„Arbeitsgedächtnis“ – Versionsunterschied

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Das '''Arbeitsgedächtnis''' ist ein Teil des [[Gedächtnis]]ses. Es speichert aufgenommene Informationen kurzfristig, um diese Informationen in das Langzeitgedächtnis aufzunehmen oder damit zu vergleichen. Begriff und Verständnis wurden 1986 durch [[Alan Baddeley]] geprägt.
Das '''Arbeitsgedächtnis''' ist, unter funktioneller Betrachtungsweise, ein Teil des menschlichen [[Gedächtnis|Erinnerungsvermögens]]. Es ist notwendig, um Informationen vorübergehend speichern und sie gleichzeitig manipulieren zu können. Es wird zum Beispiel benötigt, um etwa einen [[Satz (Grammatik)|Satz]] inhaltlich zu verstehen (sodass man sich noch an den Anfang des Satzes erinnern kann, wenn man am Ende angelangt ist). Seine Kapazität ist gering (durchschnittlich 7 Informationseinheiten, s. [[Millersche Zahl]]).
 
Das Arbeitsgedächtnis besteht aus drei Substrukturen: Der ''phonologischen Schleife'', dem ''räumlich-visuellen Notizblock'' und der ''zentralen Exekutive''.<ref name="dorsch"/>
Auch im Zusammenhang mit der Lösung von komplexeren Aufgaben ist das Arbeitsgedächtnis entscheidend. Wir nutzen das Arbeitsgedächtnis dazu, um die uns gegenwärtig umgebende Umwelt zu verstehen, indem es von ihr eine mentale [[Repräsentation (Psychologie)|Repräsentation]] herstellt. Diese geistige Repräsentation unterstützt uns dann beim Problemlösen, [[Schlussfolgerndes Denken|logischen Schlussfolgern]], beim Erwerb neuen Wissens und der Formulierung und Abwägung aktueller Ziele.
Die Kapazität ist jedoch mit etwa sieben [[Chunking|Informationseinheiten]] begrenzt (siehe [[Millersche Zahl]]).
 
Das Arbeitsgedächtnis ist ebenfalls notwendig für die Planung von Handlungen und wird daher zu den [[Exekutive Funktionen|exekutiven Funktionen]] gezählt.
 
== Abgrenzung zum Kurzzeitgedächtnis ==
Der Begriff [[Kurzzeitgedächtnis]] bezieht sich auf ältere und andere Theorien, die von einem einheitlichen System zur kurzzeitigen Speicherung von Informationen ausgegangen sind. Diese Auffassung ist von der [[Erlanger Schule der Informationspsychologie]] mit ihrem Konzept der [[Kurzspeicherkapazität]] weiterentwickelt worden. Im Gegensatz dazu wird im Folgenden von einem Mehrspeichermodell ausgegangen, in dem verschiedene Subsysteme für verschiedene Arten von Informationen zuständig sind.
 
[[Neuropsychologie|Neuropsychologen]] unterscheiden zwischen diesen beiden Gedächtnisarten auch, da sie unterschiedliche Bereiche des [[Präfrontaler Cortex|präfrontalen Cortex]] beanspruchen. Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht es, die gespeicherten Informationen gleichzeitig zu manipulieren und mit Ihnenihnen zu arbeiten. Das Kurzzeitgedächtnis hingegen ist nur ein kurzfristigekurzfristiger Speicher, der aber keine Organisation und Verarbeitung des gespeicherten Inhalts erlaubt.<ref name="Executive functions">{{cite journalLiteratur | author Autor=A. Diamond A | title Titel= Executive functions | journal Sammelwerk= Annu Rev Psychol | volume Band= 64 | issue Nummer= | pages Datum= 135–168 | year = 2013 | pmid Seiten= 23020641135–168 | pmc DOI= 4084861 | doi = 10.1146/annurev-psych-113011-143750 |PMC=4084861 quote |PMID=23020641 |Zitat=WM (holding information in mind and manipulating it) is distinct from short-term memory (just holding information in mind). They cluster onto separate factors in factor analyses of children, adolescents, and adults (Alloway et al. 2004, Gathercole et al. 2004). They are linked to different neural subsystems. WM relies more on dorsolateral prefrontal cortex, whereas maintaining information in mind but not manipulating it [as long as the number of items is not huge (suprathreshold)] does not need involvement of dorsolateral prefrontal cortex (D’Esposito et al. 1999, Eldreth et al. 2006, Smith & Jonides 1999). Imaging studies show frontal activation only in ventrolateral prefrontal cortex for memory maintenance that is not suprathreshold. WM and short-term memory also show different developmental progressions; the latter develops earlier and faster.}}</ref>
 
== Psychologische Modelle ==
== Baddeleys Mehrkomponentenmodell ==
=== Komponentenmodell ===
→ ''{{Hauptartikel'' [[|Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell]]}}
 
[[Alan Baddeley]] und [[Graham Hitch]] schlugen 1974 ihr Arbeitsgedächtnismodell vor, mit dem sie das Kurzzeitgedächtnis präziser beschreiben wollten. Das Modell basiert auf vier (früher drei) getrennten funktionellen Komponenten, die gegenseitig in Verbindung stehen. Dabei unterscheidet man zwischen der ''zentralen Exekutive'', die als Steuer- und Organisationselement dient, und drei passiven Subsystemen (sogenannten „Sklavensystemen“), die von der zentralen Exekutive gesteuert und überwacht werden. Die Subsysteme sind die ''phonologische Schleife'' (verarbeitet vor allem verbale Informationen), der ''räumlich visuelle Notizblock'' (verarbeitet visuelle Informationen) und der ''episodische Puffer''.
 
=== Prozessorientierte Theorien ===
Baddeleys modulorientierter– ursprünglich – modulorientierte Theorie, der noch die Trennung von Langzeit- und KurzzeitgedächtnisArbeitsgedächtnis zugrunde liegt, stehenhat neueresich als heuristisches Modell zur Beschreibung pathologischer Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisses bewährt.<ref>J. Dittmann, prozessorientierteSt. Abel: ''Verbales Lernen und verbale Merkfähigkeit bei einem Patienten mit Arbeitsgedächtnisbeeinträchtigung''. In: ''Aktuelle Neurologie'' 2016; 43: 41–49, [[doi:10.1055/s-0041-111320]].</ref> Durch die stärkere Berücksichtigung von Interaktionen zwischen den Modellkomponenten hat sich das Modell aber in neuerer Zeit den sog. prozessorientierten Theorien gegenüberstark angenähert. In diesen wird von der Verteilung von [[Aufmerksamkeit]]s<nowiki />sressourcenressourcen und der damit einhergehenden Aktivierung von verteilten neuronalen Netzwerken ausgegangen.
 
Das [[Embedded Processing Model of Working Memory]] von [[Nelson Cowan]] beschreibt das Arbeitsgedächtnis als diejenigen Anteile des Langzeitgedächtnisses, die sich vorübergehend in einem aktivierten Zustand befinden. Gedächtnisinhalte werden durch Hinweisreize angeregt; wird ihnen nun Aufmerksamkeit zugewendet, können sie bewusst verarbeitet werden.
 
Das [[Arbeitsgedächtnismodell:Engles EngleArbeitsgedächtnismodell|Arbeitsgedächtnismodell von Randall W. Engle]] erklärt die Ursachen von individuellen Unterschieden in der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und ihren Zusammenhang zur Intelligenz.
 
=== Facettentheorie ===
[[FileDatei:Arbeitsgedächtnissmodell Oberauer.png|thumbmini|Facettenmodell des Arbeitsgedächtnisses von [[Klaus Oberauer]] und Kollegen]]
 
[[Klaus Oberauer]], [[Heinz-Martin Süß]], [[Oliver Wilhelm]] und [[Werner W. Wittmann]] haben ein facettenbasiertes Modell des Arbeitsgedächtnisses vorgeschlagen, welches empirisch abgesichert werden konnte.<ref name="Oberauer2003">Oberauer, K., SüßOberauer, H.-M., WilhelmSüß, O., & WittmannWilhelm, W. W. (2003).Wittmann: ''The multiple faces of working memory: Storage, processing, supervision, and coordination.'' In: ''Intelligence,.'' Band 31(, Nr. 2), 2003, S. 167–193, [[doi:10.1016/S0160-2896(02)00115-0]].</ref><ref name="Suess2002">Süß, H.-M., OberauerSüß, K., WittmannOberauer, W. W., WilhelmWittmann, O., & SchulzeWilhelm, R. (2002).Schulze: ''Working-memory capacity explains reasoning ability—and a little bit more.'' In: ''Intelligence,.'' Band 30, Nr. 3, 2002, S. 261–288. {{[[doi|:10.1016/S0160-2896(01)00100-3}}]]</ref> In dem Modell werden dabei zwei Dimensionen berücksichtigt: kognitive Prozesse und Aufgabeninhalte. Die kognitiven Prozesse umfassen Supervision (Exekutive Kontrolle), Koordination sowie simultanes Speichern und Verarbeiten. Hinsichtlich der Aufgabeninhalte werden verbale, räumlich-figurale sowie numerische Aufgaben unterschieden. Beide Dimensionen gekreuzt ergeben damit eine Facettenstruktur, durch welche Arbeitsgedächtnisleistungen sehr spezifisch beschrieben werden können (z.b&nbsp;B. verbales Speichern und Verarbeiten). Das Modell erinnert an das [[Intelligenztheorie#Jägers Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS)|Berliner Intelligenzstrukturmodell]] und ist entsprechend als [[Phänomenologie (Methodik)|deskriptives Modell]] zu verstehen.
[[File:Arbeitsgedächtnissmodell Oberauer.png|thumb|Facettenmodell des Arbeitsgedächtnisses von [[Klaus Oberauer]] und Kollegen]]
 
== Literatur ==
[[Klaus Oberauer]], [[Heinz-Martin Süß]], [[Oliver Wilhelm]] und [[Werner W. Wittmann]] haben ein facettenbasiertes Modell des Arbeitsgedächtnisses vorgeschlagen, welches empirisch abgesichert werden konnte.<ref name="Oberauer2003">Oberauer, K., Süß, H.-M., Wilhelm, O., & Wittmann, W. W. (2003). The multiple faces of working memory: Storage, processing, supervision, and coordination. Intelligence, 31(2), 167–193.</ref><ref name="Suess2002">Süß, H.-M., Oberauer, K., Wittmann, W. W., Wilhelm, O., & Schulze, R. (2002). Working-memory capacity explains reasoning ability—and a little bit more. Intelligence, 30, 261–288. {{doi|10.1016/S0160-2896(01)00100-3}}</ref> In dem Modell werden dabei zwei Dimensionen berücksichtigt: kognitive Prozesse und Aufgabeninhalte. Die kognitiven Prozesse umfassen Supervision (Exekutive Kontrolle), Koordination sowie simultanes Speichern und Verarbeiten. Hinsichtlich der Aufgabeninhalte werden verbale, räumlich-figurale sowie numerische Aufgaben unterschieden. Beide Dimensionen gekreuzt ergeben damit eine Facettenstruktur, durch welche Arbeitsgedächtnisleistungen sehr spezifisch beschrieben werden können (z.b. verbales Speichern und Verarbeiten).
* A. D. Baddeley: [http://www.csuchico.edu/~nschwartz/baddeley.recent.pdf ''Working memory: Looking back and looking forward.''] (PDF) {{Toter Link|date=2023-05-26|url=http://www.csuchico.edu/~nschwartz/baddeley.recent.pdf}} In: ''[[Nature Reviews Neuroscience]].'' Band 4, Nr. 10, 2003, S. 829–839. [[doi:10.1038/nrn1201]].
* Baddeley, A. D. (2009).Baddeley: ''Working memory.'' In: A. D. Baddeley, [[Michael W. Eysenck|M. W. Eysenck]] &, M. C. Anderson.: ''Memory.'' (pp.Psychology 41–68).Press, Hove, New York: Psychology Press.2009, ISBN 978-1-84872-001-5, S. 41–68.
* Baddeley, A. D. (2012). [httpBaddeley://people.usd.edu/~schieber/psyc792/workload/Baddeley2012.pdf ''Working Memory: Theories, models, and controversies.]'' In: ''Annual Review of Psychology.'', ''Band 63''(, Nr. 1), 2012, S. 1–29. {{DOI|[[doi:10.1146/annurev-psych-120710-100422}}]].
* Berti, S. (2010).Berti: ''Arbeitsgedächtnis: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines theoretischen Konstruktes.'' In: ''[[Psychologische Rundschau]].'', ''Band 61''(, Nr. 1), 2010, S. 3–9. {{DOI|[[doi:10.1026/0033-3042/a000004}}]].
* Miyake, A., & ShahMiyake, P. Shah (EdsHrsg.) (1999).: ''Models of working memory: Mechanisms of active maintenance and excutiveexecutive control.'' Cambridge: Cambridge University Press., Cambridge 1999, ISBN 978-0-52158521-72158721-12.
 
== Einzelnachweise ==
Das Modell erinnert an das [[Intelligenztheorie#J.C3.A4gers_Berliner_Intelligenzstrukturmodell_.28BIS.29|Berliner Intelligenzstrukturmodell]] und ist entsprechend als [[Phänomenologie (Methodik)|deskriptives Modell]] zu verstehen.
<references />
<ref name="dorsch">Seitz, D. (2021, February 04). Arbeitsgedächtnis. In Dorsch Lexikon der Psychologie. Abgerufen auf https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/arbeitsgedaechtnis</ref>
</references>
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4332959-7}}
==Literatur==
* Baddeley, A. D. (2003). [http://www.ii.metu.edu.tr/~hohenberger/Human_Memory/baddeley03_Looking%20back%20and%20forward.pdf Working memory: Looking back and looking forward.] ''[[Nature Reviews Neuroscience]]'', ''4''(10), 829–839. {{DOI|10.1038/nrn1201}}.
* Baddeley, A. D. (2009). Working memory. In: A. D. Baddeley, [[Michael W. Eysenck|M. W. Eysenck]] & M. C. Anderson. ''Memory'' (pp. 41–68). Hove, New York: Psychology Press. ISBN 978-1-84872-001-5.
* Baddeley, A. D. (2012). [http://people.usd.edu/~schieber/psyc792/workload/Baddeley2012.pdf Working Memory: Theories, models, and controversies.] ''Annual Review of Psychology'', ''63''(1), 1–29. {{DOI|10.1146/annurev-psych-120710-100422}}.
* Berti, S. (2010). Arbeitsgedächtnis: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines theoretischen Konstruktes. ''[[Psychologische Rundschau]]'', ''61''(1), 3–9. {{DOI|10.1026/0033-3042/a000004}}.
* Miyake, A., & Shah, P. (Eds.) (1999). ''Models of working memory: Mechanisms of active maintenance and excutive control.'' Cambridge: Cambridge University Press. ISBN 978-0-52158-721-1.
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{SORTIERUNG:Arbeitsgedachtnis}}
[[Kategorie:Gedächtnis]]
 
[[fi:Työmuisti]]
[[ja:ワーキングメモリ]]
[[lv:Darba atmiņa]]
[[ro:Memorie de scurtă durată]]