Wilhelmsteine
Die Wilhelmsteine[1], früher Buchsteine[2] genannt, sind eine Felsengruppe von aus Eisenkiesel gebildeten Härtlingen auf den südöstlichen Hochlagen der Angelburg (Berg) am Rand des Schelder Waldes im Gladenbacher Bergland und seit 1952 als Naturdenkmal geschützt.
Die Felsformation liegt im Gemeindegebiet von Siegbach im hessischen Lahn-Dill-Kreis und ist ein Geotop des Nationalen Geoparks Westerwald-Lahn-Taunus. Sie besteht aus mehreren Einzelfelsen, deren höchstes Exemplar etwa 15 Meter aufragt. Von manchen sie wird als eine vorchristliche Kultstätte angesehen.[3]
Name
Benannt sind die Wilhelmsteine nach Herzog Wilhelm I. von Nassau (1792–1839), der kurz nacheinander sowohl im Fürstentum Nassau-Weilburg als auch im Herzogtum Nassau-Usingen an die Herrschaft kam. Dadurch erhielt das Herzogtum Nassau die Form, in der es bis 1866 existierte. 1830 besuchte der Herzog die bis dahin Buchsteine genannte Felsengruppe. Nach dessen frühem Tod 1839 erhielten die Härtlinge seinen Namen.
Geographie
Lage
Die Wilhelmsteine stehen im Naturpark Lahn-Dill-Bergland, im Schelder Wald, etwa 700 m südsüdöstlich des auf dem Gipfel der Angelburg (Berg) (609,4 m ü. NHN) stehenden Fernsehturms Angelburg. Sie befinden sich im Norden des Gemeindegebiets von Siegbach, etwa 100 m südöstlich der Grenze zur Gemeinde Eschenburg, auf der die ehemalige lokalgeschichtlich wichtige Herborner Hohe Straße verläuft, die sich. nahe der Angelburg, dem bedeutenden Kreuzungspunkt historischer Fernstraßen, mit der Brabanter Straße kreuzt und sich ab hier mit dem Westfalenweg vereinigt. Die Felsen stehen in einem lichten ebenen Buchenwald auf etwa 585 m Höhe. Die Landschaft fällt nach Südosten zum Siegbacher Ortsteil Wallenfels ab. Etwa 300 m nordwestlich der Steine entspringt die Gansbach.
Die Wilhelmsteine befinden sich im Nordosten des Fauna-Flora-Habitat-Gebiets Schelder Wald (FFH-Nr. 5216-305; 37,88 km² groß).[4]
Naturräumliche Zuordnung
Die Wilhelmsteine gehören in der naturräumlichen Haupteinheitengruppe Westerwald (Nr. 32), in der Haupteinheit Gladenbacher Bergland (320) und in der Untereinheit Lahn-Dill-Bergland (320.0) zum Naturraum Bottenhorner Hochflächen (320.01).[5]
Entstehung
Entstanden sind die Wilhelmsteine durch untermeerischen Vulkanismus im Oberdevon, einer erdgeschichtlichen Epoche des Paläozoikum (Erdaltertum), vor etwa 360 Mio. Jahren auf dem Grund eines damals fast ganz das Gebiet des heutigen Deutschland bedeckenden Meeres, dessen Boden weitgehend aus Basalt bestand. Vulkanische Gase und heißes Wasser lösten Metalle aus dem Basalt und lagerten sich als Erze in dem zerklüfteten Gestein ab. Dabei kam es örtlich zu Verkieselungen. Die Erzlager und Gesteinsformationen wurden danach durch mehrere tausend Meter mächtige Ablagerungen aus Sedimentgestein bedeckt. Beginnend im oberen Oligozän (vor ca. 30 Mio. Jahren) des zur Erdneuzeit zählenden Tertiärs hoben sich größere Schollenpakete heraus und mit ihnen die jüngeren Sedimente aus dem trocken fallenden Meer. Die Sedimente wurden abgetragen und dabei die im Oberdevon gebildeten Formationen freigelegt. Im Bereich der Dillmulde kam es zu derart weitgehenden Schollenhebungen, dass die Erzlagerstätten (Eisen, Kupfer und andere Erze) in relativ oberflächennahe Lage kamen. Diese Erze wurden beginnend in keltischer Zeit bis 1973 abgebaut (Hauptartikel → Lahn-Dill-Gebiet). Die Wilhelmsteine blieben stehen, ihre Verkieselung hat sie vor der Abtragung bewahrt.
Geschichtliche Bedeutung
Naturheiligtum und Kultstätte ?
Die Felsenburg der Wilhelmsteine wird als eine ehemalige überregional bedeutsame Kultstätte (Naturheiligtum) angesehen.[6]
Pareidolien
Je nach Blickwinkel kann man in einigen Formationen natürliche Pareidolien[7], wie Gesichter im Profil und andere Figuren wahrnehmen.
Wohn- und Lagerplatz seit dem Neolithikum
Die Wilhelmsteine dürften bereits steinzeitlichen Jägern und Sammlern als zentraler Treffpunkt sowie als Kult- und Wohnplatz gedient haben. Im Bereich der einzelnen Felsformationen gibt es verschiedene Stellen – z. B. Felsüberhänge in südlicher und südöstlicher Lage –, die sich mit relativ einfachen Mitteln, wie mit Ästen und Zweigen, die man mit Fellen oder Grassoden abgedeckte, zu einem Lager- und Schlafplatz ausbauen ließen. Auch ist vorstellbar, dass der gesamte Bereich der „Felsenburg“ während eines bestimmten Zeitraums befestigt war. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen äußern Felsen ließen sich mit etwas Aufwand mittels herumliegender Felsbrocken, Baumstämme und Astwerk verschließen (am Südrand deutet einiges darauf hin) und damit zu einem gut geschützten großen Wohnplatz einrichten. Die in die Befestigung einbezogenen Felsen konnte man dabei als hervorragende Beobachtungs- und Verteidigungstürme nutzen.
Frühgeschichtliche hallstattzeitliche Siedlungsspuren
Nahe bei den Wilhelmsteinen, bei der Angelburg (Berg) wurden mehrere vorgeschichtliche Siedlungen nachgewiesen. Bedeutendes Fundstück ist der Hirzenhainer „Keltenstein“, eine figürlich geritzte Darstellung eines Menschengesichts auf einer Steinstele, die im Hessischen Landesmuseum Darmstadt im Rahmen der Keltenausstellung gezeigt wird.
Kreuzungspunkt frühgeschichtlicher und mittelalterlicher Fernwege/Handelswege
Bedeutende frühgeschichtliche und mittelalterliche Fernwege/Handelswege (Altstraßen) wie die alte Leipzig-Köln-Aachen-Antwerpener-Messe-Straße, auch Brabanter Straße genannt (im weiteren Verlauf im Westen hieß sie auch Eisenstraße), die Herborner Hohe Straße (genutzt bis 1875) und der Westfalenweg (aus Richtung Gießen kommend, das keltischen Oppidum Dünsberg tangierend und auf der Wasserscheide Aar (Dill) / Salzböde weiter verlaufend) führten auf den Höhenzügen des Schelder Waldes an den Wilhelmsteinen vorbei und kreuzten in unmittelbarer Nähe bei der Angelburg (Berg).
Wanderziel
Als die Eisenbahn-Nebenlinie Dillenburg–Wallau 1911 durchgängig fertiggestellt war, setzte vom nahen Bahnhof Hirzenhain in den Sommermonaten ein lebhafter Ausflugstourismus zu den Wilhelmsteinen ein.
- Wanderziel am 1. Mai
Am 1. Mai sind die Wilhelmsteine ein beliebtes Ziel für den traditionellen Maiausflug. Hier treffen sich die Wanderer aus den umliegenden Ortschaften, um zu grillen. Derzeit stehen den Besuchern mehrere fest installierte Grillplätze zur Verfügung. Die Wilhelmsteine sind von allen Ortschaften der Umgebung auf bekannten Wanderwegen gut erreichbar. Auch von einem Wanderparkplatz aus (2,8 km nördlich von Tringenstein an der K53 gelegen) sind die ca. 1,4 km entfernten Wilhelmsteine ohne wesentlichen Höhenunterschied auf einem befestigten Weg ohne Kfz-Verkehr leicht zu erreichen.
- Bauten
Wann das erste kleine Jagdhaus mit Pferdestall bei den Wilhelmsteinen errichtet wurde, ist nicht genau bekannt. Nachdem dieses Jagdhaus verfallen war, baute die Forstverwaltung ein noch kleineres Fachwerk-Jagdhaus an gleicher Stelle, das jedoch durch wiederholte Beschädigung und Brände baufällig wurde. Mitte des 20. Jahrhunderts riss man es ab und errichtete dort eine Blockhütte, die 1970 wegen starker Schäden durch Vandalismus wieder abgebaut wurde.
- Kletterverbot
2003 wurde das Klettern an den Wilhelmsteinen untersagt. Das Verbot wurde aus Sorge um das Naturdenkmal ausgesprochen, da es durch hineingetriebene Sicherungshaken beschädigt werden könnte.
Waldgottesdienst
Seit Generationen wird bei den Wilhelmsteinen an Christi Himmelfahrt ein Waldgottesdienst[8] abgehalten. Die Teilnehmer kommen vorwiegend aus den umliegenden Gemeinden Angelburg, Bad Endbach, Dautphetal, Eschenburg, Siegbach und Steffenberg.
Siehe auch
Literatur
- Max Söllner: Wanderungen zu ur- und frühgeschichtlichen Stätten Oberhessens. Brühlscher Verlag, Gießen 1980, ISBN 3-922300-04-9.
- Elisabeth Neumann-Gundrum: Kultur der Groß-Skulpturen, Urbilder/Urwissen einer europäischen Geistesstruktur. Wilhelm Schmitz Verlag, Gießen 1981, ISBN 3-87711-039-8.
- Heidrun und Friedrich Jantzen: Naturdenkmale Hessens, Landbuch Verlag, Hannover 1985, ISBN 3-7842-0323-X, Nr. 27. S. 91.
- Gisela Graichen: Das Kultplatzbuch. Ein Führer zu den alten Opferplätzen, Heiligtümern und Kultstätten in Deutschland. Hoffmann u. Campe Verlag, Hamburg 1988, ISBN 3-455-08282-3.
- Fritz-Rudolf Herrmann, Albrecht Jockenhövel, Die Vorgeschichte Hessens, Theiss Verlag, Stuttgart 1990, Seiten 358 u. 359, ISBN 3-8062-0458-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Heidrun und Friedrich Jantzen: Naturdenkmale Hessens, Landbuch Verlag, Hannover 1985, ISBN 3-7842-0323-X, Nr. 27, "Die Wilhelmsteine". S. 91,92,93
- ↑ Großherzogtum Hessen 1823–1850, 6. Gladenbach. Historische Kartenwerke. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Gisela Graichen: Das Kultplatzbuch. Ein Führer zu den alten Opferplätzen, Heiligtümern und Kultstätten in Deutschland. Hoffmann u. Campe Verlag, Hamburg 1988, ISBN 3-455-08282-3. Seiten 211 und 212
- ↑ Karten und Daten des Bundesamtes für Naturschutz (Hinweise)
- ↑ Gerhard Sandner: Geographische Landesaufnahme: Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 125 Marburg. Bundesanstalt für Landeskunde, Bad Godesberg 1960. → Online-Karte (PDF; 4,9 MB)
- ↑ Horst W. Müller: „Wilhelmsteine und Ellerchen“. Sagenumwobene Steine und Felsen im südwestlichen Hinterland. In: Hinterländer Geschichtsblätter. Biedenkopf, 93. Jahrgang, Nr. 3. September 2014. Seiten 52 und 53
- ↑ Elisabeth Neumann-Gundrum: Kultur der Groß-Skulpturen, Urbilder/Urwissen einer europäischen Geistesstruktur. Wilhelm Schmitz Verlag, Gießen 1981, ISBN 3-87711-039-8.
- ↑ Heidrun und Friedrich Jantzen: Naturdenkmale Hessens, Nr. 27. Landbuch Verlag, Hannover 1985, ISBN 3-7842-0323-X, Nr.: 27 „Die Wilhelmsteine“, Seite 91
Koordinaten: 50° 47′ 5,6″ N, 8° 26′ 1,4″ O