Verschiedene: Die Gartenlaube (1858) | |
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möglich selbstständig zu werden und die Unterstützung seiner Eltern, von der er noch zum Theil lebte, entbehren zu können. Wurden auf diese Weise seine materiellen Ansprüche und Wünsche erfüllt, seine Zukuft gesichert, so versetzte ihn ein Brief von Goethe, den er in jener Zeit erhielt, in wahrhaftes Entzücken. Der deutsche Dichterfürst, ebenfalls ein Freund von Körner’s Vater, bekundete in seinem Schreiben die größte Anerkennung für das Talent des strebsamen Jünglings, dessen kleinere Lustspiele er mit Beifall auf der Weimarschen Bühne, die unter seiner Leitung stand, zur Aufführung gebracht hatte. Der Meister ließ es dabei nicht an trefflichen Rathschlägen für den hoffnungsvollen Schüler fehlen, den er zu sich einlud, um unter seinen Augen das Bildungswerk zu vollenden.
Mit dem Decrete seiner Anstellung als Hof-Theaterdichter und den ehrenvollen Zeilen Goethe’s eilte Theodor zu der Geliebten, um sie an seiner Freude Theil nehmen zu lassen. In Toni’s Nähe verschwanden ihm die Stunden wie Augenblicke, indem sich Beide mit jugendlicher Schwärmerei den lachenden Bildern der Zukunft überließen.
„In wenigen Monaten,“ sagte er, sie sanft umschlingend, „wirst Du mein geliebtes Weib. Dann bauen wir uns in dem freundlichen Döblingen ein trautes Nest, umgeben von duftenden Blumen und rankendem Weinlaub. Da will ich für Dich dichten und die schönsten Rollen schreiben. Du wirst meine Muse, meine Göttin sein.“
„Und ich werde für meinen Dichter sorgen und ihm das Leben so behaglich und angenehm machen, wie ich nur kann. Es soll Dir an nichts fehlen und selbst die „gebackenen Händel“, die Du so gern ißt, bereitet Dir Deine Muse, welche über die Kunst nicht das Kochen verlernt hat, mit eigener Hand.“
So scherzte das anmuthige Mädchen und machte den glücklichen Dichter noch glücklicher durch ihre sonnig helle Heiterkeit und kindliche Naivetät.
Als Körner nach längerem Verweilen in seine Wohnung zurückkehrte, fand er daselbst einen Adjutanten des Erzherzogs Karl von Oesterreich, des berühmtesten deutschen Feldherrn, der in seinen Kämpfen gegen Napoleon sich ewigen Ruhm erworben hatte. Der überraschte Dichter fragte den Officier nach der Ursache seines Besuches.
„Ich komme,“ sagte dieser, „im Auftrage des Erzherzogs, der Sie persönlich kennen zu lernen wünscht, nachdem er Ihr herrliches Gedicht auf die Schlacht von Aspern gelesen und Ihren Zriny gesehen. Seine kaiserliche Hoheit erwartet morgen um die zehnte Stunde Ihren Besuch, um Ihnen mündlich seine höchste Anerkennung auszusprechen.“
Mit einem achtungsvollen Gruße verabschiedete sich der Adjutant und ließ Theodor in seliger Verwirrung zurück. Der Held, den er am meisten verehrte, in dem er das Ideal eines deutschen Mannes erblickte, hatte an ihn gedacht und sich mit den Leistungen seiner Poesie beschäftigt. Jetzt sollte er den hohen Herrn auf dessen ausdrücklichen Wunsch von Angesicht zu Angesicht sehen, ihn kennen lernen und ihm gegenüber seine Bewunderung aussprechen dürfen. – Wie schlug sein Herz, von gewaltigen Empfindungen bewegt, als er die Treppen des erzherzoglichen Palastes emporstieg. Derselbe Adjutant, der ihn vorher aufgesucht, empfing ihn und führte ihn in das Audienzzimmer, wo er ihn bat, einige Augenblicke zu verweilen. Die ganze Umgebung zeichnete sich durch würdevolle Einfachheit aus, fern von jedem Luxus und dem gewöhnlichen Prunk der Großen. An den Wänden hingen einige Portraits von berühmten Feldherrn aus früherer Zeit, wie Prinz Eugen und Laudon. Auf dem Schreibtische lagen mehrere Bücher und Landkarten, in denen der Besitzer so eben studirt zu haben schien. Dies Alles deutete auf einen Fürsten hin, der die Vorzüge seiner hohen Geburt durch eigene Tugenden zu überstrahlen und nicht durch äußeren Glanz, sondern durch inneren Werth zu imponiren liebte. Während Theodor sich ähnlichen Betrachtungen mit jenem ehrfurchtsvollen Schauer überließ, den uns die Nähe jeder wahrhaft großen Natur einzuflößen pflegt, öffneten sich die hohen Flügelthüren. Durch das Geräusch aufmerksam gemacht, wandte er sich um. Vor ihm stand ein Mann im kräftigsten Lebensalter von mehr untersetzter als hoher Gestalt, die jedoch durch eine gewisse würdevolle und feste Haltung gehoben wurde. Sein längliches Gesicht trug die bekannten Züge des österreichischen Kaiserhauses, umflossen von einer unbewußten Majestät und geadelt durch den Ausdruck einer geistigen Ueberlegenheit, welche sich, mit angeborener Bescheidenheit gepaart, hinter die einfachsten Formen seines Benehmens und wohlthuenden Herzlichkeit verbarg.
Er war das Bild eines echten Deutschen, bei dem eine fast unscheinbare Schale den trefflichen Kern umgab. Er wollle mehr sein als scheinen.
Nur in seinen Blicken, die bis in die Tiefe der Seele drangen, verrieth sich das Genie. Seine Augen leuchteten bald im milden Glanze, bald in flammender Gluth. Das Wetterleuchten der Schlachten zuckte dann und wann in diesen blauen Sternen.
Der Erzherzog warf einen prüfenden Blick auf die jugendliche, anmuthige Gestalt des Dichters, der sich tief verneigte. Mit wohlwollendem Lächeln trat er auf ihn zu, seinen ehrfurchtsvollen Gruß erwidernd.
„Ich habe Sie rufen lassen,“ sagte er freundlich, „um Ihnen meinen Dank zu bekunden. Nicht dem Dichter allein, sondern vor Allem bin ich dem deutschen Manne diese Anerkennung für die Gesinnung schuldig, welche Sie in Ihrem herrlichen Liede „Auf dem Schlachtfelde von Aspern“ ausgesprochen haben.“
„Ihre kaiserliche Hoheit beschämen mich durch Ihre Güte. Ich fühle nun in diesem Augenblicke, daß mein Talent an der Größe meiner Aufgabe scheitern mußte. Das Wort des Sängers schwindet vor der That des Helden.“
„Sagen Sie lieber, vor den Thaten eines Volkes, das zu jedem Opfer stets sich bereitwillig gezeigt, wenn auch leider die von uns gestreute blutige Saat nicht immer die gewünschte Frucht getragen hat. Doch wir haben unsere Pflicht gethan, unsere Ehre gewahrt; das Uebrige liegt in Gottes Hand.“
Plötzlich brach der Erzherzog diese schmerzlichen Ergießungen ab, indem er sich bemühete, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben. Er lenkte die Unterhaltung auf das Gebiet der Literatur, deren neueste Erscheinungen und Fortschritte er mit überraschender Aufmerksamkeit verfolgt zu haben schien. Er sprach mit hoher Anerkennung von Goethe, mit Begeisterung von den Dramen Schiller’s, wobei er längere Zeit verweilte. Dann erging er sich mehr in allgemeinen Betrachtungen über den Beruf des wahren Dichters, indem er vor allen Dingen den nationalen Standpunkt hervorhob.
„Sie haben,“ bemerkte er, „mit Ihrem „Zriny“ einen höchst glücklichen Wurf gethan, weil die Wahl des Stoffes Ihnen die reichsten Anknüpfungspunkte an die Gegenwart bot, und die in Aller Herzen lebenden Sympathien dafür erweckte. Ich bin nicht der jetzt allgemein verbeiteten und selbst von den geistreichsten Männern vertheidigten Ansicht, daß die Kunst nur um ihrer selbst willen da sei. Sie darf sich nicht selbstgefällig isoliren, und über die schöne Form den Inhalt und ihre Beziehungen zu dem Leben und seinen Ansprüchen aufgeben. Wenn sie wirken und Segen bringen soll, so muß sie im Vaterlande und im Volke Wurzeln haben. Sonst bekommen wir eine Kunst- oder Stubenpoesie, die, auf die sogenannten Gebildeten berechnet, dem eigentlichen Volke ewig fremd und ungenießbar bleibt. Gerade in einer Zeit, wie die gegenwärtige, darf sich der Dichter nicht abschließen, er hat die schöne Aufgabe, die Liebe zum Vaterlande zu erwecken, den gesunkenen Muth zu erheben –“
„Und wenn der Augenbllck kommt,“ fiel Körner mit jugendlicher Schwärmerei ein, „die Leyer mit dem Schwerte zu vertauschen und mit seinem Tode die Wahrheit seiner Lieder zu besiegeln.“
„Von Ihnen glaube ich,“ entgegnete der Erzherzog, „daß Sie nicht bloße Phrasen bringen. Ich traue Ihnen zu, daß Sie eben so rasch zu dem Schwerte greifen werden, wie zu der sanften Cither, wenn das Vaterland Sie ruft.“
„O, daß die Zeit schon da wäre!“
„Die Zeichen deuten auf große Ereignisse; in Spanien hat sich das Volk erhoben und kämpft mit wahrem Löwenmuthe; der Brand von Moskau wirft seinen ersten Flammenschein furchtbar und erhaben in die Welt, wie das „Mene-Tekel“, von der Hand des Ewigen geschrieben. Die deutschen Herzen schlagen lauter, und wenn mich nicht Alles täuscht, so gehen wir einer gewaltigen Katastrophe, einem wahrhaften Befreiungskampfe entgegen.“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_512.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)