Oberflächenstruktur nennt man in der Linguistik allgemein die unmittelbar beobachtbare Gestalt eines Satzes in der konkreten Komunikation[1]. Der Ausdruck ist spezifisch ein Terminus der Generativen Grammatik zur Bezeichnung der "konkreten Wort- und Satzgliedfolge"[2] im Gegensatz zur Tiefenstruktur womit die der Oberflächenstruktur zugrunde liegende "abstrakte Ebene"[3] bezeichnet wird.
In der Generativen Grammatik bezeichnete man mit dem Ausdruck Oberflächenstruktur (engl. surface structure, abgekürzt OS bzw. SS, später S-Struktur) bis in die Mitte der 1990er Jahre genauer das Ergebnis der syntaktischen Derivation eines sprachlichen Ausdrucks. Der Begriff wurde von Noam Chomsky im Rahmen der Generativen Transformationsgrammatik in den späten 1950er Jahren eingeführt.[4] Er bezeichnet die Konstituenten-Strukturen eines wohlgeformten Satzes, der aus einer Tiefenstruktur (engl.: deep structure), d. h. von abstrakten syntaktischen Basiskomponenten und darauf operierenden semantischen Regeln, heraus ableitbar ist. [5]
Von der Tiefen- zur Oberflächenstruktur
Ein Kerngedanke der generativen Transformationsgrammatik ist, dass Repräsentationen von Sätzen in die Konstituenten (Satzteile, Wortgruppen, Wörter, Silben) zerlegt und anhand allgemeiner Regeln generiert werden. Die Anwendung dieser so genannten Konstituentenanalyse und Phrasenstrukturregeln ergibt eine hierarische Struktur: die 'Tiefenstruktur. Das Erzeugen der ersten Ebene bezeichnet man als Basisgenerierung.
Auf der Tiefenstruktur können, je nach Sprache und theoretischen Umfeld, weitere Meta-Regeln, so genannte Transformationen, applizieren. Dabei werden meist die hierarchische bzw. lineare Abfolge der Konstituenten verändert, einzelne Elemente entfernt und neue hinzugefügt (z.B. Konjunktionen, Flexionen). Das Endprodukt dieser Regelanwendungen nennt man Oberflächenstruktur, den Weg von der Tiefen- zur Oberflächenstruktur Derivation.
Es ist wichtig anzumerken, dass es sich bei der Erzeugung der Oberflächenstruktur im Sinne der Generativen Grammatik nicht um die Abbildung eines pragmatischen, alltäglichen Sprachproduktionsprozesses handelt, sondern um die idealisierte Abbildung der hierarischen Ordnung der abstrakten Bestandteile eines Satzes. Chomskys Modell wurde in den Linguistics Wars kontrovers diskutiert und mehrmals variiert (s.Interpretative Semantik)
Beispiel
Die traditionelle deutsche Grammatik unterscheidet zwischen unabhängigen Hauptsätzen (Hannah erzählt Jörg,...) mit einer Subjekt-Verb-Objekt-Stellung (SVO) und abhängigen Nebensätzen (...,dass Lisa sie eingeladen hat) mit einer SOV-Reihenfolge. Generative Analysen geben diese Bewertung in Über- bzw. Unterordnung auf, indem sie eine gemeinsame Tiefenstruktur annehmen und aufzeigen, dass man die verschiedenen Erscheinungsbilder durch Umstellungen wechselseitig transformieren kann und dass viele Aussagesätze einer Ergänzung bedürfen: Es [Stellvertreter-Partikel: Hinweis auf den Subjektsatz] erfreut [V] Hannah [O], dass Lisa sie eingeladen hat [Subjektsatz, umformbar in : Lisas Einladung] (s. Generative Satzbildung mit Baumgraphenbeispielen).
Beispiel eine Operation:
Zu Erzeugen sei die Oberflächenstruktur des Satzes
- Peter sieht den Mann,
wobei Peter und der Mann zwei Nominalphrasen (NP) sind, sieht ein Verb (V) ist und der Peter sieht den Mann als Ganzes ein Satz (S).
Für das Deutsche seien (u.a.) folgende Phrasenstrukturregeln angenommen:
- S → NP VP
- VP → NP V.
Die dabei basisgenerierte Tiefenstruktur wäre
- [S NP [VP NP V]],
wobei die eckigen Klammern die hierarische Ordnung der Elemente untereinander widerspiegeln.
Diese Struktur bildet den notwendigen Kontext für eine Bewegungs-Transformation, welche das Verb strukturell anhebt, also aus der VP herauslöst und in die übergeordnete Schicht integriert. Eine radikal vereinfachte Darstellung der entstehenden Oberflächenstruktur wäre:
- [S NP Vi [VP NP ti]],
wobei t als Spur bezeichnet wird und die Position kennzeichnet, aus der das Verb V herausbewegt wurde. Der gemeinsame Index i soll die Koreferenz zwischen Spur und bewegtem Element darstellen.
Einzelnachweise
- ↑ Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0_ Oberflächenstruktur.
- ↑ Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010 (UTB, 3319), ISBN 978-3-8385-3319-9, S. 129
- ↑ Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010 (UTB, 3319), ISBN 978-3-8385-3319-9, S. 129
- ↑ Chomsky, Noam: Syntactic Structures. Mouton The Hague/Paris 1957
- ↑ Chomsky, Noam: Aspekte der Syntaxtheorie (Übersetzung von: Aspects of the Theory of Syntax, 1965). Frankfurt 1969.
Weblinks
Literatur
- Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. 2002, ISBN 3-520-45203-0: Eintrag Oberflächenstruktur.
- P. H. Matthews: Concise Dictionary of Linguistics. Oxford University Press.
- D. M. Perlmutter, S. Soames: Syntactic Argumentation and the Structure of English. University of California Press, Berkeley, Los Angeles, London, 1979.