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Zur Sprachform des Ausdrucks to ti en einai

1983 I first argued in \emph{Archiv für Geschichte der Philosophie} for the origin of the term τὸ τί ἦν εἶναι in everyday language. This article did neither get much attention, nor did it have much of an impact. The term is still considered by most scholars to be artificial and hardly understandable. In 1996 H. Weidemann tried to destroy my arguments in an article of a book edited by Chr. Rapp . To do this he invented a hypothetical construction of the possible genesis of the term, a construction which, I am afraid to say, does not have much to do with normal Greek. Here is my answer.

Zur Sprachform des Ausdrucks to ti en einai Erwin Sonderegger Dieser Artikel erschien erstmals im Rheinischen Museum für Philologie, 144, 2001, 113–122. Er ist hier völlig neu gesetzt und leicht ξberarbeitet. Die Dunkelheit des Ausdrucks ἦ ἶ ist notorisch und immer wieder beklagt worden. Frau Anscombe hatte 1953 die damals schon weit über hundert Jahre dauernde Forschungsarbeit an diesem Ausdruck nicht genügt, offenbar auch die Auskünfte von Ross nicht.1 Und auch jetzt, gut 170 Jahre nachdem Trendelenburg im Rheinischen Museum, zweiter Jahrgang 1828, die moderne Diskussion darum eröffnet hat, ist Bemühung und Streit um den Ausdruck ἦ ἶ bei Aristoteles weder abgebrochen noch überflüssig geworden.2 Ich versuche kurz zwei Hauptlinien der Auseinandersetzung her1 G. E. M. Anscombe, The principle of Individuation“ in: Proceedings of the Arist. Society, suppl. ” vol. 27, 1953, 83–96, jetzt in: J. Barnes, M. Schofield, R. Sorabji (edd.), Articles on Aristotle, 3. Metaphysics, London 1979. 2 F. A. Trendelenburg, Das ἑ ἶ , ἀ ῷ ἶ , etc. etc. und das ἦ ἶ bei Aristote” les“ Rheinisches Museum 2, 1828, 457–483. Ein zweiter Markstein war die Arbeit von C. Arpe, Das ί ἦ εἶ α bei Aristoteles, Hamburg 1938. Die nachfolgende Literatur findet sich bei Fr. Bassenge, ”`Das ἑ ἶ , ἀ ῷ ἶ etc. etc. und das ἦ ἶ bei Aristoteles“ in: Philologus 104, 1960, 14–47 und 201–222, E. Sonderegger, Die Bildung des Ausdrucks ἦ ἶ durch Aristo” teles“ in: Archiv fξr Geschichte der Philosophie 65, 1983, 18–39, weiteres bei H. Weidemann, έum ” Begriff des ti λn einai und zum Verstεndnis von Met. έ 4, 1029b22–1030a6“ in: Chr. Rapp (Hrsg.), Aristoteles, Metaphysik, die Substanzbξcher , Berlin 1996, 75–103. Die vorliegende Notiz bezieht sich im besonderen auf diese letzte Äusserung zum Thema. Ich möchte klarstellen, dass meine 1 vorzuheben. In der Linie, die Trendelenburg folgt, überwiegt, der Epoche entsprechend, eine idealistische Interpretation. In deren Sinn will Aristoteles mit dem Imperfekt in diesem Ausdruck entweder darauf hinweisen, dass das Wesen der Sache dem Exemplar gegenüber, das das Wesen realisiert, prioritεr ist, oder er will damit auf das Durative des Wesens gegenüber seiner Realisierung hinweisen. Daneben hat sich eine eher argumentationstechnische Interpretation etabliert. C. Arpe kann als Hauptexponent davon genannt werden. In dieser Sicht verweist das Imperfekt abkürzend auf früher abgegebene Bestimmungen. Es bedeutet dann Es verhielt sich so und so“ als Abkürzung von Es ” ” 3 verhεlt sich, wie wir bereits sagten, so und so.“ Der Ausdruck ist die technische Frage nach der Definition. Obwohl sich in den beiden Linien viele weitere Unterscheidungen der Interpretation finden,4 haben sie doch gemeinsam, dass sie voraussetzen, der Ausdruck sei durch und durch künstlich.5 Als Hauptpunkt des Ausdrucks wird sehr oft die Wahl des Imperfekts bei ἦ in diesem Ausdruck bezeichnet, Aristoteles habe damit wohl auf etwas Bestimmtes aufmerksam machen wollen, es sei deshalb ein philosophisches ” Imperfekt.“ Diesem kleinsten gemeinsamen Nenner“ der sonst divergierenden Positionen gegen” über habe ich 1983 eine andere zur Diskussion gestellt. Nach dieser Darstellung kann der aristotelische Terminus von der in den Komödien des Aristophanes hεufig bezeugten umgangssprachlichen Frage ἦ ᾶ ; her verstanden werden. Das Imper- fekt als solches kann gar nicht das Besondere des Ausdrucks darstellen, da erstens bei Kritik an Weidemanns fehlgeleitetem Versuch, die umgangssprachliche Herleitung des Ausdrucks zu widerlegen, den Wert seiner sonstigen Arbeit und meine Achtung davor in keiner Weise schmεlert. – Im grösseren έusammenhang der Anführungen“ wird der Ausdruck in E. Sonderegger, Aristoteles, ” Metaphysik Z, Einfξhrung, Übersetzung, Kommentar, Königshausen & Neumann, Würzburg 2012, Kap. 3.2 behandelt. Auf die dortige Behandlung der Dativ-Ausdrücke“ wird hingewiesen, sie wird ” hier nicht erörtert. 3 Weidemann (siehe Anm. 2) 76, Anm. 2. 4 Etwa die inhaltlichen Deutungen des philosophischen“ Imperfekts, dann der sprachliche Bezug des ” Ausdrucks zu den Dativ-Ausdrücken“ ; weiter das idealistische (Trendelenburg), logische (Arpe) oder ” fundamentalontologische (Tugendhat) Verstεndnis des Ausdrucks im Ganzen. 5 Darauf legt Fr. Caujolle-έaslawsky, Aristote: Sur quelques traductions rκcentes de TO TI HN EINAI“ ” Revue de Theologie et de Philosophie 113, 1981, 61–75, besonderes Gewicht. 2 ἶ kein anderes Vergangenheitstempus zur Wahl steht und zweitens die genannte um- gangssprachliche Frage-Form vorliegt. έudem erhellt aus den Stellen bei Aristophanes, dass die genannte Frage in bewusstem Kontrast zur Frage ἐ ; verwendet wird. Die Frage wird nεmlich in spezifischen Situationen der völligen Überraschung (allenfalls einer komisch gespielten) gestellt, in der nach dem Bestimmbaren überhaupt gefragt werden muss, worauf die weiteren Fragen nach dessen Bestimmungen mit ἐ ; erfolgen. Deshalb scheint sich Aristoteles nicht auf das Imperfekt, sondern auf die spezifische Frage-Situation dieser Frage beziehen zu wollen. Schliesslich hat der Ausdruck dieselbe sprachliche Form wie eine statistisch relevante und inhaltlich zentrale Gruppe von Ausdrücken, die wie er aus der Substantivierung einer umgangssprachlichen Ausdrucksweise gebildet sind. Die Substantivierung hat dabei zitierende, nicht vergegenstεndlichende Funktion. Wie beispielsweise der Ausdruck was du meinst, wenn du ὅ sagst,“ lεsst sich der Ausdruck ὅ meint, Denk an das, ” ἦ ἶ verstehen mit Denk an das, was du mit ’sein’ meinst, wenn du fragst, ἦ ᾶ ;“ Im wei” teren gliederte ich den Ausdruck in den rahmenden substantivierten Infinitiv … ἶ und die auf ἦ ; verkürzte Frage. Dieselbe Gliederung hat schon Bassenge vorgeschla- gen, ohne dabei Bezug auf die umgangssprachliche Frage zu nehmen. Dieser Auffassung gemεss besteht der Ausdruck also aus dem substantivierten Infinitiv von ’sein’, der die verkürzte Frage Was ist denn das eigentlich?“ einrahmt. Früher hatte man eher an eine ” Gliederung in …und ein folgendes ἦ ‹ › ἶ ( Das Was? war das Sein“ ), oder ” auch / ἦ ‹ › ἶ ( Das: Worin bestand das Sein?“ ) gedacht. In beiden Fεllen ” fehlte dann allerdings ein Artikel vor ’sein’. Die Beschεftigung mit dem Ausdruck ging weiter. Allerdings haben sich Frede-Patzig in ihrem Kommentar zu Met. έ ohne weitere Diskussion in dieser Frage für die Linie Arpes entschieden.6 Hingegen haben H. Schmitz (1985), Liske (1985), Conde (1989), dann neuerdings H. Weidemann (1996), wieder ausdrücklich die sprachliche Seite des 6 M. Frede – G. Patzig, Aristoteles, Metaphysik Z. Text, Übersetzung und Kommentar, München 1988, Bd. 1, 19, Bd. 2, 34–35. 3 Problems erörtert.7 Conde vertritt die auch von mir vorgeschlagene Gliederung, sucht aber der Frage bei Aristophanes einen anderen Sinn zu geben ( indirekte έitierung“ ), ” doch das bestεtigt sich bei der Lektüre überhaupt nicht. Die Argumente von Schmitz hat Weidemann in seinem letzten Beitrag zum Thema bereits einbezogen. Liske wiederholt lediglich die Positionen von Bassenge und Buchanan. Aus diesen Gründen soll hier nur auf die jüngste Stellungnahme, auf die Weidemanns eingegangen werden. Bei ihm findet sich die neueste έusammenfassung der Argumente, die das philosophische Imperfekt“ ” gegen meinen Vorwurf der Erfindung ad hoc“ verteidigen sollen. έudem argumentiert ” er mit einer neu rekonstruierten Frage gegen die soeben vorgestellte alternative Gliederung. Der Ausdruck ἦ ἶ soll nach Weidemann eine brachylogische Verkürzung und Substantivierung der von ihm rekonstruierten Frage von der Form * ἶ ἦ ἶ ; sein (82). Betrachten wir den sprachlichen Aufbau dieser Frage. Sie hat als Prεdikat ἦ im Sinne von Es verhεlt sich, wie wir bereits sagten, so und so.“ Τ ἶ muss darin ” das Subjekt sein, da es den Artikel hat, ἶ schliesslich ist der prεdikative Ausdruck (darin wiederum der Platzhalter für die Frage Was ist das?“ mit der Antwort: Das ” ” ist ein Mensch“ ). Der Gesamtausdruck, der zum Terminus führt, muss dann in die Teile (* ἶ /ἦ / ἶ ) gegliedert werden. Die unterstrichenen Teile machen den brachylogisch verkürzten Terminus aus. Als Übersetzungen der von ihm rekonstuierten Frage bietet Weidemann an: Was zu sein hiess (für etwas), (schlechthin) zu sein?“ ” beziehungsweise: Dass sie was ist, hiess (für eine Sache), dass sie (schlechthin) ist?“ 8 ” 7 H. Schmitz, Die Ideenlehre des Aristoteles, Bonn 1986, vermutete im Imperfekt des Ausdrucks den potential use. Dann müsste der Ausdruck das, was sein konnte“ heissen, was unwahrscheinlich ist, ” wenn der Ausdruck als wesentliche Erlεuterung von ὐ dienen soll, zu welcher die Wirklichkeit gehört; cf. auch Sonderegger 2012, 185. – M.-Th. Liske, Aristoteles und der aristotelische Essentialismus, Freiburg 1985. – H. Weidemann seinerseits geht 1996 auf Schmitz bezüglich des potential use abweisend, bezüglich der Gliederung des Ausdrucks zustimmend ein. I. Conde, Mβs sobre imperfec” to: TO TI HN EINAI“ Revista Española de Linguística, 19, 1989, 85–109. Ch. Buchanan, Aristotle’s theory of Being, Cambridge Mass. 1962. 8 Wenn Einfachheit und Verstεndlichkeit noch Kriterien des Sinns sind, muss man zugeben, dass dieser Versuch, das ἦ ἶ zu verstehen, einfach unsinnig ist. Ein Blick auf andere Übersetzungen 4 (1) Weidemann sagt, das philosophische Imperfekt“ beim Wort ἦ solle zwar auf ge” gebene Definitionen zurückverweisen, doch nicht in dem Sinne von Es verhεlt sich, ” wie wir bereits sagten, so und so,“ wonach das Imperfekt auf die Vergangenheit des Sagens verweisen würde, sondern im Sinne von Es verhielt sich so und so,“ also auf den ” Fakt bezogen. Doch dies sei als Abkürzung der ersten Formulierung zu verstehen (76, Anm.2). – Eine Prüfung der Formen, in denen Aristoteles in der Regel früher Gesagtes zitiert, ergibt freilich, dass die Regelform von Selbstzitaten bei Aristoteles entweder Prεsens oder Aorist ist (z. B. ἔ ,ἔ , , auch Perf. ἴ usw.).9 Ge- rade dann, wenn wir akzeptieren, dass Es verhielt sich so und so,“ die Abkürzung sei ” von Es verhεlt sich, wie wir bereits sagten, so und so,“ ist offensichtlich, dass sie die ” Vollform zitieren soll. In der Vollform haben wir ein verbum dicendi; in diesem Fall ist der Gebrauch des Imperfekts statt des Aorists sprachüblich. Die Kurzform übernimmt die imperfektische Redeweise der Vollform.10 Selbstverstεndlich gibt es auch Verwendungen von ἦ , die auf früher Gesagtes verweisen.11 Doch beim Verb ’sein’ hat man keine Wahl, die Vergangenheit anders auszudrücken, da es keinen Aorist davon gibt. Aus diesem Imperfekt ist deshalb nach wie vor nichts zu schliessen. (2) Betrachten wir das Argument der brachylogischen Kürzung. In der Brachylogie wird etwas vom Autor weggelassen, das vom Leser zu ergεnzen ist. Bei Kühner-Gerth findet sich eine ausführliche Liste der Formen der Brachylogie. Weidemann zitiert KühnerGerth, 1904, II-2, 564: Ein Wort, welches nur Einmal gesetzt ist, muss zuweilen zwei” des Terminus ἦ ἶ zeigt, dass auch diese nicht einfach sind. Was bei Frede-Patzig das, ” ’Was es heisst, dies zu sein’“ hiess, wurde bei Schmitz zu das Was-war-der-Sache-zu-sein-?“ ; Wei” demann schliesslich sagte für dasselbe das Was(-zu-sein-für-etwas)-zu-sein-heisst.“ – Angesichts ” solcher Übersetzungen wird sich wohl manch einer fragen, ob der Ausdruck nicht doch sprachlich einfacher verstanden werden könnte. Bereits das Verstεndnis von Frau Conde hebt sich jedenfalls wohltuend von solchen Versuchen ab el ser del tipo expresado en la frase ἔ .“ ” 9 Belege: Sonderegger 2012 (siehe Anm. 2) 182–185. 10 Imperfekt statt Aorist: Ed. Schwyzer, Griechische Grammatik, München 1950, II 277. – Als solche Übernahmen sind die Formen ἐ ,ἐ im Beispiel von Weidemann (siehe Anm. 2) 76, Anm. 2 zu verstehen. 11 Cf. Sonderegger, (siehe Anm. 2) 183, Anm. 98 und 185, Anm. 101; dazu Weidemann (siehe Anm 2) 76. 5 mal gedacht werden, besonders wenn das Subjekt aus dem Prεdikate oder das Prεdikat aus dem Subjekt entlehnt wird.“ Die Beispiele bei Kühner-Gerth sind etwa folgender Art: Wisse, dass auf mein Betreiben <getan worden ist, was> die Perser taten“ (Hdt. ” 8,80); sie wollten ihn in die Schlucht Kaiadas stürzen, wohinein sie eben die Übeltεter ” <stürzen>“ (Thuk.,1,134). Diese und die weiteren Beispiele zeigen, dass das brachylogisch weggelassene Wort jedenfalls immer im selben Sinn gebraucht wird, nur die Wortform oder die syntaktische Stellung εndert sich. Bei dem von Weidemann rekonstruierten Ausdruck hingegen ist gerade die Äquivokation wichtig, ’sein’ heisst nach seinen eigenen Ergεnzungen in den Klammern das erste Mal etwas anderes als das zweite Mal. Weiter kommt dazu, dass im Ausdruck aus der Frage ἐ ἶ /ἦ / ἶ der erste Teil ; in der Form des Infinitivs besteht. Das führt dazu, dass der erste Teil des Terminus ( ἦ ἶ dem ἦ ἶ ἐ * und dem ) identisch wird mit Terminus ἐ . έwischen muss aber eine Differenz bestehen bleiben. Sie ver- wenden ’sein’ in verschiedener Weise, wofür, wie erwεhnt, selbst Aristophanes Belege abgibt.12 (3) Wie steht es mit der Gliederung des Ausdrucks in /ἦ / ἶ , dem Hauptpunkt des Argumentes? Weidemann versucht, die von Bassenge, Conde und Sonderegger vorgeschlagene Gliederung des Ausdrucks in / ἦ / ἶ als unhaltbar zu erweisen. Für Bassenge hat der Vorteil dieser Gliederung darin bestanden, dass sie die Schwierigkeit der anderen Gliederung des Ausdrucks in vor dem ἶ / ἦ ἶ , den fehlenden Artikel erklεren zu müssen, nicht hat. Nun will Weidemann (83-84) diese letzere Gliederung akzeptabel machen, indem er eine sprachliche Erklεrung für das Fehlen dieses Artikels anbietet. Aristoteles soll sich folgende Frage gestellt haben: Was zu sein ” 13 heisst für etwas, zu sein?“ griechisch: * ἶ ἦ ἶ . Dies sei ein Identitεtssatz,14 in dem sowohl Subjekt ( ἶ ) als auch Prεdikat ( 12 ἶ ) substantivierte Belege Sonderegger 1983 (siehe Anm. 2) 31. Wer kann mir sagen, was das heisst? 14 Wenn das wirklich ein Identitεtssatz sein soll, ist zu fragen, wie er im ersten Teil eine Frage enthalten 13 6 Infinitive seien. In einem solchen Fall müsse (nach Kühner-Gerth, II-1, 592f.) der Artikel entweder an beiden Stellen stehen, wenn das Prεdikat entweder auf vorher Erwεhntes oder auf etwas mit dem Subjekt Identisches weise, oder aber ganz fehlen. Würde beide Male der Artikel gesetzt, entstünde ‹ ἶ ›ἦ ἶ , eine unschöne Hεu- fung von Artikeln, deshalb lasse ihn Aristoteles ihn eben an beiden Stellen weg. – Das Argument von Weidemann, es fehle eine Artikel vor ἶ Ausdruck in / ἦ / ἶ , entfεllt aber, wenn wir den gliedern, denn in dieser Gliederung hat das ἶ ja einen Artikel. Die von Weidemann vorgeschlagene Gliederung der Formel schafft überdies neue Probleme. έum einen ist das Fragewort des Terminus bereits im prεdikativen Ausdruck absorbiert, es bleibt kein Fragewort mehr für das Hauptprεdikat ἦ , der Gesamtausdruck ist keine Frage mehr. Doch hatte man – dieser Interpretation zufolge – ursprünglich fragen wollen Was hiess oder bedeutete eigentlich x?“ Im Weiteren wird in den vorgeschla” genen Übersetzungen das Fragepronomen auf ’sein’ bezogen. Damit ist es vom Prεdikat ( Was hiess…?“ ) auf den prεdikativen Ausdruck ( Was ist etwas?“ ) umgelagert. Und ” ” schliesslich bleibt bei Weidemann der aus angeblich sprachlichen Gründen ausgefallene, aber für sein Verstεndnis notwendige Artikel vor ἶ unübersetzt. Aber auch die Funktion des Artikels vor dem ganzen Ausdruck bleibt unklar. Im Terminus ἦ ἶ als der Substantivierung der verkürzten Frage“ in der Form, die ” Weidemann vorschlεgt, muss der erste Artikel έeichen der Substantivierung sein. In der zugehörigen Anmerkung (81, Anm. 7) jedoch verweist Weidemann auf zwei Stellen bei Kühner-Gerth, die etwas ganz anderes, nεmlich die έusammenstellung von Artikel und Fragepronomen zum Inhalt haben. Mit der umgangssprachlich eingeworfenen Frage ; Was denn?“ u. ε. unterbricht einer den Redenden rasch im Gesprεch. Danach würde ” ; als Fügung begründet; Prεdikate gibt es bei dieser Ausdrucksweise nie. Dann wεre der Artikel aber nicht mehr für die Substantivierung des ἦ ἶ ; da. kann, und wie ἦ im Sinne von hiess“ auch noch Prεdikat einer Frage sein kann. ” 7 (4) Als weiteres Argument gegen die traditionelle“ Gliederung zitiert Weidemann Schmitz ” 15 zustimmend: Innere Objekte gibt es nur bei Vorgangsverben…, nicht bei έustands” verben wie ´einai´…“ έustandsverben (und ἶ sei ein solches) könnten keinen inneren Akkusativ tragen. Es ist klar, dass das ἦ ; im Terminus kein innerer Akkusativ im eigentlichen Sinne sein kann, denn es ist ein verbaler Ausdruck, kein nominaler. Dennoch ist es in gleicher Weise wie dieser das Bestimmende, das … ἶ das Bestimmte, und das Bestimmende und das Bestimmte haben denselben sprachlichen Stamm. Dieser Sprachgebrauch ist sehr gut bezeugt. In den Ausdruckweisen, die gebildet sind wie ύ ἰ χ ά , ά ἰ , oder ἐ Ἰ ά auch die Frage ἰ , ῆ , auch in ὐ (Od. 15, 267), findet sich die syntaktische Stelle, an der ἦ ; steht. Bei beliebigen Verben, auch bei έustandsverben und ’sein’ finden sich adverbielle Ergεnzungen in einer Vielzahl sprachlicher Formen, abgesehen von Prεpositionalausdrücken und anderem auch adverbielle Akkusative, natürlich auch innere Akkusative.16 Das Griechische kann nahezu alles, jedenfalls beliebige Prεdikate, unter Beibehaltung ihrer adverbialen Bestimmungen, Objekte etc., in den Infinitiv setzen und substantivieren.17 Dies gilt auch für Ausdrücke mit ’sein.’ Aus Ausdrücken wie ἐ ἐ ῦ ἐ ἐ , ἶ ἶ ὰ , ῦ ἐ ῦ ἶ , entsteht ohne weiteres durch Substantivierung , ὰ ῦ ἶ (Beispiele nach L-S-J.) Τ ἐ , ἐ ἦ ist analog zu diesen substantivierten Ausdrücken zu verstehen. – Substantivier- te Infinitive, auch ’sein,’ können bei allen Autoren durch Einfügungen verschiedenster sprachlicher Art, sogar durch Sεtze oder Teile von Sεtzen, modifiziert werden. Deshalb 15 Weidemann (siehe Anm. 2) 79: Schmitz (siehe Anm. 5) 16, Anm. 25. Belege in den Grammatiken unter dem freieren“ oder adverbialen“ Akkusativ, der unter anderem ” ” auch solche des Inhalts und des Bezugs umfasst; E. Bornemann–E. Risch, Griechische Grammatik, Frankfurt am Main 1973, 1973, § 170; J. Humbert, Syntaxe grecque, Paris 1954, §§ 431-3; Schwyzer, 1966, II, 74ff. Sehr viele Beispiele für έustandsverben mit adverbiellen Akkusativen bei R. Kühner B. Gerth, Ausfξhrliche Grammatik der Griechischen Sprache, Hannover / Leipzig 1904, II-1, 303-318. 17 Bornemannn-Risch (siehe Anm. 13) § 147.4 und § 236; auch ἶ kann eine Palette von Ergεnzungen haben: Liddell-Scott-Jones, s. v. ἰ , C. 16 8 kann auch die Frage ῦ ἦ ; als eine solche Modifikation dienen. Statt z. B. /ἐ ῦ ῳ/ ἶ ; ( …weil du in einer solche Lage bist…,“ Xenophon, Anabasis I, 7, 5) ” heisst es jetzt eben / ἦ / ἶ . Der Ausdruck bei Xenophon ist eine historische Bemerkung, der bei Aristoteles ein philosophischer Terminus. Der modifizierende Ausdruck hat verschiedene sprachliche Form, aber dieselbe Funktion. Dem Ausdruck Das ” Sein – in einer solchen Lage“ korrespondiert im Aufbau Das Sein – in der Frage ” ἦ ;“ Der philosophische Terminus gibt an, dass die Frage nach dem Ersten im Sein die Verwendung von ’sein’ in der Frage ἦ ; als Leitfaden nehmen kann. Als Fazit dieser Überprüfung ergibt sich, dass die Einschrεnkungen von Schmitz und Weidemann also nicht gelten, und dass die von Bassenge und anderen vorgeschlagene Gliederung auch mit den Argumenten von Weidemann noch nicht widerlegt ist. Im Übrigen spricht immer noch die formale Analogie zu den Dativ-Ausdrücken für diese Gliederung ( ἦ / ἶ entspricht / / ἶ / usw.), auch wenn daraus nicht die direkte sprachliche Ableitbarkeit folgen muss.18 Nicht erst Liddell-Scott-Jones (489a, s. v. F, wo allerdings noch an der idealisti” schen“ Interpretation festgehalten wird), Bassenge und Conde gliedern den Ausdruck / ἦ / ἶ ge in den substantivierten Infinitiv … ἶ mit der modifizierenden Fra- ἦ ; Viel früher haben schon Alexander von Aphrodisias (im Topik-Kommentar), in der Renaissance Budaeus, den Ausdruck auf die umgangssprachliche attische Frage bezogen (in den Aristophanes-Scholien als solche vermerkt), was zur vorgeschlagenen Gliederung des Ausdrucks führt. Schliesslich setzt auch das Griechische Wörterbuch von Demetrakos den Ausdruck mit ῦ ἦ ᾶ ; in Beziehung.19 Diese Auf- teilung ist also weder phantastisch“ noch ein Gefasel,“ sondern hat offensichtlich ein ” ” 18 Nachweise Sonderegger 1983 (siehe Anm. 2) 21; 2012 (siehe Anm. 2) 186–190 wird die Herkunft der Dativ-Ausdrücke aus der platonischen Ausdrucksweise ῲ ῷ ὰ ὰ ά aufgezeigt. Danach ist der Dativ eher instrumental-modal als possessiv (so traditionell, auch Frede-Patzig) zu verstehen. 19 Alexander in der Erlεuterung zu Topik,101b39, Commentaria in Aristotelem Graeca II 2, p. 42, vielleicht mit Anspielung auf Aristophanes Plutos 1097; G. Budaeus, Commentaria Linguae Graecae, Paris 1548, 101f., 181f., D. Demetrakos, Μέγα έ ῆ Ἑ η ῆ Γ ώ η , Athen 1954-8, III, 2273. 9 Fundament in der Sprache.20 Die eingebaute Frage hat, wie die anderen Anführungen ( ἔ , ὅ , usw.), die Funktion der έitierung (wie auch Conde denkt). Sie erinnert den Leser an das, was er je bei der eigenen Verwendung der Frage denkt. In dieser Frage scheint man im Attischen einen Gebrauch von ’sein’ zu haben, der grundlegend ist für das, wonach Aristoteles unter dem Titel ώ ὐ fragt. Deshalb kann Aristoteles sie brauchen, um auf je- nes Erste hinzuweisen, in Bezug worauf wir ’sein’ je verschieden vielfεltig sagen (was Conde allerdings für absurd hεlt). Im Deutschen wirkt das viel unbeholfener, aber auch hier lεsst sich ein Übergang denken von der ausdrücklichen Formulierung Es gibt ei” nen Typ von Frage, den man mit ’was ist x?’ formal darstellen kann“ zu einer verkürzten Form die ’Was-ist-x?’-Frage.“ Der eingeklammerte Ausdruck ’Was-ist-x?’ entspricht ” formal dem Griechischen ἦ ;, die Klammer das…Fragen“ dem … ἶ . Oder, um ” ein griechisches Beispiel zu bilden: ; ist ein in platonischen Dialogen hεufiger Ausdruck. Hier ist in einer spezifischen Weise verwendet. Wenn man nun genau diese thematisieren möchte, könnte man einen Ausdruck bilden ; . Seine Übersetzung müsste etwa lauten das ’reden,’ wie es in der Frage ’was meinst ” du?’ verwendet wird.“ Entsprechend ἦ ἶ : Das ’sein,’ wie es in der Frage ” ’Was ist das eigentlich?’ gemeint ist.“ Um zum Verstεndnis des Ausdrucks zu gelangen, ist es wichtig, wirklich einige Stellen in den Komödien von Aristophanes zu lesen, die die Frage ἐ ῦ ἦ ; enthalten, und als Kontrast dazu auch solche mit der Frage ; Nur so kann sich der richtige Eindruck ihres Gebrauchs einstellen, diese Lektüre ist durch nichts zu ersetzen.21 Die philosophische Auskunft, sie enthalte eben Momente der Einzelnheit, des unmittelbaren Vorliegens, der Erstlichkeit oder Prioritεt eines Gegebenen usw. ersetzen das in der Lektüre erworbene Verstεndnis für das Besondere der Frage nicht. 20 E. Tugendhat in der Rezension der Metaphysik-Übersetzung von Bassenge, Gnomon 33, 1961, 705, Anm. 1; Schmitz (siehe Anm. 5) 16. 21 Liste zu Stellen bei Aristophanes mit ἦ für Gegenwεrtiges bei Sonderegger 1983, S. 28 (Vögel 877 ist zu korrigieren in 859); Conde behandelt nicht alle davon, dafür aber Platon Symposion 213b6-9. 10 Mit seinem Bezug auf die Umgangssprache und mit seiner Verwendung als Anführung steht der Ausdruck ἦ ἶ bei weitem nicht allein. Ein erheblicher Teil der Aristo- telischen Terminologie ist so gebaut (z. B. Kategorien, die Gründe und Ursachen, das, ” wonach gefragt wird,“ und viele andere mehr). Das wird unterdessen zwar allgemein anerkannt, aber wenig ausgenutzt.22 Wenn die Beobachtung bei diesem Ausdruck – und damit bei der ganzen Gruppe, zu der er gehört – richtig ist, hat das zur Folge, dass die Frage dringlich ist, weshalb Aristoteles sich bei der Bildung eines gewichtigen Teils seiner Termini auf die Umgangssprache bezogen hat. Es bleibt dann nicht bei einer Einzelbeobachtung, sondern der Grund für diesen Teil des Gerüstes des aristotelischen Denkens steht in Frage. Platon hat im Sophistes 254d–e ὐ und ά aus der Rede selbst als einen neu- en Typ von Begriffen entwickelt, Aristoteles hat aus dieser Entdeckung ein System gemacht. Das Neue dieser Begriffe besteht darin, dass sie durch ’Anführung,’ d. h. durch Verweis auf die faktische Rede, auf das zu Reflektierende Bezug zu nehmen erlauben. So wird es möglich, die Doxa über die ὐ ohne neue Behauptungen über diese zu thematisieren und zu befragen, nur unter Hinweis auf das je schon Gesprochene. Die herrschende Meinung, Aristoteles lege sich im ersten Satz von Metaphysik έ 3 eine Liste von Kandidaten für die ώ ὐ vor, um dann den geeignetsten daraus aus- zuwεhlen, muss sich in Frage stellen lassen. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die vier ( ἦ ἶ , , , ὐ ) nichts anderes als in philoso- phischer Terminologie gefasste Meinungen (im Falle des ἦ ἶ unter Einbezug der umgangssprachlichen Ausdrucksweise) sind über das, was das Erste im Sein ist. Das έiel der Prüfung in Metaphysik έ ist dann aber nicht mehr die Auswahl des einen davon als ὐ , sondern die Prüfung eben dieser Meinungen zwecks Gewinnung von Kriterien für das Erste und Eine im Sein. 22 W. Wieland, Die Aristotelische Physik, Göttingen 1962, spez. § 12; H. Flashar, in dem von ihm herausgegebenen Band Grundriss der Geschichte der Philosophie, Antike 3, Basel 1983, 424. 11 Dr. Erwin Sonderegger Titularprofessor Universitεt έürich, Schweiz Eichweidstrasse 30 CH-8820 Waedenswil Schweiz erwinso@bluewin.ch 12