Die Konversation ist ein Gespräch unter Beachtung von Umgangsformen. Das Fremdwort wurde Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem französischen conversation (Unterhaltung) übernommen. Es geht auf lateinisch conversatio (Umgang, Verkehr) zurück, das das Substantiv zu conversare (Umgang haben, verkehren mit jemandem) ist. Es wurde vor allem im 17.–19. Jahrhundert gebraucht. Seine Verwendung ging im 20. Jahrhundert zurück.
Ihre besondere Bedeutung erhielt die Konversation als Teil des gesellschaftlichen Lebens am Hofe des französischen Königs während der Herausbildung des Absolutismus im 17. Jahrhundert. Der französische Adel wurde politisch entmachtet und erhielt einen Großteil seiner Einkünfte nunmehr über vom König verliehene Ämter und Pensionen. Der Kampf um diese Rechte fand im Rahmen der Konversation am Hofe des Königs bei gesellschaftlichen Veranstaltungen wie Banketten, Festen, Maskeraden, Feuerwerken usw., aber auch bei Empfängen in den Salons des Adels statt. Mit ihrer Hilfe wurden z. B. Intrigen und Verleumdungen in Gang gesetzt, die zu Verschiebungen in der Rangfolge führen sollten. In den zwischengeschlechtlichen Beziehungen führte der Mann die Konversation oft in galanter Form, die keine echten Liebesbezeugungen hervorbrachte und von der Frau mit Koketterie hervorgerufen oder beantwortet wurde. Auch hierbei waren politische oder finanzielle Ziele nicht ausgeschlossen.
Um die bei der Konversation zwangsläufig entstehenden Emotionen zu bewältigen, wurden die bereits im Mittelalter an den Höfen entstandenen Umgangsformen (siehe auch Höflichkeit) weiter ausgebildet und zu einem Regelwerk für diese Art der Kommunikation entwickelt. Die Beachtung der Regeln war von großer Bedeutung für die Teilnehmer der Konversation. Fehler in der Konversation konnten zum sozialen Abstieg, besondere Fertigkeit darin zu sozialem Aufstieg führen oder die Partnerwahl beeinflussen. Daher fanden Bücher, die diese Regeln darstellten, viel Interesse, sodass eine ganze Reihe derartiger Konversationslehren im Frankreich des 17. Jahrhunderts entstanden.
Im Wege der Nachahmung wurde die Konversation schon bald auch in den Residenzen des Adels in den Provinzen Frankreichs nach den Regeln des Königshofes abgehalten. Zu den kulturellen Folgen der französischen Hegemonie in Europa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ist auch die Einführung der Konversation, oft in französischer Sprache, an den Residenzen der europäischen Könige und Fürsten zu zählen. Kenntnisse in der Konversation waren künftig auch für Bürger vorteilhaft, wenn sie in Beziehung zu den Residenzen traten und insbesondere Aufträge erhalten wollten. In diesem Umfeld entstand eine ausgedehnte Literatur von Ratgebern, zu der auch das bekannte Werk Über den Umgang mit Menschen von Adolph Freiherr Knigge gehört.
Das Bildungsbürgertum übernahm zumindest einen Teil der Regeln, um sich vor allem gegen die unteren Schichten abzugrenzen. Besonders wichtig war es hier für die Teilnehmer, im Rahmen der Konversation Umfang und Tiefe ihrer Bildung, d. h. vor allem das von ihnen erworbene Wissen darzustellen. Der Bereitstellung dieses Wissens diente das Konversationslexikon, das damit eine wichtige gesellschaftliche Funktion wahrnahm.
Die Gesellschaftskritik vor allem der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte zu einer Abwertung und zunehmenden Nichtbeachtung der Regeln der Konversation. Sie wird heute weitgehend durch den Smalltalk ersetzt. Andererseits werden seit dieser Zeit Methoden der Gesprächsführung für das Management in großem Umfang gelehrt. Dort werden viele Themen behandelt, die bereits Bestandteile des Regelwerkes der Konversation waren.
In den letzten Jahren wurde die Bedeutung der Konversation für die Hervorbringung von Innovationen (wieder-)entdeckt. Richard K. Lester und Michael J. Piore nannten die Konversation die missing dimension im Innovationsmanagement. Sie sei notwendige Basis, aber zugleich auch Instrument, um Innovationen hervorbringen zu können. Roger Aeschbacher sieht entsprechend die Konversation als Managementmethode, um die Flut an Ideen bei Innovationsvorhaben sinnvoll zu selektionieren und die für eine Organisation erfolgversprechendsten rasch und reibungslos umzusetzen (siehe Literatur).
Literatur
- Roger Aeschbacher: Maximale Innovation. Durch Management by Conversation. Ruegger Zürich – Fachverlag für Wirtschaft, Politik, Soziales, Zürich u. a. 2009, ISBN 978-3-7253-0920-7.
- Manfred Fuhrmann: Der europäische Bildungskanon. Erweiterte Neuausgabe. Insel, Frankfurt am Main u. a. 2004, ISBN 3-458-17204-1.
- Karl-Heinz Göttert: Konversation. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Band 4: Hu–K. Niemeyer, Tübingen 1998, ISBN 3-484-68104-7, Sp. 1322–1333.
- Richard K. Lester, Michael J. Piore: Innovation – the missing dimension. Harvard University Press, Cambridge MA u. a. 2004, ISBN 0-674-01581-9.
- Wolfgang Pfeifer (Hrsg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2 Bände. 2. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-000626-9.
- Seraina Plotke: Conversatio / Konversation: Eine Wort- und Begriffsgeschichte. In: Rüdiger Schnell (Hrsg.): Konversationskultur in der Vormoderne. Geschlechter im geselligen Gespräch. Böhlau, Köln, Weimar, Wien 2008, ISBN 3-412-20132-4, S. 31–120.
- Claudia Schmölders (Hrsg.): Die Kunst des Gesprächs. Texte zur Geschichte der europäischen Konversationstheorie. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1986, ISBN 3-423-04446-2 (dtv 4446).
- Christoph Strosetzki: Konversation. Ein Kapitel gesellschaftlicher und literarischer Pragmatik im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 1978, ISBN 3-261-02652-9 (Studia Romanica et Linguistica 7), (Zugleich: Düsseldorf, Univ., Diss., 1977).
- Rosmarie Zeller: Spiel und Konversation im Barock. Untersuchungen zu Harsdörffers „Gesprächsspielen“. De Gruyter, Berlin, New York 1974, ISBN 3-11-004245-2.