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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Schuhmacher in Königsberg, einen achtzigjährigen Greis, in gleicher Weise ereilte, und welches die Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen in dem Maße fordert, daß letztere nicht sollten auf sich warten lassen. Ich berichte die Thatsachen über diesen Fall, wie ihn die öffentlichen Blätter mitgetheilt haben, und übernehme selbstredend nicht die Gewähr für die Einzelheiten; weniger sind es die begleitenden Nebenumstände, als vielmehr das Einbringen und die Haftnahme dieses würdigen Greises, was für diese Erörterung von Erheblichkeit erscheint. Die Berliner Gerichtszeitung meldet die Thatsachen, wie folgt:

„Schuhmacher war in Königsberg keine unbekannte Persönlichkeit. Hunderte von Menschen waren mit dem Manne in Berührung gekommen, kannten seinen Charakter, seine Lebensweise, seine engeren häuslichen Beziehungen, seine Eigenheiten, und waren bereit, es aus der Erfahrung eines langjährigen Verkehrs durch Eid zu erhärten, daß dieser Mann so wenig blödsinnig als überhaupt nur geistesschwach oder urtheilsunfähig sei. Nicht wenige und zwar solche, denen der Mann nicht mit einem Heller wohlzuthun Gelegenheit gehabt hatte, sprachen mit Hingebung und hoher Verehrung von ihm, und wenn es geschah, daß sie rücksichtlich der Verwendung seines Geldes und seiner Güter nicht jede seiner Handlungen gut heißen konnten, so waren sie nach der Logik, welche dem gesunden Menschenverstande beiwohnt, auch jederzeit so billig, sich selber zu berichtigen mit der Erklärung: „Aber wer will, wer kann dagegen auch nur mit einem Scheine Rechtens etwas machen? Schuhmacher hat sein Vermögen selber erworben, er hat es während eines langen Menschenlebens eben nicht zu seinem Nachtheile verwaltet, und angenommen selbst, daß seine Verwaltung keine glückliche gewesen, daß er sogar sein Vermögen dabei ruinirt – folgt daraus, daß er wie ein Ruchloser, wie ein Mensch, für den die Gesetze nicht da sind, ohne alle und jede vorgängige Rechtsprocedur aus dem Kreise der Lebendigen gerissen, in ein Irrenhaus versetzt und für die Spanne der Zeit, die der hochbetagte Greis noch zu leben hat, seiner Freiheit, seiner unabhängigen Selbstbestimmung beraubt werden kann, werden darf? Und wer sind diejenigen, die auf einmal die Entdeckung machen, daß dieser Mann verrückt sei, daß es nicht länger verträglich sei mit der öffentlichen Ordnung, denjenigen, der fast achtzig Jahre hindurch in ungetrübter Verträglichkeit mit der öffentlichen Ordnung hingebracht, auch noch für die letzten wenigen Tage seines Lebens im unverkürzten Genusse aller Vortheile zu belassen, welche eben die öffentliche Ordnung Allen und Jeden, zumeist jedoch der natürlichen Ehrwürdigkeit des Alters und des Familienoberhauptes, schuldet und gewährleistet? –!“ Das war die Sprache, der man damals in jedem Winkel unserer Stadt begegnete, die aus allen Mittheilungen tausendfach wiedertönte, und man muß sagen, daß sie die Sprache der Natur und des Gesetzes war.

„Aber wie die Menschen sind, sie ermüden, und was tausendmal verderblicher ist, auch die Regungen der Gerechtigkeit schlafen ein, und lassen es geschehen, daß die Zeit wie mit einem nassen Schwamme über sie hingleitet und sie verwischt. Der so heilsame und unentbehrliche Instinct der Theilnahme des Einen an dem Anderen oder vielmehr der Theilnahme Aller an jedem Einzelnen, dieser so natürliche und das gesellschaftliche Wesen so unbedingt verklärende Instinct, den man füglich den Instinct der öffentlichen Wachsamkeit nennen könnte, ist dem nämlichen Schicksale unterworfen, zieht sich leicht zurück, und verliert und vergißt über der dauernden Zufluthung neuer Erscheinungen die einzelnen älteren, unbekümmert darum, ob über diesem lieblosen Vergessen das Einzelne umkomme oder nicht. So geschieht es, daß oft erst der Drang oder der Zufall einer spätern Zeit das Auge auf das aus seiner eignen Mitwelt gleichsam Verschollene hinlenkt, und wohl dann dem armen Opfer, wenn diese Dazwischenkunft noch zeitig genug erfolgt, es den Genuß wenigstens des Restes seiner Rechte noch schmecken zu lassen! Allein das ist gar selten der Fall, und schaale, verbleichte Rotomontaden sind sehr oft Alles, was das beleidigte Recht aus der menschlichen Erinnerung davon trägt.“

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Für den Weihnachtstisch der lieben Kleinen empfehlen wir zuvörderst (für das erste Kindesalter) die allerliebsten Fröhlich’schen Schattenriß-Bilderbücher „Wild und Zahm“ die „kleinen Thierfreunde“ (Leipzig, Friese), die sich durch ihre originellen und fleißig ausgeführten schwarzen Abbildungen auszeichnen. Für Kinder, welche sich nicht nur unterhalten, sondern auch lernen wollen, möchten wir das Gerstäcker’sche geographische Sammelwerk: „Die Welt im Kleinen für die kleine Welt“ vorschlagen, wovon bis jetzt drei Bändchen: „Die Welt im Allgemeinen – Europa – Nordamerika“ vorliegen. – Ein in Text und Ausstattung ausgezeichnetes, für reifere Knaben sehr empfehlenswerthes Buch ist das bei Flemming erschienene: „Zu Lande und zu Wasser“, Erzählungen aus dem Seemannsleben von Heinrich Smidt. Die beigegebenen acht Abbildungen in Farbendruck sind kleine Kunstwerke, die auf den Geschmack der Jugend nur anregend und veredelnd wirken können und neben den albernen, in Text und Ausstattung geschmacklosen Machwerken, wie die in Leipzig erschienenen Abenteuer-Schriften: „Scalpjäger, die Buschjäger“ etc. etc., sehr vortheilhaft abstechen. – Von dem beliebten „Töchter-Album“ der Therese von Gumpert (ein Weihnachtsgeschenk für Mädchen von zehn bis vierzehn Jahren) ist so eben der vierte Band erschienen; von Friedr. Hoffmann, dem beliebten Jugendschriftsteller, ein neues Buch für die reifere Jugend: „Historische Erzählungen“.

S.


Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!

Bock, Dr. Carl Ernst. Das Buch vom gesunden und kranken Menschen. Mit 25 feinen Abbildungen. Zweite Auflage   broch. 1 Thlr. 20 Ngr., eleg. geb. 1 Thlr. 27 Ngr.

Gartenlaube, Die. Jahrgang 1855. 1856. 1857. broch. à 2 Thlr., eleg. geb. in gepreßter Decke à 22/3 Thlr.

Gerstäcker, Friedrich. Eine Gemsjagd in Tyrol. Mit 34 Illustrationen in Holzschnitt und 12 Lithographien. eleg. broch. 3 Thlr. 10 Ngr. eleg. geb. in engl. Preßdecken mit Goldschnitt 4 Thlr. 5 Ngr.

Stolle, Ferdinand. Palmen des Friedens. Eine Mitgabe auf des Lebens Pilgerreise. Zweite Auflage eleg. geb. mit Goldschnitt 1 Thlr. 10 Ngr.

Stolle, Ferdinand. Ausgewählte Schriften. Volks- und Familienausgabe. 27 Bde., mit dem Portrait des Verfassers, Zweite Auflage. broch. à 71/2 Ngr.

Storch, Ludwig. Gedichte. eleg. cart. 1 Thlr. 6 Ngr., prachtvoll geb. mit Goldschnitt 1 Thlr. 15 Ngr.

Storch, Ludwig. Ausgewählte Romane und Erzählungen. Volks- und Familien-Ausgabe. 19 Bände mit dem Portrait des Verfassers. broch. à 71/2 Ngr.

Traeger, Albert. Gedichte. eleg. cart. 221/2 Ngr., prachtvoll geb. mit Goldschnitt 1 Thlr.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 728. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_728.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)