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ADB:Wilhelm II. (Landgraf von Hessen)

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Artikel „Wilhelm II., Landgraf von Hessen“ von Heinrich Reimer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 28–31, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_II._(Landgraf_von_Hessen)&oldid=- (Version vom 1. Dezember 2024, 00:51 Uhr UTC)
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Wilhelm II., Landgraf von Hessen, Bruder des vorigen, wurde am 30. März 1468 geboren. Weil das schon durch Vater und Oheim getheilte Land eine nochmalige Theilung nicht zu vertragen schien, sollte W. sich dem geistlichen Stande widmen. Die Mutter leitete die Erziehung bis zum elften Jahre und sandte ihn 1479 an den Hof ihres Bruders, des Grafen Eberhard von Württemberg, einen Hof, der wegen der ausgezeichneten Charaktereigenschaften des Gr. Eberhard zur weiteren Ausbildung des reichbegabten Prinzen besonders geeignet schien. Durch schnelle Auffassungsgabe, durch sein lebendiges, ebenso geistigen Interessen offenes wie ritterlichen Uebungen geneigtes Wesen gewann W. sich hier die besondere Neigung des Gr. Eberhard, der ihn nur ungern fortziehen sah, als die Mutter, deren wiederholte Versuche, W. zur Wahl des geistlichen Standes zu bewegen, gescheitert waren, diesen im J. 1484 von Stuttgart abholte und zum Erzbischof Hermann von Köln brachte, dem Bruder Landgr. Ludwig’s II., der geneigt war, ihre Wünsche zu unterstützen. Doch Wilhelm’s kühne und thatendurstige Seele ließ sich dafür auch hier nicht gewinnen. Seine Ansprüche auf die Hälfte des Landes, anfangs zurückgewiesen, wurden von ihm in den Jahren 1485–1487 nach und nach durchgesetzt, denn weder Bruder noch Mutter vermochten seinem unausgesetzten Drängen ausdauernden Widerstand entgegenzusetzen. W. scheint sich im Gegensatze zu seinem städtefreundlichen Bruder mehr die besondere Ergebenheit der Ritterschaft erworben [29] zu haben, der er durch sein ritterliches Wesen, seinen Thatendrang und seine Freude an Festen zusagte. Die gleichen Eigenschaften führten ihn auch in nähere Verbindung mit König Maximilian, in dessen Umgebung wir W. in den nächsten Jahren vielfach finden. Er war bei der Wahl und der Krönung des Königs im J. 1486 zugegen und wurde von ihm damals zum Hofdiener angenommen. Diese Stellung und eigene kriegerische Neigung veranlaßten, daß er sich 1488 mit fünfhundert Reitern an dem Zuge zur Befreiung Maximilian’s aus der Brügger Gefangenschaft betheiligte und 1490 mit tausend Reisigen zu dem Heere des Königs stieß, als dieser seine Ansprüche auf Ungarn zur Geltung bringen wollte. Nachdem dieser Feldzug trotz anfänglicher Erfolge gescheitert war, kehrte W. nach Hessen zurück. Hier verschaffte ihm die Pilgerreise, die sein Bruder Wilhelm I. 1491 antrat, zunächst die Verwaltung des gesammten Niederhessens, dessen Besitz ihm dann 1493 dauernd zufiel, als Wilhelm I. bald nach seiner Rückkehr in geistige Umnachtung sank. W. war eifrig bemüht, durch Einlösung verpfändeter Schlösser, durch Schutzverträge mit umliegenden Städten und Stiftern, durch Bündnisse mit andern Staaten seine und seines Landes Macht und Ansehen zu mehren. Von besonderer Bedeutung war es, daß es ihm gelang, im Vereine mit seinem Vetter Wilhelm III. von Oberhessen die reiche Grafschaft Katzenelnbogen dem Kaiser als ein Gesammtlehen des Hauses Hessen aufzutragen. Es wurde dadurch verhindert, daß dieses erst durch die Mutter Wilhelm’s III. an diesen gekommene wichtige Land im Falle seines kinderlosen Todes dem Hause Hessen verloren ging. Auch den Besitz der 1451 infolge Erbvertrags an Hessen gefallenen Grafschaften Ziegenhain und Nidda sicherte W. damals, indem er die agnatischen Ansprüche der Grafen von Hohenlohe durch eine Summe von 9000 fl. abfand. In den Kämpfen um die Reichsreform stand W. auf Seiten des Königs, doch tritt er in den größeren deutschen Angelegenheiten, entsprechend der noch immer geringen Bedeutung seines Landes und mit der Sorge um dieses beschäftigt, zunächst noch wenig hervor. Seine Haltung in den Reichsangelegenheiten, sowie seine Bestrebungen, das Gebiet Niederhessens zu erweitern, wozu auch ein Versuch, das mainzische Eichsfeld und Fritzlar zu erwerben, gehört, brachten ihn in schroffen Gegensatz zu seinem Vetter von Oberhessen, der 1498 mit Kurpfalz und den braunschweigischen Herzögen Heinrich und Erich einen Bund zur Bekriegung Wilhelm’s schloß, mit dem Herzog Erich namentlich wegen der Herrschaft Plesse im Streit war. Schon hatten die ersten kriegerischen Zusammenstöße stattgefunden, an denen auf niederhessischer Seite auch eine brandenburg-ansbachische Hülfstruppe theilnahm und die Vermittelung der sächsischen Herzoge war ohne Erfolg geblieben, da gelang es dem Eintreten des Erzbischofs Hermann von Köln, der mit seinem Neffen W. einen Vertheidigungsbund abschloß, den Frieden herbeizuführen. Weitere Zerwürfnisse zwischen beiden Hessen würden kaum ausgeblieben sein, wenn nicht der plötzliche Tod Wilhelm’s III. im Februar 1500 dies verhindert hätte. Durch den Anfall Oberhessens trat W. in die Reihe der mächtigsten Reichsfürsten. Noch nie hatte ein hessischer Landgraf eine solche Machtfülle besessen, doch ward ihm und seinem Nachfolger diese Erbschaft zugleich eine Ursache gefährlicher Streitigkeiten. Die Schwestern des verstorbenen Landgrafen, vermählt an den Grafen Johann von Nassau-Dillenburg und den Herzog Johann von Cleve, erhoben Ansprüche nicht nur auf die von der Mutter herrührende Grafschaft Katzenelnbogen, sondern auch auf das eigentliche Oberhessen. Der zuerst bei dem hessischen Austrägalgerichte, dann bei dem Reichskammergerichte anhängig gemachte Streit, den W. gern durch einen Vergleich beigelegt hätte, wie das noch sein Testament von 1506 aussprach, fand erst nach einem halben Jahrhundert sein Ende. – Für die nächste Zeit bestimmend wurde die Verschärfung des schon vorhandenen [30] Gegensatzes zwischen W. und dem Kurfürsten Philipp von der Pfalz. Die Irrungen wegen des Witthums der Landgräfin Elisabeth, der Witwe Wilhelm’s III., und wegen der Belehnung mit den pfälzischen Lehen der Grafschaft Katzenelnbogen hätten sich beilegen lassen, aber der Hochmuth des Kurfürsten, der den Landgrafen als einen niedriger stehenden behandelte, erbitterte den selbstbewußten, ehrgeizigen Fürsten aufs tiefste, und bald erhielt er Gelegenheit, dem Kurfürsten seine Macht zu beweisen. Im bairischen Erbfolgekriege beauftragte im J. 1504 König Max den Landgrafen neben dem Herzog Ulrich von Württemberg und dem Pfalzgrafen Alexander von Zweibrücken mit Vollziehung der Reichsacht gegen Kurfürst Philipp. Das starke Heer des Landgrafen, verstärkt durch Truppen der verbündeten mittel- und norddeutschen Stände, zog sengend und brennend durch einen großen Theil der Pfalz, aber ohne entscheidende Erfolge zu erringen, wie sie der Größe des Heeres entsprochen hätten; wo sich ernster Widerstand zeigte, wie in Bensheim, in Caub, mußte der persönlich tapfere W. zurückweichen, an eine Belagerung Heidelbergs, wo der Kurfürst stark verschanzt auf eine günstige Wendung harrte, wagte sich niemand heran. Aber W. besetzte eine Anzahl Burgen und Städte und demüthigte die Helfer des Kurfürsten, der, von allen Seiten in gleicher Weise bedrängt, kein Heer mehr besaß, um den Hessen im offenen Felde zu begegnen. Die Entscheidung fiel anderwärts und im Juni 1505 konnte Maximilian zu Köln das Schicksal des Besiegten verkünden. Hessen erhielt durch seinen Spruch außer einigen sonstigen Vortheilen Umstadt mit Otzberg, Homburg vor der Höhe, Bickenbach und andere kleinere Orte. Bleibenden Gewinn gewährten in der Hauptsache nur Homburg v. d. H. und die Hälfte von Umstadt, Besitzungen, die bis dahin die Grafen von Hanau von der Pfalz zu Lehen getragen hatten; die übrigen Erwerbungen wurden nicht lange darnach bei der Aussöhnung mit Kurpfalz zurückgegeben. Aber W. konnte mit dem Erfolge des Feldzuges, mit der Stellung, die er sich errungen, wol zufrieden sein. Mit König Max verband ihn treue Freundschaft, der W. eben damals in seinem Testamente Ausdruck verlieh, und mit seinen Nachbarn und den mächtigeren Reichsfürsten stand er in gutem Verhältnisse, in vertrautem zu den Herzögen von Sachsen, unter denen er namentlich dem Herzog Georg nahe getreten war. Seine Erfolge dankte W. zum großen Theile der Consequenz seiner Handlungsweise, die ein Schwanken ausschloß. Auch im Innern war seine Thätigkeit eine segensreiche; aus seinem Testament von 1506 ersehen wir, daß ihm dreierlei besonders am Herzen lag, die Reform der Klöster, deren Zustände in Hessen wie überall in Deutschland so viele Klagen hervorriefen, gerechte Behandlung der Unterthanen und Verbesserung der Rechtsprechung. Auf ihn geht die Errichtung des hessischen Hofgerichts zurück, die wenigstens den Spruch der oberen Instanz gelehrten Richtern zuwies, statt wie bisher der Regierungskanzlei; auch die Ausarbeitung eines hessischen Landrechtes wurde ins Auge gefaßt. Mit Strenge hielt W. auf Sicherheit der Landstraßen. Da er für seine Unternehmungen Geld nöthig hatte, war er gezwungen, die Hülfe der Landstände in Anspruch zu nehmen, war aber bedacht, die Fälle zu regeln, in denen der Landesherr darnach zu greifen hatte. Ein Theil des Bedarfs wurde durch einen vom Kaiser neubewilligten Landzoll aufgebracht. Besonderen Eifer aber bewies W. bei der Abstellung der Uebelstände in den Klöstern, für die er weder Mühe noch Kosten scheute. Hier wie bei dem ihm zugeschriebenen Plane der Errichtung einer Universität mag er durch das Vorbild des Grafen Eberhard von Württemberg angeeifert worden sein. – Wol durfte der erst 38 Jahre zählende Fürst mit stolzen Erwartungen in die Zukunft sehen, da ergriff ihn die damals das westliche Europa verseuchende französische Krankheit und brach seine Kraft. In schwerem Siechthum, das ihn zur Regierung [31] unfähig machte und ihm das Vertrauen zu seinen bisherigen Rathgebern raubte, verbrachte er die nächsten Jahre. Seine Gemahlin Anna, die in treuer Pflege bei ihm aushielt, gewann dadurch so großen Einfluß, daß er ihr an Stelle der bisher dafür bestimmten Räthe für den Fall seines Todes die vormundschaftliche Regierung übertrug. Ihre und des Landes Hoffnung, daß die im J. 1509 eintretende Besserung der Beginn der Genesung sein werde, wurde getäuscht, W. erlag am 11. Juli 1509 seinen Leiden. W. war zweimal verheirathet; zuerst im October 1497 mit Jolanta, der Schwester des Herzogs René II. von Lothringen, die nach einer glücklichen Ehe bald nach der Geburt eines nur 12 Tage alt gewordenen Sohnes starb. Obwol er durch den Tod (21. Mai 1500) dieser ausgezeichneten Frau, die ein gleichzeitiger Chronist der heiligen Elisabeth ähnlich schätzte, tief ergriffen wurde, verheirathete er sich doch schon nach fünf Monaten wieder mit Anna von Mecklenburg, deren Schwester Sophie kurz zuvor Gemahlin des erbverbündeten Herzogs Johann von Sachsen geworden war. Sie wird als „gar schön und aus der massen säuberlich“, aber auch als von männlichem Charakter und sehr ehrgeizig geschildert. Zwei Kinder, Elisabeth, geboren am 4. März 1502, und Philipp, geboren am 13. November 1504, überlebten die Eltern.

Nohe, Hessische Chronik (bei Senckenberg, Selecta V). – Kopp in den hessischen Beiträgen zur Gelehrsamkeit II, 616 folg. – Winkelmann, Hessische Chronik VI. – Rommel, Hessische Geschichte III. – Ulmann, Maximilian I.