Diese Luft! Und Diese Stille
Diese Luft! Und Diese Stille
Diese Luft! Und Diese Stille
Personen:
Aleksandra Gdala (Goethe Institut, Humboldt Stiftung, DAAD, Max Planck Institut)
Alex Rutowicz (Goethe Institut, Humboldt Stiftung, DAAD, Max Planck Institut)
SZENE 1 / EINFÜHRUNG
(Alexiej, Niko mit einem deutschen Kursbuch auf dem Sofa, Oliwka sitzt konzentriert und
studierend am Tisch, Bartek und Kajtek spielen Computerspiele, einer mit einem alten
Joystick)
Niko: Weißt du, Oliwka, es lohnt sich einfach nicht. Wir werden nie Deutsch lernen,
wenn wir nicht weggehen.
Oliwka: Doch, doch. Wenn wir genug pauken, werden wir es endlich schaffen. Ich
könnte meine Klassenkameraden und Klassenkameradinnen hier nie verlassen.
Niko: Der Liebe Gott hat diese Menschen schon lange her verlassen.
Bartek: Das stimmt, leider. Wir sind vielleicht jung, aber wir kennen schon unsere
Ohnmacht. Aber wartet mal, was - um Gottes willen - ist hier los?
Kajetan (picks the paper plane up): Mein Gott, das ist ein Flugzeug. Aus Deutschland!!!
Eine Werbung! Die Goethe Institut Mitarbeiter kommen nach Konstancin! Jeziorna!
Bartek: Sie werden uns vermutlich retten! Können!
Oliwka: Schnell, ihr faulen Säcke, macht hier sauber! Warum muss ich mich immer für
euch schämen!
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TEIL 1: DER GEDICHTWETTBEWERB
Ola: Ich kann nicht glauben, dass wir so viel Geld im Institut haben, dass wir in die dritte
Welt reisen müssen, um es loszuwerden.
Alex: Das ist kein Hotel. Das ist Dom Kultury. Und wir sind hier nicht im Urlaub. Möchtest
du einen Kaffee? Es wird ein langer Tag. Sein.
Ola: Nein, keinen Kaffee, wir müssen uns auf die Aufgabe konzentrieren. Wen haben wir
auf der Liste?
Oliwka (betritt die Bühne): Guten Abend meine Damen und Herren, sehr geehrte
Kommission.
Ola: Es freut uns, dass Sie heute zum Gedichtwettbewerb des Goethe Instituts
gekommen sind.
Der Elefant
Grau wie ein Stein,
Hat Zähne
Ganz aus Elfenbein.
Wie ein Gebirg geht er herum.
Zehn Männer
Werfen ihn nicht um.
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Alex: Mein Gott. Sie haben eine Gabe.
Alex: Wir bedanken uns von ganzem Herzen. Wir rufen Sie an.
Oliwka: Ja, ja, netter Versuch, Herr Rutowicz. (Oliwka verlässt die Bühne)
Ola (blättert ihre Liste durch): Wer ist jetzt dran? Frau Vitalina Ryabova.
Alex: Sie sind heute gut drauf, freut uns. Frau Ryabova sah aber auf dem Plakat anders
aus.
Alexiej: Ich bin Alexiej Andrushtschenko. Ich weiß nicht wo Frau Ryabova ist. (zu
Publikum) Ich weiß es wirklich nicht! (zu Alex) Ich will aber mitmachen. Ich habe ja
nichts zu verlieren.
Ist er gefährlich?
Ist er lieb?
Ist er ein Gast?
Ist er ein Dieb?
Ob er mich mag?
Ob er mich frisst?
Wüsst’ ich nur, wer
Im Zimmer ist!
Alexiej: Aber haben Sie meine Telefonnummer? (Alexiej verlässt die Bühne, Bartek und
Niko „begleiten“ ihn)
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Ola: Herr Postek?
Bartek (betritt die Bühne): Meine Herrschaften. Ich möchte Sie erstens von ganzem
Herzen, sehr persönlich begrüßen. Darf ich?
Ola: Ja, wir auch, Herr Rutowicz und ich. Bitte, fangen Sie an.
Alex: Beeindruckend.
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Ola: Und was soll diese Maske sein?
Kajtek: Deswegen will ich nach Deutschland. Sie stellen die richtigen Fragen.
Alex: Los geht’s bitte, Herr Jędrzejczak. Irgendwann wollen wir auch zu unserem
luxuriösen Borowina Hotel, nicht wahr, Aleksandra Gdala?
Ola: Donnerwetter, sind Sie heute in guter Form, nicht wahr!? Auch mit der Maske war
Ihre Interpretation irgendwie zauberhaft.
Kajtek: Danke.
Alex: Gern geschehen. Hat sie ja nichts gekostet. Wir rufen Sie bald an.
Kajtek: Aber ich hab’ kein Telefon, es ist im Lehrerraum. (Kajtek verlässt die Bühne,
Bartek und Alexiej „begleiten“ ihn)
Ola: Hoffen wir mal, Ihr Traum vom Deutschlandstudium in Erfüllung kommt.
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Da taten ihnen die Beine weh.
Und da verzichten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.
Niko: Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bedanke mich bei Ihnen von ganzem Herzen.
Ola: Auf Wiedersehen. Wir haben jetzt die letzte Kandidatin heute: Frau Rozwadowska.
Ola: Hören Sie bitte auf, uns diese Märchen zu erzählen. Sie schlafen wahrscheinlich
mit Goethe-Bänden unter dem Kissen.
Der Fisch
heißt Wal
Er ist nicht schmal
Sonst wär’s ein Aal.
Ola: Und Sie verwenden Konjunktiv II. Wir geben Ihnen gerne das Stipendium. Sie und
Ihre Katze Czesław, ein Jahr im Goethe Institut München, Herzlichen Glückwunsch.
Łucja: Ich habe aber eine andere Katze, Roxi. Und einen Hund, Loko.
Oliwka (umarmt Łucja): Gute Arbeit, Schatz, ich kümmere mich um die Katzen!
Łucja: Aber du bist nicht meine Mutter! Wie komme ich am besten nach München?
Alex: Mit dem ICE Zug. Wir bezahlen alles. Seien Sie bitte nicht spät. Der
Wintersemester startet am 1. November.
~~~
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Bartek: Wir bleiben für immer hier.
Kajtek: Deine Mutter wird sich freuen. Oder nicht.
(Zweiter Flugzeug landet auf der Bühne)
Oliwka: Mein Gott, wartet! Die Humboldt Stiftung bietet Stipendien für begabte Musiker!
Sängerinnen und Sänger!
Alexiej: Endlich eine Chance für uns!
Kajtek: Ich schreibe mich an der Musikschule Konstancin in der Bielawska Straße ein,
um bessere Chancen zu haben.
Bartek: Der müde Heinrich mit seiner Maske, guter Plan, alter!
~~~
Niko: Sehr geehrte Damen und Herren. (Pause). Ich werde heute für Sie nicht singen.
Niko: Ja, meine Mutter hat’s geschrieben. Sie kümmert sich nicht nur um mein geistiges
Wohlbefinden, aber auch um meine Diät.
Ola: Ja gut, wie auch immer, Ihre Katze Rica und Sie bleiben vorläufig in Konstancin.
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Niko: Sie machen einen Fehler.
Alex: Ihnen fehlt die Vorliebe zum Singen. Nächste Person, bitte, auf Wiedersehen.
Kajtek: „Verbrannte McDonalds zeugen von unseren Heldentaten. Seit wir Nestle von
den Feldern jagten!“
Alex. Das ist ja nicht tragisch. Das Lied bedeutet mir viel. Ich würde nie in einem
McDonalds essen.
Bartek (energetisch):
Komm wir fahren in den moosbedeckten
Hallen im Reichstag ein Bürostuhlwettrennen
Unsere Haustüren müssen keine Schlösser mehr haben
Geld wurde zu Konfetti und wir haben besser geschlafen.“
Bartek: Ja, aber Sie sind doch kein junges Gemüse mehr.
Alex: …sehen.
Ola: Herr Andruschtchenko, Sie kommen aus der Ukraine. Sie sind bestimmt
musikalischer als diese Konstancin-Jeziorna Kinder.
Alex: Das war schon eine starke Leistung. Ich würde mal gerne einen rauchen.
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Alexiej: „Du willst einen rauchen? Dann geh dir was pflücken im Garten. Doch unser
heutiges Leben lässt sich auch nüchtern ertragen.“
Ola: Um Gottes willen, Sie werden mit dieser Leistung in Deutschland zur Popikone, ich
gratuliere.
Alex: Warte, wir haben noch eine Kandidatin auf unserer Liste. Frau Oliwka Drabik aus
Kabaty.
Oliwka: Meine Herrschaften, ich möchte eine Botschaft an die Humboldt-Stiftung senden
und mir damit ein Stipendium ersingen.
Alex: Wunderbar mutig klingt dieses Mädchen. Bitte fangen Sie an, Frau Drabik.
Oliwka:
Ola: Ich wusste niemand, der sonst so schön singt. Sie und Ihre Katze Felek fahren
nach Deutschland. Und zwar mit dem nächsten ICE nach Hamburg Hauptbahnhof.
Alex: Danke. Das heißt aber nicht, dass Sie mit ihm leben werden.
Oliwka: Das macht nichts. Hauptsache mein Studentenwohnheim liegt in der Nähe von
der neuen Philharmonie.
Ola: Frau Drabik, Sie werden bald in dieser neuen Philharmonie auftreten.
Oliwka: Danke, ich freue mich drauf. Machs gut, Konstancin-Jeziorna, auf Wiedersehen
Meine Freunde!
Bartek und Łucja: Herzlichen Glückwunsch, Tochter!!! Nimm den Roxi mit!
Oliwka: Ihr seid nicht meine Eltern!!! Ich nehme eure Katzen nicht mit!!!
~~~
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Alexiej: Warum müssen die Frauen immer gewinnen?
Bartek: Wie gesagt, wir bleiben für immer hier. So schön werde ich nie mehr in meinem
Leben singen.
Kajtek: Alle werden sich bei dir bedanken, wenn du nicht mehr singst.
Niko: Bietet Deutschland keine Stipendien für Sportler? Für Athleten wie wir, die Tag und
Nacht Eisen pumpen?
Alexiej: Da gibt es sicherlich eine Organisation. Noch ist Polen nicht verloren! Mir wird
diese Bühne langsam auch zu eng!
Alex (etwas bänglich): …und diese Stille… hör mal zu: Polen erlebt derzeit eine goldene
Ära im Sport: Świątek, Hurkacz, Gąsienica-Daniel… Wir müssen ihre jungen Talente
sobald wie möglich identifizieren. Wen haben wir auf der Liste. Herr Alexiej
Andruschtschenko.
Alexiej: Am liebsten Volleyball Tricks. Beim Volleyball spielen kenne ich keine
Verwandten. Stehen Sie bitte auf, Herr Rutowicz, ich brauche einen glaubwürdigen
Partner.
(die beiden A. spielen) Ola (kommentiert): Stundenlang spielen sie mit einem bunten
Ball, Alexiej und Alex, ohne zu wissen welcher Wochentag es ist. Ok, Schluß jetzt bitte,
danke Herr Andruschtschenko. Sie dürfen gehen, wir werden uns melden.
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Alex: Er hat tatsächlich eine Gabe.
Ola: Ja, gut, wir müssen aber auch den anderen eine Chance geben. (Bartek enters)
Herr Postek, guten Tag. Welche Sportart mögen Sie am liebsten?
Bartek: Ich bräuchte nur einen - vielleicht diesen - Papierkorb. Halten Sie ihn bitte fest,
Herr Rutowicz. So, perfekt. (Bartek wirft einen Papierkrümmel/Kugel)
Bartek: Nein, ich bin jetzt ein bisschen zu alt, um meine Wurftechnik zu ändern.
Alex: Ja, im Angriff sieht es nicht schlecht aus. Aber spielen Sie nicht in der Abwehr
manchmal den müden Heinrich?
Ola: Beeindruckend, Herr Postek. Ich sehe Ihre Zukunft bei den Albatrossen.
Nikodem (stürmt ein): Herr Postek dominiert vielleicht den orangen Ball, aber ich habe
den gelben im Griff. Wo ist mein Schläger? (Alex gibt Niko einen)… ach hier, in meiner
Hand.
Ola: Beunruhigend.
Alex: Egal. Wie viele Aufsprünge können Sie damit machen. Fünf?
Niko: Locker. Sehen Sie sich das an. (der Ball springt auf dem Schläger)
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(Kajtek enters)
Kajtek: Ich möchte nicht mitmachen. Mein Vater lässt mich krankschreiben.
Ola: Ja, auf Wiedersehen Herr Postek, Herr Jędrzejczak, ich glaube wir haben den
Gewinner.
Ola: Ja. Herr Andruschtchenko, Sie fahren nach Würzburg. Dort am wunderschönen
Main gibt’s schöne Sportanlagen.
Alex: Sie dürfen sogar mit dem Flugzeug nach Frankfurt fliegen, wir bezahlen alles.
Ola: Nein, Sie sollten sich auf Volleyball und nicht auf Frauen konzentrieren. Sie sagten,
Sie wussten nicht wo sie war!?
Alexiej: Sie haben Recht. Volleyball und Deutsch: ich weiß nicht wie ich Ihnen danken
soll?
Ola: Werden Sie bitte Deutscher Meister. Innerhalb von zwei Jahren. Ohne Ryabova.
Alexiej: Ich bin nicht dein Sohn, Mensch, wir sind ja Klassenkameraden!
~~~
Bartek: Warum schätzen uns diese deutschen Stiftungen nicht? Weil wir Männer sind?
Männer aus Konstancin-Jeziorna? Solch eine Voreingenommenheit!
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Kajtek (hebt das Papierflugzeug ab): Na endlich!!! Max-Planck Institut für Astronomie!
Aus Heidelberg!
Bartek: Ich habe keine Ahnung von Astronomie. Wann kommen sie?
Niko: Sie sind bereits da, sie essen gerade Pizza in Stara Papiernia. Und übernachten in
Borowina Hotel. Geld haben sie ja genug.
Ola: Jetzt aber geht es wirklich zur Sache. Wir brauchen Menschen für das Max-Planck
Institut für Astronomie in Heidelberg, die schnell lernen.
Alex: Und vor allem: die die Deutsche Sprache gut beherrschen.
Ola: Du hast, wie immer, Recht, Alex Rutowicz. Fangen wir bitte an.
Drei Kandidaten auf einmal. Ich möchte so schnell wie möglich zurück zur Borowina.
Alex: Ja, drei Topstudenten aus der besten Schule der Welt, wir können damit nichts
falsch machen.
(Niko, Kajtek und Bartek kommen mit ihren eigenen Stühlen herein und setzen sich)
Ola: Meine Herren, danke dass Sie daran Interesse haben, in Heidelberg Astronomie zu
studieren.
Alex: Das ist ja kein Wunder. Das sind doch top-drei Gehirne Polens.
Nikodem: Ehrlich gesagt, habe ich - und meine Klassenkameraden hier vermutlich auch
- wenig Ahnung von der Astronomie.
Ola: Ahnung ist nicht nötig. Hauptsache Interesse haben und gute Beherrschung der
deutschen Grammatik.
Bartek: Ich kann mich kaum beherrschen, wenn ich das Wort „Grammatik“ höre.
Alex: Gut, meine Herrschaften, man lebt nur einmal, also Frage Nummer eins: welchen
Kasus verlangen die folgenden Präpositionen: für, gegen, ohne, durch?
Kajtek: Akkusativ!
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Nikodem: wie in diesem alten Witz: eine Studentin aus Polen kommt in Berlin an, steigt
in ein Taxi ein und der Taxifahrer fragt sie: Wohin? Ihre blitzschnelle Antwort: Akkusativ!
Ola: Sehr lustig, Herr Góźdź. In Heidelberg fahren aber alle sowieso Rad.
Alex: Herr Jędrzejczak, Sie werden Astronomie in Heidelberg studieren, ich gratuliere.
Sie sind ein Top-Student.
Kajetan: Danke, meine Eltern werden sich freuen. (Kajtek verlässt den Raum)
Bartek: Ja…
Ola (zu Alex): Wir haben ja noch so viel Geld, wir werden alles sogar in Borowina nicht
ausgeben können.
Alex: Ja gut dann, Frage Nummer zwei an die zwei Herren hier: Wie heißt der
berühmteste deutsche Basketballspieler aller Zeiten?
Ola: Ja, Herrgott nochmal, Sie werden Astronomie in Heidelberg studieren, Herr Postek.
Sie kennen sich mit den Sternen gut aus.
Alex: Ja, aber der Schrempf war auch gut. Wir sprechen halt von einer anderen Ära.
Warum geben wir den beiden Jungs nicht ein Stipendium? Sie könnten dann ein Zimmer
in einem Studentenwohnheim teilen.
Ola: Kostengünstig.
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Nikodem: Danke. Es wird in dem Fall wahrscheinlich sehr viel zusammenstudiert. Tag
und Nacht.
Alex: Gut dann. Hier sind 250 Euro für den ICE nach Heidelberg, meine Herren. (zu
Ola): Nimm deinen Koffer und wir gehen in die Papiernia, dann ins Borowina.
Ola: …und morgen geht’s wieder zurück nach Deutschland. Mein Gott,
Konstancin-Jeziorna…
Ola: Applaus bitte, die sechs No Bell Studenten fahren mit meinem…
Alex: Unserem!
Ola: Mit unserem Geld nach Deutschland! Aber sie dürfen Deutsch mindestens noch ein
Jahr hier studieren!
Alex: Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit, wir wünschen Ihnen noch einen schönen
Abend und schöne Sommerferien, danke!!!
Oliwka: Und danke für die Stipendien für meine Kinder, Frau Gdala!
Alex: Applaus, bitte, Herrgott nochmal, das ist ja wirklich das Ende!
Lang lebe das No Bell Schultheater und Auf Wiedersehen!
~~~
ENDE
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