Va, pensiero

Chorwerk aus der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi
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Das Lied Va, pensiero, sull'ali dorate[A 1] („Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen“, auch als Gefangenenchor oder Freiheitschor bezeichnet) ist ein Chorwerk aus dem dritten Akt der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi. Das Libretto stammt von Temistocle Solera, der Psalm 137 zum Vorbild nahm. Der Chor der Hebräer, die in Babylonien gefangen sind, beklagt das ferne Heimatland und ruft Gott um Hilfe an. Der Chor gilt als berühmtester aller Verdi-Chöre.[1]

Erste Strophe von Va, pensiero
Originaler Textdruck im Opernlibretto Nabucodonosor von Temistocle Solera, Mailand 1842: „Dritter Teil, Szene IV., Ufer des Euphrat, Hebräer in Ketten und zur Arbeit gezwungen“

Entstehung und Rezeption

Nach Verdis eigenen Angaben schlug er auf der Suche nach einem neuen Opernstoff das Libretto von Nabucco zufällig auf der Seite des Va, pensiero auf und beschloss sofort, diesen Stoff zu vertonen. Die Eindringlichkeit der Musik, die patriotische Konnotation und die politische Nähe zum Risorgimento machten den Chor zu einer der beliebtesten Verdi-Kompositionen überhaupt und trugen nicht unwesentlich zum Erfolg der Nabucco-Premiere im März 1842 bei.[1]

In Deutschland war Nabucco in der Zeit des Nationalsozialismus wegen des Themas aus der Geschichte Israels zunächst unerwünscht. 1940 schuf Julius Kapp eine „arisierte“ Fassung, in der er anstelle der Israeliten Ägypter auftreten ließ. Im Chor Va, pensiero ersetzte er den Jordan durch den Nil und Zion durch Memphis.[2] Diese NS-Fassung Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht mit der Textzeile Teure Heimat, wann seh ich dich wieder ist bis heute in Tonaufnahmen und im Internet verbreitet.[3]

In Italien verwendet die separatistische Lega Nord Va, pensiero anstelle der Nationalhymne, wodurch die Melodie an gesamtnationaler Symbolkraft zu verlieren droht.

Text

Form

Soleras Gedicht hat einen für Opernlibretti ungewöhnlich anspruchsvollen Bau. Die vier Strophen aus je vier dreihebigen, anapästischen Zeilen folgen einem kompliziert verklammerten Reimschema, wobei die vier Strophenschlüsse männlich, alle anderen Zeilen weiblich reimen:

a–b–b–c
d–a–d–c
e–f–f–g
e–h–h–g

Verdis im Zwölf-Achtel-Takt[4] ausschwingende Melodie zeichnet Rhythmus und Inhalt der Vorlage in kunstvoller Direktheit fast ohne Melismen und Textwiederholungen nach.

Wortlaut

Italienisches Original
Übersetzung
Nachdichtung im Originalversmaß[5]

Va, pensiero, sull’ali dorate;
va, ti posa sui clivi, sui colli,
ove olezzano tepide e molli
l’aure dolci del suolo natal!

Del Giordano le rive saluta,
di Sionne le torri atterrate…
O mia patria sì bella e perduta!
O membranza sì cara e fatal!

Arpa d’or dei fatidici vati,
perché muta dal salice pendi?
Le memorie nel petto raccendi,
ci favella del tempo che fu!

O simile di Solima ai fati
traggi un suono di crudo lamento,
o t’ispiri il Signore un concento
che ne infonda al patire virtù.

Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen,
lass dich nieder auf jenen Hängen und Hügeln,
wo sanft und mild der wonnige Hauch
der Heimaterde duftet.

Grüße die Ufer des Jordan,
die zerfallenen Türme Zions…
O mein Vaterland, du schönes, verlorenes!
O Erinnerung, du teure, verhängnisschwere!

Goldene Harfe der Schicksalsverkünder,
warum hängst du stumm am Weidenbaum?
Entzünde neu die Erinnerung in den Herzen,
sprich uns von den Tagen von einst!

O passend zu den Schicksalen Jerusalems
bring einen schmerzlichen Klageton hervor!
Möge dir der Herr einen Klang eingeben,
der Kraft zum Leiden verleiht.

Zieh, Gedanke, auf goldenen Schwingen,
zieh und ruhe auf Fluren und Hügeln!
Lass die Sehnsucht den Lauf dir beflügeln
bis zu Zions Gebirge und Tal!

Grüß die Ufer des Jordans, die schönen!
Zu dem Tempel des Herrn mögst du dringen!
Ach, die Heimat, nach der wir uns sehnen,
grüß, Gedanke so süß und voll Qual!

Goldne Harfe der göttlichen Seher,
warum hängst du so stumm an der Weide?
Schenke Hoffnung und Trost uns im Leide
und erzähle von glorreicher Zeit.

Auch vom Schicksal geschlagner Hebräer
singe, Harfe, in klagenden Tönen.
Mit dem Willen des Herrn zu versöhnen,
schenk uns Hoffnung, zu tragen dies Leid!

Adaption

1997 veröffentlichte der italienische Popmusiker Zucchero eine zeitgenössische Adaption von „Va, pensiero“ als Single. Das Lied belegte unter anderem Platz 17 in den österreichischen und Platz 19 in den Schweizer Charts.[6]

Literatur

  • Udo Bermbach: Oh, mia patria si bella e perduta: Über Macht und Ohnmacht in Verdis Nabucco. In: Opernsplitter: Aufsätze und Essays. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, S. 117–126, ISBN 9783826029318
Commons: Va, pensiero, sull'ali dorate – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Roger Parker: Verdi and Milan, Vortrag über Verdis Beziehung zu Mailand, mit Details zu Nabucco, gehalten am Londoner Gresham College am 14. Mai 2007 (Text, Audio, & Video)

Anmerkungen

  1. Nach moderner italienischer Orthographie wird Va mit Apostroph geschrieben, also Va’, pensiero, sull’ali dorate. Der Apostroph fehlt jedoch im originalen Libretto, und in Folge hat sich für diesen Chor auch in der Literatur die Schreibung Va durchgesetzt.

Einzelnachweise

  1. a b Udo Bermbach: Opernsplitter. Würzburg 2005, S. 125–126.
  2. tagesspiegel, 31. Januar 2001
  3. Uni Bremen, golyr.de, ingeb.org
  4. in manchen Ausgaben im Vier-Viertel-Takt mit Triolen und Sextolen notiert
  5. Oper und Mythos am Beispiel Giuseppe Verdis Nabucco, Clio-online (ohne Verfasserangabe für die Nachdichtung)
  6. hitparade.ch: Zucchero Sugar Fornaciari: Va, pensiero