Indirekte Verdunstungskühlung

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Die indirekte Verdunstungskühlung ist ein Verfahren, bei dem die im Phasenwechsel entstehende Verdunstungskälte zur Kühlung (z.B. Kühlung der Luft in einer Raumlufttechnik-Anlage (RLT-Anlage)) genutzt wird.

Einflussfaktoren auf den erreichbaren Kühleffekt

Bei der indirekten Verdunstungskühlung erfolgt diese Wasserverdunstung auf der Abluftseite eines RLT-Gerätes, wodurch warme Außenluft über eine nachfolgende Wärmerückgewinnung gekühlt wird. Die erzielbare Abkühlung der Außenluft ist somit von der verdunsteten Wassermenge auf der Abluftseite und der Bauart sowie dem Wirkungsgrad der eingesetzten Wärmerückgewinnung abhängig. Die Abluft kann dabei bis nahe der Sättigung befeuchtet werden, ohne dass ein Feuchteanstieg in der Zuluft auftritt. Neben der Luftgeschwindigkeit, mit welcher der Verdunstungskühler durchströmt wird, hängt die verdunstete Wassermenge und somit die erreichte Abkühlung von dem Luftzustand ab, mit der die Abluft in den Verdunstungskühler eintritt. Ausschlaggebend sind dabei:

  • die Lufttemperatur vor der Verdunstung: Je kühler diese ist, umso weniger Feuchte kann sie aufnehmen und umso geringer wird der Abkühleffekt.
  • die Luftfeuchtigkeit vor der Verdunstung: Je mehr Wasser die Luft bereits enthält, umso weniger Feuchte kann sie aufnehmen und desto geringer wird die erzielte Temperaturabsenkung.

Die theoretische Grenze der Verdunstungskühlung ist bei kompletter Sättigung der Luft mit Wasser erreicht – also bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 100 %. In RLT-Anlagen sind mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand Feuchteerhöhungen auf Werte von 92 bis 95 % je nach Bauart des verwendeten Verdunstungskühlers realistisch.

Energieeinsparung durch die indirekte Verdunstungskühlung in einer RLT-Anlage

 
Schematischer Aufbau einer RLT-Anlage mit indirekter Verdunstungskühlung

Der sensible Kühlenergiebedarf eines Gebäudes wird im Wesentlichen durch die einfallende Sonnenstrahlung sowie innere Wärmelasten von Personen, Geräten und Beleuchtungsanlagen bestimmt. Für die Einhaltung der zulässigen Raumluftfeuchtigkeit wird je nach Außenluftzustand und intern vorhandener Feuchtequellen zusätzlich latente Kühlenergie benötigt. Die indirekte Verdunstungskühlung eignet sich für die sensible Kühlung der Zuluft. Zusätzlich für die Entfeuchtung erforderliche latente Kühlung oder über das Potential der Verdunstungskühlung hinausgehende sensible Abkühlung muss weiterhin durch einen mechanischen, aber entsprechend kleiner dimensionierten Kälteerzeuger, erfolgen. Bei geeigneter Anlagenkonzeption wird durch die indirekte Verdunstungskühlung deutlich mehr elektrische Antriebsenergie für die mechanische Kälteerzeugung eingespart als für die Überwindung des zusätzlichen luftseitigen Druckverlustes durch den Abluftventilator benötigt wird. Wenn man bereits im Planungsstadium wissen möchte, wie viel Energie durch die indirekte Verdunstungskühlung regenerativ erbracht und tatsächlich eingespart werden kann, ist dies mittels einer Simulationsrechnung für den Betrieb der RLT-Anlage am jeweiligen Gebäudestandort zu bestimmen. In diese Simulation müssen alle im Jahresverlauf vorkommenden Außenluftkonditionen sowie die relevanten Planungsparameter der RLT-Anlage einfließen.

Qualitative Darstellung des thermodynamischen Verlaufes bei Kühlbetrieb im h,x-Diagramm. Durch adiabate Befeuchtung der Abluft [ABL] bis kurz vor den Sättigungszustand [ABL1] wird diese um mehrere Kelvin abgekühlt. Somit kann die Abluft in der nachgeschalteten Wärmerückgewinnung der warmen Außenluft [AUL] erhebliche Wärmemengen entziehen

Rechenbeispiel an einer Simulierten RLT-Anlage

Simulation einer RLT-Anlage mit indirekter Verdunstungskühlung

Der energetische Beitrag der indirekten Verdunstungskühlung soll nun anhand einer beispielhaften Simulationsrechnung für ein Mustergebäude dargestellt werden. Das heißt, es wird anhand von meteorologischen Standortdaten errechnet, wie groß die gesamte Kältearbeit zur Kühlung des Mustergebäudes tatsächlich ist und welchen Beitrag die indirekte Verdunstungskühlung davon im Jahresverlauf erbringt. Die Ergebnisse können dann als realistische Grundlage für die richtige Anlagendimensionierung und die Bewertung der Wirtschaftlichkeit dieser Effizienzmaßnahme im Zuge der Anlagenplanung dienen.

Planungsparameter für ein Mustergebäude

Die Simulationsrechnung wurde für den in Abb. 1 dargestellten konstruktiven Aufbau des RLT-Gerätes durchgeführt, wobei die in Abb. 2 dargestellten Temperaturverläufe und Parameter für den Kühlfall angenommen wurden. Der Anlagenbetrieb erfolgt mit Sommerkompensation der Raumlufttemperatur und gleitender Absenkung der Zulufttemperatur. Die Wärmerückgewinnung erfolgt exemplarisch mit einem Plattenwärmetauscher ohne Feuchteübertragung von der Abluft- auf die Zuluftseite und ohne auftretende Leckluftströme. Das Verhältnis zwischen Zuluft- und Abluft-Volumenstrom wird mit 1:1 angenommen.

Folgende weitere, für die Anlagensimulation relevante Planungsparameter, wurden angenommen:

  • Luftvolumenstrom des RLT-Gerätes: 52.500 m³/h
  • Nutzungstage pro Woche: 7 d
  • Täglicher Nutzungszeitbeginn: 6:00 h
  • Tägliches Nutzungszeitende: 18:00 h
  • Feuchtezunahme im Raum: 1,0 g/kg
  • Raumluftfeuchte minimal/maximal: 40/65 % r. F.
  • Schaltdifferenz der Verdunstungskühlung: 1,0 K
  • Befeuchtungswirkungsgrad: 94 %
  • Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung: 0,75 -
 
Abb. 3

Die jährlich insgesamt erbrachten energetischen Beiträge ergeben sich durch Aufsummieren der für jede Stunde des Jahres durch die Simulation ermittelten Einzelergebnisse. Die Berechnungen basieren auf statistischen Standortdaten aus der globalen meteorologischen Datenbank Meteonorm Version 6.1 für die 5 Standorte Berlin, München, Stuttgart, Wien und Bregenz.

Abb. 3: Graphische Darstellung der zur Gebäudekühlung monatlich erbrachten energetischen Beiträge in der beispielhaft gewählten RLT-Anlage. Zur Berechnung wurden die meteorologischen Daten von Wien (Meteonorm Version 6.1) für einen normalen Sommer verwendet. Die Anlagensimulation erfolgte mit dem Softwaretool Condair Coolblue 2.0 von Walter Meier (Klima Deutschland) GmbH.

Diskussion der Simulationsergebnisse

Die Simulation veranschaulicht deutlich die im Jahresverlauf erbrachte Kühlarbeit und deren Aufteilung auf mechanische Kälteerzeugung, indirekte Verdunstungskühlung und Wärmerückgewinnung. Die Entlastung, welche die Wärmerückgewinnung aus der Gebäudeabluft alleine erbringt, ist selbst bei der gewählten Rückwärmzahl von 0,75 wegen des geringen nutzbaren Temperaturunterschiedes bei Kühlbetrieb, entsprechend gering. Erfolgt jedoch die zusätzliche Temperaturabsenkung der Abluft durch die indirekte Verdunstungskühlung, führt das zu einer markanten Steigerung ihres energetischen Beitrages. Die auf den Datensätzen für normale Sommer basierenden Simulationsergebnisse zeigen die bei langjährigem Anlagenbetrieb durchschnittlich zu erzielenden energetischen Beiträge, weshalb sie für die Bewertung der erzielbaren Energieeinsparung durch die indirekte Verdunstungskühlung und deren Wirtschaftlichkeit geeignet sind. Betrachtet man die im Jahresverlauf sehr unterschiedlichen Außenluftzustände wird schnell deutlich, dass die kältetechnischen Einrichtungen bei allen auftretenden Luftkonditionen eine angemessene Kühlleistung erbringen müssen. Deshalb sollten für die Anlagendimensionierung die auf den Extremwerten für warme Sommer basierenden Simulationsergebnisse herangezogen werden. Wenn zudem noch zukünftige Klimaentwicklungen berücksichtigt werden sollen, können Modellsimulationen mit meteorologischen Zukunfts-Datensätzen vorgenommen werden – sofern deren ausreichende Repräsentativität vorausgesetzt wird.

Standort Berlin München Stuttgart Wien Bregenz
QK(32°C, 40% r.F.) kW 321
Betriebsstunden h/a 912 758 1.127 1.213 727
QK, ges * kW 560 371 486 598 538
QK, mechanisch * kW 351 269 289 416 364
QK, Verdunst. + WRG * kW 209 102 197 182 174
WK, ges kWh/a 120.098 93.628 154.993 184.584 111.707
WK, mechanisch kWh/a 53.887 44.849 67.192 96.235 66.994
WK, Verdunst. kWh/a 56.479 42.871 72.132 72.873 38.741
WK, WRG kWh/a 9.733 5.909 15.669 15.477 5.972
Reg % 55,1 52,1 56,6 47,9 40,0
* Extremwert-Simulation für warme Sommer

Die Simulationsergebnisse beziehen sich auf die beispielhafte RLT-Anlage an 5 ausgewählten Standorten. Der energetische Beitrag der indirekten Verdunstungskühlung verringert die vom mechanischen Kälteerzeuger zur Gebäudekühlung zu erbringende Kälteleistung erheblich.

QK(32°C, 40% r.F.) Gesamt-Kälteleistung bei Standard-Außenluftbedingungen
QK, ges* Gesamt-Kälteleistung (Extremwert)
QK, mechanisch* Mechanische Kälteleistung (Extremwert)
QK, Verdunst. + WRG* Regenerative Kälteleistung (Extremwert)
WK, ges Gesamte jährlich erbrachte Kühlenergie (Mittelwert)
WK, mechanisch Energetischer Anteil der mechanischen Kälteerzeugung (Mittelwert)
WK, Verdunst. Energetischer Anteil der indirekten Verdunstungskühlung (Mittelwert)
WK, WRG Energetischer Beitrag der Wärmerückgewinnung (Mittelwert)
ηReg Regenerativer Anteil (Mittelwert)

Wie die Simulation zeigt, führt die indirekte Verdunstungskühlung zu beachtlichen regenerativen Beiträgen. Dabei ergeben sich bei ansonsten gleicher Anlagenauslegung deutliche Unterschiede aus den jeweiligen Witterungsdaten der gewählten Standorte. Bei regional höheren Außenluftfeuchten, wenn also auch mehr entfeuchtet werden muss, weist ihr energetischer Beitrag geringere anteilige Werte auf. Dies zeigt sich deutlich in Bregenz, das durch die direkte Lage am Ostufer des Bodensees entsprechend klimatisch beeinflusst wird. Der gesamte regenerative Anteil ergibt sich jeweils aus der Summe der energetischen Beiträge von indirekter Verdunstungskühlung und Wärmerückgewinnung. Dieser erreicht an den ausgewählten Gebäudestandorten zwischen 40 und 56,6 % an der insgesamt jährlich zu erbringenden Kühlenergie.

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit

Die größte Hürde beim Einsatz erneuerbarer Energien stellt in der Praxis die Wirtschaftlichkeit dar. Effizienzmaßnahmen wie die indirekte Verdunstungskühlung müssen sich rechnen. Entstehende Mehrkosten bei den Investitionen müssen durch die erzielten Einsparungen beim Betrieb wieder eingeholt werden. Diese Bilanzierung muss dabei für das jeweilige Gebäude erfolgen. Eine verlässliche Anlagensimulation macht die Zusammenhänge transparent und ermöglicht den realistischen Vergleich mit konventionellen Maßnahmen zur Gebäudekühlung.

Literatur

  • Luftbefeuchtung. 4. Auflage. Oldenbourg Verlag, Autor: Erich Henne, ISBN 3-486-26289-0
  • IHKS Industrieverband Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik Bayern, Sachsen und Thüringen e.V. Fachjournal 2012, Artikel: Regenerative Kälteerzeugung mittels indirekter Verdunstungskühlung in RLT-Anlagen (siehe www.ihks-fachjournal.de)