Watt, Volt und andere Schikanen: Troubleshooting Yachtelektrik
Von Alexander Worms
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Über dieses E-Book
Der Skipper von heute muss nicht nur navigieren, sondern auch die zunehmend komplizierten Bordsysteme bedienen, die Yachtelektrik kennen und im Notfall reparieren können. Dazu braucht er einiges technisches Verständnis: Ankerwinsch, Positionslichter, Bugstrahlruder oder elektrische Winschen – für einen reibungslosen Törn muss all das funktionieren. Doch woher kommt das erforderliche Wissen, wenn solch ein System einmal ausfällt?
Dieses Buch vermittelt für Einsteiger leicht verständlich die unbedingt erforderlichen theoretischen Grundlagen der Yachtelektrik, beschreibt unabhängig von unternehmerischen Interessen Produkte sowie deren Eignung und steht dem Skipper zur Seite, wenn ein System einmal nicht funktioniert und es gilt, systematisch einen Fehler zu suchen und zu beheben.
Das vorliegende Buch besteht aus drei Bereichen:
Ähnlich wie Watt, Volt und andere Schikanen
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Buchvorschau
Watt, Volt und andere Schikanen - Alexander Worms
1.1 Ampere, Volt oder Watt?
Wer sich mit dem Thema Elektrik auf Yachten beschäftigt, ist gut beraten, sich mit ein wenig theoretischem Wissen zu wappnen. Dieses Wissen hilft, findigen Verkäufern kompetent gegenüberzutreten und im Fehlerfall schnell und zielgerichtet das Übel zu finden und auszumerzen. Zudem dient es dazu, bei der Auslegung des eigenen Bordnetzes die richtigen Entscheidungen zu treffen. Da es wirklich nur ein wenig Theorie sein soll, im Folgenden also ein Ausflug zu Watt, Volt und Ampere.
Elektrizität wird auf Booten im Wesentlichen für zwei Dinge benötigt: Elektromotoren sollen sich drehen, etwa in der Ankerwinsch, der Trinkwasserpumpe oder dem Kompressorkühlschrank, oder Wärme beziehungsweise Licht sollen erzeugt werden. Das ist dem Wesen nach übrigens dasselbe. Um den zweiten Fall kümmern wir uns in Kapitel 1.2. Stellen wir uns für den ersten Fall eine Ankerwinsch vor. Sie soll Anker und Kette aus der Tiefe an Deck befördern. Dazu muss sie das Grundeisen und die schwere Kette etwa 20 Meter in die Höhe ziehen. Angetrieben wird sie durch einen Motor, der seine Energie wiederum aus einer Batterie erhält.
Anstelle des Motors stellen wir uns ein Mühlrad vor – genau so, wie an einer Wassermühle. Die Batterie ist ein sehr großer Tank voll mit Wasser. Damit sich das Mühlrad mit dem schweren Anker an seiner Kette überhaupt bewegt, braucht es eine ganz schöne Menge Wasser auf den Schaufeln des Rades. Doch die Menge des Wassers ist nicht die einzige Einflussgröße. Es ist leicht vorstellbar, dass ebenfalls die Geschwindigkeit, mit der das Wasser auf die Schaufeln trifft, Einfluss auf die Aufholgeschwindigkeit des Ankers hat: mehr Geschwindigkeit des Wassers, mehr Geschwindigkeit beim Aufholen.
Oder anders: Trifft das Wasser mit mehr Geschwindigkeit auf die Schaufeln, kann man mit einer kleineren Menge Wasser die Ankerkette und den Anker an Bord hieven. So ist das auch mit dem Strom. Der ist in unserem Vergleich die Menge Wasser. Er wird in Ampere gemessen. Die an der Ankerkette zu verrichtende Arbeit ist die Leistung in Watt. Die Geschwindigkeit oder der Druck des Wassers ist die Spannung. Sie wird in Volt gemessen. Natürlich stehen diese Größen im Verhältnis zueinander. Aus dem Physikunterricht wird man sich noch an das Verhältnis von Kraft, Strecke und Arbeit erinnern:
Arbeit = Kraft × Strecke.
Ähnlich ist es auch beim Strom:
Watt = Ampere × Volt.
Oder analog zu unserem Beispiel:
Aufzuholender Anker mit Kette = Wassermenge × Wasserdruck.
Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, dass die Leistung in Watt, also die Arbeit, die zum Aufholen des Ankers benötigt wird, im Laufe des Vorgangs konstant ist. Was hingegen nicht konstant ist, ist die Geschwindigkeit des Wassers. Es ist leicht vorstellbar, dass diese abnimmt, sobald der Tank leerer wird, also von oben weniger Gewicht auf das aus dem Tank strömende Wasser drückt. Nimmt seine Geschwindigkeit ab, muss logischerweise mehr Wasser fließen, um die gleiche Leistung zu verrichten.
Ein Beispiel: Die benötigte Leistung sei konstant bei 16. Die Spannung, also die Geschwindigkeit, sinkt im Laufe des Prozesses von 4 auf 2. Also lautet die Gleichung: Leistung (16) = Spannung (4) × Strom (4). Sinkt die Spannung, heißt die Gleichung:
Leistung (16) = Spannung (2) × Strom (8).
Elektrisch heißt das: Wird die Batterie leerer, sinkt die Spannung bei konstanter Leistung fließt dann mehr Strom, wodurch die Batterie wiederum schneller leer wird usw. Wie lange darf nun aber das Aufholen der Ankerkette dauern, bis die Batterie (also der Wassertank) leer ist?
Dazu helfen die Angaben auf den Geräten. Auf unserer Ankerwinsch steht: 1200 Watt. Das heißt, wenn sie eine Stunde läuft, verbraucht sie 1200 Watt oder 1200 Wattstunden oder 1,2 Kilowattstunden (KWh). Auf dem Typenschild des Akkus steht 200 Ah, diese Abkürzung steht für Amperestunden. Ein Akku mit 200 Amperestunden kann theoretisch 200 Stunden lang ein Ampere abgeben. Oder zwei Stunden lang 100 Ampere. Wie gesagt: theoretisch, denn erstens gibt es einen Maximalstrom, den der Akku auf einmal zur Verfügung stellen kann. Dieser hängt vom Batterietyp ab (siehe Kapitel 4.1). Zweitens kann ein Akku, wieder abhängig vom Typ, mehr oder weniger von seiner Kapazität abgeben, ohne dabei Schaden zu nehmen, also etwa vorzeitig zu altern oder gar gänzlich seine Funktion zu verlieren. Wir gehen hier einmal von 50 Prozent Maximalabgabe aus. Es stehen hier also 100 Ah zur Verfügung. Wenn Watt = Volt × Ampere ist, wir eine 12-Volt-Batterie und -Ankerwinde haben und nun wissen möchten, wie viel Ampere das bedeutet, gilt ja: Watt: Volt = Ampere, mithin 1200 W : 12 V = 100 A. Ist der Akku also ganz voll geladen, kann die Ankerwinsch eine Stunde lang arbeiten, bis er so leer wird, dass er erneut aufgeladen werden muss.
Wie lange wäre nun die Zeit, wenn es ein 24-Volt-Bordnetz gäbe? Dann wären, vergleichbar des Bauraums und Gewichts zu obigem 200-Amperestunden-Akku, zwei je 100 Ah große 12-Volt-Akkus in Reihe geschaltet, die die erforderlichen 24 Volt liefern. Dann wären 1200 Watt : 24 Volt = 50 Ampere. Auch hier könnte also nur eine Stunde lang gehoben werden.
Warum? Schaltet man die Akkus hintereinander, also in Reihe (Pluspol Akku 1 auf Minuspol Akku 2), verdoppelt sich die Spannung. Die Kapazität, also die Amperestunden, bleiben aber gleich. Da zwei je 100 Ah große Akkus verwendet wurden und davon ja nur 50 Prozent Maximalabgabe zur Verfügung stehen, kommt man bei einem Bedarf von 50 Ampere auch nur 50 Ah, also eine Stunde, weit. Aber: Die Menge des geflossenen Wassers aus dem Anfangsbeispiel ist geringer. Es konnte dennoch die gleiche Arbeit verrichten, weil die Spannung, also der Druck des Wassers, höher war (warum das wichtig ist, steht in Kapitel 1.2). Alternativ können mehrere Akkus auch parallel geschaltet werden. Das ist sinnvoll, wenn der für die Akkus zur Verfügung stehende Platz auf einer Yacht nicht an ein und derselben Stelle liegt, also die Batterien etwa unter den Bodenbrettern verteilt werden müssen, quasi nebeneinan der. Dazu werden die Plus- und die Minuspole untereinander verbunden.
ACHTUNG: Es können nur gleich große und gleich volle Akkus in Reihe oder parallel geschaltet werden.
Wichtige Punkte:
Zum Verstehen von Strom hilft das Beispiel mit der Wassermühle.
Watt, Volt und Ampere, also Leistung, Spannung und Strom, stehen im Verhältnis zueinander, wobei die Leistung vom Verbraucher und die Spannung vom Bordnetz vorgegeben wird.
Es gilt: Watt = Volt × Ampere, analog Ampere = Watt : Volt, analog Volt = Watt : Ampere.
Um Kapazität oder Spannung zu verändern, können mehrere Akkus parallel oder in Reihe geschaltet werden; die gespeicherte Leistung ändert sich dabei nicht!
Es können nur gleich große und gleich volle Akkus miteinander verschaltet werden.
1.2 Kabel, Sicherungen, Querschnitte, Widerstände und Verbindungen
Strom ist gefährlich. Das lernen wir schon in frühester Jugend. Viele denken, bei 12 Volt – wie auf den meisten Yachten – sei dies nicht der Fall. Doch weit gefehlt! Zwar verspürt man beim Anfassen allenfalls ein unangenehmes Kribbeln, doch die niedrige Spannung hat andere Tücken. So kann sie zu Bränden an Bord führen, wenn das System nicht ordentlich ausgelegt ist. Wieso? Die Antwort findet sich in diesem Kapitel.
Widerstand
Man stelle sich anhand unseres Ausgangsbeispiels vor, das Wasser würde aus dem Vorratstank durch Schläuche auf das Mühlrad geführt – so, wie Strom durch Kabel an Bord fließt. Dann ist es leicht einzusehen, dass das Wasser in dem Schlauch einen Widerstand wahrnimmt, wenn dieser im Verhältnis zur fließenden Menge Wasser zu dünn ist. Ist er extrem dick, also sein Querschnitt enorm hoch, so wird er nur wenig Widerstand für das Wasser darstellen. Ebenso ist sicherlich vorstellbar, dass die Länge des Schlauchs Einfluss auf den Wider stand hat. Ist er sehr lang, so wird sich das vorbeiströmende Wasser an den Wandungen des Schlauchs reiben. Es verlangsamt sich. Mehr Länge bedeutet mehr Reibung, also auch mehr Widerstand.
Es gilt: Der Widerstand eines Kabels wird größer, wenn es länger wird, und kleiner, wenn es dicker wird.
Während sich im Schlauch die Durchflussgeschwindigkeit reduziert, sinkt im Kabel die Spannung. Dadurch sinkt die Leistung am Verbraucher (Glühlampe wird weniger hell).
Fließt mehr Strom durch das Kabel, wird das Kabel durch erhöhte Reibung warm. Im Falle eines Glühdrahtes wird er sogar extrem warm. Sogar so sehr, dass die Energie nicht nur in Form von Wärme, sondern auch als Licht entweicht. Die Rede ist von einer Glühlampe. Ihr Glühfaden hat einen hohen Wider stand und einen hohen Schmelzpunkt. So kann er sehr heiß werden und leuchten, ohne zu schmelzen. Dies ist eine Art von elektrischem Verbraucher, der auf Widerstand basiert. Auch andere Geräte im Bordnetz haben einen Wider stand. Diese sollen uns hier jedoch nicht interessieren.