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ADB:Mayer, Karl (Gynäkologe)

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Artikel „Mayer, Karl“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 122–124, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mayer,_Karl_(Gyn%C3%A4kologe)&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 19:34 Uhr UTC)
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Mayer: Karl Wilhelm M., Sohn eines Arztes – sein Vater war Stadtchirurgus von Berlin, Operateur und Geburtshelfer – wurde am 25. Juni 1795 in Berlin geboren. Er besuchte zuerst das französische Gymnasium, seit dem 11. Jahre aber das Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin. Vom Vater wurde er frühzeitig in die Praxis, namentlich zu Operationen mitgenommen. Noch nicht 17 Jahre alt absolvirte er 1813 das Abiturientenexamen und eilte dann nach Breslau, dem Rufe des Königs zu den Waffen folgend. In Folge der großen Strapazen in den Schlachten von Möckern und Leipzig und auf den Märschen an den Rhein erkrankte er in Frankfurt a. M. am Nervenfieber. Nach dem Friedensschluß 1814 kehrte er in seine Vaterstadt zurück. Hier wurde er im J. 1814 von Rudolpi immatriculirt und begann seine Studien unter Knape[WS 1], Rudolphi, Erman, Lichtenstein und Link. 1816 starb sein Vater und hinterließ eine zahlreiche Familie fast ohne Vermögen, so daß M. nun genöthigt war, durch Unterricht sich selbst die Mittel zum weiteren Studium zu verdienen. Am 22. Juni 1819 legte er das Examen rigorosum ab, nachdem er bereits seit November 1817 Assistent von Elias von Siebold in der neu errichteten Entbindungsanstalt der Universität geworden war. Er arbeitete zum großen Theil mit an der schwierigen Aufgabe, die Einrichtung des neuen Gebäudes zu besorgen. Am 1. Mai 1818 erfolgte die Einweihung, zugleich wurde eine ambulatorische Klinik für Frauenkrankheiten eröffnet. – Am 13. Febr. 1821 promovirte M. auf Grund seiner Dissertation „De polypis uteri“, schied in demselben Jahre (1. Juli) aus der Anstalt, ward am 27. Juni 1821 als praktischer Arzt und Geburtshelfer vereidigt und kam durch den Tod eines beschäftigten Geburtshelfers schnell zu einer ausgedehnten Praxis. Seine schöne Erscheinung, seine herzgewinnende Freundlichkeit, die Sicherheit seines Auftretens, die vorzügliche Ausbildung, die er als Mediciner genossen und die große Erfahrung, welche er sich gesammelt hatte, trugen hierzu sehr wesentlich bei. 1824 verheirathete er sich mit der Tochter des Bankassessors Martins in Berlin. Aus dieser Ehe entsprangen 2 Söhne und 5 Töchter. Beide Söhne erwählten den Beruf des Vaters. Der jüngere August erlag jedoch schon 1861 der Phtise. – Unter den Berliner Praktikern war M. besonders mit Heim, Formey, Horn, Dieffenbach und Romberg sehr befreundet. Mit einer Reihe anderer Collegen gründete er 1833 die noch jetzt bestehende Gesellschaft „Heimia“. 1832 wandte M. sich an die städtische Verwaltung mit dem Antrage, unentgeltlich die der Armenpflege anheimfallenden Frauen zu behandeln; dieses Anerbieten wurde sehr gern angenommen. Zur Beobachtung und Behandlung dieser kranken Frauen, welche in seiner Wohnung geschah, fing er bald an, jüngere Aerzte heranzuziehen und dieselben mit Hülfe seiner Assistenten Reimer, Benno Reinhardt, Rockwitz und Kauffmann in seiner Untersuchungsmethode genau zu unterrichten. „Viele Fremde aus allen Welttheilen haben hier zum ersten Mal gynäkologisch genau untersuchen, ja man kann sagen, gynäkologisch denken gelernt.“ Mayer’s wiederholte Bestrebungen, eine gynäkologische Abtheilung im Charité-Krankenhause zu erhalten, blieben ohne Erfolg. Trotz aller Mühen in der Privatpraxis beschäftigte sich M. auch mit Mikroskopie, namentlich unter Ehrenberg’s Anleitung und fixirte gleich Anfangs mit Griffel und Pinsel die von ihm [123] untersuchten naturwissenschaftlichen Gegenstände auch farbig. – In Folge einer schweren Anstrengung beim Schwimmen erkrankte er 1836 sehr schwer an Convulsionen und starkem Fieber und machte nach seiner Genesung eine Erholungsreise nach Wien, die ihm mannigfache Anregung verschaffte. Von da zurückgekehrt, wurde er von König Friedrich Wilhelm IV., der bald nach seiner Thronbesteigung den Titel des Sanitätsrathes geschaffen hatte, in Anerkennung seiner langjährigen uneigennützigen Thätigkeit als Armenarzt als erster zum Sanitätsrathe ernannt; 1846 wurde er zum Geheimen Sanitätsrathe ernannt und später mit dem rothen Adlerorden decorirt. Durch eingehendes Studium auswärtiger Bäder, persönlichen Besuch derselben, wobei er möglichst auf Verbesserungen derselben hinwirkte, durch genaue Krankengeschichten und Kuranweisungen für die betreffenden Patientinnen, die er auch während der Kur im Auge behielt, erweiterte er über die eigene Praxis hinaus seine Wirksamkeit zum Wohle der leidenden Menschheit. Seine wichtigste That war jedoch die Gründung der geburtshülflichen Gesellschaft in Berlin, ein Act, welchen sein Schwiegersohn, Rud. Virchow, als höchsten Triumph seines Lebens und zugleich als den stärksten Impuls für seine eigene wissenschaftliche Leistung bezeichnet. Die Stiftung fand am 13. Februar 1844 am Jahrestage seiner Promotion statt. Aus dieser – der ersten geburtshülflichen Gesellschaft überhaupt – ging im J. 1848 auch die erste Anregung zu dem Aufbau einer neuen medicinischen Verfassung hervor. M. verstand es vorzüglich, durch eine strenge wissenschaftliche Richtung und die damit zusammenhängende Neigung zu genauer anatomischer Kenntniß der pathologischen Veränderungen jüngere Forscher heranzuziehen, und ein schöneres Denkmal kann ihm wohl nicht gesetzt werden als durch folgende Worte Virchow’s: „Schon im Anfange des Jahres 1846 wurden Reinhardt und ich zu den Sitzungen der Gesellschaft herangezogen und die Ergebnisse der neueren Forschung wurden schnell in den Kreis ihrer Debatte gebracht. Das überaus rege Interesse, welches M. persönlich an unseren Untersuchungen nahm, übte bald einen bestimmenden Einfluß auf den Gang derselben, und wenn ein großer Theil meiner damaligen Arbeit die physiologischen und pathologischen Verhältnisse der Gravidität und des Puerperiums, sowie der Neugeborenen betraf, so erklärt sich dies aus der Theilnahme und Anregung der geburtshülflichen Gesellschaft.“ Was seine litterarischen Arbeiten betrifft, so sind dieselben nicht sehr zahlreich. Nach seiner Inauguraldissertation publicirte er zuerst 1834 in der Berliner medicinischen Zeitung Nr. 3 und 13 zwei Artikel, deren erster die erfolgreiche Exstirpation einer fungösen Vaginalportion, der andere wieder die Scheerenabtragung von Polypen betraf. Außer der Geschichte des Blumenkohlgewächses, welches er zuerst in Deutschland genauer kennen lehrte (Verhandlungen d. Ges. f. Gebh. IV. Jahrg., Berlin 1851, S. 111–152 ff.), beschäftigte ihn besonders die Natur und Behandlung der Flexionen des Uterus (Verh. d. Ges. f. Gebh. Bd. IV. S. 198–211), ferner „Beiträge zur Behandlung des Prolapsus uteri et vaginae“ (l. c. Bd. III, S. 125–151). In Folge eines auf der Naturforscherversammlung in Königsberg mit großem Beifalle aufgenommenen Vortrages publicirte er 1861 ein erstes Heft klinischer Mittheilungen aus dem Gebiete der Gynäkologie mit trefflichen von ihm selbst verfertigten farbigen Abbildungen über die pathologischen Veränderungen der Portio vaginalis. Leider ist diesem vortrefflichen ersten Hefte kein zweites gefolgt, weil vielerlei körperliche Unglücksfälle, unter anderen im Jahre 1864 ein Rippenbruch und schwere Fußverletzungen ihn lange Zeit ans Bett fesselten. Diesen Verletzungen folgten zuerst eine Hämorrhagie in die Retina, später Anfälle urämischen Charakters, welchen er am 12. Febr. 1868 erlag.

[124] R. Virchow, Gedächtnißrede auf Karl Mayer, gehalten am 25. Juni 1868, in Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin. Jubiläumsheft, Berlin, Hirschwald 1869. Berliner Nationalzeitung vom 5. Juli 1868, erstes Beiblatt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Christoph Knape (1747–1831), Professor der Arzneikunde an der Berliner Universität