„O Haupt voll Blut und Wunden“ – Versionsunterschied

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== Entstehung ==
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Der evangelische Kirchenlieddichter Paul Gerhardt übersetzte den lateinischen [[Hymnus]] ''Salve caput cruentatum'' 1656, dem letzten Jahr seiner Amtszeit als [[Propst]] in [[Mittenwalde]], ins Deutsche. Zu Gerhardts Zeit und noch lange danach wurde [[Bernhard von Clairvaux]] (um 1090–1153) als Erstautor des Hymnus angesehen, heute wird er [[Arnulf von Löwen]] (1200–1250) zugeschrieben. Er ist der abschließende Teil eines unter dem Titel ''Oratio Rhythmica'' überlieferten Zyklus von sieben Meditationen zu den Gliedmaßen des Gekreuzigten (siehe auch ''[[Membra Jesu nostri]]'').
Der evangelische Kirchenlieddichter Paul Gerhardt übersetzte den lateinischen [[Hymnus]] ''Salve caput cruentatum'' 1656, im letzten Jahr seiner Amtszeit als [[Propst]] in [[Mittenwalde]], ins Deutsche. Zu Gerhardts Zeit und noch lange danach wurde [[Bernhard von Clairvaux]] (um 1090–1153) als Erstautor des Hymnus angesehen, heute wird er [[Arnulf von Löwen]] (1200–1250) zugeschrieben. Er ist der abschließende Teil eines unter dem Titel ''Oratio Rhythmica'' überlieferten Zyklus von sieben Meditationen zu den Gliedmaßen des Gekreuzigten (siehe auch ''[[Membra Jesu nostri]]'').


Die Melodie von [[Johann Crüger]] (1598–1662), [[Organist]] an der [[Nikolaikirche (Berlin)|St.-Nikolai-Kirche]] in Berlin und Freund Paul Gerhardts, lehnt sich [[Rhythmus (Musik)|rhythmisch]] vereinfacht an das Liebeslied ''[[Mein G’müt ist mir verwirret]]'' von [[Hans Leo Haßler]] (1564–1612) an, das erstmals 1601 in Haßlers ''[[Lustgarten neuer teutscher Gesäng]]'' erschien. Bereits 1613 war diese Melodie im Liederbuch ''Harmoniae sacrae'' dem 1599 entstandenen Text von [[Christoph Knoll]] (1563–1621) ''Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End'' [[Kontrafaktur|kontrafaziert]] worden.
Die Melodie von [[Johann Crüger]] (1598–1662), [[Organist]] an der [[Nikolaikirche (Berlin)|St.-Nikolai-Kirche]] in Berlin und Freund Paul Gerhardts, lehnt sich [[Rhythmus (Musik)|rhythmisch]] vereinfacht an das Liebeslied ''[[Mein G’müt ist mir verwirret]]'' von [[Hans Leo Haßler]] (1564–1612) an, das erstmals 1601 in Haßlers ''[[Lustgarten neuer teutscher Gesäng]]'' erschien. Bereits 1613 war diese Melodie im Liederbuch ''Harmoniae sacrae'' dem 1599 entstandenen Text von [[Christoph Knoll]] (1563–1621) ''Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End'' [[Kontrafaktur|kontrafaziert]] worden.

Version vom 26. März 2016, 09:16 Uhr

O Haupt voll Blut und Wunden in Bachs Matthäuspassion

O Haupt voll Blut und Wunden ist ein Kirchenlied, das in seiner heutigen Form von Paul Gerhardt (1607–1676) und Johann Crüger (1598–1662) stammt.

Entstehung

Der evangelische Kirchenlieddichter Paul Gerhardt übersetzte den lateinischen Hymnus Salve caput cruentatum 1656, im letzten Jahr seiner Amtszeit als Propst in Mittenwalde, ins Deutsche. Zu Gerhardts Zeit und noch lange danach wurde Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) als Erstautor des Hymnus angesehen, heute wird er Arnulf von Löwen (1200–1250) zugeschrieben. Er ist der abschließende Teil eines unter dem Titel Oratio Rhythmica überlieferten Zyklus von sieben Meditationen zu den Gliedmaßen des Gekreuzigten (siehe auch Membra Jesu nostri).

Die Melodie von Johann Crüger (1598–1662), Organist an der St.-Nikolai-Kirche in Berlin und Freund Paul Gerhardts, lehnt sich rhythmisch vereinfacht an das Liebeslied Mein G’müt ist mir verwirret von Hans Leo Haßler (1564–1612) an, das erstmals 1601 in Haßlers Lustgarten neuer teutscher Gesäng erschien. Bereits 1613 war diese Melodie im Liederbuch Harmoniae sacrae dem 1599 entstandenen Text von Christoph Knoll (1563–1621) Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End kontrafaziert worden.

Rezeption

Einzelne Strophen des Chorals wurden von Johann Sebastian Bach (1685–1750) in der Matthäuspassion (BWV 244) verwendet, wobei Bach die Auswahl und Reihenfolge der verwendeten Strophen selbst traf und nicht seinem Textdichter Picander (1700–1764) überließ. Bach verwendete seine sechste Strophe auch in der Kantate Sehet! Wir gehn hinauf gen Jerusalem (BWV 159), die die Ankündigung der Passion behandelt. Die Melodie erscheint außerdem in Bachs Weihnachtsoratorium zu Paul Gerhardts Text Wie soll ich dich empfangen, dem ersten Choral in Teil I (Nr. 5) und zu Nun seid ihr wohl gerochen, dem Schlusschor von Teil VI.

In das Evangelische Gesangbuch wurde das Werk als Nr. 85, in das katholische Gotteslob als Nr. 289 aufgenommen (ohne Originalstrophen 5 und 7). Die erste Aufnahme in ein katholisches Gesangbuch fand das Lied bereits 30 Jahre nach Gerhardts Tod.

Felix Mendelssohn Bartholdy komponierte 1830 eine Kirchenkantate für Soli, Chor und Orchester über O Haupt voll Blut und Wunden. Weitere Bearbeitungen liegen von Johann Pachelbel, Johann Gottfried Walther, Georg Philipp Telemann, Franz Liszt, Friedrich Silcher, Rudolf Palme, Max Reger, Joseph Gabriel Rheinberger, Johann Nepomuk David, Josef Friedrich Doppelbauer, und Rupert Gottfried Frieberger und vielen weiteren Komponisten vor. Insbesondere Orgelbearbeitungen liegen in großer Zahl vor.

Verwendet wurde die Melodie außer in der historischen Kunstmusik u. a. um 1960 von Peter, Paul & Mary mit dem Dave-Brubeck-Trio (Because all men are brothers auf der LP Summit Sessions), 1973 von Paul Simon für seinen Song American Tune, 2006 von Dieter Falk (im Album A tribute to Paul Gerhardt) und 2012 vom kanadischen Songwriter John K. Samson in seinem Song Stop Error.

Text

Textdruck 1670

1.[1]
O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret[2]
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret:[3]
gegrüßet seist du mir!

2.
Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht’?

3.
Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen[4]
von deines Leibes Kraft.

4.
Nun, was du, Herr, erduldet,[5]
ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet,[6]
was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer,
der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer,
den Anblick deiner Gnad.

5.[7]
Erkenne mich, mein Hüter,
mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter,
ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich gelabet
mit Milch und süßer Kost,
dein Geist hat mich begabet
mit mancher Himmelslust.

6.
Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.

7.[8]
Es dient zu meinen Freuden
und tut mir herzlich wohl,
wenn ich in deinem Leiden,
mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, o mein Leben,
an deinem Kreuze hier
mein Leben von mir geben,
wie wohl geschähe mir!

8.
Ich danke dir von Herzen,
o Jesu, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen,
da du’s so gut gemeint.
Ach gib, dass ich mich halte
zu dir und deiner Treu
und, wenn ich nun[9] erkalte,
in dir mein Ende sei.

9.
Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir,
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.

10.
Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod,
und lass mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Literatur

  • Elke Axmacher, Matthias Schneider: 85 – O Haupt voll Blut und Wunden. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 10. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-50333-4, S. 40–52.
  • Marlies Lehnertz: Vom hochmittelalterlichen katholischen Hymnus zum barocken evangelischen Kirchenlied. Paul Gerhardts „O Haupt voll Blut und Wunden“ und seine lateinische Vorlage, das „Salve caput cruentatum“ Arnulfs von Löwen. In: Hansjakob Becker, Reiner Kaczynski (Hrsg.): Liturgie und Dichtung. Ein interdisziplinäres Kompendium. Band 1: Historische Präsentation. EOS, St. Ottilien 1983, ISBN 3-88096-281-2, (Pietas Liturgica 1), S. 755–773.
  • Hansjakob Becker et al.: Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 2. Auflage. Beck, München 2003, ISBN 3-406-48094-2, S. 275–290.
  • Klaus Schneider: Lexikon „Musik über Musik“. Bärenreiter, Kassel 2004, ISBN 3-7618-1675-8.
Commons: O Haupt voll Blut und Wunden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Textfassung Strophen 1–10: EG 85
  2. GL: „gekrönet“
  3. GL: „frech verhöhnet“
  4. GL: „und so bist du gekommen“
  5. GL: „Was du, Herr, hast erduldet“
  6. GL: „ich, ich hab es verschuldet“
  7. nicht im GL
  8. nicht im GL
  9. GL: „einst“