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== Geschichte ==
Kartelle zwischen Unternehmen kamen verstärkt auf seit etwa 1870; sie waren eine Folge der zunehmenden Industrialisierung. Nur in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] bildete sich frühzeitig – bereits Ende des 19. Jahrhunderts – eine Art ''Kartellrecht'' heraus, die Antitrust-Gesetzgebung.<ref>Freyer, Tony A.: ''Antitrust and global capitalism 1930–2004'', New York 2006.; Schröter, Harm G. (1994): ''Kartellierung und Dekartellierung 1890-1990''. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 81 (4), S. 457–493; Wells, Wyatt C.: ''Antitrust and the Formation of the Postwar World'', New York 2002.</ref> Sie inkriminierte nicht "Kartelle" an sich, sondern die Einschränkung wirtschaftlicher Betätigungsmöglichkeiten ("trade restrictions"). Durch diesen Grundsatz konnte das Gros der Kartelle, aber nicht alle, verboten werden. In der übrigen Welt waren Kartelle bis Ende des Zweiten Weltkriegs überwiegend oder prinzipiell erlaubt.<ref>Freyer, Tony A.: ''Antitrust and global kapitalismuscapitalism 1930–2004'', New York 2006.; Schröter, Harm G. (1994): ''Kartellierung und Dekartellierung 1890-1990''. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 81 (4), S. 457–493; Wells, Wyatt C.: ''Antitrust and the Formation of the Postwar World'', New York 2002.</ref> Missbrauchsfälle konnten jedoch verfolgt werden, und es gab in einigen Ländern – wie Deutschland und Italien – Kartellaufsichtsbehörden. In den 1950er Jahren wurden in Westeuropa und anderswo Kartellgesetze erlassen, die das strikte amerikanische Kartellverbot übernahmen. Inzwischen gilt dieses Prinzip praktisch weltweit und ist auch Bestandteil des [[EU]]-Wettbewerbsrechts.
Seit einigen Jahren setzten die Kartellbehörden zur Aufdeckung und Zerschlagung von Kartellen [[Bonusregelung]]en ein: Sie bieten Unternehmen, die aus einem Kartell aussteigen wollen, einen [[Kronzeuge]]n-Status und eine Ermäßigung oder den Erlass der sonst fälligen Geldbuße an.
 
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=== Österreich ===
In Österreich bildet diese das Kartellgesetz<ref>[https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004174 Kartellgesetz]</ref> und das NahversorgungsgesetzFaire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002393&FassungVom=2023-12-23 |titel=RIS - Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 23.12.2023 |werk=Rechtsinformationssystem des Bundes |hrsg=Nationalrat |datum=2023-12-23 |abruf=2024-08-30}}</ref> Das Kartellgesetz enthält im ersten Hauptstück das Kartellverbot (mit Ausnahmen beispielsweise für Bagatellkartelle), das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und Regeln für die Zusammenschlusskontrolle. In den weiteren Hauptstücken finden sich vorwiegend verfahrensrechtliche Bestimmungen sowie Normen über Kartellgericht und Kartellobergericht. In Österreich bildet das [[Oberlandesgericht]] Wien das Kartellgericht (KG) erster Instanz; der [[Oberster Gerichtshof|Oberste Gerichtshof]] entscheidet über Rekurse in zweiter und letzter Instanz als Kartellobergericht (KOG) und prüft nur Rechtsfragen.<ref>[[Walter Brugger (Jurist)|Walter Brugger]]: [http://www.profbrugger.at/publ/Geldbussenbemessung_OZK_2009_172.pdf ''Die Geldbußenbemessung''] (PDF; 1,7&nbsp;MB) auf www.profbrugger.at, abgefragt am 20. Oktober 2009</ref> Amtsparteien sind die [[Bundeswettbewerbsbehörde]] und der [[Bundeskartellanwalt]].
Daneben bestehen zum Schutz des Wettbewerbs auch strafrechtliche Bestimmungen, die wettbewerbsbeschränkende [[Submissionsbetrug|Absprachen bei Vergabeverfahren]] mit gerichtlicher Strafe bedrohen.<ref>[[Walter Brugger (Jurist)|Walter Brugger]]: [http://www.profbrugger.at/publ/201507_Brugger_Kartellstrafrecht_Par_168b_StGB_Bundesvergabegesetz.pdf Kartellstrafrecht]</ref>
 
=== Schweiz ===
In der Schweiz, welche nicht Mitgliedstaat der EU ist, ist das [[Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen]] vom 6. Oktober 1995 (Kartellgesetz, KG, [[Systematische Sammlung des Bundesrechts|SR]] 251) die maßgebende Rechtsnorm. Danach sind Abreden (Kartelle) unzulässig, wenn sie den Wettbewerb auf einem [[Relevanter Markt#Im KartellrechtWettbewerbsrecht|Markt]] erheblich beeinträchtigen und sich dabei nicht durch wirtschaftliche Effizienz rechtfertigen lassen oder wenn sie den wirksamen Wettbewerb beseitigen. Bei horizontalen Mengen-, Preis- und Gebietsabreden sowie bei vertikalen Abreden über Mindest- oder Festpreise sowie Gebietszuweisungen wird vermutet, dass sie den wirksamen Wettbewerb beseitigen und somit unzulässig sind (Art. 5 KG). In der Schweiz besteht in Bezug auf überhöhte Preise von marktmächtigen Unternehmen ein eigenes Gesetz, das Preisüberwachungsgesetz. Für seine Anwendung ist die [[Preisüberwacher|Preisüberwachung]] zuständig.
 
In der Schweiz wurden Kartelle lange Zeit über nicht als volkswirtschaftlich schädlich, sondern – z.&nbsp;B. auch beschäftigungspolitisch – nützlich erachtet. Das erste [[Kartellgesetz (Schweiz)|Kartellgesetz]] datiert erst aus dem Jahr 1964. Bereits 1918 war von zulässigen „vertraglichen Konkurrenzverboten“ die Rede, als quasi natürlicher Ausfluss der [[Gewerbefreiheit]]. Auf die Spitze getrieben war die Kartellisierung zur Zeit der Hochblüte des [[Korporativismus]] in den 1930er/1940er Jahren. Zahlreiche Studien befassten sich vergleichend mit dem nazideutschen und schweizerischen Kartellrecht, wobei die Schweiz allerdings generell gesehen doch nur ansatzweise korporativistische Elemente in ihr Rechtssystem aufnahm. Eine andere Arbeit von 1941 befasste sich mit den Unternehmensformen [[Aktiengesellschaft (Schweiz)|AG]], [[Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Schweiz)|GmbH]] und Genossenschaft „in ihrer Eignung für Kartelle“: Kartelle führten kein verpöntes Schattendasein, sondern waren offiziell als positives volkswirtschaftliches Element anerkannt. Auch Jahrzehnte nach dem Krieg noch wurden sie als Schutzvorkehrung des Kleingewerbes gegen übermächtige Großunternehmungen politisch begrüßt. Erst der Druck der Exportwirtschaft, welcher der inländische Kostendruck zunehmend zu schaffen machte, führte zu einer Stimmungswende<ref>L. Schürmann/[[Walter R. Schluep|W.R. Schluep]]: ''Kommentar zum'' (alten) ''Kartellgesetz'', 1988</ref>. In der Schweiz fällt die Anwendung des Kartellgesetzes in die Zuständigkeit der [[Wettbewerbskommission]]. Entscheide der Wettbewerbskommission können ans [[Bundesverwaltungsgericht (Schweiz)|Bundesverwaltungsgericht]] und anschließend ans [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]] weitergezogen werden.
 
=== Vereinigte Staaten ===
Das erste Antitrustgesetz der USA war der sogenannte [[Sherman Antitrust Act]] von 1890. Dieser wurde 1914 durch den [[Clayton Antitrust Act]] ergänzt, welcher wiederum mehrfach erweitert bzw. geändert wurde. ImZwischen Gegensatz1938 zumund Kartellrecht1940 derführte das [[EuropäischeTemporary Union|EUNational Economic Committee]] kenntUntersuchungen dasüber US-amerikanischeKonzentrationserscheinungen Rechtund dieihren MöglichkeitFolgen zurin Entflechtungder marktbeherrschender Unternehmen. In den USA bilden die [[Federal Trade Commission]] und das [[Justizministerium (Vereinigte Staaten)|US-Justizministerium]]amerikanischen dieWirtschaft Aufsichtsbehördendurch.
 
Im Gegensatz zum Kartellrecht der [[Europäische Union|EU]] kennt das US-amerikanische Recht die Möglichkeit zur Entflechtung marktbeherrschender Unternehmen; [[Marktbeherrschende Stellung|Marktmacht]] darf nicht missbraucht werden.<ref>{{Internetquelle |autor=Roland Lindner |url=https://www.faz.net/pro/d-economy/google-habe-sein-monopol-missbraucht-kartellverfahren-beginnt-19169436.html |titel=„Dieser Fall dreht sich um die Zukunft des Internets“ |hrsg=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] |datum=2023-09-12 |sprache=de |abruf=2023-10-14}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Svenja Bergt |url=https://taz.de/US-Klage-gegen-Google/!5961034/ |titel=Von Google lernen: Google steht unter dem Verdacht, seine Marktmacht zu missbrauchen, vor Gericht. Der Ausgang des Verfahrens könnte auch für andere Konzerne interessant werden. |hrsg=[[Die Tageszeitung]] |datum=2023-10-02 |sprache=de |abruf=2023-10-14}}</ref> In den USA bilden die [[Federal Trade Commission]] und das [[Justizministerium (Vereinigte Staaten)|US-Justizministerium]] die Aufsichtsbehörden.
 
== Fallbeispiele aus dem Kartell- und Monopolrecht ==
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* [[Aufzugs- und Fahrtreppenkartell]], auch ''Liftkartell'' genannt – Preisabsprachen für Fahrstühle und Rolltreppen in Europa, 2007 wurden Unternehmen zu insgesamt 992 Mio. Euro Bußgeldern verurteilt. Im Mittelpunkt stand hierbei Thyssen Krupp.
* ''Reissverschlusskartell'': ein sechs Jahre bestehendes Kartell des Branchenprimus [[YKK]] und weiterer europäischer Hersteller. Die Geldbußen der EU-Kommission von 2007 summierten sich auf fast 330 Mio. Euro.<ref>{{cite web|url=http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/geldbussen-verhaengt-eu-knoepft-sich-reissverschluss-kartell-vor/2863292.html|title=EU knöpft sich Reißverschluss-Kartell vor|work=[[Handelsblatt]]|date=2007-09-19|accessdate=2012-04-24}}</ref>
* [[Kaffeekartell]], illegale Preisabsprachen zwischen [[Tchibo]], [[Melitta (Unternehmen)|Melitta]] und [[Dallmayr]] von 2000 bis 2009. Das Bundeskartellamt erließverhängte eineine BußgeldGeldbuße in Höhe von 159,5 Millionen Euro.<ref>[https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/illegale-preisabsprachen-kaffee-giganten-muessen-multimillionen-kartellstrafe-zahlen-a-668389.html ''Kaffee-Giganten müssen Multimillionen-Kartellstrafe zahlen. Illegale Preisabsprachen.''] In: ''Spiegel- Online'', 21. Dezember 2009. Abgerufen am 21. Dezember 2009.</ref>
* [[Spediteurs-Sammelladungs-Konferenz|Bahnsammelladungskonferenz]] in Österreich bis 2007
* Autoglas-Kartell. Verfahren gegen die Hersteller Asahi, Pilkington, Saint-Gobain and Soliver: 1,38 Mrd. Euro Strafe im November 2008,<ref>[http://ec.europa.eu/competition/publications/cpn/2009_1_15.pdf Commission imposes the highest-ever cartel fine (more than EUR 1.3 billion) on four car glass manufacturers]; {{EUR-Lex-Rechtsakt|reihe=C|jahr=2009|amtsblattnummer=173|anfangsseite=13|endseite=16|format=PDF|titel=Zusammenfassung (dt.)}}</ref>
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* Als „[[Schienenfreunde]]“ bezeichnete sich ein Kartell, das bis 2011 Preise und Mengen auf dem deutschen Markt für [[Schiene (Schienenverkehr)|Eisenbahnschienen]] abgesprochen hatte.
* ''Zuckerkartell'': Im Februar 2014 wurde gegen die deutschen Unternehmen [[Südzucker]], [[Nordzucker]] und [[Pfeifer & Langen]] wegen wettbewerbswidrigen Absprachen eine gemeinschaftliche Geldbuße in Höhe von 280 Millionen Euro durch das [[Bundeskartellamt]] verhängt.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/wegen-kartellabsprachen-drastische-strafen-fuer-deutsche-zuckerhersteller/9500694.html | titel=Wegen Kartellabsprachen drastische Strafen für deutsche Zuckerhersteller | werk=[[Handelsblatt]] | datum=2014-02-18 | zugriff=2014-03-05}}</ref>
* ''Tapetenkartell'': Im Februar 2014 wurden [[Buße (Verwaltungsrecht)|GeldbußeGeldbußen]]n in Höhe von 17 Millionen Euro gegen die Tapetenhersteller [[A.S. Création|A.S. Création Tapeten AG]] ([[Gummersbach]]), [[Marburger Tapetenfabrik]] ([[Kirchhain]]), Erismann ([[Breisach am Rhein|Breisach]]) und Pickhardt + Siebert (Gummersbach) sowie den [[Verband der Deutschen Tapetenindustrie]] (VDT) verhängt. Die ebenfalls an den wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligte Tapetenfabrik [[Tapetenfabrik Gebrüder Rasch]] aus [[Bramsche]], die den Fall ins Rollen gebracht hatte, machte von der [[Kronzeuge]]nregelung Gebrauch und kam straflos davon.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.n-tv.de/wirtschaft/Tapeten-Kartell-leimt-Verbraucher-article12346981.html | titel=Millionenstrafe gegen Hersteller – Tapeten-Kartell leimt Verbraucher | werk=[[n-tv]] | datum=2014-02-25 | zugriff=2014-03-05}}</ref>
* [[Konferenz (Schifffahrt)|Seeschifffahrtskonferenzen]]: bis heute ein erlaubter, aber staatlich überwachter Kartelltyp