Riekhof Hans-Christian S. 173
Riekhof Hans-Christian S. 173
Riekhof Hans-Christian S. 173
Strategien der
Personalentwicklung
Mit Praxisbeispielen von
Bosch, Linde, Philips, Siemens,
Volkswagen und Weka
6. Auflage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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1. Auflage 1986
2. Auflage 1989
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6. Auflage 2006
Alle Rechte vorbehalten
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006
Lektorat: Ulrike M. Vetter
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Satz: Publishing Service R.-E. Schulz, Dreieich
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Printed in Germany
ISBN-10 3-8349-0114-8
ISBN-13 978-3-8349-0114-9
Vorwort zur 6. Auflage
Mit dieser Ausgabe erscheint der Band „Strategien der Personalentwicklung“ nun-
mehr in der 6. Auflage. Damit sind seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre
1986 genau 20 Jahre vergangen. Die einzelnen Auflagen dokumentieren, wenn man
sie vergleichend zur Hand nimmt, damit auch ein Stück Geschichte der Management-
und Personalentwicklung in Deutschland.
Vergegenwärtigen wir uns einmal die besonderen Schwerpunkte der einzelnen Auf-
lagen. Bereits in der ersten Auflage von 1986 waren die Beziehungen zwischen Unter-
nehmensstrategie und Personalentwicklung ein wichtiges Thema: Die strategiegerech-
te Ausrichtung des Human-Resources-Bereiches wurde thematisiert.
Diese Frage erfährt derzeit eine beachtliche Renaissance. Der Bereich Human Resour-
ces wird zunehmend als Business-Partner angesehen, der die Linienbereiche bei der
Bewältigung der strategischen Aufgabenstellungen unterstützen muss. Einige der neu
in die 6. Auflage aufgenommenen Beiträge nehmen hierauf Bezug – unter anderem
eine empirische Studie des Herausgebers zu diesem Themenkreis, die gemeinsam mit
Julian Voss verfasst wurde.
In der zweiten Auflage von 1989 finden wir erstmals Instrumente der Personalent-
wicklung wie das Einzel-Assessment (das als Management-Audit heute sehr aktuell
ist) oder auch die Aufwärtsbeurteilung (die wir heute in einer erweiterten Form unter
der Überschrift 360°-Beurteilung in der Praxis antreffen).
Die dritte Auflage von 1992 nimmt anhand von Unternehmensberichten u. a. die Inter-
nationalisierung der Personalentwicklung auf; auch über das Outplacement von Füh-
rungskräften wird berichtet.
Die vierte Auflage von 1997 beschreibt erstmals anhand von zwei Unternehmens-
beispielen das Outsourcing der gesamten Personalentwicklung. Das ist insofern ein
bemerkenswerter Vorgang, als man in den Unternehmen im Allgemeinen nur solche
Bereiche und Prozesse outsourct, die nicht zum strategischen Kern gehören. Offen-
sichtlich zählt die Mitarbeiterentwicklung in diesen Unternehmen nicht zu den strate-
gischen Kernaufgaben. Die Restrukturierungsprojekte zahlreicher Unternehmen blei-
ben nicht ohne Folgen für die Personalentwicklung, sodass in der vierten Auflage Mit-
arbeiterpotenzialanalysen, Management-Audits und Management Appraisals als
wichtige Analysewerkzeuge beschrieben werden. Erstmals taucht auch das Stichwort
„Telelernen“ auf.
Die Internet-Revolution hinterlässt ihre Spuren auch in der Personalentwicklung. In
der fünften Auflage von 2002 widmen sich mehrere Beiträge und auch empirische
Studien in einem eigenen Kapitel dem Themenbereich Wissensmanagement, E-Lear-
ning und E-Recruitment.
Die sechste Auflage zeichnet sich wie schon die vorangehenden Auflagen dadurch
aus, dass Kontinuität und Wechsel miteinander einhergehen: 7 Beiträge wurden neu
VI Vorwort
aufgenommen, und 6 Beiträge entfallen in dieser Auflage – vor allem deshalb, weil
die Autoren keine Chance sahen, neben dem Alltagsgeschäft die Zeit aufzubringen,
um die notwendigen Aktualisierungen vorzunehmen. Personalentwicklungskonzep-
tionen haben ganz offensichtlich eine begrenzte zeitliche Gültigkeit.
Neu aufgenommen und an den Beginn gestellt wurde ein Beitrag von Fredmund
Malik, überschrieben mit „Große Aufgaben für die Personalentwicklung“. In der ihm
eigenen provokanten Art beschreibt Malik darin grundsätzliche Fehlentwicklungen
der Personalentwicklung, angefangen von „wissenschaftlich unhaltbaren“ Manage-
menttrainings über das mangelnde Interesse des Top-Managements an Fragen der Per-
sonalentwicklung bis hin zu unausgeschöpften Potenzialen der Effizienzverbesserung.
Ein wichtiges Anliegen Maliks ist eine „unité de doctrine“: „Keine Organisation kann
funktionieren, wenn jeder eine andere Vorstellung über Management hat.“ Das ist in
der Tat eine Frage, die die Personal- und Managemententwicklung sträflich vernach-
lässigt hat. Maliks Ausführungen wird der eine oder andere Leser widersprechen wol-
len. Das ist gut so, denn über die angesprochenen Themen ist eine Auseinanderset-
zung dringend erforderlich.
Über die Studie von Riekhof/Voss mit der Überschrift „Strategiekompetenz als
Schlüsselqualifikation des Managements – eine empirische Analyse der Top-600-
Unternehmen der deutschen Wirtschaft“ wird im Anschluss berichtet. Hier geht es
darum, die Verbindungen von Unternehmensstrategie und Kernkompetenzen zu Ma-
nagemententwicklung und Qualifizierungsprozessen von Unternehmen zu untersu-
chen. Das Ergebnis ist im Kern sehr enttäuschend: Von einer strategischen Ausrich-
tung der Management- und Personalentwicklung kann in den betrachteten Unterneh-
men allenfalls in ersten Ansätzen gesprochen werden.
Ebenfalls neu aufgenommen wurde der Beitrag von Riekhof/Offermann über die „He-
bel zur wirksamen Implementierung von Strategien“. In diesem Beitrag geht es darum
darzustellen, welchen Stellenwert das Thema Strategie-Implementierung in Literatur
und Praxis hat und welche Hebel eine wirksame Strategieumsetzung sicherstellen
können. Es wäre sicherlich interessant, in einer empirischen Studie zu überprüfen, ob
im Rahmen der Managemententwicklung Führungskräfte mit Werkzeugen der Strate-
gieumsetzung konfrontiert werden.
Ansfried B. Weinert setzt sich in einem weiteren neu aufgenommenen Beitrag mit der
Messung von Führungskompetenz auseinander. Er stellt ein standardisiertes, interna-
tional validiertes Testverfahren vor, das im Rahmen von Potenztialanlysen und Aus-
wahlprozessen sowie im Rahmen der Maßnahmenplanung für die Managementent-
wicklung nutzbringend eingesetzt werden kann.
Mit dem Beitrag von Frank Albe und Gisela Nissen-Baudewig über die Wirtschafts-
kompetenz von Politikern und deren empirische Messung verlassen wir den engeren
Themenkreis der Managemententwicklung. Die Autoren stellen empirische Studien
des Instituts zur Entwicklung der Wirtschaftskompetenz von Politikern (Göttingen)
vor, in denen auf der Basis biografischer Erhebungen für verschiedene deutsche Par-
lamente dokumentiert wird, wie es um die Wirtschaftskompetenz unserer Politiker
bestellt ist.
Vorwort VII
Das Ergebnis wird den Leser vermutlich nicht überraschen: Die Wirtschaftskompe-
tenz unserer Politiker ist alles in allem als eher begrenzt zu beurteilen.
Dass sie erforderlich ist, steht für viele Bürger außer Frage: Wer über Milliarden-
Haushalte entscheidet und wer durch Gesetze und Verordnungen Rahmenbedingun-
gen für das wirtschaftliche Handeln von Unternehmen und Arbeitnehmern setzt, der
sollte die Mechanismen ziemlich gut kennen, derer er sich bedient. Die daraus abzu-
leitenden Qualifizierungsaufgaben liegen auf der Hand; ob aber ein Prozess in Gang
gesetzt werden kann, um die Defizite tatsächlich abzubauen, steht auf einem anderen
Blatt.
Einem Kernthema der Managemententwicklung wendet sich Peter Fischer in seinem
neu aufgenommenen Beitrag zu. Er widmet sich dem Thema „Führungswechsel –
eine Schlüsselkompetenz modernen Managements“. Das Risiko für Seiteneinsteiger,
in einer neuen Führungsposition zu scheitern, liegt Fischer zufolge bei fast 50 % –
Grund genug, im Rahmen der Managemententwicklung hier präventiv tätig zu wer-
den. Doch in wie vielen Unternehmen werden entsprechende Programme zur Vorbe-
reitung und Begleitung eines Führungswechsels angeboten?
Michael Prochaska beschreibt den Change Case Linde AG unter der Überschrift „Wie
aus einem erfolgreichen Dax-30-Unternehmen eine LeadIng.-Company wird.“ Pro-
chaska unterstreicht in seinen Ausführungen den Stellenwert der Unternehmensstrate-
gie als Ausgangspunkt aller Überlegungen im Bereich Human Resources, und er
beschreibt sein Konzept als „strategieumsetzendes Personalmanagement“. In dieser
Konsequenz sind Strategie und Personalbereich vermutlich nur in sehr wenigen Un-
ternehmen miteinander verzahnt.
Herzlicher Dank gebührt allen, die am Zustandekommen dieser Auflage mitgewirkt
haben. Das sind natürlich in erster Linie die Autoren, die wiederum mit neuen Beiträ-
gen oder aber mit Aktualisierungen ihrer bisherigen Beiträge die Hauptarbeit geleistet
haben. Mein Dank gilt auch Julian Voss, der die Aufgabe der Koordination dieser Auf-
lage übernommen hat, sowie Ulrike M. Vetter, die wie gewohnt seitens des Verlages
die notwendigen Weichenstellungen vorgenommen hat.
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Strategiegerechte
Management- und
Personalentwicklung
Einleitung: Strategiegerechte Management-
und Personalentwicklung
Hans-Christian Riekhof
Welche Rolle spielt das – für den langfristigen Unternehmenserfolg extrem wichtige
Thema – der Strategiekompetenz in der Managemententwicklung? Werden Strategie
und Managemententwicklung miteinander verzahnt? Werden Manager im Hinblick
Jahre wohl als zwei Jahrzehnte der Modewellen, der Oberflächlichkeit und der geisti-
gen Verseuchung, Irreführung und Verführung mit Bezug auf Management klassifizie-
ren. Ich habe mich in diesen Jahren darüber gewundert, in welchem Umfang es von
Exekutiv- und Aufsichtsorganen zugelassen wird, dass geistiger Schrott verbreitet
wird, dass das Denken und damit auch das Handeln der Mitarbeiter durch leicht er-
kennbar völlig inhaltsleere Worthülsen und begriffliche Scheinwelten vergiftet wer-
den und wie viel dafür auch noch bezahlt wird.
So halte ich einen erheblichen Teil der Inhalte des heutigen Management-Trainings
für wissenschaftlich unhaltbar und – was wichtiger ist – für praktisch unbrauchbar, ja
für schädlich – z. B. wesentliche Teile dessen, was über Führungsstil verbreitet wird,
über Motivation, Kommunikation und Unternehmenskultur; aber auch – wie ich des
Öfteren darlegte – große Teile der gängigen Auffassungen über Vision und Synergie,
um nur einige Beispiele anzuführen. Ebenso unbrauchbar, ja nachgerade irreführend,
sind die Anforderungsprofile, die Kriterienkataloge in den Leistungsbewertungssyste-
men und die Potenzialbeurteilung.
Jeder Informatik-Chef wird alles daran setzen, dass keine Viren in die Computerpro-
gramme gelangen können. Aber es wird wenig dafür getan, dass keine geistigen Viren,
nämlich dummes Zeug, in die Köpfe der Leute gelangen können.
Denk- oder Geistesverschmutzung ist meines Erachtens einer der Hauptgründe für
fast alle Managementfehler der letzten zwei Jahrzehnte. Ich halte es daher für ein
oberstes Gebot, dass in Exekutiv- und Aufsichtsorganen nicht nur die Höhe der Perso-
nalentwicklungs- und Ausbildungsbudgets diskutiert wird, sondern vordringlich die
Inhalte einer sorgfältigen und kritischen Prüfung unterzogen werden.
Ich konnte, wenn es um Ausbildung von Führungskräften ging, nur in wenigen Fällen
ein Interesse des Top-Managements an den Inhalten beobachten. Dorthin gehört aber
die Verantwortung dafür, nicht wie viel, sondern was die Mitarbeiter gelehrt werden.
Es wird über die Themen der Ausbildung als solche diskutiert, also über die Über-
schriften der einzelnen Ausbildungsteile und -kapitel. Auch die Dauer von Ausbil-
dungsmaßnahmen ist naturgemäß von Interesse, selbstverständlich die Kosten und
gelegentlich auch die zum Einsatz gelangenden didaktischen Methoden. Über die
Inhalte im engeren Sinne wird erstaunlich wenig gesprochen. Das wäre aber das
Wesentliche. Darauf müssen sich die Diskussionen beziehen, denn durch die Inhalte –
nicht durch die Überschriften – werden Erwartungen und Einstellungen, Fähigkeiten
und Kenntnisse vermittelt.
Einige wenige Firmen sind vorbildlich. Es gibt Fälle, aber sie sind Ausnahmen, wo
jedes Managementseminar zuerst von den Top-Managern absolviert wurde. Meistens
geschieht das in etwas abgekürzter Weise – ohne Fallstudien und Übungen – und auf
das Wesentliche reduziert. Es ist kein Wunder, dass in diesen Firmen die Management-
ausbildung auch die größte Wirkung hat.
Es macht einen Unterschied, ob die Mitarbeiter wissen, dass die Firmenspitze selbst
und als Erste sich der Ausbildung unterzieht, oder ob sie merken, dass Ausbildung als
notwendiges Übel, Nebensächlichkeiten oder gar als bloße Aufwandsposition ange-
sehen wird.
Große Aufgaben für die Personalentwicklung 7
2. Effektivitätsverbesserung
Der zweite große Bereich ist die Effektivität der Führungskräfte, vor allem jene der
Kopfarbeiter in einem Unternehmen. Das beste Wissen, die größten Talente, alle Intel-
ligenz und Fähigkeiten bleiben wertlos, wenn sie nicht genutzt werden. Fast alle Orga-
nisationsformen sind bezüglich der Wirksamkeit von Menschen eher Behinderungs-
maschinerien, als dass sie ihre Effektivität fördern würden.
Ich kann zwar keine quantitativen Statistiken im engeren Sinne als Beweis vorlegen,
aber nach rund 30 Jahren Erfahrung traue ich mich zu sagen, dass der Wirkungsgrad
der Mehrheit aller Manager und Kopfarbeiter kaum über 50 Prozent liegt und wahr-
scheinlich kommen viele nicht einmal auf 30 Prozent. Es gibt Ausnahmen, aber sie
sind selten. Gerade aus ihnen lässt sich aber eine Ahnung darüber ableiten, welche
Reserven mobilisiert werden können. Die Leistungsunterschiede zwischen effektiv
arbeitenden Menschen und den ineffektiven sind so groß, dass es sich niemand – we-
der ein Unternehmen noch eine Person – leisten kann, das zu ignorieren. Effektivität
wird die Voraussetzung für jedes Unternehmen sein, im Wettbewerb zu bleiben, und
für jede Person, überhaupt eine Beschäftigung zu haben.
Die Wirksamkeit der Kopfarbeiter, sach- und führungsbezogen, ihre Qualität und Pro-
duktivität sind praktisch ausschließlich Sache des Personalmanagements. Niemand
anderer kann dazu beitragen. Es ist eher unter- als übertrieben, dass die Hälfte der
volkswirtschaftlichen Wertschöpfung in Zukunft aus Kopfarbeit resultieren wird. In
immer mehr Unternehmen wird diese Quote bis zu 80 Prozent steigen und in einigen
überhaupt die gesamte Wertschöpfung ausmachen.
Damit wird Personalmanagement nebst dem Management der Finanzen zur wichtigs-
ten Managementaufgabe schlechthin. Kopfarbeit auf die bessere Lösung von bekann-
ten Problemen gerichtet ist Produktivität. Kopfarbeit auf die Lösung neuer und un-
bekannter Probleme gerichtet ist Innovation. Kopfarbeiter sind aber eine Spezies sui
generis, genauso wie der „Stoff“, mit dem sie arbeiten – Wissen – etwas völlig anderes
ist als die klassischen ökonomischen Ressourcen. Daher sind die bisherigen Manage-
mentkategorien für den Umgang mit Menschen nicht nur zunehmend unbrauchbar, sie
werden schädlich sein.
Es ist einmal mehr ein Tummelfeld für IT-Spezialisten, Consultants und Trainer ent-
standen, die ihre eigene Existenz zu rechtfertigen versuchen, ohne dafür Verantwor-
tung und Aufwand tragen zu müssen. Jede Führungskraft muss prüfen, wie es mit den
„Kleidern dieses Kaisers“ bestellt ist. Man kommt schnell dahinter, dass der Kaiser
nicht nur nackt ist, sondern dass er gar kein Kaiser ist. Wie so oft verstellen Irrlehren,
Angeberei, Bluff und Etikettenschwindel den vernünftigen Umgang mit Wissen als
der Schlüssel-Ressource der Wirtschaft.
Wenn man der Sache auf den Grund geht, stellt sich heraus, dass das, was als Wis-
sensmanagement bezeichnet wird, in Wahrheit etwas ganz anderes ist, nämlich Daten-,
Informations- und Dokumentenmanagement. Fortschritte auf diesen Gebieten sind
selbstredend nützlich und willkommen. Es ist nützlich, wenn Dokumente, wie auch
immer sie heißen mögen, besser und übersichtlicher verwaltet werden können; wenn
man sie leichter und in mehr Situationen einer größeren Zahl von Personen und vor
allem den richtigen Personen verfügbar machen kann. Das sind neue und bessere
Formen der Archivierung und des Retrievals, aber längst kein Wissensmanagement.
Klar zeigt sich das im Internet, das zwar riesige Dokumentenberge enthält, aber ganz
entschieden kein System von Wissen ist. Dabei ist das Retrievalproblem, also das Fin-
den von Dokumenten für den, der etwas sucht, nicht nur nicht gelöst, sondern es wird
mit dem Wachstum des Internets ständig schwieriger. Auch die leistungsfähigsten
Suchmaschinen finden längst nicht alles; aber selbst mit den vergleichsweise geringen
Suchleistungen bekommt man typischerweise zehn- oder hunderttausende von Such-
ergebnissen. Was soll man mit ihnen aber wirklich anfangen? Man kann sie nicht
einmal auf Relevanz prüfen, ganz zu schweigen davon, dass man auch nur Bruchteile
ihres Inhaltes in irgendeinem vernünftigen Sinne wissen könnte. Hier von Wissens-
management zu reden, ist schierer Unfug.
Wissen ist etwas, was beim derzeitigen Stand gar nichts mit Computern und IT zu tun
hat, sondern mit Gehirnen und mehr noch mit Verstand und Vernunft. Wissen ist
etwas, was seinen Ort – salopp formuliert – zwischen zwei Ohren hat und nicht zwi-
schen zwei Modems.
Die Wissenschaften, die sich am intensivsten mit dem befasst haben, was man am
ehesten als Wissensmanagement bezeichnen könnte, werden in der Diskussion über
Wissensmanagement am wenigsten, ja überhaupt nicht beachtet. Sie verwenden
notabene diesen Begriff gar nicht. Es sind die Pädagogik, die Lern- und Kognitions-
psychologie, die Neurowissenschaften, die Kybernetik und Teile der Philosophie.
Wenn man also fündig werden wollte, müsste man auf deren Ergebnisse abstellen und
diese weiterentwickeln. Stattdessen wird, das ist typisch für so vieles, was sich im
Management breit macht, auf naive Weise bei Null begonnen – und meistens bleibt
man dort auch stecken, oder man münzt einfach die Begriffe um und spricht statt von
Daten und Information nun von Wissen. Damit ist nichts gewonnen.
Wie verändern Menschen ihr Wissen? Man kann lernen und lehren, verstehen und be-
greifen, vermitteln und aufnehmen, vergessen und erinnern. Das alles hat mit Wissen
zu tun. Man kann vor allem denken, das dürfte wohl der wichtigste Teil von Wis-
sensmanagement sein, nachdenken und manchmal vielleicht auch vordenken, und
Große Aufgaben für die Personalentwicklung 9
hoffentlich denkt man richtig – im Sinne des logischen Schließens nämlich. Das alles
sind Elemente des Umgangs mit Wissen. Dazu kommt wohl auch noch das Sinnen
und Erkennen, das Forschen, Entdecken und Erfinden – und das kann, vielleicht und
hoffentlich, noch viel besser als bisher gemacht werden.
Man kann zu all dem „managen“ sagen, womit ungefähr so viel gewonnen ist, wie
wenn man das Kochen als „Food Management“ bezeichnet, die Aufführung einer
Beethoven-Symphonie als „Sound Management“ und die Malerei Monets oder
Cézannes als „Pinsel-Management“.
Man beginnt also schon mit der falschen Problemstellung, denn Wissen als solches
kann man nicht managen. Niemand hat das klarer gesehen als der Mann, der als erster
die Bedeutung von Wissen für die moderne Gesellschaft erkannt hat, der die Begriffe
der „Knowledge Society“ und des „Knowledge Workers“ geprägt hat. Es war Profes-
sor Peter F. Drucker, und er hat es nicht im Kontext der New Economy und der IT-
Euphorie getan, sondern bereits 1969 (!) in seinem Buch „The Age of Discontinuity“.
Bis heute findet sich bezeichnenderweise in keiner seiner Schriften der Begriff „Know-
ledge Management“, weil Drucker wusste, dass man Wissen nicht in einem vernünfti-
gen Wortsinn managen kann.
Was man managen kann und muss, ist nicht Wissen, sondern erstens das Arbeiten mit
Wissen und zweitens die Personen, die das tun, nämlich die Wissensarbeiter. Wissen,
Wissensarbeit und Wissensarbeiter sind nicht dasselbe. Management in diesem Zu-
sammenhang kann überhaupt erst vernünftig eingesetzt werden und zu Resultaten
führen, wenn man das sauber unterscheidet.
Wissen ist – hier besteht Konsens – die wichtigste Ressource einer entwickelten Wirt-
schaft und für manche Branchen ist es schon heute die einzige. Wem es gelingt, über
Daten-, Informations- und Dokumentenmanagement hinauszukommen, wird einen
kaum zu parierenden Konkurrenzvorteil haben. Dazu muss man Wissen produktiv ma-
chen. Das gelingt aber nicht durch Zauberformeln, sondern es kann nur gelingen durch
das Management der Wissensarbeit und des Wissens- oder besser Kopfarbeiters.
Ich trete nicht für blinden Dogmatismus ein. Jede Institution muss immer wieder prü-
fen, ob ihr Managementwissen richtig ist, ob es Neues und Besseres gibt, was andere
tun, woran sich Konkurrenten orientieren und was in der Wissenschaft geschieht. Man
muss prüfen, was andere Ansätze leisten können und wo sie allenfalls aufgegriffen
werden sollen. Das ist selbstverständliche Aufgabe der Spezialisten im Personal-
wesen, der Führungskräfteentwicklung und in den Ausbildungsabteilungen. Aber es
kann nicht angehen, dass jeder Manager sich aus der „Speisekarte“ der internationalen
Angebote sein privates „Menü“ zusammenstellt.
Keine Organisation kann funktionieren, wenn jeder eine andere Vorstellung über
Management hat. Man sollte meinen, das liege auf der Hand. Tatsächlich ist genau das
die Realität in den meisten Unternehmen. Ich habe den Gedanken der unabdingbaren
Einheit des Managementdenkens noch in keinem Buch über Corporate Culture oder
Wissensmanagement gesehen. Es wird zwar viel über „Shared Knowledge“ geredet,
aber es wird nicht gesagt, welches Wissen gemeint ist.
Viele Mitarbeiter sind überhaupt nicht in Management ausgebildet, weil man glaubt,
dass sie diese Kenntnisse nicht brauchen. Das an sich ist schon ein Fehler. Viele sind
schlecht und falsch ausgebildet. Nur wenige Unternehmen haben begriffen, dass sämt-
liche Mitarbeiter, gleichgültig welcher Funktion und Stufe, dieselbe Auffassung über
Management haben müssen, damit die Organisation überhaupt funktionieren kann,
fehlerrobust und belastbar ist, damit sie produktiv sein und vielleicht sogar perfekt
funktionieren kann, und – noch wichtiger – damit sie im außergewöhnlichen Falle der
Krise oder der einmaligen Chance richtig, diskussionsfrei und schnell handeln kann.
Managementausbildung muss alle Personen umfassen, die Chef sind, und alle, die
einen Chef haben – somit also: alle –, und es muss dasselbe gelehrt werden. Das heißt
nicht, dass alle denselben Stoff in derselben Intensität zu lernen haben. Die Grundele-
mente, die innere Logik und die wichtigsten Prinzipien müssen aber für alle gleich
sein, und jeder muss wissen, dass das für jeden verbindlich ist. Stufengerecht müssen
Umfang und Intensität dann unterschiedlich sein, nicht aber die Inhalte. Dieses ge-
meinsame Managementwissen ist zumindest so wichtig für die Kultur wie gemeinsa-
me Werte – zumal gerade das einer der wichtigsten Wege ist, auf dem Werte vermittelt
werden. Es ist aber, nochmals, nicht nur eine Frage der Kultur und somit, wie manche
Shareholder-Apostel abwertend meinen, des Softbereiches von Unternehmen. Es ist
zwingende Voraussetzung für gutes Funktionieren schlechthin.
5. Menschengerechte Organisation
Ein weiteres großes Feld der Personalentwicklung wird die Gestaltung von Organisatio-
nen sein. Wie schon erwähnt, sind die meisten Organisationen bezüglich der Effektivität
von Menschen in Wahrheit Be- und Verhinderungsmaschinerien. Wenn man absichtsvoll
etwas für die Behinderung von Menschen hätte erfinden wollen, so wären die heutigen
Organisationsformen und insbesondere die Matrixorganisation das Ergebnis gewesen.
Die Organisationsverantwortung wird von dort, wohin sie in den letzten zwei Jahrzehn-
ten gewandert ist – nämlich zur Informatik – zurückgeholt werden müssen in den Ver-
Große Aufgaben für die Personalentwicklung 11
6. Karrieregestaltung
Der nächste Beitrag, den das Personalmanagement zu leisten hat, bezieht sich auf die
Karrieren. Es wird die Frage zu stellen sein, was „Karrieren“ überhaupt in Zukunft
bedeuten werden, wie sie aussehen, wohin sie führen und wie sie zu gestalten sein
werden. Sicher scheint mir, dass sie ganz anders sein werden als die bisherigen Kar-
rieren. Wenn das stimmt, bedeutet es auch, dass Personalentscheidungen in ihrem
ganzen Spektrum – Auswahl, Entwicklung, Beförderung, Versetzung, Rückstufung
von Mitarbeitern und die Trennung von ihnen – nach völlig anderen Gesichtspunkten
zu treffen sein werden.
Das beginnt schon mit der Grundausbildung und den damit verbundenen Hoffnungen
und Erwartungen. Für meine Generation war ein Hochschulstudium fast eine Garantie
auf das, was man landläufig eine Karriere nennt. Für die jungen Menschen von heute
wird ein Studium nur noch eine elementare Voraussetzung dafür sein, überhaupt einen
Job zu bekommen.
Man ist gut beraten, bereits jetzt damit zu beginnen, den jungen Menschen, die auf
Grund ihrer Ausbildung und Erziehung noch immer die inzwischen obsoleten Karriere-
erwartungen haben, zu sagen, dass diese Erwartungen nicht erfüllt werden können.
Diese Einsicht wird für viele ein Schock sein und zunächst eine Phase der Orientie-
rungslosigkeit auslösen. Die meisten haben das alte Grundmodell im Kopf: „Wer nicht
alle drei Jahre befördert wird, ist ein Versager ...“ Aber wohin soll man die Leute beför-
dern, wenn die Hierarchien abgebaut und die Organisationen flach werden? „Karrie-
re“ wird nicht mehr „nach oben“ heißen können; sie wird vor allem darin zu sehen
sein, einen größeren – nicht höheren – Job zu haben, vielleicht auch eine interessante-
re und wichtigere Aufgabe, aber nicht eine rangmäßig übergeordnete.
Man wird den jungen Leuten klar machen müssen, dass es schon ein großes Privileg
ist und ebenfalls Karriere und Erfolg bedeutet, wenn man eine große und interessante
Aufgabe hat.
Laufbahngestaltung wird auch mit Lebensgestaltung verbunden sein müssen. Sie wird
nicht um die Frage herumkommen, worin der Sinn einer beruflichen Tätigkeit liegen
kann, der Sinn einer Karriere und letztlich – auch wenn es etwas pathetisch klingt –
der Sinn eines Lebens. Ich begrüße diese Entwicklung nicht, aber ich fürchte, dass es
den Führungskräften, insbesondere jenen des Personalmanagements, nicht erspart
bleiben wird, zu diesen Fragen Stellung zu beziehen – und zwar kompetent. Die meis-
ten Unternehmen werden auf diesem Gebiet noch lange nicht besonders gut sein. Aber
je mehr die bisherigen sinngebenden – oder besser, sinnermöglichenden – Institutio-
nen versagen und an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft einbüßen, desto mehr
wird die Wirtschaft zwangsläufig das Vakuum füllen müssen, wenn sie es nicht ande-
ren obskuren und nicht kontrollierbaren Organisationen überlassen will. Man stößt
damit auf den Urgrund menschlicher Motivation überhaupt, und man wird einsehen
müssen, dass alle bisherigen Motivationstheorien – wie ich glaube, beweisbar – falsch
sind.
Große Aufgaben für die Personalentwicklung 13
bereitzustellen; aber er frage sich noch immer, woher die Amerikaner eine so große
Zahl von so ausgezeichneten Offizieren in so kurzer Zeit für den Einsatz zur Verfü-
gung hatten.
Die Lösung der Frage, woher die tausenden von Kommandanten kamen, die eine
Streitmacht von zuletzt über zehn Millionen Männern und Frauen führten, ist einfach:
aus den Militärakademien, in denen sie ausgebildet und vorbereitet wurden, und aus
den Trainingscamps, die im Zuge der durch Pearl Harbour initiierten Mobilisierung
eingerichtet wurden.
Was auf dem Gebiet der militärischen Führung gelungen ist, kann auch auf jenem der
zivilen Führung gelingen. Viele Inhalte und Methoden werden verschieden sein, man-
che Prinzipien mögen Ähnlichkeiten aufweisen. Die Notwendigkeit als solche ist hier
wie dort gegeben.
Jede Gesellschaft braucht für die erfolgreiche, friedliche und den Menschen gemäße
Bewältigung der vor sich gehenden Transformation eine sehr große Zahl kompetenter,
wirksamer und verantwortender Führungskräfte. Nicht nur Ingenieure werden ge-
braucht, sondern Ingenieure, die managen können; nicht nur Naturwissenschaftler,
sondern solche, die sich und andere führen können; nicht nur Betriebswirtschafter,
sondern solche, die ihr Wissen und jenes anderer durch Management in Nutzen um-
wandeln können. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern für alle Organisatio-
nen, und nicht nur für die obersten Ebenen, sondern für alle, auf denen sich Führungs-
aufgaben stellen.
Investitionen in Management und in Managementkompetenz können wir heute zwar
noch nicht rechnen, aber sie werden die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von
Organisationen, Branchen, Ländern und Wirtschaftsblöcken mehr als je zuvor bestim-
men. Sie werden ausschlaggebend sein für den Wohlstand, die Beseitigung von Armut
und Elend und die Korrektur der ökologischen Schäden; und sie werden entscheidend
sein dafür, ob die junge Generation eine Zukunft hat und wie sie aussehen wird. Auf-
gabe und Verantwortung dafür liegen größtenteils, ja fast ausschließlich beim Perso-
nalmanagement.
Strategiekompetenz als Schlüsselqualifikation
des Managements – eine empirische Analyse
der Top-600-Unternehmen der deutschen
Wirtschaft
Hans-Christian Riekhof/Julian Voss
und ungeordneter ein Markt ist.6 Die Forschung zur strategischen Führung unterstellt
dem Top-Management gleichzeitig eine zentrale Rolle bei der Unternehmenswick-
lung: Manager tragen die Gesamtverantwortung für Unternehmen, initiieren strategi-
sche Veränderungen und planen Aktionen zur Umsetzung bzw. Implementierung von
Strategien. Führungskräfte beeinflussen maßgeblich den Erfolg des strategischen
Managements und können Unternehmen zukunftsweisend positionieren. Der Ent-
wicklung der strategischen Kompetenz von Führungskräften ist somit ein exponierter
Stellenwert einzuräumen.
Strategiekompetenz beschreibt einen Mix aus Kompetenzen, der Führungskräfte
befähigt,
• alle Teilprozesse des strategischen Managements zu beherrschen und damit
anspruchsvolle, marktgerechte Strategien zu entwickeln und zu formulieren;
• erfolgreich den Gesamtprozess der Strategieentwicklung zu steuern;
• strategische Konzepte hinsichtlich ihrer Qualität und auch ihrer Umsetzbarkeit zu
bewerten;
• strategische Konzepte mit Hilfe entsprechender Programme wirksam umzusetzen und
• die erfolgreiche Umsetzung mit geeigneten strategischen Messlatten zu kontrollieren.
Der Personal- bzw. Managemententwicklung wird folglich die Aufgabe zuteil, Strate-
giekompetenz zu entwickeln. Damit trägt sie gleichzeitig maßgeblich zur Wettbe-
werbsfähigkeit von Unternehmen bei.
Ein strategisches Management Development ist die Gesamtheit aller Maßnahmen zur
Entwicklung des Managements mit dem Ziel, den strategischen Erfolg von Unterneh-
men durch den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile und den strategiegerechten
Ressourceneinsatz zu unterstützen sowie die Anpassungsfähigkeit von Organisationen
in einem sich rasant wandelnden Unternehmensumfeld zu sichern. Dabei wird pro-
aktiv auf die heute und zukünftig erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen
unter strategischen Aspekten gestalterisch Einfluss genommen.
Es liegt auf der Hand, dass strategisches Management Development eng mit dem Pro-
zess der strategischen Führung verknüpft sein muss. Aus diesen grundsätzlichen
Überlegungen ergeben sich in Hinblick auf die empirische Analyse acht wesentliche
Forschungsfragen und entsprechende Hypothesen.
These 1: Um die Realisierungsmöglichkeit von Unternehmensstrategien sicherzustel-
len, berücksichtigen Unternehmen bei der Formulierung von Strategien die Kompe-
tenzen der Mitarbeiter.
Die These zielt auf den Zusammenhang zwischen der Unternehmensstrategie und der
wichtigsten Ressource eines Unternehmens, nämlich den Mitarbeitern: Stellen Unter-
nehmen einen expliziten Zusammenhang zwischen den Fähigkeiten der Belegschaft
und den Wettbewerbsvorteilen eines Unternehmens her? Wird in der Praxis der Mitar-
beiterentwicklungsbedarf aus den strategischen Erfordernissen und Aufgabenstellun-
gen abgeleitet?
18 Hans-Christian Riekhof/Julian Voss
Finanzen/Versicherung Handel
18 % 12 %
Dienstleistung
27 %
Industrie
43 %
Die Interviewpartner haben zu 62 % die Leitung der Human-Ressourcen bzw. der Per-
sonalentwicklung und zu 26 % Referentenpositionen in den genannten Bereichen
inne. Den Leitern der Personalbereiche ist zu unterstellen, dass ihr Expertenwissen
und ihre Kenntnisse interner Abläufe ausreichen, qualifizierte Auskünfte im Sinne des
Forschungsziels der Arbeit zu geben. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Rücklauf im
statistischen Sinne sicherlich nicht repräsentativ ist, die Ergebnisse der Befragung
aber gleichwohl eine gute Aussagekraft haben.
0,5
0,428974359
0,4
0,338009768
0,3
0,233015873
0,2
0,1
0
der Strategie der Beherrschung dispositivem Geschick im
operativer Prozesse Tagesgeschäft
5,240963855
5
4,785714286 4,738095238
4,416666667
4,261904762
3
Planung und Einhaltung operativer Budgets
Ausarbeitung strategischer Unternehmenspläne
Aktionsprogramme zur Strategieumsetzung
Kommunikation der Strategie
Strategisches Reporting
Abbildung 3: Vergleich des Stellenwerts operativer und strategischer Aufgaben auf einer
Skala von 6 (hoher Stellenwert) bis 1 (geringer Stellenwert)
22 Hans-Christian Riekhof/Julian Voss
0,8
67 %
0,6
0,4
28 %
0,2
5%
0
Zustimmung Neutral Ablehnung
0,6
48 %
38 %
0,4
0,2
14 %
0
Zustimmung Neutral Ablehnung
ihrem Hause die Aufgabe hat, bei dem Aufbau strategischer Erfolgspositionen mit-
zuwirken. Dieses Antwortverhalten erscheint jedoch als Lippenbekenntnis der HR-
Manager. Denn die Priorität von Maßnahmen in der Managemententwicklung richtet
sich bei über 50 % der Unternehmen kaum oder gar nicht nach den strategischen
Zielen (vgl. Abbildung 6). Hier werden inkonsequente Vorgehensweisen sichtbar.
Wunsch und Wirklichkeit scheinen deutlich voneinander abzuweichen.
Es kann als Zwischenfazit festgehalten werden. dass Unternehmen erkennen, dass
ihre Unternehmensstrategie bestimmte Kompetenzen bzw. Fähigkeiten des Manage-
ments voraussetzt und diese aus nur einer explizit formulierten Strategie abgeleitet
werden können. Jedoch: Die Kompetenzen und Fähigkeiten von Mitarbeitern und
Führungskräften werden im Prozess der Strategieentwicklung kaum berücksichtigt.
Die tatsächliche Unterstützung der Human-Ressourcen für die Unternehmensstrategie
muss somit durchaus differenziert betrachtet werden.
Die Diskussion dieser Erkenntnisse in Experteninterviews führte zu keiner Relativie-
rung der Sachlage. Die interviewten Personalentwickler gaben zu erkennen, dass die
Personalentwicklungsprozesse in den meisten Unternehmen im Sinne einer strategi-
schen Orientierung oftmals nicht abgestimmt sind. Zwei wesentliche Gründe hierfür
sind, dass der HR-Bereich in vielen Unternehmen keinen besonders hohen Stellenwert
hat und vom Top-Management selten als besonders „wertvoll“ angesehen wird. Als
zweiten Aspekt attestieren die interviewten Personalmanager, die zweifelsohne aus
Best-Practise-Unternehmen im Sinne der Problemstellung dieser Arbeit stammen,
ihren Berufskollegen zu wenig Standfestigkeit und vermissen die „Einmischung“
bzw. Einbeziehung in den Prozess der strategischen Unternehmensführung.
24 Hans-Christian Riekhof/Julian Voss
0,6
48 %
43 %
0,4
0,2
8%
0
Zustimmung Neutral Ablehnung
0,6
52 %
0,4
32 %
0,2
15 %
0
Zustimmung Neutral Ablehnung
1 1
1
0,8
0,6
0,32
0,4
0,2
0
fachliche Kompetenz soziale Kompetenz strategische Kompetenz
Nur in einem Viertel der befragten Unternehmen richten sich die Aktivitäten vor-
nehmlich auf die Entwicklung strategischer Kompetenz, 73 % der Inhalte der Mana-
gemententwicklung fördern die klassischen Kompetenzbereiche (vgl. Abbildung 10).
Die konkrete Beurteilung der Programme zu strategischen Planungs- und Analyse-
tools sowie zu den Hebeln zur Umsetzung von Strategien führt zu der Erkenntnis, dass
4,3
4,07
4,0
3,93
3,87
3,83
3,8
3,5
3,3
3,08
3,0
< 1.500 1.500 – 4.999 5.000 – 9.999 > 10.000 Top-600
diese Instrumente nicht regelmäßig trainiert werden. Fast zwei Drittel der Unterneh-
men verzichten darauf, den Umgang mit strategischen Planungs- und Analysetools in
der Managemententwicklung zu verankern (auch bei dieser Frage zeigen kleine
Unternehmen bei der strategieorientierten Ausrichtung der Personalentwicklung er-
heblichen Handlungsbedarf).
Die Hebel zur Umsetzung von Strategien werden in 70 % der Unternehmen nie oder
selten trainiert, obwohl viele Strategien gerade in der Umsetzungsphase scheitern und
obwohl es wirksame und bewährte Werkzeuge zur Strategieumsetzung gibt. Nur 15 %
der befragten Personalverantwortlichen können angeben, dass in ihrem Tätigkeitsbe-
reich das Management mehrmals jährlich an Seminaren zur Entwicklung von Strate-
giekompetenz teilnimmt (vgl. Abbildung 11). Je konkreter die Frage also gestellt
wird, desto deutlicher wird es, wie wenig verzahnt strategische Unternehmensführung
und Managemententwicklung wirklich sind.
0,5
42 %
0,4
31 %
0,3
27 %
0,2
0,1
0
fachliche Kompetenz soziale Kompetenz strategische Kompetenz
Abbildung 10: Die Aktivitäten der Managemententwicklung richten sich vornehmlich auf …
28 Hans-Christian Riekhof/Julian Voss
gischen Fähigkeiten der Führungskräfte werden als eher mittelmäßig eingestuft, und
die Kompetenzen deutscher Führungskräfte gleichen eher dem Profil des operativen
Managers als dem des strategieorientierten Leaders.
Unternehmen sollten jedoch erkennen, dass Strategiekompetenz eine wesentliche
Qualifikation für ihre Führungskräfte ist, da diese die Basis für Strategieinnovationen
und ein maßgeblicher Faktor für den Erfolg strategischer Unternehmensführung ist.
Das Top-Management muss hierfür sensibilisiert werden und erkennen, dass der Wett-
bewerb nicht auf der Ebene von brillant formulierten Strategien stattfindet, sondern
dass es auf die erfolgreiche Umsetzung der Strategie ankommt. Das neue Terrain, auf
dem sich der Wettbewerb abspielt, heißt „Aufbau von Umsetzungsarchitekturen“.
Strategische Kompetenzen und eine strategieorientierte Management-Entwicklung
können hierfür einen wesentlichen Beitrag leisten.
0,6
50 %
0,4
35 %
0,2
15 %
0
Zustimmung Neutral Ablehnung
Anmerkungen
1 Vgl. Egon Zehnder International (2004), S. 5 f.
2 Vgl. Steinmann/Schreyögg (2005), S. 125 f. oder Riedl (1995), S. 1.
3 Vgl. Kammel (2000), S. 13 ff. oder Riekhof (1989), S. 49 ff.
4 Vgl. Lentz (2004), S. 68 ff. oder Katzensteiner (2003)
5 Vgl. Riedel (1995), S. 102.
6 Vgl. Waldmann et al. (2001)
7 http://www.welt.de/extra/service/740166.html
Literatur
Egon Zehnder International (2004). Risiko und Unsicherheit – Management in Zeiten des Um-
bruchs. Prioritäten und Herausforderungen internationaler Top Executives, Düsseldorf 2004
Kammel, A. (2000). Strategischer Wandel und Management Development: integriertes Konzept,
theoretische Grundlagen und praktische Lösungsansätze, Frankfurt/Main et al. 2000
Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2006). Strategien (endlich) umsetzen, in: Harvard Business manager,
28. Jahrgang 2006, Ausgabe 01/2006, S. 33–35
Katzensteiner, T. (2003). Deutsche Manager: Hoch qualifiziert, aber strategisch schwach,
http://www.wiwo.de/pswiwo/fn/ww2/sfn/buildww/id/127/id/32140/ (28.08.2005)
Lentz, B. (2004). Mangelnder Mut, in: Das Capital. Das deutsche Wirtschaftsmagazin, 43. Jg. 2004,
Nr. 16, S. 68–70
Riedl, J. (1995). Strategie und Personal: Ansätze zur Personalorientierung der strategischen Unter-
nehmensführung, Wiesbaden 1995
Riekhof, H.-C. (1989). Strategierorientierte Personalentwicklung, in: Riekhof, H.-C. (Hrsg.), Stra-
tegien der Personalentwicklung, 2. Auflage, Wiesbaden 1989, S. 49–75
Riekhof, H.-C./Offermann, L. (2006). Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien, in:
Riekhof, H.-C. (Hrsg.), Strategien der Personalentwicklung, 6. Auflage, Wiesbaden 2006, S. 31–55
Steinmann, H./Schreyögg, G. (2005). Management: Grundlagen der Unternehmensführung; Kon-
zepte – Funktionen – Fallstudien, 6. Auflage, Wiesbaden 2005
Waldmann, D. A./Ramirez, G. G./House, R. J./Puranam, P. (2001). Does leadership matter? CEO
leadership attributes and profitability under conditions of perceived and environmental uncer-
tainty, in: Academy of Management Journal, 44. Jg. 2001, Nr. 1, S. 134–143
Hebel zur wirksamen Implementierung
von Strategien
Hans-Christian Riekhof/Lena Offermann
Einer Studie von 1999 zufolge werden nahezu 70 % der strategischen Pläne und Strate-
gien niemals erfolgreich implementiert.2 Andere Zahlen gehen sogar davon aus, dass
90 % der Strategien nicht die gewünschten Ergebnisse hervorbringen.3 In Gesprächen
mit Führungskräften in Deutschland bestätigt sich dieser Eindruck: Die wirksame Um-
setzung von Strategien zählen nur wenige Unternehmen zu ihren eigentlichen Stärken.
Andererseits gibt es auch Unternehmen, denen es gelingt, strategische Konzepte sehr
konsequent zu realisieren. Wo liegen die Ursachen für derartige Unterschiede?
Wenden wir uns zunächst dem Bereich der Wissenschaft und Forschung zu. Beim
Blick in die Literatur zur strategischen Planung und zum strategischen Management
wird schnell deutlich, dass dieses Thema sowohl in der Wissenschaft als auch in der
Praxis einen hohen Stellenwert einnimmt. Das strategische Management ist zu einem
Für den Erfolg der Strategieumsetzung ist daher die frühzeitige Integration der Imple-
mentierungsüberlegungen in den Planungsprozess wichtig. So kann die strategische
Planung schon frühzeitig mit der Umsetzbarkeit in der Praxis konfrontiert und der ge-
samte Prozess beschleunigt werden12, denn eine Strategie ist immer nur so gut, wie sie
sich als realisierbar erweist. Die Fähigkeit einer Organisation, eine Strategie über-
haupt zu verwirklichen, muss bereits bei der Strategieentwicklung und der Auswahl
strategischer Optionen Berücksichtigung finden.
Sowohl im Bereich der Lehre als auch im Rahmen der Managemententwicklung wur-
de das Thema bislang vernachlässigt. Als Bestandteil des strategischen Managements
scheint die Behandlung der Strategie-Implementierung oft nur aus Gründen der Voll-
ständigkeit aufgenommen worden zu sein, auch wenn sich die Bedeutung in neuen
Werken langsam erhöht.15 Wie wir noch sehen werden, stehen dabei aber in der Regel
nur ausgewählte Aspekte der Umsetzung im Vordergrund.
Die bestehende Literatur lässt erkennen, dass sich das Thema im englischsprachigen
Bereich hauptsächlich durch den praktischen Bedarf entwickelt hat, während in deutsch-
sprachigen Dissertationen eine viel stärkere Strukturierung und systematischere Be-
trachtung und Analyse vorzufinden ist. Eine Aufnahme dieser konzeptionellen Ansätze
in deutsche Lehrbücher oder Standardwerke erfolgt bislang allerdings erst langsam.
Bisherige Veröffentlichungen zum Thema Strategie-Implementierung umfassen
hauptsächlich Ausführungen zu den Bereichen Organisation, Personalmanagement,
Kommunikation, Unternehmenskultur, Budgetierung und Controlling, und zwar in
unterschiedlich ausführlicher Form. Besonders die Aspekte Organisationsgestaltung
und Personalmanagement sind Mittelpunkt nahezu aller betrachteten Ansätze.
Andererseits gibt es natürlich Ansätze aus dem Controlling, die von der Erfolgsmes-
sung her die Strategie-Umsetzung betrachten. Insbesondere durch die von Kaplan und
Norton18 in die Diskussion gebrachte Balanced Scorecard wurden wichtige Impulse
im Hinblick auf die Erfolgsmessung gegeben.
Die Verknüpfung der Strategie-Umsetzung mit dem Themenbereich des internen Mar-
ketings19 im Rahmen der Literatur zur Strategie-Implementierung hat bislang nicht
oder erst nur ansatzweise stattgefunden; mit der Behandlung interner Kommunika-
tionsfragen wird lediglich ein Teilbereich untersucht.
Als einer der Hauptgründe für die Vernachlässigung des Themas Implementierung in
der Praxis wird die Tatsache angesehen, dass Strategie-Umsetzung als nicht gleich-
wertig mit der Strategie-Entwicklung als Führungsaufgabe angesehen wird. Imple-
mentierung wird als taktische oder operative Aufgabe betrachtet und daher delegiert,
damit man sich den „größeren“ Aufgaben widmen kann. Dabei ist es eine der wichtig-
sten Führungsaufgaben überhaupt.21
Aber auch die Herausforderungen, die sich bei der Implementierung im Gegensatz zur
Strategie-Entwicklung ergeben, sind vielleicht ein Grund für die Vernachlässigung des
Themas: Manche Führungskräfte haben gar keine besonderen Kompetenzen ent-
wickelt, um Strategie umzusetzen, und sie sind auch nicht für diese Thematik sensibi-
lisiert. Sie kennen nicht das erforderliche „Werkzeug“, weil es beispielsweise nicht
explizites Thema im Rahmen der Managementausbildung war.
Vergleicht man die Phase der Strategie-Entwicklung mit der der Implementierung, so
wird deutlich, warum die Umsetzung oft als schwierigste Phase des strategischen
Managements bezeichnet wird. Während die Strategie-Entwicklung durch Anwen-
dung eines systematischen methodischen Instrumentariums weitgehend auf einer ra-
tionalen, geplanten, intellektuellen Ebene verläuft, ist der Umsetzungsprozess u. a.
auch durch emotionale Aspekte, durch Widerstände der Mitarbeiter oder durch schwie-
rige Personalfragen gekennzeichnet. Diese erschweren die Plan- und Steuerbarkeit.
Die Strategie-Entwicklung beansprucht meist nur wenige Wochen oder Monate an Ent-
wicklungszeit, demgegenüber erfordert die Umsetzung sehr viel mehr Zeit, Energie
und Geduld: Sie kann sich über Jahre hinziehen. Zudem verläuft der Prozess der Stra-
tegie-Entwicklung zumindest in seinen formalen Schritten in verschiedenen Unter-
nehmen ähnlich, während Umsetzungsprozesse viel eher unternehmensspezifischer
Natur sind: Die besonderen Gegebenheiten fließen in die konkrete Umsetzungsarbeit
ein. Außerdem sind an der Entwicklung von Strategien häufig nur Führungskräfte vor
allem der oberen Führungsebenen beteiligt, während die Umsetzung die aktive Mitar-
beit aller Führungskräfte und Mitarbeiter erfordert.22
Aus den empirischen Studien lassen sich vier Themengruppen ableiten, die die am
häufigsten genannten Problemfelder umfassen. Diese setzen sich aus den Bereichen
Implementierungsplanung, Personalmanagement, Organisationsstruktur und Kommu-
nikation zusammen.23
Unter Implementierungsplanung lassen sich zum einen Aspekte der zeitlichen und
finanziellen Planung fassen. Der Finanzbedarf fällt häufig höher aus als geplant; hier
liegt daher ein Problembereich der Implementierung. Zudem wird angeführt, dass die
Prioritäten der Verantwortlichen oft nicht bei der Implementierung liegen. Zum ande-
ren spielt die Operationalisierung der Strategie eine große Rolle. Dabei wurde im
Rahmen der Studien bemängelt, dass die Überführung der Strategie in konkrete Maß-
nahmen fehlgeschlagen ist. Mangelnde Konkretisierung, unklare Vergabe von Verant-
wortlichkeiten und ein unterschiedliches Verständnis der Strategie bei den Implemen-
tierenden wurden als Ursachen dafür angeführt.
Personalaspekte stellen die am häufigsten genannte Problemursache für das Scheitern
der Strategie-Implementierung dar. Dabei werden sowohl Ängste vor Veränderungen
36 Hans-Christian Riekhof/Lena Offermann
und Machtverlust als auch Widerstände und fehlende Strategieakzeptanz seitens der
Mitarbeiter genannt. Zudem fehlen Mitarbeitern Anreize einerseits und Schulungen
andererseits im Hinblick auf die Implementierungsaktivitäten. Ferner werden unzurei-
chende Führungsfähigkeiten sowie fehlende Anleitung und Unterstützung durch die
Führungskräfte als Barrieren angeführt. Politische Machtkämpfe und mangelnde
Unterstützung für die Strategie von Seiten aller Stakeholder bieten weiteres Konflikt-
potenzial.
Auch die Organisationsstruktur wird in den meisten Studien als mögliche Barriere der
Implementierung angesehen. Ein Aspekt ist die mangelnde Koordination und Abstim-
mung, vor allem bei bereichsübergreifenden Prozessen. Dies ist insbesondere bei
funktionalen Organisationsstrukturen problematisch. Zudem wird die bestehende,
meist vielstufige Organisationsform mit ihren Strukturen und Anweisungen als hem-
mend betrachtet.
Die Kommunikation ist ebenfalls eine häufige Problemursache in den betrachteten
Untersuchungen. Mangelnde Informations- und Kommunikationspolitik und eine
damit verbundene unzureichende Vermittlung der Strategieinhalte werden ebenso er-
wähnt wie inadäquate Informationssysteme zur Überwachung der Implementierung.
Abbildung 2: Woran scheitert die Implementierung? Eine Übersicht über empirische Forschungs-
ergebnisse
Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien 37
3.3 Zwischenfazit
Überraschend ist bei der Durchsicht der empirischen Forschung, dass bei den Schwie-
rigkeiten manche Bereiche eher stark betont werden, andere hingegen keine besonde-
re Aufmerksamkeit erhalten. Beispielsweise wird die Thematik der Erfolgsmessung
im Rahmen von Balanced Scorecards bislang im Zusammenhang mit den Studien zur
Implementierung nicht beleuchtet. Die neuere Literatur zur Balanced Scorecard hin-
gegen stellt den Bezug zu Fragen der Strategieumsetzung explizit her24, ohne aller-
dings die übrigen Hebel der Strategie-Umsetzung in der gleichen Intensität und Tiefe
zu erörtern.
Ferner wird der Bezug des Themas Strategie-Implementierung zu den betrieblichen
Prozessen der Ressourcenvergabe (z. B. Budgetierung und Kostenstellenplanung,
Unternehmensplanung, Personalplanung, Investitionsplanung) nicht bzw. nicht im er-
forderlichen Detaillierungsgrad betrachtet. Strategien, für die keine Ressourcen be-
reitgestellt werden, kann man schwerlich umsetzen.
Gleichwohl liefern diese Studien einige wichtige Hinweise, worauf bei der Strategie-
Implementierung geachtet werden muss. Diesem Thema widmet sich der folgende
Abschnitt. Hier geht es – positiv ausgedrückt – um die Erfolgsfaktoren der Strategie-
Umsetzung.
„An astonishing number of strategies fail because leaders don’t make a realistic
assessment of whether the organization can execute the plan.“25
Strategien sind nur so gut wie ihre Umsetzung. Eine der wichtigsten Aufgaben im
Rahmen der Strategie-Entwickung ist es daher, die Umsetzbarkeit strategischer Kon-
zepte abzuschätzen – ein Schritt, der in der Praxis allerdings zu selten getan wird.
Um zu prüfen, ob für die Umsetzung von Strategien in Unternehmen die ausreichen-
den Kapazitäten und Fähigkeiten vorhanden sind, müssen genau diese Anforderungen
schon im Vorfeld einer realistischen und kritischen Beurteilung unterzogen werden.
Die Umsetzbarkeit eines strategischen Konzeptes in der Praxis muss zum wichtigen
Prüfstein für die Qualität von strategischen Plänen gemacht werden.26 Ist eine Strate-
gie zur Zeit nicht realisierbar, sollte sie entweder schon vor der Umsetzung gestoppt
werden oder es sollten die dafür notwendigen Fähigkeiten aufgebaut werden.
Auch der Einsatz einer zweitbesten strategischen Alternative kann in einigen Fällen
zu einer besseren Umsetzung führen.27
Wird die Frage der Umsetzbarkeit von Strategien im Rahmen von Strategieprojekten
auf die Agenda gesetzt, so kann das sehr heilsame Wirkungen haben: Ein Dialog zwi-
schen oberen und den mittleren Führungsebenen über die Machbarkeit der Strategie,
über fehlende Voraussetzungen und Ressourcen etc. kann dazu führen, dass genau die
Schwierigkeiten antizipiert werden, die sonst das Scheitern verursacht hätten.
Eine weitere Problematik der Umsetzbarkeit der Strategie in operative Maßnahmen
besteht darin, dass die strategische Planung meist sehr abstrakt formuliert wird. Je
nach Ausgestaltung des Projektes handelt es sich um umfangreiche, in „Berater-
deutsch“ verfasste Präsentationen oder um von Stabsabteilungen fern der operativen
Wirklichkeit verfasste Papiere. Ein kritischer Blick auf das, was dort von internen
Stabsabteilungen oder externen Beratern formuliert wurde, erscheint also hilfreich.
Schon während der Strategie-Entwicklung muss beurteilt werden, inwieweit die ent-
wickelten Maßnahmen so formuliert sind, dass sie in die Praxis überführt werden kön-
nen. Die Strategie sollte so weit wie möglich konkretisiert werden. Vor allem sollten
für den Erfolg der Strategie kritische Abläufe des operativen Geschäftes berücksich-
tigt werden.28 Die Konzentration auf das Wesentliche und eine hohe Prägnanz der
Strategie für den Erfolg der Umsetzung unabdingbar.29 Parallel zur Prüfung der Um-
setzbarkeit der Strategie ist mit der Schaffung klarer Aktionsprogramme zu beginnen,
die die Grundlage für die Strategie-Implementierung darstellen.
Damit Mitarbeiter langfristig ausgerichtete Strategien umsetzen können, benötigen sie
eine genaue Übersetzung der Strategie in Aktionsprogramme. Die Strategie muss für
Mitarbeiter greifbar gemacht werden.30 Die Umsetzung einer Strategie scheitert oft
daran, dass die Ziele nicht gut genug in konkrete Einzelziele zerlegt und in Aktions-
programme umgesetzt werden und die Mitarbeiter sie daher nicht verstehen.31
Führungskräfte müssen also schon in der Strategie-Entwicklungsphase den Weg der
Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien 39
Strategien bleiben auch dann wirkungslos, wenn die erforderlichen Mittel nicht zur
Verfügung stehen. Die verantwortlichen organisatorischen Einheiten benötigen ein
entsprechendes Budget, um ihren Teil des strategischen Plans überhaupt umsetzen zu
können. Gerade dies ist natürlich ein heikler Aspekt, tangiert doch die Ressourcenver-
teilung auch Machtfragen im Unternehmen. Vermutlich ist dies auch der Grund dafür,
dass Ressourcenfragen bisweilen schlichtweg ausgeklammert bleiben.
Ein wichtiger Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien besteht daher in
der Budgetierung der zur Strategie-Umsetzung erforderlichen sachlichen, personellen
und finanziellen Ressourcen.36 Das Budget der strategiebedingten Aktivitäten lässt
sich dabei zumindest in der Darstellung vom Budget des Basisgeschäfts trennen. Bei
jeder Ressourcenzuteilung kann dann geprüft werden, ob die Ressourcen einen Bei-
trag zur Erreichung der strategischen Ziele leisten.37
Der Erfolg einer Strategie ist in hohem Maße davon abhängig, wie gut die Implemen-
tierungsverantwortlichen die Budgetierung mit den Anforderungen der Strategie ver-
binden. Begrenzte Budgets können den Implementierungsprozess verlangsamen oder
gar verhindern. Zu großzügige Budgets wiederum wirken sich negativ auf die finanzi-
elle Performance der Strategie und des gesamten Unternehmens aus. Der für die Im-
plementierung Verantwortliche muss daher sehr stark in den Budgetierungsprozess in-
volviert sein und die Budgets der am Prozess beteiligten Einheiten bewerten und über-
prüfen können.38
Auch diese Überlegungen mögen auf den ersten Blick plausibel und nachvollziehbar
sein. Entscheidend ist jedoch, ob in der Praxis der Prozess der Strategie-Entwicklung
40 Hans-Christian Riekhof/Lena Offermann
und -umsetzung mit den Prozessen der operativen Kostenplanung, der Investitionspla-
nung und der Personalplanung verknüpft ist. Dies dürfte in der Praxis weit seltener der
Fall sein, als man vielleicht vermutet. Die Implementierungsforschung sollte diesen
Aspekten zukünftig sehr detailliert nachgehen.
Relativ einfach gestaltet sich die Ressoucenplanung, wenn zusätzliche Ressourcen be-
reitgestellt werden können. Angesichts der wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen
ist daran aber nicht zu denken: Es wird eine Umverteilung knapper Ressourcen inner-
halb des Unternehmens unter strategischen Aspekten erforderlich; dies stellt eine der
großen Herausforderungen im Rahmen der Implementierung dar.39 Im Unternehmen
muss die Bereitschaft bestehen, konsequent Ressourcen von einem Bereich auf den
anderen zu verlagern, um neuen strategischen Prioritäten gerecht zu werden. Dies ist
oft eine hoch politische Aufgabe.40 Das Management muss daher aktiv ehemals strate-
gisch wichtige Bereiche dazu bringen, ihre Ressourcenforderungen zurückzuschrau-
ben und nicht erfolgsträchtige Projekte zu beenden. Wenn es allerdings gelingt, Res-
sourcenumschichtungen im Sinne der Strategie durchzusetzen, dann ist hier mit einer
entsprechenden Hebelwirkung zu rechnen – ganz abgesehen von der Signalwirkung,
die Ressourcenzuweisungen für die Organisation generell haben.
„What gets measured gets done.“ Diese viel zitierte Management-Weisheit bringt die
Problematik der Kontrolle bzw. der Steuerung des Geschäfts im Rahmen von Strate-
gie-Implementierungsprozessen auf den Punkt.
Während im operativen Controlling monetäre Größen wie Finanzkennzahlen und
Kostenentwicklungen im Vordergrund stehen, konzentriert sich das strategische Con-
trolling eher auf Ziele wie Marktwachstum und -anteile, Börsenwert und langfristige
Planungsziele wie Investitions- und Akquisitionsplanungen.46 Anders als das opera-
tive Controlling soll sich das strategisches Controlling nicht an vergangenheitsgerich-
teten Zahlen orientieren, sondern alle Maßnahmen zeitnah begleiten und überprüfen,
um daraus Anpassungsbedarf abzuleiten.47 Das strategische Controlling kann daher
als Steuerung und Überwachung des Strategieprozesses verstanden werden.48
42 Hans-Christian Riekhof/Lena Offermann
lanced Scorecards tatsächlich unterstützt werden können, ist sicherlich auch davon ab-
hängig, inwieweit Scorecards sinnvoll ausgestaltet und in konkrete Aktionsprogram-
me überführt werden. Zudem wird man die Komplexität der Scorecards deutlich be-
grenzen müssen.
Wie eingangs bereits angedeutet, dürfen die zahlreichen Argumente auf der sachlich-
inhaltlichen Ebene nicht darüber hinwegtäuschen, dass es letzten Endes Menschen
sind, die für die Umsetzung von Strategien verantwortlich sind. Sie entscheiden über
den Erfolg oder Misserfolg von Strategien.55 Die Erkenntnis setzt sich in der Praxis
zunehmend durch, dass Strategien zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie nicht mit
den vorhandenen und in Zukunft erforderlichen personellen Ressourcen abgestimmt
sind und wenn sie die Qualifikation und Motivation der Führungskräfte und Mitarbei-
ter nicht berücksichtigen.56 Wichtig ist also die Einbindung des Personalmanagements
in die Prozesse der Strategie-Entwicklung und -Implementierung.57
Dies mag zunächst wie eine Selbstverständlichkeit klingen. In der Praxis zeigt sich
jedoch, dass der Personalbereich selten im erforderlichen Umfang in Strategieent-
wicklungs- und -Umsetzungsprozesse einbezogen wird. Auch darf die Frage gestellt
werden, ob der Human-Resources-Bereich über ausgeprägte strategische Kompeten-
zen verfügt.58
Andererseits ist jedes Gespräch, das die Führungskraft formell oder informell mit dem
Mitarbeiter führt, verhaltenslenkend und damit ein wichtiger Faktor bei der Umset-
zung von Strategien.62 Besonders bei Implementierungsvorhaben ist es daher wichtig,
dass die Führungskraft neue Strategien mit Überzeugung kommuniziert.63 Gleich-
zeitig kommt es darauf an, den Mitarbeitern Wege zur Umsetzung von Strategien so
konkret wie möglich aufzuzeigen. Damit ergeben sich hier Verbindungen zu den
Überlegungen des Abschnitts 4.1, indem die Operationalisierung der Strategie im Mit-
telpunkt der Überlegungen stand – Information und Kommunikation sind die Wege,
um die Operationalisierung der Strategie in einem Unternehmen zu verankern.
Ein wichtiges Führungsthema ist natürlich auch die Motivation der Mitarbeiter. Eine
Aufgabe der Führungskräfte bei der Umsetzung von Strategien besteht darin, die
Widerstandsenergie der Mitarbeiter in einen Motivationsschub zu verwandeln.64
Ziele setzen und überprüfen ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument
der Führung. Hier ist an das klassische Führen durch Vereinbarung von Zielen im Sin-
ne von „Management by objectives“ zu denken.65 Strategische Programme müssen
ganz offensichtlich mit den in den meisten Unternehmen inzwischen etablierten Ziel-
vereinbarungsprozessen in Verbindung gebracht werden. Klare Zielvorgaben bieten
dem Mitarbeiter im Rahmen von Implementierungsvorhaben Transparenz und Orien-
tierung, da er absehen kann, mit welchen Handlungen die Erreichung der Strategie
unterstützt werden kann.66 Hier leistet im Übrigen in vielen Unternehmen auch die
erwähnte Balanced Scorecard einen wichtigen Beitrag zur Transparenz und Verbind-
lichkeit der strategischen Ziele.
In einigen Teilkonzernen des MAN-Konzern in München werden so genannte Strate-
gie-Steckbriefe eingesetzt, um die jeweilige Strategie auf den konkreten Verantwor-
tungsbereich eines Managers und seines Teams herunterzubrechen. Diese Steckbriefe
gehen über Balanced Scorecards weit hinaus, weil sie den Schwerpunkt nicht auf
quantitative Größen setzen, sondern die Verknüpfung von Aktionsprogrammen und
Messgrößen besonders betonen.
Strategiekonforme Anreizsysteme
Ein weiterer, ganz zentraler Hebel zur Motivation von Mitarbeitern und Führungskräf-
ten ist die Gestaltung der Anreizsysteme. Hier liegt also ein weiteres Aufgabenfeld des
Personalbereiches, die Strategieumsetzung wirksam zu unterstützen.
Häufig scheitern Strategien u. a. deshalb, weil die Anreizsysteme nicht auf die Strate-
gie abgestimmt sind: Sie belohnen eine kurzfristige Erfolgsorientierung des Manage-
ments, anstatt langfristiges, strategiekonformes Verhalten zu fördern. Es liegt auf der
Hand, dass aus derartigen Anreizen Fehlsteuerungen entstehen, die das Scheitern der
Strategie-Umsetzung zur Folge haben können.67 Ziel von Unternehmen sollte daher
sein, solche Systeme zu installieren, die Anreize für strategiekonformes Vorgehen von
Führungskräften und Mitarbeitern beinhalten.
Hier gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, ein solches Anreizsystem einzusetzen. Ein
Ansatz ist die Berechnung der Anreize auf Basis von Ergebnissen mehrerer Jahre.
Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien 45
Um die Fähigkeit des Managements zur Umsetzung von Strategien zu stärken, bieten
sich spezielle Seminare zum Handwerkszeug der Strategieumsetzung an, wie sie etwa
der MAN-Konzern seit mehreren Jahren für alle Führungskräfte unterhalb des Vor-
stands vorsieht. Diese Art von Seminaren gibt es bislang in Unternehmen allerdings
nur äußerst selten – auf diesem Gebiet ist Nachholbedarf zu diagnostizieren.
Nach der von Chandler 1962 veröffentlichten und seither viel diskutierten These
„structure follows strategy“ zieht eine Änderung der Strategie die Anpassung der
Organisationsstruktur nach sich. Diesen Zusammenhang erklärt Chandler damit, dass
die alte Organisationsstruktur mit Einführung neuer Strategien ineffizient wird.76
Die von Chandler aufgestellte Beziehung zwischen Strategie und Struktur wurde in
weiteren Studien zwar bestätigt, jedoch umgekehrt ebenso der Einfluss des Organisati-
onssystems auf die strategischen Optionen des Unternehmens festgestellt.77 Die Orga-
nisation stellt dabei das Umfeld dar, in das jede Strategie zu integrieren ist. Langjährige
Diskussionen zwischen den Anhängern dieser beiden Thesen lassen den Schluss zu,
dass Strategie und Organisation interagieren und sich gegenseitig beeinflussen.78
Obwohl weitgehend Einigkeit über diese grundsätzlichen Zusammenhänge besteht, ist
es schwer, eine für die Implementierung bestimmter Strategien optimale, allgemein
gültige Organisationsform zu bestimmen. Deshalb kann es leichter und zweckmäßiger
sein, sich den Widersprüchlichkeiten zwischen Strategie und Organisation zuzuwen-
den und sich so dieser Frage zu nähern.79
Stark zentralisierte Aufbauorganisationen mit tayloristischer Arbeitsteilung und die
Angst vor Macht- und Budgetverlust von Seiten der Führungsebenen werden oft als
Barrieren für die Umsetzung wettbewerbsfähiger Strategien angesehen. Vielstufige
Hierarchien, zu viel Bürokratie und Barrieren zwischen Abteilungen und Funktionen
stellen weitere grundsätzliche organisatorische Hindernisse dar.80 Durch die Wand-
lung der Unternehmensumwelt – kürzere Produktlebenszyklen, internationalere Märkte,
zunehmende Marktsättigung und Wettbewerbsdruck – ergeben sich zudem weitere
Herausforderungen für die Gestaltung von Organisationsstrukturen.81
Auch wenn viele Barrieren und Herausforderungen bestehen, lassen sich einige Aus-
sagen für die strategiegerechte Organisationsgestaltung treffen.82 Um hier gewisse
Erfolgsmuster zu identifizieren, soll im Folgenden ein Überblick über Organisations-
strukturen und deren Vor- und Nachteile im Hinblick auf die Strategie-Implementie-
rung gegeben werden.
Eine divisionale Organisation nach Produkten, Dienstleistungen, Märkten, Kunden-
gruppen oder geografischen Regionen wird beispielsweise meist eingesetzt, um die
Komplexität eines diversifizierten Unternehmens zu reduzieren. Dabei wird die Ver-
antwortung für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien auf die Divisionen
übertragen. Diese sind damit auch für den Erfolg von Strategien verantwortlich.83
Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien 47
Seit dem Auftauchen erster Arbeiten zum internen Marketing wurde das Thema vor
allem marketingintern diskutiert.94 Ein Bezug zu Fragen der Strategieumsetzung wur-
de jedoch noch nicht hergestellt.95 Das Konzept wurde zudem bislang noch sehr selten
in die Praxis umgesetzt. Es gibt eine große Zurückhaltung, die bei externen Kunden-
beziehungen etablierten und bewährten Methoden und Instrumente auf den internen
Bereich zu übertragen.96 Das ist insofern überraschend, als es im Rahmen der Strate-
Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien 49
5. Fazit
Damit sind die wesentlichen Hebel zur Umsetzung von Strategien beschrieben. Über
jeden einzelnen Hebel der Strategie-Implementierung ließe sich noch viel detaillierter
berichten. Und der Bedarf ist groß – die zu Beginn angesprochenen Misserfolgs-
quoten und die in den Studien aufgezeigten Problemfelder lassen dies erkennen. Die
Untersuchungen der Literatur im Rahmen dieser Arbeit zeigen allerdings, dass sich
bislang wenige diesem sehr komplexen Thema zugewendet haben.
Die in dem Beitrag genannten Gründe für die Vernachlässigung der Strategie-Imple-
mentierung in Literatur und Praxis sind zwar nachvollziehbar, sollten aber in Zukunft
50 Hans-Christian Riekhof/Lena Offermann
nicht mehr eine so unüberwindbare Barriere darstellen, sich mit dem Thema zu be-
schäftigen. „Arguably strategic management should achieve its very own paradigm
shift by moving from a 90 :10 concern with strategy formulation relative to imple-
mentation to at least 50:50 concern with each.“104
Dieses aus heutiger Sicht hochgesteckte Ziel sollte die Praxis konsequent verfolgen.
Dazu sollte das Feld Strategie-Implementierung vor allem in die Schulungsprogram-
me von Unternehmen aufgenommen werden, um Führungskräfte und Mitarbeiter
dafür zu sensibilisieren, zu mobilisieren und ihnen ein Handwerkszeug der Strategie-
Umsetzung zu vermitteln. Aber auch schon in Seminaren und Vorlesungen an den
Universitäten sollte sich der Schwerpunkt von der alleinigen Lehre der strategischen
Planung wegbewegen und das Thema Implementierung stärker in den Mittelpunkt
rücken. Nur durch die ständige Konfrontation mit dem Thema und durch die Vermitt-
lung eines entsprechenden Know-hows kann es sich in der Praxis durchsetzen und so
die Umsetzungsdynamik verbessern.
Letzten Endes wird für den Erfolg einer Strategie entscheidend sein, wie es Unterneh-
men gelingt, die beschriebenen Erfolgsfaktoren auf konkrete Projekte zu übertragen
und die einzelnen Hebel miteinander zu kombinieren. Gerade in der einseitigen Aus-
wahl und Bevorzugung mancher Hebel scheint eine große Gefahr zu liegen: Stabs-
leute bevorzugen ausführliche Power-Point-Präsentationen, Controller setzen auf
detaillierte Zahlengerüste, Unternehmensberater schlagen umfangreiche Reorganisa-
tionen vor, manche Top-Manager neigen dazu, erst einmal die wichtigsten Führungs-
kräfte auszuwechseln, andere Führungskräfte veranstalten einen großen kommunika-
tiven Aufwand, um für die Strategie zu werben. Hier zeigen sich Einseitigkeiten: Nur
der abgestimmte, ausgewogene Einsatz der Hebel verspricht letztlich Erfolg. Wenn
diese Herausforderungen bei der Implementierung von Strategien erfolgreich bewäl-
tigt werden, ist schon ein großer Schritt in Richtung einer erfolgreichen Umsetzung
getan. Hilfreich wäre es dabei, wenn das Thema Strategie-Implementierung sowohl in
der Theorie als auch in der Empirie zukünftig mehr Aufmerksamkeit erhalten würde.
Anmerkungen
1 Bossidy/Charan (2002), S. 5.
2 Vgl. Sterling (2003), S. 27, Studie von Corbuy & O’Corrbui, Management Accountants.
3 Vgl. Bigler (2001), S. 29.
4 Vgl. Mintzberg (1999), S. 20 ff., Hungenberg/Wulf (2003), S. 167 f.
5 Vgl. z. B. zum St. Gallener Management Navigator Müller-Stewens/Lechner (2001).
6 Vgl. Bea/Haas (2001), S. 88.
7 Welge (1996), S. 80
8 Vgl. dazu z. B. Doppler/Lauterburg (2002).
9 Vgl. Gattermayer/Al-Ani (2000), S. 13 f.
10 Vgl. Lombriser/Abplanalp (2004), S. 327, Bea/Haas (2001), S. 54.
11 Vgl. Kolks (1990), S. 90.
12 Vgl. Grimmeisen (1998), S. 9, Hinterhuber (1997), S. 202 f.
13 Vgl. Welge (1996), S. 80.
14 Vgl. hierzu z. B. die Dissertationen von Raps (2003), Kolks (1990), Tarlatt (2001), Daniel
(2001), Zeyer (1996), Hilker (1993), Krohmer (1999), Grimmeisen (1998), Lehner (1996),
Huber (1985), Reuter (1998).
Hebel zur wirksamen Implementierung von Strategien 51
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54 Hans-Christian Riekhof/Lena Offermann
Norbert Sack schildert in seinem Beitrag über das Management Appraisal in der von
Egon Zehnder durchgeführten Form, wie die Qualität von Führungskräften und Füh-
rungsteams analysiert und bewertet werden kann.
Dabei lassen sich Norbert Sack zufolge klare Korrelationen zwischen der Qualität der
Managementteams und den erzielten wirtschaftlichen Ergebnissen der betrachteten
Geschäftseinheiten feststellen. Selten werden so klare Zusammenhänge zwischen per-
sonalwirtschaftlichen Werkzeugen und Unternehmenserfolg präsentiert.
Management Appraisals sind dem Beitrag nach insbesondere sinnvoll
• im Rahmen von Mergers und Acquisitions,
• bei einem Strategiewechsel,
• im Rahmen der Nachfolge- und Entwicklungsplanung.
Das Management Audit dient Jochmann zufolge dazu, die wichtigsten Führungskräfte
eines Unternehmens oder eines Geschäftsbereiches hinsichtlich ihrer Stärken und
Schwächen zu analysieren. Dies geschieht in der Regel vor dem Hintergrund, dass die
Realisierbarkeit von Veränderungsprozessen wie zum Beispiel einer strategischen
Neuausrichtung oder einer Reorganisation überprüft werden muss. Während Assess-
ment-Center stärker auf die Ebene der individuellen Potenzialeinschätzung und der
Entwicklungsplanung ausgerichtet sind, zielen Management Audits unmittelbar auch
auf strategische und organisatorische Veränderungen, die auch flachere Hierarchien
und Personalabbau umfassen können.
In der Vorgehensweise zeigen sich naturgemäß Ähnlichkeiten zum Management
Appraisal, wie es von Egon Zehnder durchgeführt wird.
Managementqualität ermittelt. So haben wir etwa die Qualität der Führungsteams von
verschiedenen Business Units in einem Großkonzern mit den EBIT-Margins vergli-
chen, die diese Business Units jeweils erwirtschaften, und dabei festgestellt, dass
bereits ein leicht besseres Management-Team eine signifikant höhere EBIT-Marge er-
wirtschaften kann, wenn andere externe Faktoren als konstant vorausgesetzt werden.
Die Verbesserung der Kompetenz eines Führungsteams ist also nicht nur grundsätz-
lich gut für ein Unternehmen, sondern sie hat auch einen direkten Einfluss auf die be-
triebswirtschaftlichen Kennzahlen.
Um diese positive Korrelation sinnvoll nutzen zu können, ist die Fähigkeit, die Qua-
lität eines Management-Teams sowie die jeder einzelnen Führungskraft in diesem
Team strukturiert, möglichst genau, objektiv und faktenbasiert analysieren zu können,
eine zentrale Grundvoraussetzung. Die traditionelle Bewertung einer Führungskraft
durch den Vorgesetzten hat sich dabei oft als zu eindimensional und als zu stark von
persönlichen Vorzügen bzw. Abneigungen beeinflusst erwiesen. Auch die Beurteilun-
gen von Führungskräften durch ihre Mitarbeiter und Kollegen bilden sicher eine sinn-
Abbildung 1: Es besteht eine Korrelation zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg und der Manage-
ment Qualität
Das Management Appraisal 67
volle Erweiterung der Perspektive, scheinen aber für eine umfassende Evaluierung
nicht ausreichend; insbesondere nicht im Benchmarking zu anderen Unternehmen.
Gerade hier hat sich das Management Appraisal durch externe Berater als ein sinnvol-
les, ergänzendes Instrument zur Bewertung von Führungskräften und -strukturen eines
Unternehmens bewährt und etabliert.
Ganzheitlicher Beratungsansatz
Egon Zehnder International bietet seinen Klienten umfassende Unternehmensbera-
tung mit dem Fokus auf die Optimierung ihrer Führungsstrukturen an. Hierzu zählen
die Identifizierung und Gewinnung von Führungskräften für ein Unternehmen, der
klassische Executive Search sowie das Management Appraisal und Talent Manage-
ment. Dieses umfasst die systematische Evaluierung und Weiterentwicklung von
Führungskräften. Außerdem unterstützt Egon Zehnder International im Rahmen des
Board Consultings Unternehmen bei der Besetzung und Evaluierung von Aufsichts-
und Beiräten.
dern ergeben sich allein aus dem weltweit erzielten Ergebnis. Mit dieser Konstruktion
erreichen wir, dass alle an einem Projekt beteiligten Berater unabhängig von ihrem
geografischen Standort und möglichen Interessen bestimmter Büros gemeinsam und
objektiv an der Lösung eines spezifischen Klientenproblems arbeiten. Zur optimalen
Erfüllung ihrer Aufgaben müssen Egon Zehnder International-Berater deshalb von
ihrer persönlichen Grundeinstellung bereit sein, Klientenprobleme eindeutig über ihre
individuelle Ertragsoptimierung zu stellen.
Beraterqualifikation
In Auftreten und Argumentation müssen die Berater ihre Ansprechpartner in den Un-
ternehmensleitungen überzeugen. Sie sind häufig „Sparringspartner“ für Vorstands-
vorsitzende, Eigentümerunternehmer oder führende Personalverantwortliche, die ab-
solut fundierte, unabhängige Stellungnahmen erwarten. Dabei handelt es sich häufig
nicht nur um personalbezogene, sondern auch um übergeordnete Fragen der Unter-
nehmensführung. Alle Berater müssen zudem in der Lage sein, überwiegend inter-
nationale, über Länder-, Sprach- und Kulturgrenzen greifende Aufträge zu erfüllen. So
haben fast alle Egon Zehnder International-Consultants zwei Abschlüsse von Univer-
sitäten verschiedener Länder und mehrere Jahre eigene internationale Berufs- und
Führungserfahrung.
Merger/Restrukturierungen
Für die erfolgreiche Verschmelzung zweier Organisationen oder im Zusammenhang
mit einer größeren Restrukturierung ist es sinnvoll und hilfreich, im Rahmen eines
Management Appraisals einen Überblick über das dann verfügbare Führungspotenzial
zu gewinnen. Ziele eines Appraisals können dabei unter anderem sein:
• Bewertung des Managements eines zu übernehmenden Unternehmens
• Bewertung des Managements zweier fusionierender Unternehmen, möglicherweise
weltweit
• Bewertung des Managements im Zusammenhang einer größeren Restrukturierung
• Erfassung unterschiedlicher Unternehmenskulturen
• Ermittlung von Potenzialträgern
70 Norbert Sack
In diesen Situationen kann das Appraisal zum Beispiel so genutzt werden, dass ein Un-
ternehmen eine neue Soll-Organisationsstruktur definiert, auf deren Positionen sich die
vorhandenen Führungskräfte bewerben. Aus den Ergebnissen des Appraisals werden
dann entsprechende Besetzungsempfehlungen abgeleitet. Das Managment Appraisal
dient hier nicht nur einer Beschleunigung der Integration oder der Restrukturierung,
sondern sorgt zugleich für einen möglichst neutralen, unpolitischen Prozess, führt
somit zu objektiveren Ergebnissen und damit meist auch zu einer deutlich höheren
Akzeptanz für nicht selten einschneidende personalpolitische Entscheidungen.
Benchmarking/Due Diligence
Zunehmend häufiger stellt sich für das Top-Managment eines Unternehmens die Fra-
ge, wie die eigene Führungsmannschaft in einem Benchmarkingvergleich mit potenzi-
ellen Wettbewerbern, anderen vergleichbaren Unternehmen, aber auch Unternehmen
in besonders expandierenden Märkten abschneidet. Dieses externe Benchmarking
kann sich sowohl auf einzelne Positionen und somit einzelne Führungskräfte be-
ziehen, aber auch auf ein Management-Team insgesamt, sodass die aggregierten
Ergebnisse dazu genutzt werden können, für die Situation des Unternehmens generell
Rückschlüsse zu ziehen.
Strategiewechsel
Ein Management Appraisal kann sich auch als sinnvoll erweisen, wenn sich die Stra-
tegie eines Unternehmens, aber auch das Marktumfeld signifikant ändern. In diesem
Fall ist es notwendig, die vorhandenen Kompetenzen des existierenden Management-
Teams mit jenen für die Realisierung einer bestimmten neuen Strategie notwendigen
Soll-Kompetenzen abzugleichen. Somit kann frühzeitig erkannt werden, ob eine an-
gestrebte Strategie überhaupt realistisch ist und welche Maßnahmen konkret im Top-
Management-Development ergriffen werden müssen, um die Kompetenzen des
Management-Teams so zu entwickeln, dass diese Strategie in einem möglicherweise
sich ständig verändernden Umfeld erfolgreich umgesetzt werden kann. Die Ableitun-
gen aus einem solchen Appraisal können in einer systematischen Weiterentwicklung
der Kompetenzen einzelner Führungskräfte liegen, aber auch in der Verstärkung des
Management-Teams durch Talente von außen.
Nachfolgeplanung/Entwicklungsplan
In diesem Fall liegt der Nutzen eines Management Appraisals darin, dass es den Aus-
gangspunkt bzw. den Auftakt für eine systematische Weiterentwicklungsoffensive für
das Top-Management darstellt. Somit sind in diesem Fall Besetzungsfragen von einer
weniger zentralen Bedeutung. Der Fokus liegt vielmehr auf der Ermittlung von weiter-
führendem Potenzial bei den einzelnen Führungskräften und der Ableitung von Maß-
nahmen, um dieses Potenzial zu entwickeln. In der Folge kann ein konkreter Nachfolge-
plan für die einzelnen Top-Führungspositionen aufgestellt werden. Wichtig ist in diesem
Zusammenhang, dass bereits während des Appraisals im Unternehmen die notwendigen
Weichen zu einer nachhaltigen Institutionalisierung des Prozesses gestellt werden.
Das Management Appraisal 71
Oft ist der Anlass für ein Management Appraisal und damit auch der erwartete Nutzen
für die Organisation nicht nur einer dieser Gründe für sich allein, sondern eine Kom-
bination von mehreren. Entscheidend für den Erfolg dieses Instruments ist deshalb,
dass Berater und Klient sich bereits im Vorfeld über die Erwartungen an das Manage-
ment Appraisal und damit über die Zielsetzung klar werden, um das Projekt spezi-
fisch auf das oder die Ziele zuzuschneiden. In jedem Fall ist es wichtig, dass das
Management Appraisal als Teilschritt im Talent Management des jeweiligen Unter-
nehmens verstanden und dort eingebunden wird.
Abbildung 4: Ein Management Appraisal ist die zielgerichtete Analyse von Kompetenzen und
Potenzial
72 Norbert Sack
zen sind dabei so definiert, dass sie eine feine Differenzierung erlauben, sich in der
Charakterisierung nicht überschneiden und in ihrer Gesamtheit das von einer
Führungskraft erwartete Kompetenzprofil abdecken. Aus der Kompetenzanalyse wird
sodann ein „Benchmarking in derzeitiger Aufgabe“ abgeleitet. Dabei werden die
tatsächlich festgestellten Kompetenzen der Führungskraft mit dem Soll-Profil für die
eingenommene Position verglichen. Zugleich wird der Kandidat aber von Egon Zehn-
der International auch extern gebenchmarkt. Das heißt, dass die Berater untersuchen,
ob die betreffende Führungskraft im Rahmen eines Executive-Search-Projekts von
Egon Zehnder International für die eingenommene Position in Betracht gezogen wür-
de. Des Weiteren leitet sich aus der Kompetenzanalyse eine Einordnung in die „Poten-
zialmatrix“ ab, in welcher in der einen Dimension der Erfüllungsgrad in der heutigen
Aufgabe, in der anderen Dimension das Potenzial für weiterführende Aufgaben abge-
bildet wird.
Jede einzelne Kompetenz aus dem Kompetenzmodell von Egon Zehnder International
fächert sich in sieben Stufen auf, wobei jede einzelne Stufe durch mehrere explizite
und konkrete Verhaltensindikatoren definiert ist. Dies ist das Grundgerüst für eine
genaue Skalierung, die für das mittlere und das Top-Management angewandt werden
kann.
Für die verschiedenen Positionen bzw. für die Positionsgruppen, so genannte Job
Families wird sodann jeweils ein Soll-Profil definiert, mit dem das Ist-Profil der je-
weiligen Führungskräfte verglichen wird. Diese Methodik (Scaled Competencies)
ermöglicht es, im Rahmen von Besetzungsworkshops verschiedene personelle Kon-
stellationen anhand von Kompetenzvergleichen durchzuspielen.
Abbildung 5: Die Kompetenzanalyse ist die Grundlage für Benchmarking & Portfolioeinordnung
Das Management Appraisal 73
Abbildung 6: Jede Kompetenz ist über 7 Stufen definiert, die inhaltlich aufeinander aufbauen
Abbildung 7: Das Management Appraisal basiert auf einer Vielzahl vernetzter Schritte und Infor-
mationen
74 Norbert Sack
ständen auch der Betriebsrat – müssen ausführlich über den Ablauf und den Inhalt des
Management Appraisals informiert werden. Die Personalabteilung, insbesondere die
Führungskräfteentwicklung, muss in jeden Schritt involviert werden, um zu gewähr-
leisten, dass nach Abschluss des Projektes die Ergebnisse als Grundlage für die weite-
re Arbeit dienen können und genutzt werden. Ohne die Einbeziehung der hauptamt-
lichen Personalverantwortlichen im Unternehmen dürfte es nicht möglich sein, Identi-
fikation mit dem Prozess und den Ergebnissen zu erzeugen. Zugleich muss jederzeit
Transparenz über Stand und Ablauf des Projekts gewährleistet sein.
Schließlich werden in dieser Phase im Rahmen eines oder mehrerer Workshops das
Kompetenzmodell festgelegt und ein erster Entwurf zu den Soll-Profilen erstellt, die
im Rahmen des Projektes angepasst werden können. Vor Beginn der Interviews wer-
den im Rahmen eines Kick-off-Workshops mit allen beteiligten Führungskräften Pro-
jekt und Vorgehen im Detail vorgestellt und Fragen der Führungskräfte ausführlich
beantwortet.
und entscheidenden Teil des gesamten Projektes. Hier besteht die Möglichkeit, sich
darzustellen und die eigene bisherige Entwicklung zu kommentieren. Es ist deshalb
für beide beteiligte Seiten wichtig, diesem Gespräch ausreichend Zeit einzuräumen.
Das Interview konzentriert sich auf die bisherigen beruflichen Herausforderungen und
Erfolge der Führungskraft, die gegenwärtige Situation und Erwartungen an die Zu-
kunft. Für die Egon Zehnder International-Berater bildet das zuvor beschriebene
Kompetenzmodell die Grundlage für das Gespräch. Mit der Gesprächsführung zielen
sie darauf ab, die Indikatoren für die zugrunde liegenden Kriterien festzustellen. In
Referenzgesprächen mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern wird ebenfalls nach
diesen Indikatoren gesucht.
Feedback geben
Der gesamte Prozess eines Management Appraisals findet seinen Abschluss in Feed-
back-Gesprächen. Diese werden in jedem Fall von jeweils einem der beiden Egon
Zehnder International-Berater gegeben, die die jeweilige Führungskraft im Interview
kennen gelernt haben. Je nach Situation und Zielsetzung des Management Appraisals
erfolgt das Feedback unter vier Augen, in Anwesenheit eines HR-Verantwortlichen
oder in Anwesenheit des Vorgesetzten der Führungskraft. Es ist hervorzuheben, dass es
sich beim Feedback um einen der wichtigsten Teile des Management Appraisals han-
delt. Die Bewertung von Top-Führungskräften ist ein sensibler Vorgang; zumal wenn
sie in einem sich stark verändernden Unternehmensumfeld stattfindet. Ohne ein kon-
struktives Feedback würde der Zirkel dieses sensitiven Vorganges nicht geschlossen.
Dies kann zu Verunsicherung und Missverständnissen, letztendlich zu abnehmender
Motivation führen. Nach unserer Erfahrung sind die Führungskräfte einer professionell
durchgeführten Bewertung gegenüber positiv eingestellt, solange sie sich fair behan-
delt fühlen. Bleiben allerdings Fragen offen, und wissen sie nicht, wie sie eingeschätzt
wurden und warum, sind negative Reaktionen fast schon absehbar. Diese Folgen ver-
meiden ausführliche Feedback-Gespräche fast immer mit großer Zuverlässigkeit.
Im positiven Fall kann das Feedback Auftakt zu einem intensiveren Coachingverhält-
nis beispielsweise zwischen der Führungskraft und dem Vorgesetzten sein. Gerade in
Unternehmenskulturen, in denen Feedback und konsequente Mitarbeiterentwicklung
bis dahin keinen ausreichend hohen Stellenwert einnahmen, kann das Feedback als
Initialzündung für eine verbesserte Unternehmens- und Führungskultur fungieren.
Schließlich müssen im Rahmen des Feedbacks erste Diskussionen zu Entwicklungs-
maßnahmen für die jeweiligen Führungskräfte stattfinden, die im Anschluss in kon-
krete Handlungen und damit Chancen für die Führungskraft und das gesamte Unter-
nehmen münden.
80 Norbert Sack
1. Überblick
2. Linearbeurteilungen und Potenzialaussagen
3. Einbindung von Beurteilungsverfahren in der Personalentwicklung
4. Methodische Entwicklungen im Assessment-Center
5. Management-Audit
6. Ein Ausblick
1. Überblick
Beurteilungsverfahren zu Mitarbeitern auf der Sach-, Spezialisten- und Führungsebe-
ne sind seit vielen Jahren „musts“ im Instrumentenspektrum eines modernen Perso-
nalmanagements. Diese Verfahren werden mit leichten Modifikationen, dann mit ei-
nem konsequenter selektionsausgerichteten Modell, auf Auswahl und Einstellung
neuer Mitarbeiter/Innen (im Folgenden zur Vereinfachung: Mitarbeiter) angewendet.
Klassischerweise gibt es dabei die Einteilung in folgende Instrumenten-Gruppen:
• Sekundäranalyse bisheriger beruflicher Erfahrungen und Erfolgsfaktoren
• Gesprächsgestützte Verfahren
• Fragebögen und Testverfahren
• Arbeitsproben und Stichproben zu wichtigen beruflichen Aufgaben (von der Pro-
bezeit bis zu den Assessment-Center-Instrumenten)
• Befragung von wichtigen Partnern/Kollegen als Referenzpersonen
Im Grunde genommen ist der Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und
Qualität von Mitarbeitern/Führungskräften evident. Mit der zunehmenden Dienstleis-
tungsorientierung vieler Unternehmen, mit der entscheidenden Bedeutung von Service-
und Prozessqualitäten gegenüber Produktmerkmalen (Thienel, 1994) wird dieser eher
theoretische Ansatz allerdings noch praxisrelevanter. Es wird deutlich, dass Mitarbei-
ter entscheidend zur Gestaltung von Kundenverhältnissen beitragen, dass Mitarbeiter
am „point of sale“, auch an sonstigen Punkten des Kundenkontaktkreises (Telefon,
Schreiben) entscheidend das Image und die Attraktivität des Serviceanbieters prägen.
(vgl. Abbildung 1). Insgesamt gestaltet sich diese Veränderbarkeit in den 3 Schichten
der Kienbaum-Kompetenzpyramide dahingehend, dass
• die Fachkompetenz eine hohe Anpassbarkeit und damit Verbesserbarkeit aufweist.
Dies gilt insbesondere bei guten fachlichen Schulungskonzepten und bei über-
durchschnittlichem persönlichen Intellekt bei Problemlösekompetenz und Analyse-
vermögen sowie entsprechender Lernmotivation
• die Verhaltenskompetenzen gerade auf der zwischenmenschlichen Ebene mit Ge-
sprächstechnik und Verhandlungsführung verbesserbar sind – wobei sie natürlich
von den tieferliegenden inneren Kooperationshaltungen abhängen
• der Grenzbereich zwischen Verhalten und Persönlichkeit, festgemacht insbesonde-
re an der Führungsbandbreite und den Problemlösungsfähigkeiten, eine eher
schwierige Veränderbarkeit aufweist und wiederum von Intellekt und Leistungs-
motivation/Veränderungsbereitschaft profitiert
• die Persönlichkeitsdimensionen mit beispielsweise Kontaktfreude, Ehrgeiz, Wett-
bewerbsmotivation oder Einfühlungsvermögen letztlich nicht veränderbar sind.
Allerhöchstens „kritische Lebensereignisse“ nach dramatischen Veränderungen im
privaten oder beruflichen Umfeld, mitunter auch durch tiefgehende Persönlich-
keits- und Outdoor-Trainings initiiert, können in diesem Bereich zu Veränderungen
führen.
Neben der Notwendigkeit, unternehmens- und vielmehr marktspezifisch die jeweili-
gen Anforderungen herauszuarbeiten, gibt es natürlich über die Analyse von Vorbild-
unternehmen (Benchmarking) einige Schlüsselanforderungen, die sich derzeit heraus-
kristallisieren. Abbildung 2 verknüpft die vorgestellten vier wesentlichen Funktions-
gruppen (die den traditionell eingesetzten Begriff der Führungskräfte ersetzen sollen)
mit derartigen Schlüsselanforderungen. Die aufgeführten Anforderungsdimensionen
weisen mit Führungsverhalten, Überzeugungskraft und strategischer Kompetenz eher
klassische Anforderungskriterien auf – ergänzt mit modernen Kriterien, die sich aus
Mit dem Begriff der Potenzialanalyse wird häufig pragmatisch und wenig differenziert
umgegangen. Letztlich müsste zwischen einer Linearbeurteilung und einer Potenzial-
beurteilung unterschieden werden. Dabei zeichnet sich eine Linearbeurteilung da-
durch aus, dass
• ein präzises Funktions- und Anforderungsfeld von der Position oder Funktion vor-
liegt, auf die hin jemand beurteilt wird
• der Funktionsinhaber weitgehend schon im geforderten Aufgabenbereich tätig ist
• die Beurteilungsschwerpunkte auf der Fach- und Verhaltensebene liegen (womit
insbesondere die Beurteilung durch den Vorgesetzten oder durch die internen und
externen Leistungsempfänger im Unternehmen bedeutsam wird).
Problemlösungskompetenz
Analysevermögen
Logik und Schlussfolgern
Projektmanagement
Entscheidungsverhalten
Flexibilität
Zwischenmenschliches Verhalten
Führungspotenzial
Überzeugungskraft
Konfliktbereitschaft
Kooperation
Kooperation
Unternehmerisches Denken
Begeisterungsfähigkeit
Leistungsmotivation
Kundenorientierung
Belastbarkeit und Ausdauer
Soll-Profil
Ist-Profil
Arbeitssystematik
Zwischenmenschliches Verhalten
Führungspotenzial
Überzeugungskraft
Durchsetzungsvermögen
Kooperationsbereitschaft
Einfühlungsvermögen
Rhetorik
Problemlösungsverhalten
Analysevermögen
Logik und Schlussfolgern
Flexibilität
Soll-Profil
Ist-Profil
5. Management-Audit
Im Kern ist das Management-Audit ein Ansatz, um die wesentlichen Entscheider und
Gestalter eines Unternehmens oder einer Sparte/einer Geschäftseinheit im Hinblick auf
Stärken und Schwächen zu analysieren und somit die Machbarkeit von Veränderungs-
prozessen (neue Strategie und resultierende Organisationsformen) zu überprüfen
(Jochmann 1995b). Der strategisch-organisatorische Bezug und die Auswirkung auf
die Arbeitsplatzgestaltung einschließlich Beförderung und Personalabbau ist beim Ma-
nagement-Audit höher einzuschätzen als bei personalentwicklungsorientierten Assess-
ment-Centers. Beispielhafte Zielsetzungen eines Management-Audits liegen darin,
• Personalentscheidungen dahingehend zu unterstützen, welche Führungskräfte zu-
künftig (etwa im Rahmen der abgeflachten Organisationsstruktur) in einer Füh-
rungsstruktur einer Führungsfunktion verbleiben sollen
• herauszuarbeiten, welche Nachwuchskräfte als Verstärkung des Turnaround-Pro-
zesses befördert werden sollten (ggf. über die Zwischenstufe des Projektmana-
gers)
• bei den für eine Führungsfunktion vorgeschlagenen Mitarbeitern über die Stärken-
Schwächen-Analyse hinaus konkrete Personalentwicklungspläne zu vereinbaren
(um dem in der Regel stärkeren zeitlichen Druck von Veränderungsphasen des Un-
ternehmens gerecht zu werden)
• für Mitarbeiter mit negativen Ergebnissen abzuleiten, wo sie im Sinne eines Newpla-
cements im Unternehmen oder auch im externen Markt sinnvollerweise eingesetzt
werden können (Unterstützung im Outplacement-Prozess)
• die internen Ressourcen im Management im Sinne eines Benchmarking mit externen
Vergleichsmaßstäben in Bezug zu setzen (und damit die klassischen Benchmarks auf
Leistungskennziffern-Ebene und Prozessqualität zu ergänzen und entsprechende
Auffrischungsmaßnahmen, etwa durch Recruitments aus diesen Vorbildunternehmen,
zu ergänzen)
• neu geschaffene Organisationsformen mit entsprechenden Führungsfunktionen
(„relativ unabhängig von der Vergangenheit“) neu zu besetzen und damit glaub-
würdig einen neuen Anfang zu machen.
Letztlich sind Change-Prozesse auf der Strategie- und Organisationsebene unglaub-
würdig, wenn in neu geschaffenen Managementfunktionen ausschließlich die „alte
Garde“ nach dem Kriterium der Minimalabweichung neu platziert wird!
Gerade bei Management-Audits greifen die Überlegungen, Anforderungsprofile abso-
lut strategisch etwa über Expertengespräche oder die mehrfach erwähnten Bench-
marks abzuleiten. Des Weiteren ist eine sensible Informations- und Kommunikations-
phase mit der Zielgruppe zu empfehlen, um Verunsicherung zu vermeiden und somit
eine wichtige Voraussetzung für qualitativ gute Ergebnisse zu erfüllen. Methodisch ist
idealerweise der Einsatz des Einzel-Assessments zu wählen, wobei dann neben dem
externen Berater oder Beraterteam firmeninterne Beobachter nur aus der Geschäfts-
führer- oder Vorstandsebene denkbar sind. Bei parallel durchgeführten Einzel-Assess-
ments können sich derartige Top-Führungskräfte an einem Tag den beispielhaften
Überblick über mehrere Kandidaten verschaffen. Wichtig ist insgesamt, dass über die
Mitarbeiter-Potenzialanalysen und Management-Audits 95
von einem gut besetzten, gemischten Kompetenzansatz und sind stärker als Wettbe-
werber, die die besseren Einzelführungskräfte haben – allerdings mit gegenseitiger
Behinderung durch Ehrgeiz, ähnliche Qualifikationsbilder, Mängel im Ausnutzen
von Synergien und im sinnvollen Verknüpfen/Kompensieren von Stärken und
Schwächen (Berth, 1994). Neben strategischen Anforderungsprofilen gewinnen des-
halb Betrachtungen zu Managertypen an Bedeutung, um für die Führung einer Spar-
te oder die Besetzung eines Bereiches mit Bereichsleiter und unterstützenden Abtei-
lungsleitern Gesamtbetrachtungen der Managementeffizienz anzustellen und für ein
ausgewogenes Personal-Portfolio zu sorgen (siehe Abbildung 9). Dabei kommt es
insbesondere darauf an,
• in jedem Bereich eine hohe Analysekompetenz einerseits und eine hohe zwi-
schenmenschliche Kompetenz andererseits sicherzustellen. Das Idealbild des dreidi-
mensionalen Hochkompetenz-Managers (hohe Analysekompetenz, hervorragende
zwischenmenschliche Kompetenz, extreme Leistungsmotivation) ist selten zu finden
• die gegenseitigen Schwächen starker Analyse mit begrenztem zwischenmenschli-
chen Handlungsspektrum und umgekehrt durch entsprechende Managementteams
zu kompensieren
• eine hohe Handlungsorientierung und Entscheidungsfreude etwa durch einen Ma-
cher-orientierten Manager oder durch einen Visionär mit entsprechender Organisa-
tions- und Analysekompetenz zu unterlegen
• auf der Ebene des Top-Managements eher Macher, Analysierer und Visionäre zu
repräsentieren (und weniger Organisierer oder kreative Individualisten)
• den Anteil der sogenannten Anpasser in allen Führungsbereichen gering zu halten
(und keinesfalls beispielsweise als Projektleiter in Change-Projekten einzusetzen)
• die Bedeutung von organisations-orientierten Führungskräften nicht zu überschät-
zen, da gerade in autonomen Arbeitsteams viele Organisations- und Steuerungsauf-
gaben günstiger und flexibler durch die Teams selber übernommen werden
• die Personalentwicklung über differenzierte Anforderungsprofile hinaus auch auf
den pragmatischen Managertypus zu übertragen und hier den deutlichsten
Schwachpunkt (beispielsweise Analyse- oder Macher-Orientierung) zum Verände-
rungsschwerpunkt für das nächste Jahr zu definieren.
Ein weiteres Merkmal eines Management-Audits ist, dass es eher flächendeckend
durchgeführt wird – insbesondere bei allen Mitarbeitern, die derzeitig eine Steue-
rungsverantwortung ausüben. Die Wichtigkeit wird durch ein Projektbeispiel des Au-
tors verdeutlicht, der im Jahr 1995 in einem 400 Millionen DM Industrieunternehmen
im Auftrag der Holding die 3 Geschäftsführer, die 10 Bereichsleiter und 30 Abtei-
lungsleiter im Rahmen von vierstündigen Interviews analysiert hat. Abbildung 10
zeigt das Ergebnisprofil des Geschäftsführers Vertrieb, der beim Aufsichtsrat und in
der Holding sicherlich kein uniform positives Ansehen hatte, über Standing und
Selbstbewusstsein sowie auch Seniorität und bisherige Berufserfahrungen allerdings
in seiner Positionierung nicht gefährdet war. Die Umsatzentwicklung in den meisten
Sparten des Unternehmens war unbefriedigend, wurde jedoch sehr stark auf stagnie-
rende Märkte und den internationalen Wettbewerb mit niedrigeren Produktionskosten
in Asien zurückgeführt. Das Profil zeigt nun das Bild eines sehr durchsetzungsorien-
tierten Einzelkämpfers, der nach absolut traditionellen Managementgrundsätzen ar-
98 Walter Jochmann
beitet, intuitiv entscheidet und sehr wenig über Stärken und Schwächen der eigenen
Person und des Unternehmens reflektiert. Es gab hervorragende Einzelverbindungen
zu Kunden – wobei zunehmend die Zielgruppe der älteren und zudem sehr traditionell
arbeitenden Partner „auf der anderen Seite des Geschäftes“ dramatisch abnahm. Deut-
lich überbetont wurden in der Vergangenheit die sicherlich vorhandene Leistungs-
motivation, absolute Einsatzbereitschaft, Loyalität und das Denken in expansiven ge-
schäftlichen Zielen. Insgesamt wird das absolute Gefahrenpotential deutlich, welches
in einer derartigen personellen Besetzung liegt, bei der keineswegs nur durch das Al-
ter bedingt (55 Jahre), sondern primär durch die Einzelgänger-orientierte Dynamik
und Konfliktstärke die Prognose für Veränderungsbereitschaft und Lernfähigkeit (sie-
he dazu auch den sehr schwachen Wert in der strategischen Kompetenz und somit im
Analysevermögen) deutlich begrenzt ist. Die Schlussfolgerungen aus diesem Ergebnis
wurden durch die Holding derart gefasst, dass der Geschäftsführer aus der Linie her-
ausgenommen wurde und jetzt interne Restrukturierungsprojekte als Berater begleitet,
bei denen es auf Konsequenz und Durchsetzungsstärke, auf die Arbeit im Detail und
die persönliche Belastbarkeit ankommt. Die Gesamtauswertung derartiger Einzelpro-
file ließen in diesem Unternehmen viele weitere personelle und organisatorische Maß-
nahmen entstehen, die den Prozess der Neuausrichtung sinnvoll unterstützen konnten.
Beispielsweise wurden
• jüngere Kundenmanager identifiziert, die in der neu geschaffenen Funktion eines
Key-account-Managers oder eines Product-Managers eingesetzt wurden
• die Abbauentscheidung der Abteilungsleiter-Ebene um 40 Prozent evaluiert, um
die wirklich überzeugenden Führungskräfte zu halten und von den weiteren bishe-
Mitarbeiter-Potenzialanalysen und Management-Audits 99
6. Ein Ausblick
Die Beurteilung der heutigen und potentiellen Führungs- und Steuerungsressourcen
im Unternehmen ist ein entscheidendes Instrument, um einen wirklichen betrieblichen
Überlebensfaktor zu aktivieren. Sie rückt damit von einer klassischen Permanentauf-
gabe des Personalleiters/des Personalmanagers hin zu einer Funktion des kaufmänni-
schen Vorstandes/der kaufmännischen Geschäftsführung, die insbesondere vor oder
im Rahmen von Change-Projekten als Sondermaßnahme zur Pflicht wird. Angesichts
der immensen Kosten von weitreichenden Veränderungsprojekten (Personalumbeset-
zung, Beraterkosten, DV-Neuausrichtung, Kundenbefragungen und Marktanalysen
etc.) erweist sich das Investment in die Erhebung der derzeitigen Personalpotentiale
als überschaubar. Abbildung 11 verdeutlicht die Aufgabe der betriebswirtschaftlichen
Allokation von Personalressourcen, die sich bei jeder tiefgreifenden Veränderung der
Unternehmensstrategie mit resultierenden Veränderungen in der Aufbau- und Ablauf-
organisation ergibt.
Anders als in früheren Jahren ist die methodische Ausgestaltung der Beurteilung, etwa
im Rahmen von Interviews oder Assessment-Centers, sekundär. Sie orientiert sich an
den Zielprofilen, an den zur Verfügung stehenden zeitlichen und finanziellen Ressour-
cen. Sicherlich sind die verhaltensorientierten Ansätze des Assessment-Centers zu be-
vorzugen, wenn der höhere zeitliche Aufwand und die Teilnehmerakzeptanz aufge-
baut werden können. Allerdings sollten auch die elaborierten interviewgestützten An-
sätze nicht vernachlässigt werden, wenn auch auf der Top-Ebene und unter absolutem
zeitlichen Druck eine Orientierung für personelle Umsetzungsmaßnahmen geschaffen
werden muss. Aus der Sicht des Autors wird die weitere Entwicklung der Beurtei-
lungsmaßnahmen nur sekundär über Durchführungstechniken und methodische Vari-
anten bestimmt. Sicherlich gibt es Entwicklungen in der multimedialen Ausgestaltung
von Fragebögen und AC-Bausteinen, die adaptiv auf vorangegangene Antworten/Ver-
haltensweisen und somit Qualifikations-Zwischenstände des Kandidaten eingehen.
Insgesamt sieht der Autor den Einsatz der modernen DV allerdings in der Gestaltung
von Qualifikations- und Lerntools in dem Mix aus Fach- und Verhaltensinhalten als
noch interessanter an. Entscheidender wird für die Beurteilungsverfahren das Design
Mitarbeiter-Potenzialanalysen und Management-Audits 101
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Das Einzel-Assessment als Baustein
der Führungskräfteentwicklung
Siro Spörli/Fred W. Schmid
1. Einleitung
2. Das Assessment als „best effort“
3. Die diagnostischen Ziele eines Führungskräfte-Assessments
3.1 Analytische und konzeptionelle Problemlösungsfähigkeit
3.2 Initiatorische und belastbare Dynamik
3.3 Anpassungs- und durchsetzungsfähiges Kontaktvermögen
4. Das psychologische Assessment als Objektivierungshilfe
5. Der professionelle Beurteiler als Anwalt des Realitätsprinzips
6. Grenzen psychodiagnostischer Erkenntnismöglichkeiten
7. Das Assessment als Seismograph von Stilmomenten
8. Psychologische Beurteilung für, nicht gegen den Kandidaten
9. Das Einzel-Assessment im Vergleich mit anderen Erfassungsmethoden
9.1 Vorstelungsgespräch
9.2 Graphologie
9.3 Assessment-Center
1. Einleitung
Unternehmen unterschiedlichster Größen und Branchen machen seit vielen Jahren
Gebrauch von der Möglichkeit, interne oder externe Kandidaten für Führungspositionen
von psychologischen Spezialisten auf ihre Eignung hin beurteilen zu lassen. Kandida-
ten stellen sich solchen Abklärungen hie und da mit unterschwelligem Gefühlszwie-
spalt, vereinzelt auch Widerstand. Solche Regungen sind durchaus nachvollziehbar
und verlangen eine Klarstellung des Was, Wie und Wozu eines Führungskräfte-
Assessments. Die Autoren pflegen sich im einleitenden Gespräch folgendermaßen zu
legitimieren:
und ein noch so kreativer Entwicklungsingenieur ist nicht ohne Weiteres ein effizien-
ter Forschungsmanager. Ähnlich wird eine Führungskraft, die in Mitteleuropa Erfolg
gehabt hat, diesen nicht zwingend in Japan oder Brasilien wiederholen können.
Man kann dieses Problem in versuchsstatistischen Begriffen formulieren: Sowohl die
Berufswirklichkeit wie die Eignungstest-Situation fordern dem Individuum Stichpro-
ben seines Verhaltensrepertoires ab. Sie tun dies aber in unterschiedlicher Weise: Be-
rufswirklichkeitsstichproben sind zwar in der Regel intensiver, aber bedeutend weniger
extensiv als testsituative Verhaltensstichproben. Ein gut konzipiertes und durchge-
führtes psychologisches Assessment lotet in aller Regel ein viel breiteres Fähigkeits-
und Persönlichkeitsspektrum aus als ein einzelner Job. Das Assessment erlaubt deshalb
Eignungsprognosen für unterschiedlichste Positionsanforderungen; es kann sowohl
schlummernde Talente wie Peter-Prinzip-Gefahren ermitteln.
che Probleme stellen: der gestandene Betriebspraktiker hat in der Regel mehr Mühe
als der case-study-trainierte Jungakademiker, sich mit denksportlicher Gewandtheit
auf die Papier-Bleistift-Tests einzustellen; ein ausschließlich front- und kundenorien-
tierter Marketingmann findet wohl weniger Möglichkeiten als ein auch über Stabser-
fahrung verfügender Kollege, im Testfeld seine besonderen Stärken zur Geltung zu
bringen; und ein autonomiehungriges Pioniernaturell mag sich an der engmaschigen
Reglementiertheit einzelner Testanordnungen stoßen.
Solche Affinitätsunterschiede beschwören zweifellos Irrtumsgefahren herauf. Der er-
fahrene diagnostische Könner weiß sie allerdings zu reduzieren, ja er macht sogar in
gewisser Weise aus der Not eine Tugend.
9.1 Vorstellungsgespräch
Zu diesem traditionsreichen Beurteilungsverfahren existiert eine sehr umfangreiche
Literatur. Es hat manche methodische Wandlung vom freien Gespräch über die struk-
turierte Exploration bis hin zum aggressiv geführten Belastungsinterview durchge-
Das Einzel-Assessment als Baustein der Führungskräfteentwicklung 111
9.2 Graphologie
Auch diese Methode erfreut sich trotz aller Mängel, die man ihr mit mehr oder weni-
ger guten Begründungen schon angelastet hat, gleichbleibender Beliebtheit, wohl
nicht zuletzt wegen ihrer Handlichkeit: Die Schriftbeurteilung hat den unschätzbaren
Vorteil, ohne physische Präsenz des Kandidaten Persönlichkeitseinblicke zu ge-
währen, die – wenn sie von Kennern stammen – erstaunlich nuanciert sein können.
Als „Abwesenheitsverfahren“ verleitet aber die Graphologie wie kaum eine andere
Methode zu einem „Entlarvungs-“ und „Abstempelungs“-Denken, das im Extremfall
weit von der diagnostischen Philosophie entfernt ist, wie man sie in einem Einzel-
Assessment, welches die Feuerprobe eines offenen Feedback-Gesprächs zu bestehen hat,
zu verwirklichen trachtet. Freilich bleibt durchaus Raum dafür, im Einzel-Assessment
unter anderen auch graphologische Hinweise zu registrieren; sie sind dann aber nicht
mehr und nicht weniger als alle anderen „Mosaiksteine“ relativierungs- und interpre-
tationsbedürftige Teile eines in seiner Ganzheit kritisch zu würdigenden Befund- und
Eindrucksbildes. Gerade in dieser Verknüpfung entsteht dann ein realistisches Bild
von den Leistungsmöglichkeiten und Grenzen der Graphologie, die von ihren Anwen-
dern und Konsumenten wohl ebensooft über- wie unterschätzt wird: in einer ganzheit-
lichen diagnostischen Optik zeigt sich, dass Graphologie zwar bei Weitem nicht im-
mer sichere Antworten, aber allzumal interessante Fragen und häufig auch eine weite-
re Überprüfung verdienende Hinweise zu liefern vermag.
9.3 Assessment-Center
Oberflächlich Informierte erhoffen sich vom Assessment-Center wie von anderen
Gruppenverfahren oft eine Ökonomisierung, „weil ja gleichzeitig mehrere Kandidaten
getestet werden“. Leider wird diese Erwartung in der Praxis kaum je bestätigt. Man
weiß heute, wie aufwändig die Entwicklung eines Assessment-Centers in Tat und
Wahrheit ist; dass schon die Entwicklung geeigneter Übungen und das Training der
Beobachter zahlreiche Mannmonate erfordert und dass auch die operative Durch-
führung des Programms mit erheblichen Aufwendungen verbunden ist. Ein Assess-
112 Siro Spörli/Fred W. Schmid
ment-Center ist also mit Sicherheit kein „Fertiggericht“, das nach kurzer Aufwärmzeit
auf den Tisch gebracht werden könnte, sondern es erfordert eine Auftraggeberorgani-
sation, die mit hohem „commitment“ die Institutionalisierung einer ihren Zielsetzun-
gen und ihrer Firmenkultur entsprechenden Nachwuchsförderung in Gang setzt.
Gegenüber dem Einzel-Assessment hat das Assessment-Center den unbestreitbaren
Vorteil, dass es die Teilnehmer mit vergleichsweise realitätsnahen Gruppensituationen
konfrontiert. Dies wird aber meist mit dem Nachteil geringerer Individuums-Zen-
triertheit erkauft. Letzteres gilt vor allem dann, wenn das Assessment-Center kein
vertieftes Einzelgespräch mit dem Psychologen enthält. Der verhaltensnahen Ausrich-
tung des Assessment-Centers liegt wie anderen Entwicklungen in der psychologi-
schen Diagnostik (etwa derjenigen von „objektiven Testbatterien“ u. a.) das immer
radikalere Bestreben zu grunde, „soft science“ durch „tough science“, einfühlende In-
terpretation durch unwiderlegbare Fakten zu ersetzen. Dabei wird aber leicht über-
sehen, dass nicht nur zwischen Aufwand und Ergiebigkeit eines Verfahrens, sondern
auch zwischen den Zielen der Objektivierung und Individualisierung letztendlich Un-
vereinbarkeit besteht. ,,Harte“ Test- und Beobachtungsdaten verleihen zwar ein Ge-
fühl von Sicherheit, man kann mit ihnen Berechnungen anstellen und sich dabei gar
vom Computer unterstützen lassen. Sehr leicht entartet aber die Suche nach mehr Ein-
deutigkeit zu einer oberflächlichen Scheinobjektivität, der die Tiefe und Nuanciertheit
psychologischen Verstehens – d. h. der Einsicht in die Strukturzusammenhänge und
Dynamik der individuellen Persönlichkeit – geopfert wird. So sehr derartig technokra-
tische Tendenzen in der Psychologie gegenwärtig noch „en vogue“ sind, ist doch anzu-
nehmen, dass kommende Generationen sich wieder davon ab- und vermehrt solchen
Auffassungen zuwenden werden, die sowohl mit einer organismischökologischen Be-
trachtungsweise als auch mit den humanistischen Traditionen besser vereinbar sind,
wie dies in anderen Disziplinen bereits beobachtet werden kann. Auch in der Assess-
ment-Center-Bewegung dürfte die Zukunft einem kombinierten Vorgehen gehören,
das auf eine bestmögliche Harmonisierung zwischen den Idealen der Objektivierung
und der Individualisierung hinzielt. Unter solchen Voraussetzungen sind Einzel-
Assessment und Assessment-Center keine Gegensätze, sondern sie können sich im
Rahmen umfassender Mitarbeiterförderungs-Programme sehr wohl ergänzen: Das
Assessment-Center ist die Methode der Wahl für die Beurteilung von Nachwuchskräf-
ten, die ihre Führungsfähigkeiten noch wenig unter Beweis stellen konnten; bei Spit-
zenkräften, die das bereits geleistet haben, geht es mehr um die Beurteilung der strate-
gischen und integrativen Kompetenzen, zu denen das Einzel-Assessment den besseren
Zugang bietet.
Die Dimensionen und die Messung von
Führungskompetenz mit Hilfe des
„Rev. Deutschen CPI“ (Revidierten Deutschen
California Psychological Inventory)
Ansfried B. Weinert
der Schlüssel zur Wirksamkeit und Effizienz eines Unternehmens. Unter „Guter
Führung“ florieren und blühen Organisationen. „Gute Führung“ entwickelt wirksame
Gruppen und Teams. Aus der Welt des Sports ist uns bekannt, dass es Trainer bzw. Coa-
ches gibt, die von einem Team zum anderen überwechseln und aus Verlierern Gewinner
machen. Dies hat etwas mit der Wirksamkeit einer Führungsperson zu tun, mit den Aus-
wirkungen und dem (messbaren) Einfluss, den sie in ihrem Umfeld erzielt (Liste von
Gewinnen und Verlusten eines Teams; Servicequalität; Marktanteile; Profitabilität).
Zwar ist es nicht nur die Persönlichkeit, die effiziente Führung bewirkt (auch kogni-
tive Faktoren, die praktische Erfahrung, Situationsfaktoren, die Geführten etc. spielen
eine erhebliche Rolle). Gleichwohl hat die Persönlichkeit der Führungsperson einen
enormen Einfluss auf die Teamleistung: Wer wir sind bestimmt auch wie wir führen.
Die Enge der Verbindung zwischen Führung und Persönlichkeit ist in mehreren Län-
dern wiederholt empirisch untersucht worden. Judge et al. (2002) haben in einer Zu-
sammenfassung 78 solcher Studien vorgestellt. Deshalb macht es Sinn, Informationen
über die Wirksamkeit von Persönlichkeitsfaktoren von Führungskräften dazu zu ver-
wenden, um zukünftige Führungskräfte auszuwählen oder die Performance gegenwär-
tiger Rollenträger zu verbessern.
Ein Beispiel soll dazu dienen, um die motivatorische Rolle zu konkretisieren, die
Persönlichkeitsvariablen – allein im Prozess der Karriereentwicklung einer Nachwuchs-
führungskraft – spielen. Die Motivation einer Nachwuchsführungskraft wird ganz
wesentlich von zwei übergreifenden Grundprinzipien bestimmt: (1) dem Bedürfnis, von
der Gruppe/dem Team Anerkennung, Akzeptanz und Bestätigung zu erhalten, und (2)
von dem Bedürfnis, in der „Hierarchie“ des Unternehmens aufzusteigen. Unterschiedli-
che Forscher haben diesen zentralen Bedürfnissen zwar unterschiedliche Namen gege-
ben. Aber sie alle lassen sich mit zwei Begriffen erfassen: „Vorankommen“ und „Zu-
rechtkommen“. Beide Faktoren sind mit persönlichen Strategien verbunden und diese
Strategien sind Teil der Persönlichkeit. Der Faktor „Zurechtkommen“ (mit dem Umfeld)
lässt sich am besten definieren mit: Teamfähigkeit, Kooperation, soziale Fähigkeiten,
Zuverlässigkeit, Dienstleistungsorientierung und „Organizational Citizenship“. Der
Faktor „Vorankommen“ wird definiert durch: „Führungsfähigkeit“, Unabhängigkeit (im
Denken und Handeln), Resultate erzielen/Ziele erreichen, Initiative und Überzeugungs-
kraft. Gemeinsam ist diesen „Ankern“, dass es messbare Persönlichkeitsvariablen sind,
die eine hohe Stabilität besitzen, die aber auch weiterentwickelt werden können.
hierzu auch Borman & Brush, 1993). Der Trend, sich mit Führungskompetenzen wis-
senschaftlich stärker zu beschäftigen, wurde u. a. von einem Aufsatz von McClelland
(1973) eingeleitet. Er stellte die Forderung auf, in der Auswahl von Nachwuchs-
führungskräften eher nach Kompetenzen als nach Intelligenz zu suchen. Verstärkung
fand diese Anregung durch ein Buch von Boyatzis (1982), das zu seiner Zeit eine un-
gemeine Popularität erreichte (= Der kompetente Manager). Dabei ist die Forderung
nach sinnvollen und empirisch gut abgesicherten Kompetenzdomänen alles andere als
unwichtig. Wie sonst will man Führungs- und Nachwuchsführungskräfte auswählen
und bewerten, wenn man keine klar definierten und messbaren Kriterien hat?
Die über die Jahre vorgeschlagenen Kompetenzmodelle lassen sich alle in das von
Warrenfeltz entwickelte Domänen-Modell integrieren (vgl. Hogan & Warrenfeltz,
2003). Dieses Modell identifiziert vier breite Klassen von Führungskompetenzen:
(1) Intrapersönliche Domäne (Anker hierfür sind z. B. Ehrgeiz, Ausdauer, Integrität,
Ambiguitätstoleranz)
(2) Interpersönliche Domäne (Anker hierfür sind z. B. Beziehungen zu Gleichgestell-
ten und Vorgesetzten, Kommunikationsfähigkeit, Selbstpräsentation, Eindrucks-
management)
(3) Geschäftsdomäne (Anker hierfür sind z. B. Qualität des Entscheidungsfällens,
Organisations- und Planungsfähigkeit, Setzen von Prioritäten)
(4) Führungsdomäne (Anker hierfür sind z. B. Richtung vorgeben; Motivationsfähig-
keit, Entwicklung wirksamer Teams, Umgang mit Diversity (= Vielfalt).
Hinter jeder dieser Kompetenzdomänen ist ein Entwicklungsaspekt zu erkennen, wo-
bei sich die intrapersönlichen Fähigkeiten zuerst entwickeln und die Führungsfähig-
keiten zuletzt. Im Hinblick auf Veränderbarkeit und Führungskräfteentwicklung sind
die Führungsfähigkeiten am leichtesten zu verändern bzw. zu verbessern und die
intrapersönlichen Fähigkeiten am schwierigsten. Die vier vorgeschlagenen Domänen
haben den Vorteil, dass sich jedes andere Kompetenzmodell nach dieser Strukturie-
rung organisieren lässt.
Diese Domänen und die Eigenschaften, die sie definieren bzw. verankern, sind zu
einem ganz wesentlichen Teil messbare Persönlichkeitseigenschaften bzw. stabile
Charakteristika (vgl. Weinert, 2004, S. 131). Es gibt (seit den 60er-Jahren) viele Un-
tersuchungen darüber, welche „Art“ von Menschen in großen (hierarchischen bzw.
bürokratischen) Unternehmen und Organisationen aufsteigt und über welche besonde-
ren Fähigkeiten und persönlichen Charakteristika sie verfügen: Die Menschen sind
ehrgeizig, hart arbeitend, klug, selbstbewusst/durchsetzungsfähig etc., und viele pas-
sen auch in die Konzeption und Wertestruktur der von ihnen Geführten. Dabei sollte
unbedingt ein Unterschied gemacht werden zwischen Führung und Status. Menschen,
die in einer Organisation ganz nach oben gelangen, mögen ihre Position mehr ihren
politischen Fähigkeiten verdanken als ihren Fähigkeiten zu führen. Eine wichtige Fra-
ge ist, ob Führungs- und Nachwuchsführungskräfte – je nach Bereich und Ebene –
auch kreativ sind, ob sie Vorstellungsvermögen besitzen, ob sie „visionär“ sind und
wie strategisch sie vorgehen. Gleichwohl gibt es eine relativ gut definierte Anzahl von
Charakteristika, die Personen besitzen, die Karriere-Erfolg in Führungsrollen vorwei-
116 Ansfried B. Weinert
sen können. Allein dies zu wissen scheint wichtig, weil damit klar erkennbar wird,
dass Führung nicht allein eine Funktion der Situation ist.
Neben der Erarbeitung von Aspekten für erfolgreiche Führung und ihrer Erfassung hat
über die letzten Jahre auch das Interesse an der „gescheiterten Führung“, an Faktoren
der Führungsinkompetenz (engl. „Derailment“) beachtlich zugenommen (vgl. hierzu
Weinert, 2004, S. 533). Zu einem erheblichen Teil basiert diese Problematik auf Per-
sönlichkeitsstörungen wie auf Schüchternheit, Überempfindlichkeit, Neid, Missgunst,
Zögern und Aufschieben (v. a. Entscheidungen), Unzuverlässigkeit, Reizbarkeit, Aus-
nutzen und Benutzen anderer, Unfähigkeit in der Stellenbesetzung, Disziplinlosigkeit
etc. – aber auch auf der Unfähigkeit, effiziente Teams zu formen. Lombardo et al.
(1988) haben hierzu bereits geschrieben, dass die Glaubwürdigkeit bzw. die Vertrau-
enswürdigkeit einer Führungsperson den wichtigsten Faktor in der Beurteilung von
Untergebenen gegenüber der Effizienz ihres Vorgesetzten darstellt.
Diese negativen Neigungen bestehen – nebeneinander – mit den gut entwickelten so-
zialen Fähigkeiten, die die negativen – zumindest über kürzere Zeiträume – maskieren
oder kompensieren. Langfristig aber führen negative (Derailment-)Tendenzen dazu,
Vertrauen zu untergraben und Beziehungen zu unterminieren. Es wird kaum gelingen,
sie in einem kurzen Gespräch aufzuspüren bzw. zu identifizieren. Aber sie sind mess-
bar. Das empfehlenswerteste Verfahren zur Messung von Faktoren, sowohl der Kom-
petenz als auch der Inkompetenz in der Führung, ist der „Rev. Deutsche CPI“, ein
international erprobtes Verfahren. Hierzu liegt eine Fülle von Erfahrungen zu
Führungskräften aus vielen Ländern vor. Allein in Deutschland wurden bisher meh-
rere tausend Untersuchungen durchgeführt.
Der „Rev. Deutsche CPI“ findet weltweite Anwendung zu Themen wie Potenzialana-
lysen, Früherkennung von Führungstalent, Auswahl von Führungs- und Nachwuchs-
führungskräften, als Basis für die Planung von Interventionsprogrammen, zur Füh-
rungskräfte- und Personalentwicklung und zur Selbsterfahrung („Erkenne dich selbst“).
Es ist ein Spitzenprodukt internationaler Forschung, ein „Breitbandverfahren“, nicht
ein simpler Test.
Der „Rev. Deutsche CPI“ besteht aus 20 Basisskalen, 3 Vektorskalen und mehreren
wahlfreien Skalen für bestimmte Ziele und Zwecke, wie Management-Potenzial oder
Arbeitsorientierung.
Die 20 Basisskalen messen sowohl Potenziale als auch Defizite im inter- und intraper-
sönlichen Bereich, im Leistungsbereich und im Bereich der Ausdrucksformen des In-
tellekts und der Interessen, sofern sie für bestimmte Rollen und Funktionen berufsre-
levant sind, wie z. B. in der Führung, im Management oder im Verkauf.
10. Selbstbeherrschung (Sb) Zweck: Misst Grad und Qualität der Selbststeuerung, der
Selbstbeherrschung, die Neigung zu impulsiven Handlungen und die Tendenz,
Veränderungen einzuleiten/auszulösen, zu unterstützen oder sich dagegen zu stel-
len (Status quo)
11. Guter Eindruck (Ge) Zweck: Identifiziert Personen, die einen günstigen Eindruck
bewirken wollen, die sich darüber sorgen, wie andere ihnen gegenüber reagieren,
die an der Meinung anderer sehr interessiert sind und ihre eigenen Ideen gut ver-
kaufen können
12. Konventionalität (Ko) Zweck: Weist darauf hin, zu welchem Grad die Reaktionen
und Antworten einer Person dem allgemeinen Muster in der Bevölkerung ähnlich
sind; weist auf das Zusammenpassen/Hineinpassen hin, indem die Person die glei-
chen Reaktionen und Gefühle hat wie jeder andere auch
13. Wohlbefinden (Wo) Zweck: Identifiziert Personen, die ihre Sorgen, Klagen und
Beschwerden auf ein Minimum reduzieren, und die relativ frei sind von Selbst-
zweifeln und Enttäuschung; weist auf Personen hin, die mit ihrer jetzigen Lebens-
situation als zufrieden wahrgenommen werden
14. Toleranz (To) Zweck: Identifiziert Personen mit zulassenden, erlaubenden und
nicht be- und verurteilenden gesellschaftlichen Meinungen und Einstellungen, die
tolerant sind, offen und ohne starke Vorurteile
Klasse III: Messskalen für Leistungspotenzial und intellektuelle Effizienz
15. Leistung durch Anpassung (La) Zweck: Identifiziert jene Interessen- und Motiva-
tionsfaktoren, die eine Leistung bzw. Ausführung in all jenen Situationen erleich-
tern/fördern, in denen Anpassung als positives Verhalten gewertet wird (Personen
mit einem starken Leistungsbedürfnis, die am besten in Situationen mit genauen
Regeln und Strukturen arbeiten)
16. Leistung durch Unabhängigkeit (Lu) Zweck: Identifiziert jene Interessen- und
Motivationsfaktoren, die eine Leistung bzw. Ausführung in all jenen Situationen
erleichtern/fördern, in denen Autonomie und Unabhängigkeit/Selbständigkeit als
positives Verhalten gewertet wird (Personen mit einem starken Leistungsbedürf-
nis, die am besten sind in neuen oder unerprobten Situationen, in denen sie allein
und ohne externe Anleitung arbeiten)
17. Einsatz von Intelligenz (Ei) Zweck: Zeigt den Grad der persönlichen und intellek-
tuellen Effizienz/Leistungsfähigkeit an, den die Person erreicht hat (Effizienz, mit
der man seine intellektuellen und persönlichen Ressourcen verwendet; eine Auf-
gabe rasch beginnen und über längere Zeit dranbleiben zu können)
Klasse IV: Dispositionsdomäne: Messskalen für persönliche Orientierung und Leben-
seinstellung
18. Psychologisches Feingefühl (Pf) Zweck: Misst den Grad, zu dem eine Person in-
teressiert ist an und eingeht auf die inneren Bedürfnisse, Motive und Erfahrun-
gen/Erlebnisse anderer, die Sensibilität der Wahrnehmung und die Treffsicherheit
der Personenbeurteilung
Die Dimensionen und die Messung von Führungskompetenz 121
19. Flexibilität (Fl) Zweck: Zeigt den Grad an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
im Denken und im gesellschaftlichen Verhalten – auch die Flexibilität gegenüber
Veränderungen und Überraschungen
20. Rationalität/Intuition (R/I) Zweck: Misst die rationale oder intuitive Grundhaltung
einer Person, Sensibilität gegenüber Kritik, die Maskulinität oder Femininität der
Interessen
Der „Rev. Deutsche CPI“ zielt darauf ab, „kulturübergreifende Alltagskonzepte“ als
Messeinheiten zu verwenden. Dies sind Aspekte des sozialen Verhaltens, die von zwi-
schenkultureller Signifikanz und Relevanz sind und die auch von Nicht-Psychologen
intuitiv verstanden werden. Mit anderen Worten: Ein „kulturübergreifendes Alltags-
konzept“ steht für einen Begriff, den Menschen überall auf der Welt in ihrem tagtäg-
lichen Leben regelmäßig verwenden, um ihr eigenes Verhalten und das Verhalten ande-
rer zu beschreiben und zu erklären. Es ist die Art und Weise, wie die Persönlichkeit
beschrieben oder begrifflich gefasst werden kann, wie sie von normalen Leuten im
Alltag verwendet wird und wie sie in allen Gesellschaften und sozialen Gruppen aufge-
funden werden kann. Beispiele für solche „kulturübergreifenden Alltagskonzepte“ sind
„Dominanz“, „Geselligkeit“, „Selbstbeherrschung“, „Toleranz“ und „Flexibilität“. Natür-
lich hat jede der 20 Basisskalen ihre eigene theoretische Grundlage, Forschungsge-
schichte und Feinheiten in ihren Bedeutungsinhalten. Aber die erste Wirkung jeder
Skala sollte darin bestehen, Attribute zu identifizieren, die jeder sofort erkennen kann.
Offenes System
Das Instrument ist ein offenes System, d. h., es kann einer Erweiterung oder Verkür-
zung unterzogen werden, indem entweder neue Skalen entwickelt und hinzugefügt
oder auch vorhandene Skalen gestrichen werden, sollten diese sich in Zukunft als irre-
velant erweisen, z. B. aufgrund des Wertewandels.
Dominanz-Skala
Jeder Staatsbürger sollte sich die Zeit nehmen, um sich mit den Problemen des Staates
auseinander zu setzen, auch wenn er dafür auf einige Privatvergnügen verzichten muss.
Flexibilitäts-Skala
Ich muss zugeben, dass ich ziemlich viel rede.
Erfolgspotenzial-Skala
Ich höre mir gern im Radio Sinfoniekonzerte an.
Testteilnehmer fragen immer wieder, welcher Zusammenhang zwischen den Testfra-
gen und einem arbeitsrelevanten Verhalten bestehen mag, weil sich die Inhalte der
Testfragen nicht mit beruflichen Thematiken beschäftigen. Die Antwort ist: Keiner.
Die Fragen sind nur „Trägerelemente“. Aber das System funktioniert ausgezeichnet in
allen uns bekannten Kulturen. Es gibt tausende von Datensätzen, die dies belegen.
Momentan ist auch eine russische und eine chinesische Form in der Erarbeitung.
Die Lebens- und Arbeitsstile, die von den Vektor-Skalen beschrieben werden, und die
durch die 20 Basisskalen produzierten Profile können dazu verwendet werden, um die
Dynamik, die bevorzugten Rollen und die besetzten Parameter innerhalb eines Teams
zu verstehen. Auf diese Weise können die Effizienz und die Produktivität eines Teams
wesentlich gesteigert und können die Arbeitsbeziehungen verbessert werden.
(3) Sind die Skalen Do und Lu hoch positioniert, dann sind solche Personen von an-
deren unabhängig und sehr selbständige Leistungsträger, die häufig auch noch
recht kreative Initiatoren sind.
Diese Beispiele sollen darauf hinweisen, dass sich eine Interpretation der Skalenwer-
te, die eine Person erhält, mit Mustern und Kombinationen von hohen und niedrigen
Werten befassen muss (= Interaktionen zwischen verschiedenen Skalenmustern).
Im folgenden Beispiel wird dieser Gedanke anhand der Skalen Do und Ve konkre-
tisiert: Wie die Darstellung der Beziehung zwischen den Skalen Do und Ve in Ab-
bildung 1 zeigt, verändert sich die Bedeutung von Do mit der relativen Höhe von Ve.
Do hoch
dominant dominant
stark verantwortungsbewusst
aggressiv progressiv
rechthaberisch klug
hart ernst
reizbar ehrgeizig
robust weitblickend
zynisch gewissenhaft
nüchtern formal
temperamentvoll aufmerksam
Ve niedrig Ve hoch
unverantwortlich ruhig
sorglos friedlich
instabil bescheiden
apathisch reserviert
durcheinander kooperativ
beeinflussbar still
dumm mild
vergnügungshungrig sanft
veränderlich rücksichtsvoll
faul ehrlich
Do niedrig
90 90 a7
40
35 35
45 35
80 35 30 80
35 25 30 25
35 30 35 40 25
35 25 30 30
30 30 40 30
70 30 70
25 30
35 25
20 35
30 25 25 30 20 20
25 25 25 35 35
60 20 25 60
20 25 25
20
25 30 30
20 15 20 20 15 20
50 20 30 20 25 50
20 15
15 15 15
15 20 20 30 25
15 25 15 25 10
40 15 15 40
10 10 20 15
10 15
Standardwerte
10 15
10 20
10
30 10 10 15 20 5 20 30
10 15 5
5 5 25 10
10 5 10 10
5 15
0
20 5 15 20
Univ.-Prof. Dr./UCB A.B. Weinert (Ph.D.), Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg.
0 5 10 15 5 0
5 0 10
Experimentelle Form. Nachdruck oder Nachahmung in jedweder Form nicht ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers
Die Dimensionen und die Messung von Führungskompetenz
0 5 0 5 5
10
6. Zwei praktische Interpretationsbeispiele
10 0 10 20 5 10
0 10
0 5 5
0 0 0 5 0
0 0
Einsatz
Toleranz
Mitgefühl
Flexibilität
Dominanz
Feingefühl
Anpassung
Geselligkeit
Wohlbefinden
von Intelligenz
Leistung durch
Leistung durch
Guter Eindruck
Erhalter
Erfolgspotential
Selbstbejahung
Unabhängigkeit
Konventionalität
Eigenständigkeit
Psychologisches
Verantwortlichkeit
Soziales Auftreten
Soziale Anpassung
Rationalität/Intuition
Selbstbeherrschung
vorhandener
Beispiel 1: Der „Erhalter vorhandener Umstände“ bzw. der „Verwalter“
Rohwerte Zustände
127
90 90 g5
35 40 25
80 35 35 25 80
25 45
30 35 35 30 25
35 35 30 40
30 25
70 30 40 35 30 70
30 30 20
20
30 20 25 25
35 35 20
25 30 25 25 30
60 25 25 35 35 25 60
25 20
30 30 15
20 20 15
20 30 25
15 25 20 20
50 20 20 25 30 20 15 50
20
25
15 25 20
15 15 15 15 10
20 20 15
40 15 25 40
10 15 15 15 10
10 20 20
15 10 15 10
Standardwerte
10 10
10
15 20 15 10 5
30 10 5 15 30
10 10 10 10 5 10
5 5
5 5
10 0 15 10 5 5 5
Beispiel 2: Der „Change Agent“ bzw. der „Auslöser“
20 5 5 10 20
Univ.-Prof. Dr./UCB A.B. Weinert (Ph.D.), Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg.
0 0
5 5 5
0
Die Dimensionen und die Messung von Führungskompetenz
Experimentelle Form. Nachdruck oder Nachahmung in jedweder Form nicht ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers
5 0 10 5
0 0
5 0 0 0 5 0
10 0 10
0 0
0 0
5 0
0 0
0 0
Toleranz
Mitgefühl
Flexibilität
Dominanz
Intelligenz
Feingefühl
Anpassung
Geselligkeit
Einsatz von
Wohlbefinden
Leistung durch
Leistung durch
Auslöser
Guter Eindruck
Erfolgspotential
Selbstbejahung
Unabhängigkeit
Konventionalität
Eigenständigkeit
Psychologisches
Verantwortlichkeit
Soziales Auftreten
Soziale Anpassung
Rationalität/Intuition
Selbstbeherrschung
von
Rohwerte Veränderungen
129
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Competencies statt Anforderungen –
nur alter Wein in neuen Schläuchen?
Werner Sarges
Damit beeinflusste McClelland, wenn auch mit Zeitverzug, sowohl die akademische
Disziplin der Arbeits- und Organisationspsychologie als auch die populäre Psycholo-
gie in starkem Maße. Seine Ansichten und weiteren Veröffentlichungen sind seit den
80er-Jahren sehr umfangreich in Presse und Managementliteratur, aber auch in psy-
chologischen Textbüchern für Studenten gewürdigt worden. Und der Glaube an die
Richtigkeit seiner Betrachtungen ist inzwischen so weit verbreitet, dass man von ei-
nem „common knowlegde“ sprechen könnte (Barret & Depinet, 1991; Barret, 1994).
Allein in der letzten Dekade haben tausende von Firmen weltweit Competency-Unter-
suchungen in Auftrag gegeben, die als Basis für Entscheidungen über Einstellungen,
Trainings, Promotions und andere HR-Aktivitäten dienen. Competencies sind inzwi-
schen im Beratergeschäft derart „in“, dass sich letztlich kaum mehr ein HR-Berater
dem entziehen dürfte – zumal sich mit Competency-Models nach wie vor guter Um-
satz generieren lässt. Dies alles gilt natürlich nicht nur für die USA, sondern – wegen
der Internationalität der weltweit operierenden Konzerne – auch für Europa, und das
wohl auch noch für eine geraume Weile: „Competence – and its role in achieving peak
performance – remains one of the hot issues in business today“ (Zwell, 2000).
Indes: In dem jüngst erschienenen deutschsprachigen Lehrbuch der Personalpsycholo-
gie, das der renommierte Eignungsdiagnostiker Schuler (2001) herausgegeben hat,
kommen weder der Anglizismus „Competency“ noch das im Deutschen durchaus
geläufige Fremdwort „Kompetenz“ vor, dafür aber der in der Arbeits- und Organisati-
onspsychologie hinreichend etablierte, gute alte Begriff „Anforderungen“ bzw. „An-
forderungsmerkmale“ – und zwar in diversen Schattierungen: Eigenschaftsanforde-
rungen, Verhaltensanforderungen, tätigkeitsspezifische und tätigkeitsüber-greifende
Anforderungen, Anforderungen an Führungskräfte etc. Dies kann man auch als einen
passiven Widerstand deutschsprachiger Wissenschaftler gegen eine in ihren Augen
überflüssige Mode werten. Auch manche amerikanische Kritiker meinen, dass Com-
petencies bestenfalls als ein trendiges Wort für Fähigkeiten/Fertigkeiten sind (Wood-
ruffe, 2000, S. 87; Barrett & Depinet, 1991; Barrett, 1994), also für gängige Kategori-
en, in denen man gewöhnlich Anforderungen an einen Job formuliert. Und davon ist
sicherlich Manches wahr.
Ist dies alles nun lediglich ein oberflächlicher Streit um Bezeichnungen oder doch
mehr? Es hat ein bisschen etwas von beidem. Zur Klärung dieser Frage wollen wir die
Entstehungsgeschichte kurz betrachten und von da aus die weitere Entwicklung der
Competency-Idee verfolgen und beurteilen.
Er begründete dies mit Befunden aus der Forschung und eigenen Erfahrungen/Ein-
drücken. (Inzwischen ist übrigens zumindest seine erste Behauptung bei weitem nicht
mehr haltbar (Schmidt & Hunter, 2000).)
Konsequenterweise suchte er daraufhin neue Wege, um an die leistungsrelevanten An-
forderungsmerkmale eines Berufes oder Jobs heranzukommen, und in dem 1973 er-
schienen Artikel demonstrierte er anhand eines Beratungsprojekts, wie er die oft sehr
versteckten, für den betreffenden Job aber tatsächlich erfolgsrelevanten Merkmale,
die er dann „Competency“-Variablen nannte, herausfindet.
Seine Methode ist durch zwei zentrale Bausteine charakterisiert: durch den Erhebungs-
plan des Kontrastgruppendesigns und das Erhebungsinstrument des Behavioral Event
Interviews (BEI). Um für einen gegebenen Job (z. B. Abteilungsleiter) oder eine Rolle
(z. B. das Leiten von Meetings) die relevanten Competencies zu finden, betrachtet er
zwei in ihrer Leistung hinreichend verschiedene Gruppen: Top- versus Medium-Perfor-
mer. Probanden beider Gruppen müssen dann in spezifischen Einzelinterviews (BEIs)
jeweils drei Vorkommnisse aus ihrem Job beschreiben, bei denen sie sehr erfolgreich,
und drei Vorkommnisse, bei denen sie deutlich weniger erfolgreich waren. Dabei müs-
sen sie erzählen, was jeweils die Ausgangslage war, wie sie gehandelt haben, was sonst
noch eine Rolle spielte, und was schließlich als Ergebnis dabei herauskam. Nach Analy-
se der Geschichten sucht McClelland dann nach Mustern: welche besonderen Compe-
tencies die Top-Performer zeigen, die die anderen nicht haben und vice versa. Dabei
folgte er der Idee von Flanagan (1954) mit seiner so gennannten „Critical Incident Tech-
nique“, die kritische Traits und Skills für erfolgreiches Verhalten in einer bestimmten
beruflichen Position zu identifizieren hilft. Aber Flanagans Critical-Incident-Technique
beachtete primär das Verhalten, nicht aber auch die Gedanken und Gefühle oder gar
Motive, insofern wurde dieser Ansatz durch McClelland von der engen behaviouisti-
schen Perspektive befreit.
Was ist nun der Nutzen dieser Vorgehensweise? In der Tat erhöht eine solche Anforde-
rungsanalyse deutlich die Chance, wirklich erfolgsrelevante Merkmale eines Jobs zu
finden, statt nur vermeintlich wichtige, faktisch aber wenig entscheidende Merkmale
als Anforderungen heranzuziehen – ein in der Praxis auch heute noch weit verbreiteter
Fehler. Und damit hat McClelland unzweifelhaft einen großen Fortschritt in der Ver-
besserung der Anforderungsanalyse erreicht, der auch in die klassische Arbeits- und
Organisationspsychologie integriert wurde. Allerdings ist deren Arsenal an Methoden
umfassender als der von McClelland hier vorgeschlagene und von vielen Competency-
Jüngern praktisch allein beibehaltene Weg, die damit die Möglichkeit eines Mono-
Methoden-Fehlers ignorieren. Nun ist es natürlich nicht so, dass man mit der besonderen
Methode der Anforderungsanalyse von McClelland immer deutlich andere Anforde-
rungen erhielte als mit den diversen herkömmlichen Methoden. Dies merkten Barrett
und Depinet (1991, S.1020) denn auch polemisch an: „Did the techniques of Klemp
and McClelland (1986) identify any competencies different from the constructs already
developed and tested for many years by other techniques, such as assessment centers?
For example, was the competency of planning and causal thinking identified by
Klemp and McClelland any different form the variable labeled organization and plann-
ing, identified 20 years earlier (Bray & Grant, 1966)?“. In diesem Beispiel nicht, aber
das muss ja auch nicht immer, könnte aber gelegentlich der Fall sein.
136 Werner Sarges
1. Man erlaubte sich einfach eine größere Unbefangenheit in Richtung auf die All-
tagssprache.
2. Man konnte die Zukunft explizit mit einbeziehen, die Competencies auf die Unter-
nehmensstrategie beziehen und teilweise sogar einen breiteren Bezugsrahmen für
viele wichtige HR-Aktivitäten erhalten.
Dass die neue Lockerheit bei der Namensgebung von Competencies aber auch die Ge-
fahr der Laxheit in der Begriffspräzision birgt, soll folgendes Beispiel belegen: Wenn
man – wie Henderson, Anderson und Rick (1995, S. 22) es tun – unter der Competen-
cy-Bezeichnung „Interpersonal Skills“ die folgenden Indikator-Merkmale subsumiert
• Creativity
• Initiative
• Judgement
• Negotiation
138 Werner Sarges
• Integrity
• Empathy
• Persuasiveness
• Assertiveness,
dann verwirrt man jeden halbwegs begriffssensiblen Beurteiler. Denn Creativity ist
ein Merkmal aus dem kognitiven Bereich und Initiative eines aus dem motivatori-
schen, nicht aus dem interpersonellen Bereich – von anderen kritischen Zuordnungen
hier gar nicht erst zu reden. Derartige Beispiele begrifflicher Unsauberkeit finden sich
in vielen Competency-Listen leider allzu oft. Begriffliche Klarheit ist also gefragt und
sollte mit Nachdruck eingefordert werden.
Von daher kann man die Empfehlung von Woodruffe (2000, S. 95) nur unterstreichen,
dass die Bezeichnung für eine Competency ein Wort sein sollte, das den gemeinsamen
Nenner der Indikator-Merkmale auch tatsächlich trifft. Beispielweise könnte man ein
Cluster mit den Verhaltensweisen
• Identifies priorities
• Thinks back from the deadline
• Identifies elements of task
• Anticipates resource requirements
• Allocates resources to tasks
• Manages own and others’ time
recht treffend mit Organisation bezeichnen.
Eine Competency repräsentiert also eine mehr oder weniger komplexe Konstellation
von Komponenten, d. h. psychologischen Verhaltensmerkmalen. Und logischerweise
sind die Konstellationen oder Cluster solcher Merkmale, die eine Competency ausma-
chen, größer bei breitgefassten Competencies und kompakter bei enger gefassten.
stand zu beziehen. Dies heißt nun keinesfalls, dass man vergangenheitsorientierte An-
forderungsanalysen unterlassen könnte. Denn nach wie vor benötigt man Informatio-
nen aus der Analyse der bestehenden Arbeitsplätze und der derzeitigen Hoch- und
Schwachleister, und es existieren auch wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse über
Merkmale, die mit Leistung über verschiedene Berufe und Organisationen hinweg
substantiell korrelieren (Hossiep, 2000, 2001; Hough/Oswald, 2000).
Dennoch war und ist die Zukunftsbezogenheit von Competencies ein genuines Sur-
plus gegenüber Anforderungen aus nur klassischen Anforderungsanalysen. Zusätzli-
cher Vorteil: Da Competencies meist so formuliert sind, dass sie beschreiben, was ex-
zellente Leistung in einem Job oder einer Rolle sein sollte (= klare Definition der Leis-
tungsstandards), kann die Verwendung von Competencies – so die Hoffnung – auch zu
einer weiteren Anhebung der Leistungsniveaus im ganzen Unternehmen führen.
allgemeine Zukunftserwartung spielen vermutlich doch eine größere Rolle als die Be-
sonderheit der einzelnen Unternehmung im Hier und Jetzt bzw. im Dann und Dort –
auch wenn die Eigenwahrnehmung oft anders aussieht.
Beispiele der Beratungsfirma McBer etwa für verschiedene Job-Kategorien liefern
Spencer und Spencer (1993, S.159 ff.): für Technicians & Professionals, Salespeople,
Helping & Human Service Workers, Managers und Entrepreneurs. Die Formulierun-
gen der Competencies sind dabei eher akademisch gehalten, aber sie werden im kon-
kreten Beratungskontext dann der unternehmensspezifischen Sprachkultur sowie sons-
tigen Bedürfnissen des Auftraggebers angepasst. Wobei man aber sagen muss, dass
die Dinge so kundenspezifisch („customer tailored“), wie manche Berater es vorge-
ben, oft nun auch wieder nicht sind.
Auch die Verhaltensindikatoren pro Competency werden angepasst, und zwar an die
Jobs, z. B. für die Competency „Impact and Influence“ explizieren Spencer und Spen-
cer (1993)
• für Technicians & Professionals: Uses direct persuasion, facts and figures; gives
presentations tailored to audience; shows concern with professional reputation;
• für Salespeople: Establishes credibility; addresses customer’s issues/ concerns; in-
direct influence; predicts effects of own words and actions.
Außerdem sind Competencies von unterschiedlichem Grad der Generalisierbarkeit:
Stark generalisierbar wäre etwa die „Fähigkeit, andere zu überzeugen“, nur in gewis-
ser Weise generalisierter wäre die „Fähigkeit, potenzielle Kunden zu überzeugen, die
Vorteile eines Finanz-Anlagenprodukts oder -Services zu überdenken“.
Zur Illustration (vgl. Abbildung 2) sind nachfolgend Competency-Listen für Manager
von drei bekannten Firmen wiedergegeben.
Weltweit gibt es viele Competency Models, spezifische und generelle, mehr aus der
akademischen Welt kommende und solche aus der Praxis. Die praxis-basierten Mo-
delle sind in der Regel weiter entwickelt und detaillierter in Richtung auf Instrumen-
tierung, Verhaltensanker und zugeordnete Entwicklungsinstrumente. Die akademi-
schen Modelle dagegen versuchen, eine kleinere Anzahl von generellen Dimensionen
zu finden, die ein umfassendes, dennoch sparsames Instrumentarium für die Domäne
relevanter Anforderungsmerkmale darstellen. Was man nunmehr immer dringlicher
braucht, ist die Kombination aus Sparsamkeit und Struktur der akademischen Modelle
und Brauchbarkeit und Praktikabilität der Modelle, die in der Praxis entwickelt wur-
den (Kurz/Bartram, im Druck).
Die meisten größeren Beratungsfirmen bieten inzwischen hierarchische Modelle an,
aus denen sie in Zusammenarbeit mit dem Kunden die relevanten Competencies samt
geeigneter Komponenten zusammenstellen und firmenspezifisch benennen. Derartige
Modelle konstituieren sich durch eine kleine Zahl breiter Faktoren bzw. Cluster oben,
eine erweiterte Anzahl von „Competencies“ oder „Dimensions“ in der Mitte und eine
große Menge von Komponenten oder Elementen unten. Abbildung 3 zeigt dies synop-
tisch für die Beratungsfirmen DDI (Development Dimensions International, Pitts-
burgh, USA), PDI (Personnel Decisions International, Minneapolis, USA) und SHL
(Saville & Holdsworth, Thames Ditton, UK).
Competencies statt Anforderungen 141
• Social skills
Communication skills
Social confidence
• Thinking skills
Analytical thinking
Proactive Thinking
• People development
Dabei haben Kurz und Bartram (in press) von SHL die Brücke zwischen Wissenschaft
und Praxis besonders vorbildlich geschlagen. Unter Bezug auf den derzeitigen Stand
der akademisch-organisationspsychologischen Forschung, aber nicht zuletzt auch auf
Basis umfangreicher eigener Analysen schlagen sie eine Struktur mit acht breiten Fak-
toren vor, die „Big Eight“:
• „g“ oder generelles analytisches Denken,
• die „Big Five“ Persönlichkeitsfaktoren (Extraversion, emotionale Stabilität, Offen-
heit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit),
• die zwei Motivationsfaktoren Leistungsmotivation und Machtmotivation.
142 Werner Sarges
6 8 8
Clusters Factors Factors
e.g. Expressing Individual e.g. Thinking Skills e.g. Interacting &
Potential Presenting
ca. 50 ca. 25 20
Dimensions/ Competencies Dimensions
Competencies e.g. Analytical Thinking e.g. Persuading &
e.g. Adaptability Influencing
Angesichts von so viel Unbestimmtheit auch in Bezug auf die Änderung der Anforde-
rungen sowie der beruflichen Weiterentwicklung der Mitarbeiter sollte man zugleich
auf die generalisierbaren Potenziale, d. h. auf die Basiskompetenzen im Leistungs-
und Persönlichkeitsbereich setzen. Diese sind bei der Vielzahl möglicher Einsatzbe-
reiche häufig sogar ausschlaggebender als die optimale aktuelle Passung einer Person
zu einer bestimmten Position (Wottawa, 2000b). Merkmale, die relativ unabhängig
von den spezifischen Anforderungen einer konkreten Führungsfunktion beispielswei-
se als erfolgsrelevant gelten können, sind nach dem heutigen Forschungsstand: allge-
meine Intelligenz, Leistungsmotivation, Selbstvertrauen, Dominanz, soziale Kompetenz,
Integrität, insbesondere aber Flexibilität und Lernpotenzial (Schuler, 2001, S. 55 ff.).
„The ability (and willingness) to learn from experience may prove to be more impor-
tant in the long run than a high rating in a currently valued competency“ (Spreitzer/
McCall/Mahoney, 1997, S. 6; vgl. auch Sarges, 2000).
Des Weiteren: Die Messinstrumente, die für die vielen Competency Models der letz-
ten 20 Jahre angeboten wurden, sind zumeist nicht nach den nötigen psychometri-
schen Standards konstruiert und evaluiert worden (Barrett/Depinet, 1991; Kurz/
Bartram, im Druck). Kommt hinzu, dass man zur Erfassung von Competencies über-
wiegend zu sog. BARS (Behaviorally Anchored Rating Scales) Zuflucht genommen
hat und damit doch sehr stark mono-methodisch vorgegangen ist.
Schließlich: Die Basis von Competencies sind eindimensionale Persönlichkeitsdispo-
sitionen sowie Fähigkeits- und Fertigkeits-Attribute. Eine Competency ist somit ein
multidimensionaler Komplex von psychologischen Attributen (Merkmalen), der Dis-
positionen und Fähigkeiten/Fertigkeiten mit Verhalten verknüpft (Kurz/Bartram, im
Druck). Dies gilt es, systematisch und multimethodal zu erfassen und nicht nur mit
Ratings von Vorgesetzten auf BARS.
Schuler hat dazu eine geeignetes Bezugskonzept entwickelt, dessen Kern die Unter-
scheidung dreier methodischer Ansätze in der Berufseignungdiagnostik ist, nämlich
Eigenschaftsansatz, Simulationsansatz und Biographischer Ansatz; diesen entspre-
chen als Methoden Tests, Arbeitsproben und biographische Information (vgl. Abbil-
dung 4).
Eigenschaften
T
e
s
t
s
Kon-
strukt
Validierung
Inhalt Kriterium
Bio
ionen grap
ulat hie
Sim
Verhalten Ergebnisse
Und er weist zu Recht darauf hin, dass kein wichtiges Merkmal beruflicher Eignung
mit nur einer einzelnen diagnostischen Methode ernsthaft zu ermitteln ist, weshalb
schon seit langem das Prinzip der Multimethodalität der Messung empfohlen wird,
zumindest zur Erfassung der zentralen Anforderungsmerkmale (Schuler 2000a, S. 63).
Multimethodalität ist übrigens kein Spezifikum der Eignungsdiagnostik, sondern ge-
nerell von großem Nutzen zur validen Informationsgewinnung auch in sonstigen Be-
reichen der Management-Arena (Brocklesby, 1997) und vermutlich auch andernorts.
Ein weiteres interessantes Rahmenmodell haben Kurz und Bartram (in press) jüngst
entworfen und mit dem plakativen Namen „WoW“ (World of Work) betitelt: „This ...
offers a broader perspective on competency based approaches to human resources ma-
nagement (HRM) by providing a common „surface“ language for both worlds (i. e.
world of work and world of assessment), with firm links to „deep“ underlying psycho-
logical constructs“. Man darf auf die Veröffentlichung dieses Bezugsmodells gespannt
sein.
6. Abschließendes
Weil durch anhaltende Globalisierung, technologische Evolutionen und firmeninterne
Reorganisationen die Mitarbeiter immer effektiver und effizienter eingesetzt werden
müssen, ist man von Seiten des HR-Managements natürlich ständig auf der Suche
nach Methoden und Instrumenten, die diesen Zielen dienlich sind. Als die Rede von
Competencies aufkam, erfreuten sie sich deshalb so schnell so großer Beliebtheit,
weil sie den Bedürfnissen der Praxis endlich entgegen kamen. Die Praxis konnte ihre
eigenen Konzepte und Namen einbringen, Best Practice-Standards formulieren und
die Zukunftsorientierung einbauen. Nunmehr allerdings gilt es, die Präzision der Mes-
sung voran zu treiben und Nachweise der Validität dieser Messergebnisse für die be-
rufliche Leistung zu erbringen, denn adäquate Validierungskonzepte sind vorhanden.
Für das Gesamtverständnis darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass die in den USA
entstandene Competency-Bewegung in Deutschland zumindest den Weg von einer
Konvergenz mit einem einflussreichen Trend aus dem Bereich der hiesigen berufli-
chen Weiterbildung weiter geebnet bekam: Unter dem Druck des wirtschaftlichen und
sozialen Wandels hat die deutsche Arbeits- und Berufspädagogik schon vor einiger
Zeit ihr Konzept vom Berufskönnen (fremdorganisiert) über die Berufsqualifikation
(selbständig) zur Berufskompetenz (selbstorganisiert) erweitert (Arnold, 1997), wobei
unter Kompetenz zumindest die Befähigung verstanden wird, in einem beruflichen
Aufgabengebiet erfolgreich arbeiten zu können (Weiß, 1999) – was dem Bedeutungs-
gehalt des Competency-Konstrukts durchaus entspricht –, in einem weitergehenden
Verständnis aber sogar die Befähigung zu selbstorganisiertem Lernen meint (Beer-
mann, 2000) – was der immer mehr propagierten Schlüsselkompetenz „Lernpotenzi-
al“ sehr entgegen kommt (z. B. Erpenbeck/Heise, 1999; Wildmann, 2001).
Zum Schluss noch einmal die wichtigsten publikatorischen Eckpunkte zur Geschichte
der Competency-Bewegung. Zunächst gab es einen Dreischritt: ausgehend von
McClelland (1973: Testing for competence rather than for intelligence) über Boyatzis
146 Werner Sarges
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Wirtschaftskompetenz in der Politik –
ein Werkstattbericht
Frank Albe/Gisela Nissen-Baudewig
1. Einleitung
1.1 Rahmenbedingungen
1.2 Politik als Beruf
2. Zielsetzung und Vorgehen der Untersuchung
2.1 Ziele des Instituts
2.2 Untersuchungsdesign und idealtypisches Vorgehen
3. Ausgangslage
3.1 Wahlbürgerbefragung durch infas
3.2 Vorgefundene Haltung in den untersuchten Bundesländern
3.3 Datengrundlage in der WiKOMP(r)-Datenbank
3.4 Vergleich: Desk Research versus Gesamtergebnis
4. Desk Research in den neu gebildeten Landtagen
4.1 Datengrundlage
4.2 Ergebnisse im Ländervergleich
4.3 Ergebnisse im Parteienvergleich
5. Ausblick
1. Einleitung
1.1 Rahmenbedingungen
Die Wertschätzung, die der politischen Klasse in Deutschland entgegengebracht wird,
tendiert mittlerweile gegen Null.1 Die Boulevard-Presse, aber auch dereinst seriöse
Medien beschreiben generalisierend die Politikerklasse vorrangig als inkompetent,
-visionslos, nicht durchsetzungsfähig, egozentrisch und mit einer Mentalität der
Selbstbedienung und Machtgier ausgestattet. Dieses Gefühl geißelte insbesondere der
Altbundeskanzler Gerhard Schröder in seiner letzten Rede auf dem SPD-Parteitag im
November 2005 sinngemäß als ein „Politiker Bashing“.2 Dieses Verhalten weist eine
Gefahr auf, da „am Ende dieses Weges nicht mehr Demokratie steht, sondern deutlich
weniger“. 3
Das beschriebene Gefühl mag bei Gerhard Schröder besonders stark ausgeprägt sein,
trifft aber auch für die überwältigende Mehrheit der Politiker zu. Sie sieht ihre hoch-
Das erste Forschungsfeld ist die empirische Erhebung der Kompetenzprofile9 von
Politikern, die den Status quo der Wirtschaftskompetenz in deutschen Parlamenten
aufzeigt und über definierte Zeiträume Vergleiche und Veränderungen – vor allem
aber auch qualitative Entwicklungen – von Wirtschaftskompetenz dokumentiert.
Im den ersten gut 18 Monaten der Institutsarbeit von Februar 2004 bis August 2005
fanden Wahlen zu den Landesparlamenten in Thüringen, Saarland, Brandenburg,
Sachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen statt, sowie die vorgezogene
Bundestagswahl im September 2005. Die Wirtschaftskompetenz der Bewerber um
Mandate in den Landesparlamenten in diesen sechs Bundesländern war Gegenstand
der ersten Projekte des Instituts. Die Erhebungen in diesem Bereich sollen die Ab-
sprungbasis für weitere Diskussionen und die Beobachtung von Entwicklungen der
Wirtschaftskompetenz von Politikern bilden.
Zur weiteren Konkretisierung des Begriffs Wirtschaftskompetenz werden zunächst
zentrale Kompetenzfelder abgegrenzt, die im Rahmen der Untersuchungen realpoliti-
sche Handlungsfelder der Landespolitik genannt werden.10 Diese sind definiert an-
hand unternehmerischer Aufgabenbereiche und deren Transformation in den Bereich
der Politik. So werden z. B. Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Bereich der Finan-
zen und Investitionen als relevant für das Politikfeld Wirtschaftsförderung betrachtet,
und die Haushaltsplanung – heutzutage besser Haushaltssanierung – wird mit dem
Controlling-Verständnis gekoppelt, das Planung, Steuerung und Kontrolle umfasst.11
Diese Beispiele sollen genügen, um die verwendete Verknüpfung von betriebswirt-
schaftlichen Erfahrungshintergründen und den volkswirtschaftlich beeinflussbaren
realpolitischen Handlungsfeldern zu verdeutlichen. Folgende realpolitische Handlungs-
felder sind auf Grund der benannten Vorgehensweise herausgearbeitet worden:
• Arbeitsmarkt/Human Resources
• Haushaltsplanung/Controlling
• Wirtschaftsförderung/Finanzen und Investitionen
• Projektmanagement
• Unternehmerische Erfahrung
Allerdings entzieht sich Kompetenz der direkten Beobachtung und muss daher operatio-
nalisiert werden. Diese Operationalisierung erfolgt über Eigenschaften der Politiker, deren
Ausprägungen wiederum Rückschlüsse auf das individuelle Kompetenzprofil zulassen.
Bei jeder Bewerbung um einen Arbeitsplatz ist der Lebenslauf zentrales Element; er
wird in jedem Stellenangebot gefordert, der Lebenslaufanalyse ist in nahezu jedem
Lehrbuch für die Personalwirtschaft ein eigener Abschnitt gewidmet. Aus diesem
Grund ist dann wohl auch auf den Websites nahezu aller Politiker die Rubrik Lebens-
lauf/Vita zu finden. Deshalb sind die formale Ausbildung und die praktische Berufser-
fahrung des einzelnen Politikers die Eigenschaften, die im ersten Schritt zur Ermitt-
lung der Wirtschaftskompetenz herangezogen werden. Diese Annahme baut darauf
auf, dass Ausbildung und Berufserfahrung das Fundament für einen kompetenten Um-
gang mit wirtschaftlichen Fragestellungen bilden und sich Kompetenz in der konkre-
ten beruflichen Erfahrung entwickelt. Hinzu kommen Erfahrungen in politischen Äm-
tern und in Ehrenämtern mit wirtschaftlichem Bezug.
154 Frank Albe/Gisela Nissen-Baudewig
3. Ausgangslage
3.1 Wahlbürgerbefragung durch infas
Eine wesentliche Grundlage zum Aufbau des IEWP war die Prämisse, dass in der
Öffentlichkeit ein breites Interesse an der Kompetenz der Politiker besteht. Gleich-
zeitig wurden die fehlenden Informationen über diesen Bereich ausgemacht.
Zur Fundierung dieser Annahme hat das IEWP das Institut für angewandte Sozial-
wissenschaften GmbH (infas) mit einer Untersuchung beauftragt, in der jeweils 500
Wahlberechtigte in den zur Wahl aufgerufenen Bundesländern Brandenburg, Saarland
und Sachsen nach ihrer Einschätzung befragt wurden.
Kurz zusammengefasst wurde mit den Ergebnissen – unabhängig vom Bundesland –
deutlich, dass die Bürger ein sehr großes Interesse an dem Kompetenzprofil der Politiker
haben und dass sie gleichzeitig mit den Informationen über die Qualifikation der Politi-
ker nicht zufrieden sind. Die beiden folgenden Abbildungen 2 und 3 geben an, wie groß
der Anteil der Befragten ist, die mit „wichtig/sehr wichtig“ geantwortet haben.
Gefragt danach, wie gut sich die Bürger über die Fachkompetenz von Politikern im
Wahlkampf informiert fühlten, ergab sich in den drei Bundesländern ein einheitliches
Bild. Die nachfolgenden Werte ergaben sich als Mittel der Nennung auf der Skala
zwischen 1 (sehr gut) und 5 (mangelhaft).
Im Gesamtbild wird deutlich, dass die befragten Bürger
Thüringen
In Vorbereitung der Untersuchung wurden Gespräche mit den Fraktions- bzw. Partei-
spitzen von CDU, SPD, PDS, B90/Grüne und FDP geführt. Das Vorhaben wurde
zunächst von allen Parteien prinzipiell positiv bewertet; trotzdem haben die Fraktions-
spitzen im Landtag ihren Abgeordneten empfohlen, nicht an der Untersuchung teilzu-
nehmen; die Parteien in Thüringen – bis auf die FDP – haben sich an diese Empfeh-
lung gehalten. Zwei parteilose Bewerber in Thüringen haben nach Bekanntgabe des
Vorhabens in Eigeninitiative an der Untersuchung teilgenommen. Die Landtagsspitze
hat in Form einer sehr eindrucksvollen großen Koalition von CDU, SPD und PDS einen
Brief an alle anderen Länderparlamente verfasst und vor dem Forschungsansatz ge-
warnt.14 Diese unverhohlen vorgetragene Gegnerschaft zum Institut war erster Beleg
dafür, dass Politik auf die Kompetenzuntersuchung und ein professionelles Umgehen
mit einem solchen Ansatz nicht nur nicht vorbereitet war, sondern auch eine Gefahr in
ihr sah und deshalb die Reihen sehr schnell geschlossen hat.
Wirtschaftskompetenz in der Politik – ein Werkstattbericht 159
Saarland
Auch hier waren Gesprächstermine mit den Spitzen von CDU, SPD, B90/Grüne und
FDP vereinbart. Sowohl CDU als auch SPD haben diese Termine kurzfristig abgesagt.
So hat sich die CDU im Saarland auch komplett einer Teilnahme an der Untersuchung
verweigert; von der SPD nahmen nur wenige Politiker teil. Anders bei den kleineren
Parteien: FDP und B90/Grüne haben sich mit erfreulichen hohem Anteil beteiligt.
Sachsen
Auch in Sachsen wurden Gesprächstermine mit den Fraktions- bzw. Parteispitzen von
CDU, PDS, SPD, B90/Grüne und FDP angefragt. Stellvertretend für alle Parteien im
Landtag wurde von Seiten der CDU mitgeteilt, dass an der Untersuchung kein Interes-
se und daher auch kein Gesprächsbedarf besteht. Dieser Alleinvertretungsanspruch
der CDU entbehrte zumindest für die PDS einer Grundlage.
Brandenburg
In Brandenburg wurden Gespräche sowohl mit Landtagspräsident Dr. Knoblich (SPD)
wie auch mit Partei- bzw. Fraktionsspitzen von CDU, PDS, B90/Grüne, FDP und
DVU geführt. In allen Gesprächen wurde prinzipielle Zustimmung zum Forschungs-
vorhaben signalisiert. Mit einer Teilnahmequote von annähernden 50 % wurde der Rating
Report am 9. September 2004 wie geplant vor der Landtagswahl veröffentlicht.15
Festzuhalten bleibt dennoch, dass nicht wenige Politiker trotz anders lautender Emp-
fehlungen der Parteigremien ihre Unabhängigkeit und ihren Willen zur Transparenz
durch die Teilnahme an den Untersuchungen dokumentierten.
Schleswig-Holstein
Auch in Schleswig-Holstein wurden die Fraktionen bzw. die im Landtag vertretenen
Parteien im Vorfeld der Untersuchung angeschrieben. Es fanden persönliche Ge-
spräche mit Vertretern von CDU, FDP und SSW statt; trotz vielfältiger Initiative des
Instituts konnten mit SPD und B90/Grüne keine Gesprächstermine zustande kommen.
Die Teilnahme der Oppositionsparteien lag zwischen 80 bis 100 %.16
Nordrhein-Westfalen
Ebenso wie in Schleswig Holstein wurden die Fraktionen bzw. die im Landtag vertre-
tenen Parteien im Vorfeld der Untersuchung angeschrieben. Es fanden persönliche
Gespräche mit Vertretern von CDU und FDP statt; SPD und B90/Grüne verhielten
sich wie in Schleswig-Holstein. Insgesamt konnte mit 58 % der 100 am besten
bepunkteten Politiker ein Interview geführt werden. Auch hier haben die damaligen
Oppositionsparteien CDU und FDP eine Quote von über 70 % erreicht.17
Die Zusammenarbeit mit den Parteien bzw. den Politikern wird dabei ausdrücklich ge-
sucht. Die Erfahrung zeigt bislang, dass in denjenigen Parteien, deren Spitzen die
160 Frank Albe/Gisela Nissen-Baudewig
Abbildung 5: Teilnahme der Parteien in den Ländern in Prozent der angeschriebenen Politiker
Wirtschaftskompetenz in der Politik – ein Werkstattbericht 161
Die Abbildungen auf den folgenden Seiten zeigen die Selbst- und Fremdeinschätzung
der befragten Politiker in Nordrhein-Westfalen, ähnliche Ergebnisse wurden auch für
Schleswig-Holstein festgestellt.
Es zeigt sich über alle Parteien hinweg immer das gleiche Muster: Die Einschätzung
der Kompetenz der eigenen Partei ist stets mit dem besten Wert versehen, während die
eigenen Fähigkeiten schlechter eingeschätzt werden. Die Ergebnisse dieser Analyse
im Rating Report Brandenburg haben zudem gezeigt, dass die Bürger die Parteien
deutlich schlechter bewerten, als die Politiker sich selbst bewerten. Die schlechteste
Bewertung erhalten die Parteien jedoch vom politischen Gegner.
Bei der Betrachtung der Abbildung 6 fällt ein gleichbleibendes Muster auf. Es kom-
men für diesen Effekt verschiedene Erklärungsansätze in Frage:
• Der Konkurrenzgedanke kam bei der Bewertung durch die Mitbewerber so sehr
zum Tragen, dass die Bewertung dementsprechend schlecht ausfiel.
• Politiker haben eine bessere Übersicht über die Kompetenzen des politischen Geg-
ners, die mangels Transparenz dem Bürger nicht zuteil wird.
• Die Entscheidung, in der Politik aktiv zu werden, ist sehr stark von Weltanschau-
ungen geprägt, die wiederum eine Ablehnung anderer Perspektiven beinhaltet. So
muss zwangsläufig der politische Gegner schlechter bewertet werden.
Abbildung 6: Vergleich: Desk Research versus Gesamtergebnis in Prozent von max. 60 bzw.
100 WiKOMP®-Punkten
Wirtschaftskompetenz in der Politik – ein Werkstattbericht 163
die Werte von B90/Grüne. Dagegen setzt sich die FDP deutlich positiv und die PDS
deutlich negativ vom Mittelwert ab.
Die Untersuchungsergebnisse belegen im Allgemeinen einen Nachholbedarf im Be-
reich der Wirtschaftskompetenz. Es kann ein „Experten-Laien-Dilemma“ festgestellt
werden. D. h., auf wenige Experten trifft eine große „Laienspielschar“ in puncto Wirt-
schaftskompetenz. Die angesprochene Grund- bzw. Basiskompetenz – das ökonomi-
sche Denken und Handeln – ist nicht ausreichend nachweisbar und führt bei vielen
Abgeordneten zur selbstverschuldeten Unmündigkeit im Kant’schen Sinne und zu
Abhängigkeiten von Lobbyisten oder Wirtschaftsexperten in den eigenen Parteien.
Der nur seinem Gewissen verantwortliche Abgeordnete beugt sich in Kenntnis seiner
mangelnden Erfahrung sehr häufig und vielleicht auch gerne der Fraktionsdisziplin.
Die Untersuchungen umfassen derzeit über 1.200 Abgeordnete.23 Die nächsten Unter-
suchungen sind in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt an-
gelaufen, sodass mit über 1.550 Parlamentariern nahezu 60 % der insgesamt 2.624
deutschen Parlamentarier auf Landes-, Bundes- und Europäischer Ebene untersucht
wurden. Ergebnisverdichtungen zeigen eindeutig auf, dass bei Parlamentariern Wis-
sen und Erfahrungen im wirtschaftlichen Kontext zwar häufiger als Kernkompetenz
anzutreffen sind, jedoch eine überwiegende Anzahl von Politikern in Ausbildung und
Sozialisation weit von Wirtschaftskompetenz entfernt ist.
168 Frank Albe/Gisela Nissen-Baudewig
5. Ausblick
Aus der bisherigen Arbeit des Instituts ergeben sich daher – ergänzend zur bisherigen
Forschungsarbeit – neue Aufgabenfelder, die in den kommenden Jahren besetzt
werden:
• Einrichtung einer Stiftungs-Professur „Political Economics“ als Institutionalisie-
rung des Themenfeldes Wirtschaft-Politik-Gesellschaft in Lehre und Forschung
der Privaten Fachhochschule Göttingen
• Entwicklung eines Masterstudienganges „Political Economics und Policy“ zur
nachhaltigen Förderung des ausgewogenen wirtschaftlichen Kompetenzzuwachses
in zukünftigen politischen Nachwuchs-Generationen
Dabei wird die bisherige Forschungsarbeit „Kompetenz-Ratings und -Rankings“ als
wichtige Entwicklung betrachtet und fortgesetzt. Angestrebt wird die Entwicklung
eines computerbasierten Wirtschafts-Wissens-Tests für politische Mandatsträger, der
mittelfristig zur Erweiterung der Basis für die Kompetenzwerte führen soll.
Des Weiteren soll der Zukunftsbezug von Kompetenzen – besonders der Kernkompe-
tenzen – für die Politik antizipiert werden, dies ist eine wichtige Voraussetzung für die
Entwicklung des Aufbaustudienganges für zukünftige Politikergenerationen. Dieser
entscheidende Schritt ist nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Politi-
kern aller Generationen möglich.
Wirtschaftskompetenz in der Politik – ein Werkstattbericht 169
170 Frank Albe/Gisela Nissen-Baudewig
Die Fragen werden sein: Wie verändern sich die Anforderungen an die Politiker mit
ihrem Aufstieg? Sind Übertragungen zu jüngsten Forschungen für die Personalent-
wicklung von Managern möglich? Kompetenzen sind neben fachlichen, methodi-
schen und sozial-kommunikativen immer mehr Dispositionen selbstorganisierten
Handelns.24
Begriffe wie Empowerment und Entrepreneurship stehen hier seit längerem im Mittel-
punkt. Inwieweit gelten diese Begriffe auch für die Politik und: Welche Entwicklun-
gen müssen hierfür modifizierend vorangetrieben werden?
Zu guter Letzt – ohne der Ökonomisierung der Politik Vorschub leisten zu wollen –
zeigen die Untersuchungen und die kurz angesprochenen, neuen Untersuchungsfelder,
dass eine ökonomische Herangehensweise und auch insbesondere das „Human
Resources Management“ Ansätze für eine angewandte Politikforschung beisteuern
und fruchtbar machen können. Ein letztes Fallbeispiel soll dies skizzenhaft belegen.
Anmerkungen
1 Wenngleich seit dem Antritt der großen Koalition eine Kehrtwende sich abzuzeichnen scheint,
dieser Trend hat sich jedoch nicht so verfestigt, dass man von einer Umkehr sprechen kann.
2 Hierunter wird das „blinde Einschlagen“ der Medien auf die politische Klasse zum Ausdruck
gebracht.
3 Schröder, G. Parteitagsrede in Karlsruhe, 14. November 2005.
4 Zu nennen sind hier exemplarisch Laurenz Meyer (CDU), Cornelia Pieper (FDP), Sigmar Ga-
briel (SPD), Rolf Kutzmutz (PDS).
5 Nicht das wer herrschen soll, sondern das wie Macht ausgeübt, wie regiert werden sollte, damit
Menschen in Freiheit und menschenwürdig leben können, ist das Ziel von Popper, das er in „Die
offene Gesellschaft und ihre Feinde“ thematisiert. Siehe hierzu auch Eppler, E.; Die Wiederkehr
der Politik, S. 29 ff.
6 Weber, M.; Politik als Beruf, S. 85.
7 Der Vortrag wurde am 25. Januar 1919 in München gehalten. Weber hielt den Vortrag nach an-
fänglichem Zögern auch, um dem „Gesinnungspolitiker“ Kurt Eisner dieses Podium nicht zu
überlassen, die Druckfassung erschien im Herbst 1919, vgl. hierzu auch die Ausführungen von
Leicht., R., Vorwort, S. 8.
8 Weber, M.; Politik als Beruf, S. 27.
9 Die Kompetenzprofile resultieren aus der Recherche der Biografiedaten der Politiker.
10 Auf Bundesebene wird an Wissensfragen gearbeitet, die den volkswirtschaftlichen Zusammen-
hängen im Rahmen einer globalisierten Wirtschaft sowie den steuer-, gesundheits- und sozial-
politischen Fragen einen größeren Raum geben.
11 Vgl. zum koordinationstheoretischen Controlling-Ansatz Küpper, H.-U., Controlling, S. 7 ff.,
Albe, F. Kooperation, S. 152 ff.
12 So finden sich im Online-Katalog der Staats- und Universitätsbibliothek der Universität Göttin-
gen 689 Treffer bei Eingabe des Suchwortes „Kompetenz“ und immer noch 97 Treffer für das
Suchwort „Handlungskompetenz“. www.sub.uni-goettingen.de
13 Siehe hierzu Kapitel 2.1
14 Vgl. Elflein, Chr., Mayer, I.: Testurteil mangelhaft, Focus, 29. Mai 2004, Nr. 23, S. 50
15 Vgl. Rating Report Brandenburg, hrsg. v. IEWP an der Privaten Fachhochschule Göttingen,
Göttingen 2004
16 Vgl. Rating Report Schleswig Holstein, hrsg. v. IEWP an der Privaten Fachhochschule Göttin-
gen, Göttingen 2005
17 Vgl. Rating Report Nordrhein Westfalen; hrsg. v. IEWP an der Privaten Fachhochschule Göttin-
gen; Göttingen 2005
18 In Nordrhein-Westfalen wurde als Interviewgruppe nicht die Grundgesamtheit, wie in den vor-
herigen Wahlen gesehen, sondern nur das beste Drittel interviewt, wobei den Parteiführungen
im Sinne einer „White Card“ ein Vorschlagsrecht eingeräumt wurde.
19 Vgl. den bisher veröffentlichten Rating Report des IEWP
20 Lediglich die 12 Landtagsabgeordneten der NPD im sächsischen Landtag sind aus den bereits
genannten Gründen nicht aufgeführt.
21 In dieser Datenbank sind somit die 601 Profile der 15. Legislaturperiode, sowie die 158 neu hin-
zugekommenen Abgeordneten der 16. Legislatur enthalten. Insgesamt sind also zur Zeit über
1.200 Abgeordnete deutscher Landesparlamente und des Bundestages enthalten.
22 Ein vielsagender Fall ist der eines herausragenden SPD-Bundestagsabgeordneten, der Fehler
unterstellte, auf Nachfrage jedoch verlauten ließ, diese nicht aufklären zu wollen. Nach erneuter
Kontrolle des IEWP, bei der keine Fehler festgestellt werden konnten, verweigerte er die Zu-
sammenarbeit mit dem Hinweis, er würde den Bundestag sowieso verlassen und sei froh, mit
solchen Untersuchungen, die das Lebenswerk eines Politikers in Frage stellen, nichts mehr zu
tun zu haben.
172 Frank Albe/Gisela Nissen-Baudewig
23 Wie der Tabelle zu entnehmen ist, sind über 50 Prozent der hauptberuflichen Politiker in den
Parlamenten untersucht wurden.
24 Vgl. Kasper, H., Mühlbacher, J., Rosenstiel, L.,v.; Manager Kompetenzen im Wandel, in: ZFO,
S. 260 ff.
25 Vgl. Ackermann, K.-F., (Führungskräfte), S. 255 ff., unter diesem Begriff, bekannt aus der staat-
lichen Arbeitsmarktpolitik, wird die Reintegration in das Berufsleben oder die Schaffung der
Beschäftigungsfähigkeit verstanden
Literatur
Ackermann, K.-F., (Führungskräfte) Führungskräfteentwicklung unter dem Aspekt der „Employa-
bility“, in: Employability – Herausforderungen für die strategische Personalentwicklung, hrsg.
v. Peter Speck 2. Auflage Wiesbaden 2005, S. 251–268
Albe, F. (Kooperation), Total Dynamic Controlling zwischenbetrieblicher Kooperation, Northeim 1996
Elflein, Chr./Mayer, I., Testurteil mangelhaft, Focus, 29. Mai 2004, Nr. 23, S. 50
Eppler, E., Die Wiederkehr der Politik, Frankfurt/Main 1998
IEWP (Hrsg.) Rating Report Brandenburg, Göttingen 2004
IEWP (Hrsg.) Rating Report Schleswig-Holstein, Göttingen 2005
IEWP (Hrsg.) Rating Report Nordrhein-Westfalen, Göttingen 2005
Kasper, H./Mühlbacher, J./Rosenstiel, L. v., Manager-Kompetenzen im Wandel, in: zfo 74. Jg. 2005,
S. 260–264
Küpper, H.-U., Controlling, 4. Auflage Stuttgart 2005
Leicht, R., Vorwort, Vorwort zur Ausgabe Politik als Beruf, Frankfurt/Main 1999, S. 7–16.
Popper, K., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II, 7. Auflage, Tübingen 1999
Schröder, G., Parteitagsrede in Karlsruhe, 14. November 2005 http://parteitag.websozis.de/index.php/
rede-gerhard-schroeders/
Weber, M., Politik als Beruf, Frankfurt 1999
Retention Management –
die Leistungsträger der Unternehmung binden
Walter Jochmann
1. Einleitung
2. Auslöser für den beruflichen Veränderungsprozess
3. Definition und Analyse von Messkriterien für Mitarbeiterbindung
4. Kienbaum Retention Modell
5. Schwerpunkt-Aktivitäten in Retention-Projekten
6. Beispiel Retention-Projekt Bank
1. Einleitung
Expandierende Arbeitsmärkte einerseits und deutliche Rückgänge der Geburtenent-
wicklung und somit der Verfügbarkeit qualifizierter Hochschul-Absolventen anderer-
seits führen in vielen Industrie- und Funktionsbereichen zu Personalengpässen. Die
Bezeichnung War for Talents wurde in den letzten Jahren zu einer populären Beschrei-
bung für diese Situation. Die Anforderungsprofile der Unternehmungen an den Mana-
gementnachwuchs haben sich angenähert, frühere Branchenunterschiede und resultie-
rende Funktionserfahrungen verlieren an Gewicht. Absolventen und Nachwuchskräfte
mit überzeugendem Werdegang und klaren Potenzialindikationen sind extrem be-
gehrt, werden in der Regel schon im Studium durch Unternehmungen begleitet und
haben bei halbwegs professioneller Positionssuche mehrere hochwertige Alternativen.
Wie in anderen Märkten auch führt diese Unterversorgung in letztlich allen interes-
santen Managementbereichen zur Verteuerung des Vergütungsaufwandes und des
Recruitment-Prozesses, zudem zu einem deutlich intensiveren Wettbewerb der Unter-
nehmungen, um die Talente mit aktivem Research/Scouting zu akquirieren. Einen
weiteren Effekt haben die intensiven Veränderungsprozesse in vielen Unternehmens-
gruppen im Rahmen der Expansion, der Integration anderer Partner, der strategischen
oder internationalen Neuausrichtung. Überraschenderweise prüfen dann insbesondere
die für den Bewerbermarkt attraktiven Hochleistungsträger und Potenzialkandidaten
berufliche Alternativen – sie nutzen externe Entwicklungschancen, sind nicht automa-
tisch Träger der für sie ansonsten in der Regel attraktiven internen Veränderungen.
Hierzu trägt häufig die unprofessionelle Kommunikation und Einleitung sowie perso-
nalwirtschaftliche Umsetzung dieser Veränderungen bei.
Insgesamt führen diese Faktoren zu einer deutlich höheren Wechselbereitschaft und
zu real höheren Wechselquoten von Hochleistungsträgern. Für die Unternehmungen
und im besonderen Sinne die Personalbereiche wird somit neben der Recruitmentauf-
gabe die Funktion der Bindung insbesondere von Leistungs- und Potenzialträgern zu
einer vorrangigen Zielsetzung.
Self assessment
Die Bindung von Mitarbeitern und die Attraktivität für gute Bewerber sind zwei Sei-
ten einer Medaille. Abbildung 2 verdeutlicht die wesentlichen Handlungsebenen, um
als Unternehmung für Nachwuchskräfte attraktiv zu sein und am wichtigen Indikator
der Arbeitgeber-Attraktivität zu arbeiten (Rousseau, 2000). Neben einer gleichblei-
benden Bedeutung der Prozess- und Instrumente-Qualität ist die subtile Bedeutung
der Verhaltens- und Kulturqualität gestiegen, zeigt die strategische Qualität den deut-
lichsten Zugewinn an Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als aus der Sicht der Kandida-
ten
• nicht nur klassische Studienabgänger auf Grund des breiten Gaps zwischen Ange-
bot und Nachfrage zahlreiche Chancen erhalten (dieser Engpass an studierten
Nachwuchskräften und Spezialisten wird aller Wahrscheinlichkeit nach die näch-
sten zehn Jahre anhalten),
• die Arbeitsmärkte absolut transparent werden – elektronische Stellenbörsen ver-
schaffen sehr kurzfristig internationale Bewerbungsmöglichkeiten mit einem hohen
Maß an Vergleichbarkeit in den Anreizbedingungen und
• die eigene Investition in den Bewerbungsprozess reduziert wird, das aktive Zuge-
hen der Unternehmungen auf Kandidaten (Hochschulmessen, Direct Search) auf
hohem Niveau weiter ansteigen wird.
Retention Management 177
➜
➜
4. Kienbaum Retention-Modell
Retention wird zum klassischen und permanenten Ziel von Personalbereichen und
auch Führungskräften. Dies reicht allerdings in vielen Wachstums-Unternehmungen,
in denen wirtschaftlicher Erfolg linear mit personellen Besetzungen von Schlüsselpo-
sitionen und entsprechendem Personalaufbau zusammenhängt, nicht aus. Deshalb
werden in der Projektform formale Retention-Programme verabschiedet, die sich an
einer Retention Gesamtkonzeption orientieren sollten (vgl. Abbildung 5). Das vorlie-
gende Modell stellt Aktivitäten und Investitionen in Mitarbeiterbindung in den Ge-
samtzusammenhang von drei Handlungsebenen. Die oberste Ebene ist klar strategisch
orientiert, berücksichtigt Image und internen sowie externen Unternehmensbrand, lässt
sich an Aktivitätsmerkmalen (beispielsweise Branchenranking, Anzahl freie Bewerbun-
gen, Annahmequote von Arbeitsverträgen etc.) messen. Die zweite Ebene formuliert das
klassische Personalgeschäft in den beiden wesentlichen Funktionen von letztendlich
verantwortlicher Führungskraft sowie unterstützendem und attraktive Personalinstru-
mente lieferndem Personalbereich (Ulrich, 1998). Die meisten Bindungsprogramme set-
zen an den Stellhebeln von Führungsqualität, Motivation, Karriereplanung und inno-
vativen Vergütungsinstrumenten an. Die dritte Ebene beinhaltet zum einen klassische
Personalentwicklung, wobei neben unternehmensgetriebenem Feedback mit Prozes-
sen und Qualifizierungsangeboten zunehmend das Prinzip der Selbstverantwortung
mit Freiräumen in Zielbestimmung und Auswahl von Qualifizierungsmaßnahmen
greift. Hinzu kommt zum anderen das aus Unternehmenssicht eher schwierig anzuge-
hende Themenfeld Life Balancing. IT-Unternehmen, stark vertriebsgetriebene Funk-
tionen oder Beratungseinheiten wissen um die Notwendigkeit, prinzipiell nach oben
offene Möglichkeiten besser zu steuern und dem Einzelnen sinnvolle Selbstschutz-
Mechanismen vor Burnout-Effekten bereitzustellen (Harvard Business Review,
2000).
Die Rolle und Funktion von Personalbereichen für die Mitarbeiterbindung wird kon-
trovers diskutiert. Letztendlich entscheiden Führungskräfte über Einstellungen und
Beförderungen, steuern sie über Ziele und Aufgabeninhalte, vermitteln sie über die
persönliche Kommunikation natürlich sehr viel mehr an Einfluss als ein betreuender
Personalbereich. Vorstände und Geschäftsführungen werden im Rahmen der strategi-
schen Bedeutung von Mitarbeiterbindung allerdings einen Process Owner identifizie-
ren, der mit intelligenten Qualifizierungs- und Steuerungsmaßnahmen zumindest
branchenübliche Bindungskennzahlen sicherstellt. Es ist das Dilemma und die beson-
dere Herausforderung von Personalbereichen, die Gesamtverantwortung für das Manage-
ment der Unternehmenskultur mit den Facetten Führungsqualität und Mitarbeiterbin-
dung zu tragen (Jochmann, 2001). Hierzu nimmt der Personalbereich unterschiedliche
Rollen ein, die analog zum Vorschlag von Ulrich (1997) den Handlungsebenen von
Retention Management zugeordnet werden. Die professionelle Wahrnehmung der
Rolle eines unternehmerischen Partners bedeutet für den Personalbereich, seine Ein-
flussmöglichkeiten mit Blick auf die Formulierung eines ambitionierten und glaub-
haften Unternehmensleitbildes zu nutzen, in der Umsetzung mit Priorität auf die per-
sonalrelevanten Themenstellungen beispielsweise eine People Strategy zu implemen-
tieren. Die Rolle als Change Agent fordert neben der HR-Unterstützung von Strategie-
und Organisationsprojekten die aktive Veränderungsarbeit an den Führungskräften,
die messbare Verbesserung des Rekrutierungs- und Bindungsprozesses bei den
Führungskräften. Mit der Neukonzeption von Vergütungsinstrumenten werden des
Weiteren quantitative und qualitative Veränderungsziele glaubhaft unterstützt. Die
Rolle als Betreuer und Coach setzt zum einen an der Beratung von Führungskräften
im Nachklang zu Beurteilungs- und Trainingsmaßnahmen an, zum anderen an der per-
sönlichen Bindungsarbeit gefährdeter Potenzialträger, die unter nicht kurzfristig ver-
änderbaren Führungsschwächen agieren müssen.
Letztlich müssen sich Personalbereiche der Herausforderung stellen, eine bereichs-
übergreifende Perspektive in die Personalplanung einzubringen und dann beispiels-
weise Führungskräfte dazu motivieren, Mitarbeiter zu fördern und abzugeben, deren
Aufstieg auch an der eigenen Positionsebene vorbei zu akzeptieren. Vor diesem Hin-
tergrund ist eine rein moderierende Rolle des Personalbereiches gegenüber den busin-
ess-verantwortlichen Führungskräften im Retention Management zu wenig. Top-Po-
tenzialträger erwarten, dass sie neben dem funktionalen und abteilungsbezogenen
Blick ihrer derzeitigen Führungskraft übergreifend beraten werden – sie erwarten
hierbei expansive Chancen, schnelle Umsetzungsmaßnahmen und hochprofessionelle
Beratung zum Abbau persönlicher Kompetenzlücken. Dies kann insbesondere in sen-
siblen Positionsbildern (Investment-Banking, Consulting, Key Account Management)
bis zur Lebensberatung oder zumindest zur Vermittlung persönlicher Berater und
Coaches führen.
182 Walter Jochmann
5. Schwerpunkt-Aktivitäten in Retention-Projekten
Viele Unternehmensgruppen haben mit Blick auf Investor Relations sowie die Attrak-
tivität für Kunden und Bewerber die klassischen Themen von Strategie und Unterneh-
menskultur unter neu verstandener Leitbildarbeit aktiviert. Ein sorgfältig erarbeitetes,
sowohl auf die eigene Historie als auch die Geschäfte und Erfolgsfaktoren ausgerich-
tetes Unternehmensleitbild umfasst die Bausteine:
• Vision der Unternehmung
• Mission Statement
• Mittel- und langfristige Unternehmensziele
• Beschreibung der Geschäfte/Geschäftsfelder
• spezifisches Kompetenz- und Erfolgsprofil
• Geschäfts-Philosophie und Unternehmenswerte
• Angestrebte Führung und Kommunikation in der Unternehmung
• Positionierung und Beiträge in der Gesellschaft
Retention Management 183
Klassische Messkriterien für den bei Retention ebenso wichtigen Hebel hoher Füh-
rungsqualität sind:
• Anzahl im Bereich aufgebauter Potenzialträger
• Bindungsquote von Leistungsträgern, Spezialisten und High Potentials
• Auswertungen im Aufwärtsfeedback und im 360-Grad-Verfahren
• Anwendungsgüte der Personalführungsinstrumente (in der Regel Zielvereinba-
rung, Feedback, Potenzialeinschätzung und Vergütungstool)
• Abweichungsgrad zwischen erforderlichen und vorhandenen fachlichen und über-
fachlichen Kompetenzen im eigenen Bereich
• Nutzungsgrad der vorhandenen Personalentwicklungs- und Qualifizierungsinstru-
mente.
sche Image einer Führungskraft nicht mehr zur dauerhaften Entschuldigung und somit
zur Konsequenzlosigkeit machen. Retention-Management heißt dann auch, dass Perso-
nalbereiche stärker als bisher die Neubesetzung von Führungsfunktionen vorantreiben,
Führungsprobleme auf oberster Managerebene thematisieren und stärker als bisher
mit klaren Messkriterien von Führungsqualitäten argumentieren (Fiz-Enz, 2000).
Wertpotenzial
Ein Kernbaustein des Projektes war die Überführung einer handwerklich guten Perso-
nalentwicklung (Assessment-Center, Orientation-Center, Potenzialeinschätzung und
Qualifizierungsprogramm) in ein integriertes Human Asset Management für alle kun-
dennahen Funktionen. Die bestehenden Instrumente wurden um zwei Förderpools
(klassisch und „fast track“) ergänzt, ein Kompetenzmodell mit fachlichen und über-
fachlichen Teilkompetenzen löste ein konventionelles, allgemeines Anforderungspro-
fil ab. Die Kompetenzbeschreibungen werden zum Mittelpunkt für alle Beurteilungs-
und Fördermaßnahmen, die Ergebnisse werden zeitnah in einer Datenbank-Lösung
abgebildet. Auf diese Weise können kurzfristig Standortbestimmungen und Matchings
zwischen Soll- und Ist-Profilen vorgenommen werden, Vakanzen in Regionen unter-
füttert werden und „Bewerber auf Vorrat“ beurteilt und dokumentiert werden.
188 Walter Jochmann
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Führungswechsel – eine Schlüsselkompetenz
modernen Managements
Peter Fischer
die beständige Erhöhung der Erwartungen an die neuen Chefs, sondern auch eine
enorme Steigerung der Wechselfrequenz und die zwischenzeitlich schon automatisch
darin enthaltene Erwartung nach Veränderung und schnellen Ergebnissen. So findet
man in vielen Unternehmen den Trend zu einer durchschnittlichen Verweildauer von
nicht mehr als 3 Jahren auf einer Position bei einer gleichzeitig wachsenden Breite der
Einsatzmöglichkeiten von Standorten und Geschäftsbereichen hin zu einer Vielzahl
neuer Veränderungs- und Führungsthemen.
Führungswechsel wird damit zu einer Schlüsselkompetenz modernen Managements.
Jeder Manager sollte wissen, worauf es beim Start ankommt und wie man mit den
vielfältigen meist widersprüchlichen Erwartungen umgeht. Er sollte die typischen
Phasen eines Wechsels kennen und die Erfolgsfaktoren, die es dabei zu berücksichti-
gen gilt. Vor allem aber sollte er wissen, wie man mit den typischen Spannungsfeldern
eines Wechsels umgeht und wie die dabei frei werdende Energie für die eigenen Vor-
haben genutzt werden kann.
lers in der neuen Rolle und die Einführung von Veränderungen von der besonderen
Dynamik beim Start profitieren.
Erfolgreiche Wechsel lassen trotz unterschiedlicher Anforderungen viele Gemeinsam-
keiten erkennen. Erfolgreiche Wechsler
• widerstehen der Versuchung nach frühen Ergebnissen,
• lassen sich von der eigenen Neugierde für die Organisation, die Menschen und be-
sondere kulturelle Eigenschaften leiten,
• erkennen wichtige Beziehungen und entwickeln früh eine geeignete Strategie für
das Navigieren in der politischen Landschaft,
• erkunden die Erwartungen wichtiger Interessengruppen,
• analysieren die Startsituation und berücksichtigen unterschiedliche Dimensionen,
um den persönlichen Auftrag dafür zu schärfen, was erreicht werden kann und soll
und wie dies zu bewerkstelligen sein könnte.
Erfolgreiche Führungswechsel folgen auch einem ähnlichen Muster: Sie beginnen mit
einer Orientierungsphase, in der die neue Führungskraft offiziell angekündigt wird
und in der die Aufmerksamkeit der Kollegen und Mitarbeiter auf den Neubeginn
gelenkt wird. Ein kurzer Besuch in der Organisation, noch vor dem Antrittstermin,
vermittelt allen Seiten einen flüchtigen Einruck davon, was vielleicht zu erwarten ist.
In dieser Zeit ist es wichtig, aufgeschlossen zu sein für vorhandene Stärken und ver-
gangene Leistungen, sowie einen ersten Eindruck der politischen Landschaft zu ge-
winnen und darauf zu achten, welche Bedeutung frühen Entscheidungen und schein-
bar unwichtigen Aktivitäten geschenkt wird.
Eine Analyse der in der ersten Phase gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen ist eine
gute Investition für die zweite Phase, in der es darum geht, die Akzeptanz für Verän-
derungsmöglichkeiten und neue Lösungsansätze in der Organisation zu testen. Anzei-
chen für Empfindlichkeiten oder gar Widerstände sind in der Regel in diesem Zeit-
raum schon erkennbar.
In der dritten Phase verfügt die neue Führungskraft über die Kenntnisse und Einschät-
zungen, die für das Erstellen eines Erfolg versprechenden persönlichen Plans für die
bevorstehenden 12 bis 18 Monate wichtig sind. Dies ist auch der Zeitpunkt, um in den
Aufbau von Unterstützung für den bis dahin geschärften Auftrag zu investieren und
wichtige Beziehungen auszubauen. Eine Kommunikationsstrategie mit einer überzeu-
genden Botschaft eröffnet offiziell diese Phase der eigentlichen Veränderung, die
nicht viel eher als drei Monate nach dem Start beginnen sollte.
Angesichts der Vielzahl wichtiger und oft widersprüchlicher Herausforderungen liegt
der Erfolg im kontinuierlichen Ausbalancieren typischer Spannungsfelder:
• Anerkennen der Vergangenheit, die sich in Interessenlagen und Stolz auf Erreich-
tes, aber auch in einer etablierten Kultur widerspiegelt und die es gegen eine Zu-
kunft mit neuen Zielen und Vorgehensweisen auszugleichen gilt
• Erste Möglichkeiten für schnelle Erfolge und deutliche Positionierung sind für die
meisten Führungskräfte verführerisch: Einen ersten persönlichen Stempel in der
Situation gilt es mit gleichwertigem Einsatz für die Integration der unterschiedli-
chen Erwartungen an die Wechselsituation auszugleichen
• Neue Führungskräfte dürfen Fragen stellen – auch und gerade wenn diese von he-
rausfordernder Natur sind. Wichtig für den Erfolg ist das richtige Timing, da so-
wohl zu spätes Fragen als auch zu frühes Entscheiden Widerstand herausfordert
• vorhandene Stärken sind eine Quelle für Stabilität und eine potenzielle Plattform
für das Einführen ehrgeiziger Vorhaben. Erfolgreiche Wechselstrategien integrie-
ren den Bedarf nach Kontinuität mit den Argumenten für Veränderung
Wir starten mit einer ganztägigen Beratung kurz vor oder nach Übernahme der neuen
Position für eine erste Analyse der Ausgangssituation und die Strukturierung der Ori-
entierungsphase. Nach ca. drei bis vier Wochen besprechen wir in einem zweiten
halbtägigen Termin die ersten Erfahrungen und gesammelten Erkenntnisse und ent-
wickeln die wichtigen Positionierungsthemen. Gegen Ende der ersten 100 Tage, wenn
die Organisation wissen will, „wo die Reise hingehen soll“ und was auf sie zukommt,
gilt es in einem dritten Termin, den eigentlichen Auftrag zu schärfen und die Phase der
Veränderung zu gestalten. Hier entwickeln wir mit der Führungskraft die Zieleland-
schaft und die Veränderungsstrategie.
Bewegt sich der Führungswechsler in einer sehr komplexen Situation und hat zum
Beispiel größere Veränderungen initiiert, empfehlen wir ein bis zwei weitere Termine.
Dabei bietet sich auch die Gelegenheit, persönliche Erfahrungen zu reflektieren, den
Standort im Wechsel zu bestimmen und die eigene Strategie zu präzisieren.
Nach unseren Erfahrungen in über 1.000 solcher Coachings wissen die Führungskräf-
te ein solches Angebot sehr zu schätzen. Die dadurch entstehende Lernbereitschaft
und persönliche Offenheit steigern die Erfolgsquote auf über 90 %.
fektive Zusammenarbeit zwischen dem Team und dem neuen Vorgesetzten gelingen
kann. Dies gilt besonders dann, wenn viele Veränderungen anstehen, Gerüchte oder
besondere Spannungsfelder die Beziehungsgestaltung erschweren.
Mit einem speziellen Design, das wir in den letzten Jahren entwickelt und in vielen
Wechselsituationen erprobt haben, gestalten wir einen offenen Austausch der wechsel-
seitigen Erwartungen, entwickeln wir die relevanten Themen und orientieren die Mit-
arbeiter und ihre neue Führungskraft auf eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft hin.
Mit dem Instrument des „Heißen Stuhls“ geben wir den Mitarbeitern die Möglichkeit,
die bis dahin entstandenen und unausgesprochenen Fragen zu stellen. Damit schaffen
wir die beste Voraussetzung für eine offene und von Vertrauen geprägte Beziehungs-
basis, sodass sich für die Mitarbeiter viele Unsicherheiten auflösen. Dem Vorgesetzten
bieten sich dabei wichtige Einblicke in die verborgene Welt der Befürchtungen und
Ängste, aber auch der Themen, die den Mitarbeitern besonders nahe liegen. Transition
Workshops sind damit für uns ein Instrument des schnellen Starts geworden, das bei
einer professionelle Unterstützung von Wechseln nicht fehlen darf.
Unternehmen, die über eine starke Workshopkultur verfügen, nutzen den Transition
Workshop auch zur Gestaltung ihrer Unternehmenskultur. Sie erwarten von ihren Vor-
gesetzten, dass sie sich offensiv und frühzeitig der Diskussion mit den Mitarbeitern
stellen. Hierfür bieten Transition Workshops ein sicheres Instrument, das nach unse-
ren Erfahrungen auch in unterschiedlichen Kulturen hohe Akzeptanz erfährt.
198 Peter Fischer
• Ein Ausloten der kulturellen Unterschiede und der damit verbundenen Themen
• Ein guter Abschluss der derzeitigen Aufgabe
• Notwendige Vorbereitungen vor dem Start
• Wie gestalten Sie den ersten Tag und die erste Woche?
• Welche Symbole und Rituale werden für diesen Wechsel besonders wichtig sein?
Nach unseren Erfahrungen stellen solche individuellen (meist ganztägigen) Coaching-
treffen eine ausgezeichnete Ergänzung zu den interkulturellen Trainings dar. Sie trans-
ferieren das bereits vorhandene Wissen über Aufgabe und fremde Kultur auf die kon-
krete Business-Situation und sie erlauben es, frühzeitig notwendige Unterstützungen
vor Ort zu organisieren.
Literatur
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Strategisches Wissensmanagement als
Aufgabe der Managemententwicklung
Hubert Schüle
Diese Punkte geben einen Eindruck, wie sich Wissen zunehmend zum Erfolgsfaktor
in Unternehmen entwickelt. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, rückt ein
strategisches, d. h. langfristig ausgerichtetes Wissensmanagement in den Mittelpunkt
der Managemententwicklung. Das Management sollte dabei das Ziel verfolgen, wirt-
schaftlich relevante Unterschiede im Wissensstand des Unternehmens gegenüber
Konkurrenzunternehmen zu schaffen, um dadurch einen echten Wettbewerbsvorteil
zu erzielen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit diesem Thema.
Abbildung 1: Wissenstypologie
Strategisches Wissensmanagement als Aufgabe der Managemententwicklung 205
Wissensmanagement hat mit Personalentwicklung zu tun, was sich vor allem auf die
Personengebundenheit von Wissen zurückführen lässt. Die Personengebundenheit be-
zieht sich zum einen auf die Entstehung des Wissens, d. h. Anwenden von Fakten und
Fachkenntnissen im Kontext der jeweiligen Aufgaben, die der Mitarbeiter im Unter-
nehmen zu bearbeiten hat. Trotz vielfacher Bemühungen der sogenannten „Künstlichen
Intelligenz“ besitzen bis heute nur Menschen die sogenannte „kreative Problem-
lösungsintelligenz“. Genau die wird gebraucht, wenn der Ausbau von Wissen gefordert
ist. Zum anderen ist auch die Speicherung von Wissen personengebunden. Wenn-
gleich sehr viele Daten und Dokumente im Unternehmen archiviert und verwaltet
werden, geht man davon aus, dass auf diesem Wege nur etwa ein Viertel des Unter-
nehmenswissens erfasst wird (vgl. Wendt, 1998, S. 40; Grayson, 1998, S. 20). Der
größere Teil liegt in den Köpfen der Mitarbeiter. Die Personalentwicklung muss des-
halb u. a. Sorge tragen, dass durch Fluktuation und Ausscheiden von Mitarbeitern kei-
ne Wissenslücken entstehen, bzw. diese schnell geschlossen werden. Auch sind durch
Personalentwicklung geeignete Maßnahmen zu finden, welche den Erwerb, die Nut-
zung und vor allem die Weitergabe von Wissen fördern. Häufig ist festzustellen, dass
es gerade hochqualifizierten Fachexperten schwer fällt, Wissen weiter zu geben. Ursa-
che können z. B. begrenzte Kommunikationsfähigkeiten sein. Hier kann Personalent-
wicklung ansetzen, um entsprechende Defizite zu beseitigen.
Auch ist es durch gezielte Personalentwicklung möglich, den Wissensstand zu stei-
gern, sei es durch Akquirieren qualifizierter Mitarbeiter oder durch die gezielte Wei-
terqualifizierung des vorhandenen Mitarbeiterstamms. Zu berücksichtigen ist ferner,
dass demotivierte Mitarbeiter erhebliche Wissensbarrieren darstellen. Zum einen, weil
sie selbst nicht aktiv Wissen aufbauen und weiterleiten. Zum anderen, weil sie negativ
auf Kollegen im Umfeld wirken können.
Wissensmanagement wird einfacher, wenn eine definierte und kommunizierte Unter-
nehmensstrategie die Ziele des Unternehmens klar vorgibt. Auf der einen Seite lässt
sich dadurch die Anzahl und Vielfalt von Wissensgebieten begrenzen und das Wis-
sensmanagement besser fokussieren. Auf der anderen Seite können die Unterneh-
mensziele auch als Vorgabe (Messlatte) für das Wissensmanagement dienen. Das Ab-
leiten konkreter Maßnahmen wird einfacher und klarer, wenn das Ziel, das man mit
den Maßnahmen erreichen will, präzise formuliert ist. Damit kann der Aufbau von
Wissen im Einklang mit den strategischen Zielsetzungen des Unternehmens erfolgen.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. So erfordert ein strategisch geplanter Marktein-
tritt im asiatischen Raum fundiertes Wissen über die dortigen Rahmenbedingungen
für das wirtschaftliche Handeln. Dabei sind wirtschaftsgeografisches, wirtschaftrecht-
liches, regionales Branchenwissen und auch länderkulturelles Wissen erforderlich.
Aufgabe des Wissensmanagement ist es nun, das für den Markteintritt erforderliche
Wissens in der Organisation des Unternehmens aufzubauen und zu verankern.
Wissensmanagement funktioniert reibungsloser, wenn es in ein von Offenheit gepräg-
tes Unternehmensumfeld eingebettet werden kann (vgl. Davenport, 1998, S. 52). Vor
allem der Austausch von Wissen erfordert eine solche Kultur mit aktiven Kommuni-
kationsbeziehungen zwischen den Mitarbeitern und zwischen den unterschiedlichen
Führungsebenen. Wissensaustausch kann nicht „befohlen“ werden. Er funktioniert nur
Strategisches Wissensmanagement als Aufgabe der Managemententwicklung 207
dann, wenn zwischen den Mitarbeitern eine Vertrauensbasis vorliegt und ohnehin ein
reger Austausch von Informationen im Unternehmen stattfindet. Vor allem muss hier
das Management einer gewissen Vorbildfunktion nachkommen, indem es offen und
unmissverständlich kommuniziert. Bewusstes Zurückhalten von Informationen kann
für das Wissensmanagement kontraproduktiv wirken.
Die Organisationsentwicklung ist im Wissensmanagement in zweierlei Hinsicht ge-
fordert. Zum einen sind die Aufgaben des Wissensmanagement und deren ausführen-
den Personen konkret zu bestimmen und in der Organisationsstruktur zu verankern.
Zum anderen müssen die Maßnahmen und Methoden des Wissensmanagements in die
Geschäftsprozesse des Unternehmens integriert, dort angewendet und dauerhaft wei-
terentwickelt werden. Hier ist die gesamte Unternehmensorganisation einzubinden,
die unterschiedlichen Funktionsbereiche wie Vertrieb, Logistik, Entwicklung sowie
sämtliche Führungsebenen.
Der Bereich Informationsverarbeitung (IV) ist gefordert, da IV-Systemen in Wissens-
management-Lösungen häufig eine „Enabler“-Funktion für innovative Konzepte und
Lösungen zukommt. Dabei darf man allerdings nicht den Fehler machen, Wissens-
management (ausschließlich) als eine IV-Herausforderung zu betrachten und zu ver-
suchen es auf technischen Wege zu lösen. Die IV kann lediglich eine Unterstützungs-
funktion leisten, indem eine geeignete Plattform
• für die Speicherung und Verwaltung von Wissen
• für den Austausch von Wissen zwischen den Organisationseinheiten des Unterneh-
men sowie
• für den Zugang zu unterschiedlichen internen und externen Wissensquellen
bereitgestellt wird.
Auch hilft die IV, Wissensmanagement möglichst wirtschaftlich und reibungslos in
die täglichen Arbeitsabläufe zu integrierten. Die IV kann dazu beitragen, Wissensma-
nagement effizient („die Dinge richtig tun“) zu betreiben. Die Effektivität („die richti-
gen Dinge tun“) des Wissensmanagements ist dagegen in stärkerem Maße von der
Personal- und Organisationsentwicklung sowie Unternehmenskultur abhängig. Wie
die IV die Enabler-Funktion im Wissensmanagement ausfüllen kann, wird in Kapitel
fünf noch intensiver behandelt.
Abbildung 3 skizziert in Anlehnung an Probst (vgl. Probst u. a., 1998, S. 52) eine
mögliche prozessorientierte Betrachtung für das Wissensmanagement. Die einzelnen
Prozessschritte werden nachfolgend erläutert.
Die Wissensziele sollten jedoch nicht nur bezüglich ihres Zielinhaltes formuliert wer-
den. Eine qualifizierte Zielvorgabe trifft auch Aussagen zu Zielmaßstab, Zielerrei-
chung und zeitlichem Bezug der Zielerreichung. Der Zielmaßstab sagt aus, wie man
den Zielinhalt selbst dimensionieren kann, um ihn messbar zu machen. Die Zielerrei-
chung gibt eine quantitative Aussage zur Zielerreichung. Aus dem zeitlichen Bezug
geht hervor, in welchem Zeithorizont die Wissensziele erreicht sein sollen. Zielmaß-
stab und -erreichung erleichtern die Kommunikation der Ziele im Unternehmen, sie
fungieren als Hebel zur operativen Umsetzung und dienen als Kontrollinstrument zur
Überprüfung der Zielerreichung.
Bezogen auf obiges Beispiel könnte als Zielmaßstab eine Qualifizierung des Wissens
über Elektronische Märkte in Basiswissen und Fortgeschrittenen-Wissen sowie Tech-
nisches und Anwenderwissen erfolgen. Die Zielerreichung könnte aussagen, wie viele
Mitarbeiter auf welchen Entscheidungsebenen über entsprechendes Wissen in den
einzelnen Kategorien verfügen müssen. Der zeitliche Bezug sagt aus, in welchem Zeit-
horizont die Mitarbeiter über dieses Wissen verfügen sollen.
bearbeiten und deshalb auch sehr häufig Wissen benötigen, welches in genau dem ge-
forderten Kontext im Unternehmen noch nicht vorliegt.
Für jede Zielgruppe ist eine Art Wissensprofil zu formulieren. Das Wissensprofil be-
schreibt die Gesamtheit benötigter Wissenselemente für die betrachtete Zielgruppe.
Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Granularität der Wissenselemente zu legen.
Sie sind soweit zu konkretisieren, bis sie für die jeweiligen Arbeitsumfelder anwend-
bar sind. Beispielsweise muss das Wissen über Elektronische Märkte aus unserem
Beispiel für die Zielgruppe Sachbearbeiter Einkauf konkretisiert werden:
• Funktionen Elektronischer Marktplätze
• Angebotsumfang in Elektronischen Marktplätzen
• Rechtliche Aspekte Elektronischer Marktplätze
• Auftragsabwicklung in Elektronischen Marktplätzen
Für die Zielgruppe Mitarbeiter der Informationstechnik stehen dagegen stärker Wis-
senselemente wie
• Hardware-/Netzwerk-Anforderungen von technischen Marktplätzen
• Schnittstellenspezifikation
im Mittelpunkt der Betrachtung.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass verschiedene Zielgruppen Wissen auf unterschied-
lichen Verdichtungsstufen brauchen. Sie ist z. B. für das Management das technische
Konzept eines Elektronischen Marktplatzes im Überblick relevant, jedoch nicht in den
einzelnen Details. Dies muss in der Wissensbedarfanalyse entsprechend berücksich-
tigt werden.
Durch einen Abgleich mit vorhandenem Wissen sind Wissenslücken zu lokalisieren,
welche dann durch die Folgeschritte im Geschäftsprozess Wissensmanagement ge-
schlossen werden sollen.
Folgende Abbildung zeigt schematisch das Vorgehen im Rahmen der Wissensbedarfs-
analyse. Die Zeilen und Spalten der Tabellen zum Erheben des Wissensstands sowie
zukünftiger Bedarfe sind in ihrem Detailgrad unternehmensspezifisch festzulegen.
Strategisches Wissensmanagement als Aufgabe der Managemententwicklung 211
Damit könnte z. B. der Mitarbeiter ausgezeichnet werden, der am häufigsten zur Wis-
sensweitergabe kontaktiert wurde, oder der das Wissenselement publiziert hat, auf das
am häufigsten zugegriffen wurde.
Für die Managemententwicklung lassen sich aus diesen Ergebnissen drei kritische
Punkte für erfolgreiches Wissensmanagement ableiten:
(1) Internes Marketing für Wissensmanagement zur Akzeptanzförderung
(2) Sorgfältige Auswahl und Gestaltung der IV-Lösungen im Wissensmanagement
(3) Gezielte Auswahl und Aufbereitung von Wissensbausteinen
mit öffentlich wird und ggf. auch zur Diskussion gestellt und kritisch hinterfragt wird.
Auch kann mancher Mitarbeiter sehr kritisch in einer individuellen Kosten-Nutzenbe-
trachtung hinterfragen, was er als Gegenleistung dafür bekommt, Aufwand für die
Nutzung des Wissensmanagement-Systems zu betreiben.
Damit die hier dargestellten Akzeptanzprobleme nicht zum Scheitern von Wissensma-
nagement-Lösungen führen, ist durch das Management unternehmensintern Marketing
für Wissensmanagement zu betreiben. Dazu können u. a. Abteilungsmeetings, Mitar-
beitergespräche, Incentives sowie weitere vertrauensbildende Maßnahmen dienen.
Abbildung 8: Wissenskreislauf
chen Lokationen. Zwischen nahezu beliebigen Stellen auf der Erde können Infor-
mationen mit hoher Geschwindigkeit ausgetauscht werden. Standorte von Compu-
tersystemen verlieren an Bedeutung.
• Innovationen in der Softwaretechnologie und bei Programmiersprachen ermögli-
chen es, dass neue Lösungen in kürzerer Zeit entwickelt und angewendet werden
können. z. B. ermöglichen neue Kompressionsverfahren von Videodaten, dass sich
Videos übers Internet digital übertragen lassen.
• Wissensbedarfsanalyse
Für diese Aufgabenstellung lassen sich oftmals darauf zugeschnittene Module bzw.
Teilsysteme von Personalplanungs- und entwicklungssystemen nutzen. Entsprechen-
de Anwendungslösungen verfügen oft über die Möglichkeit, Stellen zu definieren und
diesen Stellen Wissensprofile zuzuordnen. Die Wissensprofile entstehen z. B. durch
Auflistungen bestimmter Qualifikationen sowie die Möglichkeit diese z. B. anhand
von Punkterankings zu gewichten. Entsprechende Profile lassen sich auch für Mitar-
beiter bzw. Bewerber hinterlegen, um sie dann mit den Anforderungsprofilen der Stel-
len abzugleichen.
• Kommunikation/Meinungsaustausch
delt es sich um Websites, die Anbieter und Nachfrager von Produkten und/oder Infor-
mationen zu einem speziellen Thema oder in einer speziellen Branche bündeln. Die
Chance, auf einer einschlägigen Portal-Seite relevantes Wissen zu finden, ist gegen-
über einer allgemeinen Suchanfrage im Web höher.
Wie die konkrete IV-Unterstützung im individuellen Wissensmanagement-System im
Einzelnen aussehen wird, ist unternehmensspezifisch festzulegen. Häufig wird man
dabei verschiedene der skizzierten Anwendungslösungen nebeneinander einsetzen,
bzw. sie mit einander kombinieren. Dies führte vielerorts zur Entwicklung von soge-
nannten Intranets. Dabei werden unter Nutzung der Internet-Technologien in sich ge-
schlossene unternehmensspezifische Netzwerke aufgebaut. In diese Netzwerke wer-
den dann z. B. Datenbanken eingebunden, in denen relevantes Wissen im dem hier
verstandenen Sinne hinterlegt wird.
Solche Intranets dienen nicht nur dem Wissensmanagement. Sie können auch Platt-
form für den Austausch von allgemeinen Unternehmensinfos sein, etwa zur Publikati-
on von Betriebszeitungen oder Geschäftsberichten, sowie als Zugangssystem zu be-
trieblichen Informationssystemen fungieren.
Darüber hinaus gibt es mittlerweile von verschiedenen Anbietern Anwendungslösun-
gen speziell für Wissensmanagement (vgl. Computerwoche 2000). Diese kombinieren
je nach Funktionsumfang verschiedene der oben aufgeführten Funktionen in einer
speziellen Anwendungslösung.
6. Zukünftige Entwicklungen
Der Beitrag zeigt auf, dass strategisches Wissensmanagement auf die Unterstützung
durch Informations- und Kommunikationslösungen angewiesen ist. Es wurde auch
betont, dass der Erfolg von Wissensmanagement in hohem Grade durch organisatori-
sche, soziologische und kulturelle Faktoren im Unternehmen determiniert wird. Des-
halb muss die Managemententwicklung für Wissensmanagement Interdisziplinarität
in besonderem Maße berücksichtigen. Gefordert ist eine Managemententwicklung,
die solides informationstechnisches Know-how genauso einschließt wie Sozial-, Or-
ganisations- und Personalkompetenz zum Führen von Mitarbeitern und dies in Ein-
klang mit der strategischen Unternehmensplanung.
Das stellt eine gewisse Herausforderung dar, da Fachgebiete zu verknüpfen sind, die
recht unterschiedliche Anforderungsprofile aufweisen. Insbesondere die informa-
tionstechnischen Themen weisen zudem eine hohe Entwicklungsdynamik auf. Dies
ermöglicht permanent neue Anwendungsmöglichkeiten für Wissensmanagement, for-
dert aber eine intensive Auseinandersetzung mit den Technologien. Allerdings darf
Wissensmanagement nicht zu techniklastig sein, da sonst sehr schnell der Mensch als
Wissensträger in den Hintergrund rückt, Mitarbeiter überfordert werden und dadurch
Akzeptanz verloren geht (vgl. Kuppinger/Woywode, 2000, S. 93).
Je besser es dem Management gelingt, hier die richtige Balance zu finden, um so er-
folgreicher werden Wissensmanagement-Systeme in der Zukunft angewendet und
daraus Wettbewerbsvorteile für die Unternehmen geschaffen werden.
226 Hubert Schüle
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in deutschen Großunternehmen
Ergebnisse einer Befragung der Top-350-Unternehmen
der deutschen Wirtschaft
Hans-Christian Riekhof/Hubert Schüle
Methodischer Steckbrief
Ziel der Studie Die von der unicmind.com AG in Auftrag gegebe-
ne Studie ist die erste dieser Art, die die TOP-350
der deutschen Wirtschaft nach ihren Zielsetzungen,
nach den Aktivitäten und Erfahrungen mit E-Lear-
ning und mit Online-Wissensmanagement befragt.
Zielgruppe der Studie In diesem Zusammenhang war es zentrales An-
liegen der Studie, Aufschlüsse darüber zu liefern,
welchen Stellenwert E-Learning und Wissens-
management für Unternehmen haben bzw. zukünf-
tig einnehmen werden. Zielgruppe der Studie. Es
wurden 350 Unternehmen der deutschen Wirtschaft
nach dem Stand sowie der geplanten Weiterent-
wicklung in den Anwendungsgebieten E-Learning
und Wissensmanagement befragt.
Bezugsgröße Top 500-Ranking deutscher Unternehmen von
1999 der Tageszeitung Die Welt
(www.welt.de/wirtschaft/ranglisten/500_1999.htx)
Untersuchungsdesign Fragebogen und Telefoninterview
Untersuchungszeitraum 5. März bis 17. April
Wissenschaftliche Leitung Die unicmind.com AG hat die Studie beim Lehr-
stuhl für Wirtschaftsinformatik der Privaten
Fachochschule Göttingen in Auftrag gegeben.
Die Leitung der Studie hatte Prof. Dr. Hubert Schüle.
Der Durchdringungsgrad für E-Learning mit 88 Prozent der Unternehmen in der Ziel-
gruppe kann als hoch bezeichnet werden. Dieses Thema ist in den Unternehmen be-
kannt und wird in ca. 9 von 10 Unternehmen der Zielgruppe genutzt.
Auf die Frage nach unterschiedlichen Erscheinungsformen war das Antwortspektrum
wesentlich differenzierter. Es waren verschiedene E-Learning-Formen vorgegeben
(vgl. Abbildung 3). Mehrere Antworten waren möglich.
Die Auswertung zeigt, dass die seit mehreren Jahren bewährten Anwendungsformen
CBT sowie Schulungsvideos auch heute das Anwendungsspektrum bei E-Learning
dominieren. 91 Prozent der Unternehmen, die E-Learning nutzen, setzen CBTs ein,
2/3 der Unternehmen verwenden Schulungsvideos.
E-Learning und Wissensmanagement in deutschen Großunternehmen 231
Auf dem Vormarsch sind WBTs. Hier wird unternehmensinternen Lösungen im Intra-
net eindeutig der Vorzug gegenüber Lösungen über das Internet gegeben. WBTs im
Intranet sind mehr als doppelt so hoch verbreitet wie die Nutzung von WBTs über das
öffentliche Internet. Immerhin sind WBTs im Intranet annähernd so stark verbreitet
wie Schulungsvideos. Im Vergleich geringe Bedeutung haben technisch anspruchsvol-
lere Lösungen wie Business TV, Virtuelle Seminarräume sowie Learning Manage-
ment Systeme. Jedoch bringen es z. B. Virtuelle Seminarräume sowie Business TV auf
einen Durchdringungsgrad von immerhin ca. 20 Prozent der Top-350-Unternehmen,
die E-Learning nutzen. Angesichts dessen, dass es sich dabei um noch sehr junge
Technologien handelt, ist dies ein recht hoher Wert.
Anhand der Mehrfachnennungen stellt man auch fest, dass bei ca. einem Drittel der
Unternehmen, E-Learning nicht nur in einem Bereich verankert ist, sondern sich meh-
rere (im Extremfall bis zu vier) Bereiche die Verantwortung teilen. Dies ist ein Indiz
dafür, dass Lernen nicht mehr ein reines Personalthema ist, sondern sich zunehmend
auch andere Unternehmensbereiche engagieren.
n = 40
n = 40
dungsfeld von E-Learning bleiben, jedoch holen andere Themen auf. Insbesondere be-
triebswirtschaftliche Themen sowie Produktschulungen werden zukünftig stärker für
E-Learning an Bedeutung gewinnen. Aber auch Lerninhalte wie Softskills, Qua-
litätsmanagement sowie Kundenzufriedenheit werden zukünftig deutlich stärker ange-
boten werden. Die Antworten der Unternehmen z. B. zu den beiden letztgenannten
Themen liegen um das bis zu dreifache höher im Vergleich zur heutigen Nutzung.
Dies ist ein deutliches Signal an die Anbieter entsprechender Lösungen.
Die Abbildung 7 zeigt die Ergebnisse zu diesen Fragen im Detail.
Knapp die Hälfte der Unternehmen sieht die Möglichkeit, schneller auf aktuelle The-
men eingehen zu können als Vorteil an. Das einfachere Aktualisieren von Lerninhal-
ten, wie es z. B. speziell bei webbasiertem Training der Fall ist, betrachtet gut jedes
dritte Unternehmen als vorteilhaft. Ähnlich bedeutend ist die höhere Flexibilität im
Lernprozess, speziell der größere Freiheitsgrad beim Auswählen von Raum und Zeit
für das Lernen, wird von den Unternehmen begrüßt.
Nur jedes fünfte Unternehmen erwartet durch E-Learning einen besseren Lernerfolg.
Dieses Ergebnis ist für viele Anbieter solcher Lösungen sicherlich ernüchternd, zeigt
sich hier doch sehr deutlich, dass hinsichtlich Didaktik und Aufbereitung von Lernin-
halten noch erheblicher Entwicklungsbedarf besteht.
Erfreulich ist die Tatsache, dass nur 3 Prozent durch E-Learning keine Vorteile sehen.
Dieses Ergebnis bestätigt das Potenzial von E-Learning, Lernprozesse im Unterneh-
men effizienter und rationeller zu gestalten.
Abbildung 8 zeigt die Ergebnisse zu dieser Frage im Detail.
Auf die Frage nach den Hemmnissen bzw. Herausforderungen, die mit E-Learning
verbunden sind, erhielten wir die Antworten wie in Abbildung 9.
Mehr als die Hälfte der Unternehmen sieht als Hindernis, dass durch E-Learning im
Vergleich etwa zu Präsenz-Schulungsmaßnahmen „Social Effects“ wegfallen. Dies
lässt den Schluss zu, dass bei Präsenz-Seminaren nicht nur die eigentlichen Lerninhal-
te von Bedeutung sind, sondern auch das Zusammentreffen und Austauschen mit Kol-
legen aus anderen Bereichen oder ggf. anderen Unternehmen als positiv eingeschätzt
wird.
E-Learning und Wissensmanagement in deutschen Großunternehmen 237
Knapp die Hälfte der Unternehmen sieht den mit E-Learning-Systemen verbundenen
Aufwand als Hemmnis bzw. Herausforderung. Dies scheint auf den ersten Blick im
Widerspruch zu den erzielbaren Kosteneinsparungen der vorherigen Frage zu stehen.
Berücksichtigt man jedoch, dass in dem Aufbau von E-Learning-Systemen oft die oh-
nehin stark belasteten IV-Bereiche eingebunden sind, dann könnte dies den Schluss
belegen, dass der Aufwand eher aus kapazitiver denn aus finanzieller Sicht als kritisch
eingeschätzt wird.
Das Vermitteln von Lerninhalten ist ein sensibles und von den Einstellungen und Er-
fahrungen des Lernenden stark beeinflusstes Thema. Für viele Lernende scheint es
schwer vorstellbar, hier IV-Lösungen einzusetzen, denn in 41 Prozent der Unterneh-
men wird die fehlende Akzeptanz als ein Hemmnis gesehen.
Erstaunlich wenige Unternehmen (nur etwa jedes achte) sehen die Einbindung von
E-Learning in die täglichen Arbeitsabläufe als problematisch an. Dies überrascht, da
in theoretischen Abhandlungen zum Thema E-Learning das Nebeneinander von Ler-
nen und Arbeiten am Arbeitsplatz häufig als kritisch betrachtet wird.
Nur etwa jedes sechste Unternehmen sieht die Unterstützung des Managements als
Problem. In den Führungsebenen scheint damit das Erfolgspotenzial von E-Learning-
Maßnahmen bekannt zu sein, zumindest werden entsprechende Initiativen nicht
blockiert.
238 Hans-Christian Riekhof/Hubert Schüle
Dies ist ein sehr bemerkenswertes Ergebnis, denn eigentlich sollten die marktnahen
Bereiche wie Marketing und Vertrieb dafür Sorge tragen, dass das Know-how des Un-
ternehmens dort verfügbar ist, wo im Dialog mit dem Kunden Problemlösungen ent-
stehen.
4.2 Zielsetzungen
Befragt nach den Zielsetzungen im Wissensmanagement antworteten 93 Unterneh-
men. Von denen hatten nur 8 Prozent keine Ziele zum Wissensmanagement formu-
liert. Somit scheint man sich zumindest in den großen deutschen Unternehmen der
Wichtigkeit und Bedeutung von Wissensmanagement für den Unternehmenserfolg be-
wusst zu sein, und man hat sich über die damit zu verfolgenden Ziele verständigt.
E-Learning und Wissensmanagement in deutschen Großunternehmen 239
Hier wird indirekt deutlich, dass man mit E-Learning-Strategien eher vorhandenes
Know-how in effektiver Form online an die richtige Stelle und den richtigen Mitarbei-
ter bringen kann, während Wissensmanagement eher darauf abzielt, das erforderliche
Know-how überhaupt erst zu bündeln, zu systematisieren und aufzubereiten.
nur wenige Unternehmen ein Problem. Somit erscheinen IV-Lösungen als ein
grundsätzlich gut geeignetes Instrument für Wissensmanagement. Es kommt jedoch
darauf an, wie sie gestaltet sind und wie sie die Bedürfnisse der Anwender reflektie-
ren. Zu den Ergebnissen dieser Frage gibt Abbildung 14 einen Überblick.
5. Zusammenfassung
Die von der unicmind.com AG in Auftrag gegebene und von der Privaten Fachhoch-
schule Göttingen (Dr. Hubert Schüle, Professor für Wirtschaftsinformatik) durchge-
führte Studie ist die erste dieser Art, die die TOP-350 der deutschen Wirtschaft nach
ihren Zielsetzungen, nach den Aktivitäten und Erfahrungen mit E-Learning und mit
Online-Wissensmanagement befragt. Es haben sich 102 Unternehmen an der – schrift-
lichen – Befragung beteiligt, sodass die Ergebnisse eine hohe Aussagekraft haben.
Die Internationalisierung des Geschäfts ist für das Management eine besondere strate-
gische Herausforderung. Konzerne müssen sich auf eine viel höhere Komplexität in
der Unternehmensführung einstellen, wenn sie auf den wichtigsten Märkten der Welt
eine angemessene Rolle spielen wollen.
Volkswagen ist in mehr als 150 Ländern aktiv – mit durchaus unterschiedlich hohen
Marktanteilen. Toyota wird als weltweit wichtigster Wettbewerber gesehen – ein Un-
ternehmen, das in den vergangenen Jahren ein deutlich höheres Wachstum bei einer
nachhaltig höheren Umsatzrendite erzielte. Offensichtlich agiert der VW-Konzern auf
Märkten, die erhebliche strategische Herausforderungen beinhalten.
Welche Ziele sich daraus für die Managemententwicklung ableiten und wie Unterneh-
mensstrategie und Personalpolitik miteinander verzahnt werden, schildert der Beitrag
über die internationale Managemententwicklung im Volkswagen-Konzern. Bemer-
kenswert sind dabei die Werte und Leitlinien des VW-Konzerns: Es lohnt, sie genauer
zu studieren. Einige Formulierungen deuten recht unmissverständlich an, dass sich die
Erwartungen an die Mitarbeiter und Führungskräfte ändern bzw. geändert haben.
Aber auch die Organisation der Managemententwicklung verdient genauere Betrach-
tung. Der VW-Konzern hat neben einigen wenigen anderen Unternehmen diesen
Bereich schon vor Jahren outgesourct, d. h. in eine eigene, selbständig am Markt agie-
rende Tochtergesellschaft ausgegliedert. Offensichtlich hat sich dieses Konzept be-
währt.
Die Grundlage der Mitarbeiterentwicklung bei Bosch bildet ein Normen- und Werte-
system, das in der Bosch-Unternehmenskultur seinen Ausdruck findet. Diese Basis
wird ergänzt durch zehn Leitlinien der Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe,
die internationale Gültigkeit haben. Im Beitrag über Bosch werden die einzelnen Bau-
steine der Mitarbeiterentwicklung beschrieben. Eingesetzt werden die klassischen
Elemente wie Mitarbeitergespräch, Mitarbeiterentwicklungsgespräch und Mitarbeiter-
entwicklungsdurchsprache.
Bemerkenswert ist auch das der Managemententwicklung bei Bosch zugrunde liegen-
de Kompetenzmodell. Es besteht aus den Elementen
• Unternehmenskompetenz
• Führungskompetenz
• Sozialkompetenz
• Fach-/Methodenkompetenz.
Strategien der Personalentwicklung: Praxisbeispiele 249
Eine der wichtigsten Zielsetzungen dieses Outsourcing war es, dass Philips zwar die
Dienste der neuen Gesellschaft in Anspruch nehmen und dies auch vertraglich zu-
sichern, aber selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft halten sollte. Outsourcing be-
deutete für Philips, dass alle Mitarbeiter wie auch das gesamte Anlage- und Umlauf-
vermögen in die neue Gesellschaft übergehen.
Der Ausgliederungsprozess selbst bestand aus mehreren Phasen. Zunächst wurden ver-
schiedene Business-Pläne erstellt, dann wurde ein Ausgliederungsmodell entwickelt,
schließlich wurden Verhandlungen mit der ausgliedernden Unternehmensleitung auf-
genommen und geeignete Übernahmepartner gesucht. Letztlich realisiert wurde ein
Management-Buyout, bei dem man darauf verzichtete, Anteile an die Belegschaft aus-
zugeben, um eine einheitliche und klare Willensbildung und Führung sicherzustellen.
Pühse nennt einige klare Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn ein solches
Ausgliederungsmodell funktionieren soll. So muss es für die Produkte oder Dienstleis-
tungen des auszugliedernden Unternehmens einen Drittmarkt geben, um mittelfristig
eine stärkere Unabhängigkeit von der Muttergesellschaft erreichen zu können. Eine
Abtrennung bzw. Herauslösung aus dem Konzern muss leicht vollziehbar sein, indem
z. B. für bislang in Anspruch genommene zentrale Konzern-Dienstleistungen Service-
verträge abgeschlossen werden und das zu übernehmende Anlage und Umlaufvermö-
gen klar identifiziert wird. Die Business-Pläne sollten von unabhängiger dritter Seite
auf Plausibilität geprüft werden; dabei sollte das von der Muttergesellschaft zuge-
sicherte Umsatzvolumen maximal 50 Prozent des Geschäftes betragen, um die
Bemühungen um Drittgeschäfte zu forcieren.
Eine der entscheidenden Klippen ist in einem solchen Ausgliederungsprozess die
Übernahme der bisherigen Mitarbeiter. Haben die Mitarbeiter das notwendige Ver-
trauen in die neue gesellschaftsrechtliche Konstruktion der Verselbständigung? Be-
fürchten sie mittelfristige Kündigungen? Bleiben sie dem Konzerndenken verhaftet,
oder gelingt es ihnen, das für mittelständische Unternehmen (überlebens)notwendige
Kostenbewusstsein zu entwickeln?
Nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres der neuen Gesellschaft bestand die Möglich-
keit, neue Arbeitsverträge mit den Mitarbeitern abzuschließen. Zu diesem Zeitpunkt
war auch der Manteltarifvertrag der IG Metall nicht mehr bindend. Daher wurden den
Mitarbeitern neue Verträge angeboten, die auch eine Erfolgsbeteiligung umfassten,
welche bemerkenswerterweise mit einer Verlustbeteiligung gekoppelt ist. Diese Rege-
lung war sicherlich eine der wesentlichen Voraussetzungen, um mit einer motivierten
Mannschaft das künftige Geschäft entwickeln zu können.
Mitte 2000 wurde aus der T.O.P Business Training GmbH und der T.O.P. Business
Consult GmbH die T.O.P. Business AG, um den Mitarbeitern Optionsprogramme an-
bieten zu können. Nach sechs Jahren erfolgreicher Arbeit im Markt darf damit die
Ausgliederung als gelungen bezeichnet werden.
Strategien der Personalentwicklung: Praxisbeispiele 251
1. Einleitung
2. Arbeit und Lernen – zwischen Antagonismus und Komplementarität
3. Überlegungen zu einem neuen Verständnis des Lernens von Führungskräften
4. Siemens Management Learning – ein Konzept und seine Implementierung
4.1 Das Konzept
4.2 Die Elemente von Management Learning
4.3 Implementierungsplanung und -vorgehen
5. Ergebnisse und Erfahrungen
6. Potenziale der Weiterentwicklung
1. Einleitung
Seit etwa 15 Jahren sind – unabhängig vom Geschäftstyp – im Bereich des Manage-
ment Trainings folgende Trends erkennbar: Die für Lernen in formalen Prozessen von
den Unternehmen aufgewendete Zeit nimmt pro Trainingseinheit (Seminar, Works-
hop) ab. Gleichzeitig steigt der subjektiv empfundene Lernbedarf an. Lernprozesse
werden immer mehr von Arbeitsprozessen separiert, was auch durch die Wahl der
Lernorte (unternehmensinterne Schulungszentren, Business-Schools, Seminarveran-
staltungsorte) deutlich wird. Parallel hierzu wächst das meist unbestimmte Gefühl des
Teilnehmers, dass sich die Relevanz vom Lernen mit der Distanz zur konkreten
Arbeitsaufgabe reduziert. Die angebotene Lernform Seminar nimmt stetig zu, was
eine Ursache im Bemühen um die Standardisierung und Kommerzialisierung von Lern-
inhalten und Lernabläufen haben dürfte. Zugleich steigt die Kritik an der Effizienz
und vor allem Effektivität dieser Lernform für die Praxis (The Price Waterhouse
Change Integration Team, 1996, S. 223 ff.). Siemens Management Learning (vgl.
auch eine erste Darstellung in Bellmann, 2000) ist in mancherlei Hinsicht der grundle-
gende Versuch, dieser Kritik eine neue Wirklichkeit gegenüberzustellen.
Folgt man den vorstehenden Betrachtungen der Entwicklung von Lernen und seiner
künftigen Bedeutung für Unternehmen, so stellt sich die Frage nach dem Realisie-
rungszeitpunkt (-geschwindigkeit) und – damit verbunden – der zweckmäßigen Vor-
gehensweise. Stand für eine Veränderung der Schulungsstrukturen und -techniken
vom Übergang einer ständisch geprägten Wirtschaftsweise zur arbeitsteilig organisier-
ten industriellen Produktion ein Zeitraum von mindestens 100 Jahren zur Verfügung,
so ist der nun notwendige Paradigmenwechsel von einem weitgehenden Antagonis-
mus zwischen Arbeit und Schulung respektive Training hin zu einer komplementären
Praxis von Arbeit und Lernen in nur wenigen Jahren zu leisten.
Die Gründe hierfür sind vor allem, dass Wissen eine der am ineffizientesten genutzten
Ressourcen in Organisationen und zugleich eines der größten ökonomischen Poten-
ziale ist (vgl. Allee, 1997; Edvinsson & Malone, 1997). Durch den raschen Wandel
der Umfeldbedingungen lässt sich diese Tatsache zunehmend weder negieren noch im
Wege der klassischen Schulung reparieren. Zudem stehen mit den Möglichkeiten der
Informations- und Kommunikationstechnologie, vor allem dem Internet/Intranet,
technische Mittel zur Verfügung, die grundlegend neue Lernprozesse hierarchie- und
unternehmensübergreifend erlauben (vgl. Hartge, 1997). Eine Verzögerung ihrer Nut-
zung oder eine nur partielle Ausschöpfung ihrer Potentiale verschärft die Wettbe-
werbsnachteile, denen sich „nicht-lernende“ Organisationen schon heute gegenüber
sehen.
Engpass ist somit schlicht die Zeit, in der sich ganze Unternehmen hin zu lernenden
Organisationen zu wandeln in der Lage sind. Der Anpassungsdruck hat allerdings zur
Konsequenz, dass sich ein Wandel allein von „unten nach oben“ verbietet, etwa indem
die Mitarbeiter mit neuem Wissen und neuen Einstellungen zu lebenslangem, in die
Arbeit integrierten Lernprozessen die Strukturen der Wissenserzeugung und -nutzung
allmählich verändern. Vorrangige Zielgruppe eines Lernverständnisses der beschrie-
benen Art sind deshalb die Führungskräfte selbst. Nur wenn sie persönlich erfahren,
welche Wettbewerbsvorteile sich durch Lernen für sie selbst und für ihr Unternehmen
erschließen, wenn sie sichtbar neues Lernen beständig vorleben, ist die Transformati-
on einer gesamten Organisation in kurzer Zeit zu erwarten.
allen Ländern dieser Welt, sah sich im Jahr 1996 vor die Herausforderung gestellt, das
Management-Training vor dem Hintergrund eines sich immer schneller verändernden
Geschäftes neu zu definieren. Dabei wurde – mit konsequenter Unterstützung des
Top-Managements – die Chance genutzt, einen radikalen Neuanfang zu wagen, statt
die eingeführten und langjährig betriebenen Schulungssysteme nur sequenziell weiter-
zuentwickeln.
Ausgangspunkt für die Reform war das Ergebnis einer Bedarfsanalyse der derzeitigen
und künftigen Geschäfte und der dafür erforderlichen Eigenschaften von Führungs-
kräften, das im Wesentlichem vier Hauptforderungen beinhaltete:
• Identifizierung, Vorgabe, Entwicklung und Messung von Verhaltensweisen, die
wesentlich für den Geschäftserfolg sind,
• Förderung und Stärkung der „Lernenden Organisation“,
• Verstärkung der Siemens-Prinzipien der Personalentwicklung (Eigeninitiative für
persönliche Entwicklungsinteressen, Transparenz der Entwicklungschancen und
-entscheidungen sowie Wettbewerb auch untereinander) und
• weniger System, eindeutige Werte.
Im Hinblick auf die Inhalte und Struktur des Management-Trainings wurden vier
Hauptforderungen ermittelt:
• Reduzierte Komplexität der Lernsysteme durch eine klare, zukunftsorientierte Pro-
grammstruktur.
• Messbare Beiträge des Lernens für das Geschäft durch die Arbeit an konkreten
Geschäftsaufgaben in einer eindeutig strukturierten, projektorientierten Lernum-
gebung.
• Förderung des Wissensmanagements über Funktions-, Bereichs- und Ländergren-
zen hinweg und Bildung überdauernder Netzwerke zwischen Führungskräften.
• Konsequente Internationalisierung durch weltweit einheitliche Programme mit
lokalen und regionalen Anpassungsmöglichkeiten.
für die Wahrnehmung einer Funktion der jeweils angezielten Führungsebene aus-
schlaggebend ist, z.B. Finanzmanagement, Strategisches Management oder Verände-
rungsmanagement. Alle Workshopinhalte sind aber stets mit einer unmittelbaren An-
wendungsmöglichkeit im Rahmen der eigenen Tätigkeit und/oder im Zuge der auf die
Workshops folgenden Selbstlernphasen bzw. Lernphasen im Team verknüpft. Diese so
genannten Intersessions (als Struktur des E-Learnings) nutzen die Vernetzung der
Teilnehmer im unternehmenseigenen Intranet und setzen das Lernen der Gruppen im
Workshop virtuell im Netz fort.
E-Learning stellt über das beste verfügbare externe Wissen hinaus den Lernenden in
allen Programmen auch das jeweilige Siemens-spezifische Wissen via Intranet zur
Verfügung. Hierbei wurden (und werden weiterhin) erhebliche Anstrengungen unter-
nommen, die in den Siemens-Fachabteilungen und operativen Einheiten vorliegenden
Erfahrungen und Best Practices lernmethodisch für das Intranet aufzubereiten und
über verschiedene Zugänge (z. B. die gängige curriculare Gliederung von MBA-Pro-
grammen) verfügbar zu machen. Unter der Überschrift „Siemens Learning Landsca-
pe“ sind eine Vielzahl von Siemens-spezifischen Themen, etwa zu „Accounting &
Finance“ oder „Strategy“, abrufbar, die das jeweils beste verfügbare Know-how des
Unternehmens repräsentieren. Ziel ist es, eine mit vielen anderen Initiativen des
Unternehmens integrierte „Knowledge Landscape“ aufzubauen und permanent wei-
terzuentwickeln, die über den reinen Bedarf von Siemens Management Learning weit
hinausgeht. Lokale und regionale Management-Learning-Websites ergänzen die un-
ternehmenszentrale Distance-Learning-Plattform, auch um dem Bedarf nach einem
zusätzlichen eigenen Profil in den verschiedenen Landessprachen gerecht zu werden.
Im Übrigen stehen sämtliche weiteren Informationen zu Siemens Management Learn-
ing einschließlich Programmbroschüren, Anmeldeverfahren etc. im unternehmensei-
genen Intranet zur Verfügung.
Ein besonderer Schwerpunkt der Konzeption von Siemens Management Learning lag
auf der Entwicklung einer wirksamen, durchführbaren und auf andere Anforderungen
des realen Geschäfts durchgängig übertragbaren Action-Learning-Komponente. Gera-
de durch diesen Bestandteil der Lernprogramme soll das funktions-, bereichs- und
länderübergreifende Lernen an realen Geschäftschancen eingeübt und gleichzeitig ein
konkreter, messbarer Nutzen für die Siemens-Geschäfte realisiert werden. Ausführ-
liche Analysen der Erfahrungen anderer Unternehmen mit dieser Lernform in der
Konzeptionsphase von Management Learning erbrachten eine Fülle von Erkenntnis-
sen, die in der für Siemens entwickelten Variante von Action Learning umgesetzt wurden.
Unter dem programmatischen Titel „Business Impact Projects“ (BIP) wurden ein Pro-
zess und ein dazu gehöriges Instrumentarium entwickelt, die durch folgende Prinzi-
pien gekennzeichnet sind:
Die Themen (die sogenannten Business Opportunities) für diese Lernphase werden in
der Regel von den Teilnehmern selbst in einem der Siemens-Geschäftsbereiche identi-
fiziert und ein sogenannter Coach/Client für die Durchführung des Projektes gewon-
nen. Dieser Coach/Client ist der Geschäftsverantwortliche für den Prozess, auf den
das Projekt zielt. Er hat die funktionale Möglichkeit und auch das persönliche Interes-
260 Matthias Bellmann
se, die Projektergebnisse umsetzen zu lassen. Die Business Opportunity muss zu-
gleich dem Programm-Level des jeweiligen Management Learning Programs S5 bis
S2 entsprechen und vorrangig für eine Lösung heranstehen. Um auch potenziellen
Coaches/Clients die Möglichkeit zu geben, ohne eine direkte Ansprache durch Teil-
nehmer des Management Learnings Business Opportunities zu benennen, wurde im
Siemens Intranet ein „BIP-Marketplace“ eingerichtet, auf dem für Business Opportu-
nities und deren Behandlung in einem BIP geworben werden. BIPs werden grundsätz-
lich in Teams von vier bis sechs Teilnehmern bearbeitet, wobei keiner der Teilnehmer
dem Arbeitsgebiet unmittelbar angehören soll, dem die Business Opportunity zuge-
ordnet ist. Das durch die jeweiligen Teams definierte Ziel des BIP wird in einem sys-
tematischen Prozess in Zusammenarbeit mit dem Coach so eingeengt, dass das Pro-
jekt in einem Zeitraum von etwa vier bis sechs Monaten noch während des jeweiligen
Programms abgeschlossen werden kann und zu einem messbaren Beitrag zum
Geschäft des jeweiligen Unternehmensteils führt. Um dies sicherzustellen, steht ein
eigens entwickeltes, auf Best-Practice-Erfahrungen aufbauendes Verfahren zur Verfü-
gung, das die anfangs üblicherweise überdimensionierten Projektideen systematisch
eingrenzt und auf einen wirksamen Hebel für einen konkreten und messbaren Beitrag
für zugrunde liegende Geschäftsaufgaben reduziert. Die Projektergebnisse werden im
Intranet dokumentiert und sind damit auch für andere Bereiche des Unternehmens
verfügbar und übertragbar.
Literatur
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Bellmann, M., Siemens Management Learning: A Highly Integrated Model to Align Learning Pro-
cesses with Business Needs, in: Y. Boshyk (Hrsg.), Business Driven Action Learning. Global
Best Practices, Houndsmill, Basingstoke, Hampshire and London 2000, S. 140–151
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ding Its Hidden Roots, New York 1997
Ewing. J./Siemens, Building a ‘B-School’ in its own backyard, in: Business Week, Nov 15, 1999,
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Handy, Ch., The Age of Unreason, Boston 1989
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in: Freimuth, J./Haritz, J./Kiefer, B.-U. (Hrsg.), Auf dem Wege zum Wissensmanagement. Per-
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Schaffer, R. H., High Impact Consulting. How Clients and Consultants Can Leverage Rapid Results
Into Long-Term Gains, San Francisco 1997
Schaffer, R. H./Ashkenas, R. N., Rapid Results! How 100-Day Projects Build The Capacity for
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Senge, P. M., The Fifth Discipline. The Art and Practice of the Learning Organization, New York
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Sveiby, K. E., The New Organizational Wealth. Managing & Measuring Knowledge-Based Assets,
San Francisco 1997
The Price Waterhouse Change Integration Team, The Paradox Principles. How High-Performance
Companies Manage Chaos, Complexity, and Contradiction to Achieve Superior Results, Chicago,
London, Singapore 1996
Internationale Managemententwicklung im
Volkswagen-Konzern
Wilfried von Rath/Wolfgang Fueter/Anne Cockwell
Ein zentrales Unternehmensziel der Volkswagen AG ist die Erschließung neuer Märkte.
Personalpolitisch bedeutet dies, dass auch für die Emerging Markets Managementent-
wicklungskonzepte und -maßnahmen bereitgehalten werden müssen. Es geht dabei
aber nicht darum, die in Deutschland entwickelten und etablierten Entwicklungsins-
trumente in diese Länder zu „exportieren“. Vielmehr werden existierende Tools den
lokalen Bedürfnissen angepasst bzw. neu entwickelt.
Als weiteres Ziel verfolgt Volkswagen die Nutzung von Skaleneffekten innerhalb des
Konzerns. Bezugnehmend auf die Managemententwicklung bedeutet dies, globale
Mindeststandards für die Auswahl, Beurteilung und Qualifikation von Mitarbeitern zu
etablieren. Diese erleichtern die interne Kommunikation und schaffen eine Grundlage
für konzernweite, internationale Stellenbesetzungen und Job-Rotations. Trotz gewisser
Mindeststandards verlieren die Konzernmarken ihr eigenständiges Profil nicht. Ganz
im Gegenteil. Die einzelnen Marken haben unter Berücksichtigung der globalen Min-
deststandards die Freiheit, sich entsprechend der lokalen Bedürfnisse auszurichten.
Personalentwicklungsmaßnahmen sind nur dann erfolgreich, wenn es neben dem strate-
gischen „Fit“ auch einen kulturellen „Fit“ gibt. Die Unternehmenskultur von Volkswa-
gen manifestiert sich in 7 Werten und Leitlinien (vgl. Abbildung 1). Die Konzernwerte
und die dazugehörigen Leitlinien sind die Handlungsmaxime für die Mitarbeiter des
Volkswagen Konzerns. Es ist daher selbstverständlich, dass die Managemententwick-
lung im gesamten Volkswagen-Konzern im Einklang mit der Unternehmenskultur steht.
Dazu sei an dieser Stelle beispielhaft erwähnt, dass die internationale Management-
Entwicklung bei Volkswagen einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Unter-
nehmen leistet. Durch frühzeitige und permanente Förderung von Talenten und deren
Austausch weltweit wird die Deckung des heutigen und zukünftigen Bedarfs an qua-
lifizierten Führungsnachwuchskräften sichergestellt. Ähnliches gilt für die Erneue-
rungsfähigkeit. Internationale Managemententwicklungstools wie das International
Leadership Programm oder das Group Executive Programm (siehe dazu Kapitel
4.3.1) ermöglichen den Wissenstransfer über Gesellschaften, Landesgrenzen und
Kulturen hinaus. Bei Volkswagen ist man davon überzeugt, dass gerade durch die
Nutzung kultureller Synergien neue Ideen und Innovationen entstehen. In diesem
Sinne werden kulturelle Unterschiede als Chance und nicht als Gefahr begriffen.
Kundennähe
• Wir stellen das Interesse der Kunden in den Vordergrund, damit wir das Inte-
resse der Mitarbeiter, der Shareholder und anderer Stakeholder erfüllen können.
• Unsere internen Maßstäbe orientieren sich konsequent an den Bedürfnissen,
Erwartungen und Wünschen unserer Kunden.
Respekt
• Wir achten die Leistungen anderer – unserer Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetz-
ten, Geschäftspartner und Wettbewerber.
• Hierarchie korrigiert nur im Ausnahmefall die Kompetenzentscheidung.
Werte schaffen
• Add values or don’t do it.
• Die Aufgabe der Funktion ist die Unterstützung der Prozesse.
Verantwortung
• Wir geben Freiraum, fordern Freiraum und nutzen den Freiraum.
• Unsere Ziele sind ehrgeizig, die Planungsannahmen realistisch und die Berich-
te ehrlich.
Nachhaltigkeit
• Wir berücksichtigen in unserem täglichen Handeln die beschlossenen, langfris-
tigen Ziele des Unternehmens.
• Jeder Top-Manager macht sich zum Mentor von Zukunftsthemen.
Höchstleistung
• Erstklassige Ergebnisse können wir nur erreichen, wenn jeder Einzelne hohe
Ansprüche an sich selbst stellt.
• Höchstleistung, persönliche Erfolgserlebnisse und Gesundheit gehören zusam-
men.
Erneuerungsfähigkeit
• Ich kämpfe für meine Ideen und bin offen für die Ideen anderer.
• Wir ruhen uns nicht auf unseren Erfolgen aus, sondern entwickeln konsequent
neue Ideen und Konzepte.
Bei Volkswagen wird bereits bei Berufseinsteigern geprüft, inwiefern sich die Kandi-
daten für eine internationale Laufbahn im Konzern eignen. Wer beispielsweise über
das Internationale Traineeprogramm der Marke Volkswagen einsteigen möchte, muss
während seines Studiums, zusätzlich zu seinen fachlichen und überfachlichen Quali-
fikationen, umfangreiche Erfahrungen im Ausland gesammelt haben sowie mehrere
Sprachen sprechen. Diese und weitere Anforderungen werden durch mehrere Instan-
zen überprüft, bevor die Kandidaten ein 1,5-tägiges Assessment Center (AC) durch-
laufen. Durch ein aufwändiges Einstellungsverfahren wird gewährleistet, dass ausschließ-
lich hoch qualifizierte Talente mit einem hohen Maß an sozialer Kompetenz und
globalem Denkvermögen das internationale Entwicklungsprogramm absolvieren.
268 Wilfried von Rath/Wolfgang Fueter/Anne Cockwell
Mitarbeiter, die bereits mehrjährige Erfahrung bei Volkswagen gesammelt haben und
vor der Berufung ins Management stehen, müssen ebenfalls ein mehrtägiges AC be-
stehen. Der Auswahlprozess ist einheitlich und somit transparent gestaltet. Durch die
Einigung auf bestimmte Mindeststandards ist es möglich, über Marken und Gesell-
schaften hinweg, unterschiedliche Formen des Assessments anzuwenden, die in ihren
Anforderungen alle miteinander vergleichbar sind.
Wird ein Mitarbeiter ins Ausland entsandt, hat er den Schritt ins Management von
Volkswagen über das AC in der Regel bereits genommen. Darin wurden bereits Fakto-
ren wie soziale und interkulturelle Kompetenz abgeprüft. Zusätzlich können der Mit-
arbeiter und sein/ihr Partner anhand eines Selbsteinschätzungsbogens die Motivation
für einen Auslandseinsatz analysieren. Zugleich regt die Selbsteinschätzung die Refle-
xion des Mitarbeiters und seiner Familie über die Chancen und Risiken eines Aus-
landseinsatzes an. Auf diese Weise können sie sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt
damit auseinander setzen.
Die hier beispielhaft dargestellten Personalauswahlinstrumente für die internationale
Stellenbesetzung verdeutlichen, welche Bedeutung der Personalauswahl bei Volks-
wagen insgesamt zukommt. Ziel ist es hier, Auswahlprozesse in Zukunft noch stärker
an konzernweit-gültigen Standards auszurichten.
Der nächste wichtige Schritt im Zuge einer internationalen Personalpolitik ist die Ent-
wicklungsplanung. Managementplanung und -entwicklung stehen bei Volkswagen im
Gleichklang mit der Dynamik der Geschäftsprozesse und greifen über Funktionen,
Bereiche, Werke und Regionen hinweg. Mittel- und langfristig können erfolgsorien-
tierte und innovative Prozesse der Produktentstehung, -herstellung und -vermarktung
im Volkswagen-Konzern nur sichergestellt werden, wenn diese auch durch entspre-
chende Prozesse der Managemententwicklung vorausschauend begleitet und vorberei-
tet werden. Auf Organisationsebene findet die Managemententwicklungsplanung bei
Volkswagen im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Managementplanungsrunden
statt. Auf Mitarbeiterebene wird sie über individuelle Entwicklungspläne abgewickelt.
Der persönliche Entwicklungsplan unterstützt die Transparenz über Werdegang, ge-
genwärtige Funktion und Kompetenz, sowie zukünftige Einsatzwünsche und -mög-
lichkeiten. Er ist in den Prozess der Managementplanungsrunden eingebettet. Be-
setzungs-, Nachfolge- und Berufungsentscheidungen sind dabei ebenso Thema wie
Gehaltsentwicklungen. Die internationale Personalentwicklungsplanung ist über eine
jährliche Planungsrunde zwischen den verantwortlichen Personalmanagern und dem
Konzern-Vorstand mit in den Planungsprozess eingebunden. Darin wird u. a. disku-
tiert, welche offenen Stellen im Konzern von einem internationalen Kandidaten profi-
tieren könnten, welche Mitarbeiter in den Global Exchange of Talents (GET)-Pool
(vgl. Abbildung 2) aufgenommen werden sollten und welche strategischen Ziele mit
einzelnen Positionen im Unternehmen verbunden sind.
Internationale Managemententwicklung im Volkswagen-Konzern 269
In Bezug auf die Managemententwicklung wird bei Volkswagen großer Wert darauf
gelegt, dass eine sinnvolle Synthese zwischen Managemententwicklung „on-the-job“
und „off-the-job“ hergestellt wird. Unter Berücksichtigung dieses Anspruches exis-
tiert ein Spektrum an verschiedenen internationalen Entwicklungsprogrammen, das
beim Berufseinsteiger ansetzt und alle Führungskräfte bis zum Top-Management be-
gleitet. Die wesentlichen Entwicklungsprogramme daraus werden im Folgenden kurz
vorgestellt.
270 Wilfried von Rath/Wolfgang Fueter/Anne Cockwell
Das Internationale Traineeprogramm von Volkswagen blickt auf eine 50-jährige Tra-
dition zurück. Ziel des 15-monatigen Entwicklungsprogramms ist die Rekrutierung,
Entwicklung und Sicherung von Führungsnachwuchskräften für Volkswagen. Das
Programm vermittelt einen umfassenden Einblick über die komplexen Zusammen-
hänge innerhalb des Konzerns. Es setzt sich aus verschiedenen „on-the-job“- und
„off-the-job“-Programmbausteinen zusammen: Projektarbeit entlang der Prozesskette,
Aufenthalt in der Vertriebsregion, Einsatz in der Produktion/Bandaufenthalt, Semina-
re, Vortrags- und Kaminabende, computersimuliertes Unternehmensplanspiel usw.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle insbesondere der zwei- bis dreimonatige Projekt-
einsatz im Ausland. Während dieser Zeit lernen die Trainees die Arbeitsabläufe einer
anderen Gesellschaft sowie den Automobilmarkt des Gastlandes kennen. Dies soll den
Blick für zukünftige internationale Tätigkeiten schärfen.
In den Zeiten der Globalisierung, der Veränderung der Märkte und zunehmender
Komplexität werden die Anforderungen an Führungskräfte ständig größer. Es gilt,
schnell die richtigen Entscheidungen zielorientiert zu treffen, teamorientiert zu führen
und sich strategisch auszurichten. Das International Leadership Program (iLead) für
Führungskräfte des Volkswagen-Konzerns versucht diese Kompetenzen weiterzuent-
Internationale Managemententwicklung im Volkswagen-Konzern 273
wickeln und trägt dazu bei, dass Manager den Blick für das Wesentliche schärfen. Es
ermöglicht dem internationalen Teilnehmerkreis eine verdichtete Leadership-Erfah-
rung aus 3 Blickwinkeln: „sich führen“, „andere führen“ und „das Unternehmen
führen“. Die 3 Module finden über einen Zeitraum von 6 Monaten an drei internatio-
nalen Standorten des Konzerns statt. Dazwischen sind weitere Entwicklungsaktivitä-
ten möglich. So können die Teilnehmer sich zwischen dem ersten und zweiten Modul
ein Leadership-Feedback einholen. Nach dem zweiten Modul bereiten die Führungs-
kräfte in interkulturellen Teams eine internationale Fall-Studie für das dritte Modul vor.
Die Vorteile des Programms liegen auf der Hand. Für die Teilnehmer bietet iLead die
Möglichkeit, ihr persönliches Netzwerk zu erweitern, sie werden bei ihren Führungs-
aufgaben unterstützt und erleben einen Change-Management-Prozess. Nicht zuletzt
hat iLead einen sehr starken internationalen Fokus, wodurch die Teilnehmer zahlrei-
che interkulturelle Erfahrungen sammeln können.
274 Wilfried von Rath/Wolfgang Fueter/Anne Cockwell
Aus Sicht des Unternehmens besteht der Nutzen des Entwicklungsprogramms u. a. aus:
• der Schaffung einheitlicher Qualifizierungsstandards für das Volkswagen Manage-
ment weltweit zur Förderung internationaler Job Rotations,
• hoher Motivation der Teilnehmer und Commitment zur Führungsaufgabe,
• der Unterstützung bei realen Führungsherausforderungen durch das Transferpro-
jekt Leadership Challenge,
• der Unterstützung des lebenslangen Lernens der Führungskräfte,
• dem Ausbau des konzerninternen Netzwerkes.
Jedes Jahr treffen sich dazu ca. 30 Führungskräfte aus allen Konzerngesellschaften,
die gemeinsam an konkreten, internationalen Projekten arbeiten und lernen. Die Aus-
wahl der Teilnehmer wird durch die Personalleitungen der Konzerngesellschaften
vorgenommen. Die Durchführung erfolgt gemeinsam mit einer international renom-
mierten Business School. Bei einer Dauer von vier bis sechs Tagen treffen sich die
Teilnehmer zum gemeinsamen Lernen auf internationalem Niveau. Parallel zum
Tagesgeschäft und zu den Modulen findet die Projektarbeit in multikulturellen und in-
terdisziplinären Teams von je vier bis sechs Teilnehmern statt. Diese soll dazu beitra-
gen, strategische Aufgabenstellungen der Konzerngesellschaften zu lösen. Unterstützt
werden die Teilnehmer dabei durch professionelle interne und externe Coaches, die
sowohl Einzel- als auch Teamcoaching-Sitzungen durchführen. Zwischen dem ersten
und zweiten Modul findet darüber hinaus eine 360-Grad-Beurteilung statt. Den Ab-
schluss des Programms bildet die Projektpräsentation vor Mitgliedern der Konzernlei-
tung und ausgewählten Top-Managern.
Das Group Executive Forum versteht sich als strategisch ausgerichtete Lern- und Dis-
kussionsplattform für das Top-Management des Volkswagen-Konzerns. Jedes Jahr
kommen ca. 200 bis 250 ausgewählte Top-Manager aus allen Gesellschaften weltweit
in drei bis vier Veranstaltungen jeweils für 4 Tage zusammen, um gemeinsam strategi-
sche Themen zu bearbeiten. Dabei werden z. B. die aus globalen Veränderungen, aus
Der Besuch einer internationalen, renommierten Business School trägt zur persön-
lichen Entwicklung einer Führungskraft bei. Mit einem Executive-Education-Pro-
gramm wird vorrangig ein Auffrischen mit international aktuellem Managementwis-
sen verfolgt. Dieses soll ausgewählte Mitarbeiter zur besseren Bewältigung ihrer
Aufgaben und zur Entwicklung neuer Ideen befähigen. Das Networking mit unterneh-
mensexternen Führungskräften lässt sich dabei als positiver Side-Effekt verbuchen.
Außerdem befinden sich die Führungskräfte für die Dauer des Executive-Programms
in einem internationalen Umfeld, was für die Entwicklung der interkulturellen Kom-
petenz förderlich ist.
Volkswagen unterstützt Top-Manager und Führungskräfte des Konzerns bei der Aus-
wahl geeigneter Business-School-Programme. Anhand eines Interviewleitfadens wer-
den persönliche Bedürfnisse und Wünsche des Mitarbeiters identifiziert, um anschlie-
ßend ein passendes Programm zusammenzustellen. Nach der Rückkehr des Mitarbei-
Internationale Managemententwicklung im Volkswagen-Konzern 277
ters wird der Business-School-Besuch mit Hilfe eines strukturierten Gesprächs ausge-
wertet. Beispiele für Business Schools, mit denen Volkswagen zusammenarbeitet,
sind: Standford Business School, Wharton University, Kellog Graduate School of
Management, London Business School, Insead und die St. Galler Business School.
Die Übernahme einer neuen Aufgabe im Ausland ist häufig Anlass für ein Einzel-
coaching. Bereits vom ersten Tag an muss ein Manager im Ausland Höchstleistungen
bringen. Ein erfahrener Coach kann ihn dabei konstruktiv unterstützen.
Coaching wird bei Volkswagen als ganzheitliche Förderung und Weiterentwicklung
zur individuellen Höchstleistung begriffen, um damit den größtmöglichen Erfolg auf
den Weltmärkten zu erreichen. Im Zentrum eines Einzelcoachings im internationalen
Kontext steht die kritische Reflexion und Optimierung der persönlichen Leistung des
Foreign Service Employees in der neuen Funktion und fremden Kultur. Zielgruppe
sind vorwiegend Top-Manager des Volkswagen Konzerns. Diese können aus einem
Pool von mehr als 300 geprüften Coaches nach individuellen Kriterien (z. B. Verfüg-
barkeit des Coaches am Standort der Gastgesellschaft, interkulturelle Erfahrungen des
Coaches mit der Gastkultur) auf den für sie passenden Berater zugreifen.
Die Volkswagen Coaching GmbH mit Stammsitz in Wolfsburg ist seit rund 10
Jahren führendes Unternehmen in der Managemententwicklung. Als 100-prozen-
tige Tochter der Volkswagen AG bietet die Volkswagen Coaching ihren Kunden
international ganzheitliche Lösungen an – von der Analyse bis zur Umsetzung.
Sämtliche hier dargestellten internationalen Entwicklungsprogramme und -bau-
steine sind Teil ihres umfassenden Angebotportfolios. Weitere Informationen und
Angebote finden Sie unter www.volkswagen-coaching.de
Literatur
Kaul, C. (2005). Coaching bei Volkswagen, in: Wirtschaftspsychologie aktuell, 12. Jahrgang, Nr.
1/2005
Schneck, O. (1998). Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage, München, S. 555
Thommen, J.-P./Achleitner, A.-K. (1998). Allgemeine Betriebswirschaftslehre, 2. Auflage, Wiesba-
den, S. 659
Volkswagen AG (Hrsg.). Demografischer Wandel macht Humankapital zur Engpassressource der
Zukunft, in: p:news – political news, 7. Jahrgang, Nr. 2/2005
Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe
Joachim Nickut
1. Das Unternehmen
1.1 Die Bosch-Gruppe
1.2 Unternehmenskultur, Leitbild und Werte
2. Grundsätze und Leitlinien der Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe
3. Die Bausteine der Mitarbeiterentwicklung
3.1 Das Mitarbeitergespräch (MAG)
3.2 Das Mitarbeiterentwicklungsgespräch (MEG)
3.3 Die Mitarbeiterentwicklungsdurchsprache (MED)
3.4 Weiterbildungs- und Entwicklungsmaßnahmen
4. Managemententwicklung in der Bosch-Gruppe
4.1 Das Kompetenzmodell
4.2 Der Förderkreis
4.3 Das Mitarbeiterentwicklungsseminar (MES)
4.3.1 Zielsetzung
4.3.2 Organisation und Ablauf
4.3.3 Übungen
4.3.4 Einsatz von SYNPRO
4.3.5 Beobachterschulung
4.3.6 Beobachterkonferenz und Feedbackbericht
4.4 Das Feedback- und Fördergespräch
5. Zusammenfassung und Ausblick
1. Das Unternehmen
1.1 Die Bosch-Gruppe
Aus der vom Firmengründer Robert Bosch im Jahr 1886 in Stuttgart eröffneten „Werk-
stätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ ist eines der größten Industrieunterneh-
men Deutschlands mit starker internationaler Ausrichtung entstanden*. Das Unterneh-
men zählt zu den führenden Anbietern von kraftfahrzeugtechnischen Erzeugnissen.
Weiterhin gehören Elektrowerkzeuge, Thermotechnik, Hausgeräte, Sicherheitssysteme
sowie Automations-, Metall- und Verpackungstechnik zu den Arbeitsgebieten. Anfang
des Jahres 2005 beschäftigte die Bosch-Gruppe mehr als 240.000 Mitarbeiter. Seit
1964 gehört das Unternehmen zu den großen Industriestiftungen in Deutschland. Die
Robert Bosch Stiftung GmbH, die ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt, ist
mit rund 92 Prozent am Stammkapital beteiligt. Mit der Dividende der Robert Bosch
GmbH fördert sie vor allem Gesundheitspflege, Völkerverständigung, Wohlfahrtspfle-
ge sowie Bildung und Erziehung. Auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung und
Forschung betreibt die Stiftung u. a. das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart.
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Formulierungsvariante für beide Ge-
schlechter verwendet.
Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe 281
spruch stellt, sich mit Qualität (Q) und Innovation (I) jederzeit an den Kunden (K) zu
orientieren. Hierbei sind alle Mitarbeiter aufgerufen, Sach- und Prozesshindernisse
wie auch Kultur- und Verhaltensbarrieren konsequent anzugehen, um das Leistungs-
potenzial des gesamten Unternehmens optimal zu nutzen.
Abbildung 1: Mitarbeiterentwicklungskonzept
sich nach ihrer persönlichen und fachlichen Eignung. Kein geeigneter Mitarbeiter
darf zurückgehalten werden, wenn er sich an anderer Stelle im Unternehmen
beruflich weiterentwickeln kann.
6. Durch frühzeitige Übertragung herausfordernder Aufgaben mit eigenen Entschei-
dungsfreiräumen werden Initiative, Eigenverantwortung und ganzheitliches Den-
ken gefördert.
7. Internationale Berufserfahrung durch eine Tätigkeit für die Bosch-Gruppe außer-
halb des jeweiligen Heimatlandes ist wichtiger Bestandteil der beruflichen Ent-
wicklung der Fach- und Führungskräfte und des Führungsnachwuchses. Bei ver-
gleichbarer Eignung erhalten Mitarbeiter mit internationaler Erfahrung bei der
Besetzung von Führungspositionen den Vorrang.
8. Eine der effektivsten Entwicklungsmaßnahmen ist das Lernen am eigenen Arbeits-
platz. Es gewährleistet einen unmittelbaren Praxisbezug, macht den Lernerfolg
schnell sichtbar und steigert die Motivation durch unmittelbare Erfolgserlebnisse.
9. Nachwuchs-Führungskräfte nehmen an speziellen Führungskräfte- und Förder-
seminaren teil, um den Führungsstil des Unternehmens kennen zu lernen und sich
mit Methoden der Mitarbeiterführung vertraut zu machen.
10. Jede Führungskraft wird auch danach beurteilt, wie sie ihre Mitarbeiter weiterent-
wickelt. Es gilt der Grundsatz: Mitarbeiterentwicklung ist in erster Linie eine
Führungsaufgabe.
Basierend auf den Leitlinien entstand ein Mitarbeiterentwicklungskonzept, dessen
Bausteine im Folgenden kurz vorgestellt werden (vgl. Abbildung 1). Näher eingegan-
gen wird auf das Mitarbeiterentwicklungsseminar für den oberen Tarifbereich sowie
die erste außertarifliche Stufe, die ein besonderes Element der Mitarbeiterentwicklung
im Unternehmen darstellt.
Ein nachhaltiger Unternehmenserfolg basiert immer auch auf dem Wissen und Kön-
nen der Mitarbeiter. Die zur Zielerreichung notwendigen Mitarbeiterkompetenzen
müssen rechtzeitig und systematisch aufgebaut werden und zum richtigen Zeitpunkt
zur Verfügung stehen. Erschwert wird dies durch sich immer wieder verändernde
Rahmenbedingungen. Durch diese Entwicklung ist der Personalbereich in besonderer
Weise dazu aufgefordert, sich stärker als bisher um die Persönlichkeitsentwicklung
angehender Führungskräfte zu kümmern. Das im folgenden Abschnitt beschriebene
System des Förderkreises mit dem dazugehörigen Mitarbeiterentwicklungsseminar
(MES) liefert einen Beitrag dazu, Mitarbeiter auf dem Weg zur unteren bzw. mittleren
Managementebene zu begleiten und ihre Führungsfähigkeiten systematisch auszubau-
en. Grundlage für die Leistungs- und Potenzialeinschätzung innerhalb der einzelnen
Bausteine des Mitarbeiterentwicklungssystems ist hierbei das Bosch-Kompetenzmo-
dell, das für alle Führungskräfte weltweit Gültigkeit besitzt (vgl. Abbildung 2). Das
Modell basiert auf dem Leitbild und den Werten des Unternehmens, die bereits in Ka-
pitel 1.2 beschrieben wurden. Die vier Kompetenzfelder (Unternehmerkompetenz,
Führungskompetenz, Sozialkompetenz und Fach- und Methodenkompetenz) sind
hierbei in zwei Einzelkompetenzen untergliedert, die an verschiedenen Merkmalen
und Indikatoren festgemacht werden (vgl. Abbildung 3). Diese sind nicht als ab-
schließende Definitionen anzusehen, sondern stellen beispielhaft dar, was unter den
Kompetenzen zu verstehen ist. Führungskräfte und Mitarbeiter können diese Merk-
male in den einzelnen Bausteinen des Systems für die jeweiligen Arbeitsplätze und
Aufgaben konkretisieren oder ergänzen. Gleichzeitig wurde eine Liste mit Verhaltens-
beispielen für Kernkompetenzen erstellt, die eine zusätzliche Unterstützung bieten:
Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe 287
Ziel des Mitarbeiterentwicklungsseminars (MES) ist es, die Mitglieder des För-
derkreises auf künftige Anforderungen und Führungspositionen vorzubereiten und
hinsichtlich der Entwicklungsrichtung zu beraten. Im Vordergrund des MES steht der
Entwicklungs- und Beratungsaspekt. Auf der Basis einer genaueren Analyse der Stär-
ken und Verbesserungspotenziale eines Mitarbeiters in Bezug auf künftige Ziel-
positionen werden individuelle Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen zu seiner
spezifischen Förderung abgeleitet. Gegenstand des MES ist nicht die Analyse von
Fachkenntnissen. Stattdessen geht es im MES und dem darauf aufbauenden Förder-
plan um jene Verhaltensweisen, die das Unternehmen von einer Führungskraft oder
Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe 289
wesentliche Inputs zum Verfahren und zur Einordnung der Leistung der Teilnehmer in
Bezug auf ihre eigenen Führungskräfte. Damit wollen wir u. a. erreichen, dass der
Bewertungsmaßstab durch einseitige hausinterne Beurteilungen über einen längeren
Zeitraum nicht verschärft, oder was in diesem Fall größere Folgen hätte, gegenüber
anderen Unternehmen absinken würde. Gleichzeitig ergeben sich für die beobachten-
den Führungskräfte viele Möglichkeiten, sich mit anderen Sichtweisen auseinander zu
setzen und über den Tellerrand zu schauen. Diese Transparenz und Offenheit hat dem
gesamten Verfahren bei allen Betroffenen zu einer bis dahin noch nicht gekannten
Akzeptanz verholfen. Der Ablauf der Veranstaltung ist so organisiert, dass jeder Be-
obachter jeden Teilnehmer in allen Übungen sieht. Das Verfahren selbst gliedert sich
in mehrere Hauptabschnitte:
• eine eintägige Beobachterschulung für alle Teilnehmer
• eine halb- bis ganztägige Beobachterschulung für die beobachtenden Führungs-
kräfte (abhängig von der Beobachtungserfahrung der Vorgesetzten)
• ein eintägiges Mitarbeiterentwicklungsseminar (MES)
• eine ca. halbtägige Beobachterkonferenz (abhängig von der Teilnehmeranzahl)
• ein rund zweistündiges Feedbackgespräch des Beraters und eines Personalentwick-
lers mit jedem Teilnehmer
Die internen Führungskräfte übernehmen im Anschluss an das Seminar die Coaching-
Rolle im Entwicklungsprozess.
4.3.3 Übungen
Auf der Grundlage des Kompetenzmodells mit seinen Merkmalen entstand ein Übungs-
katalog mit sechs unterschiedlichen Bausteinen. Neben einer Führungs- und einer
Fachpräsentation müssen die Teilnehmer ein Konflikt-, ein Motivationsgespräch so-
wie eine mehrstufige Teamübung absolvieren. Weiterhin ist ein Persönlichkeitstest
Bestandteil des Verfahrens, um im späteren Feedbackgespräch wertvolle Zusatzinfor-
mationen zu erhalten.
Die Aufgabenstellungen für die jeweils rd. 20-minütigen Präsentationen und Mitarbei-
tergespräche werden den Teilnehmern im Rahmen einer Einführungsveranstaltung
eine Woche vor dem eigentlichen Seminarbeginn bekannt gegeben. Alle Übungen
stammen aus dem Arbeitsalltag und gehören zu den Schwerpunktaufgaben von
Führungskräften. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Übungen eine mög-
lichst reale Situation widerspiegeln, in der spontanes Handeln und Improvisations-
fähigkeiten nicht den Hauptausschlag geben und alle anderen Kriterien dadurch in den
Hintergrund drängen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Verfahrens ist die
Beobachtung, Beurteilung und Bewertung der Teilnehmer untereinander. Hier erleben
sich die Teilnehmer zum ersten Mal in einer Führungsrolle und erhalten wertvolle Im-
pulse für die weitere persönliche Entwicklung.
Mitarbeiterentwicklung in der Bosch-Gruppe 291
Um die Effizienz der Beobachtungen weiter zu steigern, setzen wir derzeit in einer Pi-
lotreihe ein von Simon und Donaubauer (2003, 2005) an der Universität Regensburg
entwickeltes Führungs- und Fachkraft-Analyseinstrument ein, das so genannte SYN-
PRO-FFAI. SYNPRO steht für das dem Instrument zu Grunde liegende Beobachtungs-
system, mit dem das Interaktionsverhalten der Teilnehmer in der Gruppendiskussion
erfasst wird (vgl. Simon, 2002). Als Aufgabenstellung in der Gruppendiskussion dient
das komplexe, computersimulierte Unternehmensplanspiel SYNTEX. Durch SYN-
TEX werden an die Teilnehmer die gleichen Anforderungen gestellt wie an eine
Führungs- oder Fachkraft in der betrieblichen Praxis (vgl. Simon & Thomas, 2005).
Im Gegensatz zum bisherigen klassischen Beobachtungsverfahren, bei dem ein Asses-
sor erst dann aktiv wird, wenn ein Teilnehmer eine bestimmte Verhaltensweise wie
z. B. Entscheidungskraft zeigt, wird mit SYNPRO zunächst das gesamte Interaktions-
verhalten der Teilnehmer in der einstündigen Gruppendiskussion abgebildet, um so
auch die Aufeinanderfolge der Reaktionen der Teilnehmer auf die Aussage eines Vor-
redners erfassen zu können. Auf der Grundlage dieser Beobachtungsdaten werden mit
Hilfe des Führungs- und Fachkraft-Analyseinstrumentes SYNPRO-FFAI der
Führungsanspruch der einzelnen Teilnehmer, deren Führungserfolg sowie die Pro-
blemlösekompetenz potenzieller Fachkräfte diagnostiziert. Die Instrumente stellen
statistisch ermittelte Regressions- und Diskriminanzfunktionen dar, aus denen deut-
lich wird, ob ein Teilnehmer die entscheidenden Führungsverhaltensweisen ausübt,
um in eine Führungsrolle der Gruppe zu gelangen und um die Gruppe erfolgreich
führen zu können. Darüber hinaus werden die entsprechenden Verhaltensweisen erfasst,
die auf eine besondere Problemlösekompetenz eines Teilnehmers schließen lassen und
ihn damit, wenn nicht genügend Potenzial für eine Führungslaufbahn vorhanden ist,
als Fachkraft qualifizieren. Die mit SYNPRO-FFAI gemessenen Kompetenzen stim-
men mit dem Kompetenzmodell von Bosch überein (vgl. Abbildung 3) und werden
hier in objektivierter und standardisierter Form gemessen.
Die erzielten Ergebnisse über die Kompetenzen der einzelnen Teilnehmer lassen sich
in normierten Profilen visuell darstellen und werden in einem schriftlichen Diagnose-
Ergebnis zusammengefasst. Die Rückmeldung an die Teilnehmer erfolgt im Rahmen
eines videobasierten Feedbacks. Dabei werden den Teilnehmern die effektivitätsbe-
stimmenden Anforderungen und damit einhergehenden notwendigen Kompetenzen
zunächst theoretisch erläutert. Zur Förderung der Transparenz und Nachvollziehbar-
keit des erzielten Diagnose-Ergebnisses wird ebenfalls aufgezeigt, wie die Messung
der Kompetenzen mit dem Beobachtungssystem SYNPRO und dem darauf basieren-
den Analyseinstrument – FAI – erfolgt. Um am eigenen Interaktionsverhalten lernen
und verdeutlichen zu können, welches konkrete Verhalten hinter den einzelnen An-
forderungen steht, werden den Teilnehmern einzelne Ausschnitte aus der SYNPRO-
Planspielsitzung gezeigt, in denen sie die Anforderungen erfüllten bzw. nicht erfüll-
ten. Ferner erhalten die Teilnehmer anhand eines Idealvideos der „optimalen“ Anfor-
derungserfüllung zugleich Lernhinweise zur Verhaltensänderung im Sinne des „Be-
haviour Modelings“.
292 Joachim Nickut
In den bisherigen Pilotgruppen hat sich gezeigt, dass die mit SYNPRO-FFAI erzielten
Diagnoseergebnisse sehr gut mit dem unabhängig erstellten Gesamtergebnis eines
Teilnehmers im MES übereinstimmen. Auch die Akzeptanz des Verfahrens bei den
Teilnehmern ist als ungewöhnlich hoch einzustufen. Bisher gab es noch keinerlei
Reaktanz von Teilnehmern gegenüber einem SYNPRO-Feedback. Die objektivierte
und standardisierte Auswertung der Gruppendiskussion mit SYNPRO-FFAI, die ge-
schaffene Transparenz durch die Erklärung der Auswertungsmethode im Rahmen des
Feedbacks sowie die gemeinsame Analyse der Videoausschnitte erleichtern den Teil-
nehmern die Annahme des Ergebnisses.
Beim bisherigen Einsatz klassischer Beobachtungsverfahren fühlten sich oftmals Teil-
nehmer gerade in der Gruppendiskussion subjektiv bewertet, während sie die Ergeb-
nisse in den anderen Übungen annehmen konnten. Auch die Assessoren selbst merk-
ten immer wieder an, dass ihnen die Bewertung der Kompetenzen der Teilnehmer in
der Gruppendiskussion schwer fällt, wenn nicht gerade irgendwelche besonderen Er-
eignisse auftreten. Oftmals besteht Unsicherheit, ob derjenige, der viel spricht, tat-
sächlich entscheidende Führungsfunktionen ausübt, oder es sich einfach nur um einen
Vielredner handelt. Mit SYNPRO-FFAI wird deutlich, welche Interaktionsbeiträge
tatsächlich zielführend sind und auf Führungsverhalten schließen lassen.
SYNPRO-FFAI stellt somit eine objektivierte und standardisierte Grundlage zur Ana-
lyse des Verhaltens von Führungs- und Fachkräften im Rahmen der Gruppendiskus-
sion dar. Es bietet eine objektivierte Entscheidungsgrundlage, ob ein Teilnehmer eher
für eine Führungs- oder Fachkraftlaufbahn geeignet ist. Ferner bietet es eine Entschei-
dungsgrundlage bei divergierenden Bewertungen der Kompetenzen der Teilnehmer
durch die Assessoren und trägt damit zu einer Erhöhung der Qualität des Bewertungs-
prozesses im MES und einer größeren Fairness gegenüber den Teilnehmern bei.
Durch die Objektivität und Standardisierung der Messung eignet es sich nach unserem
Ermessen auch insbesondere für Lernfähigkeits-Ac’s, in denen es zur Überprüfung
des Lernerfolgs wiederholt eingesetzt werden kann und so eine Erfassung des Lern-
potenzials ermöglicht. Die Teilnehmer selbst können in quantitativer Form ihren Lern-
erfolg nachvollziehen, was zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung beiträgt. Das
Verfahren steht somit im Einklang mit der Leitidee einer zielgerichteten Weiterent-
wicklung des Mitarbeiters im MES.
4.3.5 Beobachterschulung
bezieht sich dabei auf den derzeitigen Leistungsstand auf der Basis einer Nachwuchs-
kraft. Diese Kompetenzeinschätzung wird gleichzeitig in einem Spinnendiagramm
visualisiert (vgl. Abbildung 4).
Dabei bedeutet der Skalenwert 1, dass die in der Einzelübung gezeigte Leistung in der
jeweiligen Kompetenz zu gering ausgeprägt ist und der Kandidat die Aufgaben am ge-
genwärtigen Arbeitsplatz hinsichtlich dieses Kriteriums nicht erfüllt. Der Skalenwert
3 bedeutet, dass die gezeigte Leistung im Rahmen der Soll-Anforderungen liegt, und
der Skalenwert 5 weist auf außergewöhnliche Stärken hin. Das Kompetenzmodell ist
somit die Basis für alle Beobachtungen und Beurteilungen aus dem Mitarbeiterent-
wicklungsseminar. Im Interesse einer kontinuierlichen Beurteilung findet es bei allen
Förderkreismitgliedern sowohl in der Fachlaufbahn als auch in der Projekt- und
Führungslaufbahn Anwendung. Nach der Beurteilung der gezeigten Leistung im MES
erfolgt die Einschätzung des Potenzials durch die Beobachter. Als Grundlage für die
Bewertung dient die Zielposition des Mitarbeiters, Basis für die Einschätzung sind die
im MES gezeigten Verhaltensweisen. Da es keinem von uns gegeben ist, in die Zu-
kunft zu schauen, ist die Potenzialeinschätzung eine Prognose, die sich natürlich im
Laufe der Entwicklung des Mitarbeiters auch ändern kann und deshalb eine Art „Mo-
mentaufnahme“ darstellt. Sie soll verstanden werden im Sinne von „Was trauen wir
dem Mitarbeiter auf Basis dessen, was wir hier gesehen haben, in der Zukunft, genau-
er gesagt auf der angegeben Zielposition zu“ (vgl. Abbildung 5). Da diese Prognose
notwendigerweise eine subjektive Vorausschau der Beobachter ist, weisen die Verant-
wortlichen an jeder Stelle des Verfahrens auf den Grundsatz einer Beurteilung „nach
bestem Wissen und Gewissen“ hin.
Aus der Beantwortung dieser Frage entsteht die Potenzialeinschätzung mit den ent-
sprechenden Skalenwerten, die analog zur Einschätzung der Leistung als ganzheit-
Sehr wichtig ist, dass die festgelegten Maßnahmen von den Vorgesetzten begleitet wer-
den, sodass eine spätere Erfolgskontrolle möglich ist. Dies erforderte gerade in den An-
fangsjahren der Prozesseinführung eine grundlegende Bewusstseinsänderung bei allen
Führungskräften, die die Entwicklungsmaßnahmen der Teilnehmer in ausreichendem
Maße tragen und unterstützen mussten. Hier hatte die Personalabteilung die einmalige
Chance, den Prozess zu begleiten, die Rolle des Förderers und Entwicklers einzuneh-
men und das häufig zu hörende Image des „Personalverwalters“ abzuschütteln.
Literatur
Simon, P. (2002). Die Entwicklung eines Modells der Gruppeneffektivität und eines Analyseinstru-
ments zur Erfassung des Leistungspotenzials von Arbeitsgruppen, Landau
Simon, P./Donaubauer, A. (2003). SYNPRO-FAI: Führungs-Analyse-Instrument, in: L. v. Rosen-
stiel/J. Erpenbeck (Hrsg.). Handbuch Kompetenzmessung, S. 298–308, Stuttgart
Simon, P./Donaubauer, A. (2005). SYNPRO-FAI: Führungs-Analyse-Instrument, in: W. Sarges/
H. Wottawa (Hrsg.). Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren, 2. Auflage, Lengerich
Simon, P./Thomas, A. (2005). Das computersimulierte Unternehmensplanspiel SYNTEX, in: W.
Sarges & H. Wottawa (Hrsg.). Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren, 2. Auflage,
Lengerich
Wie aus einem erfolgreichen Dax-30-
Unternehmen eine LeadIng.-Company wird:
Change Case Linde
Michael Prochaska
1. Einführung
2. Perspektiven der Neuausrichtung
2.1 Erfolgreiche Unternehmen
2.2 Die Rolle der Unternehmensstrategie
2.3 Erfolgreiches Change Management
2.4 Trends für das Personalmanagement
3. Strategieumsetzendes Personalmanagement
3.1 Integration und Professionalisierung
3.1.1 Global HR Meeting
3.1.2 Internationale Task Forces
3.1.3 Personalkommission
3.1.4 Personalentwicklungs-Dialog
3.1.5 HR StepUp!
3.2 Bewertung von Funktion und Person
3.2.1 Stellenbewertung
3.2.2 Leadership Appraisal
3.3 Management Cycle – Integration von Strategie-, Finanz- und Personalprozessen
3.3.1 Management Kick-Off
3.3.2 Management Dialog
3.3.3 Leadership Survey
3.3.4 Management Conferences
3.3.5 Succession Planning
3.3.6 Target Conferences
3.4 Linde University
3.4.1 Top-Potenzial-Programme
3.4.2 Leadership Excellence
4. Schlussbemerkungen
1. Einführung
Mit dem folgenden Beitrag soll aufgezeigt werden, wie aus einem erfolgreichen kon-
servativen Dax-30-Unternehmen eine LeadIng.-Company geformt wird, um nachhal-
tiges profitables Wachstum zu sichern. Insbesondere sollen die Rolle und der Wertbei-
trag des konzernweiten Personalmanagements im Rahmen der strategischen Neuaus-
richtung beschrieben werden. Es soll aufgezeigt werden, welche Impulse, Initiativen
und Programme von ihm ausgingen. Dies verdeutlicht, wie Veränderungen in Organi-
sationen durch das Personalmanagement aktiv, schnell, gezielt und nachhaltig umzu-
setzen sind. Der Beitrag stellt die Erfahrungen zusammen, die im Rahmen des Verän-
derungsprozesses bei der Umgestaltung und Neuausrichtung des Unternehmens ge-
macht wurden. Damit bietet er gleichermaßen Ansatzpunkte für alle Leser, die eigene
Vorgehensweise in Veränderungsprozessen zu reflektieren.
Der vorliegende Beitrag ist keine theoretische Abhandlung über Change Management
oder Organisationsentwicklung. Hierzu gibt es bereits sehr viele Veröffentlichungen
(z. B. Doppler & Lauterburg, 1994), die Modelle und Theorien darstellen, die die Kom-
plexität von Organisationsveränderungen, ihre Einflussgrößen, Interdependenzen und
Wirkmechanismen allumfassend beschreiben. In der Praxis aber zählen nicht theoreti-
sche Erklärungen, sondern einzig und allein der Erfolg des Tuns. Oder um mit den Wor-
ten von Larry Bossidy und Ram Charan zu sprechen: „Everybody talks about change. In
recent years, a small industry of changemasters has preached revolution, reinvention,
quantum change, breakthrough thinking, audacious goals, learning organizations, and
the like ... unless you translate big thoughts into concrete steps for action, they’re point-
less. Without execution, the breakthrough thinking breaks down, learning adds no value,
people don’t meet their stretch goals, and the revolution stops dead in its tracks. What
you get is change for the worse, because failure drains the energy from your organizati-
on. Repeated failure destroys it.“ (Bossidiy & Charan, 2002, S. 19).
Als internationaler Technologiekonzern mit rund 42.000 Mitarbeitern in über 100
Ländern erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2005 einen Umsatz von 10 Mrd.
Euro. In seinen zwei Unternehmensbereichen Gas und Engineering sowie Material
Handling besitzt es eine jeweils führende Marktposition. Das Unternehmen kann auf
eine 127-jährige Tradition zurückblicken. Der Gründer Carl von Linde war in
Deutschland einer der großen Erfinder und Unternehmerpersönlichkeiten seiner Zeit.
Der Unternehmensbereich Gas und Engineering ist in zukunftsträchtigen Geschäfts-
feldern tätig. Als führender Anbieter von Industrie- und Medizingasen setzt Linde Gas
insbesondere auf den weiteren Ausbau der Sparte Healthcare und den umweltfreundli-
chen Energieträger Wasserstoff. Mit eigenen Verfahren und Technologien konzentriert
sich Linde Engineering auf die Wachstumsmärkte im internationalen Anlagenbau und
richtet seine Kompetenz verstärkt auf Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff, Sauer-
stoff und Olefinen sowie zur Erdgasbehandlung. Gemeinsam stärken die beiden Ge-
schäftsbereiche das Segment Onsite, bei dem Großverbraucher mit Industriegasen aus
Anlagen versorgt werden, die direkt beim Kunden stehen. Mit den drei Marken Linde,
Still und OM Pimespo sowie dem strategischen Partner Komatsu Forklift Co. zählt
der Linde-Konzern zu den weltweit größten Herstellern von Staplern und Lagertech-
Change Case Linde 301
nikgeräten und ist Marktführer in Europa. Mit innovativen Produkten und Dienstleis-
tungsangeboten bedient Linde zunehmend neue Märkte und besonders zukunftsträch-
tige Segmente. Im Blickpunkt sind dabei vor allem Asien und der weitere Ausbau des
Servicegeschäfts.
Nach dem Wechsel des Vorstandsvorsitzes im Jahr 2003 sind der weitere Ausbau des
internationalen Geschäfts, profitables, nachhaltiges ertragsorientiertes Wachstum so-
wie Innovation vorrangige unternehmerische Zielsetzungen. Es wird angestrebt, ein
LeadIng.-Unternehmen zu sein: führend bei Produkten, Innovationen und im Markt.
War die Unternehmensführung in der Vergangenheit mehr auf lokale Unabhängigkeit
ausgerichtet, sollen auf Grund der immer schwieriger werdenden Wettbewerbssitua-
tion mehr Integration und Synergien über Unternehmensbereiche und Marken hinweg
geschaffen werden. Zur Umsetzung der neuen strategischen Ausrichtung kommt den
Mitarbeitern im Linde-Konzern eine besondere Rolle zu. Sie sind es, die mit ihrer
Qualifikation, Motivation und Leistung zum nachhaltigen unternehmerischen Erfolg
beitragen. People are the difference!
Jedes Jahr finden Wettbewerbe statt, um die innovativsten, besten oder attraktivsten
Unternehmen zu prämieren. Erst kürzlich wurde von Hewitt (2005) eine Studie mit
über 500 Unternehmen in den USA und Europa durchgeführt, die im Ergebnis die
Unterschiede und Gemeinsamkeiten von erfolgreichen und nicht-erfolgreichen Unter-
nehmen auflistet (vgl. Abbildung 1). Mit steter Regelmäßigkeit zeigt sich, dass erfolg-
reiche Unternehmen einen starken Fokus auf ein modernes Personalmanagement legen:
Sie haben eine klare Strategie für die Auswahl, Beurteilung, Entwicklung und Kom-
pensation von Führungskräften, der Vorstandsvorsitzende und seine Kollegen sind
aktiv in die Führungskräfteentwicklung eingebunden, sie haben einen erkennbaren
Fokus auf die Entwicklung von Potenzialen, Nachfolgeplanung wird systematisch be-
trieben, es gibt ein gut etabliertes Talentmanagement-System und es erfolgt die Mes-
sung von Leistung und Potenzial. In anderen Studien zeigen sich weitere Merkmale
erfolgreicher und innovativer Unternehmen: Sie haben eine starke Kultur, sie bieten
Identifikationsmöglichkeiten und Führung und legen Wert auf Innovation (Hay,
2005). Auch wurde untersucht, was High-Performance-Organisationen anders machen
als Low-Performance-Organisationen: Erstens automatisieren sie Geschäftsprozesse,
um maximale Effizienz und Effektivität zu erhalten, zweitens motivieren sie die Mit-
arbeiter durch offene Kommunikation und Einbeziehung in Entscheidungen, und
drittens unterstützen sie Personalentwicklung, um Qualität und Leistung zu erreichen
(Accenture, 2003).
302 Michael Prochaska
Eine Studie mit 500 Unternehmen in USA und Europa (Hewitt, 2005) kommt zu
folgenden Erfolgsfaktoren:
● Klare Strategie für Auswahl, Beurteilung, Entwicklung und Kompensation
von Führungskräften
● Aktive Rolle des Vorstands in der Führungskräfteentwicklung
● Fokus auf Potenzialentwicklung und Nachfolgeplanung
● Systematisches Talentmanagement
● Regelmäßige Bewertung von Leistung und Potenzial
Falsche ist, sodann das neue Richtige tun, zunächst aber schlecht, um schließlich das
neue Richtige richtig zu tun. Jeder kann diese einfache Schrittfolge verinnerlichen.
Aber dennoch scheitern die meisten Veränderungsvorhaben. Die Frage ist warum?
Hierauf gibt es eine einfache Antwort: „The failure to see keeps the change process from
even getting started. Even when started the failure to move keeps us from entering the
path of the new right thing. Even if we start and move, the failure to finish keeps us from
doing the new right thing and doing it well.“ (Black & Gregerson, 2003, S. 13).
Es gibt eine Reihe von Publikationen zu Change Management sowie zur Frage, wie
man den Wandel erfolgreich gestaltet (Glasl & Lievegoed, 2004). Diese Veröffentli-
chungen fokussieren Anlässe, Methoden und Tools, den idealen Prozess sowie die
Rolle des Managements. Fest steht: Um erfolgreich Veränderungen umzusetzen, muss
aktiv geführt und gestaltet werden. Notwendig ist eine nachvollziehbare Verände-
rungsstrategie, reines Projektmanagement ist zu wenig. Sie liegt dann vor, wenn die
Ausgangssituation klar ist und von allen verstanden wird, die erfolgs-kritischen Fak-
toren ermittelt wurden, Anlässe und Notwendigkeiten, was zu verändern ist, beschrie-
ben sind, die Lücken in Fähigkeiten und Kapazitäten des Unternehmens erkannt und
erklärt sind, klar ist, was wo getan werden muss, um die Lücken zu schließen, diejeni-
gen Veränderungen feststehen, die ein Maximum an positiver Wirkung erwarten
lassen und die Messgrößen für den Erfolg definiert sind. Es geht also nicht um totale
Partizipation oder die Bombenwurf-Strategie. Es geht viel mehr darum, Verände-
rungsprozesse verantwortungsbewusst und mit hoher Erfolgsaussicht zu gestalten.
Auch für Linde hat sich die Welt verändert. Das Personalmanagement der Vergangen-
heit war administrativ geprägt auf die Grundfunktionen Einstellen, Gehaltsadministra-
tion und Ausscheiden. Durch die auf Grund eines veränderten Wettbewerbsumfelds
und der fortschreitenden Globalisierung, notwendige strategische Neuausrichtung wur-
den Veränderungen initiiert, die zwangsläufig auch zu Veränderungen der Rollen, Auf-
gaben und Verantwortlichkeiten im Personalmanagement führen mussten. Wie aber
können die Personalarbeit und das Rollenverständnis in einem über Jahrzehnte hinweg
wachsenden und erfolgreichen typisch deutschen Unternehmen mit großer Tradition
verändert werden? Ganz einfach, indem sich das Personalmanagement neu ausrichtet,
den Erfordernissen des Business folgt und diejenigen Prozesse, Programme und Instru-
mente initiiert, die die strategische Neuausrichtung konsequent unterstützen. Dies ist
weder Kunst noch Hexenwerk, es muss einfach getan werden. Let’s just do it!
3. Strategieumsetzendes Personalmanagement
Wie bereits aufgeführt, strebt Linde die strategische Neuausrichtung des Unterneh-
mens hin zu einer LeadIng.-Kultur an. Dass dem Personalmanagement dabei eine
ganz besondere Rolle zukommt, wurde aus den Ausführungen im letzten Abschnitt
deutlich. An dieser Stelle sollen wesentliche Meilensteine vorgestellt werden, die im
Zeitverlauf zur konsequenten Umsetzung der neuen strategischen Ausrichtung des
Unternehmens beigetragen haben. Abbildung 3 zeigt diese Initiativen im Überblick.
Besonderes Gewicht hatten dabei Integrations- und Professionalisierungsinitiativen
im Personalmanagement, die konzernweite Bewertung von Stellen und Personen, die
Einführung des Management Cycles sowie die Schaffung der Lern- und Entwick-
lungsplattform Linde University. Sie werden daher im Folgenden näher beschrieben.
War es in der Vergangenheit so, dass die Personalarbeit dezentral und bereichs-be-
zogen erfolgte, erfordert die strategische Neuausrichtung eine konzernweite Orientie-
rung im Personalmanagement, eine gemeinsame bereichsübergreifende Personalpoli-
tik sowie einheitliche Standards. Alle Personalbereiche sollten an der Erneuerung des
konzernweiten Personalmanagements mitarbeiten und sich an den Initiativen beteili-
gen. Deswegen wurde erstmals ein 2,5-tägiges Global HR Meeting veranstaltet, zu
dem die 40 wichtigsten Personalmanager weltweit vom Personalvorstand eingeladen
wurden. Ziele waren, das Kennenlernen der Personalmanger untereinander zu ermög-
lichen, Synergien zu schaffen, Best Practices vorzustellen, sich über die Personalpoli-
tik auszutauschen sowie den Umsetzungsstand der wesentlichen weltweiten Personal-
initiativen vorzustellen und zu besprechen. Im Anschluss an die Konferenz sollten
fünf Personalbrennpunktthemen von international besetzten Teams bearbeitet werden,
um die gemeinsame Ausrichtung zu stärken und um Synergieeffekte zu erzeugen.
Das erste Global HR Meeting war ein Erfolg, weil es seine Zielsetzungen vollständig
erreicht hat. Für die meisten Personalmanager war es das erste Mal, dass sie ihre
Kollegen aus anderen Ländern und aus den anderen Unternehmensbereichen getroffen
haben und die Möglichkeit bestand, sich untereinander auszutauschen. Das Vorstellen
der künftigen Ausrichtung durch den Vorstand und der wesentlichen strategischen
Initiativen hat dazu beigetragen, die gemeinsame Richtung zu erkennen sowie ein
Verständnis für gemeinsame Aufgaben zu entwickeln. Gleichzeitig konnten die Teil-
nehmer erkennen, dass sie als Personalmanager in einem Konzern mehr oder minder
an denselben Themen arbeiten und dass auch über die Konferenz hinaus Potenziale
für den Austausch von Best Practices bestehen und nur genutzt werden müssen. In Zu-
kunft soll jährlich eine weltweite Personalkonferenz durchgeführt werden.
3.1.2 Internationale Task Forces oder „Ich habe auch andere Aufgaben“
Um die Expertise der Personalmanager im Konzern für die Ausarbeitung von Instru-
menten, Programmen und Tools optimal zu nutzen sowie den Internationalisierungs-
und Integrationskurs von Linde weiter zu unterstützen, wurden während des ersten
Global HR Meetings im Rahmen einer Brainstorming-Sitzung Ideen zu gemeinsamen
Personalprojekten gesammelt, deren Bearbeitung das Personalmanagement im Kon-
zern voranbringen würden. So entstand eine Liste mit Themen, wie z. B. Verbesserung
der Kommunikation, Erarbeiten von Standards and Policies, Management Develop-
ment, Klärung von Verantwortlichkeiten zwischen Zentral- und Dezentralbereichen.
In einem nachfolgenden Priorisierungsverfahren wurden die Teilnehmer der Konfe-
renz aufgefordert, diejenigen fünf Themen auszuwählen, deren Bearbeitung aus ihrer
Sicht unmittelbar erfolgen sollte. Nachfolgend wurden fünf länder- und geschäftsbe-
reichsübergreifende Task Forces mit jeweils acht Personalmanagern gebildet, deren
Aufgabe es war, für jeweils eines der priorisierten Personalthemen eine Konzern-
lösung zu erarbeiten. Die Projekte hatten wichtige Konzernthemen wie Pension Plan
UK, Assignment Policy, Betreuung der Top 500, HR Kommunikationsplattform sowie
Change Case Linde 307
War es zu Beginn in den ersten Sitzungen schwierig, die gemeinsame Ausrichtung der
Personalbereiche zu finden, hat sich die Personalkommission im Verlauf der Zeit als
eine sehr gute und stabile Kommunikationsplattform erwiesen. Die Personalkommissi-
on vereinfacht auch die Programmplanung der Personalbereiche in den Unternehmens-
einheiten. Mit ihr wird klar, welche übergreifenden Initiativen, Programme und Prozesse
in Zukunft zu bearbeiten sind. Damit kann durch die Personalbereiche in den Unter-
nehmenseinheiten rechtzeitig eine angemessene Kapazitätsplanung und Ressourcenal-
lokation für übergreifende Personalprojekte vorgenommen werden. Gewissermaßen
beiläufig übernehmen die Personalleiter der Unternehmensbereiche ihre Rolle als Mul-
tiplikatoren der neuen Unternehmenskultur. Nachdem anfangs eher die Einstellung
„aus den Augen, aus dem Sinn“ vorherrschte, ist über die Zeit hinweg festzustellen,
dass alle Teilnehmer der Personalkommission die regelmäßig stattfindenden Meetings
als sehr produktiv und für die eigene Arbeit als wichtig einstufen. Die Personalkom-
mission hat mit sechs Treffen pro Jahr ihren optimalen Rhythmus gefunden.
Auch für die Leiter der Personalentwicklung gilt das Gleiche wie für die Personal-
leiter der Unternehmensbereiche: Sehr gute Kommunikation ist der Schlüssel für den
Erfolg bei der Umsetzung der neuen Strategie. Zum Aufbau einer effizienten Regel-
kommunikation zwischen den Personalentwicklungsleitern entstand der Personalent-
wicklungs-Dialog. Er findet sechsmal im Jahr an wechselnden internationalen Orten
im Konzern statt. Während die Personalkommission die gesamte Programmplanung
für alle Personalthemen vornimmt, ist es das Ziel des Personalentwicklungs-Dialogs,
Personalentwicklungsthemen von Konzernrelevanz zu diskutieren, zu planen und um-
zusetzen. In diesem Sinne ist dieser Kreis stärker operativ und kümmert sich um die
Umsetzung wichtiger Vorhaben. Dem Leiter der Konzern-Personalentwicklung
kommt eine besondere Rolle zu: Er ist Bindeglied zwischen Personalkommission und
Personalentwicklungs-Dialog.
Da bei den ersten Treffen noch nicht allen Teilnehmern klar war, welche Rolle er im
Veränderungsprozess übernehmen wird, war es anfangs sehr mühsam, die gemeinsa-
me Ausrichtung zu finden. Wurden die Leiter der Personalentwicklung mit übergrei-
fenden Aufgaben betraut, war oft das Argument zu hören: „Ich muss erst meinen Chef
fragen, ob ich dazu Zeit habe.“ Mit zunehmender Beteiligung an den Konzernprojek-
ten allerdings stellte sich mehr Bereitschaft zur gemeinsamen Arbeit und Klarheit
über die gemeinsame Ausrichtung ein. Auch dieser Kreis ist zu einer wichtigen Kom-
munikations- und Arbeitsplattform im Konzern geworden. Zu erwähnen ist auch, dass
sich die frühe Internationalisierung des Kreises sehr positiv auf die Ergebnisse ausge-
wirkt hat. Während unter der ausschließlichen Beteilung deutscher Teilnehmer The-
men meist sehr „deutsch“ diskutiert wurden, hat die Aufnahme von Kollegen aus Ita-
lien, Frankreich, Groß-Britannien und Finnland zu einem deutlichen Internationalisie-
rungsschub im Denken und im Handeln gesorgt. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass
mehr und mehr Best Practices aus dem Konzern für lokale Fragestellungen genutzt
werden. So hat sich z. B. das Meisterappraisal im Unternehmensbereich Material
Change Case Linde 309
Abbildung 4: HR StepUp!
Ein weiteres wichtiges Ziel im Rahmen der strategischen Neuausrichtung war es, kon-
zernweit Transparenz über die Wertigkeit von Funktionen herzustellen, um damit auch
die Bedingungen für die Kompensation der Führungskräfte zu verbessern. Die kon-
Abbildung 5: Stellenbewertungssystem
Change Case Linde 311
zu ergreifen. Bewertet man das Leadership Appraisal aus den Augen der Führungs-
kräfte, so war es ein Erfolg: Sie haben sich überwiegend positiv über das Appraisal
geäußert, auch wenn es nicht in allen Fällen positiv war. Für viele war es das erste
Mal, dass sie überhaupt ein Feedback erhalten haben. Die beurteilten Führungskräfte
sehen im Ergebnis des Leadership Appraisals eine Chance für Feedback und Weiter-
entwicklung.
Ebenfalls positiv hervorzuheben ist, dass es gelungen ist, mit dem Leadership Apprai-
sal die Kompetenz für das professionelle Beurteilen von Mitarbeitern im Unterneh-
men aufzubauen. Erfolgten die ersten Appraisals ausschließlich mit externen Beratern,
wurden sie nach und nach von Mixed Teams – einem Berater und einem trainierten
Personalmanager –, schließlich mit reinen internen Teams, die mit einem operativen
Business Manager und einem Personalmanager besetzt sind, geführt. Im Nachgang zu
den Appraisals wurde für jede beurteilte Führungskraft ein individueller Entwick-
lungsplan ausgearbeitet, und zwar auf der Grundlage gemeinsamer Standards. Um für
die Zukunft die interne Kompetenz für das Beurteilen von Mitarbeitern noch weiter
auszubauen und um sich künftig ganz unabhängig von Beratern zu machen, werden
hierzu mehrere zweitägige Trainings angeboten, in denen die Zertifizierung zum Lea-
dership Appraiser erworben werden kann.
Das Management Kick-Off ist ein dreitägiges Meeting der Top 30-Führungskräfte im
Konzern und wichtiger Konzernfunktionen, zu dem der Vorstandsvorsitzende zu Be-
ginn des neuen Geschäftsjahres einlädt. Somit kann es auch als „wake-up call“ für das
Top-Management bezeichnet werden. In ihm werden die Ergebnisse des abgelaufenen
314 Michael Prochaska
Jahres, die Ziele des Konzerns sowie der Unternehmensbereiche für das neue Ge-
schäftsjahr und andere wichtige Themen besprochen. Auch finden im Rahmen des
Management Kick-Offs Workshops zu strategisch bedeutsamen Themen statt. Damit
haben teilnehmende Führungskräfte die Möglichkeit, aktiv an der Umsetzung der
Unternehmensstrategie zu arbeiten. Die Ergebnisse werden dokumentiert und mit
Maßnahmenplänen hinterlegt. Aus dem Management Kick-Off haben sich beispiels-
weise Qualitätsoffensiven, Effizienzsteigerungs- oder auch Personaloptimierungspro-
gramme entwickelt.
3.3.2 Management Dialog oder „Kommunizieren wir jetzt nur noch über DV?“
Der Management Dialog ist ein Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter,
das etwa 1 bis 2 Stunden dauert und zum Ziel hat, Leistung und Potenzial der Mit-
arbeiter zu betrachten. Gegenstände des Dialogs sind die Zielerreichung im abgelaufe-
nen Jahr, Zielsetzungen für das neue Jahr, ein Abgleich des Kompetenz- und Poten-
zialprofils, Entwicklungsmaßnahmen sowie die Zusammenarbeit zwischen Vorge-
setztem und Mitarbeiter. Der Management Dialog wurde konzernweit eingeführt, um
sicherzustellen, dass die Potenzial- und Performancesteuerung regelmäßig und ange-
messen erfolgen kann. Er ist eine hervorragende Möglichkeit, zwischen Vorgesetztem
und Mitarbeiter Klarheit über Erwartungen, Anforderungen, Ziele und Interessen her-
zustellen. Als der Management Dialog mit einem IT-gestützten Workflow hinterlegt
eingeführt wurde, lautete die spontane Rückmeldung einiger Führungskräfte, ob es
nun gewünscht sei, dass man nur noch über DV miteinander kommunizieren solle.
Dies ist freilich nicht der Fall, jedoch hilft der Workflow, den Prozess verbindlich und
für alle einheitlich zu gestalten. Die Steuerung des Mitarbeitergesprächs-Prozesses er-
Change Case Linde 315
folgt zentral. Mitarbeiter und Führungskräfte sind es selbst, die die Eintragungen vor-
nehmen und die Daten eingeben; die Personalfunktionen der Unternehmensbereiche
achten auf die Qualität der Ergebnisse und unterstützen bei der Planung und Umset-
zung der besprochenen Entwicklungsmaßnahmen.
War es am Anfang schwierig, die Personalmanager der Unternehmensbereiche davon
zu überzeugen, dass ein einheitlicher Bogen im Konzern erforderlich ist, wurde im
Verlauf des Projekts in mehreren gemeinsamen Sitzungen ein von allen akzeptierter
Gesprächsbogen erarbeitet. Festzuhalten ist: Nicht der Gesprächsbogen macht die
Qualität der Zusammenarbeit zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter aus. Ob sich ein
Mitarbeiter wohl fühlt, ob er engagiert und motiviert an seine Aufgabenstellungen
herangeht und Leistung erbringt, ist vielmehr abhängig von den Aufgaben, Zielen und
der gesamten Führungssituation. Der Management Dialog kann in diesem Sinne nur
als Struktur für die gemeinsame konstruktive Diskussion über Leistung und Potenzial
dienen. Wenn er im Bereich der Führungskräfte vollständig verankert ist, kann im
nächsten Schritt die Übertragung auf weitere Zielgruppen erfolgen.
3.3.5 Succession Planning oder „ … dann wird ja transparent, dass wir keine
Nachfolger haben“
Konzernweit einen Marktplatz für Talente und Potentiale entstehen zu lassen, der
Mitarbeitern und Führungskräften Karriere- und Entwicklungschancen bietet und glei-
chermaßen den Erfolg im Wettbewerb sichert, das ist eine Zielsetzung der Nachfolge-
planung. Um dahin zu kommen, musste jedoch richtige Kernerarbeit geleistet werden.
Wurden in der Vergangenheit die Nachfolgeplanungen in den Unternehmensbereichen
ganz unterschiedlich und auch nicht koordiniert vorgenommen, war es ein Ziel im Rah-
men der strategischen Neuausrichtung, alle Nachfolgeplanungen im Konzern auf einer
einheitlichen Basis vorzunehmen. In einem ersten Schritt wurden der Nachfolgepla-
nungsprozess und die Erhebungsinstrumente ausgearbeitet. Dass dies sehr schnell und
gut geklappt hat, lag nicht zuletzt an der gemeinsamen Erkenntnis der Personalleiter,
dass das Talentmanagement für den Konzern, aber auch für jeden Unternehmens-
bereich bereits sehr wichtig geworden ist. Rückläufige Bewerberzahlen, weniger Stu-
dierende in den für das Unternehmen wichtigen Studiengängen, harter Wettbewerb um
Talente sowie die demografische Verteilung im Unternehmen waren Gründe hierfür.
Der Nachfolgeplanungsprozess startet immer in den Unternehmenseinheiten, die Er-
gebnisse werden weiter und weiter konsolidiert, über die Abteilungen, Bereiche und
Change Case Linde 317
Bei der Umsetzung des LeadIng.-Anspruchs und auf dem Weg zur Performance-Kul-
tur kommt den Programmen der Linde University eine wichtige Rolle zu. Mit ihnen
ist ein durchgängiges Konzept entstanden, das für verschiedene Zielgruppen an-
spruchsvolle Förderangebote bietet. Charakteristisch ist, dass die Teilnehmer der Pro-
gramme bereichsübergreifend und international zusammengesetzt sind. Zudem sind
jeweils Projekte zu betrieblichen Fragestellungen zu bearbeiten und eine konkrete Lö-
sung herbeizuführen. Vorstand und Top-Management geben die Projekte vor und
übernehmen die Rolle von Sponsoren. Die Linde University ist der Transformations-
riemen für die Umsetzung der neuen Unternehmensstrategie sowie ein Marktplatz für
Lernen und Aufbau von Netzwerken. In Zusammenarbeit mit führenden internationa-
len Business Schools umfasst sie das Global Leadership Program für die obersten
Führungskräfte, den Global Leadership Development Circle für das mittlere Manage-
ment sowie den Global Talent Circle für Nachwuchspotenziale.
Das Global Leadership Program qualifiziert Top-Potenziale im Bereich der obersten
Führungskräfte. Jeweils 28 Teilnehmer haben dabei die Möglichkeit, in drei Modulen
in Frankreich, Asien und Deutschland sowie während einer gemeinsamen Projektar-
beit, neue Inhalte zu lernen und Netzwerke im Konzern aufzubauen. Die vom Vor-
stand definierten und betreuten Projekte haben Themen wie z. B. die Verbesserung
von Innovationsprozessen, die Optimierung der Servicequalität oder die optimale
Schnittstellengestaltung zum Gegenstand. Die Ergebnisse der Projektarbeiten werden
zum Abschluss des Programms dem Vorstand präsentiert. Besonders hervorzuheben
ist, dass die Projektergebnisse in den Geschäftsbereichen umgesetzt werden. Damit
trägt das Programm zur konsequenten und zielorientierten Weiterentwicklung unserer
obersten Führungskräfte bei. Eine weitere Initiative der Linde University ist der
Global Leadership Development Circle für jeweils 40 Potenziale aus dem mittleren
Management. Es wird in drei Modulen in den USA, in China und Deutschland durch-
geführt. Inhaltlich setzt er sich mit General-Management-Themen wie Financial Dis-
cipline, High Performance Organizations und Führungsqualität auseinander. Er ent-
hält ebenso wie das Global Leadership Program einen Action-Learning-Ansatz. Im
Rahmen so genannter High-Performance-Improvement-Projekte haben die Projekt-
teams die Aufgabe, Prozessverbesserungen in den Geschäftsbereichen vorzuschlagen.
Mit dem Global Talent Circle werden junge High Potentials weiter qualifiziert. Mit
einem bereichsübergreifenden internationalen Teilnehmerkreis komplettiert dieses
Programm das Förderkreisangebot der Linde University (vgl. Abbildung 8). Haupt-
aspekte bei diesem Programm sind die Weiterentwicklung strategischer und unterneh-
merischer Kompetenzen sowie der Ausbau der Führungskompetenz.
Die Programme der Linde University sind ein wichtiger Beitrag zur gezielten Förde-
rung unserer Potenzialträger, zur weiteren Internationalisierung, zur Integration sowie
zur Verankerung einer performance-orientierten Linde-Kultur. Sie sind eine gute
Plattform, Führungskräfte auf die Übernahmen von Fach- und Führungsfunktionen im
Rahmen von Nachfolgeregelungen im Konzern vorzubereiten. Bei allen Programmen
gibt es ein einfaches Prinzip der Nominierung: Die Personalabteilungen in den
Unternehmensbereichen erhalten die Aufforderung, eine Liste mit Kandidaten für die
Programme zu erstellen, wobei die Anzahl der Plätze je Unternehmensbereich vorge-
geben wird. Leitlinie beim Erstellen der Kandidatenliste ist, mindestens 50 % der Teil-
nehmerplätze international zu besetzen und auch Frauen für die Programme zu benen-
nen. Danach werden die Listen der Unternehmensbereiche im Vorstand abgestimmt
und die Kandidaten nominiert. Es findet jährlich je ein Programm statt; pro Jahr kön-
nen etwa 100 Führungskräfte an den verschiedenen Programmen teilnehmen.
3.4.2 Leadership Excellence oder „Das brauchen wir doch gar nicht“
Diese Kombination sorgt dafür, dass die Veranstaltungen nicht als theoretische Ex-
kurse in fremde professorale Welten erlebt werden, sondern als wertschaffende, wis-
sens- und erfahrungserweiternde Lernmöglichkeiten. Die modulare Struktur sorgt für
den nachhaltigen Transfer des neu erworbenen Wissens in die betriebliche Praxis.
Pro Jahr haben bis zu 400 Manager die Möglichkeit, an diesen Veranstaltungen teilzu-
nehmen. Seminarsprache ist Englisch, der Teilnehmerkreis ist crossdivisional und in-
ter-national. Auch diese Veranstaltungsreihe ist sehr hilfreich bei der Umsetzung der
neuen Unternehmenskultur.
Bemerkenswert ist, dass die Ausarbeitung der Programmbausteine durch die Personal-
entwicklungsleiter der Unternehmensbereiche erfolgte. Damit konnten die einschlägi-
gen Erfahrungen der dezentralen Personalmanager hervorragend genutzt und ihre
Expertise in der Programmgestaltung berücksichtigt werden. Dies unterstützte auch die
Akzeptanz des neuen Angebots. War es in der Vergangenheit so, dass alle Unterneh-
mensbereiche eigene Initiativen zur Weiterbildung und Personalentwicklung ihrer
Führungskräfte unabhängig voneinander hatten, hat sich der Fokus hin zum Konzern
erweitert. Hörte man aus den Unternehmensbereichen anfangs durchaus Stimmen wie:
„das brauchen wir doch gar nicht, wir haben doch eigene Programme“, erfolgten die
Nominierungen für die entsprechenden Programmangebote ohne Probleme. Künftig soll
sich das Leadership Excellence Progam immer weiter den unternehmensinternen Bedar-
fen anpassen. Dies bedeutet, dass sich das Programmangebot weiterentwickeln wird,
einige Bausteine werden durch neue Themen ersetzt, andere werden hinzukommen. Es
ist die Philosophie, strategieumsetzend und bedarfsorientiert zu arbeiten. Demzufolge
werden nur diejenigen Entwicklungsmaßnahmen angeboten, für die es auch Bedarfe
gibt und die helfen, die neue Unternehmensstrategie nachhaltig zu verankern.
4. Schlussbemerkungen
Sicher ist es nicht möglich, auf den wenigen Seiten eines Beitrages alle Erfahrungen zu
beschreiben, die während der Umsetzung der strategischen Neuausrichtung eines Kon-
zerns hin zu einer LeadIng.-Company zu sammeln sind. Wenn sich das Personalmana-
gement als Change, Business und Strategischer Partner positionieren will, dann ist
hierfür harte Arbeit zu leisten, letztlich bezieht das Personalmanagement sein Ansehen
aus dem Tun. Meiner Erfahrung nach sind folgende Erfolgsfaktoren entscheidend:
• Top-down Commitment: Dass das Top-down Commitment wichtig ist, wird ver-
mutlich von niemandem bestritten. Deswegen findet man diesen Erfolgsfaktor
auch in den meisten Veröffentlichungen zum Change Management. Es klingt platt,
es ist aber keine Plattitude. Wenn das Top-down Commitment nicht gegeben ist,
sollte man am besten gar nicht an Veränderungsvorhaben herangehen!
• Strategieverständnis: Der Personalmanager braucht das Verständnis für die Unter-
nehmensstrategie und die Fähigkeit, die Strategie in Personalthemen umzusetzen.
Er achtet dabei auf die Verzahnung der verschiedenen Programme über Funktions-
bereiche und Hierarchien hinweg, unterstützt den organisatorischen Wandel und
arbeitet mit den richtigen Programmen zur richtigen Zeit.
Change Case Linde 321
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K./Gutmann, J. (Hrsg.), Jahrbuch Personalentwicklung und Weiterbildung, Neuwied
Outsourcing der Bildungsfunktion in der
Deutschen Philips-Organisation oder
Wie man eine Dienstleistung zu einem
erfolgreichen Geschäft machen kann
Ulrich Pühse
1. Einführung
2. Ausgangslage
3. Der Ausgliederungsprozess
4. Der Start des neuen Unternehmens
5. Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter
6. Gründung der Top Business AG
7. Outsourcing der Bildungsfunktion – ein strategischer Fehler?
8. Ergebnisse und Ausblick
1. Einführung
Führungskräftefortbildung spielt bei Philips eine außerordentlich wichtige Rolle,
nicht zuletzt deshalb, weil Philips in den neunziger Jahren verschiedene breit angeleg-
te Organisationsentwicklungs- und Restrukturierungsvorhaben gestartet und sehr er-
folgreich abgeschlossen hat. Im Rahmen dieser Restrukturierung haben sich die ver-
schiedenen Unternehmensbereiche auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und sich
von vielen Aktivitäten getrennt, die nicht zum eigentlichen Kerngeschäft gehören.
Dazu gehörten viele Geschäftseinheiten, deren Marktposition nicht auf den ersten
Rängen zu finden war und die in einer anderen Partnerschaft erfolgreicher agieren
konnten, aber auch viele Dienstleistungen.
Solche unternehmensnahe Dienstleitungen werden heute vielfach von darauf speziali-
sierten Dienstleistungsunternehmen übernommen. Dadurch gewinnen die Konzerne
Flexibilität und Professionalität. Ein Beispiel für die Ausgliederung einer Dienstleis-
tung ist die 1989 gegründete Philips-Akademie, die ein Geschäftsbereich der damali-
gen Philips Kommunikations Industrie AG war. Viele große Unternehmen denken
heute über die Ausgliederung von bestimmten Funktionen nach, insofern ist dieser
Beitrag als Anregung für solche Überlegungen gedacht. Er soll die Chancen und Risi-
ken aufzeigen, die mit einer solchen Weggabe von Kompetenzen verbunden sind. Die
Darstellung erfolgt aus der Sicht des outgesourcten Unternehmens, betrachtet dabei
auch immer die Situation der outsourcenden Gesellschaft.
Im Zusammenhang mit Konzepten, die zu höherer Effizienz im Unternehmen führen
sollen (z. B. Lean Management, Prozessorganisation, Teilautonome Arbeitsgruppen
(TAG), Mini Companies, Business Excellence), wird heute in vielen Unternehmen
darüber nachgedacht und diskutiert, inwieweit eine Ausgliederung von Unter-
nehmensteilen dieses Effizienzziel nachhaltig unterstützen kann. Der Markt der
unternehmensnahen Dienstleistungen ist der am stärksten wachsende Markt in der
Bundesrepublik Deutschland (Stand 2000). Das deutet darauf hin, dass sich die
Ausgliederung von Dienstleistungsfunktionen in den letzten fünf Jahren stark be-
schleunigt hat. Solche Dienstleistungen sind zum Beispiel Facility Management,
Logistik, Finanzfunktionen, Funktionen des Personalwesens (Gehaltsabrechnung,
Bildung, Recruiting), Servicefunktionen. Überwiegend beinhalten diese Funktionen
keine Kernkompetenzen des ausgliedernden Unternehmens, jedoch gibt es auch dazu
Ausnahmen, wie später gezeigt werden wird. Welche Funktionen können nun ausge-
gliedert werden, wer sind die Manager dieser ausgegliederten Einheiten, wie werden
sie qualifiziert, welche Rechtsform eignet sich am besten, wie ist die Verbindung
zum ausgliedernden Unternehmen zu gestalten, welcher Markt soll bedient werden,
wie groß ist die Abhängigkeit der Partner, welche finanziellen Risiken müssen kalku-
liert werden, wie hoch ist der Finanzbedarf, kurzum: Wird das neue ausgegliederte
Unternehmen mindestens für eine absehbare Zeit (Minimum: drei Jahre) überleben
können? Dann stellt sich auch die wichtigste Frage für ein Dienstleistungsunterneh-
men überhaupt: Werden die Mitarbeiter den Schritt der Ausgliederung mitgehen, un-
ter welchen Bedingungen werden sie bereit sein, ihr Know-how weiterhin zur Verfü-
gung zu stellen?
Im Folgenden soll am Beispiel der Top Business AG (Top steht für Technology,
Organization, People) ein bis heute erfolgreicher Ausgliederungsfall beschrieben wer-
den. Dieses Beispiel soll kein Rezept für Ausgliederungen sein, sondern Anregungen
geben, wenn Überlegungen zu einem Outsourcing angestellt werden.
2. Ausgangslage
Die Telekommunikationsindustrie befand sich 1992 in einer äußerst prekären Lage,
die im Wesentlichen durch drei Einflussfaktoren hervorgerufen wurde, die fast zeit-
gleich in dieselbe Richtung wirkten:
• Durch die Öffnung des europäischen Binnenmarktes entstand eine völlig neue
Wettbewerbssituation: Das bis dahin herrschende Oligopol wurde durch den Ein-
tritt von internationalen Wettbewerbern in den Markt aufgebrochen, was u. a. zu
einem scharfen Preiswettbewerb führte.
• Die technologische Entwicklung erlebte durch die Digitalisierung einen Quanten-
sprung: Diese Entwicklung führte ebenfalls zu einem Preisverfall, da mit wesent-
lich weniger Aufwand die gewünschten Funktionen erstellt werden konnten.
Outsourcing der Bildungsfunktion 325
• Der große Nachholbedarf in Deutschland, der durch die Öffnung der Grenze seit
1989 zu einem Boom in der Telekom-Industrie geführt hatte, war zu einem großen
Teil abgedeckt. Damit mussten die zuvor aufgebauten Kapazitäten wieder abge-
baut werden. Das führte zu erheblichen zusätzlichen Kostenbelastungen für die
Unternehmen.
Alle Unternehmen mussten dieser Entwicklung durch drastische Veränderung in ihren
Abläufen, durch Kostenreduktion, letztlich durch die Beschränkung auf ihr Kernge-
schäft und ihre Kernkompetenzen begegnen.
Der Geschäftsbereich Philips Akademie gehörte nach Auffassung des Vorstandes der
Philips Kommunikations Industrie AG nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens,
denn dieses Unternehmen befasste sich vornehmlich mit der Entwicklung, Produktion
und dem Vertrieb von Übertragungstechnik, Mobilfunktechnik, Informationstechnik
sowie mit Nachrichtenkabeln. Die Führung des Geschäftsbereiches wurde deshalb ge-
beten, Vorschläge für die Ausgliederung des Bereiches vorzulegen (Die Suche nach
anderen Käufern, die ebenfalls intensiv betrieben wurde, wird hier nicht näher be-
schrieben. Im Rahmen des beschriebenen Prozesses wurden noch weitere Unterneh-
mensteile ausgegliedert, so z. B. ein Servicebereich). Philips machte klar, dass das Un-
ternehmen keine Geschäftsanteile an dem neuen Unternehmen halten wollte. Es sollte
lediglich einen Rahmenvertrag über die Lieferungen von Dienstleistungen für einen
Zeitraum von knapp drei Jahren geben, der dem Unternehmen ein Abnahmevolumen
garantierte, welches dem der vergangenen Jahre entsprach.
Ein Blick in die Historie zeigt die Entwicklung der Philips Akademie
in den vergangenen zehn Jahren.
Die Philips Akademie wurde 1989 als Geschäftsbereich der Philips Kommunikations
Industrie AG gegründet. Er ging aus dem sogenannten Ausbildungs- und Informati-
onszentrum des damaligen Unternehmensbereiches Data Systems der PKI AG hervor.
Alle Unternehmen der IT-Industrie hatten schon immer sehr intensiven Bedarf an
Qualifizierungsmaßnahmen, und zwar sowohl für ihre eigenen Mitarbeiter als auch
für ihre Kunden. Die bis heute anhaltende sehr hohe Veränderungs- bzw. Entwick-
lungsgeschwindigkeit auf diesem Gebiet erfordert ein überproportionales Maß an
Weiterbildung, ohne die ein Einsatz der Systeme nicht denkbar ist. Ähnliches galt
schon damals für die Kommunikationstechnik. Dieser Trend hat sich durch mehrere
Quantensprünge eher noch verstärkt.
Während in den achtziger Jahren solche Dienstleistungen Teil des Hardwareangebotes
waren (also quasi verschenkt wurden), kam man Anfang der neunziger Jahre durch
verstärkten Wettbewerb darauf, diese Leistungen zu vermarkten. Das war auch der
Grund, weshalb das „Ausbildungs- und Informationszentrum“ als Profit Center ge-
führt wurde. Für die Aktivitäten nach innen war es ein Cost Center.
Die Erfahrungen der Informationstechnik auch für die Kommunikationstechnik zu
nutzen war der eigentliche Grundgedanke für die Gründung der Philips Akademie.
Später entschied das Philips Management, aus Effizienzgründen auch das sogenannte
326 Ulrich Pühse
„Soft Skills Training“ in die Philips Akademie zu integrieren. Die Philips Akademie
wurde wie ein „normaler“ Geschäftsbereich in die Organisation der PKI AG inte-
griert. Sie gehörte nicht zur Personalabteilung, sondern berichtete an den Vorstands-
vorsitzenden. Damit war deutlich, dass dieser Geschäftsbereich keine Stabsabteilung
war (die nur Kosten verursachte), sondern einen Ergebnisbeitrag abzuliefern hatte.
Gleichzeitig sollte die strategische Bedeutung dieses Dienstleistungsgeschäftes her-
ausgestellt werden.
3. Der Ausgliederungsprozess
Nach der Beschlussfassung des Vorstandes entwickelte die Leitung des Geschäftsbe-
reiches verschiedene Pläne für die Ausgliederung des Bereiches. Da Philips keine Ge-
schäftsanteile in seinem Portefeuille behalten wollte, bedeutete hier das Wort „Out-
sourcing“ die komplette wirtschaftliche und rechtliche Ausgliederung des Geschäfts-
bereiches. Das schloss sämtliche Mitarbeiter (zum Zeitpunkt der Ausgliederung waren
es 48 Mitarbeiter auf Vollzeitbasis) und das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen
ein.
Das Management des Bereiches erstellte in einem ersten Schritt Businesspläne in
verschiedenen Varianten: best case-, real case- und worst case-Szenarios. Wesentli-
cher Teil eines solchen Businessplanes sind Annahmen über den Markt. Und hier be-
gannen bereits die Schwierigkeiten: Zunächst musste man „den“ Markt definieren –
auf welchen Geschäftsfeldern wollte man operieren, mit welchen Dienstleistungen,
wo waren die Kunden (außer Philips selbst). Welche Investitionen waren erforder-
lich, Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeiter, aber auch in Ausrüstungsgegen-
stände. Eine eigenständige Gehaltsabrechnung, Buchhaltung, Facility Management
etc. war nicht vorhanden. Der Geschäftsbereich war ja vollständig in die Infrastruktur
eines Großunternehmens eingebunden (und damit auch in die Kostenstruktur dieses
Konzerns). Kostenvorteile mussten sich aber ergeben, wenn sich die ganze Operation
auch rechnen sollte. Wegen der Vorschriften des § 613a BGB (nach dieser Vorschrift
dürfen wegen des Betriebsüberganges ein Jahr lang keine Mitarbeiter entlassen
werden oder die Rahmenbedingungen geändert werden) mussten also andere Kos-
tenvorteile gesucht werden. Die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation wurde auf
die Frage hin untersucht, was die spezifischen Anforderungen eines Dienstleistungs-
geschäftes sind und wie diese in eine schlanke und kostengünstige Struktur gegossen
werden können.
Eine sinnvolle Marktprognose als Basis für jeden Geschäftsplan musste die Entwick-
lung über mindestens drei Jahre abschätzen. Zum Zeitpunkt der Ausgliederung lag der
Markt für Trainingsdienstleistungen am Boden. Viele Trainingsunternehmen berichte-
ten über Umsatzrückgänge von bis zu 30 Prozent zum Vorjahr. In dieser Situation
würde es nicht leicht sein, einen anderen Interessenten für die Übernahme zu finden
(was tatsächlich auch nicht gelang). Denn neben der Übernahme durch das Manage-
ment oder die Mitarbeiter war das doch die Voraussetzung für eine gewünschte Aus-
gliederung.
Outsourcing der Bildungsfunktion 327
Durch die Tatsache, dass der Vorstand der PKI AG und auch der Philips Vorstand in
Deutschland (Dachorganisation der Philips Aktivitäten in Deutschland) sich um viele
„Baustellen“ kümmern musste, dauerte der Ausgliederungsprozess insgesamt zwölf
Monate.
Der Prozess bestand im Wesentlichen aus folgenden Teilen:
• Entwurf des Ausgliederungsmodells und seiner Varianten
• Verhandlungen des Managements mit der ausgliedernden Unternehmensleitung
• Suche nach geeigneten potenziellen Käufern
• Intensive Kommunikation mit den Mitarbeitern
Für die damalige Geschäftsbereichsleitung kam nur ein Management-Buy-Out in Fra-
ge. Das bedeutete, dass über eine Übernahme durch die Mitarbeiter nicht diskutiert
wurde. Der Grund dafür war, dass ein neues Unternehmen eine klare Führung benötigt.
Eine Beteiligung jedes Mitarbeiters in der Größenordnung von 2 Prozent würde zu
endlosen Gesellschafterversammlungen führen, die den Entscheidungsprozess in der
ersten kritischen Phase lähmen würden. Das könnte fatale Folgen haben. Deshalb
schloss das Management diese Variante aus und entschloss sich, dafür nicht zur Verfü-
gung zu stehen. Auf das Thema Mitarbeiterbeteiligung wird später noch eingegangen.
Die Leitung des Geschäftsbereiches führte die Verhandlungen über ein Management-
Buy-Out. Bei solchen Verhandlungen sollten eine Reihe von Bedingungen beachtet
werden, die beide Partner später vor unliebsamen Überraschungen verschonen wür-
den. Folgende Bedingungen sollten für eine erfolgreiche Transaktion erfüllt sein:
• Für die Produkte oder Dienstleistungen des auszugliedernden Unternehmens muss
ein echter „Drittmarkt“ (entspricht allen Kunden außerhalb der bisherigen Mutter)
vorhanden sein. Wenn es absehbar ist, dass in den ersten drei Jahren nach der Aus-
gliederung nicht mindestens 30 – 40 Prozent der Kunden solche Kunden sind, die
nicht aus der ehemaligen Muttergesellschaft stammen, muss die Ausgliederung
ernsthaft in Frage gestellt werden.
• Es muss eine klare Abtrennung vom Mutterunternehmen vorgenommen werden,
welches das neue Unternehmen in den Stand versetzt, eigene, ihm passende Struk-
turen aufzubauen.
• Bestimmte Funktionen, die zum Zeitpunkt der Ausgliederung noch nicht in eigener
Regie übernommen werden können, müssen durch Dienstleistungsverträge mit
dem Mutterunternehmen abgesichert werden. Solche Funktionen sind z. B. Facility
Management, Kantine, werksärztlicher Dienst, Telefonanlagen, Computernetze
etc. Im vorliegenden Fall waren der Aufbau einer eigenen Kostenrechnung, Buch-
haltung und der personalwirtschaftliche Funktion das schwierigste.
• Die Businesspläne des auszugliedernden Unternehmens müssen auch in der Worst-
case-Betrachtung zeigen, dass eine Überlebensfähigkeit für mindestens drei Jahre
wahrscheinlich ist. Von ausschlaggebender Bedeutung ist eine realistische Liqui-
ditätsplanung.
• Der Businessplan muss von einem neutralen Dritten (am besten einer Bank) auf
Stichhaltigkeit überprüft werden. Das kann am besten dadurch geschehen, dass die
Bank auf der Basis des Businessplanes eine konkrete Kreditlinie einräumt oder
328 Ulrich Pühse
eine entsprechende Zusage schriftlich gibt. Die Zusage der Bank war im vorliegen-
den Fall ein wichtiger Meilenstein bei den Verhandlungen mit dem Management
des ausgliedernden Unternehmens. Eine Kreditzusage ist immer auch von der per-
sönlichen Bereitschaft des Managements abhängig, ein Risiko einzugehen. Damit
wird letztlich sichergestellt, dass sich das neue Management auch entsprechend en-
gagiert.
• Es müssen klare Absprachen über das Anlagevermögen getroffen werden.
• Die vertraglichen Bedingungen und Absprachen mit dem ausgliedernden Unter-
nehmen müssen realistisch sein. Im vorliegenden Fall gab es einen Kooperations-
vertrag, der das in den Folgejahren abzunehmende Dienstleistungsvolumen fest-
legte. Dabei folgte man der Formel: 100 Prozent des bisherigen Philips Volumen
(das entsprach etwa der Hälfte des Umsatzes des ersten Jahres) im ersten Jahr, da-
von 50 Prozent im zweiten Jahr, 50 Prozent vom zweiten Jahr im dritten Jahr. Das
bedeutete, sich intensiv um neue Kunden zu bemühen.
• Die Finanzierbarkeit des Kaufpreises muss sichergestellt sein.
• Ein kontinuierlicher Kommunikationsprozess muss den Ausgliederungsprozess
begleiten. Nur so kann es gelingen, dass möglichst viele Mitarbeiter mitgehen.
• Es sollte möglichst große Klarheit darüber bestehen, wie viele Mitarbeiter in das
neue Unternehmen übergehen. Letztendlich wird man das erst wissen, wenn das
unterschriebene Übernahmeschreiben auf dem Tisch liegt. Durch Gespräche kann
man dafür aber auch schon vorher ein gutes Gefühl entwickeln.
• Mit dem Betriebsrat des ausgliedernden Unternehmens muss möglichst frühzeitig
ein Konsens über wichtige Einzelheiten der Ausgliederung getroffen werden. Hier
wurde darüber ein Interessenausgleich zwischen dem ausgliedernden Unternehmen
und seinem Betriebsrat geschlossen, den das Management des auszugliedernden
Unternehmens bindend anerkannt hat. Darin wurde unter anderem vereinbart, dass
nach Ablauf eines Jahres die Verpflichtungen aus dem Manteltarifvertrag der IG
Metall für das neue Unternehmen nicht mehr bindend sein würden. Das neue
Unternehmen ist im Übrigen nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und somit
tariflich nicht gebunden.
Das schwierigste am Ausgliederungsprozess war nicht etwa die Lösung der Sachpro-
bleme, sondern die Führung des Bereiches in der Übergangsphase, die alles in allem
ein Jahr dauerte. Während der Ausgliederungsprozess für das Großunternehmen nur
ein Geschäftsvorfall von vielen ist, geht es beim ausgegliederten Teil um die Existenz.
Wechselnde Gesprächspartner mit höchst unterschiedlichen Interessen und Ansichten,
Einflussnahme von den verschiedensten Konzernstellen aus den unterschiedlichsten
Motiven heraus machten die Verhandlungen schwierig. Gleichzeitig mussten die Mit-
arbeiter motiviert werden, sie sollten von den Unsicherheiten möglichst unbelastet
bleiben. Andererseits mussten sie immer mit so vielen Informationen versorgt werden,
damit die Glaubwürdigkeit des Managements nicht verloren ging. Das Ganze war ein
Balanceakt mit vielen Unbekannten.
Outsourcing der Bildungsfunktion 329
durch seine individuelle und die Team-Leistung beeinflussen. Darüber hinaus ist das
Unternehmen den Mitarbeitern behilflich bei der steuerlichen Optimierung ihres Ge-
haltes: In einer Art Cafeteria-System kann der Mitarbeiter zwischen bestimmten Sach-
und Geldzuwendungen wählen. In Abhängigkeit von seinen individuellen Bedürfnis-
sen wählt er so das für ihn am besten passende Paket.
Es gibt nicht die eine richtige Lösung, sondern jedes Unternehmen muss im Hinblick
auf seine spezifische Situation und Unternehmenskultur entscheiden. Zu den „con-
tra“-Argumenten kann wie folgt Stellung genommen werden:
• Ein Know-how-Verlust im Hinblick auf die Bildungsfunktion tritt zwar ein, kann
aber durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen kompensiert werden.
• Die Bildungsarbeit bleibt auch bei Auslagerung ein wichtiger strategischer Teil der
Unternehmens- und Personalpolitik, die Auslagerung selbst ändert diese Tatsache
nicht, da sie ja weiterhin den Vorgaben dieser Politik entsprechen muss.
• Die Kosten steigen eventuell für einzelne Maßnahmen, nicht aber insgesamt, da
die Risiken nunmehr ebenfalls ausgelagert sind und nur die Maßnahmen bezahlt
werden müssen, die das Unternehmen wirklich benötigt.
• Ein externer Lieferant kann durchaus sehr ausführlich über die Verhältnisse des
Unternehmens informiert sein, wenn er als Partner in die internen Vorgänge einbe-
zogen wird. Es trifft allerdings zu, dass er nun nicht mehr jeden Tag im Unterneh-
men lebt und daher viele atmosphärische Dinge nicht selbst miterlebt. Das kann
aber gerade deshalb Vorteile haben (→ Neutralität!). Die Vertraulichkeit ist dabei
nicht schlechter gewährleistet als bei eigenen Mitarbeitern – schließlich ist der ex-
terne Lieferant an einer dauerhaften Kundenbeziehung interessiert.
• Gegenseitige Abhängigkeit ist heute nichts Außergewöhnliches: Single sourcing ist
in verschiedenen Industriezweigen schon aus Kostengründen (vor allen Dingen
Entwicklungskosten) dringend geboten. Verträge schützen.
Outsourcing der Bildungsfunktion 333
Grundsätzlich gilt bei der Bewertung, dass bei entsprechendem Willen der Partner die
Schwierigkeiten überwunden werden können. Ein Konsens über die Ausgliederung ist
dringend angeraten.
strategische Konzepte umzusetzen und daraus operationale Langfristziele für den ei-
genen Verantwortungsbereich abzuleiten.
Dazu gehört auch die Fähigkeit, systematisches Portfoliomanagement zu betreiben,
durch neue Aktivitäten Wachstum aus eigener Kraft zu erzeugen und neue Geschäfts-
ideen mit Gespür für das Machbare umzusetzen, aber auch bei Bedarf den Rückzug
aus Geschäftsfeldern einzuleiten. Risikobereitschaft und eine unternehmerische
Grundhaltung sind dabei unabdingbar.“
Der Stellenwert dieses Elements des Anforderungsprofils ergibt sich allein schon aus
der sehr dezentralen Struktur der Weka-Gruppe, die ein hohes Maß an Strategiearbeit
in den unternehmerisch sehr selbständigen Verlagsgesellschaften erfordert.
Diese Erkenntnis bildete den Ausgangspunkt für die Formulierung des zweiten Ele-
ments des Anforderungsprofils, nämlich der Fähigkeit,
„strategische Konzepte in Aktionsprogramme umzusetzen, in Etappenziele herunter-
zubrechen und den Umsetzungserfolg anhand von messbaren Kriterien nachvollziehbar
zu machen. Diese Fähigkeit soll im Alltagsgeschäft das Engagement aller Mitarbeiter
für die Strategie sicherstellen und verhindern, dass Strategien im Umsetzungsprozess
steckenbleiben und beinhaltet auch das wirksame Führen mit Zielvereinbarungen.
Dazu gehört auch, flexibel zu reagieren und Strategien in Frage zu stellen, wenn sich
das Umfeld geändert hat.“
Diese Fähigkeit zielt darauf ab, einen sehr klaren Zusammenhang zwischen wenigen
strategischen Zielen (die aber allen bekannt sein müssen), prägnanten darauf ausge-
richteten strategischen Aktionsprogrammen und einem strategischen Reporting als
Messgröße für den Umsetzungserfolg herzustellen. Während viele erfolgreiche Mana-
ger die hier angesprochenen Hebel der erfolgreichen Strategieumsetzung quasi intui-
Basis des Management Development der Weka-Verlagsgruppe 339
tiv richtig einsetzen, bedarf es in anderen Fällen – so die Einschätzung des Projekt-
teams – gezielter Förderung dieser Fähigkeiten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass
Führungskräfte versuchen, an zu vielen Stellschrauben gleichzeitig zu drehen.
In der Praxis bei Weka hat sich gezeigt, dass die detaillierte Beschreibung der einzel-
nen Elemente des Anforderungsprofils dazu geeignet ist und die Basis bildet, um
eventuelle Defizite sehr genau zu beschreiben und Maßnahmen zu konzipieren, die in
ihrem Konkretisierungsgrad weit über Standard-Seminarprogramme hinausgehen. Sie
legen letztlich die Basis für eine individualisierte Managemententwicklung.
Gesteuert wird der Prozess der Managemententwicklung von der neugeschaffenen
Funktion „Management Development“, die direkt in der Unternehmensholding ange-
siedelt ist. Unterstützt wird die Arbeit mit den beschriebenen Anforderungsprofilen
dadurch, dass parallel Grundsätze des Management Development (MD) erarbeitet
wurden (vgl. Abbildung 3), die die Vorgehensweise bei Weka verbindlich regeln.
Frank Albe, Jahrgang 1964; Diplom-Kaufmann, Dr. rer. pol., Professor für Allgemei-
ne Betriebswirtschaftslehre an der Privaten Fachhochschule Göttingen. Seit 2004 Lei-
ter des „Instituts zur Entwicklung der Wirtschaftskompetenz von Politikern (IEWP)“.
Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften und Politik an der TU Braun-
schweig Abschluss zum Diplom-Kaufmann. Promotion an der Universität Göttingen
mit dem Thema „Total-dynamic-Controlling zwischenbetrieblicher Kooperation“. Im
Jahre 1995 Wechsel in das Konzerncontrolling der TUI, Leitung des Beteiligungscon-
trolling der TUI Group. Seit Oktober 2000 Professur an der Privaten Fachhochschule
Göttingen, seit 2003 Vizepräsident der Hochschule.
Peter Fischer, Jahrgang 1950; Diplom-Psychologe, Dr. phil. Nach einer Laufbahn als
Betriebspsychologe und Psychotherapeut 1986 Gründer und geschäftsführender
Gesellschafter der Fischer Group international Management Development GmbH.
Fischer berät seit 15 Jahren Top-Manager bei der Übernahme neuer Aufgaben, in Ver-
änderungsprozessen, bei der Einführung von Performance-Management-Systemen
und in persönlichen Neuorientierungen. Aktuelle Schwerpunkte: Anforderungen im
Global Management und Cultural Change als Aufgabe für das Top-Management.
Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema Coaching und Change Management.
Fredmund Malik, Jahrgang 1944; lic.oec. HSG, Dr. oec, Studium der Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften sowie Logik- und Wissenschaftsphilosophie an den Universitä-
ten Innsbruck und St. Gallen, Habilitation 1978 mit dem Thema: Strategie des Manage-
ments komplexer Systeme – Ein Beitrag zur Management-Kybernetik evolutionärer
Systeme. Professor Dr. oec. habil. Fredmund Malik ist Leiter und Inhaber des Manage-
mentberatungs- und Ausbildungsunternehmens Malik Management Zentrum St. Gallen
mit über 170 Mitarbeitern in St. Gallen, Zürich, London und Wien. Als Berater und
Management-Lehrer hat Malik während der letzten 30 Jahre Führungskräfte aller
Stufen und Branchen beraten, ausgebildet und geprägt. Er ist Autor zahlreicher Publika-
tionen – darunter die Bestseller „Führen Leisten Leben“, „Strategie des Managements
komplexer Systeme“, „Die Neue Corporate Governance: Richtiges Top-Management,
Wirksame Unternehmensaufsicht“ und „Gefährliche Wörter im Management. Und
warum man sie vermeiden sollte.“ Der Titularprofessor der Universität St. Gallen
(Lehrtätigkeit von 1978 – 2004) gilt als einer der führenden Beobachter wirtschaft-
licher und gesellschaftlicher Entwicklungen und als konstruktiver Kritiker von Manage-
mentlehre und -praxis.
Joachim Nickut, Jahrgang 1953; 1973 – 1976 Studium der Berufs- und Betriebs-
pädagogik an der Hochschule der Bundeswehr in Hamburg. Von 1977 – 1984 in ver-
schiedenen Offizierverwendungen. 1984 Eintritt bei Blaupunkt (Bosch-Gruppe) in
Hildesheim als Personalreferent, 1989 Leiter Personalwesen Robert Bosch GmbH
Werk Blaichach, u. a. verantwortlich für die Konzeption, Planung und Durchführung
von Personalauswahl- und Mitarbeiterentwicklungsverfahren für Führungskräftenach-
wuchs im Geschäftsbereich Chassis Systems Control in Europa. Derzeitiger Arbeits-
schwerpunkt: Validitätsstudie eines psychologischen Testverfahrens zur Prognose des
späteren Berufserfolges.
Lena Offermann, Jahrgang 1981; Dipl.-Kffr. (FH), 2000 – 2004 Studium der Betriebs-
wirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Asien/Pazifik an der Privaten
Fachhochschule Göttingen. Nach Praktika bei der Biesterfeld Siemsglüss Internatio-
nal GmbH, Sievers + Zabel für Medien GmbH, CPC Unternehmensmanagement
GmbH, Sony Deutschland GmbH, Tellermate Plc. sowie der Otto GmbH & Co. KG
nun Marketing-Trainee bei der Roche Diagnostics GmbH.
Michael Prochaska, Jahrgang 1962; Diplom-Psychologe, Dr. rer. soc., Leiter der Per-
sonal- und Führungskäfteentwicklung im Linde-Konzern, verantwortlich für die Ge-
staltung und Umsetzung eines neuen zukunftsorientieren Personalmanagement- und
Personalentwicklungskonzepts. Davor als Leiter der Personalentwicklung der Dr. Ing.
h.c. F. Porsche AG in Stuttgart-Zuffenhausen mehrere Jahre verantwortlich für die
konzernweite Weiterbildung sowie den Aufbau der konzernweiten Nachwuchsförde-
rung, Managementbeurteilung und -entwicklung sowie Nachfolgeplanung. Als Assis-
tent am Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie der Universität Hohenheim zahlreiche
Beratungsprojekte mit den Schwerpunktthemen Personalauswahl, -beurteilung und
-entwicklung in vielen Unternehmen verschiedener Branchen. Der Wirtschaftspsycho-
loge publiziert Fachbeiträge, ist Referent und Testautor.
Wilfried von Rath, Jahrgang 1964; Dipl.-Psychologe, MBA, studierte Arbeits- und Or-
ganisationspsycholgie in Bochum, MBA Degree Ashridge Management College,
Berkhamsted, UK. Begann seine Karriere als Berater in einem internationalen Con-
sulting Unternehmen. 1994 Einstieg bei der Deutschen Lufthansa AG: Tätigkeit als
Berater und Management-Trainer und ab 1996 Beratungsleiter Human Resources der
Lufthansa Consulting GmbH. Zuständig für weltweite HR-Projekte mit Schwerpunkt
Südamerika, Asien und Osteuropa. 1998 Eintritt in die Volkswagen Coaching GmbH
als Leiter Management Training, seit 2004 Mitglied der Geschäftsführung. Mitglied
des Steering Comitees der efmd (European Foundation for Management Develop-
ment) in Brüssel, Vorstandsmitglied des CDF e.V. (Carl Duisberg Förderkreis).
Strategische Planung Einkauf Hartwaren. 1988 Wechsel in die Beiersdorf AG als Lei-
ter Strategische Planung tesa. 1991 – 1996 Leiter eines Geschäftsbereichs. Seit 1996
Professor an der Privaten Fachhochschule Göttingen sowie UNICconsult-Partner. 1998
– 2000 Marketingdirektor im Otto Versand. Seit 2001 Vorstand Marketing und Vertrieb
in der unicmind.com AG. Ausgewählte Veröffentlichungen: Unternehmensverfassun-
gen und Theorie der Verfügungsrechte, Wiesbaden 1984. Als Herausgeber: Praxis der
Strategieentwicklung. Konzepte – Erfahrungen – Fallstudien, 2. Aufl., Stuttgart 1994.
Beschleunigung von Geschäftsprozessen, Stuttgart 1997. E-Branding, Wiesbaden
2001. Retail Business in Deutschland, Wiesbaden 2003. Diverse Zeitschriftenaufsätze
und Beiträge in Sammelbänden.
Norbert Sack, Jahrgang 1966; Diplom-Physiker und Dr. der angewandten Physik.
Nach seiner Promotion an der University of Virginia, USA, und einer dreijährigen
Forschungstätigkeit an der Rutger University in Surface Science wechselte Dr. Sack
als Berater 1995 zu McKinsey & Company in Berlin, wo er bis 2000 tätig war. Seit
2001 ist er als Berater bei Egon Zehnder International tätig. Heute leitet er die Praxis-
gruppe Management Appraisal und Talent Management in Deutschland und ist Mit-
glied der weltweiten Industry Practice Group.
Werner Sarges, Jahrgang 1941; 1962 – 1970 Studium der Psychologie und Betriebs-
wirtschaftslehre an den Universitäten Marburg und Hamburg. Dipl.-Psychologe,
Dipl.-Kaufmann. 1971 – 1973 Trainee und Junior-Manager in einem multinationalen
Konzern der Konsumgüterindustrie. 1974 Promotion. Seit 1997 Professor für Quanti-
tative Methoden an der Universität der Bundeswehr Hamburg und seit 1984 zugleich
Institutsleiter und Beratender Psychologe für Wirtschaftsorganisatoren am Institut für
Management-Diagnostik (Barnitz bei Hamburg). Veröffentlichungen in den Berei-
chen: Psychologie für die Weiterbildung, Psychologie für das Personal-Management,
Management-Diagnostik.
Fred W. Schmid, Jahrgang 1932; Studium der Psychologie am Institut für Angewandte
Psychologie an der Universität Zürich, Abschluss als diplomierter Psychologe und
Berufsberater. Assistent an der Beratungsstelle für akademische Berufe des Kantons
Zürich; Testspezialist in der Pilotenselektion der Swissair. 1955 – 1958 Research As-
sociate/Senior Research Associate an den American Institut for Research in Pitts-
burgh, Pa., USA; daneben Promotionsstudium an der University of Pittsburgh mit
dem Abschluss als Ph. D. 1958 Übernahme einer bestehenden, privaten akademischen
Berufsberatungspraxis in Zürich; ab 1963 Durchführung von Einzel-Assessments für
amerikanische, deutsche und schweizerische Firmen und Organisationen; ab 1979 Be-
ratung bei der Entwicklung von Assessment Centers. Veröffentlichungen in Fachzeit-
schriften sowie mit Pulver, U. und Lang, A. (Hrsg.), Ist Psychodiagnostik verantwort-
bar? Bern 1978.
Siro Spörli, Jahrgang 1931; Studium der Psychologie an der Universität Zürich, Ab-
schluss als Dr. phil.; Mitarbeiter im Selektionsdienst für fliegendes Personal der Swis-
sair. Geschäftsleitungsassistent in einem Druckerei- und Verlagsunternehmen, dann
Eröffnung einer eigenen Beratungspraxis mit dem Schwerpunkt Verkehrs- und Be-
triebspsychologie. Im erstgenannten Bereich neben Praxis intensive Forschungstätig-
keit, deren Ergebnisse in Fachzeitschriften und Büchern niedergelegt sind: (1972)
Seele auf Rädern, Olten: Walter; (1978), Kritische Theorie diagnostischer Praxis,
Bern. Seit 1978 partnerschaftliche Zusammenarbeit mit F. W. Schmid auf dem Gebiet
der Beurteilung höherer Führungskräfte.
Julian Voss, Jahrgang 1981; Dipl.-Kaufmann (FH), 2001 – 2005 Studium der Be-
triebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten IT-Business-Account-Management und
Osteuropa an der Privaten Fachhochschule Göttingen. Nach Praktika im Deutschen
Bundestag, bei der Rölfs WP Partner AG, der Continental AG und Agrifox GmbH nun
Doktorand an der Georg August Universität Göttingen am Lehrstuhl für Marketing für
Lebensmittel und Agrarprodukte. Julian Voss ist außerdem Mitarbeiter der UNIC-
consult Strategieentwicklung GmbH Göttingen.
E K
Effektivitätsverbesserung 7 Karrieregestaltung 12
Einheit des Managementwissens 9 Key Performance Indicator 177
Einzel-Assessment 91, 103 klassische Budgetierungsprozesse 40
Einzelcoaching 277 Knowledge Society 9
E-Learning 227 Knowledge Workers 9
elektronische Stellenbörse 176 Kompetenzanalyse 72, 76
Elite 13 Kompetenzfelder 287
Entwicklungsplan 70, 312 Kompetenzmodell 115, 286
Experten-Laien-Dilemma 167 Kompetenzprofil 153, 312
U W
Unité de Doctrine 9 War for Talents 173
Unternehmenskultur 280 Werte 267
Unternehmensplanspiel 291 Werte 280
Unternehmensstrategie 302 Wirtschaftskompetenz 149
Wissensmanagement 7, 227, 238, 273
V Wissenstypologie 204
Veränderungsmanagement 73 World Class Best Practices 48
videobasierte Feedbacks 291
Vorstellungsgespräch 110