Verschiedene: Die Gartenlaube (1858) | |
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No. 1. | 1858. |
„Verzeihung, Arthur? Diese hast Du schwerlich nöthig,“ sagte die Dame mit kaltem Lächeln; „Du warst mündig und durftest wählen, wie es Dir beliebte, und wenn Deine Wahl meine Hoffnungen getäuscht und meine Absichten durchkreuzt hat, so ist das doch wohl kaum so wichtig, um dafür Verzeihung oder – wenn Du willst – meine Anerkennung nachzusuchen; diese habe ich Dir bereits gewährt.“
„Ich wünschte, Sie sagten dies mit mehr Herzlichkeit, Mutter,“ erwiderte Arthur ernst; „trotz der Freundlichkeit Ihrer Worte fühlt mein Herz frostig und schwer.“
„Beruhigen Sie Ihren Gatten, da die Worte seiner Mutter keine Macht über ihn haben,“ sagte die Mutter, noch immer mit demselben sonderbaren harten Lächeln, während sie sich zu einer hübschen jungen Frau wendete, welche furchtsam im Hintergrunde des Gemaches stand, und deren Hand sie ceremoniös erfaßte.
„Es ist seine Liebe zu Ihnen, die ihn so zweifelhaft macht,“ stammelte die schöne Gattin, indem sie einen sanft klagenden Blick auf ihren Gemahl warf.
„Ich forderte Sie auf, die Sache zu Ende zu bringen, nicht, mir die Ursache davon zu erklären,“ erwiderte die Dame. „Ich fürchte, Sie sind eben nicht von sonderlicher Fassungskraft. Sie kommen leicht in Verlegenheit und bedürfen der Selbstbeherrschung, sehe ich; auch erröthen Sie und Ihre Contur verliert an Grazie, während sie ungeschickte Anstrengungen machen, Entschuldigungen zu stammeln. Da wird gar Vieles zu verbessern sein, bevor Sie für das Gesellschaftszimmer meiner Freunde und Ihres Gatten Gesellschaft tauglich sein werden.“
Sie lachte. Es war ein gemeines, erzwungenes, hochmüthiges Lachen, welches der armen jungen Gattin Bangigkeit vollständig machte. Sich zu ihrem Gemahl flüchtend, stürzte sie in seine Arme und begrub ihr Antlitz in seinen Busen. „Ach, Arthur,“ sagte sie traurig, „bringe mich fort von hier, bring’ mich fort!“ und brach dann in Thränen aus.
Madame Alster ergriff ruhig die Klingel und schellte. „Ein Glas Wasser, Johann!“ rief sie dem eintretenden Diener entgegen. „Sage dem Kammermädchen, sie solle Dir die Phiole mit flüchtigem Salze geben. Die junge Dame ist hysterisch.“
Der Ton und die Manier, mit welchen die Dame diese Worte sagte, zeigten von unbeschreiblicher Verachtung. Aber eben diese befreite die junge Frau von ihrer Schwäche rascher, als Wasser oder flüchtige Salze vermocht hätten. Auch fühlte sie, daß Arthur’s Herz unter ihrer Hand schlug, und es war ihr, als ob er mit ihr nicht recht zufrieden sei, obwohl er sie umfaßt hielt und freundlich an sich drückte, wie wenn er in stummer Weise sie seiner Zärtlichkeit und seines Schutzes versichern wollte. Das arme Kind fürchtete wirklich, sie habe sich thöricht benommen und verdiene sein Mißfallen.
„O, es ist nichts!“ rief sie, indem sie zu lachen versuchte und ihre glänzenden braunen Locken schüttelte, welche in Unordnung über ihr Gesicht gefallen waren. „Ich bin ganz wohl jetzt – es ist nichts – es thut mir sehr leid –“ fügte sie hinzu, während sich ein leiser Seufzer über ihre Lippen stahl.
„Sind Sie oft hysterischen Anfällen ausgesetzt?“ fragte Madame Alster, während ihre graublauen Augen finster auf ihr ruhten. „Das muß Ihnen sehr unbequem sein, sollte ich meinen; auch dürfte sich so etwas schwerlich für Arthur’s Gemahlin schicken. Trage das Glas Wasser und die Phiole wieder fort, Johann,“ fuhr sie zu dem Diener fort, der auf einem silbernen Teller die genannten Sachen herbeibrachte. „Doch nein, laß sie hier. Sie könnte wieder einen Anfall bekommen.“
„Ich versichere Sie,“ rief Arthur, „ich sah meine Frau noch nie so nervös. Gewöhnlich ist sie ebenso stark als heiter. Niemals sah ich sie so zittern.“
„Wirklich? Wie unglücklich, daß sie mich, und sogar schon bei unserer ersten Zusammenkunft, für die Schaustellung einer Schwäche ausgewählt hat, die, wie ich glaube, von gewissen Leuten interessant genannt wird, in meinem Auge aber kindisch ist, ja sogar als temporärer Wahnsinn erscheint. Kommen Sie,“ fügte sie hinzu, während sie sich es in einem Sessel bequem machte und mit etwas weniger erbarmungsloser Ueberlegung redete, „wir haben nun die erste Zusammenkunft überstanden, bei welcher Ihr wahrscheinlich, da Ihr gewissermaßen die Delinquenten waret, mehr gelitten habt, als ich. So wisset denn, daß ich sehr wohl all’ die persönliche Mißachtung überschaue, die in Eurer geheimen Heirath gelegen hat. Mich durchzucken noch, Arthur! der verwundete Stolz und alle die Täuschungen, denen mich Deine Heirath unter Deiner Stellung ausgesetzt hat. Ich bin eine Frau von schlichten Worten, Bernhardine. So ist ja wohl Ihr Name, nicht? War mir doch, als wären Sie zusammengefahren, und hätten erstaunt aufgeblickt, als ich Sie so nannte. Doch das thut nichts. Ich lade Euch Beide ein, mit mir so lange auf Distelfeld zu leben, als es Euch gefallen wird. Lassen wir nun diesen Gegenstand fallen. Das Kammermädchen wird Sie, meine junge Dame, in Ihr Zimmer weisen, sobald Sie zweimal die Glocke ziehen, und ich darf wohl sagen, mit der Zeit werden wir erträglich gut bekannt werden.“
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