Über dieses E-Book
Materialreich und exemplarisch behandeln die fünf Essays des Bandes Schriftbildhandlungen im aktuellen Film, in der modernen Gegenwartskunst, im mittelalterlichen Fresko und in der antiken Skulptur. Das Buch schaltet sich damit in die aktuelle bildwissenschaftliche, bildakttheoretische und diagrammatologische Diskussion ein. Westerkamp vertritt einen bildpragmatischen Ansatz, der philosophisch in einen kritischen Pragmatismus eingebettet ist. Zum Tragen kommt eine methodische Doppelperspektive, die den stärker deduktiven Zug der Theoriebildung mit dem eher deskriptiven Gestus konkreter Phänomenbeschreibung vermittelt.
Zwei programmatische Abschnitte rahmen die phänomenologischen Beiträge des Buchs, bündeln deren handlungstheoretische Überlegungen und stellen eine mögliche Typologie von Schriftbildakten (Scripicturalia) zur Diskussion.
Dirk Westerkamp
Dirk Westerkamp ist Professor für theoretische Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel und Mitherausgeber der »Zeitschrift für Kulturphilosophie«. Zuletzt erschien in der »Blauen Reihe«: Sachen und Sätze. Untersuchungen zur symbolischen Reflexion der Sprache (2014).
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Buchvorschau
Schrift, Bild, Handlung - Dirk Westerkamp
Dirk Westerkamp
Schrift, Bild, Handlung
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹https://portal.dnb.de› abrufbar.
eISBN (PDF) 978-3-7873-4243-3
eISBN (ePub) 978-3-7873-4288-4
© Felix Meiner Verlag Hamburg 2022. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53, 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Konvertierung: Bookwire GmbH
Inhalt
Vorbemerkung
SCHRIFTBILDAKTE
Begriff, Probleme, Beispiele
MEDEAS AUGENBLICK
Das tragische Bild: Dialektik im Stillstand
DEO GRACIAS
Daseinsdank als Schriftbildrätsel
AMBIGE OBJEKTE
Die Unerschöpflichkeit des Gegenstands
SCHRIFTBILDAKTIVISMUS
Typen, Thesen, Perspektiven
Register
Nachweise
Vorbemerkung
Dieses Buch versammelt Beiträge zu einer Ästhetik der Schriftbildakte. Sie beziehen sich sowohl auf eine bereits eingeführte Bildakttheorie als auch auf neuere Studien zur Schriftbildlichkeit.¹ Im Unterschied zu diesen Ansätzen formulieren die folgenden Überlegungen weder eine »Diagrammatologie« noch eine »Philosophie des Graphismus«.² Der Anspruch der vorliegenden Essays ist bescheidener. Absicht ist eine kleine Ästhetik der Scripicturalia. Verbunden sind sie in ihrem bildpragmatischen Ansatz, philosophisch eingebettet in einen kritischen Pragmatismus. Dieser bildpragmatische Ansatz nimmt eine doppelte Perspektive ein, insofern der stärker deduktive Zug der Theoriebildung mit dem eher deskriptiven Gestus konkreter Phänomenbeschreibung vermittelt wird.
Auch dieser bildpragmatische Ansatz will nicht behaupten, dass Schriftbilder von sich her handeln. Eine schlechthin subjektlose Verselbständigung intentionalen Handelns ist keinem Artefakt möglich. Evident ist aber, dass wir mit ihnen, durch sie und an ihnen Handlungen ausführen. Das scheint trivial, wird aber philosophisch gehaltvoll durch die Einsicht, dass unsere Intentionen nicht einfach nur die Schriftbilder beherrschen, sondern diese auch auf jene zurückwirken. Sie erzeugen neue Absichten, Motive und Entschlüsse in den durch sie Handelnden selbst. So tritt neben der ursprünglichen und der abgeleiteten Intentionalität auch eine Form reflexiver Intentionalität hervor.
Thematisiert werden drei Arten möglicher Handlungsbezüge von Bild und Schrift. Schriftbildakte können – repräsentativ – Handlung mitteilen, berichten, erzählen; sie können – evokativ – Handlungen auslösen, anmahnen, herausfordern; und sie können – performativ – selbst Produkt, Wirkung, Ausführung einer Handlung sein. Die Essays folgen diesem systematischen Aufriss, vernachlässigen aber die stets geschichtlichen Kontexte ihrer Phänomene nicht. Nach dem programmatischen Einleitungsessay widmen sich die Studien in ihren jeweiligen Schwerpunkten der repräsentativen, der evokativen und der performativen Schriftbildhandlung. Deren Handlungstypen werden allerdings nicht isoliert betrachtet. Veranschaulicht sind die ihnen zugrundeliegenden drei Handlungsaspekte an einem antiken, einem mittelalterlichen und einem modernen Beispiel; schließlich auch an den unterschiedlichen Materialformen ihrer Bildträger: Tafelbild, Skulptur, Fresko, Plastik. Der ebenfalls programmatische Schlussessay bündelt die handlungstheoretischen Überlegungen und diskutiert mögliche Typologien von Scripicturalia.
Auch in den hermeneutischen Zirkel von konkretem Gegenstand und allgemeiner Theorie muss man letztlich springen. Das gilt insbesondere für einen bildpragmatischen Ansatz wie den hier gewählten. Entsprechend deuten die Studien, im engen Anschluss an die Phänomene, über ihre Vereinzelung hinaus auf eine allgemeinere, materiale Ästhetik.
¹Vgl. Horst Bredekamp, Der Bildakt. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Neufassung 2015, Berlin 2015; Sybille Krämer, Eva Cancik-Kirschbaum und Rainer Trotzke (Hrsg.), Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen, Berlin 2012.
²Manfred Sommer, Stift, Blatt und Kant. Philosophie des Graphismus, Berlin 2020; Sybille Krämer, Figuration, Anschauung, Erkenntnis. Grundlinien einer Diagrammatologie, Berlin 2016.
SCHRIFTBILDAKTE
Begriff, Probleme, Beispiele
1.Schriftlesen und Bildsehen
Schriftakte sind Bestandteile des Vertragsrechts. Sie verschaffen Dokumenten Gültigkeit: durch schriftliche Anweisung, durch briefliche Einwilligung, durch wechselseitige Unterschrift der Beteiligten. Die damit verbundene Geltung des Vereinbarten schafft nicht nur eine bestimmte Tatsache, sondern setzt auch eine bestimmte Norm: Die niedergelegten Bestimmungen sollen eingehalten, ihren Vorgaben soll Folge geleistet werden. Im Rückgriff auf die klassische Typologie der Sprechakte könnte man von einer Mischform aus kommissivem und deklarativem Schriftakt sprechen. Doch sind Schriftakte nicht nur auf juridische Formen beschränkt; auch Post-its mit Anweisungen, E-Mails mit Appellen, Briefe mit Erklärungen sind Schriftakte, die entweder (repräsentativ, deskriptiv, deklarativ) von Handlungen berichten oder (evokativ, expressiv, appellativ) zum Handeln bewegen oder (performativ) selbst Handlungen sind.
Anders als Sprechakte im engeren Sinn sind Schriftakte nicht akustisch, sondern visuell präsent. Sie sind grundsätzlich lesbar; und zwar selbst dort, wo Text oder Unterschrift unleserlich sein mögen. Schriftakte erfüllen die zentralen Voraussetzungen von Skripturalität:¹ Sie funktionieren auch unter Bedingung der Abwesenheit der Schreibhandelnden und über deren Existenz hinaus; sie bleiben auch nach dem Verschwinden von Sender und Empfänger lesbar; sie haben eine unhintergehbar optisch-sinnliche Präsenz; die Zweidimensionalität ihrer Schriftfläche erlaubt einen synoptischen und daher flexiblen Zugriff auf die versammelten Zeichen; Schriftakte sind identifizierbar, iterierbar und kopierbar; sie lassen sich dekontextualisieren, anderswo wiedereinfügen, zuweilen in ihrer Notation auch operationalisieren; Schriftakte sind differenziert (und daher von anderen unterscheidbar) und disjunkt, insofern sich ihre Räumlichkeit noch einmal spatial in sich selbst unterscheidet; sie sind konventionell, d. h. folgen den Regeln der symbolischen Ordnung, innerhalb derer sie erscheinen (etwa der Logik, des Rechts o. ä.); sie sind reflexiv bzw. metaskripturell in dem Sinne, dass sie sich qua Schrift auf anderes Schriftliches oder Schriftbildliches (etwa auf Tabellen oder ein Periodensystem) beziehen können.
Schon aufgrund ihrer zweidimensionalen Flächigkeit besitzen Schriftakte allerdings auch ein ikonisches Moment, einen Zug nicht bloß des schriftsprachlichen Sagens, sondern auch des bildlichen Zeigens. Schriftakte sind keine Bilder im engeren Sinne, doch in unseren Lektürepraktiken zeigen sich Ähnlichkeiten zum ›Einlesen‹ von Bildern: Wir versuchen uns an bestimmten Zeichen zu orientieren, den Sinn unmittelbar zu erfassen, die Blick- und Leserichtung zu bestimmen. Anders als bei Bildern oder Bildakten haben die Zeichen, im Unterschied zu Farben, Figuren oder Figurationen, keinen vergleichbar starken autosemantischen Sinn. Während in Bildern – jedenfalls solchen der Kunst – das Gezeigte weitgehend um seiner selbst willen da ist, sind die meisten Schriftakte um ihrer deskriptiven, evokativen oder performativen Funktionshandlung willen da.
Um ihrer selbst und der entsprechenden Handlung willen da zu sein, ist allerdings ein wesentliches Moment auch von Bildakten. Horst Bredekamp unterscheidet zwischen schematischen, substitutiven und intrinsischen Bildhandlungen. Die Bildakttheorie strebt eine »Philosophie der Erfahrung autonomer und gleichsam pseudolebendiger Formen« an, die das Subjekt »seiner zentralen Stellung der Welterschließung«² entrücken will. Subjektdezentrierung soll sich durch die Latenz der Bildobjekte gleichsam von selbst ergeben. Anders nun als beim Schriftlesen scheint beim Bildsehen dem Anblick der Sinn regelrecht zuzufallen. Damit jedoch verhält es sich dort wesentlich komplizierter, wo auch Bilder ›gelesen‹ werden wollen, weil die Deutung immer schon in den Bildanblick miteingehen muss. Das gilt für ungegenständliche Kunst ebenso sehr wie für gegenständliche.
Es scheint, als würden die maßgeblichen Charakteristika des Bildsehens zwar nicht aufs Textlesen, wohl aber auf den Anblick von Schriftbildern zutreffen. Im Bildanblick sehen wir stets das Bildsein des Bildes mit. Die immer schon mitgesetzte »ikonische Differenz« fällt in das Verhältnis von Bild und Bildanblick.³ Zugleich ist der Phänomensinn des Sehens-von-etwas als ein Sehen-in-etwas auch ein Sehen-als:⁴ In Vermeers Mädchen mit dem Weinglas (ca. 1662) können wir im schlichten Sehen von Interieur und Personen zugleich die Charakterzüge der Maßhaltung (temperantia) erblicken und die gesamte Darstellung wiederum als einen Höhepunkt niederländischer Malerei oder als Ausdruck eines bestimmten Genres, Zeitgeistes, technischen Könnens begreifen.
Folgt man Mitchells Typologie der Familienähnlichkeiten von Bildern,⁵ dann würden Schriftbildakte wohl in eine Mischkategorie von grafischen (Gemälde, Zeichnungen, Pläne etc.) und sprachlichen Bildern gehören. Ihr kategoriales Pendel kann nach der einen oder anderen Seite ausschlagen – wie die folgenden Beispiele zeigen werden. Dort, wo Schriftbildakte ihre eigene Sprachlichkeit suspendieren, sind sie eher grafische Bilder und betonen ihre Ikonizität; dort, wo sie ihre Bildlichkeit stärker in die Schrift aufheben, sind sie Schriftbilder und betonen ihr skripturales Moment. Aufgrund der unhintergehbaren Metaphorizität natürlicher Sprachen dürfte auch vielen Schriftbildern ein (wie