigem Ausfeilen. Er bestimmt sodann diejenigen Wortarten und Wendungen, die in der Poesie zu vermeiden oder nur in gewissen Fällen und in bestimmten Umschreibungen anzuwenden seien, und es ist ein Zeichen seines guten Geschmacks, daß er dabei die damals so beliebte Mischung lateinischer und griechischer Worte im Verse entschieden verurtheilt. Ueber Epitheta und einzelne Figuren wird gehandelt, und in mehreren Capiteln sind metrische Bemerkungen zusammengestellt. Im ganzen kann man von dem Werkchen sagen, daß es die einschlagenden Fragen mit Einsicht und Geschmack behandelt. – Auch als Historiker hat sich S. versucht und als Anfang einer geplanten Geschichte Karl’s V. eine Beschreibung der Wahl und Krönung Karl’s veröffentlicht (1544); ihr folgte die Erzählung von der Berathung Maximilian’s über einen Türkenkrieg (1551). Auch der brandenburgischen Geschichte wandte er sich zu und beabsichtigte, eine Geschichte der sämmtlichen Markgrafen zu schreiben, führte aber nur die Biographieen zweier früheren Markgrafen, des Hugo und Dietrich, aus (1552). Der wirkliche historische Werth dieser Werke ist gering; der Hauptnachdruck ruht aus den sorgfältig stilisirten Reden, die nach dem Vorbild der antiken Geschichtschreiber eingeflochten sind.

Weit mehr indessen als durch seine wissenschaftlichen Arbeiten, zieht uns S. durch seine dichterische Thätigkeit an. Die hervortagendste Stelle unter seinen Gedichten nehmen die sechs Bücher Elegieen ein, und unter den Elegieen wieder kommt den Liebesgedichten die größte Bedeutung zu. Denn wenn ihnen auch die Stücke andern Inhalts an Zahl weit überlegen sind, so zeichnen sie sich [109] doch dadurch aus, daß sie durchweg den Stempel des Erlebten tragen und von einem Hauche frisch individuellen Lebens angeweht sind, den wir bei den übrigen meist vergebens suchen. Wie bei Lotichius sind diese Gedichte nicht an die Geliebte selbst gerichtet, sondern der Dichter erzählt von seiner Liebe, und zwar ist es Anna Melanchthon, der seine Lieder gelten. Schön führt der Dichter die Geliebte vor, wie sie ihm bei seiner Abreise nach Italien mit züchtig gesenktem Haupte und schamhaft niedergeschlagenen Augen als Pfand der Liebe einen Kranz überreicht. Doch wird diese schlichte Art der Erzählung verhältnißmäßig selten angewendet, meist bedient sich der Dichter der mythologischen Motive der Anakreontik. So zeigt ihm Amor die Geliebte und sofort zieht die Liebe in sein Herz ein. In einer andern Elegie wird ganz ähnlich wie in einem von Opitz übersetzten Gedicht Ronsard’s erzählt, wie Venus ihren Sohn zu dem Dichter bringt und ihn bittet, sein Lehrer zu sein. Doch nicht in der Heilkunde, noch in der Rechtsgelehrsamkeit soll er ihn unterweisen, sondern in die Dichtkunst ihn einführen. Aber der Knabe erträgt die Zügel des Lehrers nicht; aus seinem Köcher nimmt er einen Pfeil, legt ihn auf den Bogen und trifft damit die Brust des Dichters mit den Worten: „Melanchthon’s Tochter wird diese Wunde heilen“. Von Stund an ist sein Herz von Liebe zu Anna erfüllt; mit stürmischen Bitten beschwört er die Jungfrau, die Seine zu sein, und schließlich erhört sie ihn (III, 2). Der lange Brautstand veranlaßt ihn zu leidenschaftlichen Klagen, daß ihm die Geliebte nicht ganz zu Theil werde; da tritt Amor zu ihm und verheißt ihm baldige Erfüllung seiner Wünsche (III, 5).

Aehnliche Einkleidungen gebraucht S. auch sonst, um eigene Erlebnisse und Empfindungen auszudrücken. So erzählt er von seinem Entschluß, der Poesie den Abschied zu geben und sich der goldverheißenden Rechtsgelehrsamkeit zuzuwenden. Da naht sich ihm die Muse und gewinnt ihn wieder für die Dichtkunst, indem sie ihn auf die Vergänglichkeit der irdischen Güter und die Unsterblichkeit des Sängers hinweist (III, 3). In einem andern Gedicht tritt Germania zu ihm und fordert ihn auf, ihre Geschichte zu schreiben (V, 3). Auch die Berufung nach Königsberg und die Gründung des dortigen Gymnasiums wird dem im schattigen Walde sich ergehenden und dort süße Weisen anstimmenden Dichter durch den Götterboten Hermes angekündigt (III, 5). Selten wird bei ähnlichen Gegenständen von diesen mythologischen Einkleidungen abgesehen, so in einem Gedicht an Petrus Bembus, in welchem der Dichter sich über die rauhe und wilde Zeit beklagt, die seine Muse zum Schweigen bringt, und die Hoffnung auf bessere Tage ausspricht, in denen er wieder die Leier rühren kann (III, 9). – Versucht man sonst, die Elegieen nach ihrem Inhalt zu gruppiren, so haben wir zunächst eine Reihe von Lobgedichten an vornehme Gönner, durch die wie ein rother Faden sich der Gedanke hindurchzieht, daß es der Mühe werth sei, die Gunst des Sängers sich zu erwerben, da er es allein sei, der die Unsterblichkeit verleihe. Andere Gedichte sind erzählend: so werden entweder einige damals angeblich vorgefallene Schaudergeschichten berichtet (I, 3. IV, 4) oder der Dichter wendet sich größeren Ereignissen seiner Zeit zu; er schildert etwa die Rückkehr Joachim’s II. aus dem Türkenkrieg oder Karl’s V. Einzug in Augsburg (I, 2 und 7). An sinnfälliger Schilderung fehlt es nicht, doch ruht auch hier der Hauptnachdruck auf den Reden, die einzelnen Personen in den Mund gelegt sind. Werden in dem zuletzt erwähnten Gedicht die Thaten Karl’s in den beiden ersten Kriegen mit Franz I. angeführt, so haben diese auch sonst S. Stoff für seine Dichtungen gewährt. In einer Ekloge hat er die Gefangennahme Franz’s besungen und ganz ähnlich wie bei den oben angeführten Einkleidungen wird in einer der längsten Elegieen Roma eine Klage in den Mund gelegt über das Schicksal, das sie bei der Erstürmung durch die [110] Kaiserlichen getroffen; dabei wird diese Eroberung in ihren Einzelheiten erzählt (V, 1). – Auch das so vielfach von den neulateinischen Dichtern behandelte Thema, die Türkengefahr, kehrt bei S. immer wieder. In einer klagt Germania dem Kaiser Ferdinand, daß sie von inneren Zwistigkeiten gequält, von äußeren Feinden bedrängt wird, und sie fordert ihn auf, sich an die Spitze der Deutschen zu stellen und die Türken zu bekriegen, die Gott in seine Hand geben werde (I, 4). Und auch der Dichter selbst redet Germanien an; er hält ihm seine jetzige Schwäche im Vergleich zu seiner früheren kriegerischen Tüchtigkeit vor und fordert es auf, jetzt seine Kraft zu zeigen, den Türken die geraubten Städte wieder zu entreißen und das Reich zu beschützen (III, 12). Es ist bei dieser Gesinnung natürlich, daß der brandenburgische Dichter Joachim’s II. Türkenzug mit dem wärmsten Antheil begleitete. Daß er von Joachim’s Rückkehr erzählte, ist schon berichtet. Aber auch bei seiner Abreise zum Türkenkrieg hat S. seinem Fürsten mehrere glückwünschende und siegverheißende Gedichte gewidmet und ihn als einen der wenigen Deutschen gefeiert, in deren Brust die alte Tüchtigkeit noch nicht erloschen sei (IV, 1 und 2). Und als später der Geschichtschreiber Paul Jovius den Joachim allein für den unglücklichen Ausgang des Türkenkrieges verantwortlich machte, suchte S. nicht allein in einem längeren Schreiben an Sleidan den Historiker von der Unrichtigkeit dieser Behauptung zu überzeugen, sondern er schrieb auch die Elegie: „An die Nachwelt“, in welcher er Joachim gegen die Vorwürfe des Jovius in Schutz nahm. – Das ganze zweite Buch der Elegieen nimmt das Reisegedicht ein, in welchem S. seine Reise nach Italien schildert. Sehenswürdigkeiten, Erlebnisse und denkwürdige Begebenheiten seiner Reise werden nach einander aufgezählt und beschrieben, meist ohne höheren Schwung; doch findet sich hier die bereits erwähnte Abschiedsscene, und für die großen Eindrücke des Hochgebirges ist der Dichter nicht unempfänglich geblieben und hat dieselben in angemessenen Worten wiedergegeben.

Außer den Elegieen hat S. noch ein Buch Hendecasyllaben, zwei Bücher, in denen die deutschen Kaiser und ihre Thaten geschildert werden, zwei Eklogen, ein längeres Gelegenheitsgedicht und ein Buch Epigramme verfaßt. Die beiden Bücher handeln jeden Kaiser von Karl d. Gr. bis herunter auf König Ferdinand kurz und trocken in Distichen ab; es ist kalte und nüchterne Schulpoesie. Das Gleiche kann man von dem Gratulationsgedicht zur Hochzeit des Königs Sigismund von Polen sagen, wo nach einer in der neulateinischen Dichtung häufig wiederkehrenden Einleitung die einzelnen polnischen Könige vor Sigismund ebenso summarisch abgethan werden, wie die deutschen Kaiser. Die Epigramme enthalten neben Grabschriften und Sinnsprüchen auf Bilder kleine schwankartige Erzählungen, theils ohne ein fabula docet, theils mit bestimmt ausgesprochener Tendenz, die sich etwa gegen die Astrologen oder die Zwietracht der Fürsten richtet. Andere Epigramme wenden sich gegen schmeichelnde Poeten, Aufschneider, Wucherer, Gecken und Neider; einzelne Epigramme geißeln die Trägheit und Unwissenheit der Mönche. Auch Wortwitze finden sich, so wenn z. B. von einem gewissen Urban gesprochen wird, der aber beim Trinken immer sehr inurban wird. Gegen einen Verkleinerer Hussens wendet sich ein Epigramm, und schön wird von Huß gesagt, daß lebendiges Feuer seinen Geist durchglüht habe. Den auch von Stigel, Gigas und anderen zum Wittenberger Kreise gehörenden Poeten in Epigrammen angegriffenen Franzosen Stephan Dolet schont auch S. nicht, dagegen rühmt er überschwenglich die Poesieen seiner Schüler und Freunde Andreas Müncer und Johann Bocer.

Die Ausgaben der Schriften des Sabinus und die früheren Arbeiten über ihn verzeichnet die sorgfältige Arbeit von Max Töppen: Die Gründung [111] der Universität zu Königsberg und das Leben ihres ersten Rectors Georg Sabinus. Königsberg 1844. Ferner kann verglichen werden der Aufsatz: Anna Sabinus, in dem Buch von Muther: Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben des Zeitalters der Reformation. Erlangen 1866, in welchem der Verfasser jedoch zu stark gegen Sabinus Partei nimmt. Vgl. auch noch Erich Schmidt, Archiv für Litteraturgeschichte XI, 320 f.