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Seite:Die Gartenlaube (1858) 109.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

aber mag darin liegen, daß die Leute dem Feuer an die Hand gehen. „Anzünden,“ „Brandstiften“ nennt man’s im prosaischen Leben. Woher käme es denn sonst, daß es um den ersten Mai, den großen Movingstag, d. h. den Tag, wo allgemeiner Wohnungsumzug stattfindet, den Tag, an den man allein einen Miether zwingen kann, ein Haus zu verlassen, – woher käme es, daß um diese Zeit keine Stunde vergeht, wo nicht die Glocken ein oder zwei Male Allarm schlagen? Die Leute finden es bequemer, ihre alten Möbels verbrennen zu lassen, als sie in’s neue Quartier zu schleppen; die Feuerversicherungsgesellschaften mögen den „Stoff“ zu neuen Möbeln liefern. Bei Kaufleuten, die halb banquerott, aber gut versichert sind, brennt's auch nicht selten, und noch öfter bei Fabrikanten, deren Fabrikate keinen Abgang finden wollen. Doch – mögen die Feuersbrünste kommen, woher sie wollen; Thatsache ist, daß sie da sind.

Wie nun, wenn die Crotonwasserleitung nicht da wäre? – Erinnerst Du Dich noch, lieber Leser, des großen Brandes in Newyork von 1835? Oder erinnerst Du Dich des großen Brandes von Hamburg? Alle Jahre hätte man von Newyork ein gleiches Unglück zu berichten, wenn die Wasserleitung nicht wäre! Denn außerordentlich groß ist das Brennmaterial, das in den großen Waarenhäusern angehäuft ist; so leicht sind die Häuser gebaut und so strohhalmmäßig die Zwischenwände in den Wohnungen, daß, wenn einmal zwei Häuser brennten, ein einziges Viertel unrettbar verloren wäre, besonders da es selten windstill ist in dem seeumgürteten Newyork. Aber, laß es nur getrost brennen; beim ersten Allarm stürzen die Feuermannschaften herbei, die einen mit den Spritzen, die andern mit den Leitern und Schläuchen. In zwei Minuten sind die Crotonwasserröhren geöffnet und die Schläuche angeschraubt. In zehn Minuten arbeiten schon sechs Feuerspritzen und ein halbes Hundert verwegener Feuermänner steht oben auf dem brennenden Hause und läßt die Schläuche mitten in’s Feuer hineinspielen. Laß es nur brennen, laß es nur knistern und krachen, das Feuer wird nicht Meister; es kann nicht Meister werden, denn eine Wassermasse wird über das brennende Haus ausgegossen, daß Du glaubst, das Weltmeer entleere sich. Es ist kein Löschen, es ist ein „Unterwassersetzen.“ – In einigen Stunden ist Alles vorüber; in den Straßen, die zum Brandplatz führen, steht das Wasser oft einen Fuß hoch; so stark war die Wasserverschwendung. Die nächsten Häuser sind oft von oben bis unten wie in Wasser getaucht; aber – der Brand ist meist gelöscht, ehe noch ein zweites Haus Feuer fangen konnte.

Weißt Du nun, warum man trotz allen Feuerlärms so ruhig schläft in Newyork?

Weißt Du nun, warum, wenn eben eine Auction im ersten Stock ist und es im vierten brennt, die Auction ruhig ihren Gang fortgeht, als ob nichts Ungewöhnliches passirte?

Solcher Art sind die Wirkungen der großen Newyorker Wasserleitung. Und wenn die hohen Herren daselbst etwas weniger praktisch und sparsam wären, so könnten sie mit dem Nützlichen auch das Schöne verbinden. – Oder böte nicht diese unendliche Wasserkraft, die nicht einmal eines künstlichen Druckes bedarf, um in die höchsten Häuser hinaufgeleitet zu werden, sondern deren natürlicher Druck durch die Höhe der Reservoirs über der Stadt all’ diese Wunder bewirkt, böte nicht diese Kraft die Mittel zu den herrlichsten Fontainen und Springbrunnen? Könnte nicht jeder öffentliche Platz, jeder Park mit solch’ einem Wasserwerke geziert werden? Aber solche Spielwerke mögen wohl schön sein und das Auge bezaubern, doch – „sie tragen nichts ein,“ denkt der Newyorker. Deswegen haben die Reichen in ihren Palästen in der fünften Avenue zwar hier und da einen kleinen Springbrunnen, aber so dünn und schwach, daß man meint, es sei ein Kindlein, das erst wachsen müsse. Und die Stadt, die jährlich zehn Millionen, wenn nicht verschwendet, doch ausgibt, hat eine Fontaine vor Cityhall und diese läßt ihre Wasser blos dann und wann, bei festlichen Gelegenheiten, springen.

„Sparen muß man,“ sagt der Newyorker.

Etwas Unangenehmes hat das Newyorker Trinkwasser. Im Winter ist’s gar kalt und im Sommer zu warm. So kalt ist’s im Winter, daß man Vorsichtsmaßregeln ergreifen muß, damit die Röhren in den Häusern nicht einfrieren; am besten ist’s, man läßt das Wasser immer ein klein wenig laufen, wenn auch nur so dick wie ein Strohhalm, dann gefriert’s nie. So warm aber ist’s im Sommer, daß vom „Purtrinken“ des Wassers keine Rede ist. Es würde Dir übel machen. Eis muß darunter und, damit das Eis nicht schade, ein klein wenig Brandy, d. i. Franzbranntwein. Für den Deutschen thut’s statt Brandy auch Wein.

Th. Gr.




Rosa Heisterberg.
Vom Verfasser der „neuen deutschen Zeitbilder.“
(Fortsetzung.)

„Ich mußte mich damit begnügen, die Heisterberg zu fragen, ob sie heute Abend während meiner Abwesenheit in meiner Wohnung gewesen sei.

„Sie antwortete ruhig:

„Nein. Seitdem ich Sie verließ, habe ich keinen Schritt wieder in Ihre Wohnung gesetzt.“

„Und wo waren Sie diesen Nachmittag, Fräulein, und den Abend?“

„Sie verwunderte sich mehr.

„Darf ich bitten, gnädige Frau, wozu diese Frage?“

„Beantworten Sie sie mir.“

„Wohl denn. Um drei Uhr verließ ich Sie. Ich kehrte unmittelbar hierher in meine Wohnung zurück. Ich habe diese Stube seitdem nicht wieder verlassen.“

„Bis jetzt nicht?“

„Bis jetzt nicht. Aber nun muß ich in der That bitten, daß Sie die Güte haben, mir mitzutheilen, was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft, mich aber auch zum Gegenstande eines so sonderbaren Inquirirens macht?“

„Diese Ruhe, dieser halbe Spott, der Gedanke, daß sie doch die Diebin sei, das Alles regte mich wohl mehr auf, als es hätte der Fall sein sollen.

„Soll ich es Ihnen sagen,“ rief ich heftig, „was mich so spät noch hierher führt? Man hat mich in meiner Abwesenheit bestohlen, und Sie – und auf Sie ist mein Verdacht gefallen.

„Ah, Sie wollen mich zu einer Diebin machen!“

„Sie sprach die Worte mit einer so stolzen Entrüstung, als wenn sie eine Fürstin wäre. Aber sie sollte sehr bald keinen so hohen Ton mehr anstimmen. Ihre Frechheit hatte mich empört.

„Wir werden sehen, Mademoiselle,“ sagte ich. „Sie wollen den ganzen Abend Ihre Stube nicht verlassen haben? Sollte Niemand im Hause wissen, daß Sie doch fort waren?“

„Ich riß die Thür ihrer Stube auf.

„Jungfer,“ rief ich in den Gang hinein, nach irgend einem weiblichen Dienstboten. Ein Mädchen erschien.

„Seit wann ist das Fräulein wieder zu Hause?“

„Seit etwa einer Viertelstunde,“ antwortete das Mädchen.

„Ah, Mademoiselle, wir haben jetzt halb neun Uhr: seit sechs Uhr war der Februarabend dunkel genug, daß Jedermann ihn für einen Abend halten konnte. Und Sie wollen den ganzen Abend zu Hause gewesen sein?“

„Noch einmal wollte die unverschämte Person ihren Trotz zeigen.

„Madame,“ rief sie, „wer gibt Ihnen ein Recht, mich so in meiner Wohnung zu überfallen und mich zu insultiren?“

„Aber der Polizeicommissarius war unterdeß herbeigekommen. Er hatte bei den andern Bewohnern, freilich vergeblich, Erkundigungen eingezogen.

„Mademoiselle,“ sagte ich zu der Diebin, „ich habe mit Ihnen nichts mehr zu schaffen, dieser Herr wird das Weitere mit Ihnen ausmachen. Herr Polizeicommissarius, die Mamsell will den ganzen Abend ihre Stube nicht verlassen haben; dieses Mädchen versichert, daß sie kaum vor einer Viertelstunde nach Hause gekommen sei. Das Uebrige ist Ihnen bekannt. Was Ihre Pflicht unter diesen Umständen von Ihnen fordert, müssen Sie wissen.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_109.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2018)