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[[Datei: Gabriel Marcelis.jpg|mini|[[Pieter Nason]]: Gabriel Marselis, 1669]]
'''Gabriel Marselis''' (auch ''Marcelles'' oder ''Marcelis''; * [[1609]] in [[Hamburg]]; † [[5. April]] [[1673]] in [[Amsterdam]]) war ein niederländischer Großkaufmann und Finanzier, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu den wichtigsten Kreditgebern der [[Königreich Dänemark|dänischen Krone]] gehörte.
 
Sein gleichnamiger Vater hatte während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] von Hamburg aus eins der größten Handels- und Bankhäuser in Nordeuropa gegründet, das von den vier Söhnen und dem Schwiegersohn bis nach Russland und Norwegen expandierte. Der jüngere Gabriel Marselis führte ab etwa 1630 das Handelshaus der Familie in Amsterdam. Von dort aus vertrat er ab 1638 die dänischen Interessen in den Niederlanden. Er finanzierte zusammen mit seinem Bruder Selio und mehreren Kompagnons die Kriege der dänischen Könige [[Christian IV. (Dänemark und Norwegen)|Christian IV.]] und [[Friedrich III. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich III.]] gegen Schweden und versorgte die dänische Flotte mit Schiffen und Waffen, die sie teils einkauften, teils in eigenen Werften und Manufakturen herstellen ließen. Dabei kam ihm seine enge Vernetzung in den Kreisen der niederländischen Großkaufleute, aber auch die Verbindung zu den mächtigen Schwiegersöhnen von König Christian IV. zugute. Da der von Kriegen ruinierte Staat immer mehr Schwierigkeiten hatte, die gelieferten Waren und die vergebenen Kredite zu bezahlen, vergaben beide Könige als Gegenleistung Handelslizenzen und Privilegien für den Bergbau in Norwegen und verpfändeten schließlich einen Großteil des [[Krongut]]s. Zusätzlich zu diesen Pfandgütern kaufte Gabriel Marselis weitere Ländereien und Produktionsstätten, die er rücksichtslos ausbeutete. So wurde er zum größten Landbesitzer in [[Dänemark]] und [[Norwegen]] und einem der reichsten Niederländer seiner Zeit. 1665 wurde er in den dänischen Adel aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Familienunternehmen bereits im Niedergang. Die norwegischen Besitztümer wurden nach Marselis’ Tod verkauft, die dänischen Güter in den 1680er Jahren teilweise wieder eingezogen.
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Listen der in Hamburg residirenden, wie der dasselbe vertretenden Diplomaten und Consuln|Sammelwerk=Zeitschrift des Vereines für Hamburgische Geschichte|Band=3
|Jahr=1851|Abruf=2023-09-15|Seiten=414–534; hier 428}}</ref>; Elisabeth, eine Tochter dieser Ehe, wurde die Frau von [[Andreas Pauli von Liliencron]].
** Elisabeth (1637–1663) ⚭ [[Paul von Klingenberg]]
** Albert (1642–1670) ⚭ seine Cousine Anna Margarethe Berns<ref>{{Internetquelle|url=http://www.marinelives.org/wiki/Hamburg_and_L%C3%BCbeck_merchants_in_1650s#Behrens_family.2Ffamilies|titel=Behrens family/families|abruf=2023-09-11}}</ref>
** Gabriel (1646–1678) ⚭ Marie de la Fontaine; er erbte als jüngster und letzter überlebende Sohn Wandsbek und versuchte nach dem Tod seiner Mutter, den Zuzug wohlhabender Einwohner zu fördern, indem er mit königlichem Privileg Kaufleuten, die als säumige Schuldner ihre Heimat hatten verlassen müssen, das Recht zur Niederlassung erteilte und einige Jahre später auch Juden erlaubte, sich auf seinem Besitz anzusiedeln.<ref>{{Internetquelle|url=https://finnholbek.dk/getperson.php?personID=I32791&tree=2|titel=Gabriel Berns|abruf=2023-09-11}}</ref>
 
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Seinen ersten eigenständigen Auftritt als Kaufmann hatte Gabriel Marselis als 19-Jähriger, als er 1628 im Auftrag seines Vaters mit dem Kriegskommissar [[Cai von Ahlefeldt]] einen Vertrag über die Lieferung von Getreide und Heeresausstattung im Wert von rund 25.000 [[Reichstaler]]n für das nach der [[Schlacht bei Lutter]] und die anschließenden Plünderungen des kaiserlichen Heers unter [[Tilly]] ruinierten [[Königreich Dänemark|Königreichs Dänemark]] aushandelte. In den folgenden Jahren führte er zusammen mit seinem älteren Bruder Selio das Handelshaus in Amsterdam. Wie die verschwägerte Familie Trip handelten sie zwar einerseits mit Getreide, vor allem aber mit Waffen und zudem mit [[Schießpulver]]. Da die Brüder auch das mit den [[Generalstaaten]] im Krieg liegende [[Spanien]] mit ihren Waffen belieferten, mussten sie wegen illegalem Waffenhandels mehrfach Geldstrafen zahlen.<ref>{{Internetquelle|autor=C. O. Bøggild-Andersen|url=https://biografiskleksikon.lex.dk/Gabriel_Marselis|titel=Gabriel Marselis|werk=Dansk Biografisk Leksikon|sprache=da|abruf=2022-09-11}}</ref>
 
Mit dem (künftigen) Herzog von [[Herzogtum Kurland und Semgallen|Kurland und Semgallen]], [[Jakob Kettler]], schloss Gabriel Marselis 1634 einen Vertrag, in dessen künftige [[Kurländische Kolonialgeschichte|Kolonien]] zu investieren. Bei der kurzfristigen Kolonialisierung [[Tobago]]s durch die Kurländer in den 1650er Jahren war er wohl aber doch nicht beteiligt.<ref>{{Literatur|Autor=Edgar Anderson|Titel=The Couronians and The West Indies The First Settlements|Reihe=Caribbean Quarterly|BandReihe=5|NummerReihe=4|Hrsg=University of the West Indies|Jahr=1959|Seiten=264–7|JSTOR=40652728}}</ref>
 
König Christian IV. empfahl den jüngeren Gabriel Marselis 1632 für die Stellung eines Residenten in [[Warschau]]. Am 11. April 1634 heiratete Gabriel Marselis in De [[Beemster]] in den Niederlanden Isabella (Isabeau) van der Straten (* Januar 1616 in Hamburg), die jüngste Tochter des um 1630 verstorbenen niederländischen Kaufmanns Jan Fransz van der Straten und dessen Frau Sara Moncks, die sich wie der ältere Gabriel Marselis in Hamburg niedergelassen hatten. Ihre ältere Schwester Anna war mit seinem Bruder Selio verheiratet. Über zwei weitere Schwestern ihrer Ehefrauen waren die Brüder Marselis mit den Amsterdamer Kaufmännern Pieter [[Trip (Adels- und Patriziergeschlecht)|Trip]] und Samuel [[Sautijn]] (1593–1672) verschwägert. Letzterer war niederländischer Konsul in [[Genua]] und Direktor der ''[[Banco di San Giorgio|Compagnia Marittima di San Giorgio]]'', eine italienisch-niederländische Handelsgesellschaft, die in Amsterdam von seinen Schwägern Frans, Willem und Pieter van der Straten vertreten wurde.<ref>{{Literatur|JSTOR=43888665|Autor=Frits Scholten|Titel=De Nederlandse handel in Italiaans marmer in de 17de eeuw|Sammelwerk=NEDERLAND-ITALIE: Relaties in de beeldende kunst van de Nederlanden en Italië / Artistic relations between the Low Countries and Italy 1400–1750|Reihe=Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek (NKJ) / Netherlands Yearbook for History of Art|BandReihe=44|Jahr=1993|Seiten=197–214; hier S. 204–205}}</ref>
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[[Datei:Hannibal Sehested.jpg|mini|hochkant|Hannibal Sehested, königlicher Schwiegersohn, Statthalter von Norwegen und wichtigster Geschäftspartner der Gebrüder Marselis]]
Durch den Tod des Vaters zwei Jahre später 1643 erbte Gabriel Marselis weitere norwegische Bergwerke, deren Ertrag er erheblich verbesserte, und ein Monopol auf die Ausfuhr von Holz. Mit dem norwegischen Holz wurde auf den [[Werft]]en in Glückstadt und [[Neustadt in Holstein|Neustadt]] die Flotte gebaut, mit deren Aufbau König Christian IV. spätestens 1638 den älteren Gabriel Marselis und dessen Schwiegersohn, den aus Kopenhagen gebürtigen Albert Baltzer Berns, beauftragt hatte. Die Kompanie Berns und Marselis ließ auch für sich selbst Schiffe bauen. In Glückstadt unterhielt das Familienunternehmen zudem eine Kanonengießerei und errichtete ein [[Zeughaus]], für das sie jährlich 3.000 Reichstaler von der Krone erhielten.<ref name="EA39">{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=39}}</ref> Damit leistete sie einen großen Beitrag dazu, die von König Christian IV. 1617 gegründete Festungsstadt zu einem Zentrum der dänischen Militärflotte auszubauen. Für die Lieferung von Kanonen an den König übertrug dieser ihnen 1642 die durch [[Hannibal Sehested (Politiker, 1609)|Hannibal Sehested]] ausgehandelten Salzlieferungen aus Spanien: Berns und Marselis sollten bis 1644 20.000 [[Last (Einheit)|Last]] Salz holen und für jede Last fünf Reichstaler an die Krone zahlen.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=42}}</ref>
Besonders im [[Torstenssonkrieg]], der im Dezember 1643 mit einem überraschenden schwedischen Angriff auf das Herzogtum Holstein begann, machten sich die Gebrüder Marselis mit ihren großzügigen Krediten und ihren Waffenlieferungen für den dänischen König unentbehrlich. Die dänischen Schulden wuchsen ins Unermessliche. Nach dem [[Frieden von Brömsebro]] im August 1645 präsentierte allein Gabriel Marselis Forderungen von über 55.000 Reichstalern in Dänemark und 31.000 Reichstalern in Norwegen. Ähnliche Rechnungen stellten seine Brüder und sein Schwager Berns auf. Letzterer erhielt die dänische Post in Glückstadt und das Recht, das königliche Gut Wandsbek zu kaufen.
 
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=== Geschäfte mit der „Schwiegersohnpartei“ ===
 
Besonders einträglich für Marselis waren die Geschäfte mit Hannibal Sehested und [[Corfitz Ulfeldt]]. Die mächtigen Schwiegersöhne Christians IV., Ehemänner der Töchter des Königs aus dessen [[Morganatische Ehe|morganatischer Ehe]] mit [[Kirsten Munk]], hatten in den letzten Lebensjahren ihres königlichen Schwiegervaters die eigentliche Macht im Staat inne, die sie vor allem zu den eigenen Gunsten ausübten. Sehestad war 1642 Statthalter von Norwegen geworden, das er in den folgenden Jahren gänzlich unter seine Kontrolle brachte. Selio Marselis ließ sich 1644 in [[Oslo|Christiania]] nieder und baute in Sehesteds Auftrag Kriegsschiffe, die er mittels seiner weitreichenden familiären Kontakte mit Waffen und Mannschaften ausstattete. Auch Gabriel Marselis kam 1645 für ein paar Monate nach Norwegen und gewährte dem durch den Krieg gegen Schweden weitgehend von Dänemark abgeschnittenen Statthalter großzügig Kredit. Beide Brüder unterstützten Sehested bei der Neuordnung der norwegischen Verwaltung im Sinne des [[Merkantilismus]]. Auf seiner Rückreise nach Kopenhagen überbrachte Gabriel Marselis dem König die norwegischen Zolleinnahmen.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=45f}}</ref>
 
Als Gegenleistung für die über 130.000 Reichstaler, die die Krone Selio Marselis nach dem Torstenssonkrieg schuldete, wurden ihm in Christiana dank Sehesteds Protektion ab 1646 erhebliche Privilegien erteilt, zu denen neben Religionsfreiheit für den Calvinisten auch Zoll- und Steuerbefreiung gehörten. In der Nähe der Stadt baute er sich sein Anwesen Marselienborg mit einem großen Garten am heutigen [[Eidsvolls plass]].<ref>{{Internetquelle|url=https://profilbaru.com/article/Parks_and_open_spaces_in_Oslo|titel=Parks and open spaces in Oslo|abruf=2023-09-12}}</ref> Besonders unbeliebt machte ihn bei den Bürgern von Christiania, dass er zwar alle [[Bürgerrecht|Rechte eines Bürgers]] genoss, ohne jedoch an die Pflichten gebunden zu sein. Ab 1648 betätigte Selio sich zudem als Bergwerkexperte.<ref name="SElio">{{Internetquelle|url=https://snl.no/Selius_Marselis|autor=Anne Hilde Nagel|titel=Selius Marsalis|werk=Store norske leksikon|sprache=no|abruf=2022-02-11}}</ref> Auch Gabriel Marselis erhielt weitere Bergwerke und Höfe in Norwegen. Dank des Kapitals der Marselis-Brüder, das die Erschließung der Kupfer-, Eisen- und Silbervorkommen ermöglichte, nahm die norwegischen Wirtschaft einen schnellen Aufschwung, wobei die Einkünfte zu einem großen Teil Selio und Gabriel Marselis zuflossen.
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Obwohl die Gebrüder Marselis sich durch die Machenschaften der Schwiegersohnpartei auch persönlich erheblich bereichert hatten, hatte deren Sturz durch den neuen König [[Friedrich III. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich III.]] für sie keine negativen Auswirkungen, da auch der neue Herrscher auf ihr Geld und die Waffen, die sie ihm beschafften, angewiesen war. So bestätigte Friedrich III. Gabriel Marselis die Privilegien, die ihm sein Vater Christian IV. 1641 für die norwegischen Bergwerke und Eisenhütten erteilt hatte, 1648 nur wenige Tage nach dessen Tod und erneut 1670, diesmal ausgeweitet auf seine Erben.<ref>{{Literatur|Autor= Frederik August Wessel-Berg, Laurids Fogtman, Jens Christian Berg, Hjalmar Balduin Gjertz|Titel=Kongelige rescripter, resolutioner og collegial-breve for Norge i tidsrummet 1660–1813|Verlag=J. W. Cappelen|Jahr=1841|Band=1|Seiten=61–63}}</ref> Auch die Untersuchung über die von Ulfeldt und Sehested veruntreuten staatlichen Gelder 1651 überstanden die Brüder Marselis unbeschadet, obwohl zumindest Selio der Unterschlagung von fast 50.000 Reichstalern überführt wurde. Stattdessen wurde ihnen ein Großteil der Ländereien in Norwegen überschrieben, die Sehested nach seiner Absetzung als Generalgouverneur von Norwegen an die Krone zurückgeben musste. Zusammen mit den Gütern, die sie schon zuvor erhalten hatten, waren sie damit die größten Grundbesitzer in Norwegen. Gabriel Marselis hatte allerdings keine weiteren Ambitionen für Norwegen. In seinem 1655 verfassten Testament wies er seine Nachkommen an, seinen dortigen Besitz zu verkaufen oder zu verpachten.<ref name="EA55">{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=55}}</ref>
 
Zu Marselis’ Geschäftspartnern gehörte der aus Holstein stammende [[Rentamt|Rentmeister]] [[Heinrich Müller (Rentmeister)|Heinrich Müller]], der wie er unter der Schwiegersohnpartei zu großem Wohlstand gekommen war und auch nach deren Sturz als Finanzier der dänischen Könige großen Einfluss im Königreich genoss. Durch die Hochzeit von Müllers gleichnamiger Sohn mit einer Tochter von Selio Marselis wurde die Geschäftsbeziehung durch familiäre Bande verstärkt. Ein zweiter wichtiger Verbindungsmann zum dänischen König und ebenfalls mit der Marselis-Familie verschwägert war der Beamte [[Paul von Klingenberg]] (1615–1690). Dieser hatte seine Karriere als Lehrling bei Marselis’ Hamburger Geschäftspartner und Schwager Albert Baltzer Berns begonnen und dessen Tochter, Marselis’ Nichte Elisabeth Berns, geheiratet. 1653 wurde er Generalpostmeister für Dänemark und die Herzogtümer [[Herzogtum Schleswig|Schleswig]] und Holstein und 1655 Mitglied des neu geschaffenen Admiralitätsrates.<ref>{{Internetquelle|url=https://biografiskleksikon.lex.dk/Poul_v._Klingenberg|autor=Steffen Heiberg|titel=Poul v. Klingenberg|werk=Dansk Biografisk Leksikon|sprache=da|datum=2011-07-18|abruf=2022-02-18}}</ref>
 
1657 erhielten Marselis, Müller und Klingenberg zusammen den Auftrag, Marine und Festungen mit Kleidung, Proviant und Waffen für den geplanten [[Zweiter Nordischer Krieg#Krieg Dänemarks-Norwegens gegen Schweden|Angriff auf Schweden]] auszustatten, durch den der König die im Frieden von Brömsebro verlorenen Gebiete zurückgewinnen wollte. Durch diese Aufträge wuchs die Schuldenlast des dänischen Staats weiter an. Nach dem für Dänemark wenig befriedigenden [[Frieden von Roskilde]], der den Krieg nach nur acht Monaten im Februar 1658 beendete, erhoffte der schwedische König [[Karl X. Gustav]] einen schnellen Sieg über seinen Konkurrenten in der Ostsee und griff im August 1658 Kopenhagen an. Diesmal erhielt Dänemark Unterstützung ausländischer Mächte und erhielt im [[Frieden von Kopenhagen]] 1660 einen Teil der verlorenen Gebiete zurück. Wirtschaftlich war das Land jedoch vollkommen ruiniert und konnte die gewährten Kredite nicht begleichen, weshalb Gabriel Marselis die von ihm mit Schiffen und Mannschaften aus den Generalstaaten zusammengestellte Flotte nicht bezahlen konnte.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=56f}}</ref> Der bankrotte Staat entschädigte die Gläubiger stattdessen erneut mit Gütern aus dem Krongut. Gabriel Marselis erhielt in den folgenden Jahren mehrere Ämter als Pfänder. Selio Marselis, der bei der Belagerung Kopenhagens auch persönlich militärisch eingegriffen hatte, bekam seine Sonderrechte in Christiania 1659 erneuert. Zudem wurde er zum Oberbergwerkrat und Generalpostmeister in Norwegen ernannt, was ihm zusätzlich zu seinen sonstigen Privilegien auch Portofreiheit verschaffte.<ref name="SElio"/>
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Nach Selios Tod 1663 führte Gabriel Marselis das Geschäft mit Dänemark allein weiter und war zu seiner Zeit der größte Gläubiger der dänischen Krone: Von den 7,5 Millionen [[Gulden]], die das Königreich sich bis 1664 bei niederländischen Kaufleuten geliehen hatte, schuldete es Gabriel Marselis mit 1,1 Millionen Gulden den größten Einzelanteil.<ref name="debt657"/> Im selben Jahr erhielt Marselis [[Møn]] als Pfand für 100.000 Reichstaler. Ebenfalls 1664 wurden ihm Schloss und Amt [[Kalundborg]] zur Pacht übertragen, deren Wert zumindest nach Marselis’ Ansicht nicht den damit zu begleichenden Schulden entsprach.<ref name="CvB118">{{Literatur|Autor=Christiaan van Bochove |Titel=The Economic Consequences of the Dutch. Economic Integration Around the North Sea, 1500–1800|Ort=Amsterdam|Verlag=Aksant |Jahr=2008|Seiten=118}}</ref> Als wichtigster Gläubiger der Krone wurde er einschließlich seiner Nachkommen am 7. September 1665 [[Nobilitierung|geadelt]]. Angesichts des im selben Jahr erlassenen [[Königsgesetz]]es, das die Macht und die Privilegien des dänischen Adels erheblich einschränkte, verhalf ihm sein neuer Stand nicht bei der Eintreibung der königlichen Schulden.<ref>{{Literatur|Autor=Christiaan van Bochove |Titel=The Economic Consequences of the Dutch. Economic Integration Around the North Sea, 1500–1800|Ort=Amsterdam|Verlag=Aksant |Jahr=2008|Seiten=119}}</ref> Noch 1696 prozessierte sein Sohn Johann Marselis deswegen gegen die dänische Krone.<ref name="CvB118"/>
 
Trotz der Geschäfte mit Dänemark behielt Marselis seinen Lebensmittelpunkt und Hauptwohnsitz in den Niederlanden. In der zweiten Hälfte der 1660er Jahre zog er sich zunehmend aus dem Geschäft zurück. Ab 1667 verwalteten seine Söhne Wilhelm und Konstantin die dänischen Güter. Beide wurden zu dänischen Lehnsbaronen ernannt. Die beiden anderen Söhne und ihre Nachkommen blieben in den Niederlanden. Johann wurde 1670 als Nachfolger des Vaters dänischer Kommissarius in den Niederlanden.
 
Gabriel Marselis starb am 5. August 1673 als letzter seiner Geschwister und einer der reichsten Niederländer seiner Zeit. Er wurde wie seine erste, 1652 verstorbene Frau Isabella van der Straten sowie sein erstgeborener, gleichnamiger Sohn in der [[Zuiderkerk (Amsterdam)|Zuiderkerk]] in Amsterdam beigesetzt. Die Grabsteine in der 1928 säkularisierten Kirche sind nicht erhalten. Seine zweite Frau Maria van Arckel, die im Januar 1656 nur wenige Monate nach der Hochzeit verstarb, ist in der [[Westerkerk (Amsterdam)|Westerkerk]] beigesetzt.
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Gabriel Marselis war zum Zeitpunkt seines Todes der größte Landbesitzer in Dänemark und Norwegen. Statt seine Schulden in Geld abzuzahlen, überließ der dänische König seinen Gläubigern Landbesitz aus dem [[Krongut]] in einem Ausmaß, wie es nur mit der Verpfändung des Kronguts durch [[Erik IV. (Dänemark)|Erik VI. Menved]] an Graf [[Gerhard III. (Holstein-Rendsburg)|Gerhard III.]] von [[Holstein-Rendsburg]] um 1300 vergleichbar ist. Gabriel Marselis gelangte so in den Besitz zahlreicher Güter in Dänemark und Norwegen, darunter Gut Havreballegård in [[Aarhus]], das ihm 1661 überschrieben wurde und auf dem er und sein Sohn Konstantin [[Schloss Marselisborg]] bauen ließen. Zusätzlich kaufte er weitere Güter, darunter Skumstrup und Moesgård. 1664 erhielt er Møn und Kalundborg, weshalb er sich in den Niederlanden ''van Callenberg'' nannte. Auf seinen landwirtschaftlichen Gütern beutete er die Bauern durch hohe Abgaben gnadenlos aus.
 
In Norwegen besaß Gabriel Marselis neben mehreren Kupfer- und Eisenbergwerken auch eine [[Mühlstein]]-Werkstatt bei [[Vågå]], deren Effektivität er auf Kosten der Arbeiter steigerte.<ref>{{Internetquelle|titel=The Marselis trading company: Copper and millstones in Vågå and Sel in the 17th century|autor=Ivar Teigum|url=https://www.opam.no/nettutstillinger/nederland/en/history/teigum|sprache=en|werk=Netherlands and Norway. Life in a new country|hrsg=Opplandsarkivet avd. Maihaugen|abruf=2022-02-19}}</ref> Dieser Besitz setzte sich aus gepfändetem Krongut und eigenen Käufen zusammen. 1672–1675 wurde ein Teil des bisherigen Pfandbesitzes, zu dem auch die Ländereien des säkularisierten Kloster Bakke bei [[Trondheim]] gehörten, in Erbeigentum umgewandelt und nach Marselis’ Tod unter seinen Kindern und Neffen aufgeteilt. Ein anderer Teil wurde [[Peder Schumacher Griffenfeld]] anlässlich dessen Adelserhebung verliehen.<ref>{{Literatur|Autor=Erik Amburger|Titel=Die Familie Marselis. Studien zur russischen Wirtschaftsgeschichte|Ort=Gießen|Jahr=1957|Seiten=64}}</ref>
 
[[Datei:Jan van der Heyden - Castle Elswout, Overveen 1667 FHM01-OS-74-352.jpeg|mini|Schloss Elswout ([[Jan van der Heyden]], 1667)]]
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Gabriel Marselis war zweimal verheiratet. Seine erste Frau Isabella (Isabeau) van der Stra(a)ten (* Januar 1616 in Hamburg) starb 1652 und wurde am 15. Oktober in der Zuiderkerk in Amsterdam begraben. Die zweite Ehe schloss er am 14. März 1655 in Amsterdam mit Maria van Arckel (1622–1656).
 
[[Datei:Marselis epitaph (top).jpg|mini|Epitaph für Konstantin Marselis im Dom zu Aarhus; Marselis steht (vom Betrachter aus gesehen) links von seiner Frau. Die Wappen, die die beiden Putti tragen, sind [[Wappenvereinigung|zusammengesetzt aus den Wappen]] der Familien Marselis und Charisius .]]
Aus der ersten Ehe hatte er acht Kinder, von denen vier Söhne ihn überlebten:
* Isabella (1637–1643)
* Gabriel (1639–1667)
* Johann (Jan) (1641–1702) war [[Kanoniker]] am [[Utrechter Dom]] und erbte Elswout.<ref name="Elswout"/> Er heiratete die Tochter des Haarlemer Bürgermeisters Jan van Thilt, mit der er fünf Kinder hatte. Elswout wurde nach seinem Tod 1703 mitsamt des Inventars und der Kunstsammlung versteigert.
* Frans (1643–1705) erbte Kalundborg und nannte sich als dessen Besitzer „Herr van Callenburg“. Er heiratete 1669 Adriana [[Pauw (Adels- und Patriziergeschlecht)|Pauw]] (1652–1713), die von ihrem Großvater [[Adriaan Pauw]] [[Heemstede]] geerbt hatte, wo die Familie lebte.
* Vilhelm (1645–1683) studierte ab 1661 in [[Universität Leiden|Leiden]]. Um 1664 übernahm er von seinem Vater die Güter Moesgård, Østergård und Skumstrupgård, seit 1688 ''Vilhelmsborg'', bei Aarhus. 1673 wurde er unter dem Namen ''Gyldenkrone'' in den dänischen [[Freiherr]]enstand erhoben, aus seinen Gütern wurde die Lehnsbaronie Wilhelmsborg. Im selben Jahr heiratete er die dänische Adlige Regitze Sophie Vind (1660–1692). Er und seine Frau hatten fünf Söhne. Nach seinem Tod ließ sie in dem Dorf ein [[Armenhaus]] einrichten und stiftete der [[Kirchenpatronat|Patronatskirche]] in Mårslet ein [[Altarretabel]]. In zweiter Ehe heiratete sie [[Jens Juel (Diplomat)|Jens Juel]].<ref>{{Literatur|Online=http://runeberg.org/dbl/6/0335.html|Autor=G. L. Wad|Titel=Güldencrone, Vilhelm|Sammelwerk=Dansk biografisk Lexikon|Band=6|Sprache=da|Seiten=333–334|Abruf=2023-09-15}}</ref> Die Baronie Wilhelmsborg wurde im Zuge der [[Lehnsgraf#Geschichte|Lehnsauflösung]] 1919 aufgehoben.
* Constantijn (Konstantin) (1647–1699) heiratete Sophie Elisabeth Charisius (1647–1706), ein Hoffräulein der dänischen Prinzessin und späteren Herzogin von [[Schleswig-Holstein-Gottorf]], [[Friederike Amalie von Dänemark|Friederike Amalie]]. Sein Erbteil Schloss Marselisburg benannte er nach dem Tod seines Vaters in ''Constantinsborg'' um. 1680 wurde er zum Baron von Marselisborg ernannt. Die Baronie fiel nach seinem Tod 1699 zurück an die Krone, da seine Ehe kinderlos geblieben war. Das Epitaph für ihn, seine Frau Sophie Charisius und deren zweiten Ehemann Peder Rodsteen (1662–1714) im [[Dom zu Aarhus]] schuf [[Thomas Quellinus]]. Es ist das größte [[Barock|barocke]] Grabmal in Dänemark.
* Lodewijk (* 1649; † vor 1653)
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Zwei 1655 gemalte [[Pendant]]-Porträts von [[Bartholomeus van der Helst]], die ein niederländisches Ehepaar darstellen, wurden 2012 von Sebastien A. C. Dudok van Heel als Hochzeitporträts von Marselis und seiner zweiten Ehefrau Maria van Arckel, die er 1655 heiratete, identifiziert. Als Beleg dafür gibt er an, das Gebäude mit den beiden Schornsteinen im Hintergrund des Männerporträt zeige Gut Elswout, das Marselis im Jahr zuvor erworben hatte, vor dessen Ausbau.<ref>{{Internetquelle|url=https://bartholomeusvanderhelst.wordpress.com/2012/12/07/gabriel-marselis-en-maria-van-arckel/|titel=Gabriel Marselis en Maria van Arckel|werk=Bartholomeus van der Helst|datum=2012-12-07|abruf=2023-09-11}} Siehe auch: {{Literatur|Autor=S. A. C. Dudok van Heel|Titel=Bartholomeus van der Helst. The marriage portraits of Gabriel Marselis and Maria van Arckel|Ort=New York|Jahr=2013}}</ref> In der hinter dem Gutshaus gelegenen, von Häusern umgebenen Kirche ist die [[St.-Bavo-Kirche (Haarlem)|St.-Bavo-Kirche]] in [[Haarlem]] zu erkennen, in dessen Nähe das Gut liegt. Im Hintergrund des Frauenporträts sind mehrere Schiffe auf der See hinter den Dünen zu erkennen, möglicherweise ein Hinweis auf Marselis’ Tätigkeit als Kaufmann. Beide Eheleute sind in reicher, modischer Kleidung fast in Lebensgröße dargestellt.
 
Diese Deutung ist jedoch nicht unwidersprochen. So wurden die Porträtierten etwa von Pieter Biesboer 2015 als Hendrick Zegersz van der Kamp (* um 1605) und dessen zweiten Frau Hester du Pire († 1656)<ref>Hendrick Zegersz van der Kamp war viermal verheiratet, siehe {{Internetquelle|url=https://rkd.nl/nl/explore/images/244738|titel=Bartholomeus van der Helst. Portret van een man, waarschijnlijk Hendrick Zegersz. van der Kamp, 1655 gedateerd|werk=rkd.nl|abruf=2023-09-13}}</ref> angesehen, deren Gut Huis te Manpad ebenfalls bei Haarlem lag. Für diese zweite Deutung spreche auch, dass das Alter der abgebildeten Frau eher zu der 1655 um die 50 Jahre alten Hester du Pire passe als zu der 33-jährigen Maria van Arckel.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.alaintruong.com/archives/2018/01/04/36016387.html|autor=Alain. R. Truong|titel=Bartholomeus van der Helst, Portrait of a Gentleman, Probably Hendrick Zegersz Van Der Kamp, 1655|datum=2018-01-04|abruf=2023-09-11}}</ref> Zudem war Hester du Pire eine Tante der Ehefrau des Malers und Patin eines seiner Kinder, deren Haus van der Helst 1654 besuchte.
 
Die beiden datierten und signierten Gemälde sind zum ersten Mal dokumentiert als Teil der Sammlung des Genfers Jean-Robert Tronchin Boissier (1710–1793). Sie wurden 2018 bei [[Sotheby’s]] verkauft.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2018/the-otto-naumann-sale-n09810/lot.29.html|titel=Bartholomeus van der Helst, Portrait of a Gentleman, 1655|abruf=2023-09-13}}</ref>