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Seite:Die Gartenlaube (1858) 419.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

sei indessen bald ein besseres Schicksal geworden, da er noch als Gefangener die Erlaubniß erhalten habe, auf einem Regierungsdampfer auf der Wolga und später im caspischen Meere Dienste zu leisten. Auf diese Art habe er sich eine gute Zulage verdient, auch den Verhältnissen nach gar nicht schlecht gelebt.

An der entferntesten Stelle des caspischen Meeres stationirt, hatte der Gefangene erst mehrere Monate nach erfolgtem Friedensschlüsse seine Freiheit und die Erlaubniß zur Rückkehr erhalten. Als ein abgerissener Bettler wollte er auch nicht gern in der Heimath wieder erscheinen und da gute Seeleute in Rußland sehr selten und daher auch verhältnißmäßig gut bezahlt sind, so ließ er sich verleiten, noch ein Jahr in Odessa zu bleiben und als Steuermann auf einem Dampfschiffe zu fahren. Länger duldete es ihn aber nicht in der Fremde und gar die Besorgniß um das Schicksal seiner Eltern, die ihm auf alle seine – nicht angelangten – Briefe keine Antwort gegeben hatten, trieb ihn zur Rückkehr in das Vaterhaus. Gegen freie Ueberfahrt ließ er sich auf einem von Odessa nach England segelnden Kauffahrer als Matrose annehmen, hatte in London die rückständigen Gelder, die er noch aus seiner Dienstzeit auf der englischen Flotte zu fordern berechtigt war, eincassirt und war dann zu den lang entbehrten Eltern geeilt.

So lautete die Erzählung des wiedergefundenen Sohnes, die ich in aller Kürze hier mitgetheilt habe, da sich aus ihr so recht wieder ergibt, in welche verschiedenen Lebenslagen das Schicksal unsere norddeutschen Seeleute mitunter führt uns mit welcher tüchtigen Energie sie sich dann gewöhnlich zu benehmen pflegen. Der zurückgekehrte Sohn wollte übrigens die Wintermonate ruhig in der Heimath verbringen, zum Frühjahr aber wieder nach Odessa reisen, da er dort, wie er sagte, sichere Hoffnung habe, ein Kauffahrteischiff als Capitain führen zu können.

„Dann noch sechs bis acht Jahre umhergefahren, und hab’ ich nur etwas Glück, so verdiene ich mir in dieser Zeit so viel Geld, daß ich mir an dem Hause hier noch einen Anbau machen lassen und meine eigene Wirthschaft gründen kann. Für immer möchte ich nicht in Rußland bleiben und wenn ich alle Jahre auch eine ganze Tonne Gold verdienen könnte. Wo man als Junge gespielt hat, da lebt es sich doch als alter Mann auch am Besten,“ sagte er mit – trotz aller Wanderlust – echt deutschem Heimathsgefühl, da ich ihn um seine ferneren Pläne befragte. Alle anderen Brüder, die daneben standen, stimmten dieser Aeußerung mit bei, und der Aelteste von ihnen fügte noch hinzu:

„In der ganzen Welt bin ich in meinen jungen Jahren gewesen, habe viel Geld verdient und lustig gelebt, aber so schön, als es hier oben bei uns auf dem „Danst“ sich lebt, ist es doch nirgends. Und wenn sie auch anderwärts mich gar zum König machen wollten, ich ginge doch nicht wieder von hier mehr fort.“

So lautet aber fast durchgängig die Ansicht aller bejahrten Seeleute in diesen norddeutschen Stranddörfern.

Noch an dem Abende des Tages, an dem ich diese Familie besuchte, hatte ich so rechte Gelegenheit, die Handlungs- und Denkweise der Männer kennen zu lernen. Es war gerade ein Sonntag und so hatte der Alte seine Schwiegersöhne und die Brüder und Verwandten seiner Schwiegertöchter, die fast Alle in den nächsten Dörfern lebten, zu einem Familienfeste eingeladen, dadurch die Wiederkehr seines Sohnes gebührend zu feiern. Zwölf bis fünfzehn Seeleute und Fischer hatten in der eigentlichen Wohnstube Platz genommen, während ihre Frauen und Töchter in einem geräumigen Nebenzimmer eine Kaffeegesellschaft abhielten. Riesige Kaffeekannen von feinem Porzellan, deren Inhalt wahrhaft unerschöpflich zu sein schien, standen auf dem mit einer sehr feinen Decke belegten Tische, wo außerdem eine silberne Zuckerdose und schwere Silberlöffel glänzten.

In der Männerstube konnte man bald vor den dichten Tabakswolken die Ausschmückung nicht mehr erkennen. Feine Havanna-Cigarren, die einer der Anwesenden direct aus Westindien mitgebracht hatte, wurden von den jüngeren Männern in Menge geraucht, während ein halbes Dutzend der älteren ihren holländischen Thonpfeifen, mit zierlich geschnittenem Knaster gestopft, treu blieben. Das viele Rauchen erzeugte starken Durst und die großen Punschbowlen mit einem so trefflichen Punsch, wie man ihn im deutschen Binnenlande nur äußerst selten finden wird, mußten wiederholt gefüllt werden. Holländischer Käse, russischer Caviar und spanische Sardellen standen nebst Heringen und geräucherten Seeschollen auf dem Tische und wurden in Menge verzehrt, um den Durst noch mehr zu reizen. Welche wirklich ungeheuere Portion des starken Punsches konnten aber auch manche dieser alten Seebären vertragen, ohne daß man ihnen die allermindeste Spur irgend einer Trunkenheit anmerkte!

Neben mir zur Linken saß ein recht verwetterter Steuermann eines „Grönland-Fahrers“, der seit achtzehn Jahren jeden Frühling und Sommer im nördlichen Eismeere mit dem Wallfisch- und Robbenfange beschäftigt war und im Herbste dann regelmäßig noch eine Fahrt nach Petersburg machte, bis er zur Winterrast nach Hause ging. Fünfzehn große Viertelgläser mit Punsch sah ich selbst den Alten trinken und doch war äußerlich nicht die mindeste Spur irgend einer Veränderung bei ihm bemerklich. Nur die Nase ward nach und nach röther und die kleinen Augen zwinkerten nach jedem neuen Glase noch lebendiger, im Uebrigen blieb er sich stets völlig gleich.

Eine Freude war es übrigens, dem ruhigen und verständigen Gespräche aller dieser erprobten Seemänner zuzuhören, besonders als erst der genossene Punsch ihre oft etwas schweigsamen Zungen lebendiger machte. Nur Alter und Erfahrung berechtigten hier zum Sprechen, die Jugend mußte bescheiden schweigen, bis sie gefragt wurde. Um Vorfälle aus dem Seeleben drehte sich beinahe ausschließlich das Gespräch Aller, aber fast durchgängig waren die Ansichten so vernünftig und wohlgegründet, daß man Vieles, sehr Vieles daraus lernen konnte.

Die mitternächtliche Stunde hatte schon lange geschlagen, da trennte sich erst die frohe Gesellschaft, um den Rückweg anzutreten, und auch ich bestieg im nächsten Dorfe den Leiterwagen, der mich aus der Stadt in diese abgelegene und doch so heimische Gegend geführt hatte. So oft ich auch an dieser deutschen Ostseeküste weilte, immer schied ich mit wohlthuenden Eindrücken von dort und lernte den kernhaften Sinn ihrer Bewohner immer mehr schätzen. Nicht reiche Gaben spendete die Natur dieser Gegend, denn mühsam mußte des Menschen Fleiß ringen, um sich hier eine behagliche Heimath zu gründen. Dank sei es der festen Ausdauer, es gelang dies Streben vollkommen, und selbst in den üppigsten Gauen Deutschlands wohnt keine glücklichere und tüchtigere Bevölkerung, als hier oben am sandigen Dünen-Strande des baltischen Meeres.




Eine Reise im Apenninengebirge – – des Mondes.
Ein Beitrag zur Verbreitung naturgemäßer Ansichten von H. Wendel.
Zweiter Artikel.
Streifzüge im Apenninen-Gebirge selbst.
(Der Bergcomplex des Huygens und der erste Eindruck, den eine Mondlandschaft auf den Erdbewohner macht.)

Schon mit blosen Augen sieht man bei Vollmond große, dunkle Flecken in der Mondscheibe. Dies sind große Ebenen, die früher für Meere gehalten und deshalb auch so genannt wurden. Die hell glänzenden dagegen sind die Erhöhungen. (Man erinnere sich dessen, was ich in der Einleitung dieser Schilderung sagte, als ich damals auf die Abbildung der Mondscheibe verwies.) – Ziemlich in der Mitte der Scheibe, zwischen den beiden größten dunklen Flecken, ist die Gegend, wohin wir uns stellen. Es ist das Apenninen-Gebirge.

Wir wollen nun zunächst Platz nehmen auf einem Punkte, von dem aus wir uns am leichtesten orientiren können und der somit am schicklichsten der Ausgangspunkt unserer Mondreisen sein wird. Hierzu wählen wir einen hohen Bergrücken, der vom Astronomen Schröter den Namen des berühmten Mathematikers Huygens erhalten hat. Vergebens zwar suchen wir uns einen bequemen Sitz, vergebens die grünen Polster, die die Natur den Reisenden auf der Erde so freigebig gemeinhin gestattet und die Tausende von elastischen Stahlfedern haben – ich meine einen Rasensitz mit seinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_419.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)