Verschiedene: Die Gartenlaube (1858) | |
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Eine große Anzahl von Handwerken hat es sich gefallen lassen müssen, daß die Fabrik ihnen einen bedeutenden Theil Beschäftigung früherer Zeit aus der Hand nahm. Sollte das ehrbare Gewerk der Bäcker allein einer Ausnahme von diesem Schicksale sich erfreuen? Viele glauben es, nicht allein weil die Bäcker in den meisten Städten eine mit vielen alten Rechten ausgestattete Innung haben, die sich gegen Angriffe zu wehren weiß, sondern viel mehr noch, weil die Bäcker nur für das örtliche Bedürfniß arbeiten, mit ihren Kunden zum Theil in sehr innigen Borgverhältnissen stehen, allerlei wichtige Gewerbsvortheile von Alters her besitzen und – Niemand gern altbacken Brod ißt. Trotz dieser Gründe oder vielleicht auch gerade wegen derselben sind die armen Bäcker von jeher manchen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, was sich daraus erklärt, daß es sich bei den Leuten um das tägliche Brod handelt. In Paris mußte der Kaiser die Bäcker dadurch schützen, daß er der Stadt befahl, ihnen Geldzuschüsse zu geben, damit sie das Brod wohlfeiler verkaufen konnten, als sie es sonst vermocht hätten. In Constantinopel nagelte man sie gelegentlich mit den Ohren auf die Brodbank. Die deutsche Backgerechtigkeit ist freilich ganz anderer Art! Gegen diese zieht die Wissenschaft und die neuere Technik zu Felde, indem sie das alte Teigbereitungs- und Backverfahren einer Kritik unterwerfen, wie es unter anderem in unserer Gartenl. Nr. 4. u. 5., 1856, in einem vortrefflichen Artikel von Herrn Dr. H. Hirzel geschah. Es war unter Anderem in demselben gesagt, daß die Bäcker sich Knetmaschinen und bessere Oefen anschaffen sollten, welche letzteren gerade noch so geartet seien, als zur Zeit, da Pompeji vor 2000 Jahren blühte. Weil es aber klar auf der Hand liegt, daß sich der einzelne kleine Bäcker weder schwer zu bewegende Knetmaschinen, noch theure, viel liefernde Backöfen anzuschaffen vermag, so wird vorgeschlagen, Gemeindebäckereien anzulegen. Dieser Vorschlag läßt sich hören. Man hat ihn auch schon an manchen Orten vernommen und hier und da, namentlich in Dörfern, befinden sich zum Mindesten doch Gemeindebacköfen, worin man viel Heizmaterial spart. Aber in Städten sind die Bäckerinnungen noch nirgends auf den Gedanken gekommen, eine genaue und gewissenhafte Prüfung der Frage anzustellen: ob es ausführbar sei, sich genossenschaftlich zu vereinigen und gemeinschaftliche Backhäuser zu erbauen, um ihren Teig in Knetmaschinen zu bearbeiten – wie früher die Tuchmacher ihre Tuche in genossenschaftlichen Walkmühlen bereiteten – und ihr Brod in Tag und Nacht beheizten Oefen zu backen?
Wir werfen diese Fragen nur so hin, vollbewußt der sich entgegenstellenden Schwierigkeiten und namentlich des dagegen geltend zu machenden Umstandes, daß der Bäcker in seinem sich allmählich abkühlenden Ofen verschiedenartiges Gebäck, wie er es eben braucht, fertig macht und er doch nicht ohne Backofen in seiner Wirkstube sein könne, wohl eingedenk der Betrachtung, daß, da der Bäcker einmal Gesellen braucht, sie eben auch zuweilen ihre Arme zum Kneten gebrauchen mögen. Mit der zuweilen scharf in’s Licht gestellten Unreinlichkeit, dem Schweiße u. s. w. ist es in der That auch so arg nicht. Und man wird sehr billig gegen die Bäcker denken lernen, wenn man den Blick zuvor in seine Küchen wirft. Reinlichkeit ist übrigens erste Gewerkspflicht des Bäckers. Der Geselle hütet sich auch – und das ist ihm nicht zu verdenken – so schwer zu arbeiten, daß er in Schweiß geräth. Aechzen und stöhnen mag er wohl manchmal – weswegen ihn der Franzose auch „geindre“ nennt, aber offen gesprochen, wir glauben, daß Bäckerschweiß, ausgenommen vor’m Ofen, eben so theuer, als Maurerschweiß ist.
„So muß denn doch die Fabrik dran!“ so ungern wir auch die Vorzüge der Arbeit im Großen – wenn ihr mit allen Vortheilen, wie sie die fortgeschrittene technische Chemie und Mechanik nur immer zu bieten vermögen, beigesprungen wird – dem großen Capital und den gegen das Wohl und Wehe der Arbeiter gleichgültigen Zinsleistenschneidern der Actiengesellschaft überlassen und so gern wir sie vielmehr der Genossenschaft der „Innung der Arbeitenden“ zugewiesen wissen möchten.
Wir glauben nicht, daß die Innung der Fabrik wieder Herr werden wird, wenn sie ihr einmal die Zeit zur Kräftigung gelassen hat. Möglich, daß das Feingebäck und der Kuchen nicht in den Sprengel der Fabrik fallen wird – aber mit dem täglichen Brode wird’s nach und nach bedenklich aussehen. Der Dampf ist auch hier wieder wie sonst so oft der Treiber. Er knetet mit tausend Gesellenarmen wie zum Spiel, heizt und schiebt und übernimmt endlich auch noch den Versand, so daß wir, wenn’s sonst nöthig wäre, hier in Leipzig frisches Brod aus Hamburg oder Prag essen könnten. Wir haben gewiß viele Brodbäcker unter unsern Lesern, die sich von einer Brodfabrik keine so recht klare Vorstellung machen können. Für sie und alle Brodessende wird daher die Schilderung der Vorgänge in einer Brodfabrik gewiß nicht ohne Unterhaltung sein. Mögen sie selbst sich die Vortheile oder Bedenklichkeiten bei einer solchen Brodbereitung im Großen vormalen; uns scheint es, als ob die immer zunehmend auftauchenden Unternehmungen für die Einträglichkeit derselben sprächen.
Nicht nur allein in Frankreich hat man die Erfahrung gemacht, daß die Brodfabriken das Brod besser und namentlich wohlfeiler verkaufen, als manche Bäcker, sondern auch in Deutschland, z. B. in Zwickau, wo nach Eröffnung des Geschäfts der Societäts-Bäckerei in Cainsdorf das Brod sofort billiger wurde. – Freilich geben, wie man vernimmt, einige Brodfabriken nicht die Rechnung, auf die man hoffte – indessen man muß Lehrgeld geben, so will es die Innung, so die Fabrik!
Eine wichtige Vorbedingung für die neuartige Broderzeugung
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_268.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)