Verschiedene: Die Gartenlaube (1858) | |
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Wird sich der Feuerschwamm in der Gunst der Manner behaupten? Fast möchte dem Wanderer, der den thüringer Gebirgsort Neustadt am Rennsteige besucht, bange werden um die zahlreichen Familien in den armseligen Schindelhäusern, die seit den Zeiten der Urväter vom Schwammgewerbe leben, und deren Familienväter auf den thüringer Jahrmärkten so schwermüthig die braunen Lappen, die sie auf der Schulter hängen haben, feil bieten. Hat sich doch schon fast die Hälfte der Einwohnerschaft jenes Ortes zur Phosphorstreichholz-Manufactur wenden müssen; ist doch seit wenigen Jahren der Preis des Pfundes Schwamm von 32 auf 30 bis 28 Kreuzer gesunken!
Aber nur getrost! „Schwamm bleibt Schwamm!“ sagt der Raucher, der im Freien bei Wind und Regen seinen Nasenwärmer anzünden muß, der Holzhauer, Förster, Bauer und Landarzt; „die Stubenraucher mögen die neue Mode annehmen, wir bleiben der altväterlichen Sitte treu. Es macht ein wenig mehr Mühe, dem Feuerstahle Funken zu entlocken; aber ein ohne alle Mühe zu erreichendes Vergnügen ist gar kein rechter Genuß. Und dann der Duft, das süße Arom des brennenden Zunders gegen den infernalischen Gestank des Zündhölzchens!“
„Vater,“ sagte ein thüringer Knabe zum Alten, der seinen Ulmer in Brand steckte, „Vater, wenn ich nur ein Fürst wäre!“
„Warum?“
„Daß ich den ganzen Tag Schwamm rauchen könnte!“
„O Kindermund, o Kindermund, unbewußter Weisheit voll!“ singt Rückert mit Recht. Wie oft ist der Duft des Zunders lieblicher, als der des Rauchwerks selber!
Nein, der Schwamm wird nicht außer Gebrauch kommen. Für die Raucher, denen im Zeitalter der Eisenbahnen das alte Feuerzeug aus Stein und Stahl nicht geschwind genug Dienste leistet, lieferte Miram in Bettenhausen bei Cassel u. A. sichern trefflichen Streichschwamm, mit dem man für zwei Kreuzer hundert Cigarren anzünden kann bei Ersparung von zehn Minuten Zeit, und Zeit ist Geld.
Aber die hauptsächlichen Gönner und Erhalter des Feuerschwammes werden die gemüthlichen Conservativen abgeben, denen ein behagliches Leben lieber ist, als Zeit und Geld zugleich; vor Allen die Maurer, die da wissen, daß nur ein mit Aufopferung von Zeit und Mühe erkauftes Vergnügen wahren Genuß schafft.
Der witzige Schauspieler Devrient sah einst, als er mit seinen Freunden in einer Berliner Weinstube saß, einen Maurer auf dem Gerüste die Pfeife laden.
„Was gilt es,“ rief der alte Menschenkenner, „ich trinke eher meine Flasche durch mein Pfeifenröhrchen aus, ehe der da drüben den ersten Zug Rauch trinkt?“
Die Wette wurde eingegangen. Sowie die Pfeife gestopft war, ließ Devrient den Stöpsel knallen, schenkte ein und brach sein holländisches Pfeifchen entzwei. Der Maurer holte das Feuerzeug aus der Tasche und führte so resignirt, als wüßte er, daß kein Baum auf den ersten Hieb fällt, den ersten Schlag aus. Der Schauspieler beginnt in aller Ruhe seinen Champagner zu schlürfen, sowie die Südamerikaner ihren Maté saugen. Ein Glas ist leer.
„Ich brauche mich nicht zu übereilen,“ scherzt Devrient, „das Stück hat wenigstens fünf Acte!“
Ein zweiter Streich entlockt dem Stahle einige Funken, der Maurer schüttelt verwundert den Kopf und sieht sich stumm ringsum, um auszuruhen, Devrient aber schenkt sich lachend das dritte Glas ein. Da dreht der Maurer den Stein um, die Wettenden blicken mit beklommenem Athem bald den Maurer, bald den Schauspieler an, aber der Trinker bleibt kaltblütig. Jetzt regnet es Funken.
„Ja, ich müßte den Maurerschwamm nicht kennen!“ sagt Devrient und schenkt wieder ein.
Neuer Streich, frisches Glas; und so geht es fort, bis der Trinker lachend die Nagelprobe macht. Da endlich legt der Maurer höchst selbstvergnügt das Zündkraut auf seine Pfeife und bläst den süßen Schwammduft durch die Nase.
„Nun soll er aber auch die gewonnene Flasche haben!“ ruft der gutmüthige Schauspieler.
Wenn die thüringer Volksweisheit Recht hat, thun die Maurer in der That wohl, ihrem alten Brauche treu zu bleiben. Die Arbeit fördert freilich nicht sehr dabei; aber Bauleute, die echten Maurerschwamm führen, übereilen und verpfuschen auch nichts, wie die neumodischen Accordarbeiter. In großen Städten, selbst in solchen, wo Bauschulen blühen, sind nicht wenige eben errichtete Häuser zusammengestürzt; so etwas kommt in Thüringen nie vor. Das macht, die großstädtischen Maurer haben das unselige Fixfeuerzeug eingeführt, und dabei ist kein Segen. Wer aber Maurer hat, die echten Maurerschwamm führen, der hat wohlgebaut!
Wenn in Deutschland ein Handwerksbursche reist, so weiß er, wo er einzukehren und zu übernachten hat, in der Herberge nämlich; wenn ein ehrlicher Bürgersmann sich über Feld macht, und fremder Herren Länder besucht, so geht er, falls er sich müde gelaufen und ein gutes Bett sucht, in ein Gasthaus, sei es nun das Gasthaus zum schwarzen Mohren oder zum rothen Ochsen; ist’s ein Student oder ein Weinreisender, oder Einer, der in Leder macht, oder sonst einer der auf der ersten Stufe der Bildung Stehenden, so wird ein Gasthof aufgesucht, denn wenn auch die Herberge vielleicht dem Inhalt des Geldbeutels mehr entspräche, so ist doch nur der Gasthof dem Range entsprechend, den man in der Gesellschaft einnimmt; macht aber vollends ein Adeliger, oder ein Officier oder ein hoher Würdenträger oder sonst ein Mann, der auf Rang und ein eigenes Fuhrwerk Anspruch macht, eine Reise, so thut’s nicht einmal ein Gasthof, wenigstens keiner zweiten Ranges, sondern ein Hotel muß her und zwar ein Hotel de Russie oder d’Angleterre.
So ist im lieben Deutschland Alles recht hübsch eingetheilt, und es weiß ein Jeder, wo er hingehört, beinahe schon gleich nach seiner Geburt. Wie spanisch muß es ihm also vorkommen, wenn er in ein Land geräth, wo man von dieser wohllöblichen Ordnung nichts weiß, ja, wo man diese Ordnung ganz und gar umkehrt und auf den Kopf stellt! Da weiß man ja wahrhaftig gar nicht, wo man nur einkehren und sein müdes Haupt zur Ruhe niederlegen soll; denn wenn z. B. jedes Einkehrhaus „Hotel“ getauft ist, so kann einen das Schicksal bei Nacht und Nebel in ein Haus führen, wo man zwei Thaler für’s Uebernachten zahlen muß, während das ganze Vermögen in dreißig Kreuzern besteht! Und doch ist’s so, in Newyork wenigstens, denn dort heißt jedes Wirthshaus, in dem man Nachtherberge finden kann, „Hotel“!
Aber lieber Himmel! Welcher Unterschied zwischen Hotel und Hotel! Da stehst Du vor einem. Es führt den stolzen Titel: „European Hotel“, „Europäischer Hof.“ Du siehst Dir’s an. Es kommt Dir accurat vor, wie eine erbärmliche Holzbaracke, die über’s Jahr von selbst einfällt. Du gehst hinein. Eine Wirthsstube voll Schmutz und Unrath, eine Wirthin mit ungemachtem Haar, ein Wirth mit betrunkener Nase empfangen Dich. Du verlangst ein Zimmer. Ein Zimmer? Es sind nur zwei Fremdenzimmer im ganzen Hause vorhanden! Man führt Dich die wankende Stiege hinauf; drei Betten stehen in jedem Zimmer, drei große breite Betten, je für zwei, zur Noth drei Personen; Du kannst wählen, mußt Dir’s aber jedenfalls gefallen lassen, einen Schlafkameraden in’s Bett zu bekommen, der vielleicht vergißt, wenn er Nachts ankömmt, auch nur seine kothigen Schuhe auszuziehen; Du deckst den Teppich auf, unter dem Du die Nacht zubringen sollst (denn ein amerikanisches Bett, wie man sie in solchen Gasthäusern hat, besteht aus nichts, als aus einer Grasmatratze, einem Graskopfkissen, einem Teppich und einem Leintuch), um zu sehen, ob das Leintuch reinlich sei, aber schnell wendest Du Dich ab, damit es Dir nicht übel werde, denn das Linnen ist von unzähligen Wanzenmalen gesprenkelt. Das ist das European Hotel, und Du darfst darauf schwören, daß es ein Irländer ist, der es hält.
Da stehst Du vor einem andern Hotel. Es führt keinen so stolzen Titel, wie das vorige; es heißt nur „Sanct-Nicolashotel.“ Aber es steht im Broadway; es ist fünf Stockwerke hoch und zweihundertfunfzig Fuß lang; es ist ganz aus Marmor gebaut und die
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_193.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)