„Donald Tusk“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
 
(8 dazwischenliegende Versionen von 8 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[File:Donald Tusk EPP Summit 2023.png|mini|Donald Tusk (2023) [[Datei:Donald Tusk Signature 2.svg|rahmenlos|Unterschrift von Donald Tusk]]]]
[[Datei:Premier Donald Tusk KPRM.jpg|mini|Donald Tusk (2023) [[Datei:Donald Tusk Signature 2.svg|rahmenlos|klasse=skin-invert-image|Unterschrift von Donald Tusk]]]]
'''Donald Franciszek Tusk''' [{{IPA|ˈdɔnalt franˈʨiʃɛk ˈtusk}}] {{Audio|Pl-Donald Franciszek Tusk.ogg|anhören}} (* [[22. April]] [[1957]] in [[Danzig]], [[Volksrepublik Polen]]) ist ein [[Polen|polnischer]] [[Politiker]]. Von 2019 bis 2022 war er Vorsitzender der [[Europäische Volkspartei|Europäischen Volkspartei]].<ref>{{Internetquelle |hrsg=tagesschau.de |url=https://www.tagesschau.de/ausland/tusk-evp-101.html |titel=Tusk wird neuer Vorsitzender der EVP |sprache=de |abruf=2019-12-05}}</ref> Zuvor war er von 2014 bis 2019 [[Präsident des Europäischen Rates]] und von 2007 bis 2014 [[Ministerpräsident (Polen)|Ministerpräsident der Republik Polen]]. Am 13. Dezember 2023 übernahm er erneut das Amt des polnischen Ministerpräsidenten.<ref>[https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/tusk-polen-ministerpraesident-vereidigung-100.html ''Tusk als neuer Ministerpräsident vereidigt''] [[ZDF]], 13. Dezember 2023, abgerufen am 13. Dezember 2023.</ref>
'''Donald Franciszek Tusk''' [{{IPA|ˈdɔnalt franˈʨiʃɛk ˈtusk}}] {{Audio|Pl-Donald Franciszek Tusk.ogg|anhören}} (* [[22. April]] [[1957]] in [[Danzig]]) ist ein [[Polen|polnischer]] [[Politiker]]. Von 2019 bis 2022 war er Vorsitzender der [[Europäische Volkspartei|Europäischen Volkspartei]].<ref>{{Internetquelle |hrsg=tagesschau.de |url=https://www.tagesschau.de/ausland/tusk-evp-101.html |titel=Tusk wird neuer Vorsitzender der EVP |abruf=2019-12-05}}</ref> Zuvor war er von 2014 bis 2019 [[Präsident des Europäischen Rates]] und von 2007 bis 2014 [[Ministerpräsident (Polen)|Ministerpräsident der Republik Polen]]. Am 13. Dezember 2023 übernahm er erneut das Amt des polnischen Ministerpräsidenten.<ref>[https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/tusk-polen-ministerpraesident-vereidigung-100.html ''Tusk als neuer Ministerpräsident vereidigt''] [[ZDF]], 13. Dezember 2023, abgerufen am 13. Dezember 2023.</ref>


Von 2003 bis 2014 war Tusk Vorsitzender der wirtschaftsliberal-konservativen Partei [[Platforma Obywatelska]] (PO, Bürgerplattform). Im Oktober 2021 trat er nach einem online durchgeführten Votum der Parteimitglieder erneut an die Spitze der PO, nachdem ihn der Parteikonvent zum kommissarischen Vorsitzenden gewählt hatte.<ref>[https://www.onet.pl/informacje/onetwiadomosci/donald-tusk-wybrany-na-przewodniczacego-platformy-obywatelskiej/rewrs45,79cfc278 ''Donald Tusk wybrany na przewodniczącego PO''] ''onet.pl'', 24. Oktober 2021.</ref> Nach der gescheiterten Vertrauensfrage der [[Kabinett Morawiecki III|Regierung von Mateusz Morawiecki]] wurde Tusk mit der Bildung einer [[Kabinett Tusk III|neuen Regierung]] beauftragt.<ref>''[https://orf.at/stories/3342546/ Tusk als Regierungschef nominiert.]'' [[Österreichischer Rundfunk#Internet|ORF.at]], 11. Dezember 2023, abgerufen am 11. Dezember 2023.</ref>
Von 2003 bis 2014 war Tusk Vorsitzender der wirtschaftsliberal-konservativen Partei [[Platforma Obywatelska]] (PO, Bürgerplattform). Im Oktober 2021 trat er nach einem online durchgeführten Votum der Parteimitglieder erneut an die Spitze der PO, nachdem ihn der Parteikonvent zum kommissarischen Vorsitzenden gewählt hatte.<ref>[https://www.onet.pl/informacje/onetwiadomosci/donald-tusk-wybrany-na-przewodniczacego-platformy-obywatelskiej/rewrs45,79cfc278 ''Donald Tusk wybrany na przewodniczącego PO''] ''onet.pl'', 24. Oktober 2021.</ref> Nach der gescheiterten Vertrauensfrage der [[Kabinett Morawiecki III|Regierung von Mateusz Morawiecki]] wurde Tusk mit der Bildung einer [[Kabinett Tusk III|neuen Regierung]] beauftragt.<ref>''[https://orf.at/stories/3342546/ Tusk als Regierungschef nominiert.]'' [[Österreichischer Rundfunk#Internet|ORF.at]], 11. Dezember 2023, abgerufen am 11. Dezember 2023.</ref>

Dem [[Sejm]] gehörte er von 1991 bis 1993, von 2001 bis 2014 und erneut seit 2023 in der I., IV., V., [[Liste der Sejmabgeordneten der VI. Wahlperiode (2007–2011)|VI.]], [[Liste der Sejmabgeordneten der VII. Wahlperiode (2011–2015)|VII.]] und X. Wahlperiode an. Von 1997 bis war er [[Senat der Republik Polen|Senator]].


== Familie ==
== Familie ==
Tusks Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits gehörten der ethnischen Minderheit der [[Kaschuben]] in der damaligen [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]] an. Die Sprache seiner Großmutter mütterlicherseits, Anna Liebke, war [[Danziger Deutsch]].<ref>[[Reinhold Vetter]]: ''Wohin steuert Polen? Das schwierige Erbe der Kaczyńskis''. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-468-6.</ref> Beide Großväter waren während des Zweiten Weltkrieges zeitweilig in NS-Konzentrationslagern ([[KZ Stutthof]] und [[KZ Neuengamme]]) inhaftiert.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.munzinger.de/search/portrait/Donald+Tusk/0/25937.html |titel=Donald Tusk |hrsg=Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv |abruf=2023-10-25}}</ref> Am 2. August 1944 wurde Tusks Großvater Józef Tusk (1907–1987) aufgrund seiner Zugehörigkeit zur [[Deutsche Volksliste|Deutschen Volksliste]] zur [[Wehrmacht]] einberufen. Wahrscheinlich desertierte er, denn er trat drei Monate später am 24.&nbsp;November 1944 den [[Polnische Streitkräfte im Westen|Polnischen Streitkräften im Westen]] bei. Tusks Vater war Tischler und starb 1972.
Tusks Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits gehörten der ethnischen Minderheit der [[Kaschuben]] in der damaligen [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]] an. Die Sprache seiner Großmutter mütterlicherseits, Anna Liebke, war [[Danziger Deutsch]].<ref>[[Reinhold Vetter]]: ''Wohin steuert Polen? Das schwierige Erbe der Kaczyńskis''. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-468-6.</ref> Beide Großväter waren während des Zweiten Weltkrieges zeitweilig in NS-Konzentrationslagern ([[KZ Stutthof]] und [[KZ Neuengamme]]) inhaftiert.<ref>{{Munzinger|00000025937|Abruf=2023-10-25}}</ref> Am 2. August 1944 wurde Tusks Großvater Józef Tusk (1907–1987) aufgrund seiner Zugehörigkeit zur [[Deutsche Volksliste|Deutschen Volksliste]] zur [[Wehrmacht]] einberufen. Wahrscheinlich desertierte er, denn er trat drei Monate später am 24.&nbsp;November 1944 den [[Polnische Streitkräfte im Westen|Polnischen Streitkräften im Westen]] bei. Tusks Vater war Tischler und starb 1972.


Bei der [[Präsidentschaftswahl in Polen 2005]] wurde im Wahlkampf von Tusks politischem Gegner, der Partei [[Prawo i Sprawiedliwość]] (PiS, Recht und Gerechtigkeit) die kurze Zugehörigkeit seines Großvaters zur Wehrmacht thematisiert, um ihn selbst dadurch als unpatriotisch zu diffamieren.
Bei der [[Präsidentschaftswahl in Polen 2005]] wurde im Wahlkampf von Tusks politischem Gegner, der Partei [[Prawo i Sprawiedliwość]] (PiS, Recht und Gerechtigkeit) die kurze Zugehörigkeit seines Großvaters zur Wehrmacht thematisiert, um ihn selbst dadurch als unpatriotisch zu diffamieren.
Zeile 11: Zeile 13:
== Leben ==
== Leben ==
=== Oppositionelles Engagement in der Volksrepublik ===
=== Oppositionelles Engagement in der Volksrepublik ===
Die Niederschlagung des [[Aufstand vom Dezember 1970 in Polen|Aufstandes vom Dezember 1970 in Polen]] hat Tusk politisch geprägt.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-Polen;art693,2403920 |text=''Wer ist Donald Tusk?'' |wayback=20071021081408}} [[Der Tagesspiegel]], 21. Oktober 2007.</ref> Er engagierte sich in der [[Opposition (Politik)|Opposition]] gegen die Herrschaft der kommunistischen [[Polska Zjednoczona Partia Robotnicza]]. Als Student der [[Geschichtswissenschaft]] an der [[Universität Danzig]] war er Ende der 1970er Jahre Mitbegründer des örtlichen [[Studencki Komitet Solidarności]] (Studentischen Komitees der Solidarität). Die Gründung war eine Reaktion auf den Tod des im [[Komitee zur Verteidigung der Arbeiter]] (polnisch ''Komitet Obrony Robotników'', kurz KOR) engagierten [[Krakau]]er Studenten [[Stanisław Pyjas]] (1953–1977), für den die Oppositionellen den polnischen Staatssicherheitsdienst [[Służba Bezpieczeństwa]] verantwortlich machten. Des Weiteren war Tusk auch für die oppositionellen [[Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża]] (Freie Gewerkschaften der Küstenregion) tätig.<ref name="Tusk">{{Internetquelle |url=http://www.premier.gov.pl/premier/donald_tusk/ |titel=Donald Tusk |hrsg=Kancelaria Prezesa Rady Ministrów |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20111004192526/http://www.premier.gov.pl/premier/donald_tusk/ |archiv-datum=2011-10-04 |abruf=2011-10-09}}</ref> 1980 gehörte er außerdem zu den Initiatoren des [[Unabhängiger Studentenverband|Unabhängigen Studentenverbandes]] (polnisch ''Niezależne Zrzeszenie Studentów'', kurz NZS).<ref name="Tusk" /> Tusk beendete sein Studium 1980 mit einer Abschlussarbeit über den Mythos und die Legende um [[Józef Piłsudski]].
Die Niederschlagung des [[Aufstand vom Dezember 1970 in Polen|Aufstandes vom Dezember 1970 in Polen]] hat Tusk politisch geprägt.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-Polen;art693,2403920 |text=''Wer ist Donald Tusk?'' |wayback=20071021081408}} [[Der Tagesspiegel]], 21. Oktober 2007.</ref> Er engagierte sich in der [[Opposition (Politik)|Opposition]] gegen die Herrschaft der kommunistischen [[Polska Zjednoczona Partia Robotnicza]]. Als Student der [[Geschichtswissenschaft]] an der [[Universität Danzig]] war er Ende der 1970er Jahre Mitbegründer des örtlichen [[Studencki Komitet Solidarności]] (Studentischen Komitees der Solidarität). Die Gründung war eine Reaktion auf den Tod des im [[Komitee zur Verteidigung der Arbeiter]] (polnisch ''Komitet Obrony Robotników'', kurz KOR) engagierten [[Krakau]]er Studenten [[Stanisław Pyjas]] (1953–1977), für den die Oppositionellen den polnischen Staatssicherheitsdienst [[Służba Bezpieczeństwa]] verantwortlich machten. Des Weiteren war Tusk auch für die oppositionellen [[Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża]] (Freie Gewerkschaften der Küstenregion) tätig.<ref name="Tusk">{{Internetquelle |url=http://www.premier.gov.pl/premier/donald_tusk/ |titel=Donald Tusk |hrsg=Kancelaria Prezesa Rady Ministrów |archiv-url=https://web.archive.org/web/20111004192526/http://www.premier.gov.pl/premier/donald_tusk/ |archiv-datum=2011-10-04 |abruf=2011-10-09}}</ref> 1980 gehörte er außerdem zu den Initiatoren des [[Unabhängiger Studentenverband|Unabhängigen Studentenverbandes]] (polnisch ''Niezależne Zrzeszenie Studentów'', kurz NZS).<ref name="Tusk" /> Tusk beendete sein Studium 1980 mit einer Abschlussarbeit über den Mythos und die Legende um [[Józef Piłsudski]].


Wenige Monate nach den [[August-Streiks 1980 in Polen]] begann Tusk eine Tätigkeit als [[Journalist]] bei der Wochenzeitschrift ''Samorządność''. Er wurde zum Vorsitzenden des Betriebskomitees der [[Solidarność]] in dem herausgebenden Verlag in Danzig gewählt. Als das [[Kriegsrecht in Polen 1981–1983]] ausgerufen worden war, wurde er wegen seiner Oppositionstätigkeit aus diesem staatlichen Verlag entlassen und mit einem Berufsverbot belegt. 1984–1989 war er als Arbeiter bei der von den Danziger Oppositionellen unter der Leitung von [[Maciej Płażyński]] gegründeten Genossenschaft ''Świetlik'' tätig,<ref name="Tusk" /> die riskante [[Höhenarbeiter|Höhenarbeiten]] ausführte.<ref>[http://wiadomosci.onet.pl/kiosk/grabaz-i-charakteryzator-sprawdz-wczesniejsze-posa,5226493,12645310,fotoreportaz-maly.html wiadomosci.onet.pl]</ref>
Wenige Monate nach den [[August-Streiks 1980 in Polen]] begann Tusk eine Tätigkeit als [[Journalist]] bei der Wochenzeitschrift ''Samorządność''. Er wurde zum Vorsitzenden des Betriebskomitees der [[Solidarność]] in dem herausgebenden Verlag in Danzig gewählt. Als das [[Kriegsrecht in Polen 1981–1983]] ausgerufen worden war, wurde er wegen seiner Oppositionstätigkeit aus diesem staatlichen Verlag entlassen und mit einem Berufsverbot belegt. 1982/83 war er als Backwarenverkäufer, 1984–1989 war er als Arbeiter bei der von den Danziger Oppositionellen unter der Leitung von [[Maciej Płażyński]] gegründeten Handwerksgenossenschaft ''Świetlik'' tätig.<ref>https://encysol.pl/es/encyklopedia/biogramy/19236,Tusk-Donald.html#</ref><ref name="Tusk" />


=== Politischer Aufstieg ===
=== Politischer Aufstieg ===
[[Datei:Donald Tusk młody 1 (cropped 2).jpg|mini|Tusk während seiner Zeit beim KLD]]
[[Datei:Donald Tusk młody 1 (cropped 2).jpg|mini|Tusk während seiner Zeit beim KLD]]
Mit Beginn der [[Dritte Polnische Republik|Dritten Polnischen Republik]] gründete Tusk 1989 mit [[Jan Krzysztof Bielecki]] und [[Janusz Lewandowski]] den [[Kongres Liberalno-Demokratyczny]] (KLD, Liberal-Demokratischer Kongress). 1991 wurde er zum Parteivorsitzenden und erstmals in den [[Sejm]], das polnische Parlament, gewählt. Er unterstützte 1992 mit seiner Partei das Misstrauensvotum gegen den damaligen Ministerpräsidenten [[Jan Olszewski]] und anschließend die Minderheitsregierung unter dessen Nachfolgerin [[Hanna Suchocka]]. 1993 wurde der Sejm vorzeitig aufgelöst und der KLD konnte bei den vorgezogenen [[Parlamentswahlen in Polen 1993]] die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr überspringen. Nach den verlorenen Wahlen fusionierte der KLD mit der liberalen Partei [[Unia Demokratyczna]] (UD, Demokratische Union) des ehemaligen Ministerpräsidenten [[Tadeusz Mazowiecki]] zur Partei [[Unia Wolności]] (UW, Freiheitsunion).<ref name="Tusk" /> Nach einer verlorenen Auseinandersetzung mit [[Bronisław Geremek]] im Jahre 2000 um den Parteivorsitz verließ Tusk die UW. Mit [[Andrzej Olechowski]] und [[Maciej Płażyński]] gründete er Anfang 2001 die [[Platforma Obywatelska]] (PO, Bürgerplattform).
Mit Beginn der [[Dritte Polnische Republik|Dritten Polnischen Republik]] gründete Tusk 1989 mit [[Jan Krzysztof Bielecki]] und [[Janusz Lewandowski]] den [[Kongres Liberalno-Demokratyczny]] (KLD, Liberal-Demokratischer Kongress). 1991 wurde er zum Parteivorsitzenden und erstmals in den [[Sejm]], das polnische Parlament, gewählt. Er unterstützte 1992 mit seiner Partei das Misstrauensvotum gegen den damaligen Ministerpräsidenten [[Jan Olszewski]] und anschließend die Minderheitsregierung unter dessen Nachfolgerin [[Hanna Suchocka]]. 1993 wurde der Sejm vorzeitig aufgelöst und der KLD konnte bei den vorgezogenen [[Parlamentswahlen in Polen 1993]] die neu eingeführte Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringen. Nach den verlorenen Wahlen fusionierte der KLD 1994 mit der liberalen Partei [[Unia Demokratyczna]] (UD, Demokratische Union) des ehemaligen Ministerpräsidenten [[Tadeusz Mazowiecki]] zur Partei [[Unia Wolności]] (UW, Freiheitsunion).<ref name="Tusk" /> Nach einer verlorenen Auseinandersetzung mit [[Bronisław Geremek]] im Jahre 2000 um den Parteivorsitz verließ Tusk die UW. Mit [[Andrzej Olechowski]] und [[Maciej Płażyński]] gründete er Anfang 2001 die [[Platforma Obywatelska]] (PO, Bürgerplattform).


Bereits 1997 war Tusk mit über 230.000 Stimmen in Danzig in den [[Senat der Republik Polen]] gewählt worden. Als Mitglied des Sejms war er 2001–2005 dessen stellvertretender Vorsitzender und davor 1997–2001 stellvertretender Vorsitzender des Senats. Die PO vertrat er im Sejm als Fraktionsvorsitzender von 2003 bis 2006. Von 2003 bis 2014 war er außerdem ihr alleiniger Parteivorsitzender.
Bereits 1997 war Tusk mit über 230.000 Stimmen in Danzig in den [[Senat der Republik Polen]] gewählt worden. Als Mitglied des Sejms war er 2001 bis 2005 dessen stellvertretender Vorsitzender und davor 1997 bis 2001 stellvertretender Vorsitzender des Senats. Die PO vertrat er im Sejm als Fraktionsvorsitzender von 2003 bis 2006. Von 2003 bis 2014 war er außerdem ihr alleiniger Parteivorsitzender.


=== Präsidentschaftswahlen 2005 ===
=== Präsidentschaftswahlen 2005 ===
Zeile 36: Zeile 38:


{{Hauptartikel|Polnische Abhöraffäre (2014)}}
{{Hauptartikel|Polnische Abhöraffäre (2014)}}
Nach brisanten Enthüllungen aus illegal abgehörten Gesprächen verschiedener Kabinettsmitglieder legte der polnische Präsident [[Bronisław Komorowski]] der polnischen Regierung den Rücktritt nahe.<ref>[http://www.handelsblatt.com/politik/international/polen-abhoeraffaere-loest-politische-krise-aus/10067230.html handelsblatt.com]</ref> Auch Tusk schloss Neuwahlen nicht aus, nachdem er zunächst Rücktrittsforderungen der Opposition zurückgewiesen hatte.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/abhoeraffaere-in-polen-tusk-schliesst-neuwahl-nicht-aus-12998916.html faz.net]</ref> Am 25. Juni 2014 stellte er im Sejm die [[Vertrauensfrage]] gemäß Art. 158 der [[Verfassung Polens]]. 237 von insgesamt 440 Abgeordneten sprachen der Regierung ihr Vertrauen aus, 203 stimmten gegen sie.
Nach brisanten Enthüllungen aus illegal abgehörten Gesprächen verschiedener Kabinettsmitglieder legte der polnische Präsident [[Bronisław Komorowski]] der polnischen Regierung den Rücktritt nahe.<ref>[https://www.handelsblatt.com/politik/international/polen-abhoeraffaere-loest-politische-krise-aus/10067230.html handelsblatt.com]</ref> Auch Tusk schloss Neuwahlen nicht aus, nachdem er zunächst Rücktrittsforderungen der Opposition zurückgewiesen hatte.<ref>[https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/abhoeraffaere-in-polen-tusk-schliesst-neuwahl-nicht-aus-12998916.html faz.net]</ref> Am 25. Juni 2014 stellte er im Sejm die [[Vertrauensfrage]] gemäß Art. 158 der [[Verfassung Polens]]. 237 von insgesamt 440 Abgeordneten sprachen der Regierung ihr Vertrauen aus, 203 stimmten gegen sie.


=== Präsident des Europäischen Rates von 2014 bis 2019 ===
=== Präsident des Europäischen Rates von 2014 bis 2019 ===


Am 9. September 2014 erklärte Tusk seinen vorzeitigen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten,<ref>[http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-09/tusk-ruecktritt-polen-ministerpraesident ''Polens Ministerpräsident Tusk tritt zurück.''] In: ''[[Die Zeit]].'' 9. September 2014.</ref> nachdem er zum Nachfolger von [[Herman Van Rompuy]] als [[Präsident des Europäischen Rates]] bestimmt worden war.<ref>[https://www.welt.de/politik/ausland/article131754898/Mogherini-wird-Chefdiplomatin-Tusk-Ratspraesident.html ''Mogherini wird Chefdiplomatin, Tusk Ratspräsident.''] In: ''[[Die Welt]].'' 30. August 2014.</ref> Tusk amtierte als kommissarischer Ministerpräsident noch bis zum 22. September 2014, als die bisherige polnische [[Sejmmarschall]]in [[Ewa Kopacz]] zu seiner Nachfolgerin gewählt wurde. Sein neues Amt in Brüssel trat Tusk zum 1. Dezember 2014 an.<ref>[https://rp-online.de/politik/eu/donald-tusk-pole-ist-nachfolger-von-herman-van-rompuy_aid-20151307 ''Ein Pole ist Merkels Mann in Brüssel.''] In: ''[[Rheinische Post]]'', 1. Dezember 2014, S. A5.</ref> Am 9. März 2017 wurde er gegen den Widerstand der polnischen Regierungspartei [[Prawo i Sprawiedliwość|PiS]] als Präsident des Europäischen Rates wiedergewählt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-tusk-als-eu-ratspraesident-wiedergewaehlt-a-1138081.html |titel=Europäische Union: Donald Tusk als EU-Ratspräsident wiedergewählt |hrsg=Spiegel Online – Politik |abruf=2017-03-09}}</ref> Es war seit der Schaffung des Amtes 2009 die erste Abstimmung, bei der der später gewählte Amtsinhaber nicht die Stimmen aller Länder auf sich vereinen konnte. Besonders hervorgestellt in den Medien wurde, dass das Heimatland Tusks gegen ihn gestimmt hatte und somit erstmals in der Geschichte der EU parteipolitische Erwägungen höher gewertet wurden als der „eigene“ Landesvertreter.<ref>{{Internetquelle |autor=James Kanter |url=https://www.nytimes.com/2017/03/09/world/europe/donald-tusk-european-council-eu.html |titel=Donald Tusk Gets 2nd Term as President of European Council |werk= |hrsg=New York Times |datum=2017-03-09 |abruf=2017-03-12}}</ref><ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/presseschau-zum-streit-um-donald-tusk-saftige-ohrfeige-fuer-polen-1.3413560 Presseschau: "Saftige Ohrfeige" für Polen], Süddeutsche Zeitung, 10. März 2017</ref> Am 20.&nbsp;November 2019 wurde Tusk zum neuen Vorsitzenden der [[Europäische Volkspartei|Europäischen Volkspartei]] gewählt. Er trat diesen Posten am 1.&nbsp;Dezember 2019 an. Zugleich endete seine Amtszeit als EU-Ratspräsident.<ref>Gabriele Lesser: ''[https://www.derstandard.de/story/2000111303258/donald-tusk-tritt-fuer-den-evp-vorsitz-an Donald Tusk übernimmt den Vorsitz der Europäischen Volkspartei.]'' [[Der Standard]], 20, November 2019, abgerufen am selben Tage.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Elena Eggert |url=https://www.phoenix.de/eu-ratspraesident-a-1396575.html |titel=EU-Ratspräsident Tusk übergibt an Michel |hrsg=Phönix |datum=2019-11-29 |abruf=2019-12-29}}</ref>
Am 9. September 2014 erklärte Tusk seinen vorzeitigen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten,<ref>[http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-09/tusk-ruecktritt-polen-ministerpraesident ''Polens Ministerpräsident Tusk tritt zurück.''] In: ''[[Die Zeit]].'' 9. September 2014.</ref> nachdem er zum Nachfolger von [[Herman Van Rompuy]] als [[Präsident des Europäischen Rates]] bestimmt worden war.<ref>[https://www.welt.de/politik/ausland/article131754898/Mogherini-wird-Chefdiplomatin-Tusk-Ratspraesident.html ''Mogherini wird Chefdiplomatin, Tusk Ratspräsident.''] In: ''[[Die Welt]].'' 30. August 2014.</ref> Tusk amtierte als kommissarischer Ministerpräsident noch bis zum 22. September 2014, als die bisherige polnische [[Sejmmarschall]]in [[Ewa Kopacz]] zu seiner Nachfolgerin gewählt wurde. Sein neues Amt in Brüssel trat Tusk zum 1. Dezember 2014 an.<ref>[https://rp-online.de/politik/eu/donald-tusk-pole-ist-nachfolger-von-herman-van-rompuy_aid-20151307 ''Ein Pole ist Merkels Mann in Brüssel.''] In: ''[[Rheinische Post]]'', 1. Dezember 2014, S. A5.</ref> Am 9. März 2017 wurde er gegen den Widerstand der polnischen Regierungspartei [[Prawo i Sprawiedliwość|PiS]] als Präsident des Europäischen Rates wiedergewählt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-tusk-als-eu-ratspraesident-wiedergewaehlt-a-1138081.html |titel=Europäische Union: Donald Tusk als EU-Ratspräsident wiedergewählt |hrsg=Spiegel Online – Politik |abruf=2017-03-09}}</ref> Es war seit der Schaffung des Amtes 2009 die erste Abstimmung, bei der der später gewählte Amtsinhaber nicht die Stimmen aller Länder auf sich vereinen konnte. Besonders hervorgestellt in den Medien wurde, dass das Heimatland Tusks gegen ihn gestimmt hatte und somit erstmals in der Geschichte der EU parteipolitische Erwägungen höher gewertet wurden als der „eigene“ Landesvertreter.<ref>{{Internetquelle |autor=James Kanter |url=https://www.nytimes.com/2017/03/09/world/europe/donald-tusk-european-council-eu.html |titel=Donald Tusk Gets 2nd Term as President of European Council |werk= |hrsg=New York Times |datum=2017-03-09 |abruf=2017-03-12}}</ref><ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/presseschau-zum-streit-um-donald-tusk-saftige-ohrfeige-fuer-polen-1.3413560 Presseschau: "Saftige Ohrfeige" für Polen], Süddeutsche Zeitung, 10. März 2017</ref> Am 20.&nbsp;November 2019 wurde Tusk zum neuen Vorsitzenden der [[Europäische Volkspartei|Europäischen Volkspartei]] gewählt. Er trat diesen Posten am 1.&nbsp;Dezember 2019 an. Zugleich endete seine Amtszeit als EU-Ratspräsident.<ref>Gabriele Lesser: ''[https://www.derstandard.de/story/2000111303258/donald-tusk-tritt-fuer-den-evp-vorsitz-an Donald Tusk übernimmt den Vorsitz der Europäischen Volkspartei.]'' [[Der Standard]], 20, November 2019, abgerufen am selben Tage.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Elena Eggert |url=https://www.phoenix.de/eu-ratspraesident-a-1396575.html |titel=EU-Ratspräsident Tusk übergibt an Michel |hrsg=Phönix |datum=2019-11-29 |abruf=2019-12-29}}</ref>


=== Rückkehr nach Warschau 2019 ===
=== Rückkehr nach Warschau 2019 ===
[[Datei:Ani jednej wiecej - Donald Tusk.jpg|mini|hochkant|Donald Tusk im Jahr 2021]]
[[Datei:Ani jednej wiecej - Donald Tusk.jpg|mini|hochkant|Donald Tusk im Jahr 2021]]
Im Juli 2021 wählte ihn der Parteikonvent der Bürgerplattform einstimmig zum Vize-Parteichef, der kommissarisch auch die Funktion des Vorsitzenden übernahm. Im Oktober 2021 trat er nach einem online durchgeführten Votum der Parteimitglieder erneut an die Spitze der PO. Für ihn stimmten 97,4 Prozent der Parteimitglieder, die sich an dem Votum beteiligten; Gegenkandidaten hatte es nicht gegeben.<ref>[https://www.onet.pl/informacje/onetwiadomosci/donald-tusk-wybrany-na-przewodniczacego-platformy-obywatelskiej/rewrs45,79cfc278 ''Donald Tusk wybrany na przewodniczącego PO''] ''onet.pl'', 24. Oktober 2021.</ref> Am 31. Mai 2022 folgte ihm [[Manfred Weber (Politiker)|Manfred Weber]] im Amt des EVP-Parteivorsitzenden nach.
Im Juli 2021 wählte ihn der Parteikonvent der Bürgerplattform einstimmig zum Vize-Parteichef, der kommissarisch auch die Funktion des Vorsitzenden übernahm. Im Oktober 2021 trat er nach einem online durchgeführten Votum der Parteimitglieder erneut an die Spitze der PO. Für ihn stimmten 97,4 Prozent der Parteimitglieder, die sich an dem Votum beteiligten; Gegenkandidaten hatte es nicht gegeben.<ref>[https://www.onet.pl/informacje/onetwiadomosci/donald-tusk-wybrany-na-przewodniczacego-platformy-obywatelskiej/rewrs45,79cfc278 ''Donald Tusk wybrany na przewodniczącego PO''] ''onet.pl'', 24. Oktober 2021.</ref> Am 31. Mai 2022 folgte ihm [[Manfred Weber]] im Amt des EVP-Parteivorsitzenden nach.


Tusk ging auf Konfrontationskurs zur [[Polnische Bischofskonferenz|katholischen Kirche]], als er sich für die Aufhebung des [[Abtreibung]]sverbots und eine [[Fristenregelung]] wie in den meisten europäischen Staaten aussprach.<ref>[https://www.newsweek.pl/polska/polityka/biskupi-stali-sie-bezwolni-wobec-rydzyka-nie-reprezentuja-dzis-wlasnej-mysli/hjp46yl ''Biskupi stali się bezwolni wobec Rydzyka. "Nie reprezentują dziś własnej myśli"''] ''Newsweek Polska'', 2. Januar 2023, S. 12.</ref>
Tusk ging auf Konfrontationskurs zur [[Polnische Bischofskonferenz|katholischen Kirche]], als er sich für die Aufhebung des [[Abtreibung]]sverbots und eine [[Fristenregelung]] wie in den meisten europäischen Staaten aussprach.<ref>[https://www.newsweek.pl/polska/polityka/biskupi-stali-sie-bezwolni-wobec-rydzyka-nie-reprezentuja-dzis-wlasnej-mysli/hjp46yl ''Biskupi stali się bezwolni wobec Rydzyka. "Nie reprezentują dziś własnej myśli"''] ''Newsweek Polska'', 2. Januar 2023, S. 12.</ref>


Nach dem [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|russischen Überfall auf die Ukraine]] im Februar 2022 kritisierte er die [[Kabinett Scholz|deutsche Regierung]], die nach seiner Auffassung einen Beschluss über härtere Sanktionen gegenüber Russland blockierte: „Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht.“ Konkret nannte er diesbezüglich nicht nur Deutschland, sondern auch Ungarn und Italien.<ref>{{Literatur |Titel=Ukraine: Früherer EU-Ratspräsident Donald Tusk kritisiert deutsche Sanktionspolitik |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2022-02-25 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine-frueherer-eu-ratspraesident-tusk-kritisiert-deutsche-sanktionspolitik-a-16833fa9-2553-42aa-84b9-6a1f5fca8062 |Abruf=2022-02-25}}</ref>
Nach dem [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|russischen Überfall auf die Ukraine]] im Februar 2022 kritisierte er die [[Kabinett Scholz|deutsche Regierung]], die nach seiner Auffassung einen Beschluss über härtere Sanktionen gegenüber Russland blockierte: „Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht.“ Konkret nannte er diesbezüglich nicht nur Deutschland, sondern auch Ungarn und Italien.<ref>{{Internetquelle |titel=Ukraine: Früherer EU-Ratspräsident Donald Tusk kritisiert deutsche Sanktionspolitik |werk=Der Spiegel |datum=2022-02-25 |url=https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine-frueherer-eu-ratspraesident-tusk-kritisiert-deutsche-sanktionspolitik-a-16833fa9-2553-42aa-84b9-6a1f5fca8062 |abruf=2022-02-25}}</ref>


Im Juli 2023 sprach er sich gegen den Zuzug weiterer Migranten nach Polen aus: „Die Polen müssen die Kontrolle über ihren Staat und seine Grenzen zurückgewinnen.“<ref>[https://www.rbb24.de/panorama/polen-update/av24/video-polen-update-wahlen-einwanderung-migranten-frankreich.html Stimmungsmache mit Krawallen in Frankreich], in: rbb24, 8. Juli 2023.</ref>
Im Juli 2023 sprach er sich gegen den Zuzug weiterer Migranten nach Polen aus: „Die Polen müssen die Kontrolle über ihren Staat und seine Grenzen zurückgewinnen.“<ref>[https://www.rbb24.de/panorama/polen-update/av24/video-polen-update-wahlen-einwanderung-migranten-frankreich.html Stimmungsmache mit Krawallen in Frankreich], in: rbb24, 8. Juli 2023.</ref>
Zeile 55: Zeile 57:
Aus den [[Parlamentswahl in Polen 2023|Parlamentswahlen in Polen im Jahr 2023]] ging Tusks 2018 gegründete [[Koalicja Obywatelska]] als zweitstärkste Kraft nach der [[Prawo i Sprawiedliwość|PiS]] hervor. Jedoch war es Tusk Parteienbündnis, das im Gegensatz zur PiS eine Mehrheit im Parlament hinter sich vereinte (dazu lud sie die Parteienkoalitionen [[Trzecia Droga]] und [[Lewica]] zum Regieren ein) bzw. eine Regierung bildete, die die [[Vertrauensfrage]] überstand. Das [[Kabinett Tusk III]] wurde im Dezember 2023 vereidigt.
Aus den [[Parlamentswahl in Polen 2023|Parlamentswahlen in Polen im Jahr 2023]] ging Tusks 2018 gegründete [[Koalicja Obywatelska]] als zweitstärkste Kraft nach der [[Prawo i Sprawiedliwość|PiS]] hervor. Jedoch war es Tusk Parteienbündnis, das im Gegensatz zur PiS eine Mehrheit im Parlament hinter sich vereinte (dazu lud sie die Parteienkoalitionen [[Trzecia Droga]] und [[Lewica]] zum Regieren ein) bzw. eine Regierung bildete, die die [[Vertrauensfrage]] überstand. Das [[Kabinett Tusk III]] wurde im Dezember 2023 vereidigt.


Eines der ersten Amtshandlungen Tusks als erneuter Ministerpräsident war, eine [[Polnische Verfassungskrise und Justizreformen (seit 2015)|umstrittene Justizreform]], die von der Vorgängerregierung umgesetzt worden war, für verfassungswidrig zu erklären.<ref>{{Literatur |Titel=Polens Parlament nennt Umbau der Justiz durch PiS-Regierung verfassungswidrig |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2023-12-21 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/ausland/polen-parlament-nennt-umbau-der-justiz-durch-pis-regierung-verfassungswidrig-a-dcedbc85-6f29-4cd5-bc11-4eae6eb3a713 |Abruf=2023-12-29}}</ref> Des Weiteren löste Tusks Regierung noch im selben Monat alle öffentlich-rechtliche Medien in Polen, die als Propagandamedium der PiS galten, formell auf, um eigenen Aussagen zufolge eine Umstrukturierung dieser zu ermöglichen.<ref>{{Literatur |Titel=»Umstrukturierung« als Ziel: Neue polnische Regierung kündigt Liquidation der öffentlich-rechtlichen Medien an |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2023-12-27 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/ausland/polen-neue-regierung-kuendigt-liquidation-der-oeffentlich-rechtlichen-medien-an-a-173ce91f-1a66-4016-91c3-91d45fb621aa |Abruf=2023-12-29}}</ref>
Eines der ersten Amtshandlungen Tusks als erneuter Ministerpräsident war, eine [[Polnische Verfassungskrise und Justizreformen (seit 2015)|umstrittene Justizreform]], die von der Vorgängerregierung umgesetzt worden war, für verfassungswidrig zu erklären.<ref>{{Internetquelle |titel=Polens Parlament nennt Umbau der Justiz durch PiS-Regierung verfassungswidrig |werk=Der Spiegel |datum=2023-12-21 |url=https://www.spiegel.de/ausland/polen-parlament-nennt-umbau-der-justiz-durch-pis-regierung-verfassungswidrig-a-dcedbc85-6f29-4cd5-bc11-4eae6eb3a713 |abruf=2023-12-29}}</ref> Des Weiteren löste Tusks Regierung noch im selben Monat alle öffentlich-rechtliche Medien in Polen, die als Propagandamedium der PiS galten, formell auf, um eigenen Aussagen zufolge eine Umstrukturierung dieser zu ermöglichen.<ref>{{Internetquelle |titel=»Umstrukturierung« als Ziel: Neue polnische Regierung kündigt Liquidation der öffentlich-rechtlichen Medien an |werk=Der Spiegel |datum=2023-12-27 |url=https://www.spiegel.de/ausland/polen-neue-regierung-kuendigt-liquidation-der-oeffentlich-rechtlichen-medien-an-a-173ce91f-1a66-4016-91c3-91d45fb621aa |abruf=2023-12-29}}</ref>


== Privates ==
== Privates ==
Zeile 68: Zeile 70:
* 2012: [[Verdienstorden (Norwegen)]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.kongehuset.no/binfil/download2.php?tid=114673 |titel=Årsberetning 2012. Det kongelige hoff |hrsg=kongehuset.no |datum=2013-03-01 |abruf=2013-12-05}}</ref>
* 2012: [[Verdienstorden (Norwegen)]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.kongehuset.no/binfil/download2.php?tid=114673 |titel=Årsberetning 2012. Det kongelige hoff |hrsg=kongehuset.no |datum=2013-03-01 |abruf=2013-12-05}}</ref>
* 2014: [[Orden des Marienland-Kreuzes]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.president.ee/en/estonia/decorations/bearers.php?id=50103 |titel=Bearers of decorations – Donald Franciszek Tusk – Maarjamaa Risti I klassi teenetemärk |hrsg=president.ee |datum=2014-03-14 |abruf=2014-07-02}}</ref>
* 2014: [[Orden des Marienland-Kreuzes]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.president.ee/en/estonia/decorations/bearers.php?id=50103 |titel=Bearers of decorations – Donald Franciszek Tusk – Maarjamaa Risti I klassi teenetemärk |hrsg=president.ee |datum=2014-03-14 |abruf=2014-07-02}}</ref>
* 2017: [[Ehrendoktor]] der [[Universität Pécs]]<ref>{{Internetquelle |url=https://pte.hu/english/news/honorary_doctor_donald_tusk_president_european_council |titel=Honorary Doctor Donald Tusk, President of the European Council {{!}} Pécsi Tudományegyetem |abruf=2018-12-17 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20181217202436/https://pte.hu/english/news/honorary_doctor_donald_tusk_president_european_council |archiv-datum=2018-12-17 |offline=ja |archiv-bot=2023-12-13 23:49:13 InternetArchiveBot }}</ref>
* 2017: [[Ehrendoktor]] der [[Universität Pécs]]<ref>{{Internetquelle |url=https://pte.hu/english/news/honorary_doctor_donald_tusk_president_european_council |titel=Honorary Doctor Donald Tusk, President of the European Council |werk=[[Pécsi Tudományegyetem]] |abruf=2018-12-17 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20181217202436/https://pte.hu/english/news/honorary_doctor_donald_tusk_president_european_council |archiv-datum=2018-12-17 |offline=ja |archiv-bot=2023-12-13 23:49:13 InternetArchiveBot }}</ref>
* 2018: Ehrendoktor der [[Technische Universität Dortmund|Technischen Universität Dortmund]]<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.tu-dortmund.de/universitaet/aktuelles/meldung/tu-dortmund-verleiht-ehrendoktorwuerde-an-praesidenten-des-europaeischen-rates-s-e-donald-tusk/ |titel=TU DORTMUND VERLEIHT EHRENDOKTORWÜRDE AN PRÄSIDENTEN DES EUROPÄISCHEN RATES, S. E. DONALD TUSK |werk= |hrsg= |datum=2018-12-16 |sprache=de |abruf=2019-01-03}}</ref>
* 2018: Ehrendoktor der [[Technische Universität Dortmund|Technischen Universität Dortmund]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.tu-dortmund.de/universitaet/aktuelles/meldung/tu-dortmund-verleiht-ehrendoktorwuerde-an-praesidenten-des-europaeischen-rates-s-e-donald-tusk/ |titel=TU Dortmund verleiht Ehrendoktorwürde an Präsidenten des Europäischen Rates, S. E. Donald Tusk |hrsg=TU Dortmund |datum=2018-12-16 |abruf=2019-01-03}}</ref>
* 2019: Ehrendoktor der [[Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw|Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2019/02/15/weekly-schedule-of-president-donald-tusk/ |titel=Weekly schedule of President Donald Tusk – Consilium |abruf=2019-02-20}}</ref>
* 2019: Ehrendoktor der [[Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw|Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2019/02/15/weekly-schedule-of-president-donald-tusk/ |titel=Weekly schedule of President Donald Tusk – Consilium |abruf=2019-02-20}}</ref>
* 2019: [[Marion Dönhoff Preis]]<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://verlag.zeit.de/veranstaltungen/marion-doenhoff-preis/ |titel=Preisverleihung 1. Dezember 2019 |werk= |hrsg= |datum= |abruf=2019-12-01}}</ref>
* 2019: [[Marion Dönhoff Preis]]<ref>{{Internetquelle |url=https://verlag.zeit.de/veranstaltungen/marion-doenhoff-preis/ |titel=Preisverleihung 1. Dezember 2019 |werk=Die Zeit |abruf=2019-12-01}}</ref>
* 2021: [[Orden der Aufgehenden Sonne]]<ref>[https://www.mofa.go.jp/files/100182760.pdf 2021 Spring Conferment of Decorations on Foreign Nationals], Internetseite des japanischen Außenministeriums (englisch)</ref>
* 2021: [[Orden der Aufgehenden Sonne]]<ref>[https://www.mofa.go.jp/files/100182760.pdf 2021 Spring Conferment of Decorations on Foreign Nationals], Internetseite des japanischen Außenministeriums (englisch)</ref>


Zeile 87: Zeile 89:


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commons}}
{{Commons|audio=1|video=0}}
{{Wikinews|Kategorie:Donald Tusk|Donald Tusk}}
{{Wikinews|Kategorie:Donald Tusk|Donald Tusk}}
* {{DNB-Portal|122488547}}
* {{DNB-Portal|122488547}}
Zeile 113: Zeile 115:
[[Kategorie:Ministerpräsident (Polen)]]
[[Kategorie:Ministerpräsident (Polen)]]
[[Kategorie:Person (Europäische Volkspartei)]]
[[Kategorie:Person (Europäische Volkspartei)]]
[[Kategorie:Senator (Polen)]]
[[Kategorie:Senator (Dritte polnische Republik)]]
[[Kategorie:Sejm-Abgeordneter (Dritte Republik)]]
[[Kategorie:Sejm-Abgeordneter (Dritte Republik)]]
[[Kategorie:Parteivorsitzender (Polen)]]
[[Kategorie:Parteivorsitzender (Polen)]]
Zeile 127: Zeile 129:
[[Kategorie:Ehrendoktor der Technischen Universität Dortmund]]
[[Kategorie:Ehrendoktor der Technischen Universität Dortmund]]
[[Kategorie:Absolvent der Universität Danzig]]
[[Kategorie:Absolvent der Universität Danzig]]
[[Kategorie:Pole]]
[[Kategorie:Kaschube]]
[[Kategorie:Kaschube]]
[[Kategorie:Pole]]
[[Kategorie:Geboren 1957]]
[[Kategorie:Geboren 1957]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Mann]]

Aktuelle Version vom 13. Oktober 2024, 19:36 Uhr

Donald Tusk (2023) Unterschrift von Donald Tusk

Donald Franciszek Tusk [ˈdɔnalt franˈʨiʃɛk ˈtusk] anhören/? (* 22. April 1957 in Danzig) ist ein polnischer Politiker. Von 2019 bis 2022 war er Vorsitzender der Europäischen Volkspartei.[1] Zuvor war er von 2014 bis 2019 Präsident des Europäischen Rates und von 2007 bis 2014 Ministerpräsident der Republik Polen. Am 13. Dezember 2023 übernahm er erneut das Amt des polnischen Ministerpräsidenten.[2]

Von 2003 bis 2014 war Tusk Vorsitzender der wirtschaftsliberal-konservativen Partei Platforma Obywatelska (PO, Bürgerplattform). Im Oktober 2021 trat er nach einem online durchgeführten Votum der Parteimitglieder erneut an die Spitze der PO, nachdem ihn der Parteikonvent zum kommissarischen Vorsitzenden gewählt hatte.[3] Nach der gescheiterten Vertrauensfrage der Regierung von Mateusz Morawiecki wurde Tusk mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.[4]

Dem Sejm gehörte er von 1991 bis 1993, von 2001 bis 2014 und erneut seit 2023 in der I., IV., V., VI., VII. und X. Wahlperiode an. Von 1997 bis war er Senator.

Tusks Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits gehörten der ethnischen Minderheit der Kaschuben in der damaligen Freien Stadt Danzig an. Die Sprache seiner Großmutter mütterlicherseits, Anna Liebke, war Danziger Deutsch.[5] Beide Großväter waren während des Zweiten Weltkrieges zeitweilig in NS-Konzentrationslagern (KZ Stutthof und KZ Neuengamme) inhaftiert.[6] Am 2. August 1944 wurde Tusks Großvater Józef Tusk (1907–1987) aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Deutschen Volksliste zur Wehrmacht einberufen. Wahrscheinlich desertierte er, denn er trat drei Monate später am 24. November 1944 den Polnischen Streitkräften im Westen bei. Tusks Vater war Tischler und starb 1972.

Bei der Präsidentschaftswahl in Polen 2005 wurde im Wahlkampf von Tusks politischem Gegner, der Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS, Recht und Gerechtigkeit) die kurze Zugehörigkeit seines Großvaters zur Wehrmacht thematisiert, um ihn selbst dadurch als unpatriotisch zu diffamieren.

Oppositionelles Engagement in der Volksrepublik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Niederschlagung des Aufstandes vom Dezember 1970 in Polen hat Tusk politisch geprägt.[7] Er engagierte sich in der Opposition gegen die Herrschaft der kommunistischen Polska Zjednoczona Partia Robotnicza. Als Student der Geschichtswissenschaft an der Universität Danzig war er Ende der 1970er Jahre Mitbegründer des örtlichen Studencki Komitet Solidarności (Studentischen Komitees der Solidarität). Die Gründung war eine Reaktion auf den Tod des im Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (polnisch Komitet Obrony Robotników, kurz KOR) engagierten Krakauer Studenten Stanisław Pyjas (1953–1977), für den die Oppositionellen den polnischen Staatssicherheitsdienst Służba Bezpieczeństwa verantwortlich machten. Des Weiteren war Tusk auch für die oppositionellen Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża (Freie Gewerkschaften der Küstenregion) tätig.[8] 1980 gehörte er außerdem zu den Initiatoren des Unabhängigen Studentenverbandes (polnisch Niezależne Zrzeszenie Studentów, kurz NZS).[8] Tusk beendete sein Studium 1980 mit einer Abschlussarbeit über den Mythos und die Legende um Józef Piłsudski.

Wenige Monate nach den August-Streiks 1980 in Polen begann Tusk eine Tätigkeit als Journalist bei der Wochenzeitschrift Samorządność. Er wurde zum Vorsitzenden des Betriebskomitees der Solidarność in dem herausgebenden Verlag in Danzig gewählt. Als das Kriegsrecht in Polen 1981–1983 ausgerufen worden war, wurde er wegen seiner Oppositionstätigkeit aus diesem staatlichen Verlag entlassen und mit einem Berufsverbot belegt. 1982/83 war er als Backwarenverkäufer, 1984–1989 war er als Arbeiter bei der von den Danziger Oppositionellen unter der Leitung von Maciej Płażyński gegründeten Handwerksgenossenschaft Świetlik tätig.[9][8]

Politischer Aufstieg

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Tusk während seiner Zeit beim KLD

Mit Beginn der Dritten Polnischen Republik gründete Tusk 1989 mit Jan Krzysztof Bielecki und Janusz Lewandowski den Kongres Liberalno-Demokratyczny (KLD, Liberal-Demokratischer Kongress). 1991 wurde er zum Parteivorsitzenden und erstmals in den Sejm, das polnische Parlament, gewählt. Er unterstützte 1992 mit seiner Partei das Misstrauensvotum gegen den damaligen Ministerpräsidenten Jan Olszewski und anschließend die Minderheitsregierung unter dessen Nachfolgerin Hanna Suchocka. 1993 wurde der Sejm vorzeitig aufgelöst und der KLD konnte bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Polen 1993 die neu eingeführte Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringen. Nach den verlorenen Wahlen fusionierte der KLD 1994 mit der liberalen Partei Unia Demokratyczna (UD, Demokratische Union) des ehemaligen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki zur Partei Unia Wolności (UW, Freiheitsunion).[8] Nach einer verlorenen Auseinandersetzung mit Bronisław Geremek im Jahre 2000 um den Parteivorsitz verließ Tusk die UW. Mit Andrzej Olechowski und Maciej Płażyński gründete er Anfang 2001 die Platforma Obywatelska (PO, Bürgerplattform).

Bereits 1997 war Tusk mit über 230.000 Stimmen in Danzig in den Senat der Republik Polen gewählt worden. Als Mitglied des Sejms war er 2001 bis 2005 dessen stellvertretender Vorsitzender und davor 1997 bis 2001 stellvertretender Vorsitzender des Senats. Die PO vertrat er im Sejm als Fraktionsvorsitzender von 2003 bis 2006. Von 2003 bis 2014 war er außerdem ihr alleiniger Parteivorsitzender.

Präsidentschaftswahlen 2005

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Präsidentschaftswahl in Polen 2005 erzielte Tusk im ersten Wahlgang 36,3 Prozent der Stimmen und damit das beste Ergebnis der angetretenen Kandidaten; doch verfehlte er die notwendige Mehrheit von 50 Prozent. Er musste am 23. Oktober 2005 zur Stichwahl gegen den damaligen Warschauer Bürgermeister Lech Kaczyński, der zuvor 33,1 Prozent erlangt hatte, antreten und unterlag mit 46,5 Prozent zu 53,5 Prozent.

Parlamentswahlen 2007 und erste Regierungszeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kabinett Tusk I (2007)

Bei der nach dem Zerfall der damaligen Regierungskoalition unter Führung der PiS erforderlich gewordenen Parlamentswahl in Polen 2007 setzten sich Tusk und die PO mit 41,51 Prozent der Stimmen gegenüber der PiS von Ministerpräsident Jarosław Kaczyński, mit rund 32 Prozent der Stimmen, durch. Die PO verfügte nun im Sejm zusammen mit der gemäßigt konservativen Polskie Stronnictwo Ludowe (kurz PSL, deutsch Polnische Volkspartei), die vor allem die Interessen der Landwirte vertritt, über eine Mehrheit von 240 der 460 Abgeordnetensitze. Beide Parteien verständigten sich nach dem Wahlsieg auf eine Koalition.

Tusk auf dem Kongress der EVP in Warschau 2009

Seit dem 16. November 2007 führte Tusk als Ministerpräsident die polnische Regierung. In seiner ersten Regierungserklärung, am 23. November 2007, kündigte er die baldige Ratifizierung des Vertrags von Lissabon und die Einführung des Euro in Polen an. Außerdem trat er für eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland ein, die in der Amtszeit seines Vorgängers Kaczyński teilweise angespannt waren. Tusk warb in diesem Zusammenhang für die Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks, einer engen Kooperation zwischen Warschau, Paris und Berlin.[10] Schon im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen hatte Tusk offensiv auf eine internationale Zusammenarbeit gesetzt.

Nach den Parlamentswahlen 2011 und zweite Regierungszeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Tusk mit Barack Obama (2011)

Bei der Parlamentswahl in Polen 2011 erreichte die PO 39,2 Prozent der Stimmen. Mit 206 Abgeordneten stellte sie danach die mit Abstand stärkste Fraktion im Sejm. Zusammen mit der PSL sowie der sich traditionell dem Regierungslager anschließenden Deutschen Minderheit in Polen, die einen Sitz erhielt, kam sie auf 235 von 460 Abgeordnetensitzen.[11] Erstmals seit dem Beginn der sogenannten Dritten Polnischen Republik war damit eine Regierung im Amt bestätigt worden. Seine Wiederwahl erfolgte am 19. November 2011.

Nach brisanten Enthüllungen aus illegal abgehörten Gesprächen verschiedener Kabinettsmitglieder legte der polnische Präsident Bronisław Komorowski der polnischen Regierung den Rücktritt nahe.[12] Auch Tusk schloss Neuwahlen nicht aus, nachdem er zunächst Rücktrittsforderungen der Opposition zurückgewiesen hatte.[13] Am 25. Juni 2014 stellte er im Sejm die Vertrauensfrage gemäß Art. 158 der Verfassung Polens. 237 von insgesamt 440 Abgeordneten sprachen der Regierung ihr Vertrauen aus, 203 stimmten gegen sie.

Präsident des Europäischen Rates von 2014 bis 2019

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 9. September 2014 erklärte Tusk seinen vorzeitigen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten,[14] nachdem er zum Nachfolger von Herman Van Rompuy als Präsident des Europäischen Rates bestimmt worden war.[15] Tusk amtierte als kommissarischer Ministerpräsident noch bis zum 22. September 2014, als die bisherige polnische Sejmmarschallin Ewa Kopacz zu seiner Nachfolgerin gewählt wurde. Sein neues Amt in Brüssel trat Tusk zum 1. Dezember 2014 an.[16] Am 9. März 2017 wurde er gegen den Widerstand der polnischen Regierungspartei PiS als Präsident des Europäischen Rates wiedergewählt.[17] Es war seit der Schaffung des Amtes 2009 die erste Abstimmung, bei der der später gewählte Amtsinhaber nicht die Stimmen aller Länder auf sich vereinen konnte. Besonders hervorgestellt in den Medien wurde, dass das Heimatland Tusks gegen ihn gestimmt hatte und somit erstmals in der Geschichte der EU parteipolitische Erwägungen höher gewertet wurden als der „eigene“ Landesvertreter.[18][19] Am 20. November 2019 wurde Tusk zum neuen Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei gewählt. Er trat diesen Posten am 1. Dezember 2019 an. Zugleich endete seine Amtszeit als EU-Ratspräsident.[20][21]

Rückkehr nach Warschau 2019

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Donald Tusk im Jahr 2021

Im Juli 2021 wählte ihn der Parteikonvent der Bürgerplattform einstimmig zum Vize-Parteichef, der kommissarisch auch die Funktion des Vorsitzenden übernahm. Im Oktober 2021 trat er nach einem online durchgeführten Votum der Parteimitglieder erneut an die Spitze der PO. Für ihn stimmten 97,4 Prozent der Parteimitglieder, die sich an dem Votum beteiligten; Gegenkandidaten hatte es nicht gegeben.[22] Am 31. Mai 2022 folgte ihm Manfred Weber im Amt des EVP-Parteivorsitzenden nach.

Tusk ging auf Konfrontationskurs zur katholischen Kirche, als er sich für die Aufhebung des Abtreibungsverbots und eine Fristenregelung wie in den meisten europäischen Staaten aussprach.[23]

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 kritisierte er die deutsche Regierung, die nach seiner Auffassung einen Beschluss über härtere Sanktionen gegenüber Russland blockierte: „Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht.“ Konkret nannte er diesbezüglich nicht nur Deutschland, sondern auch Ungarn und Italien.[24]

Im Juli 2023 sprach er sich gegen den Zuzug weiterer Migranten nach Polen aus: „Die Polen müssen die Kontrolle über ihren Staat und seine Grenzen zurückgewinnen.“[25]

Parlamentswahlen 2023 und dritte Regierungszeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus den Parlamentswahlen in Polen im Jahr 2023 ging Tusks 2018 gegründete Koalicja Obywatelska als zweitstärkste Kraft nach der PiS hervor. Jedoch war es Tusk Parteienbündnis, das im Gegensatz zur PiS eine Mehrheit im Parlament hinter sich vereinte (dazu lud sie die Parteienkoalitionen Trzecia Droga und Lewica zum Regieren ein) bzw. eine Regierung bildete, die die Vertrauensfrage überstand. Das Kabinett Tusk III wurde im Dezember 2023 vereidigt.

Eines der ersten Amtshandlungen Tusks als erneuter Ministerpräsident war, eine umstrittene Justizreform, die von der Vorgängerregierung umgesetzt worden war, für verfassungswidrig zu erklären.[26] Des Weiteren löste Tusks Regierung noch im selben Monat alle öffentlich-rechtliche Medien in Polen, die als Propagandamedium der PiS galten, formell auf, um eigenen Aussagen zufolge eine Umstrukturierung dieser zu ermöglichen.[27]

Tusk wohnt in der Kurstadt Sopot, einem Teil der Danziger Dreistadt. Er ist seit 1978 verheiratet.[28] Er hat mit seiner Ehefrau Małgorzata einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn Michał arbeitete unter anderem als Journalist bei der Tageszeitung Gazeta Wyborcza und betreute die Öffentlichkeitsarbeit der Billigfluglinie OLT Express Poland. Als deren Muttergesellschaft Amber Gold in einer Wirtschaftsaffäre 2012 zahlungsunfähig wurde, geriet Michał Tusk in die Schlagzeilen.[29] Im Frühjahr 2017 musste er vor dem Sejm-Untersuchungsausschuss zu der Affäre aussagen.[30] Donald Tusks Tochter Katarzyna Tusk tritt gelegentlich im polnischen Fernsehen auf, nahm 2007 an der polnischen Ausgabe der Sendung Dancing Stars teil und ist Mitautorin eines Modeblogs. Gegen sie wurden Morddrohungen ausgesprochen.[31]

Tusk spricht fließend Deutsch und Englisch.[32]

  • Idee gdańskiego liberalizmu (dt. Ideen des Danziger Liberalismus), Gdańsk 1998, ISBN 83-906004-0-4.
  • mit Grzegorz Fortuna und Krzysztof Grynder: Wrzeszcz. Gdańsk 2002, ISBN 83-912807-2-1.
  • Solidarność i duma (dt. Solidarität und Stolz), Gdańsk 2005, ISBN 83-7453-640-3.
  • mit Grzegorz Fortuna: Od Oruni po Siedlce (dt. Von Orunia nach Siedlce), Gdańsk 2005, ISBN 83-912807-7-2.
  • mit Grzegorz Fortuna: Był sobie Gdańsk (dt. Es war einmal Danzig), Gdańsk 2006, ISBN 83-906018-0-X.
  • Adam Holesch, Axel Birkenkämper: Von Kaczyński zu Tusk. Eine deutsch-polnische Tragödie? Bouvier, Bonn 2008, ISBN 978-3-416-03235-3.
  • Olaf Müller, Bernd Vincken (Hrsg.): Die Integration vertiefen – Europas Stärken nutzen: ... an Donald Tusk (= Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen, 2010), Einhard, Aachen 2010, ISBN 978-3-936342-82-6 (teilweise deutsch und teilweise englisch).
  • Sławomir Grabias: Donald Tusk. Pierwsza niezależna biografia (dt. Donald Tusk. Die erste unabhängige Biographie), Łodź 2011, ISBN 978-83-932958-0-7.
Commons: Donald Tusk – Album mit Bildern und Audiodateien
 Wikinews: Donald Tusk – in den Nachrichten

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Tusk wird neuer Vorsitzender der EVP. tagesschau.de, abgerufen am 5. Dezember 2019.
  2. Tusk als neuer Ministerpräsident vereidigt ZDF, 13. Dezember 2023, abgerufen am 13. Dezember 2023.
  3. Donald Tusk wybrany na przewodniczącego PO onet.pl, 24. Oktober 2021.
  4. Tusk als Regierungschef nominiert. ORF.at, 11. Dezember 2023, abgerufen am 11. Dezember 2023.
  5. Reinhold Vetter: Wohin steuert Polen? Das schwierige Erbe der Kaczyńskis. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-468-6.
  6. Donald Tusk im Munzinger-Archiv, abgerufen am 25. Oktober 2023 (Artikelanfang frei abrufbar)
  7. Wer ist Donald Tusk? (Memento vom 21. Oktober 2007 im Internet Archive) Der Tagesspiegel, 21. Oktober 2007.
  8. a b c d Donald Tusk. Kancelaria Prezesa Rady Ministrów, archiviert vom Original am 4. Oktober 2011; abgerufen am 9. Oktober 2011.
  9. https://encysol.pl/es/encyklopedia/biogramy/19236,Tusk-Donald.html#
  10. Tusk will Nachbarschaft zu Deutschland verbessern. (Memento vom 24. Juli 2010 im Internet Archive) Tagesschau, 24. November 2007.
  11. Klarer Sieg, große Probleme für Donald Tusk. In: Der Tagesspiegel, 10. Oktober 2011.
  12. handelsblatt.com
  13. faz.net
  14. Polens Ministerpräsident Tusk tritt zurück. In: Die Zeit. 9. September 2014.
  15. Mogherini wird Chefdiplomatin, Tusk Ratspräsident. In: Die Welt. 30. August 2014.
  16. Ein Pole ist Merkels Mann in Brüssel. In: Rheinische Post, 1. Dezember 2014, S. A5.
  17. Europäische Union: Donald Tusk als EU-Ratspräsident wiedergewählt. Spiegel Online – Politik, abgerufen am 9. März 2017.
  18. James Kanter: Donald Tusk Gets 2nd Term as President of European Council. New York Times, 9. März 2017, abgerufen am 12. März 2017.
  19. Presseschau: "Saftige Ohrfeige" für Polen, Süddeutsche Zeitung, 10. März 2017
  20. Gabriele Lesser: Donald Tusk übernimmt den Vorsitz der Europäischen Volkspartei. Der Standard, 20, November 2019, abgerufen am selben Tage.
  21. Elena Eggert: EU-Ratspräsident Tusk übergibt an Michel. Phönix, 29. November 2019, abgerufen am 29. Dezember 2019.
  22. Donald Tusk wybrany na przewodniczącego PO onet.pl, 24. Oktober 2021.
  23. Biskupi stali się bezwolni wobec Rydzyka. "Nie reprezentują dziś własnej myśli" Newsweek Polska, 2. Januar 2023, S. 12.
  24. Ukraine: Früherer EU-Ratspräsident Donald Tusk kritisiert deutsche Sanktionspolitik. In: Der Spiegel. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
  25. Stimmungsmache mit Krawallen in Frankreich, in: rbb24, 8. Juli 2023.
  26. Polens Parlament nennt Umbau der Justiz durch PiS-Regierung verfassungswidrig. In: Der Spiegel. 21. Dezember 2023, abgerufen am 29. Dezember 2023.
  27. »Umstrukturierung« als Ziel: Neue polnische Regierung kündigt Liquidation der öffentlich-rechtlichen Medien an. In: Der Spiegel. 27. Dezember 2023, abgerufen am 29. Dezember 2023.
  28. Polityka, 22. September 2012 (eingesehen am 3. November 2018)
  29. Marcin Soboczyk: Polen: Dubiose Finanzfirma schädigt 50.000 Anleger. Die Welt, 16. August 2012.
  30. Michał Tusk stanie przed komisją. In: Wiadonosci TVP, 8. März 2017 (polnisch).
  31. Julia Szyndzielorz: Polen: Morddrohungen gegen die Tochter von Premier Tusk. Die Welt, 16. April 2014.
  32. Interview: Will A Tusk Presidency Help EU Look East? Radio Free Europe, 30. August 2014, abgerufen am 28. Juli 2015.
  33. premier.gov.pl (Memento vom 5. August 2012 im Webarchiv archive.today)
  34. Rahmenprogramm 2010 (Memento vom 2. Juni 2010 im Internet Archive) (PDF; 1,9 MB), aachen.de
  35. Aachener Karlspreis für Donald Tusk. bei: dw-world.de, 13. Mai 2010 (aufgerufen am 13. Mai 2010)
  36. Premierminister Donald Tusk mit dem Walther-Rathenau-Preis geehrt bei: thenews.pl. Abgerufen am 16. Juli 2014.
  37. Walther-Rathenau-Preis Website des Walther Rathenau Instituts. Abgerufen am 16. Juli 2014.
  38. Årsberetning 2012. Det kongelige hoff. kongehuset.no, 1. März 2013, abgerufen am 5. Dezember 2013.
  39. Bearers of decorations – Donald Franciszek Tusk – Maarjamaa Risti I klassi teenetemärk. president.ee, 14. März 2014, abgerufen am 2. Juli 2014.
  40. Honorary Doctor Donald Tusk, President of the European Council. In: Pécsi Tudományegyetem. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Dezember 2018; abgerufen am 17. Dezember 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/pte.hu
  41. TU Dortmund verleiht Ehrendoktorwürde an Präsidenten des Europäischen Rates, S. E. Donald Tusk. TU Dortmund, 16. Dezember 2018, abgerufen am 3. Januar 2019.
  42. Weekly schedule of President Donald Tusk – Consilium. Abgerufen am 20. Februar 2019.
  43. Preisverleihung 1. Dezember 2019. In: Die Zeit. Abgerufen am 1. Dezember 2019.
  44. 2021 Spring Conferment of Decorations on Foreign Nationals, Internetseite des japanischen Außenministeriums (englisch)