Papers by Nikolaus Henkel
De Gruyter eBooks, May 16, 2012
Rüping! Sie haben am Rande erwähnt, dass die Zurückdrängung der Folter im Grunde durch die Strafp... more Rüping! Sie haben am Rande erwähnt, dass die Zurückdrängung der Folter im Grunde durch die Strafpraxis vorbereitet wurde. Die Bedeutung der Strafpraxis, die sich deutlich von dem unterscheidet, was im Strafgesetz steht, sollten wir nicht aus den Augen verlieren. In unserem Tagungstitel steht das Strafgesetz im Mittelpunkt, aber die Frage, in welchem Verhältnis Strafgesetz, Strafpraxis und Rechtswissenschaft stehen, könnten wir in der Schlussdiskussion nochmals aufgreifen. Jetzt möchte ich aber die Diskussion zu Ihrem Vortrag eröffnen. Herr Behrends bitte. BEHRENDS: Vielen Dank! Der Vortrag bringt eine willkommene Zuspitzung unseres Themas des strafenden Sozialstaates, in deren Mittelpunkt ja das Verhältnis von Staatszweck und Strafe steht. Die Leitfrage ist: Welche Wirkung hat die Idee des Sozialstaats auf das Strafen? Im religiös legitimierten Staat kam, wie Sie geschildert haben, das strafende Schwert quasi aus den Wolken und symbolisierte einen göttlichen Auftrag der Strafgewalt. Mit THOMASIUS vollzog sich dann der unwiderrufliche Schritt in ein Strafrecht, das zur Disposition der Staatszwecke steht: punitur ad utilitatem rei publicae. Nach modernen Erfahrungen klingt das nicht mehr nur befreiend, sondern auch besorgniserregend. Wir wissen heute, dass auch das Extreme Staatszweck werden kann. Auch der NS-Staat hatte seinen Staatszweck, so verwerflich er war, nicht anders die DDR. Die bloße Tatsache, dass ein Ziel ein Staatszweck ist, entscheidet nicht über seinen moralischen Wert. Im Sozialstaat, der in seinem Kernbereich eine moralische Errungenschaft ersten Ranges ist, stehen in der Strafe Resozialisierung des Täters und défense sociale im Vordergrund. Die moralische Verteidigung des Wertes des Lebens eines einzelnen Menschen, der Opfer eines Tötungsverbrechens geworden ist, macht ihm dagegen Schwierigkeiten. Noch eine Bemerkung zu dem Ausdruck "Straftaten gegen die Menschlichkeit". Mir hat hier HANNAH ARENDTS Kritik immer eingeleuchtet. Sie sieht in dem Ausdruck einen unerträglichen Euphemismus. Er klinge ja so, als hätten die NS-Täter es nur an Menschlichkeit fehlen lassen. "Crime against humanity" heißt aber "Straftaten gegen die Menschheit". Und das trifft den Sachverhalt. Die Menschheit wird in ihren Grundfesten erschüttert, wo Staatsverbrechen ermöglichende Staatszwecke zur Herrschaft kommen.
De Gruyter eBooks, May 19, 2009
In Dantes "Gçttlicher Komçdie" erzählt der mythische Held Odysseus von seiner Seereise nach Weste... more In Dantes "Gçttlicher Komçdie" erzählt der mythische Held Odysseus von seiner Seereise nach Westen, bei der er die Meerenge von Gibraltar durchquerte und auf der Suche nach unbekannten Welten hinaus aufs offene Meer segelte, ohne in seinem Entdeckungsdrang darauf zu achten, dass die ,Säulen des Herkules' (Gibraltar) zum Warnzeichen aufgerichtet waren, nicht weiterzufahren (pi oltre non). 1 Wegen dieser Grenzüberschreitung, die zum Schiffbruch führen musste, schickte Dante ihn in den achten Kreis der Hçlle, dorthin, wo die bçsen Ratgeber für ihre Taten büßen (Inferno, 26. Gesang). Wofür Odysseus in die literarische Hçlle musste, dafür wurde Kolumbus in den weltgeschichtlichen Himmel gehoben. Auf der Suche nach dem westlichen Seeweg nach Indien machte auch er sich mit seinen Schiffen aufs hohe Meer nach Westen auf, aber seine Grenzüberschreitung, die zur Entdeckung einer für Europa Neuen Welt führte, entsprach ganz der Devise Plus ultra (,Noch weiter hinaus'), die der spanische Kçnig und deutsche Kaiser Karl V. als heroischen Wahlspruch gewählt hatte. Die so gegensätzliche Bewertung des Aufbruchs nach Westen als sündhafte Hybris oder als providentielle Tat erklärt sich aus dem Epochenbruch, d. h. dem Wechsel vom mittelalterlichen zum frühneuzeitlichen Weltbild, in dem Forscherdrang und Entdeckerlust nicht mehr der seit Augustinus sündhaften curiositas zugerechnet werden, sondern als Ausdruck der grenzenlosen Freiheit des Menschen zur Weltbemächtigung gelten, wie Giovanni Pico della Mirandolas Programmschrift zeigt. 2 Die Begegnung mit anderen Vçlkern, Kulturen und Religionen in der Neuen Welt, vor allem aber die Ambivalenz des Ausgriffs in der martialischen oder missionarischen Variante forderten dazu heraus, die Muster der Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung normativ zu reflektieren. Die conquista der Neuen Welt, die Zerstçrung blühender altamerikanischer Reiche und die Schaffung von Kolonialreichen, das Eintreiben von Tributen und die Versklavung von Indianern und Afrikanern, all diese und andere Phänomene führten zu neuen Diskursen um Krieg und Frieden, um die Legi
De Gruyter eBooks, May 19, 2009
Mit dem Verfasser haben die Organisatoren des Gçttinger Symposions einem Vertreter der Geschichts... more Mit dem Verfasser haben die Organisatoren des Gçttinger Symposions einem Vertreter der Geschichtswissenschaft die Aufgabe erteilt, ein Eingangsreferat zum Umgang mit Phänomenen der Wahrnehmung, mit Perzeptionen und Denkformen zum Tagungsprogramm beizusteuern. 1 Offenbar erwartet man in den historischen Kulturwissenschaften gerade von den Historikern wenn nicht gerade Aufklärung, so doch Rechenschaft über vergangene Irrwege und Erfolge in der Erforschung kollektiver Wahrnehmungsweisen. Dieser Haltung mag der Gedanke zugrunde liegen, daß sich insbesondere die Historie um das Verständnis der vergangenen Wirklichkeit in einer gewissen Breite bemüht. Doch wie die Experten der anderen Kulturwissenschaften kçnnen freilich auch die Historiker nur gebrochen auf die vergangene Wirklichkeit zurückschauen: einmal, insofern die Wahrnehmungsmuster, die sie selbst verinnerlicht haben, den Blick auf die vergangene Wirklichkeit steuern 2 , und ein andermal-und das sei für den Augenblick besonders hervorgehoben-insofern sie bei diesem Unterfangen stets auf die ¾ußerungen und mithin die Perzeptionsweisen von Menschen der Vergangenheit angewiesen sind. 3 1 Für Anregungen und Kritik danke ich neben den Teilnehmern der Tagung vom November 2004 auch Hedwig Rçckelein und Dorothea Weltecke (beide Gçttingen). 2 Dazu Frank Rexroth (Hg.), Meistererzählungen vom Mittelalter. Epochenimaginationen und Verlaufsmuster in der Praxis mediävistischer Disziplinen (Historische Zeitschrift, Beih. 46), München 2007. 3 Johannes Fried, ,Gens' und ,regnum'. Wahrnehmungs-und Deutungskategorien politischen Wandels im früheren Mittelalter. Bemerkungen zur doppelten Theoriebindung des Historikers, in: Jürgen Miethke, Klaus Schreiner (Hg.), Sozialer Wandel im Mittelalter. Wahrnehmungsformen, Erklärungsmuster, Regelungsmechanismen, Sigmaringen 1994, S. 73-104. ¾hnlich Otto Gerhard Oexle, der mit "drei Ebenen der Reflexion" rechnet, die man zu bedenken habe: "die soziale Wirklichkeit mittelalterlicher Gesellschaft, ihre Wahrnehmung und Deutung bei den Menschen jener vergangenen Jahrhunderte und schließlich unsere Wahrnehmungen und Deutungen jener Wirklichkeit und jener Deutungen." Otto Gerhard Oexle, Deutungsschemata der sozialen Wirklichkeit im frühen und hohen Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Wissens, 10 Hans-Werner Goetz, "Vorstellungsgeschichte": Menschliche Vorstellungen und Meinungen als Dimension der Vergangenheit. Bemerkungen zu einem jüngeren Arbeitsfeld der Geschichtswissenschaft als Beitrag zu einer Methodik der Quellenauswertung, in:
De Gruyter eBooks, May 19, 2009
De Gruyter eBooks, May 19, 2009
De Gruyter eBooks, May 19, 2009
Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, 2009
Mit der Entdeckung der Neuen Welt vollzog sich ein epochaler Wandel in der europäischen Wissens u... more Mit der Entdeckung der Neuen Welt vollzog sich ein epochaler Wandel in der europäischen Wissens und Wahrnehmungskultur. Wenn Kolumbus glaubte, den Ostteil Asiens entdeckt zu haben, bedeutete dies, ein phantastisches Land betreten zu haben, das bislang nur in mythischen Berichten existierte. Und als sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzte, dass hier ein neuer Kontinent gefunden worden war, stellte dies bekanntlich grundsätzlich neue Fragen, etwa zum göttlichen Schöpfungsplan oder der menschlichen Natur der Ureinwohner. Die Deskriptionen des Neuen bilden allein aufgrund der Vielfalt der Entde ckungen und der umfangreichen topischen und literarischen Überformungen ein äußerst heterogenes Bild, das zwischen dem gleichsam im Paradies lebenden edlen Wilden und dem unmenschlichen und sittenlosen Kannibalen oszilliert. Die Naturalien und Artefakte, die mit den Entdeckungsfahrten nach Europa gelangten, spielten dabei eine nicht unwichtige Rolle. Allerdings fällt auf, dass das Interesse an den Stücken aus Übersee sich nicht auf ihre Qualität als Na turalie, als Exoticum, als Trophäe oder als ethnographisches Dokument be schränkte. Ihre epistemologische Verortung war vielmehr auch Teil einer weit reichenden, sich damals in der Alten Welt im Wandel befindlichen Auffassung von künstlerischer Produktion und Wahrnehmung. Kunst als Wissenssystem erst ermöglichte die klassifizierende Aneignung des Fremden. Diesem Aspekt sind die folgenden Ausführungen gewidmet, wobei sich der zeitliche Rahmen im wesentlichen auf das erste Drittel des 16. Jahrhunderts beschränken muss. 1
De Gruyter eBooks, Dec 31, 1976
De Gruyter eBooks, Feb 4, 2013
Institute von der Existenz dieser Handschrift erfuhren (und von der so gewonnenen Kenntnis Gebrau... more Institute von der Existenz dieser Handschrift erfuhren (und von der so gewonnenen Kenntnis Gebrauch machten). Auch nachdem R in der Library of Congress eine feste Bleibe gewonnen hatte, kam es nicht zu einläßlicher Beschäftigung mit der in vieler Hinsicht sehr ungewöhnlichen Handschrift. Man kennt sie lediglich aus den dürren Angaben in Ausstellungs-und Sammlungskatalogen 1 und aus diesen ähnlicher-noch kürzerer-Aufzählung der in R enthaltenen Darstellungen. 2 Aber kann man eine Handschrift als »bekannt« bezeichnen, deren Bilder bisher noch nicht einmal alle ikonographisch bestimmt sind, deren deutsche und lateinische Texte nie untersucht geschweige denn identifiziert wurden? Deren Bilder, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, in Abbildungen nicht zugänglich sind und kunstgeschichtlicher Stilkritik noch harren? Deren deutsche Texte man auf ihre Sprachmerkmale hin bisher nicht betrachtet hat, um daraus die Schreiblandschaft zu ermitteln? Deren Textnotierung paläographische Analyse versagt geblieben ist? All das bisher Unterbliebene kann und soll hier nicht nachgeholt werden. Da die vorliegenden Auskünfte über Entstehungsort und-zeit (wie bei dem geschilderten Stand der Forschung nicht anders zu erwarten) divergieren, sei hier, genauerer Be-1 Ausstellungskatalog The Rosenwald Collection. A Catalogue of Illustrated Books and Manuscripts, of Books from Celebrated Presses and of Bindings and Maps. 1150-1950. The Gift of Lessing J. Rosenwald to the Library of Congress, Washington D.C. 1954, S. 1 Nr. 3. Textgleich: The Lessing J. Rosen wald Collection. A Catalogue of the Gifts of Lessing J. Rosenwald to the Library of Congress, 1943 to 1975, Washington D.C. 1977, S. 4 Nr. 4 2 Vgl. etwa LUCY FREEMAN SANDLER, The Psalter of Robert de Lisle in the British Library, London u. a. 1983, S. 134f., als noch in Jenkinstown befindliche Handschrift geführt (!).
De Gruyter eBooks, Dec 31, 1992
De Gruyter eBooks, Jun 5, 2023
Sebastian Brant und die Frömmigkeitskultur der intellektuellen Eliten um 1500 Résumé: Nous désign... more Sebastian Brant und die Frömmigkeitskultur der intellektuellen Eliten um 1500 Résumé: Nous désignons par élites intellectuelles un segment de la société qui vers 1500 évolue à l'oral comme à l'écrit dans des champs du savoir, de la formation et de la culture marqués par le latin. Juriste à Bâle et conseiller juridique à Strasbourg, Sébastien Brant appartient à ce segment. Il joue un rôle particulier en affichant un engagement clair en faveur de la transmission du savoir et de la culture, également en langue vernaculaire, ce dont la ›Nef des fous‹ est la démonstration la plus connue. La présente contribution s'intéresse à l'apport de Brant aux pratiques de piété des élites intellectuelles. Ce sont des oeuvres latines d'inspiration humaniste adaptés de textes religieux issus des domaines de la prière, du recueillement et de la liturgie.
De Gruyter eBooks, Jun 5, 2023
La première partie de cette contribution décrit et analyse l'épitaphe de Sébastien Brant (Henkel)... more La première partie de cette contribution décrit et analyse l'épitaphe de Sébastien Brant (Henkel), la seconde retrace son histoire depuis le 10 mai 1521, la mort du poète (Andersen). C'est le seul document à dater avec précision ce décès. Initialement composée de 204 onciales, l'inscription est fortement détériorée depuis l'incendie de la Bibliothèque Municipale de Strasbourg où la pierre fut exposée de 1772 à 1870. Avant cet incendie, le texte original avait été copié et édité à plusieurs reprises. La version la plus fidèle est celle publiée en 1770 par Jérémie Jacques Oberlin. La pierre faisait alors partie du musée de Jean Daniel Schoepflin. Au cours de son histoire, l'épitaphe a connu au moins dix emplacements différents dont trois au sein de l'église Saint-Thomas. Depuis sa restauration à Illkirch en 2021, elle est exposée sur une colonne de la nef.
Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 2009
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