Die Glagolitische Messe (tschechisch Glagolská mše, kirchenslawisch Mša glagolskaja, lateinisch Missa Glagolitica) ist eine späte Komposition des tschechischen Komponisten Leoš Janáček. Das Werk ist geschrieben für vier Gesangssolisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass), Doppelchor, Orgel und großes Orchester. Janáček vollendete das Werk am 15. Oktober 1926, also in seinem 72. Lebensjahr. Es wurde am 5. Dezember 1927 in Brno uraufgeführt, durch ein von Jaroslav Kvapil geleitetes örtliches Ensemble.[1] 1929 wurde sie im Gedenken an Janáčeks Tod bei den VII. Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days) in Genf aufgeführt und international bekanntgemacht.[2][3]
Janáček vertonte den Messtext des glagolitischen Ritus, das heißt, das ins Kirchenslawische übersetzte Ordinarium der katholischen Messe.
Hintergrund
BearbeitenDie fünf den Messetext vertonenden Sätze (in der lateinischen Benennung): Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei werden von drei Instrumentalsätzen umrahmt: einem orchestralen Vorspiel und zwei Postludien: einem Orgel-Solo und einem Orchesterstück.
Janáček hatte große Erfahrung in der Chorarbeit und hatte u. a. eine Menge Chormusik geschrieben: dieses Opus ist sein Meisterwerk auf diesem Gebiet. Das Werk beginnt und endet mit den für den Komponisten typischen triumphierenden Fanfaren (siehe auch seine bekannte Sinfonietta).
Janáček war ein Anhänger des Panslawismus; seine Glagolitische Messe wurde daher auch als Wiederbelebung uralter slawischer Kultur in modernem Gewande gesehen.
Die Entstehungsgeschichte der „Glagolitischen Messe“ war verwickelt: Janáček begann schon 1920 mit Skizzen, aber erst 1926 arbeitete er intensiver an dem Werk. Die Partitur erschien erst 1929, nach seinem Tode. Zwischen der Fassung für die Uraufführung (5. Dezember 1927) und der endgültigen Druckvorlage bestehen große Unterschiede. Die spätere Überarbeitung ist nunmehr für Aufführungen maßgeblich, sie ist instrumental reichhaltiger, leichter einzustudieren und an einigen wichtigen Passagen verknappt. In der Kritischen Gesamtausgabe werden die Fassung letzter Hand und die Fassung „September 1927“ separat veröffentlicht.[4]
Struktur
BearbeitenDie acht Sätze der Komposition sind:
- Úvod – Einleitung – Orchester
- Gospodi pomiluj – Kyrie – Herr, erbarme dich – Sopran, Chor, Orchester
- Slava – Gloria – Ehre sei Gott in der Höhe – Sopran, Tenor, Chor, Orgel, Orchester
- Věruju – Credo – Ja, ich glaube – Tenor, Bass, Chor, Orgel, Orchester
- Svet – Sanctus – Heilig ist der Herr Sabaoth – Sopran, Alt, Tenor, Bass, Chor, Orchester
- Agneče Božij – Agnus Dei – Lamm Gottes – Sopran, Alt, Tenor, Bass, Chor, Orchester
- Varhany sólo [Postludium] – Orgel solo
- Intrada [Exodus] – Orchester
Erstveröffentlichung
Bearbeiten- Wien, Universal Edition, 1929. Plattennummer U.E. 9541/13366.
- Übersetzung ins Deutsche: Rudolf Hoffmann (1878–1931)
- Edition des slavischen Textes: Miloš Weingart (1890–1939)
Diskografie und Filmaufnahmen
Bearbeiten- 1951: Břetislav Bakala, Brno Radio Symphony Orchestra (Supraphon)
- 1963: Leonard Bernstein, New York Philharmonic (CBS Records)
- 1963: Karel Ančerl, Tschechische Philharmonie (Supraphon)
- 1964: Rafael Kubelík, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Deutsche Grammophon)
- 1973: Rudolf Kempe, Royal Philharmonic Orchestra (Decca)[5]
- 1978: Václav Neumann, Tschechische Philharmonie (Supraphon)
- 1978: Ladislav Slovák, Slowakische Philharmonie (Opus)
- 1979: František Jílek, Brno State Philharmonic Orchestra (Supraphon)
- 1981: Sir Simon Rattle, City of Birmingham Symphony Orchestra (EMI Classics)
- 1984: Sir Charles Mackerras, Tschechische Philharmonie (Supraphon)[6]
- 1988: Michael Gielen, SWF-Sinfonieorchester Baden-Baden (Intercord)[7]
- 1990: Robert Shaw, Atlanta Symphony Orchestra (Telarc)
- 1990: Michael Tilson Thomas, London Symphony Orchestra (Sony)
- 1991: Kurt Masur, Gewandhausorchester Leipzig (Philips)[8]
- 1991: Charles Dutoit, Montreal Symphony Orchestra (Decca)
- 1993: Sir Charles Mackerras, Danish National Radio Symphony Orchestra (Chandos)
- 1997: Riccardo Chailly, Wiener Philharmoniker (Decca)
- 2000: Sir Andrew Davis, BBC Symphony Orchestra and Chorus (BBC Proms)
- 2013: Sir Simon Rattle, Berliner Philharmoniker; vollständige Wiedergabe (Audio/Video) eines Konzerts in der Digital Concert Hall
- 2013: Tomáš Netopil, Tschechisches Radio-Symphonie-Orchester, Supraphon (Uraufführungsversion vom September 1927)
Das Postludium wird gelegentlich als eigenständiges Orgelwerk aufgeführt und aufgenommen.
Filmmusik
BearbeitenDie Glagolitische Messe wurde als Musik zum 1954 gedrehten Film Inauguration of the Pleasure Dome (Regisseur: Kenneth Anger) benutzt.
Weblinks
Bearbeiten- Glagolitische Messe: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- Glagolitische Messe (Glagolská mše) (JW III/9). leos-janacek-lexch.org
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Dr. Theodora Strakova, Herausgeberin der Vollständigen Kritischen Werkausgabe des Komponisten, Supraphon, Prag, 1992
Mša glagolskaja. ( vom 30. März 2012 im Internet Archive) leosjanacek.com - ↑ Programme der ISCM World Music Days von 1922 bis heute
- ↑ Anton Haefeli: Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik – Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart. Zürich 1982, S. 480 ff.
- ↑ siehe Bärenreiter-Verlag
- ↑ Aufnahmedatum als 1974 angegeben auf einer CD von 1997
- ↑ Glagolitic Mass (Musical CD, 1985). In: WorldCat.org. Abgerufen am 14. November 2011.
- ↑ Glagolitische Messe, Taras Bulba (Musical CD, 1991). In: WorldCat.org. Abgerufen am 14. November 2011.
- ↑ Glagolitic mass, Taras Bulba (Musical CD, 1991). In: WorldCat.org. Abgerufen am 14. November 2011.