Arbeitsgedächtnis

Teil des menschlichen Erinnerungsvermögens
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Das Arbeitsgedächtnis ist, unter funktioneller Betrachtungsweise, ein Teil des menschlichen Erinnerungsvermögens. Es ist zuständig für vorübergehende Speicherung und Veränderungen und wird zum Beispiel benötigt, um einen Satz inhaltlich zu verstehen (sodass man sich noch an den Anfang des Satzes erinnern kann, wenn man am Ende angelangt ist). Es hat eine geringe Kapazität (s. Millersche Zahl). Auch im Zusammenhang mit der Lösung komplexer Aufgaben ist das Arbeitsgedächtnis notwendig. Das Arbeitsgedächtnis wird genutzt, um die uns gegenwärtig umgebende Umwelt zu verstehen und von ihr eine mentale Repräsentation herzustellen. Es wirkt unterstützend beim Problemlösen und beim Erwerb neuen Wissens. Es hilft bei der Formulierung und Abwägung aktueller Ziele.

Abgrenzung zum Kurzzeitgedächtnis

Der Begriff Kurzzeitgedächtnis bezieht sich auf ältere und andere Theorien, die von einem einheitlichen System zur kurzzeitigen Speicherung von Informationen ausgegangen sind. Diese Auffassung ist von der Erlanger Schule der Informationspsychologie mit ihrem Konzept der Kurzspeicherkapazität weiterentwickelt worden. Im Gegensatz dazu wird im Folgenden von einem Mehrspeichermodell ausgegangen, in dem verschiedene Subsysteme für verschiedene Arten von Informationen zuständig sind.

Baddeleys Mehrkomponentenmodell

Hauptartikel Baddeleys Arbeitsgedächtnismodell

Alan Baddeley und Graham Hitch schlugen 1974 ihr Arbeitsgedächtnismodell vor, mit dem sie das Kurzzeitgedächtnis präziser beschreiben wollten. Das Modell basiert auf vier (früher drei) getrennten funktionellen Komponenten, die gegenseitig in Verbindung stehen. Dabei unterscheidet man zwischen der zentralen Exekutive, die als Steuer- und Organisationselement dient, und drei passiven Subsystemen (sogenannten „Sklavensystemen“), die von der zentralen Exekutive gesteuert und überwacht werden. Die Subsysteme sind die phonologische Schleife (verarbeitet vor allem verbale Informationen), der räumlich visuelle Notizblock (verarbeitet visuelle Informationen) und der episodische Puffer.

Prozessorientierte Theorien

Baddeleys modulorientierter Theorie, der noch die Trennung von Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis zugrunde liegt, stehen neuere, prozessorientierte Theorien gegenüber. In diesen wird von der Verteilung von Aufmerksamkeitsressourcen und der damit einhergehenden Aktivierung von verteilten neuronalen Netzwerken ausgegangen.

Das Embedded Processing Model of Working Memory von Nelson Cowan beschreibt das Arbeitsgedächtnis als diejenigen Anteile des Langzeitgedächtnisses, die sich vorübergehend in einem aktivierten Zustand befinden. Gedächtnisinhalte werden durch Hinweisreize angeregt; wird ihnen nun Aufmerksamkeit zugewendet, können sie bewusst verarbeitet werden.

Das Arbeitsgedächtnismodell von Randall W. Engle erklärt die Ursachen von individuellen Unterschieden in der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und ihren Zusammenhang zur Intelligenz.

Facettentheorie

 
Facettenmodell des Arbeitsgedächtnisses von Oberauer

Klaus Oberauer und Kollegen haben ein facettenbasiertes Modell des Arbeitsgedächtnisses vorgeschlagen, welches empirisch abgesichert werden konnte.[1][2] In dem Modell werden dabei zwei Dimensionen berücksichtigt: kognitive Prozesse und Aufgabeninhalte. Die kognitiven Prozesse umfassen Supervision (Exekutive Kontrolle), Koordination sowie simultanes Speichern und Verarbeiten. Hinsichtlich der Aufgabeninhalte werden verbale, räumlich-figurale sowie numerische Aufgaben unterschieden. Beide Dimensionen gekreuzt ergeben damit eine Facettenstruktur, durch welche Arbeitsgedächtnisleistungen sehr spezifisch beschrieben werden können (z.b. verbales Speichern und Verarbeiten).

Das Modell erinnert an das Berliner Intelligenzstrukturmodell und ist entsprechend als deskriptives Modell zu verstehen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Oberauer, K., Süß, H.-M., Wilhelm, O., & Wittmann, W. W. (2003). The multiple faces of working memory: Storage, processing, supervision, and coordination. Intelligence, 31(2), 167–193.
  2. Süß, H.-M., Oberauer, K., Wittmann, W. W., Wilhelm, O., & Schulze, R. (2002). Working-memory capacity explains reasoning ability—and a little bit more. Intelligence, 30, 261–288. doi:10.1016/S0160-2896(01)00100-3