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[[Datei: Gabriel Marcelis.jpg|mini|Gabriel Marselis, Gemälde von [[Pieter Nason]], 1669]]
 
'''Gabriel Marselis''' (auch ''Marcelles'' oder ''Marcelis''; * [[1609]] in [[Hamburg]]; † [[5. April]] [[1673]] in [[Amsterdam]]) war ein niederländischer Großkaufmann und Finanzier, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu den wichtigsten Kreditgebern der [[Königreich Dänemark|dänischen Krone]] gehörte und einer der reichsten Niederländer seiner Zeit war.
 
Sein gleichnamiger Vater hatte während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] von Hamburg aus eins der größten Handels- und Bankhäuser in Nordeuropa begründet, das unter den vier Söhnen und dem Schwiegersohn bis nach Russland und Norwegen expandierte. Der jüngere Gabriel Marselis führte ab etwa 1630 das Handelshaus der Familie in Amsterdam. Von dort aus vertrat er ab 1638 die dänischen Interessen in den Niederlanden. Er finanzierte zusammen mit seinem Bruder Selio und mehreren Kompagnons die Kriege der dänischen Könige [[Christian IV. (Dänemark und Norwegen)|Christian IV.]] und [[Friedrich III. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich III.]] gegen Schweden und versorgte die dänische Flotte mit Schiffen und Waffen, die sie teils einkauften, teils in eigenen Werften und Manufakturen[[Manufaktur]]en herstellen ließen. Dabei kam ihnen die enge Vernetzung in den Kreisen der niederländischen Großkaufleute, aber auch die Verbindung zu den mächtigen Schwiegersöhnen von König Christian IV. zugute. Da das von Kriegen ruinierte Königreich Dänemark immer mehr Schwierigkeiten hatte, die gelieferten Waren und die vergebenen Kredite zu bezahlen, vergab es als Gegenleistung Handelslizenzen und Privilegien für den Bergbau in Norwegen und verpfändete schließlich einen Großteil des [[Krongut]]s. Zusätzlich zu diesen Pfandgütern kaufte Gabriel Marselis weitere Ländereien, was ihn zum größten Landbesitzer in [[Dänemark]] und [[Norwegen]] machte. Seine Güter und Produktionsstätten beutete er rücksichtslos aus. 1665 wurde er in den dänischen Adel aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Familienunternehmen bereits im Niedergang. Die norwegischen Besitztümer wurden nach Marselis’ Tod verkauft, die dänischen Güter in den 1680er Jahren teilweise wieder eingezogen.
 
Die Sommerresidenz der dänischen Königsfamilie verdankt ihren Namen [[Schloss Marselisborg]] Gabriel Marselis, der diesen Landbesitz 1661 überschrieben bekam und dort einen Vorgängerbau des heutigen Schlosses errichtete.
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== Leben ==
[[Datei:OB.00334 Selius Marselis.jpg|mini|Selio MarsalisMarselis]]
 
=== Väterliches Geschäft und familiäre Vernetzung ===
 
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=== Rüstungslieferant und -produzent für Christian IV. ===
Ab 1638 ist Gabriel Marselis als dänischer Faktor und Resident (''(resident commissarius)'') in Amsterdam belegt, wo er seinen Hauptwohnsitz hatte. In dieser Eigenschaft belieferte er die dänische Krone mit Rohstoffen und Rüstungsgütern. So kaufte er im Frühjahr 1644 in Amsterdam ein Schiff für den dänischen König und befrachtete trotz eines 1640 von den Generalstaaten erlassenen Exportverbots für Rüstungsgüter nach Dänemark mehrere Schiffe mit Kanonenkugeln, Schießpulver und Lunten, die ungehindert in das unter dänischer Regierung stehende [[Glückstadt]] im [[Herzogtum Holstein]] gelangten.<ref>{{Literatur|Autor= Hielke van Nieuwenhuize|Titel=Niederländische Seefahrer in schwedischen Diensten. Seeschifffahrt und Technologietransfer im 17. Jahrhundert|Ort=Köln|Verlag=Böhlau|Jahr=2022|Seiten=220–223}}</ref> Zudem warb er in den Niederlanden auch Soldaten und Matrosen für die dänische Marine.
 
Auf der [[Neustädter Schiffswerften|Werft in Neustadt]] ließen Berns & Marselis ab 1638 mindestens zehn Schiffe, vor allem große Kriegsschiffe, durch niederländische Schiffsbauer bauen. Dazu gehörte das königliche [[Flaggschiff]] ''[[Trefoldighed (Schiff, 1642)|Trefoldigheden]]''.<ref name="Schiff">{{Internetquelle|url=http://tychsen.homepage.t-online.de/sv/history/schiffbau.htm|autor=Uwe Tychsen|titel=Schiffbau für die Dänische Krone in Neustadt|abruf=2023-09-11}}</ref> Allerdings war Christian IV. mit dem fertiggestellten Schiff nicht zufrieden, sondern ließ es von dem englischen Schiffsbaumeister James Robbins in der königlichen Werft auf [[Bremerholm]] überarbeiten.<ref>{{Literatur|Autor=Martin Bellamy|Titel=Danish Naval Administration and Shipbuilding in the Reign of Christian IV (1596–1648)|Ort=Glasgow|Jahr=1997|Seiten=371f und 384f}}</ref>
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Die Bezahlung der Schiffe durch den König verlief oft nur schleppend. Zwar fanden teilweise Zahlungen beim [[Kieler Umschlag]] statt, meist musste Marselis jedoch viel Geld vorstrecken. Auch dabei erfolgte die Bezahlung häufig indirekt. Zu den Privilegien, die der dänische König der Kompanie Berns & Marselis als Gegenleistung für Waren und Kredite erteilte, gehörte 1638 das [[Monopol]] für den Salpeterhandel mit Russland. 1639 hatte Dänemark von niederländischen Handelsschiffen bei der Sunddurchfahrt [[Nitrate#Salpeter|Salpeter]] konfisziert, weil diese das Berns & Marselis erteilten Monopol für den Salpeterhandel mit Russland verletzt hatten. Der jüngere Gabriel Marselis schloss daraufhin einen Vergleich zwischen den niederländischen Kaufleuten und dem dänischen König: Die Kaufleute erhielten einen Teil des konfiszierten Salpeters für 60.000 Reichstaler zurück. 50.000 Reichstaler bekam Marselis als Bezahlung für zwei auf seiner Werft gebaute Schiffe.<ref name="EA39" /> Das Salpetermonopol ließ sich jedoch nicht länger aufrechterhalten.
 
Im Auftrag des dänischen Königs 1640 bereiste Gabriel Marselis dessen Herrschaftsgebiet Norwegen, um die Produktivität der dortigen Kupfer- und Eisenindustrie zu überprüfen. Es gelang ihm, sich im Namen seines Vaters Anteile an norwegischen [[Bergwerk]]en und ein Monopol auf Holzexporte zu sichern.<ref>Erik Amburger: ''Die Organisation der russischen Eisenindustrie im XVII. Jahrhundert''. In: ''Troisième Conférence Internationale d’Histoire Économique / Third International Conference of Economic History'' Bd. 5, DeGruyter, Oldenburg 1974, S. 317–326; S. 320.</ref> Für sich selbst erhielt er ein königliches Privileg für die günstig an der Küste gelegene [[Eisenhütte]] in [[Bærum]] und erweiterte das Firmengelände durch private Landkäufe. Bei der Rückreise und auch bei späteren Aufenthalten führte er zollfrei insgesamt mehrere hundert [[Schiffsmast|Mastbäume]] aus, die er gewinnbringend in Amsterdam verkaufte.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=39–41}}</ref>
 
Durch den Tod des Vaters erbte Gabriel Marselis 1643 dessen norwegische Bergwerke, deren Ertrag er erheblich verbesserte, und das Monopol auf die Ausfuhr von Holz. Mit dem norwegischen Holz ließ die Kompanie Berns & Marselis auf den [[Werft]]en in Glückstadt und [[Neustadt in Holstein|Neustadt]] Schiffe im Auftrag von König Christian IV. und auch für sich selbst bauen. In Glückstadt unterhielt das Familienunternehmen zudem eine Kanonengießerei und errichtete ein [[Zeughaus]], für das es jährlich 3.000 Reichstaler von der Krone erhielt,<ref name="EA39">{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=39}}</ref> es leistete damit einen großen Beitrag zum Ausbau der von König Christian IV. 1617 gegründete Festungsstadt zu einem Zentrum der dänischen Militärflotte. Für die Lieferung von Kanonen bezahlte der König jedoch nicht, sondern übertrug Berns & Marselis 1642 einen mit Spanien ausgehandelten Vertrag über Salzlieferungen: Berns & Marselis sollten bis 1644 20.000 [[Last (Einheit)|Last]] Salz holen und für jede [[Salzmaß|Last]] fünf Reichstaler an die Krone zahlen.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=42}}</ref> Der darüber hinausgehende Gewinn sollte als Bezahlung für die Kanonen gelten. In den unsicheren Zeiten gelang es Berns & Marselis jedoch nicht, den Vertrag zu erfüllen. Das sollte ihren Nachkommen später zum Verhängnis werden.
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Während dieses Krieges war Gabriel Marselis auch diplomatisch tätig. Sein Einfluss bei Friedrich III. war so groß, dass er ihn bewegen konnte, sich 1662 für seinen in Russland ansässigen Bruder Peter einzusetzen, der wegen der Veruntreuung von Staatsgeldern seinen gesamten Besitz in Russland verloren hatte. Peter erhielt seinen Besitz zurück, zu dem Bergwerke, Eisenhütten und Waffenfabriken, aus denen auch Dänemark beliefert wurde, gehörten.
 
=== Internationale Handelsgeschäfte ===
Für Dänemark investierte Gabriel Marselis in den Aufbau von Handelsverbindungen, Niederlassungen und Kolonien. Eine Verbindung der Familie Marselis nach Russland bestand bereits seit 1613. Der Versuch 1638, für den Salpeterhandel ein Monopol für Dänemark zu erreichen, scheiterte zwar nach 1639,<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=76}}</ref> aber der Russlandhandel blieb intensiv. Gabriels Bruder Peter Marselis lebte ab 1629 in Moskau, reiste aber regelmäßig zu den Geschäftspartnern in Dänemark, Hamburg, Schleswig-Holstein und in die Niederlande. Die Familie Marselis lieferte Kriegsmaterial aus den Niederlanden und auch aus eigener Produktion nach Russland und erhielt als Gegenleistung Getreide für Dänemark. Zunehmend führte sie aber auch Eisenwaren und Waffen aus Peters Werken nach Dänemark ein. Den Aufbau dieser Werke förderte vor allem Gabriel.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=101f, 112, 131}}</ref> Mehrmals stattete er Schiffe zur Handelsfahrt von Amsterdam über Glückstadt nach [[Archangelsk]] aus, wo sich die Eisenwerke seines Bruders befanden.
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* Constantijn (Konstantin) (1647–1699) heiratete Sophie Elisabeth Charisius (1647–1706), ein Hoffräulein der dänischen Prinzessin und späteren Herzogin von [[Schleswig-Holstein-Gottorf]], [[Friederike Amalie von Dänemark|Friederike Amalie]]. Sein Erbteil Schloss Marselisburg benannte er nach dem Tod seines Vaters in ''Constantinsborg'' um. 1680 wurde er zum Baron von Marselisborg ernannt. Die Baronie fiel nach seinem Tod 1699 zurück an die Krone, da seine Ehe kinderlos geblieben war. Das Epitaph für ihn, seine Frau Sophie Charisius und deren zweiten Ehemann Peder Rodsteen (1662–1714) im [[Dom zu Aarhus]] schuf [[Thomas Quellinus]]. Es ist das größte [[Barock|barocke]] Grabmal in Dänemark.
 
* Lodewijk (* 1649; † vor 1653)
* Jacobus (* 1651; † vor 1653)
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Der norwegische Landbesitz der Familie Marselis war bereits nach Gabriels Tod 1673 dem Testament entsprechend verkauft worden. In Dänemark zog der nach dem Königsgesetz als [[Absolutismus|absoluter Herrscher]] regierende [[Christian V. (Dänemark und Norwegen)|Christian V.]] während und nach dem [[Nordischer Krieg (1674–1679)#Schonischer Krieg und Krieg auf der Ostsee|erneuten Krieg gegen Schweden]] ab 1676 die verpfändeten Krongüter wieder ein. Bei der sogenannten „Güterreduktion“ wurde ein Teil des Kronlandes durch Geldzahlungen ausgelöst. In anderen Fällen gelang es dem König, die Güter auch ohne Rückzahlung wieder an sich zu bringen. 1679 wurde der Rentmeister [[Heinrich Müller (Rentmeister)|Heinrich Müller]], der langjährige Geschäftspartner der Brüder Marselis und nach diesen der wichtigste Finanzier der dänischen Krone, durch ein neues Rentenkammerkollegium abgelöst, das ihm Veruntreuung nachwies und Rückzahlung von 132.496 Reichstalern forderte, wodurch Müller seinen gesamten über Jahrzehnte angehäuften Landbesitz verlor und seine letzten Lebensjahre in Armut verbrachte.<ref>{{Literatur|Autor=[[Vello Helk]]|Titel=Müller, Heinrich|Sammelwerk=Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck|Band =6|Ort= Neumünster |Jahr=1982|Seiten= 200–202; hier S. 202}}</ref>
 
1683 wurde den Erben der Berns & Marselis-Kompanie das nicht erfüllte Salzabkommen von 1642 zum Verhängnis. Sie sollten innerhalb von sechs Wochen jeweils die Hälfte von fast zwei Millionen Reichstalern, auf die sich nach Berechnung der Rentenkammer der Schaden einschließlich der Zinsen belief, nachzahlen. Gegenüber dieser Forderung wandte Regitze Sophie Vind, die Witwe von Gabriel Marselis’ kurz zuvor verstorbenem Sohn Baron Vilhelm Gyldenkrone, ein, dass dem Vertrag von 1642 entsprechend Berns mit fünf Sechsteln, Marselis aber mit nur einem Sechstel beteiligt gewesen sei. Paul von Klingenberg, der 1680 Berns’ gesamten Nachlass von den übrigen Erben übernommen hatte, musste damit fast die gesamte Last allein tragen. Dass Gabriels Sohn Johann 1688 gegen die dänische Krone klagte und die Begleichung von noch immer offenen Schulden anmahnte, half weder ihm und seinen Brüdern noch Klingenberg, der alle seine Güter verkaufen und schließlich 1690 Konkurs anmelden musste. Gabriels Söhne verloren nur Møn, das zu Vilhelms Erbteil gehört hatte. Ihnen blieb ein stattlicher Besitz in Dänemark, den Regitze Sophie Vind durch die Übernahme von vier ehemals Berns`schenBerns’schen Gütern von Klingenberg sogar noch vergrößern konnte.<ref>{{Literatur|Autor=John T. Lauridsen|Titel=Fra »spekulation« til konkurs. En studie i Poul Klingenbergs økonomiske kollaps|Sammelwerk=Historie|Jahr=1999|Seiten=1–31; hier S. 12f}}</ref>
 
Frans van Marselis erhielt 1684 die Bestätigung für den Besitz von Kalundborg, das vom Pfand zum Erbeigentum umgewandelt, jedoch 1706 verkauft wurde. Die Nachkommen von Vilhelm Gyldenkrone besitzen nach wie vor Land in Dänemark, wenn auch nicht mehr als Barone. Die in den Niederlanden ansässigen Brüder Johann und Frans und ihre Nachkommen betrieben als Patrizier in Amsterdam Gabriel Marselis’ norwegische Holzgeschäfte weiter. 1808 starb der niederländische Zweig der Familie aus.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=65–67}}</ref>