Verschiedene: Die Gartenlaube (1858) | |
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verstand. Mit Fleiß und Ausdauer wußte er die Erkenntniß aller Beziehungen und Verhältnisse im politischen, wissenschaftlichen und socialen Verkehr auf die in letzter Instanz entscheidenden Zahlen zurückzuführen. Es ist erstaunlich, zu sehen, wie weit es durch diesen einzigen Mann die Privatstatistik brachte – die officiellen statistischen Bureaus, die statistischen Vereine, welche es jetzt gibt, sie existirten nicht beim Beginn der Wirksamkeit von Redens, sie sind vielmehr erst eine Folge derselben. Er säete die Saat, die nun überall aufgegangen, und bestellte selbst unter Mühe und Anstrengung den Acker, der nun überall herrliche Früchte trägt. Vor Allem begrüßt die Wirthschaftslehre in der Statistik eine mächtige Bundesgenossin und strebt, Hand in Hand mit ihr, die Erkenntniß der menschlichen Dinge zu fördern, die Verhältnisse des socialen Lebens zu beleuchten und Irrthum, Vorurtheil und Aberglauben zu verdrängen.
Welcher Lohn ist von Reden dafür geworden? Er starb zu Wien, wie ein deutscher Schriftsteller stirbt – arm und nichts hinterlassend, als seine Schriften, ein trauerndes Weib und drei unerzogene Kinder! Was er erübrigen konnte, hatte er seinen Bestrebungen, seinen statistischen Arbeiten gewidmet, die durch Sammlungen, Hülfsarbeiten u. s. w. einen großen Kostenaufwand nöthig machten. Er hatte darum auch an die deutsche Bundesversammlung ein Gesuch gerichtet um Wiedererstattung eines von ihm dem Verein für deutsche Statistik geleisteten Vorschusses von 4000 Thalern. Aber er ward abschläglich beschieden, und erklärte darum in der Vorrede seiner letzten Schrift „Deutschland und das übrige Europa, Handbuch der Boden-, Bevölkerungs-, Erwerbs- und Verkehrs-Statistik, des Staatshaushaltes und der Streitmacht in vergleichender Darstellung“ – daß dies wohl sein letztes Werk sein müsse, da er keine Unterstützung finde, und seine eigenen Geldmittel erschöpft wären.
Wird die deutsche Bundesversammlung, was sie dem Lebenden verweigerte, nun dem Todten gewähren? Hoffen wir wenigstens dies! Es ist ja die Art der Deutschen, wenn die Männer, die dem Vaterland mit Selbstaufopferung dienten, die Augen geschlossen haben, sie durch ein Denkmal zu ehren, und nun plötzlich all ihre Verdienste anzuerkennen. Auch von Reden ist gestorben – möge man an seinen armen Hinterlassenen nun wenigstens gut zu machen suchen, was man dem Lebenden schuldig blieb.
Der europäische Reisende in China und sein Zopf. – Zu den Schwierigkeiten, mit denen der Reisende im Innern China’s zu kämpfen hat, gehört, abgesehen von der unumgänglich nothwendigen Kenntniß der chinesischen Sprache, eine möglichst täuschende Verkleidung, um als Eingeborner gelten zu können. Hellfarbige Augen können leicht mit gefärbten Brillen verdeckt werden, schwieriger aber ist das Tragen eines künstlichen Zopfes; der Kopf muß bis auf ein Büschel Haare am Scheitel rasirt und das gefälschte Anhängsel an dieselben befestigt werden. Dennoch muß der Träger dieser erborgten Zierde stets fürchten, dieselbe zu verlieren, was leicht drohende Gefahren über das verrathende Haupt bringen kann. Dr. Medhurst, der im Anfang vorigen Jahres verstorbene berühmte chinesische Missionair und Reisende, erzählt in dieser Hinsicht in seinem Tagebuche folgenden Vorfall, den das „Calwer Missionsblatt“ mittheilt: „Ich saß zu Tische und hatte ein Gespräch mit mehreren Eingebornen; dann stand ich auf und zog mich in meine Schlafkammer zurück, aber ein paar Minuten nachher kam mein chinesischer Führer herein und hatte meinen Zopf in der Hand. Er war heruntergefallen, während ich in meinem Sessel saß, und so dahinten geblieben. Mein Führer war in großer Unruhe, da er den losgegangenen Zopf herbeibrachte, und mir ging es eben so. Er versicherte mir, er sei so eben einer großen Gefahr entronnen; denn wäre der Zopf während unseres vorhergehenden Marsches oder in irgend einem der vielen Kaffee- und Theehäuser, wo wir einkehrten, los geworden und herabgefallen, so wäre die Enthüllung unseres Geheimnisses nicht zu verhüten gewesen. Er machte sich so eilig als möglich daran, den Schaden auszubessern. Dies geschah, indem er die Haarflechten des Zopfes auseinander machte und jede einzeln mit Faden an die Locken meines eigenen Haares festband. Aus Furcht, es möchte wieder so ein Unglück vorkommen, zog er die Knoten so fest zusammen, daß es mich nicht wenig incommodirte. Doch ich ließ mir das gern gefallen, und von jetzt an waren wir natürlich um so vorsichtiger, damit nicht ein ähnliches Unglück an einem mehr öffentlichen Orte vorkäme, wo dem Uebelstande nicht mehr abzuhelfen wäre.“
Luther vor dem Reichstage in Worms 1521. (Kupferstich von Prof. Schwerdgeburth in Weimar, nach eigener Erfindung und Zeichnung. 13 Zoll hoch, 20 Zoll breit.)
Der Cyklus von sechs Darstellungen aus Luther’s Leben von diesem Künstler ist so allgemein bekannt, ist eine Erscheinung, die im Zeitbedürfniß, im Sinn und Bewußtsein aller Protestanten so tief wurzelt, daß man nichts häufiger als Zimmerschmuck antrifft, als diese Bilder.
Das jetzt neu hinzugekommene Blatt bildet nun, der äußern Form und dem Umfang nach, den Mittelpunkt und Abschluß dieser Reihe; dem Inhalt nach stellt es den großen Moment dar, wo Luther vor dem versammelten deutschen Reich seine Lehre öffentlich bekennt und besiegelt. Der von dem Papstthum so gefürchtete Mann ist vor die Reichsversammlung beschieden, nicht um seine neue Lehre zu vertheidigen, sondern pure als Irrlehre zu widerrufen.
Da verkündet er laut die inhaltschweren Worte: „Dem Papst und Concilien glaube ich nicht, überwiesen bin ich nicht, widerrufen kann ich nicht! Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Gott helfe mir! Amen.“
Dem großen Moment entspricht nun auch die künstlerische Auffassung und Darstellung: Lokalitäten, Anordnung, Beleuchtung machen im Allgemeinen schon einen feierlichen Eindruck, man wird gespannt, zur unmittelbaren Theilnahme als gegenwärtig angeregt. Der kaiserliche Orator neben Luther, inmitten der Versammlung, deutet auf die als verbrecherisch angeklagten Schriften, welche auf einer niedern Bank liegen, und hat die Aufforderung zum unbedingten Widerruf ausgesprochen, auf welche Luther die oben mitgetheilte, ewig denkwürdige Antwort zu geben im Begriff ist.
Es möchte wohl schwerlich ein anderer günstigerer Moment für die Darstellung in dem ganzen Hergang zu finden sein. Gegner und Freunde Luther’s sind gleich lebhaft interessirt und gleich erwartungsvoll; die Erklärung mußte die lebhafteste Bewegung in allen Gemüthern hervorbringen, wodurch der Künstler Gelegenheit erhielt, Mannichfaltigkeit in Ausdruck und Bewegung der verschiedensten Charaktere darzustellen. Und das ist Herrn Schwerdgeburth in hohem Grade gelungen, wobei besonders zu beachten ist, daß er die Portraitähnlichkeit von einer Menge der damals gegenwärtigen Hauptpersonen in wunderbarer Weise festgehalten hat. Wer nur einigermaßen mit den oft sehr mangelhaft in Holzschnitt und Malerei dargestellten gleichzeitigen Portraits bekannt ist, wird sie hier augenblicklich in den vollendeten Miniaturbildchen wiedererkennen. Vielleicht wird das gerade bei der Hauptperson, bei Luther, nicht der Fall scheinen, da derselbe fast nur in Portraits aus seinen spätem Jahren allgemein bekannt ist. Da sich der Künstler aber mit der größten Gewissenhaftigkeit, mit der größten Strenge an die Zeit gehalten hat, so mußte er auch hier bei einem Portrait Luther’s aus diesen Jahren festhalten, deren es in Oelbildern, Kupferstichen und Holzschnitten von seinem Freund und Anhänger Lucas Cranach eine große Zahl gibt. Wer nur eins davon gesehen hat, wird auch hier die größte Aehnlichkeit finden, nur ist das durch Arbeit und Kämpfe noch schärfer Ausgeprägte etwas gemildert.
Aus letzterem Grunde ist das Blatt auch für Portraitsammler von besonderem Interesse: sie finden hier 51 bekannte Männer aus dieser für uns Deutsche so wichtigen Periode, und zwar um so ansprechender, da sie zugleich den Antheil für und gegen deutlich ausdrücken, ein Bild der ganzen aufgeregten Zeit in den Parteihäuptern erhalten. Der Verfasser dieser Zeilen hat sich lange mit dieser Periode in Beziehung auf Kunst beschäftigt, aber alle die Portraits, deren es so viele in neueren Kupferstichen, Holzschnitten und Lithographieen gibt, sind nicht so frisch, lebendig und dabei den älteren bekannten so treu geblieben.
Eine angenehme Zugabe ist es auch, daß der Künstler ein selbst auf Stein gezeichnetes Blatt mit den Köpfchen der 51 namhaften Portraits seinem Werke beigefügt hat, so wie ein anderes Erklärungsblatt in deutscher, englischer und französischer Sprache.
Die Ausführung des Stichs ist sorgsam und fleißig, besonders sind Köpfchen und Hände sehr durchgebildet. Die Anordnung der Localität und der Beleuchtung ist sehr verständig, so daß der Raum dadurch weit und vollständig ausgefüllt erscheint; alles ist voll Bewegung und Leben, ohne die Ruhe und Würde einer solchen Versammlung im mindesten zu stören.
In unserem Verlage erscheint in Bändchen von 12–15 Bogen, und ist in allen Buchhandlungen zu haben:
Deutsche Criminalgeschichten
von
Jod. Temme,
Verfasser der „Neuen deutschen Zeitbilder.“
Preis à Bdchn. nur 12 Ngr.Aus der Feder eines Fach-Mannes (früherem Criminaldirector in Berlin), der wie kein anderer deutscher Schriftsteller es versteht, den schwierigen Stoff der Criminalistik zu beherrschen und in eben so klaren wie ansprechenden Bildern zur Anschauung des Laien zu bringen, verbindet dieses Werk in ausgezeichneter Weise mit dem Zwecke der Unterhaltung zugleich den der Belehrung.
Die Tendenz des Werkes gibt der Verfasser selbst in der Vorrede mit kurzen Worten an: „Die nachfolgenden Erzählungen beruhen auf Wahren Thatsachen. Sie sind nur in eine novellistische Form gebracht. Dieses Letztere aus einem einfachen Grunde. Hätte ich sie nur actenmäßig erzählen wollen, ich hätte, namentlich in der ersten Erzählung des ersten Bändchens, fast nur Grausen und Abscheu erregen können. Dadurch unterhält man weder, noch belehrt man. Ich aber wollte Beides, vorzüglich belehren durch Unterhaltung.“
Die Sammlung wird höchstens 8 bis 10 Bändchen à 12 bis 15 Bogen zu dem sehr billigen Preise von – 12 Ngr. – umfassen. Einzelne Bände kosten den dreifachen Preis.
Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_056.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)