Religion, Wissenschaft und die Erkenntnis der Wirklichkeit
Von Abraham Ehrlich
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Über dieses E-Book
Im vorliegenden Buch soll einem bestimmten Aspekt unserer Kultur besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden: Die Klärung des Verhältnisses zwischen Religion und Wissenschaft vor dem Hintergrund der systematischen Erkenntnis der Wirklichkeit. Die Aufklärung gilt dabei als der historisch gegebene und thematisch angemessene Rahmen für eine solche Klärung.
Abraham Ehrlich
Dr. Phil. Abraham Ehrlich hat Philosophie in Jerusalem und Köln studiert. Im Zentrum seiner bisherigen philosophischen Arbeit stand die Entwicklung eines umfassenden philosophischen Systems. Seinem Verständnis nach besteht das eigentliche Problem eines jeden einzelnen Menschen in der Klärung seiner Orientierung in der Welt; denke man nur an persönliche Identität, Glück und den Sinn des Lebens. Er ist davon überzeugt, dass der «Kompass» für diese Orientierung des Einzelnen nur in der Erkenntnis der Wirklichkeit zu finden ist, deren integraler Teil er ist. Abraham Ehrlich lebt in Berlin und ist als Gymnasiallehrer tätig.
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Buchvorschau
Religion, Wissenschaft und die Erkenntnis der Wirklichkeit - Abraham Ehrlich
VORWORT
Liebe interessierte Leserin, lieber interessierter Leser, die vorliegende Schrift will, bezogen auf eine philosophische systematische Grundlage, zeigen, mit welcher Verantwortung Mensch und Welt gegenüber die Erkenntnis der Wirklichkeit in ihrem Wesen bestimmt ist. Es ist die Offenlegung dessen, was der Aufklärungsgedanke in sich birgt, der in Kants Worten am treffendsten zum Ausdruck kommt:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.¹
Seit 1784, dem Jahr der Veröffentlichung dieses Gedankens, haben Menschen inmitten des europäischen Abendlands – aber nicht nur dort – viel Mut entwickelt, um die Kraft zu entfalten, ihren eigenen Verstand „ohne Leitung eines anderen zu bedienen – mit den uns bekannten gesellschaftlichen und geschichtlichen Erscheinungen bis zum heutigen Tag. Man denke an das 20. Wahnsinns-Jahrhundert und an die leise, schleichende Fortsetzung des Bedienens des eigenen Verstands „ohne Leitung eines anderen
, dafür aber mit hemmungsloser Ausnutzung der Grundregel der freiheitlichen Gesellschaftsordnung in unserem 21. Jahrhundert!
Diese fortwährende Situation ist nichts anderes als eine tiefreichende Not-Situation. Die Klärung dessen, was der Aufklärungsaufruf in seinem Wesen bedeutet, ist meiner Ansicht nach eng mit der Klärung des Verhältnisses zwischen der Erkenntnis der Wirklichkeit, der Religion und der Wissenschaft verbunden.
Da die Klärung dieses komplizierten Verhältnisses nicht bloß in Meinungsäußerung erstarren darf, verlangt sie eine breite systematische Grundlage, die die Bestandteile dieses Verhältnisses in ihrem Wesen bestimmt und damit zeigt, dass sie einander nicht nur nicht fremdartig sind, sondern sie alle Ausdruck einer einzigen fundamentalen Bestimmung sind.
Die systematische Grundlage der Philosophie, die selbst ein System darstellt, strebt danach, die Kluft zwischen Mensch und Wirklichkeit (=Welt
) nicht bloß zu überbrücken, sondern zu schließen. Die Tatsache, dass der Mensch in die Welt gewissermaßen hineingeworfen ist, erzeugt die fundamentale Fremdheit, die jedoch in Wahrheit unbegründet ist.
Es ist der Unterschied zwischen der Situation des „In-der-Welt-sein und zwischen der des „Eine-Welt-haben
, was der Wahrheit des menschlichen Bestehens in der Welt eigentümlich ist.
Das philosophische systematische Mittel diese Kluft zu schließen ist die Erkenntnis der Wirklichkeit, die den Menschen zur Integration in die Wirklichkeit führt. Fixiert aber die Erkenntnis der Wirklichkeit diese Kluft zwischen dem Menschen und der Wirklichkeit, zwischen Subjekt und Objekt, nicht endgültig zu einer nicht relativierbare Tatsache?
Die Entsprechung zwischen der Wirklichkeit und deren Erkenntnis zu zeigen, aber auch darauf hinzuweisen, was diese Entsprechung für das konkret geführte individuelle Leben bedeutet, das ist die Aufgabe und die Leistung des Systems der Philosophie.
Das philosophische System als Ganzes ist im allgemeinen in vier Teile gegliedert, die die vier Gruppen der Grunderscheinungen darstellen, die in der Welt auftreten (1. Naturerscheinungen, 2. der Mensch und sein Handeln, 3. Erscheinungen der Kunst und 4. Erscheinungen der Religion) und die die vier Grunddisziplinen der Philosophie bestimmen (1. Naturerkenntnis, 2. philosophische Anthropologie, Ethik, politische Philosophie, Geschichtsphilosophie, 3. Philosophie der Kunst und 4. Philosophie der Religion).
Das Problem des Systems der Philosophie besteht nicht einfach darin, die Eigentümlichkeit dieser Gruppen von Erscheinungen zu begründen, sondern hauptsächlich in der Vereinigung derselben. Das System muss also den Zusammenhang aller Erscheinungen der Welt in ihrer gesetzlichen Grundlage aufdecken. Die Einteilung der Philosophie in Disziplinen (Glieder des Systems) wird durch die Gesetzmäßigkeit des Zusammenhanges bestimmt, die wir im real Gegebenen aufdecken. Die Einordnung dieser Disziplinen in das System der Philosophie soll ihre Eigenart begründen und gleichzeitig zeigen, dass die Einteilung der Philosophie in die verschiedenen Disziplinen nicht subjektiv, sondern objektiv ist.
Das hier besprochene System vertritt zwei Thesen: Die eine betrifft die Natur der Wirklichkeit und die andere die Natur der Philosophie. Die These, die die Natur der Wirklichkeit betrifft, lautet: Die Welt ist rational (intelligibel) und daher erkennbar. Diese Erkennbarkeit der Welt als die ausgezeichnete Eigentümlichkeit des Wirklichen bedeutet, dass die Wirklichkeit dem Denken zugänglich und fasslich ist: ist das, was begrifflich erfasst werden kann oder erfassbar ist. Das Logische oder das Rationale als das Erkennbare in der Wirklichkeit ist das Geordnete. Die Erkenntnis der Wirklichkeit kann nur deshalb als „allgemeingültig und „notwendig
bezeichnet werden, weil die Wirklichkeit selbst logisch ist, d.h. sie stellt eine notwendige Ordnung als Ganzes (Kosmos) dar.
Das bedeutet, dass das Denken allein imstande ist, die Wahrheit über die Wirklichkeit herauszufinden: Alles, was über die Wirklichkeit, und zwar über alle Bereiche der Wirklichkeit gesagt werden kann, wird durch das Denken gänzlich erfasst. Der Umstand, dass die verschiedenen Bereiche der Wirklichkeit a priori bestimmt werden können, folgt aus der Tatsache, dass alles, was als „wirklich" bestimmt wird beziehungsweise bestimmt werden kann, durch Maßstäbe bestimmt werden muss, die von außerhalb des Bereiches der Erfahrung stammen. Die Tatsache, dass die Erfahrung in ihrer Gesamtheit so konstruiert ist, dass sie begrifflich erfasst werden kann, benötigt keine metaphysische oder sonstige besondere Annahme, die die Übereinstimmung zwischen Denken und Wirklichkeit betrifft: Es kann, so möchte ich behaupten, gar nicht anders sein.
Die zweite These betrifft die Natur der Philosophie und lautet: Die Philosophie ist ein System der Erkenntnis der Wirklichkeit. Philosophie ist die Untersuchung der gesetzlichen Grundlage der Wirklichkeit. Sie will die Gesetzlichkeit aufdecken, die die Ordnung in der Welt bestimmt. Die Philosophie untersucht also denjenigen Faktor, der die Ordnung der gesamten Welt bestimmt und ausdrückt. Wie die Welt selbst nicht ein Aggregat, sondern ein einheitliches Ganzes ist, so bildet auch die Erkenntnis der Welt ein einheitliches System. Der Begriff der systematischen Einheit der Erkenntnis ist nicht eine willkürliche Erfindung, sondern er stellt einen notwendigen Gedanken dar: Der Einheit der Welt entspricht die Einheit eines allumfassenden Erkenntnissystems.²
Die Gedankengänge in diesem Buch basieren auf einer systematischen Grundlage, die ich bereits in dem umfassenden Werk „Das System der Philosophie" dargelegt habe. Die drei Teile dieses Werkes, aus denen ich einige Abschnitte in dieser Arbeit zitiert habe, sind die folgenden:
– DAS SYSTEM DER PHILOSOPHIE: DIE SYSTEMATISCHE GRUNDLAGE ZUR ERKENNTNIS DER WIRKLICHKEIT UND ZUR BESTIMMUNG DER STELLUNG DES MENSCHEN IN IHR, FRANKFURT AM MAIN 2012 (ZITIERT: SYSTEM I)
– DER MENSCH UND SEINE WELT: ZUR ERKENNTNISTHEORETISCHEN KLÄRUNG DER STELLUNG DES MENSCHEN IN DER WELT UND DER BEDINGUNGEN DER VERWIRKLICHUNG SEINER FREIHEIT – DAS SYSTEM DER PHILOSOPHIE II, FRANKFURT AM MAIN 2013 (ZITIERT: SYSTEM II)
– DIE GRENZEN DER ERKENNTNIS UND DAHINTER: ZUR KLÄRUNG DER ERKENNTNISTHEORETISCHEN GRUNDLAGE DES RELIGIÖSEN GLAUBENS – DAS SYSTEM DER PHILOSOPHIE III, FRANKFURT AM MAIN 2014 (ZITIERT: SYSTEM III).
Die Philosophie als System, das die Grundlagen der Erkenntnis der Wirklichkeit thematisiert, hat ihre Wurzeln schon in der frühen griechischen Philosophie und wurde zum Philosophie-Verständnis des christlichen Abendlandes und der europäischen Kultur. Die Philosophie wie das monotheistische Religions-Verständnis, konkurrieren seit ihren Anfängen mit einander um die Bestimmung der gültigen Orientierung des Menschen in der Welt.
Die kulturelle Entwicklung, die zur Entstehung des Aufklärungsgedanke wie auch der modernen Naturwissenschaft führte, verlangte – und verlangt weiterhin – die Klärung des Beziehungsgeflächt zwischen Religion, Wissenschaft, Aufklärung und der Erkenntnis der Wirklichkeit, um eben die Möglichkeit zu erlangen, eine gültige Orientierung in unserer Welt zu bestimmen.
Da diese Entwicklung die europäische Geschichte umfassend prägte, werde ich in meinen Überlegungen die Begrifflichkeit der Kultur, der Philosophie und der Religion, wie sie im Rahmen der abendländischen Geschichte vorkommen, verwenden, was die Allgemeingültigkeit dieser Überlegungen nicht beeinträchtigt. So verstehe ich unter „Philosophie ein geschlossenes System der Philosophie, gleich in welcher Prägung. Unter „Religion
verstehe ich eine monotheistische Religion, gleich in welcher Prägung, wobei ich mich in dieser Arbeit ausdrücklich auf das Judentum und das Christentum beschränke, da mir diese beiden Religionen besser vertraut sind.
Zu besonderem Dank bin ich meinem Sohn Jonathan verpflichtet, der mir bei der sprachlichen Gestaltung des Manuskripts eng zur Seite stand. Für die Betreuung der Publikation meines Buches möchte ich mich bei Herrn Mirko Esquivel und beim Produktionsteam des „tredition"-Verlags herzlich bedanken.
¹ Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Was ist Aufklärung? Hrsg. Von Ehrhard Bahr, Stuttgart 1974, S. 9
² Vgl. dazu System I S. 16f.
EINLEITENDES
1. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Rationalität des religiösen Glaubens und der Religion überhaupt ist genau so alt wie das methodisch-systematische Denken. Die Schriften unterschiedlicher Religionen spielen dabei eine entscheidende Rolle: Sie geben dem religiösen Gefühl die Möglichkeit, sich konkret zum Ausdruck zu bringen und verschaffen so dem Glaubenden die lebendige Verbindung mit dem Göttlichen. Diese Schriften ermöglichen auch die Bildung einer klaren religiösen Weltanschauung.
Eine Frage, die im Laufe der Geschichte immer deutlicher und ausdrücklicher formuliert wurde, ist die Frage nach der Gültigkeit der religiösen Inhalte der Religion - im Allgemeinen und jeweils einer bestimmten Religion im Besonderen. Die Radikalität dieser Frage ist keiner theoretischen Art, sondern sie hat ihre Wurzeln in der Tatsache, dass die Religion, sprich das Göttliche, eine bestimmte Lebensführung anweist, die alle Lebensbereiche umfasst.
Diese Tatsache schafft eine Abhängigkeit des Glaubenden von den religiösen Institutionen und von den Gelehrten, die diese Schriften auslegen und so die Realisierung der religiösen Inhalte ermöglichen. Erst mit der Aufklärung kam die ausdrückliche Forderung, die eigene Fähigkeit des Menschen, sich selbst, das eigene Leben wie auch alles, was in diesem Leben wichtig ist, der verstandesmäßigen Prüfung zu unterziehen.
Die Entwicklung der modernen Wissenschaft hat die Möglichkeit der objektiven Erkenntnis der Natur mit sich gebracht, was den Eindruck weckte, dass die religiösen Inhalte bloß Glaubensinhalte und so subjektiv in ihrer Gültigkeit seien, also ohne jeglichen tatsächlichen Wirklichkeitsbezug sind. Der Anspruch der Religion, dass ihre Inhalte die Wahrheit der Wirklichkeit widerspiegeln, stand so einer andere Sichtweise gegenüber, die das Individuum und seine Erkenntnisfähigkeit, wie die allgemeine Gültigkeit der von ihm erlangten Erkenntnisse betonte.
In diesem Zusammenhang spielt es gar keine Rolle, wie sich eine konkrete Religion versteht: Ob als eine mythisch bestimmte Religion, als Naturreligion oder als eine monotheistische Religion. Die zwei oben genannten Wahrheitsansprüche verankern die Gültigkeit dieser Ansprüche in zwei vollkommen andersartigen letzten Instanzen: Zum einen im Göttlichen und in seinem Wort, und zum zweiten im Denken des Menschen, der so ins Zentrum der Welt gerückt wird.
Die Betonung der Bedeutung des Individuums und seiner verstandesmäßig bestimmten Weltanschauung führt dazu, dass die Religion als etwas gesehen wird, was in der Gültigkeit seines Inhalts nicht direkt nachvollziehbar und daher fragwürdig ist.
Das bedeutet, dass sich die Gültigkeit religiöser Inhalte eventuell als fiktiv erweisen kann. Das zeigt uns schon eine der ersten registrierten Stellungnahmen diesbezüglich: Der Pre-Sokratiker Xenophanes von Kolophon hat sich vehement gegen das anthropomorphe Verständnis der Götter gestellt, die nicht nur zweifelhafte menschliche Eigenschaften trugen, sondern darüberhinaus in ihrem Leben auch von eigentümlichen menschlichen Bedürfnissen und Empfindungen getrieben wurden. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass es dem Menschen nicht möglich ist, zu wissen, wie die Götter wirklich aussehen und welche Gestalt sie tragen. Daraus folgert er, dass die Götter bloß Produkte persönlicher menschlicher Einbildungskraft sind.
Die Überzeugung, dass Gott selbst bzw. die Götter nur ein Produkt menschlicher Einbildungskraft sind, führte zu einem rational motivierten Zweifel an der Gültigkeit der Inhalte des religiösen Glaubens. Hier geht es nicht um Ausdruck von willkürlich persönlichem Zweifeln. Das Bedürfnis sich Gott einzubilden, scheint eine fundamentale Veranlagung der menschlichen Natur zu sein, was auf die immanente Motivation hinweist, Gottes Bestehen anzuzweifeln.
Als Vertreter einer solchen Auffassung können wir den Philosophen Ludwig Feuerbach nehmen. Als Vertreter einer philosophischen materialistischen Haltung müsste er sich mit dem Phänomen der Religion und des religiösen Glaubens auseinandersetzen. Wenn alles Wirkliche entweder Materie oder Verhältnisse zwischen materiellen Sachen ist, dann ist es notwendig, einen ausdrücklich nicht materiellen Faktor wie Gott, besonderer kritischer Betrachtung zu unterziehen. Seine Überlegungen galten zwar dem Christentum, sind aber von allgemeiner Bedeutung. Er gelang zu der Überzeugung, dass Gott nur als Projektion des menschlichen Wesens verstanden werden kann. Das zu verstehen, würde als die größte Wende der Menschheitsgeschichte gelten. Dabei macht er klar, was das konkret bedeutet: Der Mensch selbst, der seiner Meinung nach das Erste und das Echte ist, gilt als Grundlage eines ursprünglichen Humanismus.
„Unser Verhältnis zur Religion ist […] kein nur verneinendes, sondern kritisches. Wir scheiden nur das Wahre vom Falschen – obgleich allerdings die von der Falschheit ausgeschiedenen Wahrheit immer eine neue, von der alten wesentlich unterschiedliche Wahrheit ist".³
Eine ganz andere Art der Betrachtung der Religion findet man in Aussagen und Stellungnahmen einiger Pioniere der klassischen und der modernen Physik, von Galileo Galilei, Isaak Newton, James Clerk Maxwell bis hin zu Max Plank, Albert Einstein oder Werner Heisenberg, stellvertretend für viele Physiker bis zum heutigen Tag. Diejenigen, die die Naturbetrachtung revolutioniert haben, aber auch diejenigen Physiker, die diese weiter entwickelten, sahen und sehen es nicht als notwendige Folge ihrer revolutionären Erkenntnisse, die Religion und den religiösen Glauben als etwas „ungültiges" abzulehnen. Im Gegenteil: Sie alle wussten und wissen genau, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, mögen sie so umfangreich und so tief sein, wie es nur möglich ist, nur einen engen Bereich der Wirklichkeit erfassen können. Bedenke man nur den Menschen und seine Welt!⁴
Dem Gegenüber gibt es die Stellungnahmen „philosophierender Wissenschaftler, die davon überzeugt sind, dass aus „wissenschaftlichen Gründen
oder als Folge „nüchterner Betrachtung" die Religion und der Gott, der in ihren Zentrum steht, fiktive Gebilde seien. Stellvertretend möchte ich zwei Stimmen kurz zu Wort kommen lassen.
Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins macht große Anstrengungen, um die Frage zu klären, „warum es mit ziemlicher Sicherheit keinen Gott gibt.⁵ In einem Stern-Interview kann er sogar feststellen, dass
Gott [..] mit großer Wahrscheinlichkeit nicht existiert .⁶ Hier zeigt sich eine besonders interessante „sachliche
Anwendung der Wahrschein-lichkeits-„Rechnung" seitens eines modernen Naturwissenschaftlers mit unzähligen Anhängern, besonders einigen mit berufswissenschaftlichem Hintergrund.
Stephen Hawking und Leonard Moldinow gehen sogar einen Schritt weiter, bis hin zur Verabsolutierung der naturwissenschaftlichen Denkweise. Sie schreiben:
„Wir existieren nur kurze Zeit und erforschen in dieser Zeit nur einen kleinen Teil des Universums. Doch der Mensch ist eine neugierige Spezies. Wir staunen und suchen nach Antworten. Da die Menschen nun einmal in dieser riesigen, mal gütigen, mal grausamen Welt leben und in den unermesslichen Himmel über ihnen blicken, stellen sie sich von jeher eine Fülle von Fragen. Wie können wir die Welt verstehen, in der wir leben? Wie verhält sich das Universum? Was ist das Wesen der Wirklichkeit? Woher kommt das alles? Braucht das Universum einen Schöpfer? Die meisten von uns verbringen nicht übermäßig viel Zeit mit diesen Fragen, doch fast alle machen wir uns hin und wieder darüber Gedanken. Traditionell sind das Fragen für die Philosophie, doch die Philosophie ist tot. Sie hat mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik, nicht Schritt gehalten. Jetzt sind es die Naturwissenschaftler, die mit ihren Entdeckungen die Suche nach Erkenntnis voranbringen".⁷
„Obwohl wir nach kosmischen Maßstäben nur winzig und unbedeutend sind, werden wir dadurch in gewissem Sinne zu den Herren der Schöpfung:
Um das Universum auf fundamentalster Ebene zu verstehen, müssen wir nicht nur wissen, wie sich das Universum verhält, sondern auch warum.
* Warum gibt es etwas und nicht einfach nichts?
* Warum existieren wir?
* Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes?"
„Das ist, so behaupten Hawking und Moldinow, „die letztgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Wir werden versuchen, sie in diesem Buch zu beantworten
2. Angesichts der oben kurz erwähnten Haltungen ist es geboten, die Frage zu klären, was man eigentlich klären muss, wenn vom Verhältnis zwischen Religion und rationalem Denken, besonders aber wenn von dem Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft die Rede ist. Bei einer näheren Betrachtung wird klar, dass der Zusammenhang zur Klärung der oben erwähnten Frage sehr breit ist, ja es ist der breiteste Erkenntniszusammenhang überhaupt: des Ganzen der Wirklichkeit.
Da die Verstandes- bzw. die Denkmäßigkeit der Betrachtung der Religion und des religiösen Glaubens der letzte Maßstab zur Bestimmung der Gültigkeit des Wahrheitsgehalts einer solchen Betrachtung ist, ist es geboten, den Verstand bzw. das Denken als Ansatzpunkt einer derartigen Betrachtung näher zu prüfen. Da hallt Kants Aufruf: Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
, was nichts anderes als „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" bedeutet.⁹
Diese Bestimmung und der ihr entsprechende Aufruf zeigen klar in Richtung der Kantischen Frage hin: „Was ist der Mensch?, eine Frage, die er als „Schmelzpunkt
dreier Grundfragen sah: „Alles Interesse meiner Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische) vereinigt sich in folgenden Fragen: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen?"¹⁰
Der Ausgang des Menschen aus seiner Unmündigkeit bedeutet also die Entfernung eines Schleiers, der uns vor uns selbst verbirgt und so die Selbsterkenntnis wie auch die Erkenntnis der Wirklichkeit verzerrt.
Der Hinweis darauf, dass man