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Die preußischen Lungenheilstätten 1863-1934

2015

Der tatsächliche (oder zumindest vermeintliche) medizinische Fortschritt bedingte das Ende der Heilstättenbewegung und führte zu einem Wandel in der Verwendung der Einrichtungen. Da die Anlagen aber weiterhin unter der Bezeichnung "Heilstätte" wahrgenommen wurden und in vielen Anstalten die Anwendung des traditionellen Behandlungskonzeptes teilweise beibehalten wurde, war auch auf die Frage des späteren Schicksals der Häuser ausführlich einzugehen. Dabei sind auch die unterschiedlichen Verhältnisse in den ehemaligen preußischen Provinzen (alte Bundesländer, neue Bundesländer und heute zu Polen und Russland gehörende Gebiete) beachtet worden.

Aus dem Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin DISSERTATION Die preußischen Lungenheilstätten 1863-1934 (unter besonderer Berücksichtigung der Regionen Brandenburg, Harz und Riesengebirge) zur Erlangung des akademischen Grades Doctor rerum medicarum (Dr. rer. medic.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin von Andreas Jüttemann aus Berlin Datum der Promotion: 11.12.2015 2 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ......................................................................................................................... 8! Abstract ....................................................................................................................................... 9! 1 Einleitung ................................................................................................................................. 11! 1.1 Herleitung der Aufgabenstellung ....................................................................................... 14! 1.2 Stand der Forschung ........................................................................................................... 16! 1.3 Material und Methode ........................................................................................................ 17! 2 Die Tuberkulose und ihre Bekämpfung ................................................................................ 20! 2.1 Geschichtliches................................................................................................................... 20! 2.2 Die Charakteristika der Erkrankung ................................................................................... 21! 2.3 Sozialgeschichtliche Hintergründe ..................................................................................... 23! 2.4 Sozialgesetzliche Grundlagen des Heilstättenwesens ........................................................ 24! 2.5 Die Geschichte der Heilstättenbewegung .......................................................................... 28! 2.5.1 Die Anfänge der Heilstättenbewegung ....................................................................... 28! 2.5.2 Die Volksheilstätten der Invalidenversicherung und der wohltätigen Vereine........... 31! 2.5.3 Höhepunkte der Entwicklung des Heilstättenwesens.................................................. 33! 2.5.4 Die Situation nach dem Auslaufen der Heilstättenbewegung ..................................... 37! 2.5.4.1!!Der!Umbau!der!Heilstätten!in!chirurgische!Fachkrankenhäuser!....................................................!37! 2.5.4.2!!Das!Heilstättenwesen!im!Nationalsozialismus!................................................................................!38! 2.5.4.3!!Der!medikamentöse!Wandel!in!der!Tuberkulosebehandlung!........................................................!40! 2.6 Das Behandlungsprogramm in den Heilstätten .................................................................. 41! 2.6.1 Zentrale Aspekte der Heilstättenkur ............................................................................ 42! 2.6.2 Die Aufnahme und der Tagesablauf............................................................................ 43! 2.6.3 Die Luftkur und das methodische Bergsteigen ........................................................... 45! 2.6.4 Die diätetische Behandlung ......................................................................................... 47! 2.6.5 Die Lungenheilstätte als „Lehranstalt“ ....................................................................... 50! 2.6.6 Das Konzept „psychische Hygiene“ ........................................................................... 52! 2.6.7 Die Hydrotherapie ....................................................................................................... 53! 2.6.8 Die besondere Behandlung der fieberkranken Tuberkulösen ..................................... 54! 2.6.9 Der Erfolg der Heilstättenbewegung ........................................................................... 55! 2.7 Patientenstatistik................................................................................................................. 60! 2.8 Bedeutende Tuberkuloseärzte in der Zeit der Heilstättenbewegung .................................. 66! 2.9 Architekten der Heilstätten................................................................................................. 68! 3 2.10 Die Rezeption der klassischen Heilstättenbehandlung in der Literatur ........................... 73! 2.10.1 Das Lungensanatorium in Thomas Manns „Der Zauberberg“ .................................. 73! 2.10.2 Die Lebensform in den Volksheilstätten - am Beispiel von Moritz Brommes „Lebensgeschichte eines modernen Fabrikarbeiters“ ........................................................... 77! 2.10.3 Das Krankenhaus-Tagebuch des tuberkulosekranken Joachim Ringelnatz .............. 81! 3 Zur Lage, Ausstattung und Geschichte der einzelnen preußischen Lungenheilstätten 86! 3.1 Überblick über die preußischen Lungenheilstätten ............................................................ 88! 3.2 Die Lungenheilstätten in der Provinz Brandenburg ........................................................... 94! 3.2.1 Beelitz-Heilstätten ....................................................................................................... 94! 3.2.2 Kolkwitz, Cottbus...................................................................................................... 101! 3.2.3 Grabowsee, Oranienburg ........................................................................................... 104! 3.2.4 Hohenlychen.............................................................................................................. 109! 3.2.5 Belzig ........................................................................................................................ 115! 3.2.6 Treuenbrietzen ........................................................................................................... 119! 3.2.7 Stadtforst, Rathenow ................................................................................................. 122! 3.2.8 Müllrose .................................................................................................................... 126! 3.2.9 Sommerfeld, Kremmen ............................................................................................. 129! 3.2.10 Sternberg (Torzym) ................................................................................................. 133! 3.2.11 Trebschen (Trzebiechów) ........................................................................................ 136! 3.2.12 Weitere Einrichtungen............................................................................................. 139! 3.3 Die Lungenheilstätten im Harz ........................................................................................ 141! 3.3.1 Felixstift, St. Andreasberg ......................................................................................... 141! 3.3.2 Oderberg, St. Andreasberg ........................................................................................ 144! 3.3.3 Glückauf, St. Andreasberg ........................................................................................ 148! 3.3.4 Erbprinzentanne, Clausthal-Zellerfeld ...................................................................... 149! 3.3.5 Schwarzenbach, Clausthal-Zellerfeld........................................................................ 151! 3.3.6 Königsberg, Goslar.................................................................................................... 153! 3.3.7 Johanniter-Heilstätte, Sorge ...................................................................................... 156! 3.3.8 Knappschaftsheilstätte, Sülzhayn .............................................................................. 158! 3.3.9 Albrechtshaus und Marienheim, Stiege .................................................................... 161! 3.3.10 Harzgerode-Schielo ................................................................................................. 165! 3.4 Die Lungenheilstätten im Riesengebirge ......................................................................... 168! 3.4.1 Dr. Brehmer, Görbersdorf (Sokołowsko) .................................................................. 169! 4 3.4.2 Dr. Römpler, Görbersdorf (Sokołowsko) .................................................................. 177! 3.4.3 Dr. Weicker, Görbersdorf (Sokołowsko) .................................................................. 178! 3.4.4 Schmiedeberg (Kowary) ........................................................................................... 181! 3.4.5 Hohenwiese (Wysoka Łąka) und Buchwald (Bukowiec) ......................................... 183! 3.4.6 Landeshut (Kamienna Góra) ..................................................................................... 186! 3.4.7 Moltkefels, Schreiberhau (Szklarska Poręba) ........................................................... 189! 3.4.8 Privatsanatorien in der Umgebung von Schreiberhau ............................................... 192! 3.5 Die Lungenheilstätten im übrigen Preußen ...................................................................... 194! 3.5.1 Provinz Schlesien (ohne Riesengebirge) ................................................................... 194! 3.5.1.1!!Bad!Reinerz!(DusznikiJZdrój)!.........................................................................................................!194! 3.5.1.2!!BreslauJHerrnprotsch!(Pracze!Odrzańskie)!...................................................................................!195! 3.5.1.3!!Loslau!(Wodzisław!Śląski)!..............................................................................................................!196! 3.5.1.4!!Slawentitz!(Sławięcice)!..................................................................................................................!197! 3.5.1.5!!Bad!Ziegenhals!(Głuchołazy)!.........................................................................................................!198! 3.5.1.6!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!199! 3.5.2 Provinz Schleswig-Holstein ...................................................................................... 200! 3.5.2.1!!EdmundsthalJSiemerswalde!..........................................................................................................!201! 3.5.2.2!!Großhansdorf!................................................................................................................................!203! 3.5.2.3!!Mölln!.............................................................................................................................................!203! 3.5.2.4!!Westerland!(Sylt)!...........................................................................................................................!204! 3.5.2.5!!Bargfeld!.........................................................................................................................................!205! 3.5.2.6!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!206! 3.5.3 Provinz Westfalen ..................................................................................................... 206! 3.5.3.1!!HagenJAmbrock!.............................................................................................................................!206! 3.5.3.2!!MeschedeJBeringhausen!...............................................................................................................!209! 3.5.3.3!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!211! 3.5.4 Rheinprovinz ............................................................................................................. 212! 3.5.4.1!!WuppertalJRonsdorf!.....................................................................................................................!212! 3.5.4.2!!Waldbreitbach!...............................................................................................................................!214! 3.5.4.3!!Rosbach!(Sieg)!...............................................................................................................................!216! 3.5.4.4!!EssenJHolsterhausen!.....................................................................................................................!217! 3.5.4.5!!Waldhof!Elgershausen!...................................................................................................................!218! 3.5.4.6!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!219! 3.5.5 Provinz Pommern ...................................................................................................... 221! 3.5.5.1!!StettinJHohenkrug!(Zdunowo)!......................................................................................................!221! 3.5.5.2!!Siloah,!Kolberg!(Kołobrzeg)!...........................................................................................................!223! 5 3.5.5.3!!Andere!Heilstätten!in!Kolberg!.......................................................................................................!225! 3.5.5.4!!Weitere!Einrichtungen!in!Pommern!.............................................................................................!226! 3.5.6 Provinzen Posen und Westpreußen ........................................................................... 226! 3.5.6.1!!BrombergJMühlthal!(Bydgoszcz)!...................................................................................................!226! 3.5.6.2!!Hohensalza!(Inowrocław)!..............................................................................................................!228! 3.5.6.3!!MeseritzJObrawalde!(Obrzyce)!.....................................................................................................!229! 3.5.6.4!!Obornik!(Oborniki)!........................................................................................................................!231! 3.5.6.5!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!232! 3.5.7 Provinz Ostpreußen ................................................................................................... 234! 3.5.7.1!!Frauenwohl,!Allenstein!(Olszytn)!..................................................................................................!234! 3.5.7.2!!Hohenstein!(Olsztynek)!.................................................................................................................!236! 3.5.7.3!!Tilsit!(Sowjetsk)!.............................................................................................................................!239! 3.5.7.4!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!240! 3.5.8 Provinz Sachsen (ohne Harz) .................................................................................... 241! 3.5.8.1!!GommernJVogelsang!....................................................................................................................!241! 3.5.8.2!!Lostau!............................................................................................................................................!242! 3.5.9 Provinz Hannover (ohne Harz) ................................................................................. 243! 3.5.9.1!!HannoverJHeidehaus!.....................................................................................................................!243! 3.5.9.2!!Weitere!Einrichtungen!..................................................................................................................!243! 3.5.10 Provinz Hessen-Nassau ........................................................................................... 244! 3.5.10.1!!Melsungen!...................................................................................................................................!244! 3.5.10.2!!Oberkaufungen!...........................................................................................................................!245! 3.5.10.4!!WiesbadenJNaurod!.....................................................................................................................!246! 3.5.10.5!!KelkheimJRuppertshain!...............................................................................................................!247! 3.5.10.6!!KönigsteinJFalkenstein!................................................................................................................!248! 3.5.10.7!!Weilmünster!................................................................................................................................!249! 3.5.11 Verwaltungsbezirk Berlin ....................................................................................... 249! 3.5.11.1!!Buch!.............................................................................................................................................!251! 3.5.11.2!!Malchow!......................................................................................................................................!251! 3.5.11.3!!Blankenfelde!...............................................................................................................................!252! 3.5.11.4!!Gütergotz!....................................................................................................................................!252! 3.5.11.5!!WestJBerliner!Ersatzheilstätten!nach!1945:!Heckeshorn!und!Havelhöhe!..................................!253! 4 Heilstätten mit regionalem Bezug zu Preußen .................................................................... 256! 4.1 Oranienbaum (Herzogtum Anhalt)............................................................................... 256! 4.2 Königreich Sachsen ...................................................................................................... 257! 4.2.1!!Reiboldsgrün!....................................................................................................................................!257! 4.2.2!!Albertsberg!.......................................................................................................................................!259! 6 4.2.3!!Carolagrün!........................................................................................................................................!259! 4.2.4!!Hohwald!...........................................................................................................................................!260! 4.2.5!!Weitere!Heilstätten!in!Sachsen!........................................................................................................!261! 4.3 Bad Berka (Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach) ................................................... 263! 4.4 Preußische Heilstättenbewegung in Südwestafrika...................................................... 265! 5 Diskussion .............................................................................................................................. 268! 5.1 Ergebnisse zum Hauptteil der gestellten Aufgabe ........................................................... 268! 5.2 Das Ergebnis zu den nachrangigen Zielsetzungen ........................................................... 270! 5.3 Vergleichende Betrachtungen .......................................................................................... 270! 5.4 Der Wandel der Einrichtungen ......................................................................................... 271! 5.5 Bewertungsaspekte (Thesen)............................................................................................ 272! 5.6 Abgrenzung zu anderen Forschungsarbeiten ................................................................... 273! 5.7 Ausblick ........................................................................................................................... 274! Streszczenie ................................................................................................................................ 275! Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 277! Archivalien .............................................................................................................................. 286! Danksagung................................................................................................................................ 289! Eidesstattliche Versicherung .................................................................................................... 290! Lebenslauf .................................................................................................................................. 292! Publikationsliste ........................................................................................................................ 293! Anhang ....................................................................................................................................... 295! 7 Zusammenfassung Für die Region Preußen wurde die medizingeschichtliche Bedeutung jener Entwicklung untersucht, die unter der Bezeichnung „Heilstättenbewegung“ im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Preußen besondere Bedeutung erlangte. Alle preußischen Lungenheilstätten in der Größenordnung von mindestens 75 Betten wurden erfasst und miteinander verglichen. Die Erhebung betraf sowohl die Situation der Patientinnen und Patienten als auch die Lage, die bauliche Struktur, die personelle Ausstattung und die therapeutische Ausrichtung der Anstalten. Literarische Darstellungen des Patientenalltags wurden in die Betrachtung einbezogen. Im Hinblick auf die Entstehung der Bewegung erfolgte eine besondere Hervorhebung des Gründers Brehmer und der ersten Heilstätte im schlesischen Görbersdorf. Näher auszuführen war, dass mit der Verabschiedung der Sozialversicherungsgesetze erstmals auch die ärmeren Schichten an dem entwickelten Behandlungsprogramm teilhaben konnten. Zu den Einzelerkenntnissen gehörte das Bestreben der Landesversicherungsanstalten, in erster Linie denjenigen Kranken einen Genesungsaufenthalt zu ermöglichen, bei denen die Aussicht auf Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit realistisch erschien. Ein ebenso wichtiges Ergebnis der Studie betrifft die Tatsache, dass in den traditionellen Heilstätten nur in seltenen Fällen Schwerkranke aufgenommen wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg verzichteten die Landesversicherungsanstalten weitgehend auf den Bau neuer Heilstätten und setzten verstärkt auf das Programm, sog. Fürsorgestellen einzurichten. Deren prophylaktische Funktion bestand vor allem darin, die Bevölkerung über die Gefahren der Tuberkulose aufzuklären und Schutzmaßnahmen anzuraten. Außerdem ging man dazu über, Heilstätten zu chirurgischen Fachkrankenhäusern für Tuberkulose umzubauen, um auch schwerer erkrankten Personen helfen zu können. Im Laufe der 1920er Jahre endete die Heilstättenbewegung, weil das Brehmer-Dettweiler’sche Prinzip in Preußen vielerorts für entbehrlich gehalten wurde. Das gilt insbesondere für die Zeit nach der Entdeckung des Antibiotikums Streptomycin, das in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals zum Einsatz kam. Der Bedarf an Lungenheilstätten nahm danach stetig ab. Die letzten Anstalten ihrer Art schlossen in Deutschland in den 1980er Jahren. In den seit 1945 zu Polen gehörenden ehemaligen preußischen Provinzen bestehen hingegen teilweise heute noch Facheinrichtungen für Atemwegserkrankungen in den historischen Heilstätten-Gebäuden. 8 Der tatsächliche (oder zumindest vermeintliche) medizinische Fortschritt bedingte das Ende der Heilstättenbewegung und führte zu einem Wandel in der Verwendung der Einrichtungen. Da die Anlagen aber weiterhin unter der Bezeichnung „Heilstätte“ wahrgenommen wurden und in vielen Anstalten die Anwendung des traditionellen Behandlungskonzeptes teilweise beibehalten wurde, war auch auf die Frage des späteren Schicksals der Häuser ausführlich einzugehen. Dabei sind auch die unterschiedlichen Verhältnisse in den ehemaligen preußischen Provinzen (alte Bundesländer, neue Bundesländer und heute zu Polen und Russland gehörende Gebiete) beachtet worden. Abstract In this dissertation, I want to introduce the history of tuberculosis sanatoria in Prussia in late 19th and early 20th century and will show the current situation of the old hospital buildings in Germany and Poland. There are three main focus regions: The historical Prussian province of Brandenburg and the two Prussian mountain regions of Harz and Riesengebirge (Silesia). I also explore all Prussian tuberculosis sanatoria with more than 75 beds for adults. The history of the „Heilstätte“ (tuberculosis sanatoria) in Prussia begins with the young physician Dr. Hermann Brehmer. He established a sanatorium in the Silesian mountain village of Görbersdorf in which he developed his “hygienic-dietetic” program. Brehmer believed that the causes of tuberculosis were a small heart and large lungs and not just malnutrition and badly ventilated and unhygienic flats. Only suitable dietary treatment in an area with good climatic conditions with no history of tuberculosis could aid recovery. Regional retirement and disability insurance was founded in the German Empire in the last quarter of 19th century. The focus of the study was the detailed analysis of the development and change of the sanatorium movement, the treatment programs and the tuberculosis facilities. I also analyze the circumstances of the patients, the architecture and the treatment in the sanatoria. I visited a lot of the sites in Germany and Poland and looked at their current status. The Prussian disability insurance companies provide facilities for the treatment of tuberculosis patients in order to prevent the spread of the disease wherever possible. Because of this, the construction of sanatoria offering Brehmers hygienic-dietetic program became a trend, the number of sanatoria in Prussia increased. Medical progress brought an end to the sanatorium 9 movement and led to a change in the use of the facilities. Because the sites were still known as “Heilstätte” and many of them still used traditional practices, the question of the later fate of these institutions required detailed examination. The sanatorium movement came to an end in the 1920s and was replaced by surgery. After the discovery of the antibiotic streptomycin in the late 1940s the need for tuberculosis sanatoria fell steadily. The last surviving sites in Germany closed in the 1980s. Some of the former Prussian sanatoria which passed into Polish hands after 1945 are still today, in part, specialized institutions for the treatment of tuberculosis and lung diseases. 10 „Es ist nicht die rein physische Lungentuberkulose; es ist jene seelische Komponente, die […] durch die Sanatoriumsatmosphäre zu üppiger Fülle entfaltet und nun ihrerseits zu einem leisen, aber unermüdlichen psycho-physischen Antrittsmotor des körperlichen Krankbleibens […] wird.“1 1 Einleitung Der medizinhistorische Wert einer Arbeit über die Einrichtung besonderer Anstalten für die Behandlung der Tuberkulose in Preußen liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass es sich um ein Geschehen handelt, für das sich die Bezeichnung „Heilstättenbewegung“ als angemessen erwiesen hat. Die Ausbreitung der Tuberkulose hatte am Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund gesundheitsbelastender Zustände in Preußen einen Höhepunkt erreicht, aber die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie die staatliche Organisation erlaubten es auch, in großem Stil Maßnahmen zu ergreifen, um der Zunahme der Erkrankungen entgegenzutreten. Daraus resultierte das Entstehen einer bedeutenden Kampagne mit nachhaltigen Wirkungen. Diese Entwicklung zu untersuchen und zu dokumentieren, die wegen ihrer großen medizinischen und sozialen Bedeutung nicht in Vergessenheit geraten sollte, bildet die zentrale Zielsetzung der vorliegenden Arbeit. In Teilfragestellungen geht es dabei um die Geschichte der Behandlungspraxis und der baulichen Realisierung der Anstalten. Zum einen soll damit ein Gesamtüberblick über das Ausmaß der Bewegung ermöglicht werden, zum anderen ist beabsichtigt, die einzelnen Heilstätten, die heute zum Teil nur noch als Ruinen existieren, in ihrer je besonderen Erscheinungsform historisch zu würdigen. Die Einrichtung „Heilstätte“ entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland und der Schweiz. Im Hinblick auf die Tuberkulose erwies sich die Bezeichnung „Krankenhaus“ insofern als ungeeignet, als nicht beabsichtigt war, eine „klinische“ Behandlung durchzuführen, sondern eine Besserung des Gesundheitszustands durch einen Ortswechsel, eine Unterbrechung der Berufstätigkeit, eine Ernährungsumstellung, eine sog. hygienische Belehrung und eine im weitesten Sinne psychisch wirksam werdende Einflussnahme zu erreichen. Die vorliegende Arbeit ist deshalb nicht in erster Linie als ein medizinhistorischer Beitrag zur Geschichte des Krankenhauses zu verstehen. Vielmehr soll eine einzigartige medizinische Institution geschichtlich betrachtet werden, in der vor allem allgemein gesundheitsfördernde sowie 1 Willy Hellpach, Die „Zauberberg“-Krankheit, Die Medizinische Welt, 1, 1927, S. 1427 11 pädagogisch und psychologisch orientierte Interventionen angestrebt wurden. Die traditionellen Heilstätten gab es als Einrichtungen für Erwachsene und Kinder im Vor- oder Anfangsstadium der Erkrankung. Mithilfe diätetischer Verfahren, der hygienischen „Belehrung“ und einer Ruhe- bzw. Liegekur konnten häufig Besserungen des Gesundheitszustands erzielt werden. Die im engeren Sinne klinische Behandlung der Volkskrankheit Tuberkulose setzte erst mit dem Aufkommen der chirurgischen Therapie nach dem Ersten Weltkrieg ein. Das klassische Heilstättenkonzept verlor damit seine wesentliche Funktion, behielt aber im Nachkur- und Rehabilitationskontext weiterhin eine partielle Bedeutung. Zu Beginn der 1930er Jahre waren fast alle Heilstätten zu Tuberkulose-Fachkrankenhäusern mit chirurgischer Abteilung umgebaut worden. Umgangssprachlich blieb der Terminus „Lungenheilstätte“ jedoch weiterhin geläufig. Der Begriff Heilstätte erfuhr auf diese Weise gleichsam eine Erweiterung und wurde - wenngleich nur im Hinblick auf die Behandlung der Tuberkulose zu einem Synonym für den Ausdruck Fachkrankenhaus. Die erste prototypische Lungenheilstätte Europas entstand 1863 im schlesischen Görbersdorf. Dort hatte der Arzt Dr. Hermann Brehmer schon seit 1854 in einem kleinen Privathaus Tuberkulöse betreut, an denen er sein „hygienisch-diätetisches“ Behandlungskonzept erprobte. Brehmers Wahl fiel auf das Riesengebirgsvorland, weil er der Auffassung war, dass in dieser Gegend die Tuberkulose nicht vorkäme und insofern auch ideale Bedingungen für eine Gesundung vorlägen. Brehmers Kurprogramm erwies sich als erfolgreich und wurde deshalb schnell bekannt. Privatanleger oder durch Spendengelder finanzierte Heilstättenvereine folgten nach 1863 Brehmers Beispiel und gründeten ähnliche Einrichtungen. So entstand die Heilstättenbewegung. Im Jahre 1882 entdeckte Robert Koch den Tuberkelbazillus. Dieser medizinische Fortschritt wurde zunächst als Ausgangsgrundlage für eine kurzfristig möglich erscheinende systematische medikamentöse Bekämpfung der Krankheit Tuberkulose verstanden. Koch entwickelte mit dem „Tuberkulin“ auch ein Mittel, von dem er annahm, die Tuberkulose damit heilen zu können. Das wäre das Ende oder zumindest ein starker Bedeutungsverlust für die Heilstättenbewegung gewesen. Doch der erhoffte Behandlungserfolg blieb aus. Als die Tuberkulin-Kur nicht die gewünschte Wirkung zeigte, wurde wieder auf den Bau von Heilstätten gesetzt. Zeitweilig herrschte in der Medizin die Meinung vor, nur der Aufenthalt in besonderen 12 Höhenlagen (Schweiz) oder am Meer (Mittelmeer, Nordsee) verspräche Besserung. Doch schon bald konnte auch die heilende Wirkung eines Kuraufenthalts in Waldgebieten der norddeutschen Tiefebene oder der Mittelgebirge nachgewiesen werden. Diese Erkenntnis war in der Bekämpfung der Tuberkulose ein wichtiger Schritt, da nunmehr selbst in der Nähe von Großstädten und Ballungsgebieten Heilstätten errichtet werden konnten. Aufgrund einer vielfältigen Errichtung von neuen Häusern erhielten auch Kranke aus weniger begüterten Bevölkerungsschichten die Chance eines Heil- und Kuraufenthalts. Behandlungen in Davos oder Arosa ließen sich für diese Personengruppe vorher nicht finanzieren. Jetzt boten, auch außerhalb des Hochgebirges, die klimatischen Heilkräfte der preußischen Landschaften - Sonne und frische Waldluft, kombiniert mit einem strikt durchgeplanten Ernährungs- und Kurprogramm - Aussicht auf eine Wiederherstellung der Gesundheit. Vor allem in der Arbeiterschicht war ein erheblicher Teil der Bevölkerung von der „Schwindsucht“, wie die Tuberkulose auch genannt wurde, betroffen. Deshalb sahen sich in den 1890er Jahren (seit der Verabschiedung der ersten Sozialgesetzgebung) die entstehenden Landesversicherungsanstalten (LVA) in der Pflicht, in größer Zahl Heilstätten zu errichten. Sie bauten in erster Linie Anstalten für ihre eigenen Versicherten. Vor allem diese Einrichtungen lagen nicht mehr ausschließlich im Gebirge, sondern auch im Flachland, und sogar in der Nähe größerer Städte. Während des Kuraufenthalts der Erkrankten wurden nunmehr oftmals auch die Familien finanziell unterstützt. Überbleibsel der traditionellen Behandlungsstätten für die „Volkskrankheit Schwindsucht“ sind auf dem Gebiet des einstigen Preußens heute noch zahlreich zu finden, so vor allem in der Provinz Brandenburg, im Harz und im Riesengebirge (den Schwerpunkt-Regionen der Heilstättenbewegung). Die nur selten noch gut erhaltenen Klinikgebäude, die in der Vergangenheit der Behandlung der Tuberkulose dienten, stehen fast immer in Waldgebieten. Häufig konnten diese Häuser nach der - vor allem als Folge der in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein eingeführten Schutzimpfung und der zugleich möglich gewordenen medikamentösen Behandlung - weitreichenden Verdrängung der Krankheit nicht mehr weiterverwendet werden und waren dem Verfall preisgegeben. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf jene ehemals preußischen Gebiete, die zwischen 1949 und 1990 zur DDR gehörten. Nutzungsmöglichkeiten lagen hier auch nach der politischen Wende 1989/1990 nur in eingeschränktem Maße vor, weil es ja die Abgeschiedenheit der Waldregionen war, die einst für die Errichtung der Anlagen den Ausschlag gab. Eine infrastrukturell sinnvolle Anbindung an größere Wohngebiete kam somit 13 kaum in Betracht. Zu einer Heilstätte gehörten viele Gebäude. Auf riesigen Arealen entstanden z.T. pittoresk anmutende Klinikbauten. Die Orte sollten den Patientinnen und Patienten für mehrmonatige Aufenthalte eine „Heimstatt“ bieten. Das erforderte eine differenzierte Anstaltsstruktur. So wurden die Klinikanlagen oftmals zu kleinen Ansiedlungen mit Geschäften, Werkstätten und landwirtschaftlichen Teilbetrieben. Die Einrichtungen waren zumeist voll belegt und galten als bewährt, bis in den 1920er Jahren mit der Ausbreitung der chirurgischen Behandlung langsam der Umbruch einsetzte. In die ehemaligen Heilstätten (die im Volksmund weiterhin so hießen), die nach dem Zweiten Weltkrieg zur sowjetischen Besatzungszone gehörten, zog oftmals die Rote Armee ein und nutzte sie als Militärlazarette. Manche Anlagen wurden dabei sukzessive heruntergewirtschaftet, sodass nach der Wende eine Weiterverwendung als Krankenhaus schon wegen des enormen Kostenaufwands für die Renovierung nicht mehr vertretbar erschien. So kam es, dass insbesondere in den neuen Bundesländern viele Häuser leer standen. In vielen Fällen begann damit ein Verfallsprozess, der z.T. immer noch anhält. In den alten Bundesländern war es demgegenüber häufig gelungen, die Kliniken in Rehabilitationszentren für andere Patientengruppen umzuwandeln. Dafür wurde meist ein Teil der Altbauten abgerissen und durch zweckmäßigere Neubauten ersetzt. In den heute zu Polen gehörenden Gebieten Preußens beschränkte man sich dagegen in der Regel darauf, die Altbauten lediglich zu sanieren und für eine neue Nutzung im Gesundheitssektor zu erschließen. Einige Einrichtungen fungieren hier bis heute als Fachkliniken für Atemwegserkrankungen. 1.1 Herleitung der Aufgabenstellung Die Verbreitung der Lungentuberkulose erreichte im deutschsprachigen Raum gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Die beengten und unhygienischen Wohnverhältnisse in den Arbeitervierteln der Städte waren dafür in erster Linie maßgebend. Dem erhöhten Behandlungsbedarf wurde durch die Errichtung einer großen Zahl von Heilstätten Rechnung getragen. Es existiert jedoch kein genaues Bild darüber, um wie viele stationäre Einrichtungen es sich dabei insgesamt handelte und wie sich diese regional verteilten. Die Tuberkuloseheilstätten markieren einen wichtigen Abschnitt sowohl der Medizingeschichte als auch der Sozialgeschichte und die entstandenen Einrichtungen besitzen eine besondere Bedeutung für den Großstadtraum Berlin und das Land Preußen. Auf diese Regionen bezieht 14 sich deshalb die Absicht einer grundlegenden Erforschung der Heilstättenbewegung. Als erstes Ziel ging es dabei um die quantitative und regionale Erfassung des Untersuchungsgegenstands. Das zweite Ziel des Projekts war die Erforschung der Geschichte (Entstehung, Betrieb, Veränderung und Schließung) der einzelnen Heilstätten. In diesem Kontext wurden die Behandlungsprogramme für die Bekämpfung der Volksseuche ebenso beachtet wie die grundlegenden Aspekte der Gestaltung der Anlagen. In Bezug auf die Gebäude der einstigen Heilstätten galt es, als drittes Ziel der Untersuchung, über die Möglichkeiten und Versuche der späteren medizinischen oder nicht-medizinischen Nachnutzung einen Überblick zu gewinnen. Als nachrangige Zielsetzungen wurden zum einen die Klärung der sozialgeschichtlichen Hintergründe, und zwar sowohl für die Ausbreitung der Volksseuche als auch für die Entwicklung der Heilstättenbewegung, und zum anderen die Darstellung der therapeutischen Methoden angesehen. Im Rahmen der genannten Zielsetzungen ging es vor allem um die Beantwortung der folgenden Einzelfragen: • Wie entwickelte sich die Heilstättenbewegung seit der Gründung der ersten Heilstätte? • Wie viele Tuberkuloseheilstätten gab es in Preußen? • In welcher Weise hat die von Bismarck initiierte Sozialgesetzgebung die Heilstättenbewegung in Preußen begünstigt? • Arbeiteten die Landesversicherungsanstalten arbeitsmarktpolitisch neutral? • Welche Behandlungsmethoden wurden in den Heilstätten angewendet? • Wie hat sich die Nutzung der Heilstätten aufgrund unterschiedlicher medizinischer Konzepte zur Behandlung der Tuberkulose zwischen 1863 und 1934 verändert? • Wie werden - falls noch vorhanden - die ehemaligen Heilstättengebäude heute genutzt? 15 1.2 Stand der Forschung Medizinhistorische Studien, die den Bereich der Tuberkuloseheilstätten betreffen, erstreckten sich vor allem auf jene Anstalten, in denen Kranke aus ärmeren Schichten behandelt wurden. Über die Entstehung und den Betrieb dieser Einrichtungen wird in einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen berichtet.2 Dabei handelt es sich zumeist um Festschriften oder Verwaltungsdokumentationen.3 Wissenschaftliche Arbeiten, die einen umfassenden topografischen Überblick über das Insgesamt der Tuberkuloseheilstätten in Preußen bieten, fehlen völlig. Eine Auflistung der Harzer Lungenheilanstalten wurde in diesem Jahr (2014) an der Weimarer Bauhaus-Universität im Rahmen einer Master-Arbeit im Fach Architektur zur Geschichte der Heilstätte Sülzhayn vorgelegt.4 Außerdem entsteht gerade eine populärwissenschaftlich gestaltete Arbeit über die Geschichte der Heilstätten und Sanatorien im Harz.5 Zur Sozialgeschichte der Tuberkulose in Deutschland und zur Heilstättenbewegung im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert liegen Dissertationen von Ingeborg Langerbeins (1979)6, Wolfgang Seeliger (1987)7 und Syvelyn Hähner-Rombach (2000)8 sowie eine Monografie als Ergebnis einer umfangreichen Studie von Flurin Condrau (2000)9 vor. Abweichend von diesen Projekten wurden in der vorliegenden Arbeit medizingeschichtliche, geografische und sozialgeschichtliche Aspekte der stationären Tuberkulosebehandlung in ihrem strukturellen Zusammenhang betrachtet. Aufschluss über die Lage, die Bettenzahl, die Belegungen und die Kostenentwicklungen der Kliniken geben vor allem die Bäderkalender, die jährlich erschienen sind, wie z.B. der für die 2 Vgl. bspw. Ingeborg Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland 1854-1945, Frankfurt /M. 1979; Wolfgang Seeliger, Die "Volksheilstätten-Bewegung" in Deutschland um 1900 : zur Ideengeschichte der Sanatoriumstherapie für Tuberkulöse, München: Profil 1987 und Syvelyn Höhner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, Stuttgart 2000. 3 Vgl. bspw. LVA Rheinprovinz (1930). Bericht über die am 19. Oktober 1929 vorgenommene Einweihungsfeier der in der Tuberkulose-Kinderheilstätte Waldesheim ausgeführten baulichen Veränderungen, Neu- u. Umbauten mit e. baulichen Beschreibg. oder LVA Sachsen-Anhalt (1908). Geschäftsbericht über die Heilstätte der LandesVersicherungsanstalt Sachsen-Anhalt bei Schielo (Ostharz) für die Zeit vom 3. Oktober 1905 bis 30. Juni 1908 oder LVA Schlesien (1926). Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien und Organisation und Aufgaben der Landesversicherungsanstalt Schlesien. 4 Anja Hesse, Der Steierberg. Aufstieg und Verfall einer Lungenheilstätte. Unveröffentlichte Master-Thesis, Bauhaus-Universität Weimar, verteidigt im April 2014. 5 Winfried Dörner, Zauberberge im Harz, Streifzüge durch die Harzer Medizingeschichte, Heilstätten und Sanatorien, Bad Salzdetfurth: Dörner-Medien-Verlag (im Druck) 6 Ingeborg Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland 1854-1945, Frankfurt /M. 1979. 7 Wolfgang Seeliger, Die „Volksheilstätten-Bewegung“ in Deutschland um 1900 : zur Ideengeschichte der Sanatoriumstherapie für Tuberkulöse, München: Profil 1987. 8 Syvelyn Höhner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, Stuttgart 2000. 9 Flurin Condrau, Lungenheilanstalt und Patientenschicksal, Göttingen 2000. 16 Zeit von 1882 bis 1933 verfügbare „Bäder-Almanach“.10 Darüber hinaus ermöglichen die Krankenhausverzeichnisse der Landesversicherungsanstalten Einblicke in die Entwicklung der Heilstätten für invalidenversicherte Patienten.11 Im Rahmen der medizingeschichtlichen Forschung kann zudem auf eine Reihe von Veröffentlichungen zurückgegriffen werden, die sich auf die einzelnen Einrichtungen beziehen. Dazu gehören z.B. Chronikbände, Jubiläumsschriften und lokalhistorische Periodika. In einigen Fällen existieren jedoch keinerlei einschlägige Publikationen oder Archivakten. Das betrifft insbesondere die kleineren Häuser (unter 75 Betten) und die Kinderheilstätten. Die hier einzuordnenden Einrichtungen konnten deshalb in der vorliegenden Arbeit nur teilweise erfasst werden. Die meisten vorliegenden Schriften lassen sich wegen fehlender wissenschaftlicher Ansprüche nicht als Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen bewerten, sind aber als Ausgangsmaterial für weitergehende und grundlegende Untersuchungen nützlich. In einem direkten Widerspruch zu der hohen medizin- und sozialgeschichtlichen Bedeutung der Volkskrankheit Tuberkulose ist der gegenwärtige Forschungsstand zu dieser Krankheit und zu ihrer Bekämpfung in Mitteleuropa insgesamt als auffallend niedrig zu beurteilen. Ein Überblickswerk ist nicht vorhanden. Außerdem sind keine Arbeiten verfügbar, in denen z.B. die zentrale Problematik der Lungentuberkulose im Berliner Raum angemessen dargestellt worden wäre. In diesem Zusammenhang verdienen gerade die Heilstätten in den Regionen Brandenburg, Harz und Riesengebirge besondere Beachtung. Hier fehlen grundlegende medizinhistorische Erkenntnisse. Diese Lücke soll durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden. 1.3 Material und Methode Für die vorliegende Untersuchung wurde das Konzept der historisch-kritischen Methode12 verwendet. Zu den benutzten Materialien gehörten vor allem Akten, d.h. Baubeschreibungen, Verwaltungsund Geschäftsberichte aus Archiven und Bibliotheken, sowie Denkschriften, die als Jubiläumsbände herausgegeben wurden. Genutzte Archive waren das Bundesarchiv, das Geheime Preußische Staatsarchiv und das Landesarchiv in Berlin, das Landeshauptarchiv Potsdam, das Niedersächsische Staatsarchiv (Wolfenbüttel und Hannover), das 10 Mitteilungen d. Bäder, Luftkurort und Heilanstalten. Bäder – Almanach, Verlag R. Mosse. Jährlich erschienen. Bspw. Friedrich Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich. Düsseldorf: Rhenania-Verlag 1930 12 Sascha Müller, Die historisch-kritische Methode in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Würzburg: Echter 2010 11 17 Landeshauptarchiv Magdeburg, das Staatsarchiv Hamburg, das Stadtarchiv Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski), das Archiv der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover sowie das Karten- und Bildarchiv des Herder-Instituts Marburg. Viele verwertbare Aktenbestände fanden sich zudem in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle/Saale und in der Niedersächsischen Staatsbibliothek Göttingen. Viele Aktenbestände der Rentenversicherungsanstalten zur Tuberkulose sind in den vergangenen Jahren vernichtet worden. Neben den bereits erwähnten Verwaltungsberichten, Baubeschreibungen und Jubiläumsschriften wurden auch Publikationen und Sammlungen von „Heimatforschern“ sowie Verzeichnisse genutzt, die von den Versicherungsanstalten herausgegeben worden waren. Einige Auskünfte konnten aus historischen Ansichtskarten gewonnen werden, die zum Zwecke der Dissertation (hauptsächlich über das Internet-Auktionshaus ebay) erworben wurden. Sowohl die Vorderansicht (mit den abgebildeten Gebäuden) als auch die auf der Rückseite erfolgten Beschreibungen des Heilstättenalltags erwiesen sich für die vorliegende Untersuchung als aufschlussreich. Die in medizinhistorischer Hinsicht vorzunehmende Erhebung erforderte zunächst eine quantitative Herangehensweise. Es galt, im Rahmen der Auswertung des Archivmaterials verschiedene Entwicklungsverläufe aufzuzeichnen. Zum Zwecke des Vergleichs bedurfte es darüberhinaus einer differenzierten inhaltlichen Interpretation, die in forschungsmethodischer Hinsicht quellenkritischen13 Ansprüchen zu genügen hatte. Grundlegend hierfür war eine qualitativ-hermeneutische Orientierung. Für die sekundäranalytische Auswertung des Archivmaterials stand ein Überblickswerk zur Verfügung.14 Um das Wissen von Genealogen, Lokalhistorikern und sonstigen Zeitzeugen als zusätzliche Quelle berücksichtigen zu können, wurden verschiedene Internetseiten eingerichtet. Eine davon war als dissertationsbegleitend konzipiert und führte im Hinblick auf das Projekt zu zahlreichen Anregungen. Darunter befanden sich auch wertvolle Hinweise auf noch nicht erschlossenes Quellenmaterial. Die Seite besteht immer noch und soll zu einem späteren Zeitpunkt erneut ausgewertet werden. Stark frequentiert wurden (und werden immer noch) die im Rahmen des Projekts eingerichteten Internetseiten, die auf einzelne Einrichtungen bezogen sind, und zwar auf die Beelitzer 13 Klaus Arnold, Der wissenschaftliche Umgang mit Quellen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek: Rowohlt 2001, S. 42–58 14 Müller, Die historisch-kritische Methode in den Geistes- und Kulturwissenschaften, S. 15f. 18 Heilstätten15, auf die Heilstätte Stettin-Hohenkrug sowie auf die Heilanstalten in Grabowsee und Hohenlychen16. Darüber hinaus entstand eine Online-Sammlung17 historischer (heilanstaltsintern hergestellter) Postkarten. 15 16 17 www.beelitzer-heilstaetten.de www.heilstaette-grabowsee.de www.lungenheilstaetten.de 19 2 Die Tuberkulose und ihre Bekämpfung Zur Einführung in die Heilstättenthematik ist es erforderlich, zunächst einmal die Krankheit selbst vorzustellen und ihre Entstehungsursachen aufzuzeigen. In diesem Kontext sind auch die Begriffsgeschichte des Wortes Tuberkulose und die Symptomatik der Erkrankung darzustellen. Anschließend wird auf sozialgeschichtliche Hintergründe und auf die literarische Verarbeitung des Wissens um die Volkskrankheit eingegangen. 2.1 Geschichtliches Schon seit Jahrtausenden ist die Tuberkulose als Zivilisationskrankheit bekannt. Erste Erwähnungen finden sich im Buch zur Inneren Medizin des Nèijīng, der zur Zeit des chinesischen Kaisers Huángdì (etwa 2600 v. Chr.) lebte, sowie im indischen Gesetzestext Manava Dharmaśāstra (etwa 500 v. Chr.). An über 3000 Jahre alten ägyptischen Mumien konnte Knochentuberkulose nachgewiesen werden. Galen (130-210 v. Chr.) nannte die Krankheit „Phthise“ und bezeichnete sie als ansteckend.18 Die Diagnosemethode Perkussion wurde 1761 erstmals dokumentiert, aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts einem größeren Ärztepublikum bekannt. Die Praxis der Auskultation entstand 1819 in Paris.19 Es gab aber kein wirksames Behandlungsverfahren. Als Volkskrankheit wurde die Tuberkulose seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Städten zu einem Problem. Die Industrialisierung führte zu einer großen Landflucht und viele Menschen wohnten in „Mietskasernen“ eng zusammen. Die Wohnverhältnisse, vor allem der Arbeiterfamilien, stellten sich aufgrund mangelhafter hygienischer Verhältnisse häufig als äußerst ungesund dar. Die Folge war ein starker Anstieg der Infektionsrate für die Tuberkulose, insbesondere in den Großstädten. Nicht umsonst wurde die Schwindsucht in Österreich auch als „Wiener Krankheit“ bezeichnet. Etwa ein Viertel der Sterbefälle in der Wiener Bevölkerung ging im Jahre 1880 auf die Tuberkulose zurück.20 Die Entdeckung des Tuberkelbazillus‘ durch Robert Koch im Jahre 1882 ließ sofort die Hoffnung auf eine wirkungsvolle Bekämpfung aufkommen, zumal der Forscher, ebenfalls 1882, 18 19 20 Kerstin Jungnickel, Lungenheilstätten in Österreich 1844-1935, Köln Med. Diss. 1994, S. 4 Perkussion und Auskultation: „Das Beklopfen [=Perkussion, Anm. d. Verf.] der Körperoberfläche und das Behorchen der im Körper entstehenden Geräusche, insbesondere der Atemgeräusche von Bronchien und Lungen, bei der Auskultation [dem absichtlichen stark Atmen und Husten; Anm. d. Verf.] mit Hilfe eines hölzernen Stethoskops.“ Zit. nach Thomas Sprecher, Davos im Zauberberg, München: Wilhelm Fink 1996, S. 106 / Die Perkussion wird im Roman nicht namentlich erwähnt. Jungnickel, Lungenheilstätten in Österreich 1844-1935, S. 7 20 bereits eine Behandlungsmethode mit einem Glycerinextrakt aus Reinkulturen der Bazillen vorstellte, mit der er ein Absterben des befallenen Gewebes erreichen wollte. Das Medikament nannte er Tuberkulin. Doch der erhoffte und sogar bereits angekündigte Erfolg blieb aus. Dadurch wurde Koch mit Vorwürfen belastet. Tatsächlich hatte er seine Erfindung vor der Bekanntgabe nicht sorgfältig genug getestet. Ab 1892 widmete sich Koch hauptsächlich der ebenfalls zu dieser Zeit wütenden Cholera.21 Seit 1908 arbeiteten der Biologe Albert Calmette (1863-1933) und der Tierarzt Camille Guérin (1872-1961) mit Versuchstieren am Institut Pasteur in Lille an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Tuberkulose. Im Jahre 1921 konnten sie den sog. BCG-Impfstoff zur Anwendungsreife bringen.22 Er wurde 1928 zwar vom Gesundheitsausschuss des Völkerbunds genehmigt, kam aber nach dem sog. „Lübecker Impfunglück“ im Jahre 1930, als 77 Säuglinge durch verunreinigte Impfchargen ums Leben kamen, in Deutschland in Misskredit. Die allgemeine Impfung wurde in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt23. 2.2 Die Charakteristika der Erkrankung Die Tuberkulose zählt zu den Infektionskrankheiten. Der krankheitsauslösende Erreger dringt von außen in den Körper ein und schädigt ihn. Der Erreger der Tuberkulose ist das von Robert Koch im Jahre 1882 entdeckte Mycobacterium tuberculosis.24 Eine Infektion ist über die Atemluft möglich. Beim Sprechen, vor allem aber beim Husten, gelangen Tröpfchen in die Raumluft und vermögen bei manchen Menschen durch Einatmen eine Ansteckung auszulösen.25 Ein weiterer Ansteckungsweg ist der Verzehr von roher Milch26, da die Krankheit vom Rind auf den Menschen übertragen werden kann. In Deutschland konnte die Rindertuberkulose erst in den 1950er Jahren besiegt werden.27 Die Tuberkuloseerreger rufen bei etwa fünf Prozent der Menschen eine Entzündung im 21 M. Kirchner, Robert Koch - Die Ätiologie und die Bekämpfung der Tuberkulose, Leipzig: Barth 1912, S. 7f. BCG = Bacillus Calmette-Guérin; aus: D. Vogt, Die Tuberkuloseschutzimpfung. In: A. Herrlich (Hrsg.), Handbuch der Schutzimpfungen, Heidelberg 1965, S. 313-365. 23 Jürgen Reulecke und Adelheid von Castell, Stadt und Gesundheit, Stadt und Gesundheit : zum Wandel von "Volksgesundheit" und kommunaler Gesundheitspolitik im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Stuttgart: F. Steiner 1991. 24 Christoph Gradmann, Robert Koch und die Tuberkulose: Die Begründung der medizinischen Bakteriologie. Pneumologie, 63/2009, 702-708. 25 Peter Reinicke, Tuberkulosefürsorge. Der Kampf gegen eine Geißel der Menschheit. Dargestellt am Beispiel Berlins. Weinheim 1988. 26 D. Matthias, Tuberkulose des Rindes (Mycobacterium-bovis-Infektion). In: J. Beer (Hrsg.), Infektionskrankheiten der Haustiere. Jena 1980, S. 626-638 27 Jürgen Voigt, Tuberkulose. Geschichte einer Krankheit, Köln: vgs 1994, S. 205 22 21 Lungengewebe hervor. Darauf reagiert der Körper und beginnt mit dem Aufbau von Antikörperzellen, die die Bazillen von außen wie eine Hülle umschließen. Dabei entsteht ein Abwehrkonvolut, das zur Bildung von Knötchen führt, die „Tuberkel“ genannt werden. Die Lymphknoten im Brustkorb schwellen an. Sechs Wochen nach der Erstinfektion fällt ein Tuberkulin-Test28 positiv aus. Das bedeutet, dass sich ein sogenannter „Primärkomplex“ 29 ausgebildet hat. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es zu einem Zerfall von Lungengewebe, das ausgehustet wird. Im Auswurf befinden sich oft große Mengen an Tuberkelbazillen. Die Leerräume, die nach dem Aushusten von Gewebe in der Lunge zurückbleiben, werden als Kavernen bezeichnet. Ein Patient mit Bazillen im Auswurf hat eine „offene Tuberkulose“ und ist hoch ansteckend. Eine nicht behandelte offentuberkulöse Person gibt die Krankheit jährlich im Durchschnitt an zehn Personen in ihrer Umgebung weiter.30 Begleitende Symptome der Erkrankung sind Appetitlosigkeit und eine starke Gewichtabnahme sowie nächtliche Schweißausbrüche und Fieber. Mittels der Einspritzung von Tuberkulin unter die Haut und der dadurch auslösbaren Knötchenbildung lässt sich eine Infektion zuverlässig nachweisen. Bei infizierten Patienten, bei denen die Krankheit aber nicht ausbricht, kann bis zu zehn Jahren nach der Infektion der Tuberkulintest noch positiv ausfallen.31 Für 95 Prozent der Menschen bleibt der Primärkomplex bedeutungslos und wird häufig nicht einmal wahrgenommen. Bei körperlich geschwächten Menschen oder bei einer großen Menge von eingeatmeten Bakterien kann es jedoch zum Ausbruch der Krankheit kommen. Mit dem Blut gelangen die Erreger in Form großer Knötchen manchmal auch in andere Organe und verursachen dann eine extrapulmonale Tuberkulose oder Miliartuberkulose.32 28 Beim Tuberkulintest werden flüssige Mykobakterien unter die Haut eingebracht. Es entsteht eine Hautreaktion mit T-Lymphozyten. Damit wird eine frühere oder aktuelle Tuberkulose-Infektion aufgezeigt. 29 Entzündungsherd als Reaktion auf den Bakterieneinfall 30 Ebd., S. 205f. 31 Ebd., S. 206f. 32 Ebd., S. 208f. 22 „Das ist der rechte Augenblick, sich froh zu überlegen: Armut macht dünn, Reichtum macht dick.“33 2.3 Sozialgeschichtliche Hintergründe Gerade bei der Tuberkulose spielt der Einfluss sozialer Faktoren eine wesentliche Rolle. Das gilt nicht nur für die Zeit der Erkrankung, sondern vor allem im Hinblick auf ihre Entstehung. In diesem Sinne wird vom „sozialen Phänomen“34 der Krankheit Tuberkulose gesprochen. In der Literatur des beginnenden 19. Jahrhunderts werden allerdings nur von Schwindsucht betroffene Künstler35 und keine Arbeiter dargestellt. Zugleich wird das Leiden romantisch verklärt. Dabei ist der Aspekt des Verfalls ein zentrales Element. Das Bild einer mittelalterlichen Ruine dient als Vergleich mit dem Wesen des zart-blassen Schwindsüchtigen.36 Erst zum Ende des 19. Jahrhundert wird die Tuberkulose zu einer Epidemie und zu einem Symptom der Verelendung. Betroffen sind die Armen und insbesondere die Arbeiter, die sowohl im Beruf, der in der Fabrik ausgeübt wird, als auch in ihren Wohnräumen wenig Zugang zu Licht und frischer Luft erhalten. Im „Handwörterbuch der sozialen Hygiene“37 von 1912 heißt es: „Und weil diese Verhältnisse gerade unter den auf ihrer Hände Arbeit angewiesenen Bevölkerungsschichten meist mangelhaft sind, darum nimmt dort auch die Tuberkulose einen so erschreckenden Umfang an“38. Der Zusammenhang zwischen der Entstehung der Krankheit und den unzulänglichen Wohn- und Arbeitsbedingungen zu Beginn der Industrialisierung war offensichtlich. Insbesondere eine schwere körperliche und häufig mit starken Rauch- und Staubentwicklungen verbundene Tätigkeit, ein ungünstiges Wohnumfeld und vor allem eine mangelhafte Ernährung sorgten für die rasche Ausbreitung der Tuberkulose in der Arbeiterschicht. Das enge Zusammenleben der Menschen und die gemeinsame Benutzung unzureichender sanitärer Anlagen erhöhten die Infektionsgefahr. Es war durchaus üblich, sich mit drei bis sechs anderen Personen ein Schlafzimmer zu teilen. Das zusätzliche Benutzen des Bettes durch einen Untermieter, dem sog. „Schlafgänger“, der sich beruflich auf eine Arbeit in Nachtschichten spezialisiert hatte, galt als gängige Praxis. Auch Einzimmerwohnungen für eine ganze Familie waren keine Seltenheit.39 Ein Arbeiter musste zum Ende des 19. Jahrhunderts etwa die Hälfte seines Lohns für 33 Joachim Ringelnatz bei seiner Aufnahme in das Tuberkulosekrankenhaus Sommerfeld. In: Ringelnatz, Krankenhaus-Tagebuch. 7. Juni bis 2. Oktober 1934. Der Nachlaß. Berlin: Rowohlt 1935, S. 42 34 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 31 35 Ebd., S. 31 36 Alexandre Dumas, Kameliendame, Berlin: Aufbau 2002 oder Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“ (1853) 37 Alfred Grotjahn, Handwörterbuch der Sozialen Hygiene, Leipzig: Vogel 1912 38 Ebd., S. 650 39 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 43 23 Nahrungsmittel ausgeben. Allerdings waren Fleisch, Obst- und Gemüse (außer Kartoffeln) meist recht teuer, sodass sich Arbeiterfamilien zu einseitig von Mehlspeisen, Brot und Kartoffeln ernährten.40 Aber nicht nur im Wortgebrauch der Sozialhygieniker erfolgte die Deklaration der Tuberkulose als Proletarierkrankheit. Auch die Sozialdemokraten bedienten sich der Verknüpfung der Begriffe Schicht und Seuche, um auf das Elend der arbeitenden Klasse aufmerksam zu machen und Sozialreformen zu fordern. Der dadurch erzeugte Druck auf die Politik bewog den Kanzler Bismarck, jene für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Sozialversicherung einzurichten, die u.a. den Bau von Tuberkulose-Heilstäten ermöglichte und sich als geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Seuche erwies.41 Während des Ersten Weltkriegs kam es zu Missernten. Außerdem boykottierten die Alliierten die Einfuhr von Lebensmitteln, was dazu führte, dass weite Teile der Bevölkerung hungerten. Aufgrund der unzulänglichen Ernährung verschlechterte sich der Allgemeinzustand der Bevölkerung rapide, und es kam zum Ausbruch von Mangelkrankheiten, die sich schnell ausbreiteten. Dazu gehörte auch die Tuberkulose. Alle Schichten der Bevölkerung waren jetzt betroffen. Im Unterschied zur Kaiserzeit, in der hauptsächlich die Arbeiterschicht im Fokus der Tuberkulosefürsorge stand, mussten die Bemühungen nunmehr stark ausgedehnt werden. Die Bevölkerung hatte auch nach dem Ersten Weltkrieg noch lange mit Ernährungsproblemen zu kämpfen. Zahlreiche Kinder erkrankten an Tuberkulose oder waren von der Seuche bedroht. Sie wurden deshalb auf Versicherungskosten zu Kuren in ländliche Gegenden oder ans Meer verschickt.42 2.4 Sozialgesetzliche Grundlagen des Heilstättenwesens Im Hinblick auf den Entstehungszusammenhang und die Verbreitung der Erkrankung sind die sozialgeschichtlichen Hintergründe von Bedeutung. Im Kontext der Bekämpfung der Seuche geht es außerdem um die gesellschaftlichen Prozesse, die für die Entwicklung sozialgesetzlicher Gegenmaßnahmen ausschlaggebend waren. Die für die Kaiserzeit charakteristische Gründung von Lungenheilstätten steht in enger Verbindung mit der von Bismarck eingeführten, als Eckpfeiler der wilhelminischen Sozialpolitik anzusehenden Einführung der Sozial- und Krankenversicherung. Der Ursprung und das Wirksamwerden des Wohlfahrtsgedankens in der 40 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 49 Ebd. S. 34 42 Karin Nolte, Licht, Luft und Sonne für die Kinder ‚breiter Volkskreise’. Das Nassauische Kindersanatorium Weilmünster in den 1920er Jahren. In: Vanja, Christina (Hg.): Heilanstalt – Sanatorium – Kliniken. 100 Jahre Krankenhaus Weilmünster, Kassel: LWV Hessen 1997, S. 100f. 41 24 Oberschicht des Deutschen Kaiserreichs fallen in diese Zeit. Die damit gemeinte Leitvorstellung findet in der Gründung von Genesungseinrichtungen für Arbeiter und insgesamt für Personen aus finanziell schlechter gestellten Schichten einen deutlichen Ausdruck. Die Arbeiterschicht, die im Zuge der Industrialisierung immer stärker angewachsen war, wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend von Verelendung bedroht. Die Armenkassen der Gemeinden sprangen bei finanziellen Problemen ein, wurden dadurch aber finanziell stark belastet. Die Arbeiterschicht war in Deutschland seit der Mitte des Jahrhunderts zwar auch zu einer festen politischen Größe geworden, aber ihre Lage besserte sich nicht. Die Unzufriedenheit der Massen mit den zum Teil unerträglichen Lebensverhältnissen fand ihren Höhepunkt u.a. in zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. im Frühjahr 1878. Als Reaktion darauf wurde noch im gleichen Jahr das Sozialistengesetz verabschiedet. Zugleich entstand die Forderung, „daß der Staat sich in höherem Maße als bisher seiner hilfsbedürftigen Mitglieder annehme“.43 Das wurde aber nicht nur als ein Gebot christlicher Nächstenliebe verstanden, sondern als das politische Ziel, „auch in den besitzlosen Klassen der Bevölkerung, welche zugleich die zahlreichsten und am wenigsten unterrichteten sind, die Anschauung zu pflegen, daß der Staat nicht bloß eine notwendige, sondern auch eine wohltätige Einrichtung sei“.44 Das Ergebnis der ersten Vorarbeiten zur Entwicklung einer umfassenden Sozialversicherung wurde im Jahre 1887 in einer Denkschrift zu den „Grundzügen der Alters- und Invalidenversicherung“ veröffentlicht und dem preußischen Volkswirtschaftsrat vorgelegt.45 Diese Leitlinien gelangten 1888 im Reichstag als Gesetzentwurf in die parlamentarische Beratung. Vorgesehen war eine Zwangsversicherung für alle Arbeiterinnen und Arbeiter ab 16 Jahren. Die Versicherung sollte ab einem Alter von 70 Lebensjahren oder bei Erwerbsunfähigkeit die Rentenzahlung ermöglichen. Auch die Gründung von Landesversicherungsanstalten war im Gesetz geregelt.46 Die Kosten der Versicherung trugen zu je einem Drittel das Deutsche Reich, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer. Vor allem die öffentlichen Armenkassen der Städte und kleinen Gemeinden sollten auf diese Weise entlastet werden. Die Beiträge der Arbeitnehmer wurden mittels eines Quittungsbuchs belegt, in das gekaufte Marken einzukleben waren. Der Ausdruck „ich habe geklebt“ wurde zu einer stehenden Redensart.47 43 Friedrich Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, Berlin: Verlag der ArbeiterVersorgung 1928, S. 97 44 Ebd. 45 Horst Peters, Die Geschichte der Sozialversicherung, Bad Godesberg: Asgard, 1959, S. 49 46 Ebd., S. 50 47 Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 139f. 25 Mit den neuen Kranken- und Sozialversicherungsgesetzen verfolgte die konservative Reichsregierung vor allem das Ziel, die Ausbreitung der sozialdemokratischen Strömungen in der Arbeiterschicht zu stoppen. Die Einführung des Versicherungsschutzes für Arbeiter ist somit zugleich ein Beweis dafür, dass der Versuch, die Sozialdemokratie allein mithilfe der zwischen 1878 und 1890 erlassenen Sozialistengesetze vollständig unterdrücken zu wollen, nicht erfolgreich sein konnte.48 Vizekanzler Graf von Stolberg-Wernigerode schilderte die Beweggründe für die Einführung der Sozialversicherung in seiner Rede zur Eröffnung des Reichstags am 15. Februar 1881 wie folgt: „Die bisherigen Veranstaltungen, welche die Arbeiter vor der Gefahr sichern sollen, durch den Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit infolge von Unfällen oder des Alters in eine hülflose Lage zu geraten, haben sich als unzureichend erwiesen, und diese Unzulänglichkeit hat nicht wenig dazu beigetragen, Angehörige dieser Berufsklasse dahin zu führen, daß sie in der Mitwirkung sozialdemokratischer Bestrebungen den Weg zu Abhülfe suchten“.49 Zur Vorbereitung der Sozialversicherungsgesetze traf sich Bismarck sogar mit Lasalle, dem führenden Kopf der sozialdemokratischen Bewegung, um mit ihm politische Lösungen für soziale Probleme zu diskutieren. Bismarck trat aber dabei stets als leidenschaftlicher Gegner der Sozialdemokratie auf: „Wenn der Staat etwas mehr christliche Fürsorge für den Arbeiter zeigt, dann glaube ich, daß die Herren vom Wydener Programm [der SPD, Anm. d. Verf.] ihre Lockpfeife vergeblich blasen werden.“50 Kritiker meinten, die arbeiterfreundliche Sozialpolitik der Regierung beruhe nur auf Angst vor den Sozialdemokraten. Doch Wilhelm I. glaubte, „daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde.“51 In seinen Ausarbeitungen für eine Gesetzgebung verfolgte Bismarck stets auch den Gedanken, das soziale Versicherungssystem vor einem Missbrauch durch Profitgier zu schützen: „Ich empfehle das Reich selbst als Unternehmer; nur dann ist meines Erachtens der Fehler ausgeschlossen, daß die Versicherungen gegen Unfall und Elend gewinnbringende Geschäfte mit Dividenden machen sollen.“ 52 48 Ralf Hoffrogge, Sozialismus und Arbeiterbewegung – von den Anfängen bis 1914, Stuttgart, 2011, S. 35f. Graf von Stolberg-Wernigerode, Rede im Reichstag vom 15. Februar 1881, zit. nach Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 99 50 Otto von Bismarck, Rede im Reichstag vom 9. Mai 1884, zit. nach Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 104 51 Kaiser Wilhelm I., Kaiserliche Botschaft (gleichsam als Thronrede) vom 17. November 1881, zit. nach Horst Peters, Die Geschichte der Sozialversicherung, Bad Godesberg: Asgard, 1959, S. 39 52 Bismarck im Jahre 1880, zit. nach Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 102 49 26 Der Gesetzesentwurf für die Arbeiterversicherung wurde 1889 gegen die Stimmen der Sozialdemokraten (denen die Regelungen nicht weitgehend genug waren) verabschiedet und erlangte zum 1. Januar 1891 Gültigkeit. Es kam 1897 zu einer Neufassung, die als „Invalidenversicherungsgesetz“ zur Jahrhundertwende in Kraft trat. Im Rahmen der Novellierung wurde u.a. die Zuständigkeit für die Finanzierung von Heilbehandlungen geregelt.53 Das bedeutete für die Versicherungsanstalten Planungssicherheit beim Bau eigener Heilstätten. Bismarcks originäre Mitwirkung an der Sozialgesetzgebung wurde einige Male bezweifelt, doch er bestand darauf, dass er die „erste Urheberschaft der ganzen sozialen Politik“ 54 innehabe. Name zwischen 1891 und 1934 Heutige Nachfolgeinstitution (Reform im Jahre 2005) (LVA = Landesversicherungsanstalt) (DRV = Deutsche Rentenversicherung) LVA Berlin, LVA Brandenburg DRV Berlin-Brandenburg LVA Sachsen-Anhalt, LVA DRV Mitteldeutschland Thüringen (für die thüring. Kleinstaaten wie z.B. das Hzgtm. Sachsen-Weimar-Eisenach) sowie LVA des Königreich Sachsens LVA Braunschweig, LVA DRV Braunschweig-Hannover Hannover LVA Schleswig-Holstein, LVA der DRV Nord Hansestädte, LVA Pommern (z.T.) LVA Hessen(-Nassau) DRV Hessen LVA des Großherzogtums Hessen LVA Rheinprovinz DRV Rheinland LVA Rheinland-Pfalz DRV Rheinland-Pfalz LVA Westfalen DRV Westfalen LVA Ostpreußen, LVA des heute nicht mehr existent Memellandes, LVA Danzig, LVA Westpreußen, LVA Posen, LVA Schlesien, LVA Pommern (z.T.) Allgemeiner Knappschaftsverein DRV Knappschaft-Bahn-See Bochum und Norddeutsche (von 1923 bis 1945 als Reichsknappschaft und bis 2005 Knappschaftspensionskasse Halle Bundesknappschaft) sowie andere Zuschusskassen preußischer Knappschaften Pensionskasse des PreußischDRV Knappschaft-Bahn-See Hessischen Eisenbahnvereins, (ab 1935: Reichsbahnversicherungsanstalt, Bundesbahnspäter Pensionskasse für die Versicherungsanstalt, ab 1994: Bahnversicherungsanstalt) Arbeiter der Preußischen Staatseisenbahnverwaltung TAB. 1: ÜBERSICHT ÜBER DIE PREUßISCHEN INVALIDENVERSICHERUNGSANSTALTEN 53 54 Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 144f. Bismarck im Jahre 1889, zit. Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 103 27 Eine Besonderheit bildeten die Invalidenversicherungen für Bergleute und für Eisenbahner. Diese Berufsgruppen wurden mehrheitlich im Rahmen eigener Pensionskassen invalidenversichert. Den bestehenden Knappschaftsvereinen und Eisenbahngesellschaften war es freigestellt, entweder ihre Mitglieder aufzufordern, Beiträge bei den Landesversicherungsanstalten (LVA) einzuzahlen oder „besondere Kasseneinrichtungen“ zu gründen. Grundsätzlich waren Knappschaftsmitglieder bei den LVA versichert. Das höhere Invaliditätsrisiko wurde dann aber von den knappschaftseigenen Kassen getragen. Dieser Vorteil erlangte eine große praktische Bedeutung. So entstanden u.a. der Allgemeine Knappschaftsverein Bochum (mit anfänglich 310.000 Versicherten) und der Saarbrücker Knappschaftsverein (mit 49.000 Versicherten).55 In Mitteldeutschland gab es eine Vielzahl kleiner Knappschaftsvereine, von denen allerdings keiner die Gründung und Anerkennung einer eigenen Versicherungsanstalt durchsetzen konnte, sodass sich die Einzelvereine zur „Norddeutschen Knappschaftspensionskasse“ (Sitz in Halle/Saale) zusammenschlossen.56 Die Kassen wurden 1908 in der „Knappschaftlichen Versicherungsanstalt Berlin“ zusammengefasst. In ihr waren 70 % aller preußischen Bergleute versichert.57 In der Reichsversicherungsordnung von 1909 werden 41 Anstalten der Invalidenversicherung (vgl. Tab. 1) mit insgesamt etwa zwölf Millionen Mitgliedern genannt. 2.5 Die Geschichte der Heilstättenbewegung Da sich die Entwicklung der Lungenheilstätten nur über einen bestimmten Zeitraum erstreckte und eine kumulative Tendenz zeigte, lässt sie sich als Bewegung darstellen. In diesem Zusammenhang erlangte das durch die Landesversicherungsanstalten sowie das Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose entwickelte Modell „Volksheilstätte“ eine besondere Bedeutung. 2.5.1 Die Anfänge der Heilstättenbewegung Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden in Großbritannien erste Hospitäler für Lungenkranke.58 Diese Einrichtungen waren aber noch nicht auf ein bestimmtes Programm hin ausgerichtet und lassen sich deshalb nicht dem Typus „Heilstätte“ zuordnen. Kurbehandlungen von Lungenkranken blieben außerdem in Europa generell bis in das letzte Viertel des 19. 55 Kleeis, Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland, S. 158 Ebd., S. 159 57 Ebd., S. 161 58 Aufgrund der fehlenden Behandlungsmethoden im Sinne eines hygienisch-diätetischen Verfahrens ist hier noch nicht von „Heilstätten“ zu sprechen, sondern eher von Kranken- bzw. Siechenhäusern. 56 28 Jahrhunderts hinein wohlhabenden Patienten vorbehalten.59 Das ärztliche Bemühen konzentrierte sich dabei auf eine aufbauende Ernährung. Mit der späteren Volksheilstättenbewegung gab es erstmals in Europa eine Tuberkulosebehandlung, die auch ärmeren Patientinnen und Patienten zugute kam.60 Die eigentliche Geschichte der Heilstättenbewegung beginnt erst im Jahre 1854. Der junge Arzt Dr. Hermann Brehmer richtet in einer ehemaligen Kaltwasser-Badeanstalt seiner Schwägerin Marie von Colomb in dem niederschlesischen Dorf Görbersdorf eine Lungenheilanstalt ein, in der er das von ihm entwickelte Verfahren einer sog. „hygienisch-diätetischen“ Behandlung anwenden möchte.61 Brehmer sieht die Ursachen für Tuberkulose vor allem in einem zu kleinem Herzen und einer zu großen Lunge. Dieses Missverhältnis sei aber nur, so glaubt er, zu etwa 10% genetisch bedingt. Für Auslöser der Erkrankung hält der junge Arzt schädliche Nahrungsmittel, unzureichend belüftete, dunkle Wohnungen und einen Mangel an Bewegung.62 Das zu kleine Herz könne nicht genügend Blut durch den Körper pumpen, behauptet er, sodass die Organe und insbesondere die Lunge unterversorgt seien. Auf diese Weise lasse sich der schwache körperliche Zustand erklären, der gemeinhin als „Schwindsucht“ bezeichnet werde. Nur eine diätetische Kur an einem geeigneten Ort, der gute klimatische Verhältnisse biete (und in dem deshalb bisher noch keine Tuberkulose aufgetreten sein dürfte), könne zur Gesundung führen. Brehmer spricht in diesem Zusammenhang von der „Immunität“ 63 einer Region. Vor allem in Gebirgslandschaften käme es, so seine Annahme, aufgrund des niedrigeren Luftdrucks nicht zur Ausbreitung der Tuberkulose.64 Auf den schwächeren Luftdruck müsse der Organismus mit gesteigerter Herzfrequenz reagieren und auf diese Weise werde die Lunge besser mit Blut versorgt: „Wir sehen also, die Schwindsüchtigen dürfen wir nur in hochgelegene Täler schicken, die von der Lungenschwindsucht frei, und gegen Winde geschützt, also möglichst allseitig von Bergen umgeben sind.“65 Grundlage der Heilstättenbehandlung war somit ein Kuraufenthalt in den Bergen. Der Tuberkulöse sollte sich so viel wie möglich an der frischen Luft aufhalten und seinen 59 Selman Waksman, The conquest of tuberculosis, Berkeley 1964, S. 49 Ingeborg Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland (1854 - 1945), Köln, 1979, S. 2f. 61 Die Kaltwasserkur wurde ursprünglich von Vinzenz Prießnitz entwickelt. Kaltes Wasser und gesunde Luft bildeten die Ansatzpunkte seiner Hydrotherapie. 62 Hermann Brehmer, Die chronische Lungenschwindsucht und Tuberkulose der Lunge: ihre Ursache und ihre Heilung, Berlin: Enslin 1869, S. 32 63 Ebd., S. 67 64 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 6 65 Brehmer, Die chronische Lungenschwindsucht und Tuberkulose der Lunge, S. 297 60 29 geschwächten Körper durch nahrhafte Speisen kräftigen. Zur diätetischen Behandlung gehörte auch die Verabreichung von alkoholischen Getränken in begrenzten Mengen. Dadurch könnte der Stoffwechsel angeregt werden, nahm Brehmer an. Alkoholgaben wurden von ihm auch gegen Schüttelfrost und Schweißausbrüche eingesetzt66. Im Jahre 1863 konnte die erste als „Heilstätte“ zu deklarierende Einrichtung von Brehmer in Görbersdorf eröffnet werden. Das später „Altes Kurhaus“ genannte Gebäude, in dem 40 Krankenbetten untergebracht waren, wurde von dem Architekten Edwin Oppler als neogotischer Backsteinbau realisiert und in den Jahren 1871 und 1878 erweitert.67 In beiden Kurhäusern gab es - für Krankenanstalten jener Zeit noch untypische - Ein- oder Zweibettzimmer und auf jeder Etage befanden sich Küchenzeilen und Badezimmer.68 Liegehallen waren unter der Leitung Brehmers nicht eingerichtet worden, da er der Liegekur, die sein Schüler Dettweiler entwickelt hatte, ablehnend gegenüberstand. Brehmers Konzept wurde als erfolgreich bekannt und fand Nachahmer. Als zweite Heilstätte auf deutschem Boden wurde 1873 im vogtländischen Reiboldsgrün das Sanatorium des Arztes Carl Driver gegründet. Eine besondere Bedeutung erlangte eine weitere neue Heilstätte im hessischen Ort Falkenstein (heute Königstein/Taunus), die 1874 erbaut und ab 1876 von dem Arzt Peter Dettweiler geleitet wurde. Dettweiler war 1868 als Patient in der Görbersdorfer Heilstätte Brehmers gewesen und von dessen Behandlung so begeistert, dass er sich kurz darauf als Assistenzarzt in Görbersdorf einstellen ließ. Von 1869 bis 1874 war er Schüler Brehmers, bis er nach einem Streit mit seinem Lehrer Görbersdorf verließ und in Falkenstein die Gründung einer eigenen Heilstätte betrieb, die vom Ärztlichen Verein Frankfurt/Main getragen wurde.69 Wichtige Ergänzungen waren aber die Liegekur, die in speziellen von Dettweiler entworfenen Liegehallen durchgeführt wurde, und die „psychische Leitung“ der Kranken. Ziel sowohl der physischen Kräftigung, als auch der psychischen Aufbauarbeit war die Steigerung der Abwehrkräfte.70 Dettweiler führte im Taunus im Wesentlichen das Behandlungskonzept Brehmers fort. 71 66 Ebd., S. 262-264. Oskar Welten, Die Heilanstalten van Görbersdorf : Was sie versprechen und was sie halten, Berlin: Jssleib, 1887, S. 63-64 68 Hermann Brehmer, Die Therapie der chronischen Lungenschwindsucht, Wiesbaden: Bergmann, 1889, S. 18-21 69 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 15 70 Ebd., S. 15f. 71 Georg Wolff, Der Gang der Tuberkulosesterblichkeit und die Industrialisierung Europas, Leipzig: Barth 1926, S. 20 67 30 Eine weitere Heilstätte entstand in unmittelbarer Nachbarschaft der Brehmer’schen Einrichtung: In einer Privatpension unweit des Görbersdorfer Kurhauses, in der vorher hauptsächlich Brehmers Patienten zu Gast waren, eröffnete 1875 das Sanatorium des Arztes Dr. Römpler. 2.5.2 Die Volksheilstätten der Invalidenversicherung und der wohltätigen Vereine Unter den Begriff „Heilstätte“ fallen spätestens seit 1900 mindestens zwei Arten von Anstalten für Lungenkranke. Hinsichtlich ihrer Trägerschaft lassen sich die Einrichtungen folgenden Kategorien zuordnen: Zum einen handelte es sich um Privatsanatorien für Selbstzahler und zum anderen um Volksheilstätten, die von Landesversicherungsanstalten oder gemeinnützigen Vereinen errichtet und betrieben wurden.72 Die Volksheilstätten können als Einheit betrachtet werden, da die zunächst von Vereinen finanzierten Häuser später von den LVA übernommen wurden und bereits in der Zeit, in der sie noch unter der Ägide eines Vereins standen, vornehmlich für Versicherte der LVA zugänglich waren. Heilstätten unterschieden sich von allgemeinen Krankenanstalten nicht nur aufgrund ihrer landschaftlichen Lage sowie der vergleichsweise längeren durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Patientinnen und Patienten, sondern vor allem durch Zusatzbauten wie Freiluftliegehallen und die im Anstaltspark zur Durchführung der „Terrainkur“ angelegten Spazierwege, die Gelegenheit boten, sich zu entspannen. Die Kranken sollten sich außerdem „während ihres Aufenthaltes umfangreichen Erziehungsmaßnahmen“ öffnen. Zielsetzungen waren „Isolierung, Erziehung und Disziplinierung“.73 Im Deutschen Reich trat am 22. Juli 1889 eine erste umfassende Sozialgesetzgebung in Kraft, die im § 12 die Gründung einer Alters- und Invalidenversicherung sowie die Einrichtung von Landesversicherungsanstalten (LVA) festlegte. Letztere sollten Behandlungsmöglichkeiten für Lungentuberkulosekranke schaffen, um vor allem eine drohende Erwerbsunfähigkeit nach Möglichkeit zu verhindern. Obwohl sich die langen Heilstättenaufenthalte für die Versicherungen sehr kostspielig gestalteten, war nach der damaligen - auf Schätzungen beruhenden - Auffassung, der finanzielle Aufwand viel geringer als die Inkaufnahme einer frühen Invalidität aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung.74 So bringt etwa im Jahre 1894 der Direktor der LVA der Hansestädte75 Gebhard zum Ausdruck, 72 Flurin Condrau, Lungenheilstätten im internationalen Vergleich. Zur Sozialgeschichte der Tuberkulose im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Hist. Hosp., 19/1994, 220-234. 73 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 160 74 Ebd., S. 164 75 Lübeck, Hamburg und Bremen waren von Preußen unabhängige Stadtstaaten und hatten somit ihre eigene LVA. 31 dass es „im wirtschaftlichen Interesse der Versicherungsanstalten und der Krankenkasse“ 76 liege, wenn die Versicherungsanstalten von der Möglichkeit (§ 12), eine etwaige Erwerbsunfähigkeit durch eine Heilbehandlung abzuwehren, vielfältigen Gebrauch machen würden. Es ging vor allem darum, mit Hilfe der LVA den Bestand an Heilstätten zu vergrößern, um den versicherten Patientinnen und Patienten eine Behandlung zu ermöglichen. Die LVA hatten die Aufgabe, „dort, wo Heilstätten zur Unterbringung der versicherten Lungenkranken nicht vorhanden seien, solche Anstalten aus eigenen Mitteln – gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Organisationen – zu errichten“.77 Dies war ökonomisch geboten, da die Ausgaben für einen Heilstättenaufenthalt in den zunächst ausschließlich zur Verfügung stehenden Privatsanatorien sehr hoch waren. Die bis 1876 entstandenen Heilstätten waren fast ausschließlich für vermögende Patientinnen und Patienten gebaut worden, die die hohen Kurkosten von bis zu vier Mark pro Kurtag tragen konnten (für ein Hotelzimmer im noblen Kurort Baden-Baden waren zu dieser Zeit nur 2,50 Mark zu zahlen).78 Die Situation änderte sich, als die LVA vermehrt Versicherte aus der Arbeiterschicht in den Privatheilstätten unterbringen ließ und später damit begann, eigene Einrichtungen zu schaffen.79 Dettweiler (Heilstätte Falkenstein) und Driver (Heilstätte Reiboldsgrün) gehören zu den Begründern der Volksheilstättenidee. Sie forderten bereits 1882, nachdem Koch den Tuberkuloseerreger entdeckt hatte, die Planung von Heilstätten für mittellose Kranke. Der LVA-Leiter Hermann Gebhardt (1891-1906) schuf die Grundlage für den Bau einer ersten LVA-eigenen Heilstätte in St. Andreasberg (Oderberg, fertiggestellt 1897)80. Im selben Jahr folgte die Knappschaftspensionskasse zu Halle/Saale mit dem Projekt, eine Heilstätte in Sülzhayn/Harz zu errichten. Aber nicht nur LVA-Heilstätten nahmen Invalidenversicherte auf, auch private Sanatorien stellten den LVA nach wie vor eine gewisse Anzahl an Betten zur Verfügung (so z.B. die Heilanstalten des Dr. Brehmer in Görbersdorf und des Dr. Pintschovius in Altenbrak). 76 Carl Hamel, Deutsche Heilstätten für Lungenkranke: Geschichtliche und statistische Mitteilungen. TuberkuloseArbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, 1-23, hier S. 8 77 Ebd., S. 9 78 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 20 79 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 165 80 Hamel, Deutsche Heilstätten für Lungenkranke, S. 8f. 32 2.5.3 Höhepunkte der Entwicklung des Heilstättenwesens Die Realisierung der meisten Heilstättenbauten für die Arbeiterschicht erfolgte durch besondere Heilstättenvereine, in denen Industriebetriebe oder Gemeinden Mitglied waren. Als eine erste von einem Mäzen finanzierte Einrichtung kann das Kurhospital Siloah gelten, das 1881 mit Hilfe von Spendengeldern im pommerschen Kolberg erbaut wurde.81 Im Jahre 1896 gab das Kaiserliche Gesundheitsamt eine Denkschrift heraus, in der auf den gesundheitlichen und ökonomischen Nutzen von Heilstättenbehandlungen für Tuberkulöse hingewiesen wurde. Im gleichen Jahre erhielt die Heilstättenbewegung einen weiteren Aufschwung, als der „Volksheilstättenverein vom Roten Kreuz“ am brandenburgischen Grabowsee (bei Oranienburg) - zunächst versuchsweise - die erste Tuberkuloseheilstätte im Flachland eröffnete und damit eine neue Entwicklung einleitete.82 In den Jahren 1898 bis 1904 entstand ein regelrechter „Bauboom“ für Heilstätten: 49 Häuser kamen hinzu und viele bereits bestehende Anstalten wurden vergrößert. Mehr als die Hälfte der Einrichtungen befand sich im Besitz der LVA. Dachorganisation der Heilstättenvereine war das „Deutsche Zentralkomitee“ in Berlin. Es zählte im Jahre 1904 über 1.400 Mitglieder, darunter sieben Ministerien, 26 Landesversicherungsanstalten und 347 Gemeinden.83 Einen besonderen Höhepunkt erreichte die Heilstättenbewegung im Jahre 1899, als das Zentralkomitee zum „Kongress zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit“ einlud, an dem über 1.700 Besucher teilnahmen. Auf der Veranstaltung wurden allerdings auch erste kritische Töne laut. So wurde etwa die Frage erörtert, ob nicht erst „über die besondere Wirksamkeit der Heilstättenfürsorge und über die Bedürfnisfrage fernerer Anstalten weitere, hinreichend sichere Erfahrungen“ gesammelt werden müssten und deshalb „ein langsameres Tempo in der Heilstättenbegründung“ sinnvoller sei.84 In Mittelpunkt der Heilstättenbewegung stand inzwischen der Gedanke einer umfassenden Betreuung jener Kranken, die aus bildungsfernen Schichten kamen und nicht einmal über hygienische Grundsätze aufgeklärt worden waren. In diesem Zusammenhang bekräftigte der Heilstättenarzt Felix Wolff noch einmal die Forderung, die Behandlungsziele in den neuen Volksheilstätten an den Grundprinzipien der Heilmethoden Brehmers und Dettweilers 81 Carl Hamel, Deutsche Heilstätten für Lungenkranke: Geschichtliche und statistische Mitteilungen. TuberkuloseArbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, 1-23 82 Ein Beitrag zur Beurteilung des Nutzens von Heilstätten für Lungenkranke, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, Anlage I, S. 36 83 Hamel, Deutsche Heilstätten für Lungenkranke, S. 16 84 Ebd., S. 17 33 auszurichten und die Häuser vor allem als „Erziehungsanstalten“ zu begreifen. Die Patienten sollten hauptsächlich „zur Prophylaxe für sich und andere“85 geschult werden. Eine gänzliche Heilung der Tuberkulose hielt Wolff ohnehin nicht für möglich. Eine weitere Überlegung bestand darin, die Lungenkranken in besonders abgelegenen Mittelgebirgstälern zu behandeln, um sie zugleich von der noch nicht infizierten Bevölkerung isolieren zu können. Das nach Kochs Entdeckung allgemein verbreitete Wissen um den Erreger hatte zu einer teilweise überhöhten Bewertung der Ansteckungsgefahr geführt. In der Entwicklung schien sich eine Wende anzubahnen, als auf dem I. Internationalen Medizinischen Kongress 1890 in Berlin die Frage diskutiert wurde, ob der Bau von Heilstätten für Personen aus ärmeren Schichten forciert werden müsse. Da aber Robert Koch auf dem gleichen Kongress das Tuberkulin als neues Heilmittel vorstellte, blieben die Stimmen zurückhaltend. Man glaubte, auf Heilstätten nach dem bestehenden Vorbild Brehmers und Dettweilers vielleicht bald verzichten zu können.86 Doch diese Einschätzung änderte sich wieder, als sich herausstellte, dass das Tuberkulin nicht die erhoffte Wirkung hatte. Deshalb kam es weiterhin zur Gründung von karitativen Heilstättenvereinen. Private Stiftungen und Darlehensgeber sollten die Bemühungen unterstützen. Die Idee erwies sich als erfolgreich: Aus Mitteln der bereits existierenden Vereine entstanden in kurzer Zeit vier neue Heilstätten: 1892 in Bad Lippspringe (mit Unterstützung des Johanniterordens) und in Malchow (bei Berlin), 1893 in Dannenfels (bei Ludwigshafen, mit Unterstützung der BASF-Werke) und in Bad Rehburg (am Steinhuder Meer).87 Zugleich wurden in dieser Zeit viele neue Vereine gegründet, so z.B. 1893 im pommerschen Regierungsbezirk Stettin der „Verein zur Errichtung von Genesungsstätten für unbemittelte Lungenkranke“ und in Berlin im Jahre 1895 der „Volksheilstättenverein vom Roten Kreuz“, dem es gelang, bereits 1896 am Grabowsee unter der Schirmherrschaft der Fürstin Hohenlohe eine Einrichtung zu eröffnen. Im gleichen Jahr kam es zur Gründung des „Berlin-Brandenburger Heilstättenvereins,“ der eine Heilstätte bei Bad Belzig ins Leben rief. Der Verein stand unter der Schirmherrschaft der Kaiserin Auguste Viktoria.88 Hamel bemerkt dazu: „Angesichts der Mitgliederliste des Zentralkomitees und der beiden prominenten Heilstättenvereine läßt sich erkennen, daß die Volksheilstättenidee nicht nur von medizinischer Seite getragen wurde. Die Spitzen der Gesellschaft setzten sich dafür ein, 85 Felix Wolff, zitiert nach Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 23 Hamel, Deutsche Heilstätten für Lungenkranke, S. 6 87 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 25-27 88 Ebd., S. 32 86 34 mitgerissen von emotionalen Regungen und dem Wunsch, humanitär und wohltätig zu handeln. Es galt als Ehre für jeden, der Rang und Namen hatte, einem dieser Ausschüsse anzugehören. Auf der anderen Seiten brauchten diese Vereine prominente Mitglieder, um so ihre Tätigkeit weiter auszubreiten und neue Anhänger zu werben“89 Auf Initiative von Wohltätigkeitsvereinen entstanden weitere Einrichtungen: 1898 bei Bad Berka die Sophienheilstätte des „Patriotischen Institutes der Frauenvereine für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach“ und die Heilstätte des Oberschlesischen Knappschaftsvereins in Loslau. Sie sollten ausnahmslos einer Behandlung von Tuberkulösen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten dienen. Die nach 1894 von Landesversicherungsanstalten genehmigten Behandlungen (also auch Heilstättenaufenthalte von Tuberkulösen) waren durch die frühe Sozialgesetzgebung zunächst nur unzureichend finanziell gedeckt. Erst das am 13. Juli 1899 erlassene Invalidenversicherungsgesetz regelte die Übernahme von Behandlungskosten, und zwar vor allem als vorbeugende Maßnahme zur Vermeidung einer möglichen Invalidität durch Tuberkulose. Die Heilstättenbewegung änderte nunmehr ihr Bild. Private Heilstättenvereine traten in den Hintergrund. Die meisten Häuser wurden von den Landesversicherungsanstalten weitergeführt und außerdem viele neue Einrichtungen gebaut. Von 1899 bis 1908 stieg die Zahl der Volksheilstätten von 33 auf 99 im gesamten Reichsgebiet.90 Als Höhepunkt einer LVA-finanzierten Bautätigkeit kann die Einrichtung der 1902 eröffneten Beelitzer Heilstätten angesehen werden. Der Kostenaufwand für diese nach Größe und Ausstattung mustergültige Anstalt überstieg alle vergleichbaren Projekte (vgl. 3.1).91 Auch Häuser, die nicht von einer Landesversicherungsanstalt, sondern von anderen karitativen Kostenträgern gegründet wurden, trugen zum Teil den Charakter einer Volksheilstätte. Ausschlaggebend für die Zuordnung ist, ob es sich bei der Klientel um Versicherte oder um Selbstzahler handelt. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die seit 1898 in Sülzhayn (Harz) bestehende Heilstätte der Norddeutschen Knappschaftspensionskasse Halle/Saale, das 1904 fertiggestellte Auguste-Viktoria-Stift des Allgemeinen Knappschaftsvereins in Beringhausen bei Meschede sowie die ebenfalls 1904 eröffneten Heilstätten Moltkefels (bei Schreiberhau, Riesengebirge) und Stadtwald (bei Melsungen/Kassel) der Pensionskasse I der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft (später Reichsbahn). 89 Ebd., S. 33 Ebd., S. 58f. 91 Ebd., S. 60 90 35 Nach Maßgabe des § 12 des neuen Sozialversicherungsgesetzes war es das Bestreben der Landesversicherungsanstalten, in erster Linie denjenigen Kranken einen Genesungsaufenthalt zu ermöglichen, bei denen die Aussicht auf Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit realistisch erschien. Deshalb wurden nur in seltenen Fällen Schwerkranke aufgenommen. Die Politik der Landesversicherungsanstalten, auf diese Weise Kosten zu sparen, war jedoch nicht erfolgreich. Bei den meisten in den eigenen Häusern behandelten Patientinnen und Patienten dauerte es viele Jahre, bis die Erwerbsfähigkeit nach einer - zum Teil mehrfachen - Heilstättenkur wiederhergestellt wurde. Gelang die Rückkehr ins Berufsleben nicht, wäre eine frühere Verrentung wesentlich kostengünstiger gewesen. In diesen Fällen standen die Ausgaben für die Heilstättenbehandlung jedenfalls in keinem Verhältnis zu den Ersparnissen. Das wirkte sich auf die Bilanzen der Sozialversicherungsanstalten ungünstig aus.92 Ein anderes Problem bestand darin, dass die schwerkranken Offentuberkulösen, die meist nicht in die Heilstätten aufgenommen wurden, für gesunde Menschen in den Städten und für die Arbeiter in den Betrieben eine große Ansteckungsgefahr darstellten. Es blieb ihnen aber verwehrt, eine Heilstättenbehandlung in Anspruch zu nehmen, weil den Sozialversicherungsanstalten eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit aussichtslos erschien.93 Zu den von privaten Trägern errichteten Heilstätten für wohlhabende Patienten zählten die Einrichtungen des Dr. Weicker in Görbersdorf (stufenweise erbaut zwischen 1888 und 1894), des Dr. Jakubasch in St. Andreasberg/Harz (1898), des Dr. Schön in Bad Reinerz (1899), mehrere Privatsanatorien in Sülzhayn/Harz (ab 1899), die Heilstätte der Ortskrankenkasse für Kaufleute, Handelsleute und Apotheker in Müllrose bei Frankfurt/Oder (1907), die Heilstätte Waldesduft in Görbersdorf (1908), das Waldsanatorium Obornik/Posen (1911) und das Sanatorium Birkenhaag im heutigen Berlin-Lichtenrade (1918).94 Die allermeisten der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts registrierten Tuberkulosekranken im Deutschen Reich konnten sich einen Heilstättenaufenthalt nicht leisten. Erst die in den 1890er Jahren einsetzende Volksheilstättenbewegung, die ihren Ursprung sozialpolitisch in der Sozialgesetzgebung Bismarcks hatte, führte zu einer umfassenden Änderung der Situation, als die neugegründeten Landesversicherungsanstalten eine große Zahl von Genesungsheimen für finanziell schwache Tuberkulöse errichten ließen. 92 Ebd., S. 70 Ebd., S. 74 94 Ebd., S. 47, 48 und 51 93 36 2.5.4 Die Situation nach dem Auslaufen der Heilstättenbewegung Im Hinblick auf die Heilstättenbewegung sind verschiedene Phasen zu unterscheiden: Ein gleichmäßiger Anstieg der Bautätigkeit liegt zwischen 1863 bis 1882. Eine kurzzeitige Stagnation - nach 1882 - entstand im Testzeitraum des Tuberkulins. Als erkannt wurde, dass es gegen die Tuberkulose immer noch kein wirksames Medikament gab, setzte man wieder verstärkt auf den Bau von Heilstätten. Bis wenige Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs hielt dieser Trend an, da mit der Sozialversicherungsgesetzgebung auch die Finanzierung der Heilstätten gesichert war. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg verzichteten die LVA weitgehend auf den Bau neuer Heilstätten, erweiterten aber das Programm, sog. Fürsorgestellen einzurichten. Deren prophylaktische Funktion bestand vor allem darin, die Bevölkerung über die Gefahren der Tuberkulose aufzuklären und Schutzmaßnahmen anzuraten. In den Fürsorgestellen wurden aber z.T. auch Schwerkranke betreut. Doch diese Art der medizinischen Versorgung war unzulänglich. Deshalb entstand außerdem die Tendenz, einzelne Heilstätten in Tuberkulose-Fachkrankenhäuser umzuwandeln, um auch diese Gruppe stationär behandeln zu können. In dieser Entwicklung kündigte sich das Abklingen der Heilstättenbewegung an, weil sich hinsichtlich der Therapiemethode eine entscheidende Neuorientierung anbahnte. 2.5.4.1 Der Umbau der Heilstätten in chirurgische Fachkrankenhäuser In die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg fielen die ersten chirurgischen Eingriffe: 1912 wurde die Methode des Pneumothoraxes95 wissenschaftlich anerkannt.96 Während des Krieges erlangte die traditionelle Heilstättenbehandlung aber noch einmal größere Bedeutung. Aufgrund schlechter Ernährung, unzureichend beheizter Räume, mangelhafter hygienischer Zustände und zunehmender Stressbelastung erhöhte sich die zuvor rückläufige Zahl der Tuberkulösen im Jahre 1918 wieder auf den Stand von 1897 (vgl. Abb. 1). Nach dem Krieg wurde aufgrund einer allgemeinen Einführung chirurgischer Behandlungsmethoden und einer Konzentration auf eine systematische prophylaktische Fürsorge (die in 95 Der Arzt Carlo Forlanini hatte 1882 die Idee, bei Tuberkulosepatienten einen künstlichen Pneumothorax anzulegen. Dadurch wurde die tuberkulöse Lunge einseitig oder beidseitig mit Gas (erst Stickstoff, später filtrierte Luft) befüllt – Ziel war es, dadurch den tuberkulösen Teil der Lunge stillzulegen. Dieses riskante und wenig wirkungsvolle Verfahren wurde nach und nach durch medikamentöse Therapien ersetzt. 96 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 80 37 ambulanten Einrichtungen stattfand) der Bau von Heilstätten mit traditioneller Ausrichtung weitgehend eingestellt. Nur wenige neue Tuberkulose-Fachkrankenhäuser, die der stationären chirurgischen Behandlung von Tuberkulösen dienten und in denen keine hygienisch-diätetische Therapie mehr durchgeführt wurden, konnten in den 1920er Jahren errichtet werden (so u.a. in Sommerfeld, Treuenbrietzen und Tilsit). Zum Teil kam es aber noch zur Fertigstellung von Heilstätten-Bauprojekten, mit denen bereits vor dem Ersten Weltkrieg begonnen worden war (z.B. Buchwald im Riesengebirge).97 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 98 ABB. 1: JÄHRLICHE STERBLICHKEIT AN TUBERKULOSE IN DEUTSCHLAND, 1900 - 1938 . Gegen Ende der 1920er Jahre war der große Umbruch vollzogen, den die neuen Behandlungsmethoden bewirkt hatten. Dr. Krause, Chefarzt der Heilstätte Rosbach, kennzeichnete die Veränderung im Jahre 1928 wie folgt: „Die notwendige Umstellung der Heilstätten in der Richtung der Tuberkuloseklinik und die große Erweiterung ihres Pflichtenkreises ist eine Folge der fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnis von dem Wesen der Tuberkulose. In der Entwicklung der Heilstätten spiegelt sich die Entwicklung der Tuberkuloseforschung wider.“ 99 2.5.4.2 Das Heilstättenwesen im Nationalsozialismus Der Beginn der 1930er Jahre kann im Hinblick auf die Therapie der Tuberkulose und die 97 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 165 Grafik entnommen aus: Hans Schlossberger und Berhard Schmidt, Infektionskrankheiten, In: Schlossberger, H. & Wildführ, G. (Hg.): Hygienisches Taschenbuch. Berlin: Springer 1950, S. 495- S. 604, hier: S. 600 99 Karl Krause, Erinnerungsschrift aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Stadtkölnischen Auguste-ViktoriaStiftung, Berlin: Springer 1928, S. 3-17 98 38 Existenz der Heilstätten als das Ende einer Ära angesehen werden. Das Jahr 1934 brachte außerdem ein zusätzliches Umdenken in der Tuberkulosebehandlung; denn im Nationalsozialismus entstand die politisch gewollte Zwangsasylierung. Von der Tuberkulose betroffene Personen mit delinquenter Vergangenheit oder aus einem sozial problematischen Milieu (sog. „Asoziale“), aber auch lediglich unheilbar kranke Offentuberkulöse, die eine hohe Ansteckungsgefahr darstellten, wurden gegen ihren Willen in besondere, gefängnisartige Einrichtungen für Tuberkulöse (z.B. im thüringischen Stadtroda) untergebracht. Dort lebten die Kranken zum Teil unter unmenschlichen Bedingungen, wurden zumeist wie Kriminelle in Einzelzellen eingesperrt und stets von bewaffnetem Pflegepersonal bewacht. Sowohl praktizierende Ärzte als auch Leiter von Fachkrankenhäusern hielt man dazu an, bestimmte Tuberkulosekranke in diese Häuser einzuweisen. Einige Chefärzte, wie etwa Dr. Adolf Tegtmeier, Leiter der Sophienheilstätte bei Bad Berka, widersetzten sich derartigen Aufforderungen und schickten keine Patienten in diese Zwangsanstalten. Als Tegtmeier von zurückgekommenen Patienten hörte, wie entsetzlich die Verhältnisse in diesen ‚Gefängnissen’ waren, richtete er mit Genehmigung der Behörden eine eigene „Asylierungsabteilung“ im Dachgeschoss der Sophienheilstätte ein, um die Kranken unter seiner medizinischen Obhut behalten zu können. Auf diese Weise bewahrte er viele Menschen vor Leid und häufig auch vor einem frühen Tod.100 Im Jahre 1934 wurde von den Nationalsozialisten außerdem ein Gesetz erlassen, das das Gesundheitssystem vereinheitlichen sollte und bis dahin weitgehend unabhängige Einrichtungen der Tuberkulosebehandlung unter direkte staatliche Überwachung stellte. Sinn des „Gesetzes zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ war, die Ziele der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspflege“ besser durchsetzen zu können.101 Das Gesetz regelte auch den Aufbau eines Systems von besonderen Tuberkulose-„Fürsorgestellen“, denen nun eine größere Bedeutung in der Bekämpfung der Krankheit (vor allem in der Prophylaxe) zugemessen wurde als zuvor. Auch in den Heilstätten übte der Staat Druck auf die Kranken aus: Als dissozial beurteilte Patienten sollten zwangsasyliert werden, um sie disziplinieren oder vollständig isolieren zu können.102 Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens kann also in gewissem Sinne auch als das juristische Ende der Heilstättenbewegung angesehen werden. Außerdem trat im gleichen Jahr das Gesetz über den Neuaufbau des Reich in Kraft: Die preußischen Provinzen verloren ihre 100 Birgit Berndt und Christa Kouschil, Schach der Tuberkulose, aber matt? Berlin: edition bodoni 2008, S.69-74 Alfons Labisch und Florian Tennstedt, 50 Jahre Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens. Öff Gesundh Wes, 46/1984, 291-298. 102 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 132 101 39 Unabhängigkeit und fast alle preußischen Regierungsbehörden gingen in den Reichsbehörden auf. Damit hatte Preußen de facto zu existieren aufgehört. Formal wurde Preußen aber erst 1947 mit einem Beschluss des Alliierten Kontrollrats aufgelöst.103 2.5.4.3 Der medikamentöse Wandel in der Tuberkulosebehandlung Mit der Entwicklung hochwirksamer Antibiotika verlor die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose ihre Bedeutung. In der Umgangssprache wurde der Begriff „Heilstätte“ als Bezeichnung für stationäre Einrichtungen jedoch bis in die 1980er Jahre weiterverwendet. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland noch eine Vielzahl von Rehabilitationseinrichtungen, die man als „Heilstätten“ ansah. Das änderte sich auch nicht, als Patienten, die an einer Tuberkulose litten, seit dem Ende der 1940er Jahre mit dem Antibiotikum Streptomycin behandelt wurden. Als Bestandteile der Nachkur blieben einzelne Elemente des hygienischdiätetischen Therapieansatzes und der Freiluft-Liegekur in vielen Rehakliniken häufig noch erhalten. Die bis dahin vorherrschenden chirurgischen Behandlungsmethoden wie der künstliche Pneumothorax hatten sich hinsichtlich ihrer Wirksamkeit ohnehin als sehr begrenzt herausgestellt: „So ergibt die umfassende Statistik von Gunnar Berg über das Gotenburger Material von 1910 – 1934 für die Kollapstherapie der Offentuberkulösen nur 20-30 % Überlebende nach 10 Jahren. Dem Pneumothorax schreibt er auf Grund seiner Ergebnisse nur eine symptomatische, den Ablauf der Erkrankung hinausschiebende Wirkung zu.“104 Es hatte lange Zeit gedauert, bis die 1928 von Alexander Fleming entdeckte antibiotische Reaktion eine breite medizinische Anwendung finden konnte.105 Das für die Tuberkulosebehandlung entscheidend wichtige Aminoglycosid-Antibiotikum Streptomycin war 1943 von einem Forscherteam um Selman Waksman erstmals an der Rutgers University im US-Bundestaat New-Jersey hergestellt worden. Waksman erhielt für die Entwicklung der industriellen Produktionsmethode den Nobelpreis für Medizin.106 Bereits kurze Zeit später konnte die Tuberkulose in den USA mit großem Erfolg bekämpft werden. 103 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 116 Reinhard Hein, Über den Stand der chirurgischen Behandlung der Lungentuberkulose im In- und Ausland, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung vom 31. August 1950, 104(1), 37-50, hier S. 38 105 Roy Porter: Die Kunst des Heilens, Heidelberg: Spektrum 2003, S. 459 106 Selman Waksman, The conquest of tuberculosis, Berkeley 1964, S. 49 104 40 Die Verabreichung von Tuberkulosemedikamenten wird bei den meisten Patienten ambulant kontrolliert und dauert in der Regel zwei Monate. Lediglich in besonders schweren Fällen (oder bei einem Vorliegen von Therapieproblemen wie Adhärenz oder Resistenz) erfolgt die Behandlung stationär. Im Laufe der Zeit hat sich nur die Art der Produkte verändert. Streptomycin wird meist nicht mehr eingesetzt, da viele Patienten bereits Resistenzen entwickelten und in den 1950er und 1960er Jahren besser wirkende Antibiotika107 gefunden wurden. In Deutschland wird seit 2001 bei Lungentuberkulose aufgrund bekannter Resistenzen „eine zweimonatige Initialtherapie mit INH, RMP, PZA und EMB, gefolgt von einer viermonatigen Kontinuitätstherapie mit INH und RMP“ empfohlen.108 In den letzten Jahren ist, vor allem in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, eine besorgniserregende Zunahme an multiresistenten Tuberkulose-Stämmen zu verzeichnen.109 Spätestens mit dem neuen Haushaltsbegleitgesetz von 1983, das zu Jahresbeginn 1984 in Kraft trat, ging die Versorgung von Tuberkulosekranken in die Verantwortlichkeit von Krankenversicherungen über und gehörte nicht mehr zu den Aufgaben der Sozialversicherung. Somit entfiel für die LVA auch die Verpflichtung, eigene Tuberkulose-Fachkliniken (bzw. Heilstätten) zu unterhalten. Seit diesem Zeitpunkt erfolgt die Tuberkulose-Behandlung nicht mehr notwendigerweise in eigens dafür vorgesehenen Krankenhaus-Einrichtungen.110 2.6 Das Behandlungsprogramm in den Heilstätten Dr. Arthur von Jaruntowsky gab im Jahre 1896 ein vielbeachtetes Buch mit dem Titel „Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben“ heraus. Jaruntowsky war als Oberarzt in Brehmers Heilanstalt Görbersdorf tätig gewesen (er arbeitete später als HNO-Arzt in Posen). Das von ihm verfasste Grundlagenwerk war sehr weit verbreitet. Da die dargestellten Methoden gleichsam als das Kernprogramm der Heilstättenbehandlung galten, wird im vorliegenden Zusammenhang näher darauf eingegangen. 107 Heute werden Isoniazid (INH, seit 1952 in Deutschland zugelassen), Rifampicin (RMP, seit 1966), Pyrazinamid (PZA, seit 1952), Ethambutol (EMB, seit 1961) und Streptomycin (SM, seit 1945-9) bei der TuberkuloseTherapie verabreicht. In der Schweiz ist Streptomycin seit 2008 nur noch in der Veterinärmedizin zugelassen. 108 Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZKBT), Richtlinien zur medikamentösen Behandlung der Tuberkulose im Erwachsenen-und Kindesalter. Pneumologie, 55/2001, 494-511. 109 Daniel Sagebiel, A. Brendel, Michael Forßbohm & Robert Loddenkemper, Gefährliche Zunahme multiresistenter Tuberkulosen in der ehemaligen Sowjetunion. Pneumologie, 56/2002, 7-10. 110 Andreas Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock. Von der Volksheilstätte zu einem modernen Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie. Münster 1995, S. 68 41 2.6.1 Zentrale Aspekte der Heilstättenkur Im ausgehenden 19. Jahrhundert bildete zunächst die hygienisch-diätetische Therapie nach Brehmer die wichtigste als wirksam geltende Heilmethode gegen die Tuberkulose.111 Als einen weiteren Therapieansatz hob von Jaruntowsky die klimatische Heilbehandlung der Lungenkranken hervor. Schon Brehmer war der Auffassung, dass das Klima für die Genesung der Patienten einen gar nicht hoch genug einzuschätzenden Beitrag leisten würde. Eine Heilanstalt sollte seiner Lehrmeinung nach deshalb immer im Gebirge errichtet werden, und zwar in einer Region, „deren Bewohner von Lungenschwindsucht relativ frei sind“. Das galt als ein Indiz für klimatisch gute Bedingungen.112 Außerdem wurde eine „reichliche Besonnung“ der Heilstättengebäude empfohlen. Die naturräumliche Einbettung der Einrichtungen in die Umgebung und die davon ausgehende psychische Wirkung spielten ebenfalls eine Rolle im Heilungsprogramm. So vermutete man: „sicherlich wird die idyllische Lage der Anstalt nicht verfehlen, auf das Gemüt des Kranken einen heilsamen Einfluss auszuüben“.113 In Hinblick auf mögliche Bauplätze für Heilstätten hielt Brehmer sogar die Lage zwischen bestimmten geographischen Breitengraden für wichtig. In Deutschland sei für das Entstehen einer tuberkulosefreien Region eine Höhenlage von 500 Metern ausreichend, in der südlichen Schweiz bräuchte man schon 1500-1700 Meter, um geeignete klimatische Verhältnisse für die Behandlung zu finden, und am Äquator wären bereits 3000-4000 Meter notwendig. Mehrere wissenschaftliche Studien schienen die Theorie Brehmers zu stützen, da die Forscher in Bergdörfern keine oder kaum Tuberkulosekranke vorfanden. Diese Beobachtung hatte jedoch möglicherweise ganz andere als klimatische Ursachen.114 Ein besonders stark beachtetes klimatisches Kriterium war die sog. „Reinheit der Luft“. Louis Pasteur hatte den Begriff Reinheit als „Abwesenheit aller nicht nur anorganischen, sondern vor allem auch organischen Partikelchen“ definiert. Lungenpatienten sollten also möglichst Orte aufsuchen, an denen die Luft nicht „mit Mikroorganismen überfüllt ist.“115 In den Städten gab es, nach der herrschenden Auffassung, eine stark erhöhte Luftverunreinigung mit Mikroorganismen. Diese Gefahr verringere sich, so glaubte man, in Abhängigkeit von der 111 Arthur von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, Posen/Berlin: S. Karger, 1896, S. 5 112 Ebd., S. 6 113 Dr. Schüler (Hg.), Die Volksheilstätte bei Waldbreitbach, errichtet von d. Verband z. Errichtung von Volksheilstätten f. Lungenkranke in d. Reg. Bez. Coblenz. Coblenz-Lützel: Verl. d. Verbandes 1903, S. 27f. 114 Ebd., S. 7 115 Ebd., S. 8 42 Höhenlage. Auch Staub wurde als auslösend für einen Hustenreiz und für die Übertragung von Bakterien angesehen. Von Jaruntowskys Ausführungen zufolge war die Gefahr in Gebirgsorten prinzipiell geringer. Hinzu komme, dass es im Sommer im Gebirge häufiger regne und dadurch die Luft „gereinigt“ werde. Eine Schneedecke im Winter würde Staubbildung sogar gänzlich verhindern, nahm von Jaruntowsky an. Eine Heilanstalt müsse also unbedingt in möglichst staubfreier Atmosphäre errichtet werden, fernab von Straßen und Fabriken. Außerdem solle berücksichtigt werden, dass die Luft trotz des stärkeren Niederschlags im Gebirge bei erhöhter Sonneneinstrahlung trockener sei als andernorts, und dass das für Lungenkranke eine weitere günstige Voraussetzung wäre. Der niedrige Luftdruck bewirke einen geringeren Ozongehalt, der wiederum eine Vermehrung der roten Blutkörperchen sowie einen gesteigerten Appetit verursache. Selbst kalte Gebirgsluft sei nicht schädlich, außer bei Kranken mit erethischer Phthisis (Blutarmut), sondern eher gesundheitsförderlich. Daher gebe es in kälteren Gegenden, so von Jaruntowskys Vermutung, kaum Tuberkulosepatienten.116 Welche Vorzüge des Gebirges für eine Behandlung der Tuberkulose letztlich entscheidend waren, blieb jedoch strittig. Von Jaruntowsky nennt in seiner Publikation die Namen mehrerer Forscher und gibt kurz ihre unterschiedlichen Meinungen dazu wieder. Einigkeit bestand einzig in der Annahme, eine saubere Atmosphäre könne sich auch psychisch positiv auf den Patienten auswirken und heilende Kräfte gegen die Tuberkulose wecken. Letzten Endes sei aber immer eine sorgfältige Beobachtung individueller Heilungserfolge wichtig, um eine möglicherweise notwendig werdende Neuausrichtung der Therapie erkennen zu können: „Bei der Behandlung der Lungentuberculose muss man stets von dem Grundsatze ausgehen, den Kranken dort, wo er sich wohl fühlt und augenscheinlich bessert, bis zur Erzielung der Heilung zu behalten“.117 2.6.2 Die Aufnahme und der Tagesablauf Über den Patientenalltag in den kaiserzeitlichen Heilstätten gibt es leider nur wenige Berichte. Viele Details lassen sich den Schilderungen entnehmen, die die Kranken in Briefen oder in Postkarten ihren Angehörigen mitteilten. Darin finden sich neben anerkennenden und kritischen Äußerungen über die Einrichtungen auch viele Hinweise auf konkrete Einzelheiten des Anstaltslebens.118 116 Ebd., S. 9 Ebd., S. 11 118 Privates historisches Postkartenarchiv des Verfassers 117 43 Ein autobiografisches Zeugnis über das Leben in einer Heilstätte bilden die Lebenserinnerungen des Fabrikarbeiters Bromme. Er hat einen Bericht über drei Aufenthalte in einer Volksheilstätte verfasst (s. 2.10.2). Bromme war mehrmals Patient in der Sophienheilstätte Bad Berka (1902, 1904 und 1905) und schildert u.a. ausführlich den Kuralltag. Der Darstellung sind viele Einzelheiten zu entnehmen: Jeder Patient musste bei Aufnahme in die Heilstätte eine vorher festgelegte Zahl von Kleidungsstücken (einschließlich Schuhen) und Kosmetika mitbringen. Da die Kranken, die größtenteils aus ärmeren Schichten kamen, oft nicht über derart viele Ausstattungsgegenstände verfügten, blieb ihnen nur die Möglichkeit, diese von Verwandten oder Bekannten zu leihen, da sie sonst nicht in die Heilstätte aufgenommen worden wären. In der Heilstätte Edmundsthal waren mitzubringen: ein vollständiger Winter/Sommer-Anzug (bei Frauen ein Kleid), einzelne Winter- bzw. Sommer-Überzieher (bei Frauen eine Jacke oder ein Mantel), zwei Paar Hausschuhe (für Sommer und Winter), sechs wollene oder baumwollene Hemden, drei Paar Unterhosen, sechs Paar Strümpfe, sechs Taschentücher, eine weiche Schirmmütze, Zahnbürste, Kamm, Haarbürste, Kleiderbürste, Schwamm oder Waschlappen sowie zwei kleine Vorhängeschlösser. Frauen sollten vier baumwollene „Beinkleider“ und zwei Paar feste Stiefel besitzen.119 In der Heilstätte Waldbreitbach hatten die männlichen Patienten bei Aufnahme vorzuweisen: vier Hemden, drei Unterjacken, drei „Beinkleider“, sechs Paar Strümpfe, ein Dutzend Taschentücher, zwei Paar feste dicksohlige Lederschuhe, ein Paar Gummischuhe, ein Paar Hausschuhe, einen Mantel, zwei Anzüge („resp. Kleider“), eine weiche Mütze oder ein Kopftuch für die Liegekur, eine Zahnbürste, einen Kamm und einen Schirm. Weibliche Patienten sollten außerdem zwei Unterröcke, zwei Zwischenröcke, zwei Leibchen und zwei Waschkleider (für die Liegekur) mitzubringen. Jedem Patienten wurde ein Bett mit eisernem Bettgestell, einer Matratze und Kissen aus Rosshaar mit Flanell- und Schafswollüberzug zur Verfügung gestellt.120 Jede Patientin und jeder Patient wurde von der Oberschwester empfangen, die die Namen in eine Liste eintrug. Danach erhielten die Ankommenden als erstes eine persönliche Sputumflasche („blauer Heinrich“ genannt): Darin sollten die Tuberkulösen ihren Auswurf sammeln und den Flascheninhalt regelmäßig ins WC entleeren. Außerdem bekamen alle ein Fieberthermometer und eine Proviantbüchse ausgehändigt. Anschließend wurde ihnen Zimmer und Bett gezeigt sowie im Speisesaal ein fester Sitzplatz zugewiesen. Nach Abwicklung der Formalitäten hatte 119 120 44 Aufnahme-Bedingungen der Heilstätte Edmundsthal, Staatsarchiv Hamburg, A 834/0033, Kapsel 01, S. 5f. Aufnahmebedingungen der Volksheilstätte für Lungenkranke zu Waldbreitbach. In: VEVL Coblenz, Die Volksheilstätte bei Waldbreitbach, S. 32 jeder Neuzugang ein Dusch- oder Wannenbad zu nehmen.121 Auf das Einhalten der hygienischen Vorschriften und die Beachtung der Hausordnung wurde größter Wert gelegt. Zum Patientenalltag gehörte dreimal täglich das Messen der eigenen Körpertemperatur. Das Pflichtprogramm sah außerdem kalte Abreibungen morgens und abends, ein tägliches Duschbad, einen morgendlichen Spaziergang nach dem ersten Frühstück sowie drei Liegekuren mit einer mehrstündigen Dauer vor, und zwar je eine nach dem zweiten Frühstück, dem Mittagessen und dem Abendessen. Ab 22 Uhr war strikte Bettruhe angeordnet.122 2.6.3 Die Luftkur und das methodische Bergsteigen Für den Bau der Heilstätten wurden meist windgeschützte Hänge von Bergtälern ausgewählt. Nach Brehmer war der Wind „wahres Gift für Lungenkranke“.123 Die Patienten sollten möglichst viel Zeit im Freien verbringen, jedoch nur in ärztlich verordneter Art und Weise und an festgelegten Orten. Beklagt wurde, dass viele Patienten in den ersten Tagen dazu neigen würden, den „empfohlenen Genuss der frischen Luft zu missbrauchen“. Übermäßig viele Aktivitäten im Freien hätten zu Blutungen geführt.124 Die Wirksamkeit des Brehmer’schen Behandlungsansatzes wurde immer wieder bestätigt. Geradezu enthusiastisch äußert sich hierzu der rheinländische Heilstättenarzt Dr. Schüler im Jahre 1903: „Wald- und Heideflächen mischen der Luft die würzigen Bestandteile bei, welche zu tiefen Atemzügen einladen und wohltuend auf das Nervensystem einwirken, den Schlaf bessern, den Appetit heben und somit das allgemeine Wohlergehen fördern“. 125 Von Jaruntowsky unterteilte die Lungentuberkulosepatienten in zwei Gruppen: Leichtkranke und (körperlich geschwächte, fiebrige) Schwerkranke. Leichtkranke sollten möglichst einige Stunden täglich an frischer Luft, u.a. mit Spaziergängen und „methodischem Bergsteigen“, verbringen. Unter methodischem Bergsteigen verstand Brehmer das langsame Gehen bei mäßigem Anstieg, sodass bei den Patienten nicht so schnell Ermüdung eintrat und sich die Herzschlag- und Atemfrequenz nur wenig erhöhte (vgl. 3.4.1).126 Fieberpatienten durften, nach von Jaruntowsky, an frischer Luft nur liegen und sollten sich 121 Berndt und Kouschil, Schach der Tuberkulose, aber matt?, S. 28 Ebd., S. 30 123 von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, S. 14 124 Ebd. 125 Schüler, Die Volksheilstätte bei Waldbreitbach, S. 27 126 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 36f. 122 45 ohnehin nicht sonderlich viel bewegen. Davon abweichend befürwortete Brehmer bei Tuberkulösen generell eine nicht zu strapaziöse ärztlich kontrollierte tägliche Bewegung. Sein Schüler Dettweiler präferierte wiederum eher das Liegen. Von Jaruntowsky beschreibt ausführlich das Konzept der Liegekur. Diese sollte möglichst in Fichtenwäldern durchgeführt werden. Für die Kranken wären gepolsterte Liegestühle oder Hängematten bereitzustellen. In den Wintermonaten könnten auch überdachte Balkone oder besondere Hallen für die Kur genutzt werden. Dettweiler maß der Liegekur eine zentrale Bedeutung bei. Seine Patienten mussten auch bei Regen und Schneefall und sogar bei Temperaturen bis zu -12 °C zwischen sieben und elf Stunden pro Tag im Freien liegen. Die konsequente Durchführung der Liegekur sollte angeblich Appetitsteigerungen, aber auch eine Senkung von Fieber und eine Verhinderung nächtlicher Schweißausbrüche ermöglichen.127 Brehmer legte, wie bereits erwähnt, den Fokus nicht auf die Liegekur, sondern auf das „gemäßigte Bergsteigen“. Schon kurz nach ihrer Aufnahme in die Heilstätte sollten sich die Kranken an frischer Luft bewegen. Die leichte Anstrengung durch das bedächtige Bergsteigen, so wurde erwartet, würde sich schnell günstig auf Herz, Atmung und den Stoffwechsel auswirken sowie den Appetit anregen.128 Eine Überanstrengung sollte aber unbedingt vermieden werden. Deshalb wurde die Wegstrecke für die Bergwanderung vom Arzt genauestens festgelegt. Der Patient hatte langsam zu gehen, das Sprechen zu vermeiden und nur durch die Nase zu atmen. Auf Erholungspausen wurde besonderer Wert gelegt. Dementsprechend ließ Brehmer im Anstaltspark viele Bänke aufstellen und Rastplätze errichten. Ein Baustein der späteren Heilstättentherapie, auf den von Jaruntowsky hinweist, war die „Lungengymnastik“. Der Begriff steht für Anweisungen des Arztes bzgl. der Intensität des Luftholens während eines Spaziergangs der Patienten. Brehmer hielt diese Behandlungsform allerdings für ungeeignet, da die Atmungsorgane dabei übermäßig beansprucht würden.129 Sein Schüler Dettweiler war hier jedoch wieder anderer Auffassung. Er prägte den Ausdruck „Luftgymnastik“. Danach wurden Patienten dazu angehalten, alle 100-150 Schritte fünf bis sechs tiefe Atemzüge zu nehmen (allerdings nur durch die Nase). Auch bei der Liegekur sollte eine etwas erhöhte Menge Luft im Abstand von fünf bis zehn Minuten eingeatmet werden. Um diesen vorzubeugen und die Patienten abzuhärten, wurde die Luftkur durch die Hydrotherapie ergänzt (kalte Abreibungen und Duschen). Hydrotherapie sei, so hieß es, „das beste und einzige 127 von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, S. 15 Ebd., S. 16 129 Ebd., S. 17 128 46 Mittel, den Körper gegen Einflüsse des Witterungswechsels widerstandsfähig zu machen.“130 Im Hinblick auf die bauliche Anlage der Heilanstalt sollten hygienische Aspekte streng beachtet werden. Außerdem wäre die Versorgung der Innenräume mit frischer Luft sicherzustellen. Große Fenster, idealerweise Klappfenster, die keine Zugluft entstehen lassen, wurden angeraten. Die Zimmer müssten geräumig sein und sich vorzugsweise auf der sonnigeren Südseite befinden. Die Innenausstattung sollte eine wirkungsvolle Desinfektion erlauben (Fußböden aus Linoleum, Wände mit Ölanstrich, abwaschbare Tapeten). Von Jaruntowsky berief sich dabei auf die Direktive Brehmers: „Die Einrichtung der Anstalt macht die Anstalt aus.“131 2.6.4 Die diätetische Behandlung Ein besonders wichtiger Bestandteil der Anstaltskur war die diätetische Behandlung. Viele Lungenkranke litten an Appetitlosigkeit, waren entkräftet und abgemagert (daher auch der umgangssprachliche Name „Schwindsucht“ für die Lungentuberkulose). Brehmer setzte bei seinen Patienten sehr stark auf appetitsteigernde Maßnahmen und wollte insgesamt eine „Verbesserung der Ernährung und die dadurch bedingte Stärkung des kranken Organis132 mus“ herbeiführen. Von Jaruntowsky schrieb der Gebirgsluft ebenfalls eine appetitsanregende Wirkung zu. Blutarme müssten aber erst langsam wieder ans Essen gewöhnt werden. Die in den Heilstätten verabreichten Speisen sollten „schmackhaft zubereitet, dabei nahrhaft und reich an Fettgehalt sein.“ 133 Zum Speiseplan in Brehmers Heilanstalt gehörten vor allem Fleisch und Gemüse. Die Portionen waren nicht groß, weil die Kranken verteilt über den Tag in kleineren Mengen Nahrung aufnehmen sollten: „Darum ist die französische Sitte, welche in vielen klimatischen Kurorten herrscht, und auf seltenen, dafür aber möglichst üppigen Mahlzeiten (die Hauptmahlzeit in den Abendstunden) beruht, für Lungenkranke durchaus nicht empfehlenswert.“134 Brehmer konzipierte in Görbersdorf eine spezielle „Diät“, deren Anwendung in anderen Heilstätten Nachahmung fand. Dazu gehörten zwei Morgenmahlzeiten: Ein erstes Frühstück 130 Ebd., S. 18 Ebd., S. 19 132 Ebd. 133 Ebd., S. 20 134 Ebd. 131 47 zwischen 7:00 und 8:00 Uhr mit Kaffee (Kakao/Tee), einem belegten Brot bzw. einer „Semmel“ sowie einem Glas Milch und ein zweites Frühstück gegen 10:00 Uhr, angereichert mit einer Bouillon, einem Ei „und eventuell einem Glas Wein.“135 Das Mittagessen, das gegen 13:00 Uhr eingenommen wurde, bestand aus einem Drei-Gänge-Menü (zwei Fleisch- und Gemüsegerichte und eine Mehlspeise). Dazu wurden ein bis zwei Gläser Wein gereicht. Gegen 16:00 Uhr gab es eine „Vesper“ (vergleichbar mit dem zweiten Frühstück) und bereits um 17:00 Uhr ein Ein- bis Zwei-Gänge-Menü mit Salaten und warmem Gemüse sowie wiederum einem Glas Wein. Abends um 21:00 Uhr erhielten die Patienten noch 2-3 Teelöffel Cognac. Die relativ großzügige Gabe von alkoholischen Getränken wurde in Brehmers Heilanstalt konsequent durchgeführt, war aber in den Einrichtungen der Landesversicherungsanstalten später (vermutlich auch aus finanziellen Gründen) nicht mehr Teil der diätetischen Kur. Brehmer betrachtete Alkohol als ein Medikament zur Kräftigung des Herzens sowie zur Verhinderung des „Eiweißzerfalls“136 Der Kurtag war mit fünf Mahlzeiten zeitlich streng gegliedert. Mit dieser Tageseinteilung legte Brehmer den Grundstein für die später in allen deutschen Lungenheilstätten geltende Diät. Das Wort „Diät“ kennzeichnet hier eine besonders fett- und nährstoffreiche Ernährung, die eine schnelle Gewichtszunahme herbeiführen soll, ganz im Gegensatz zu der heutigen Bedeutung des Begriffs, die in der Regel auf eine Gewichtsreduktion zielt (vgl. Tab. 2).137 Die Verordnung kalorienreicher Nahrung ist in Anlehnung an die damals gültigen wissenschaftlichen Erkenntnisse138 konzipiert worden. Tuberkulöse sollen durch Fette und Kohlehydrate körperlich gestärkt werden. Brehmer rät aber stets zu einer ausgewogenen Ernährung, die auch aus Fleisch und Gemüse besteht, und zwar im Verhältnis 1:4. Bestimmten Patienten wird als Nahrungsergänzung Wein aus Ungarn verabreicht, dessen Anteil an phosphorhaltigem Calcium und Magnesium vergleichsweise hoch ist.139 Etwa 20% der Kurgäste erhalten einen besonderen Speiseplan, in dem neben ärztlichen Anordnungen auch persönliche Wünsche berücksichtigt sind. Die Patienten werden durch Trompetentöne zum Essen gerufen. Das erste Trompetensignal erfolgt bereits um 6:45 Uhr.140 135 Ebd. Ebd., S. 21 137 H. K. Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer. Eine Klinik für chronisch Lungenkranke. Berlin: Enslin 1875, S. 40f. 138 Genannt wird Dr. Küster in der Deutschen Zeitschrift für praktische Medizin, 38/1874, o. S. 139 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 43f. 140 Ebd., S. 48 136 48 7.00 – 8.00 Erstes Frühstück Kaffee und Milch, feines oder grobes Roggenbrot mit Butter (einige Kranke erhalten Kakao) 10.00 – 10.30 Zweites Frühstück Butterbrot und Milch (Fleisch und Eier nur gegen Zuzahlung) 12.30 – 13.30 Mittagessen Fleischsuppe, Fleischspeise mit Gemüse, Braten mit Kompott. Sonntags eine Mehlspeise oder Gebäck. Nach 13.30 Kaffeezeit Kaffee kann im Speisesaal, auf der Veranda, im Wintergarten oder im Anstaltspark genommen werden. 16.00 – 16.30 Nachmittagsmahlzeit Kaffee und Milch, feines oder grobes Roggenbrot mit Butter (einige Kranke erhalten Kakao) 19.00 – 19.30 Abendessen Warmes Fleisch, Kartoffeln, ein Glas kalte Milch 141 TAB. 2: TAGESABLAUF IN DER BREHMER’SCHEN HEILANSTALT Von Jaruntowsky vertrat sogar die Auffassung, dass insbesondere Patienten mit Fieber größere Alkoholmengen „brauchen und vertragen“ würden: „Was die Form anbetrifft, in welcher den Patienten Alkohol zu verabreichen ist, so ist nach Brehmer Wein am entsprechendsten, und zwar ungarischer Rot- oder Weisswein, von dem die Leichtkranken 1/3 Liter, die Fieberkranken aber bis zu 2/3 Liter täglich trinken können. Das Bier hält Brehmer für ein für Lungenkranke weniger geeignetes Getränk […]. Nur in Ausnahmefällen ist Bier zu verordnen und zwar vornehmlich abends vor dem Schlafengehen, wo ein Glas guten Bieres (wie Pilsner, helles Münchener oder Kulmbacher) auf den Kranken oft beruhigend und einschläfernd wirkt und dadurch andere Schlafmittel ersetzen kann. Cognac sollte im Allgemeinen nur in verdünnter Gestalt verabreicht werden und zwar mit Wasser als Grog oder mit Milch. Reiner Cognac reizt zu sehr die Magenschleimhaut und kann deshalb nach längerem Gebrauch leicht einen katarrhalischen Zustand des Magens herbeiführen.“142 Vor allem der hohe Milchanteil (von Jaruntowsky spricht von 4-5 Gläsern Milch täglich in der Brehmer’schen Heilstätte) kennzeichnete die Speisepläne staatlicher Volksheilstätten.143 Bei Magen- und Darmbeschwerden wurde anstelle der Milch Mineralwasser verabreicht. Medikamente kamen im Rahmen der klassischen Heilstättenbehandlung im ausgehenden 19. Jahrhundert eher selten zur Anwendung. Lediglich „in manchen Fällen von Appetitlosigkeit, wie sie oft bei jungen weiblichen Individuen zu beobachten“ waren, „thut auch Arsen gute Dienste“, so von Jaruntowsky.144 In der Heilstätte Felixstift (St. Andreasberg, Harz) sollte 1897 die Nahrung für einen männlichen Kranken aus „60 Theilen Fett, 120 Theilen Eiweiß und 400 Theilen mehlhaltiger Speisen 141 Ebd., S. 42 Ebd., S. 22 143 Ebd., S. 21 144 Ebd., S. 34 142 49 bestehen“145. Morgens bekamen die Patienten Kaffee oder Milch mit Weißbrot, alternativ gab es eine Mehlsuppe oder Kakao. Zum Frühstück (man beachte die Unterscheidung zwischen „morgens“ und „Frühstück“) erhielten die Kranken ein belegtes Butterbrot sowie ein bis zwei Gläser Milch. Das Mittagessen bestand aus einer Suppe sowie aus einer Fleischspeise, Kartoffeln und Gemüse. Sonntags und an einem bestimmten Werktag gab es zusätzlich eine nicht näher bezeichnete Mehlspeise. Nachmittags wurde zum Weiß- oder Butterbrot Kaffee gereicht (alternativ konnten auch ein bis zwei Gläser Milch bestellt werden). Zum Abendbrot gab es eine Suppe, Kartoffeln und ein Stück Fleisch, nach dem Essen als Getränk ein bis zwei Gläser Milch. Je nach Statur des Kranken sollte er täglich insgesamt mindestens einen bis anderthalb Liter Milch zu sich nehmen. Kranke, „deren Appetit nicht darunter leidet“ 146, durften bis zu drei Litern Milch trinken. Wer keine Milch vertrug, durfte – aber nur nach ärztlicher Weisung – abends eine Flasche Bier trinken, am besten „kaltes Eierbier, bestehend aus 2 Eiern mit Zucker, einer Flasche Bier und einem kleinen Eßlöffel voll Madeira“147. 2.6.5 Die Lungenheilstätte als „Lehranstalt“ Der dritte wichtige Eckpfeiler der Heilstättenbehandlung, neben der Luftkur und der Diät, war die pädagogisch-psychologische Betreuung der Lungenkranken. Von Jaruntowsky hielt die Tuberkulose zwar für heilbar, meinte aber, sie fordere „allergrößte Geduld und Ausdauer“, und zwar sowohl von den Patientinnen und Patienten, als auch vom medizinischen und pflegerischen Personal: „Die kleinste Unvorsichtigkeit, die der Patient aus Leichtsinn oder Unkenntnis sich zu Schulden kommen lässt, kann die schlimmsten Folgen nach sich ziehen und eine bedeutende Verschlechterung des Zustandes oder das Wiederauftreten der Krankheit verursachen.“148 Die Kranken müssten, so die Anweisung, unbedingt medizinisch und hygienisch belehrt werden, um einen nachhaltigen Heilungserfolg zu ermöglichen. Insbesondere sollten sie über ihre Krankheit aufgeklärt werden. Das war zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich. Oftmals beschrieben praktizierende Ärzte die Krankheit nur als „Lungenkatarrh“ oder „Lungenschwäche“, um die Patienten nicht zu beunruhigen und bei den Betroffenen kein Gefühl der Hoffnungslosigkeit aufkommen zu lassen. Da Brehmer aber der Überzeugung war, mit seiner 145 Speise-Ordnung des Felix-Stiftes 1897, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180 Hildesheim Nr. 01317, S. 2 146 Ebd. 147 Ebd. 148 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 22f. 50 Methode eine Heilung herbeiführen zu können, sprach er mit seinen Patientinnen und Patienten offen über die Erkrankung und seit Kochs Entdeckung des Tuberkelbazillus’ auch über die vor allem von den Bakterien im Auswurf des Kranken ausgehende Ansteckungsgefahr für die Umwelt.149 Von Jaruntowsky hebt in diesem Zusammenhang hervor: „Die Heilanstalt für Lungenkranke sollte also nicht blos [sic!] ein Krankenhaus sein, in dem die Krankheit behandelt wird, sondern auch eine Schule, in welcher dem Patienten die Grundsätze der hygienisch-diätetischen Heilmethode so beigebracht werden, dass sie ihm gleichsam zur zweiten Natur werden, damit er sie auch im späteren Leben gewohnheitsmäßig anwende und auf diese Weise gesund werde.“150 In einem Verwaltungsbericht der Heilanstalt Ronsdorf (Wuppertal) aus dem Jahre 1901/02 wird deutlich, wie sehr das Prinzip der Heilstätte als Lehranstalt verinnerlicht wurde: „Wenn die Kranken in der Regel nachmittags um 6 Uhr mit unserem Mietswagen in der Heilstätte anlangen, werden sie sofort dem diensttuenden Arzt zugeführt und von diesem über die Bedeutung der ganzen Kur belehrt. Vom ersten Augenblick an treten sie so unter den persönlichen, individuellen, psychischen Einfluß der Heilstätte, der täglich und stündlich an der Gesundheit der Kranken mithelfen muß. Ohne diesen Einfluß, der vor allem von dem leitenden Arzt ausgehend und mit von dem gesamten Personal durchgeführt den Anstaltsbetrieb durchwehen muß, ist eine Wirkung der Heilstättenbehandlung undenkbar. Mit der Wirksamkeit dieses Geistes steht und fällt die Heilstätte“.151 Von Jaruntowsky schlug vor, auch gefährdete Personen prophylaktisch in einer Heilstätte zu belehren, damit sie gesundheitserhaltende Maßnahmen erlernen könnten. Er greift damit dem im frühen 20. Jahrhundert aufkommenden Fürsorgegedanken in der Tuberkulosebekämpfung vor: in ambulanten Fürsorgestellen wurden auch nicht betroffene, aber potentiell von einer Krankheit besonders bedrohte Personen hygienisch und medizinisch aufgeklärt und betreut. Generell müssten Kranke im frühestmöglichen Stadium in Heilanstalten aufgenommen werden, um die größten Heilungschancen zu haben, betont von Jaruntowsky und empfiehlt, gerade junge Betroffene, welche „zu gesundheitsschädlichen Ausschweifungen“152 neigen, unbedingt in eine Heilstätte einzuweisen, um sie vor sich selbst zu schützen. Schwerkranke Patienten in einem sehr weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium sollten dagegen „am liebsten zu Hause gelassen werden“. Um Leichtkranke nicht zu demotivieren oder gar zu deprimieren, wären Schwerkranke, sofern sie denn überhaupt Aufnahme in einer Heilstätte fänden, isoliert unterzubringen. 149 Ebd., S. 23 Ebd., S. 23 151 Bericht der Volksheilstätte für Lungenkranke zu Ronsdorf (Kreis Lennep) für d. Jahr 1901/02. In: Bergische Volksheilstätten für Heilbare Lungenkranke, Ronsdorf, Elberfeld: Könker, 1903-1906, S. 52f. 152 von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, S. 25 150 51 Prinzipiell könnten nur Kranke aufgenommen werden, die bereit seien, das strenge „Reglement“153 des Anstaltsalltags zu beachten. Im Gegensatz zu Krankenhauspatienten mit anderen Diagnosen war es Lungenpatienten damals verboten, körperlich fördernde Gesellschaftsspiele (wie z.B. Billard) zu spielen oder Handarbeiten auszuführen. Wirtshausbesuche und Tanzen seien ebenfalls zu untersagen, so von Jaruntowsky. Andere sportliche Betätigungen außer den ärztlich verordneten Bewegungstherapien waren generell nicht empfohlen. Lediglich im Winter war Brehmers Patienten das Schlittenfahren als Freizeitvergnügen gestattet. „Weniger anstrengende“ Gesellschaftsspiele wie Dame oder Domino, oder aber auch Theatervorstellungen und Konzerte sollten in Lungenheilanstalten prinzipiell erlaubt sein, so von Jaruntowskys Empfehlung.154 Lungenpatienten müssten dazu angehalten werden, sich mittels Zeitschriften und Büchern (vornehmlich aus der anstaltseigenen Bibliothek) fortzubilden oder eine Fremdsprache zu erlernen, was in der häufig gegebenen kosmopolitischen Atmosphäre eines Privatsanatoriums gut realisierbar wäre. Das galt im Hinblick auf die Einrichtungen für selbstzahlende Patienten. In diesen Häusern waren in der Regel auch Menschen aus anderen europäischen Ländern anzutreffen.155 2.6.6 Das Konzept „psychische Hygiene“ Brehmers Schüler Dettweiler (1837-1904) machte erstmalig auf die Relevanz der psychischen Dimension in der Heilstättenbehandlung aufmerksam. Er fügte Brehmers hygienisch-diätetischem Ansatz neben der Liegekur auch das Konzept der „psychischen Hygiene“156 hinzu. Ebenso wie Brehmer war Dettweiler der Auffassung, dass sich der Heilstättenarzt „am individuellen Kranken (Subjektivität) im Gegensatz zur […] äußeren Krankheit (Objektivität)“157 orientieren solle. Dem Programm Dettweilers zufolge musste der Heilstättenarzt stets auch als Lehrer auftreten und dem Patienten strikte Anweisungen für seinen Kuraufenthalt geben. Nach Dettweilers Vorstellung konnte der Arzt auch die Mittel der Suggestion in der Behandlung einsetzen. Dazu wurden vor allem in der Heilstätte Falkenstein verschiedene Anwendungen erprobt. Generell müsse dem Arzt das psychische Wohlergehen der Kranken wichtig sein. Der Betreuer 153 Ebd., S. 26 Ebd. 155 Ebd., S. 25 156 Peter Dettweiler, Die hygienisch-diätetische Anstaltsbehandlung der Lungentuberkulose. Tuberkulose-Kongress, Berlin 1899, S. 396 157 Dietrich von Engelhardt, Krankheit und Medizin, Patient und Arzt in Thomas Manns Zauberberg (1924) in medizinhistorischer Sicht, S. 18 154 52 solle die individuellen Probleme eines Kranken erkunden, ihn durch persönliche Vorträge aufmuntern und ihn – z.T. im Sinne der späteren verhaltenstherapeutischen Lehre – für gute Leistungen loben sowie für Nachlässigkeiten tadeln. Der Patient könne auf diese Weise für den Alltag geschult und „gegenüber den tausend schädlichen Anlässen, die ihn stets umdrohen“158 widerstandsfähig werden. Der Arzt trage als „Apostel“ stets eine besondere psychosoziale Verantwortung für die ihm anvertrauten Personen.159 Direktiven dieser Art gewannen nach dem Ende der Heilstättenbewegung sogar noch eine größere Bedeutung. Sie führten auch dazu, dass die traditionelle Liegekur in einem anderen Licht gesehen wurde. Das kommt zum Beispiel in einer Äußerung von Dr. Krause, dem Chefarzt der Lungenklinik Rosbach (Westerwald), aus dem Jahre 1952 zum Ausdruck: „Bei kaum einer anderen Erkrankung ist die psychische harmonische Ausgeglichenheit von so großer Bedeutung wie bei der Tuberkulose. Sie zu erreichen ist wichtigstes Ziel der Liegekur. Die konservative Behandlung alleine ist auch heute noch in vielen Fällen durchaus erfolgreich.“160 Das Konzept Dettweilers war zunächst für Privatsanatorien maßgebend. Erst später wurde es auf die Volksheilstätten übertragen. Dabei achtete man zugleich auf einen straff durchorganisierten Tagesablauf, der auch das Aufkommen von Langeweile verhindern sollte. Von den strengen Regeln wurde außerdem erwartet, dass sie das medizinische Handeln besonders bedeutsam erscheinen lassen und dessen Wirkung erhöhen könnten.161 2.6.7 Die Hydrotherapie Einen weiteren wichtigen Programmbestandteil bildete die Hydrotherapie oder auch „hydropathische Behandlung“. Bei Brehmer gehörten sowohl warme Bäder, als auch kalte Abreibungen und sog. „Abwaschungen“ zu den bevorzugten Methoden. Eine Abwaschung erfolgte meistens frühmorgens nach dem Aufstehen: Brust und Rücken wurden mit einem Schwamm angefeuchtet und dann mit einem Handtuch abgerieben. Bei Personen mit Schweißzuständen verwendete man anstelle des Wassers Spiritus oder Essig-Wasser-Mischungen. Warme Bäder sollten die „Ernährung der Haut“ fördern. Dafür war bei Leichtkranken körperwarmes und bei Fieberkranken heißes Wasser vorgesehen.162 158 Peter Dettweiler, Die Behandlung der Lungenschwindsucht in geschlossenen Heilanstalten mit besonderer Beziehung auf Falkenstein i/T, Berlin: Reimer 1884, S. 27 159 Peter Dettweiler, 1899, S. 400 160 Kieffer, 50 Jahre Heilstätte der Stadt Köln in Rosbach (Sieg), S. 23f. 161 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 41 162 von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, S.34f. 53 Die kalten Abreibungen wurden in Brehmers Heilstätte im Patientenzimmer durchgeführt: Die Kranken mussten sich nackt neben ihrem Bett aufstellen. Das Pflegepersonal („Krankenwärter“) hüllte die Patienten dann in ein kalt-feuchtes Laken und rieb damit ihren ganzen Körper schnell und kräftig ab. Danach musste sich der Patient selbst ein trockenes Laken umlegen, bevor er vom Krankenwärter erneut „abgerieben“ wurde. Danach sollte der Patient einen Spaziergang unternehmen.163 Die kalte Dusche, die zwischen 7:00 und 8:00 Uhr morgens durchgeführt werden sollte, war nur bei Leichtkranken vorgesehen. Kaltes Quellwasser strömte als „Regen- oder Strahl-Douche“ fünf bis 40 Sekunden lang auf den Patienten ein. Dies geschah unter Aufsicht eines Arztes. Nach der Dusche wurde den Patienten wieder ein längerer Spaziergang vorgeschrieben. Zusätzlich angebotene Maßnahmen waren Brustumschläge (nach der Priessnitz-Methode164) sowie Kompressen mit Guttapercha-Papier und Kreuzbinden.165 2.6.8 Die besondere Behandlung der fieberkranken Tuberkulösen Von Jaruntowsky beschreibt die Ruhe in frischer kühler Gebirgsluft als beste heilende Atmosphäre für Fieberkranke und hält sich dabei an das von Brehmer entwickelte Behandlungsprogramm: Die Fieberkranken wurden von Brehmer „eine bis zwei Stunden vor der Zeit, in welcher tags vorher das Fieber begonnen hat“ in einen Liegestuhl platziert, bei gutem Wetter im Anstaltspark und bei schlechtem Wetter auf dem Balkon ihres Patientenzimmers.166 Sobald das Fieber gesunken war, wurden die Kranken aufgefordert, Spaziergänge zu unternehmen. „Ebenso wie das Fieber hat auch der Frost [gemeint ist Schüttelfrost, Anm. d. Verf.] die Eigentümlichkeit, jeden Tag um dieselbe Zeit aufzutreten und zwar vornehmlich während der Vormittagsstunden“. Das war die zugrundeliegende Annahme.167 Bei Schüttelfrost wurde, ebenso wie bei auftretendem Fieber, den Patienten schon in den frühen Morgenstunden Wein (1-2 Gläser) oder Grog verordnet. Neben Wein als fiebersenkendem Mittel empfiehlt von Jaruntowsky Eisbeutel, die auf die Brust des Kranken gelegt werden. In medikamentöser Hinsicht verabreichten die Heilstättenärzte Fieberkranken damals Phenacetin, 163 Ebd., S. 35f. Vincenz Prießnitz (1799 – 1851) gründete in Gräfenberg (heute tschechisch Lázně Jeseník, Altvatergebirge) eine Kaltwasseranstalt. Der aus der Region stammende Bauernsohn ging davon aus, dass durch das Wechseln von in warmem und in kaltem Wasser getränkten Umschlägen sowie vom kalten Wasser Heilwirkungen ausgingen. Das polnische Verb „prysznic“ (übersetzt „duschen“) hat sich aus dem Familiennamen Prießnitz entwickelt. 165 von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, S. 36 166 Ebd., S. 28 167 Ebd., S. 29 164 54 Antipyrin und Antifebrin. Schweißzustände wurden mit Atropin168, Agaricin169, Salicyl170 sowie Cognac in Milch bekämpft. Zur Behandlung „trockener Hustenanfälle“ wurde empfohlen, einen Schluck kaltes Wasser, Milch oder Leinsamentee zu trinken oder ein Stück Zucker, Schokolade oder „eine isländische Moospastille“ in den Mund zu nehmen, tief einzuatmen und die Luft anzuhalten.171 Das gemäßigte Bergsteigen sollte bei trockenem Husten eine Ausscheidung des Auswurfs begünstigen. Gegen Husten mit Auswurf sollte die Inhalation von Terpentinölen („ein Theelöffel auf einen Teller heißen Wassers“172) helfen. Wenn die Hustenanfälle sehr stark wurden, griff man auf Priessnitz-Umschläge, alkalisches Wasser, heiße Milch oder sogar Morphium und Codein zurück. Sofern der Auswurf blutig war, wurden die Patienten zu strenger Liegekur angehalten und bekamen keine Heißgetränke und keinen Alkohol mehr. Bei anhaltend starkem Husten und auftretenden Blutungen wurden die Patienten in ein kühles Zimmer verlegt und man gab ihnen Morphium oder Codein. Den Hustenpatienten wurden dann Eisbeutel auf Herz und Lunge gelegt. Außerdem mussten die Patienten kleine Eiswürfel schlucken. Erst wenn sich zwei bis drei Tage hintereinander kein Blut mehr im Auswurf befand, durfte der Patient aufstehen und sich in seinem Zimmer frei bewegen. Morgens und abends sollte er aber noch einen Eisbeutel auf sein Herz legen. Hielt die Besserung an, durfte er nach einer Woche das Zimmer verlassen, etwas später auch wieder in den Anstaltspark gehen. Bei sog. „Blutstürzen, bei denen das Blut durch Mund und oft auch durch die Nase in Strömen hervordringt“173, bekam der Patient Wärmflaschen auf die Füße gelegt und wurde mittels Champagner beruhigt. Etwaige Blutklumpen in der Kehlkopfgegend oder der Luftröhre mussten durch den Arzt mit den Fingern entfernt werden. 2.6.9 Der Erfolg der Heilstättenbewegung In den Abschnitten 2.6.1 bis 2.6.8 wurde dargestellt, wie das Behandlungsprogramm nach Brehmer und Dettweiler aussah. Unbeachtet blieb aber bislang die Frage, ob das Programm auch erfolgreich war. Hierzu lässt sich Folgendes ausführen: Die Mortalität der Tuberkulose war seit der Gründung der ersten Heilstätten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rückläufig. Demgegenüber stieg die Kurve der in den Heilstätten 168 Atropin ist ein hochgiftiges Alkaloid, das vor allem bei Bradykardie aktivierend wirkt. Kristallisierende Säure aus Lärchenschwamm (Polyporos officinalis). 170 Methylester (Pflanzenhormon), der auch bei der Herstellung von ASS verwendet wird. 171 von Jaruntowsky, Die geschlossenen Heilanstalten für Lungenkranke und die Behandlung in denselben, S. 30 172 Ebd., S. 31f. 173 Ebd., S. 33 169 55 behandelten Patienten fast gleichmäßig an. An mehreren Punkten lässt sich ein exakt gegenläufiger Trend erkennen. Doch hinsichtlich der Interpretation dieses Bildes ist Vorsicht geboten. Das zeigt etwa die folgende Beobachtung: Als während des Ersten Weltkriegs und infolge der Inflation 1922/1923 die Zahl der von den LVA bewilligten Heilverfahren sank, nahm die Mortalitätsrate zu.174 Doch hier liegt eine Scheinkorrelation vor. Tatsächlich wäre zu berücksichtigen, dass sich im Ersten Weltkrieg und in der Inflationszeit auch die wirtschaftlichen und die psychosozialen Verhältnisse verschlechtert hatten und die Krankheitsfälle proportional zunahmen. Ob es aber dennoch einen (wenn auch eher kleinen) negativ-korrelativen Zusammenhang zwischen dem Erfolg der Behandlung in den Heilstätten und dem Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit gibt, ist nicht exakt bestimmbar. Zu diesem Schluss kommt auch Hähner-Rombach: „Auf der anderen Seite fällt es genauso schwer, eine Verbindung von der Hand zu weisen. Doch über diesen Punkt stritten schon die zeitgenössischen Kritiker und die Befürworter der Heilstätten miteinander.“175 Je nach der Betrachtungsweise wurden damals verschiedene Erklärungskonzepte für den Rückgang der Tuberkulose angeboten. Darauf verweist Hähner-Rombach ebenfalls: „Die Sozialreformer hoben auf die Besserung der Lage der Unterschichten ab, Hygieniker auf die Städteassanierung, Bakteriologen auf die Prophylaxe und Isolierung, Heilstättenärzte auf die Behandlung (…).“176 Die Divergenz der Positionen hinsichtlich des Erfolgs der Heilstättenbewegung wird unmittelbar deutlich, wenn man zwei vielbeachtete Zeitschriftenartikel aus den Jahren 1920 bzw. 1921 miteinander vergleicht. Hans Haustein beschreibt die „sozialhygienische Bedeutung der Tuberkulosebekämpfung durch die Landesversicherungsanstalten“. Er hebt hervor, dass die Kostenträger für die Behandlungen Tuberkulöser in den Jahren zwischen 1897 und 1913 über 175 Millionen Mark ausgegeben hätten und die Aufenthalte in den Heilstätten am kostspieligsten gewesen wären, kritisiert aber, dass eine wirklich Effizienz der Behandlung nicht nachgewiesen werden konnte. Haustein nimmt für 50 % der Tuberkulosefälle an, sie seien „sozial“, aber nicht „klinisch“ geheilt wurden. Das Leben der Patienten konnte verlängert und eine zumindest eingeschränkte Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden. Dennoch sei die Tuberkulose nie in medizinischer Sicht besiegt und der Erfolg auch ohne Heilstättenaufenthalt erzielt worden. Dies vermutet Haustein, „weil die Erwerbsfähigkeit im Sinn des Gesetzes so minimal ist, daß viele der für die 174 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 73 Ebd., S. 74 176 Ebd., S. 75 175 56 Heilbehandlung ausgewählten Kranken bei dem chronischen Verlauf der Lungenschwindsucht auch ohne diese Kur (natürlich mit Ruhepausen, in ärztlicher Behandlung und häuslicher Pflege) ihren Beruf noch längere Zeit hätten ausüben können.“177 Die Bedeutung der Heilstättenbehandlung hält Haustein aufgrund einer Gegenüberstellung von Patientenzahlen ohnehin für sehr fraglich: Im Jahre 1898 seien gerade einmal 4910 Tuberkulöse in den Heilstätten behandelt worden, aber in den Jahren zuvor durchschnittlich mehr als 80.000 Menschen jährlich an der Krankheit verstorben. Außerdem geht Haustein davon aus, dass aufgrund falscher Diagnosen ein Viertel der in den Heilanstalten behandelter Lungenkranke gar nicht tuberkulös waren. Das Argument, dass die Tuberkulosemortalität gegenproportional zu bewilligten Heilstättenkuren verlief. Für ihn handelt es sich um Scheinerfolg: „Zusammenfassend lässt sich sagen, daß in den 15 Jahren, von 1898 bis 1913, in denen Heilstättenkuren vornehmlich zur Bekämpfung der Tuberkulose angewandt wurden, ein Abfall der Tuberkulosesterblichkeit von 6,5 [Prozent, Anm. d. Verf.], während der heilstättenlosen Zeit von 12 Jahren aber ein solcher von 11,0 zu verzeichnen ist.“178 Den einzigen Sinn des Heilstättenprogramms meint Haustein darin erkennen zu können, ist die Tatsache, dass die Schwindsüchtigen für die Dauer ihres Kuraufenthalts „isoliert werden und deshalb nur während dieser Zeit als Weiterverbreiter ihres Leidens nicht in Betracht kommen“.179 Haustein fordert, dass nur noch „wirklich behandlungsfähige“ Patienten einen Heilstättenaufenthalt genehmigt bekommen, da „nach dem Stand unseres Wissens eine erfolgreiche Kur nur bei den Anfangsfällen zu erwarten ist.“ Er hält deshalb eine „frühzeitige Ermittlung aller Tuberkulosefälle“ und eine „Sanierung der tuberkulösen Familien“ während des Kuraufenthalts des tuberkulösen Familienmitglieds für unerlässlich.180 Schwertuberkulöse sollten generell nicht in ihrem familiären Umfeld verbleiben oder in Heilstätten eingewiesen werden, um nicht weitere Personen anzustecken. Für diese Gruppe schlägt Haustein spezielle, an „Landkrankenhäuser“ angeschlossene Isolierstationen vor.181 Neben Haustein scheinen auch die Ärzte Cornet und Selter zu den Kritikern der Heilstättenbewegung gehört zu haben, da sie die Einrichtungen „als volkswirtschaftlich 177 Hans Haustein, Die sozialhygienische Bedeutung der Tuberkulosebekämpfung durch die Landesversicherungsanstalten. Sozialistische Monatshefte, 26/1920, 524 – 528, hier: S. 524 178 Ebd., S. 526 179 Ebd. 180 Ebd., S. 527 181 Ebd., S. 528 57 unrentabel“ bezeichneten.182 Der Heilstättenarzt Grau schildert den schweren Stand, den das klassische hygienisch-diätetische Therapiekonzept unter den Klinikern im Jahre 1921 hatte: „Es ist bekanntlich recht schwierig, in der Inneren Medizin den Nutzen einer Heilweise zu allgemeiner Anerkennung zu bringen [...]. Daß zahlreiche Fälle von Tuberkulose sogar von selbst heilen, ist bekannt. Daraus muß schon folgen, daß die Heilbarkeit der Tuberkulose unter der günstigen Voraussetzung frühzeitiger Erkennung und Behandlung besonders gut ist. [...] Die Heilstätten verlangen die prognostisch in der Mitte stehenden Fälle aktiver Erkrankung. Auch eine Verlängerung der Erwerbsfähigkeit um einige Jahre ist bei dem hohen Wert der Arbeitskraft eines Erwachsenen schon ein wesentlicher Erfolg. Es kann aber versichert werden, daß von den Kranken der Heilstätten ein erheblicher Teil dauernd arbeitsfähig wird, darunter nachweislich auch viele mit offener Tuberkulose.“183 Grau widerspricht auch der Forderung, Heilstätten zu schließen und lieber spezielle Stationen in Krankenhäusern oder kostengünstige Walderholungsstätten (eine Form der Tagesambulanz im Freien) einzurichten: „Die Tageserholungsstätte kann nur ein teilweiser Ersatz der Heilstätte sein, weil sie auf den wichtigen Reiz des Aufenthaltswechsels verzichtet und den Kranken nur zur Hälfte aus seiner Umwelt nimmt – unter Verzicht auf völlige seelische Entlastung und körperliche Forderung. [...] In wie vielen und besonders kleineren Krankenhäusern ist auch heute noch der Tuberkulöse der unerwünschte Gast, der in ungünstigeren Räumen zusammengelegt wird.“184 Grau hebt hervor, dass die Heilstätten zum einen technisch besser auf die Tuberkulosebehandlung ausgerichtet seien (z.B. mit Anlagen zur „sorgfältigen Auswurfvernichtung“) und auch in „günstigen Verhältnissen klimatischer Art“ entstanden seien. Zudem findet Grau, dürfe vor allen die „stete Aufklärungsarbeit“ in den Heilstätten nicht unterschätzt werden, die „bei einem erheblichen Teil unserer vielfach sehr lernbegierigen Versicherten auf einen sehr fruchtbaren Boden fällt“. Er unterstreicht „die dauernde Wirksamkeit dieser Erziehung“. Er habe bei vielen Patienten einen „höchst erfreulichen gesundheitlichen Erfolg festgestellt“.185 Der Autor stimmt allerdings mit den Kritikern der Heilstättenbewegung insofern überein, als er findet, „daß die Heilstätte weit billiger arbeiten sollte“ und nun - in den 1920er Jahren - eine Abkehr vom „Luxus der Vorkriegszeit“ notwendig sei. Insgesamt würde eine Schließung der Heilstätten würde der „bisherigen wissenschaftlichen Erfahrung von der 182 H. Grau, Aus der Heilstätte Rheinland-Honnef: Die Bedeutung der Heilstätten für die Tuberkulosebekämpfung. Deutsche Medizinische Wochenschrift, 47(15)/1921, 421-422 183 Ebd., S. 421 184 Ebd. 185 Ebd., S. 422 58 Heilbarkeit“ widersprechen und „die große Aufklärungsarbeit der Heilstätten verhindern.“186 Demgegenüber macht der Forscher Thomas McKeown die generelle Erhöhung des Lebensstandards für den Rückgang der Tuberkulose verantwortlich, Simon Szreter die Verbesserung der öffentlichen Hygiene und Leonard Wilsen die Isolierung der Kranken. Die gegensätzlichen Auffassungen über den Erfolg der Heilstättenbehandlung diskutiert Hähner-Rombach als ein Phänomen, das einer besonderen Beachtung bedürfe. Die Autorin präferiert den „neomarxistischen Ansatz der politischen Ökonomie der Tuberkulose“ nach Randall Packard. Dieser Autor verbindet die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Rückgangs der Tuberkulose-Erkrankungen miteinander und versteht die konträren Stellungnahmen ihn als Ausdruck einer immer und stärker werdenden politischen Betrachtung der Krankheit.187 Eine systematische Erforschung der Zusammenhänge ist jedoch nicht erfolgt. Deshalb ist festzuhalten, dass ein gesichertes Wissen über die Ursachen des möglichen und u. U. sogar beträchtlichen Erfolgs der Behandlung für die Zeit der Heilstättenbewegung nicht vorliegt ebenso wenig wie ein überzeugender Beweis für die fehlende Wirkung. Die wachsende Zahl der Einrichtungen und die relativ langen Aufenthaltszeiten der Erkrankten lassen aber den Schluss gerechtfertigt erscheinen, dass die Bewegung eine große Anerkennung genoss und die medizinische Bedeutung der „Heilstätten“ nicht grundlegend angezweifelt wurde. Als bemerkenswert lässt sich abschließend noch hinzufügen, dass das ursprüngliche hygienischdiätetische Therapiekonzept, mit dem Brehmer 1863 in seiner ersten Görbersdorfer Heilanstalt erste wahrnehmbare Erfolge verzeichnen konnte, bis zum Aufkommen der chirurgischen Therapieverfahren in den 1920er Jahren nur unwesentlich verändert wurde. Dies könnte als Indiz für den Erfolg seines Ansatzes gewertet werden. 186 187 Ebd. Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 82f. 59 2.7 Patientenstatistik Über Eckdaten der Heilstättenbelegung geben am besten die Statistischen Berichte des Kaiserlichen Gesundheitsamts Auskunft. Eine spezielle Quelle ist die von der Behörde herausgegebene Zeitschrift „Tuberkulose-Arbeiten“. Hier sind für die Jahre 1906 und 1908 exemplarisch Kennwerte genannt, die sich miteinander vergleichen lassen (vgl. die Tab. 3-10). Zunächst soll die Altersverteilung untersucht werden. Auffällig ist hier die Homogenität der Altersstruktur bei männlichen Tuberkulosepatienten (vgl. Tab. 3a): Die meisten Patienten waren zwischen 20 und 30 Jahre alt. Eine Ausnahme bildete die Knappschaftsheilstätte in Sülzhayn, in der die meisten Patienten zwischen 30 und 50 Jahren alt waren. Diese Besonderheit lässt sich rückbetrachtend nicht mehr erklären. Möglicherweise übte die Staubbelastung (Steinstaublunge) einen Einfluss aus. Doch hierzu konnten keine Belege ausfindig gemacht werden. Alter in Oderberg188 Goslar189 Hellersen190 Berka191 Loslau192 Waldhof Jahren Stiege194 193 < 15 0,1 % 0% 0,1 % 0,4% 1% 0% 0,5 % 15-20 8,2 % 10,6 % 13,3 % 14,1 % 10,6 % 10,4 % 9,9 % 20-25 19 % 22,8 % 23,8 % 25,7 % 19,6 % 24,3 % 25,5 % 25-30 21 % 23,3 % 22,8 % 20,1 % 20,5 % 23,5 % 12,3 % 30-35 18,2 % 15,1 % 17,2 % 15,6 % 17,5 % 12,3 % 20,3 % 35-40 15,7 % 14 % 10,6 % 11,8 % 13 % 16,8 % 11,3 % 40-50 14,3 % 12,5 % 10,2 % 10,1 % 15,3 % 10,4 % 15,6 % 50-60 3,4 % 1,7 % 1,8 % 2,1 % 2,4 % 2,2 % 4,2 % > 60 0,2 % 0% 0,1 % 0,2 % 0,1 % 0% 0,5 % TAB. 3A: DIE ALTERSGRUPPEN MÄNNLICHER PATIENTEN IN AUSGEWÄHLTEN PREUßISCHEN HEILSTÄTTEN Die Geschlechterverteilung stellt sich sehr unterschiedlich dar. Nur die Heilstätten in Görbersdorf, Ruppertshain und Belzig nahmen sowohl weibliche als auch männliche Patienten auf. 188 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 5/1906, S. 7f. Ebd., S. 132f. 190 Ebd., S. 176f. 191 Ebd., S. 259f. 192 Ebd., S. 214f. 193 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 8/1908, S. 121f. 194 Ebd., S. 188f. 189 60 Görbersdorf197 Brehmer / Weicker 0,2 % 0% Belzig198 Sülzhayn199 < 15 Grabowsee195 Ruppertshain196 0,3 % 0,5 % 3,9 % 0% 15-20 10,2 % 10,7 % 11,4 % 9,2 % 21,6 % 6,7 % 20-25 21,1 % 25 % 25,9 % 22,8 % 26,8 % 11,7 % 25-30 22,2 % 21,8 % 23,3 % 22,8 % 17,6 % 18 % 30-35 17,8 % 16,8 % 14,5 % 17,1 % 12,7 % 18,7 % 35-40 13 % 11 % 10,3 % 13,3 % 7,8 % 15,9 % 40-50 12,9 % 11,9 % 10,1 % 12,6 % 8,2 % 24,2 % 50-60 2,2 % 2,2 % 3,7 % 2,1 % 1,3 % 4,5 % > 60 0,3 % 0,1 % 0,4 % 0,1 % 0% 0,3 % Alter in Jahren TAB. 3B: (FORTSETZUNG) ALTERSGRUPPEN (NUR MÄNNLICHE PATIENTEN). Die Altersstruktur bei weiblichen Tuberkulosepatienten unterschied sich kaum von der der männlichen Tuberkulösen. Lediglich das Durchschnittsalter lag etwas niedriger. Die meisten weiblichen Kranken waren zwischen 15 und 30 Jahren alt. Für die gemischt-geschlechtlich belegten Heilstätten Görbersdorf, Ruppertshain und Belzig werden nur die Zahlen der weiblichen Patienten genannt (vgl. Tab. 4). Die Heilstätten Vogelsang, Glückauf und Kolkwitz waren reine Frauenheilstätten: 195 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 124f. Ebd., S. 230f. 197 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 5/1906, S. 209f. 198 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 4/1905, S. 105f. 199 Ebd., S. 161f. 196 61 Kolkwitz 201 0% Görbersdorf RuppertsWeicker202 / Brehmer203 hain204 0,6 % 2,1 % 1,3 % Glückauf 205 0,2 % Belzig206 < 15 Vogelsang200 2,6 % 15-20 19,8 % 14,6 % 16,4 % 13 % 19,4 % 29,4 % 8,8 % 20-25 34,4 % 34,6 % 38,7 % 22,3 % 32,2 % 39,6 % 28,5 % 25-30 19,1 % 21,8 % 23,7 % 19,7 % 21,3 % 20,1 % 28 % 30-35 12,1 % 16,8 % 11,8 % 18,9 % 11,5 % 4,6 % 17,1 % 35-40 7,3 % 4,3 % 5% 12,6 % 8,1 % 4,2 % 8,8 % 40-50 3,1 % 7,5 % 3,3 % 9,2 % 5,6 % 0,9 % 3,1 % 50-60 1,7 % 0,4 % 0,5 % 1,7 % 0,4 % 0,5 % 1,6 % > 60 0% 0% 0% 0,4 % 0,2 % 0,5 % 1% Alter in Jahren 3,1 % TAB. 4: DIE ALTERSGRUPPEN VON PATIENTINNEN IN AUSGEWÄHLTEN PREUßISCHEN HEILSTÄTTEN Bezüglich der Berufszugehörigkeit finden sich viele Gemeinsamkeiten. Die meisten männlichen Kranken waren in Fabriken und Werkstätten beschäftigt. In der Heilstätte Sülzhayn (der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse) gab es natürlich vermehrt Grubenarbeiter unter den Patienten. Demgegenüber waren im Privatsanatorium des Dr. Brehmer in Görbersdorf erwartungsgemäß kaum Fabrik- und Werkstättenarbeiter, sondern hauptsächlich Büroangestellte (hier „Zimmerarbeiter“ genannt) anzutreffen. In der ebenfalls aus privater Initiative heraus gegründeten Mittelstandsheilstätte Waldhof Elgershausen finden sich aufgrund der „Abteilung für unbemittelte Kranke männlichen Geschlechts“207 viele Patienten aus der Arbeiterschicht. In der Volksheilstätte Belzig war der Anteil der Bürobediensteten auffällig hoch. Das lag möglicherweise an der Nähe zur Stadt Berlin und der großen Zahl der dort vorhandenen Verwaltungseinrichtungen (vgl. Tab. 5a/5b). 200 Ebd., S. 8f. Ebd., S. 47f. 202 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S.295f. 203 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 5/1906, S. 209f. 204 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 230f. 205 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 5/1906, S. 51f. 206 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 4/1905, S. 105f. 207 Georg Liebe, Die Heilanstalt Waldhof Elgershausen, Selbstverlag der Heilstätte 1903, S. 12 201 62 Oderberg Goslar Hellersen Berka Loslau Waldhof Stiege Arbeiter (allg.) 7,4 % 12,7 % 9,4 % 9,3 % 5,1 % 0,4 % 4,7 % Freiluftarbeiter208 23,7 % 22 % 14,7 % 16,6 % 18 % 17,9 % 18,4 % Zimmerarbeiter209 13 % 5,8 % 5,2 % 10,8 % 23,5 % 12,3 % 14,2 % Werkstättenarbeiter210 54,3 % 57,5 % 68 % 61,2 % 39,4 % 69 % 62,7 % Nachtarbeiter211 1,5 % 1,9 % 1% 1,9 % 1% 0,4 % 0% Grubenarbeiter212 0,1 % 0% 1,8 % 0,2 % 12,4 % 0% 0% Grabowsee Ruppertshain Brehmer* Weicker* Belzig Sülzhayn Arbeiter (allg.) 8,2 % 9,5 % 0,4 % 10 % 0% 2% Freiluftarbeiter 16,3 % 14,7 % 15,3 % 19,4 % 9,4 % 5,8 % Zimmerarbeiter 14,9 % 21,7 % 68,5 % 20 % 65,5 % 2,2 % Werkstättenarbeiter 59,1 % 49,8 % 14 % 49,5 % 22,8 % 17,7 % Grubenarbeiter 0,2 % 1,3 % 0% 0% 0% 71,2 %213 Nachtarbeiter 1,3 % 2,9 % 0% 1,2 % 0% 0,1 % Ohne Beruf 0% 0% 1,8 % 0% 2,3 % 1% *) gemeint sind die Sanatorien Dr. Brehmer und Dr. Weicker zu Görbersdorf TAB. 5A UND 5B: BERUFSGRUPPEN MÄNNLICHER HEILSTÄTTENPATIENTEN. Die weiblichen Tuberkulosepatienten waren hauptsächlich in Büros (in der Statistik als „Zimmerarbeitende“ bezeichnet) oder im Haushalt beschäftigt. Als „Zimmerarbeitsberufe“ für Frauen wurden folgende Tätigkeiten aufgeführt: Dienstmädchen, Köchinnen, Näherinnen, Plätterinnen, Verkäuferinnen, Buchhalterinnen, Gesellschafterinnen, Krankenpflegerinnen. In der Heilstätte Kolkwitz bei Cottbus findet sich eine unerwartet hohe Anzahl an Fabrik- und Werkstättenarbeiterinnen (vgl. Tab. 6). Konkret genannt werden hier Berufe wie Kaffeeverleserin, Einlegerin, Zigarrenarbeiterin, Papier- und Kartonagenarbeiterin, Wollwarenund Lederarbeiterin sowie Weberin, Schneiderin und Spinnerin. Im Gegensatz dazu sind im Brehmer’schen Privatsanatorium Görbersdorf nur 19,2 % der Patientinnen überhaupt 208 Genannt werden hier folgende Berufsgruppen: Eisenbahnarbeiter, Postbedienstete, Maurer, Kutscher, Landwirte, Zimmerleute, Polizisten, Landarbeiter, Förster, Gärtner, Bauarbeiter, Schiffer und Werftarbeiter 209 Genannt werden hier: Bürobeamte, Kaufleute, Lehrer, Schüler, Hausdiener, Zeichner, Gastwirte, Techniker, Studenten, Bankbeamte, Buchhändler – also eher Schreibtisch-Tätigkeiten 210 Genannt werden hier: Schlosser, Tischler, Metallarbeiter und Schmiede, Schumacher, Maschinenarbeiter, Eisendreher, Klempner, Hütten- und Fabrikarbeiter, Sattler, Brauereiarbeiter, Drechsler, Gürtler, Stellmacher 211 Genannt werden hier: Kellner, Bäcker und Konditoren 212 Genannt werden hier: Häuer, Wagenstoßer, Bergarbeiter, Füller, Schlepper, Fördermänner, Grubensteiger 213 Bei der Heilstätte Sülzhayn handelt es sich um eine knappschaftliche Einrichtung 63 erwerbstätig, und es gibt, ebenso wie in Belzig, auffällig viele Hausfrauen. Görbersdorf Weicker | Brehmer 11,2 % 0 % Ruppertshain 0% Glückauf 1,4 % Belzig Arbeiterin (allg.) Vogel- Kolksang witz 13,7 % 0 % Freiluftarbeiterin 0,3 % 2% 0% 0% 1,9% 1,6 % Zimmerarbeiterin 33,2 % 36,8 % 49,5 % 16,7 % 65,6 % 73,8 % 38,8% Werkstattarbeiterin 27,8 % 48,9 % 28,9 % 2,5 % 4,7 % 22,2 % 4,7 % Hausfrauen 24,9 % 11,4 % 8,4 % 80,8 % 29,7 % 0% 54,9 % 2,9 % 0% TAB. 6: BERUFSGRUPPEN VON HEILSTÄTTENPATIENTINNEN Bezüglich ihrer Schichtzugehörigkeit konnten sich die Patienten in eine bestimmte gesellschaftliche Kategorie selbst einordnen. Die männlichen Patienten des Genesungsheims auf dem Goslarer Königsberg, in Belzig, in Bad Berka (Sophienheilstätte) und in Sülzhayn (Knappschaftsheilstätte) bezeichneten ihre eigene soziale Herkunft überwiegend als „mittelmäßig“. Es fällt auf, dass die aus der Arbeiterschicht stammenden Patienten in den verschiedenen Heilstätten ihr eigenes Niveau erstaunlich hoch einschätzten (vgl. Tab. 7a/b). Oderberg Goslar Hellersen Berka Loslau Waldhof Stiege gut 62,1 %, 7,8 %, 45,8 % 36,8 % 77,7 % 70,2 % 76,4 % mittelmäßig 25,9 % 88,5% 41,4 % 40,9 % 11,5 % 8,8 % 9,4 % schlecht 12,1 % 3,7 % 12,8 % 22,3 % 10,7 % 21 % 14,2 % Grabowsee Ruppertshain Brehmer Weicker Belzig Sülzhayn gut 57,5 % 64,1 % 73,1 % 51,2 % 37,3 % 20 % mittelmäßig 35,9 % 22 % 18,5 % 41,9 % 54,2 % 70,1 % schlecht 6,5 % 13,9 % 8,4 % 6,8 % 8,5 % 9,9 % TAB. 7A UND 7B: VON MÄNNLICHEN HEILSTÄTTENPATIENTEN SELBST ANGEGEBENES „NIVEAU“ DER HERKUNFTSSCHICHT Die weiblichen Patienten bezeichneten ihre soziale Herkunft überwiegend als „gut“. In Belzig und Vogelsang ist die Selbstbeurteilung differenzierter (vgl. Tab. 8): 64 gut Vogelsang Kolkwitz Weicker Brehmer Ruppertshain Glückauf Belzig 43,7 % 76,5 % 65,2 % 79,8 % 64,1 % 55,5 % 46,6 % mittelmäßig 33,4 % 7,9 % 18,2 % 14,9 % 17,6 % 34,3 % 45,6 % schlecht 15,5 % 16,6 % 5,3 % 18,3 % 10,3 % 7,8 % 22,9 % TAB. 8: VON HEILSTÄTTENPATIENTINNEN SELBST ANGEGEBENES „NIVEAU“ DER EIGENEN SCHICHT Die Behandlungsdauer der männlichen Patienten war in allen Heilstätten durchaus vergleichbar. Die meisten Kranken blieben zwischen 10 und 14 Wochen in der Heilstätte. Auffällig ist die eher kurze Kurdauer im Privatsanatorium Dr. Brehmer und im Genesungsheim Goslar-Königsberg. Dafür könnten die im Vergleich zu anderen Einrichtungen wesentlich höheren Kosten maßgebend gewesen sein. Bemerkenswert lang waren die Kuraufenthalte in Belzig (die meisten Patienten blieben länger als 16 Wochen). Eine Erklärung dafür ist aber nicht erkennbar. Oderberg Goslar Hellersen Berka Loslau Waldhof Stiege 6-8 Wochen 4,3 % 19,4 % 4,4 % 8,4 % 10,9 % 13,1 % 14,2 % 8-10 Wochen 6,2 % 19,4 % 8,7 % 13,6 % 9,1 % 10,1 % 10,4 % 10-12 Wochen 33,4 % 19,8 % 17,1 % 20,9 % 10,9 % 15,7 % 11,8 % 12-14 Wochen 44,2 % 18,3 % 47,6 % 41,1 % 20,5 % 54,1 % 55,5 % 14-16 Wochen 8,4 % 10,6 % 2,6 % 3,9 % 9% 2,2 % 1,4 % 16-20 Wochen 3,3 % 8,8 % 17,3 % 10,8 % 21,1 % 4,1 % 6,2 % > 20 Wochen 0,2 % 3,6 % 2,3 % 1,1 % 18,6 % 0,8 % 0,5 % Grabowsee Ruppertshain Brehmer Weicker Belzig Sülzhayn 6-8 Wochen 6,5 % 9,2 % 19,5 % 13,3 % 8,4 % 7% 8-10 Wochen 9,4 % 10,3 % 21,3 % 12,6 % 9,4 % 15,2 % 10-12 Wochen 7,6 % 50,2 % 14,2 % 22 % 7,3 % 29,6 % 12-14 Wochen 38,2 % 6,9 % 13,5 % 37,3 % 13,1 % 21,9 % 14-16 Wochen 5,9 % 18,8 % 7,4 % 4,7 % 12 % 7,1 % 16-20 Wochen 9,4 % 2,8 % 11,8 % 8,3 % 17,8 % 12,2 % > 20 Wochen 23 % 1,7 % 12,3 % 1,9 % 31,9 % 7% TAB.9A UND 9B: AUFENTHALTSDAUER MÄNNLICHER TUBERKULOSEPATIENTEN IN LUNGENHEILSTÄTTEN Die Behandlungsdauer der weiblichen Tuberkulosekranken wurde im Durchschnitt mit 10 bis 14 65 Wochen angegeben. Ausnahmen bildeten die brandenburgischen Heilstätten Belzig und Kolkwitz, in denen die Patientinnen oft länger als 20 Wochen blieben (in Kolkwitz extrem auffällig lang); die Gründe für diese Besonderheit sind auch hier nicht zu ermitteln. Görbersdorf Weicker | Brehmer 9,7 % 15,9 % Rupperts- Glückhain auf 5,8 % 1,9 % Belzig 6-8 Wochen Vogel- Kolksang witz 5,5 % 8,3 % 8-10 Wochen 8,6 % 8,6 % 8,4 % 20,6 % 12,4 % 6% 9,2 % 10-12 Wochen 9,2 % 8,3 % 17,3 % 15,5 % 46 % 27,3 % 7,9 % 12-14 Wochen 64,1 % 6,3 % 48,7 % 12,4 % 8,5 % 53,5 % 30,4 % 14-16 Wochen 1,7 % 9,4 % 5,4 % 4,7 % 19 % 5,3 % 5,6 % 16-20 Wochen 5,5 % 15,5 % 8,8 % 14,6 % 5,6 % 6% 15,5 % > 20 Wochen 5,4 % 43,2 % 1,7 % 16,3 % 2,9 % 0% 26,3 % 5% TAB. 10: AUFENTHALTSDAUER VON TUBERKULOSEPATIENTINNEN IN LUNGENHEILSTÄTTEN 2.8 Bedeutende Tuberkuloseärzte in der Zeit der Heilstättenbewegung Über die in den Heilstätten wirkenden Chef- und Assistenzärzte ist nur wenig überliefert. Lediglich Ärzte, die innovativ in der Behandlung tuberkulöser Patienten vorgingen und neue Diagnose- und Therapiemethoden entwickelten, fanden Aufnahme in Chroniken, Berichten und Lexika. Das gilt insbesondere im Hinblick auf Hermann Brehmer, den Gründer der ersten Heilstätte in Görbersdorf. Das „Biographische Lexikon der hervorragenden Ärzte“214 widmet ihm im Jahre 1888 einen ausführlichen Eintrag, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: Brehmer wird 1826 im niederschlesischen Dorf Kurtsch (heute polnisch Kurczów) geboren und verbringt dort seine Kindheit. Zum Besuch des Gymnasiums geht er nach Breslau und legt dort auch sein Abitur ab. Brehmer beginnt anschließend ein Mathematikstudium. 1850 zieht er nach Berlin um und wechselt zur Medizin.215 Er polarisierte die medizinische Fachwelt bereits mit seiner 1853 verfassten Dissertation über „Die Gesetze und die Heilbarkeit der chronischen Tuberculose der Lunge“ und der darin aufgestellten Behauptung, die Tuberkulose sei eine heilbare Krankheit. In den folgenden Jahren erscheinen weitere Schriften Brehmers, in denen er immer wieder seine These von der Heilbarkeit der Tuberkulose darlegt und auf erste, in seiner 1854 gegründeten Heilstätte erzielte Heilerfolge verweist. Die Kaltwasser-Badeanstalt seiner Schwägerin, die Brehmer 1854 übernimmt, besteht aus einem eingeschossigen Bauernhaus. Brehmer, der die provisorische Heilstätte bereits ein Jahr nach seiner Promotion gründet, stößt zunächst auf viel Widerstand, und zwar nicht nur in 214 August Hirsch (Hg.), Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Wien und Leipzig: Urban & Schwarzenberg 1888. 215 Julius Pagel, Hermann Brehmer. In: Allgemeine Deutsche Biographie, 47, Leipzig 1903, S. 216f. 66 medizinischen Fachkreisen und seitens der Behörden, sondern auch bei der Görbersdorfer Bevölkerung. Als der junge Arzt plant, im Dorf eine Heilstätte zu errichten, gibt es baupolizeiliche Bedenken. Brehmer hat es auch deshalb schwer, sich mit seinen Ideen durchzusetzen, weil er als überzeugter Liberaler von politischer Seite oft blockiert wird. Bereits die Zulassung zum medizinischen Staatsexamen wird ihm aufgrund seiner politischen Aktivität zunächst verweigert.216 Allerdings findet er Unterstützung bei den einflussreichen Wissenschaftlern Alexander von Humboldt und Johann Schönlein, die Brehmers Heilstättenkonzept von Anfang an aufgeschlossen gegenüberstehen und später sein Projekt vielfältig protegieren. Brehmer stirbt - als hoch angesehener Arzt und privater Eigentümer einer großen Heilstätte - im Jahre 1889 in Görbersdorf.217 Ein weiterer biographischer Eintrag findet sich über Peter Dettweiler (1837-1904): Er wird am 4. August 1837 in Wintersheim (Rheinhessen) geboren und studiert in Gießen, Würzburg und Berlin Medizin.218 Als er an Tuberkulose erkrankt, begibt sich der junge Arzt im Jahre 1868 zur Behandlung in Brehmers Görbersdorfer Heilanstalt. Dort lernt er die Lehren Brehmers kennen, begeistert sich für sie und lässt sich nach seiner Genesung in der Heilstätte als Assistenzarzt anstellen. Später kommt es zu wissenschaftlichen Meinungsunterschieden zwischen ihm und seinem Lehrer Brehmer. Daraufhin verlässt Dettweiler Görbersdorf 1875 und gründet 1876 in Falkenstein (Taunus) eine eigene Heilstätte. Er ist dort als „Specialarzt für Lungenkranke“ tätig. Im Jahre 1880 verfasst er ein Kompendium zur „Behandlung der Lungenschwindsucht in geschlossenen Heilanstalten“. Dettweiler fordert 1899, bei Tuberkulosekranken auch die psychische Dimension zu beachten und eine umfassende Hygieneerziehung in die Heilstättenbehandlung einzubeziehen. Der Brehmer’schen hygienisch-diätetischen Behandlung fügt er das Konzept der „psychischen Hygiene“ hinzu (vgl. 2.6.6). Dettweiler achtet stets auf eine enge Beziehung zu den Patienten. Die medizinische Behandlung wird, nach einer gründlichen Anamnese, aufgrund der Lebens- und Leidensgeschichte individuell festgelegt.219 Dettweiler entwickelt auch pragmatische Lösungen für Einzelprobleme, so z.B. eine wiederverschließbare Taschenspuckflasche namens „Blauer Heinrich“, in der die Tuberkulösen das hochansteckende Sputum ausleeren konnten. Zuvor wurde meist einfach auf den Boden ausgespuckt. Davon ging eine große Ansteckungsgefahr für die Angehörigen aus: Dettweilers „Erfindung“ wurde vor allem durch Thomas Manns Roman Zauberberg bekannt. Obwohl er niemals in einer Heilstätte tätig war, ist Robert Koch (1843-1910) für die Bekämpfung der Tuberkulose die wichtigste Persönlichkeit. Koch wurde im Jahre 1843 in Clausthal (Harz) als Sohn eines Bergmanns geboren und wuchs auch dort auf. Nach dem Abitur 1862 studierte er in Göttingen Physik und Chemie und später bei Rudolf Virchow in Berlin Medizin. Die Promotion erfolgte 1866. Nach seiner Approbation war Koch als Arzt in Hamburg, Langenhagen (Hannover), Niemegk (Fläming) und Rakwitz (Posen) tätig. Im Jahre 1872 wurde er zum Amtsarzt und 216 Ernst von Leyden, Fest-Rede zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens von Dr. Brehmers Heilanstalten für Lungenkranke in Görbersdorf i. Schlesien, Wiesbaden: Bergmann 1904, S. VII und VIII 217 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 9 218 Hirsch, Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, S. 699 219 Beate Grossmann-Hofmann, Dr. Peter Dettweiler und die Heilanstalt Falkenstein, Jahrbuch Hochtaunuskreis, 3/1995, 120-134 67 Kreisphysikus in Wollstein (Posen) ernannt. Er forschte in seiner Freizeit und hielt sich dafür Versuchstiere. Seine ersten Ziele waren, die Erreger des Milzbrands und die Ursache für Wundinfektionen zu finden. Im Jahre 1880 wurde Koch an das Kaiserliche Gesundheitsamt zu Berlin berufen. Zusätzlich erhielt er 1885 eine Professur am Hygienischen Institut der heutigen Humboldt-Universität Berlin. Außerdem wurde er Direktor des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten (heute Robert-Koch-Institut), eine Funktion, die er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1904 ausübte. Für die Entdeckung der Erreger des Milzbrands und der Tuberkulose erhielt Koch im Jahre 1905 den Medizin-Nobelpreis.220 1910 starb der Forscher in Baden-Baden.221 2.9 Architekten der Heilstätten Mit der Gestaltung von Heilstättenbauten wurden in der Regel Architekten beauftragt, die sich auf die Errichtung von Krankenhäusern spezialisiert hatten. Nicht selten waren aber auch lokale Stadtbauräte mit der Aufgabe betraut worden, Entwürfe anzufertigen. Das Zentralkomitee zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke hatte hierfür Richtlinien herausgegeben, an die sich die Träger halten sollten. Dabei ging es u.a. um Direktiven zur Beschaffenheit eines möglichen Baugrunds, zur Lage der Anstalt, zur Größe der Patientenzimmer und zur Ausstattung der sanitären Anlagen. Auch von dem Architekten Heinrich Schmieden und dem Pneumologen Karl Turban waren prototypisch gemeinte Eckdaten für Heilstättenbauten veröffentlicht worden.222 Als wichtig angesehen wurde von ihnen ein trockener Bauplatz im Wald, idealerweise an einem Berghang und weitab von „schädlichen Einflüssen“. Hier sollten die Patienten „größtmögliche Ruhe“ finden. Die Anstalt bestand nach ihrer Vorstellung aus einem mehrstöckigen massiven Hauptgebäude und benachbarten Wirtschaftsgebäuden. Krankenhäuser wurden am Ende des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa vor allem im Pavillonstil errichtet, der eine schnelle und kostengünstige Herstellung erlaubte. In der Heilstättenkonzeption waren jedoch einige Besonderheiten zu berücksichtigen. So sollte das Hauptgebäude in OstWest-Richtung angelegt sein, sodass die Patientenzimmer (die mit hohen Decken besonders „luftig“ zu gestalten waren) nach Süden hin orientiert werden konnten.223 Bei den Außenfassaden wurden oft regionaltypische Elemente (im Harz z.B. Fachwerkverzierungen oder Holzverkleidungen) verwendet.224 Für die Innenräume war eine ständige Frischluftzufuhr zu gewährleisten. Die Wände mussten mit Öl- oder Lackfarbe bestrichen und die Fußböden mit Linoleum ausgelegt werden. Dies sollte 220 Christoph Gradmann, Robert Koch and the white death: from tuberculosis to tuberculin. Microbes and infection, 8/2006, 294- 301. 221 Hirsch, Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, S. 512 222 Heino Schmieden, zit. nach Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 158 223 Hesse, Der Steierberg, S. 49f. 224 Ebd., S. 84 68 Staubbildung und „Einnistungsmöglichkeiten“ für die Bakterien verhindern.225 Im Folgenden werden einige Architekten der Heilanstaltsbauten in Preußen kurz biografisch vorgestellt: Arnold Beschoren (1879-unbekannt) trat vor allem in den 1920er Jahren als Heilstättenarchitekt hervor. Er entwarf die Lupusheilstätte in Müncheberg/Mark und einen Teil der Heilstätte Grabowsee. Einer seiner ersten Aufträge (1908/09, zusammen mit Hermann Rohde) betraf das Verwaltungsgebäude der LVA Brandenburg in der Berliner Keithstraße.226 Theodor Goecke (1850-1919) machte sich als Architekt vieler Krankenhausbauten in Brandenburg einen Namen. Er entwarf u.a. die Landesklinik Teupitz und die Heilanstalt Lübben sowie die Heilstätte Kolkwitz und das Brandenburgische Seehospiz in Kolberg. Goecke studierte an den Technischen Hochschulen Charlottenburg und Aachen. Im Jahre 1885 erhielt er eine Stelle als Regierungsbaumeister, bevor er 1896 Landesbauinspektor und 1903 Landesbaurat der Provinz Brandenburg wurde. In Kolkwitz war Goecke zusammen mit den Architekten Cordier und Meyer tätig. 227 Die Architekten Paul Hakenholz (1872-unbekannt) und Paul Brandes (Lebensdaten unbekannt) aus Hannover entwarfen neben den Heilanstalten in Hohenlychen auch die Heilstätte Müllrose. Das Duo wird auch als Gestalter des Genesungsheims Friedrichshöhe in Bad Pyrmont erwähnt. Paul Hakenholz trat außerdem als Autor von Reiseberichten über Wanderungen in Südtirol hervor.228 Aus Wuppertal-Barmen stammte der Architekt Erdmann Hartig (1857-1925). Er war Leiter der 1894 gegründeten Kunstgewerbeschule Barmen (heute Teil der Bergischen Universität) und wurde vor allem durch den Bau der Ruhmeshalle Barmen (1897-1900, heute Haus der Jugend Wuppertal)229 und der Stadthalle Barmen (1895/97) bekannt. Die Landesversicherungsanstalt der Hansestädte beauftragte ihn mit dem Entwurf des Heilstättengebäudes Oderberg (St. Andreasberg) im Harz.230 225 Ebd., S. 53 Arnold Beschoren, abgerufen unter: deu.archinform.net/arch/62595.htm am 26. November 2013 und Berliner Denkmaldatenbank, abgerufen unter: www.stadtentwicklung.berlin.de/cgi-bin/hidaweb/getdoc.pl?DOK_TPL= lda_doc.tpl&KEY=obj%2009050271 am 26. November 2013. 227 Olav Vogt, Theodor Goecke. Provinzialkonservator in Brandenburg von 1908 bis 1919, Brandenburgische Denkmalpflege, 2(4)/1995, 47–52 228 Paul Hakenholz, abgerufen unter: deu.archinform.net/arch/65251.htm am 26. November 2013. 229 Lutz Engelskirchen, Die Barmer Ruhmeshalle. Von Bürgertum und Bürgergeist in Barmen. Göttingen 1996. 230 Akte zur Heilstätte Oderberg. Staatsarchiv Hamburg, A 830 / 0801, S. I 226 69 Friedrich Körte (1854-1934) war von 1898 bis 1919 Berliner Stadtverordneter und entwarf in seiner Funktion als Berliner Regierungsbaumeister einige bekannte Gebäude, u.a. das Jüdische Krankenhaus Berlin, das heutige Renaissance-Theater in Charlottenburg und die ArchenholdSternwarte in Treptow. 231Er leitete zusammen mit seinem Co-Architekten Konrad Reimer (1853-1915) die Errichtung der Heilstätte Belzig. Baurat Reimer gründete mit Körte 1886 ein Architekturbüro in Berlin-Kreuzberg und wirkte u.a. an den Entwürfen für die DRK-Kliniken der Mark Brandenburg mit.232 Edwin Oppler233 (1831-1880) ist als Architekt der neugotisch orientierten „Hannoverschen Architekturschule“ zuzuordnen. Oppler prägte das Bild vieler damaliger Bauten im Königreich bzw. der späteren preußischen Provinz Hannover. Oppler stammte aus Niederschlesien und ging nach dem Studium in Breslau nach Hannover. Er wirkte u.a. an Restaurierungsarbeiten an der Notre Dame in Paris mit. Einer seiner ersten Aufträge war der Bau der Brehmer’schen Heilanstalt zu Görbersdorf. Im Jahre 1866 wurde Oppler Baurat in Hannover und gestaltete viele Bauten in der Stadt und der Umgebung.234 Heino Schmieden (1835-1913) arbeitete eine Zeit lang eng mit dem bekannten Architekten Martin Gropius (1824-1880) zusammen und entwarf vor allem Wohn- und Geschäftshäuser. Die ersten von Schmieden betreuten Krankenhausbauten waren das 1868-1874 errichtete Krankenhaus Friedrichshain (Berlin) und das 1875-1878 entstandene Wenckebach-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof. Beide Kliniken wurden im klassischen „Pavillonstil“ angelegt. Nach dem Tod von Martin Gropius 1880 kooperierte Schmieden mit dem dreißig Jahre jüngeren Regierungsbaumeister Julius Boethke (1865-1917), mit dem zusammen er u.a. das Teltower Kreiskrankenhaus235, das Krankenhaus Berlin-Neukölln, das heutige DRK-Klinikum BerlinWestend und das Oskar-Helene-Heim Berlin-Dahlem entwarf.236 Die meisten Aufträge für den Bau von Lungenheilstätten erhielt die Berliner Architektensozietät 231 B. Fränkel, Der Berlin-Brandenburger Heilstättenverein für Lungenkranke und seine Heilstätte in Belzig. Berliner Klinische Wochenschrift, 46, Sonderabdruck. Geheimes Preußisches Staatsarchiv, VI HA Althoff 307, 1898, S. 85-92 232 Konrad Reimer, abgerufen unter: luise-berlin.de/lexikon/mitte/r/reimer_konrad.htm am 26. November 2013 233 In einigen Quellen aus dem 19. Jahrhundert wird statt Oppler „Oppeler“ geschrieben. 234 Eintrag zu Edwin Oppler. Allgemeine Deutsche Biographie, 1887, S. 404-405. Abgerufen unter: deutschebiographie.de/pnd118993437.html?anchor=adb am 28. August 2014. 235 heute Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung Berlin-Lichterfelde 236 Buchinger, Marie-Luise (Hg), Die Beelitzer Heilstätten: eine Zusammenarbeit des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und der Unternehmensgruppe Roland Ernst. Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege, Potsdam : Potsdamer Verlagsbuchhandlung 1997, S. 18 70 Boethke und Schmieden. Die ersten Anstalten, für deren Errichtung die beiden Architekten verantwortlich zeichneten, waren die Johanniter-Heilstätte Sorge (Harz), die Heilstätte Holsterhausen (Essen-Werden) sowie die Eisenbahner-Heilstätten Stadtwald (Melsungen) und Moltkefels (Schreiberhau). In Brandenburg wirkten Boethke und Schmieden an den jeweils ersten Abschnitten der Heilstättenbauprojekte Beelitz und Grabowsee (Oranienburg) mit. Viele junge Architekten wurden im Büro der Krankenhausbauer Schmieden und Boethke ausgebildet, z.B. Victor von Weltzien, Albert Speer und Carl Reinhard.237 Heino Schmieden wurde außerdem in die Vorstände des „Deutschen Central-Komitees zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke“ und des Roten Kreuzes Berlin berufen. Nach dem Tod Schmiedens 1913 übernahm sein Sohn Heinrich das Architekturbüro. Max Schündler (Lebensdaten unbekannt) betreute als Architekt den Bau des ehemaligen Krankenstifts Zwickau (1841/45) und entwarf 1902/03 zusammen mit dem belgischen Bauhausarchitekten Henry van de Velde (1863-1957), der zugleich für die Innenausstattung zuständig war, das Sanatorium (später Heilstätte) der Vollmarstiftung in Trebschen.238 Heinrich Seeling (1852-1932) stammte aus Zeulenroda, besuchte die Berliner Bauakademie und war in seinen beruflichen Anfangsjahren beim Architekten Wilhelm Böckmann tätig. Er entwarf den Vorgängerbau der Deutschen Oper in Berlin-Charlottenburg sowie das Schauspielhaus in Frankfurt/Main. Im Jahre 1907 war Seeling als Stadtbaurat der (zu dieser Zeit noch unabhängigen) Stadt Charlottenburg tätig und kreierte die Kaskaden des Lietzenseeparks sowie den Wasserturm Westend.239 Zusammen mit Richard Ermisch (1885-1960), der in Berlin als Architekt des Strandbads Wannsee (1929/30), des Rathauses Tiergarten (1935/36) und der Messehallen unter dem Funkturm (1935/37) bekannt wurde, entwarf Seeling die Heilstätte Sommerfeld (Waldhaus Charlottenburg) und die städtische Frauenklinik Charlottenburg.240 In Berlin-Charlottenburg ist eine Straße nach Seeling, im Bezirk Prenzlauer Berg eine Straße nach Ermisch benannt worden.241 Bei Theodor Sartori und Alfred Redelstorff (Lebensdaten unbekannt) handelt es sich um zwei 237 Ebd., S. 19 Antje Neumann und Brigitte Reuter, Henry van de Velde wiederentdeckt - das Sanatorium Trebschen (1902/03), abgerufen unter henryvandevelde.pl/de/html/text_neumannreuter.php am 26. November 2013 239 Irmhild Heckmann-von Wehren, Heinrich Seeling. Ein Theaterarchitekt des Historismus. Hamburg 1995 240 Andreas Jüttemann, Hundert Jahre danach: Das spurlose Verschwinden der ehemaligen Frauenklinik der Freien Universität Berlin. Der Gynäkologe 47(6)/2014, 448-450. 241 Eberhard-Günther Ermisch und Klaus Konrad Weber, Richard Ermisch. Porträt eines Baumeisters, Berlin: Ernst & Sohn 1971 238 71 Lübecker Architekten. Sie waren beide Mitglieder im örtlichen Verein der Kunstfreunde. Für die LVA der Hansestädte entwarfen sie die Heilstätte Glückauf in St. Andreasberg und das Invalidenheim Großhansdorf. Über den Architekten Theodor Sartori ist nicht viel überliefert. Er entstammt einer Lübecker Architektenfamilie. Alfred Redelstorff war der Vater des ebenfalls in Lübeck als Architekt tätigen Henry Redelstorff (1909-1999).242 Adolf Stegmüller (vermutlich schon vor dem Ersten Weltkrieg gestorben), der die Heilstätte Rathenow-Stadtforst entwarf, war sowohl als Baurat als auch in seinem eigenen Büro „Schultz und Stegmüller“ tätig. Er wird u.a. als Erbauer der Dorfkirche Potsdam-Marquardt (1900/01) und der Anstaltskirche der Heilstätte Grabowsee (Oranienburg) genannt.243 Einen Überblick über die Architekten der Heilstätten in Brandenburg, dem Harz und dem Riesengebirge bietet Tabelle 11. Beelitz (nur 1. Bauabschnitt) Essen-Holsterhausen Grabowsee (nur 1. Bauabschnitt) Lüdenscheid-Hellersen Melsungen (Stadtwald) Meschede-Beringhausen Obornik Schreiberhau (Moltkefels) Sorge (Johanniter-Heilstätte) Wuppertal-Ronsdorf Cottbus-Kolkwitz Kolberg (Brandenburgisches Seehospiz) Belzig Hohenlychen Müllrose Grabowsee (nur 2. Bauabschnitt) Müncheberg (Lupusheilstätte) Rathenow Grabowsee (nur Anstaltskapelle) Kremmen-Sommerfeld Trebschen Buch (Waldhaus) Gütergotz (Nebengebäude) Treuenbrietzen 242 Heino Schmieden, Julius Boethke (tlws. zusammen mit weiteren lokalen Architekten) Theodor Goecke Friederich Körte, Konrad Reimer Paul Hakenholz, Paul Brandes Arnold Beschoren Adolf Stegmüller Heinrich Seeling, Richard Ermisch Max Schündler, Henry van de Velde (Weimar) Ludwig Hoffmann Volkstedt, Hecht und Grohte Baumeister, Architekten, Bauten-Bautennachweise. Bau- und Architekturgeschichte, Stadtentwicklung in Lübeck Stadtarchiv Lübeck, abgerufen unter www.archiv.luebeck.de/files/bast/g03.pdf und archiv.luebeck.de/files/bast/g04.pdf am 26. November 2013 243 Adolf Stegmüller, abgerufen unter: deu.archinform.net/projekte/56580.htm am 26. November 2013 72 Stiege (Albrechtshaus-Marienheim) Baurat Spehr (Blankenburg) Clausthal-Zellerfeld (Erbprinzentanne) Baurat Rühlmann (Zellerfeld) Schwarzenbach Maurermeister Roscher (Clausthal) Goslar-Königsberg Geburch (Goslar) Sülzhayn Gustav Hasse und O. Stengel (Halle) Oderberg Erdmann Hartig (Wuppertal-Barmen) St. Andreasberg (Glückauf) Theodor Sartori (Lübeck) und Alfred Redelstorff Großhansdorf Hohenwiese Carl Grosser (Breslau) TAB. 11: ARCHITEKTEN AUSGEWÄHLTER HEILSTÄTTEN 2.10 Die Rezeption der klassischen Heilstättenbehandlung in der Literatur Zwei literarische Beispiele sollen die Tuberkulose-Behandlung veranschaulichen. Zum einen geht es um Thomas Manns „Der Zauberberg“. In dem Roman wird über den Besuch eines Angehörigen in einem Schweizer Privatsanatorium berichtet. Zum anderen erfolgt eine zusammenfassende Darstellung der Autobiografie des an Tuberkulose erkrankten Moritz Bromme, der als Patient aus der Arbeiterschicht über mehrere Kuraufenthalte in der Sophienheilstätte Bad Berka berichtet. 2.10.1 Das Lungensanatorium in Thomas Manns „Der Zauberberg“ Das bekannteste Werk, in dem die Behandlung in den privaten Lungensanatorien der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg geschildert und literarisch verarbeitet wird, ist Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“. Der Protagonist Hans Castorp weilt sieben Jahre im „Deutschen Sanatorium“ zu Davos. Obwohl er ursprünglich nur als Besucher eines tuberkulosekranken Vetters nach Davos kommt, nimmt ihn die Klinik im August 1907 auf, nachdem bei ihm einschlägige Symptome festgestellt werden. Castorp verlässt die Heilstätte erst mit Kriegsbeginn im Jahre 1914. Die schwer im Voraus bestimmbare Länge des damals üblichen Heilstättenaufenthalts wird dem Neuankömmling im Roman wie folgt von einem Arzt angekündigt: „Wir kennen das Wochenmaß nicht, mein Herr (…). Unsere kleinste Zeiteinheit ist der Monat“.244 Ausgehend von diesem Satz beschreibt Thomas Mann das Zauberbergphänomen, den Verlust des Zeitgefühls der Patienten. Im Roman werden u.a. die starre Hausordnung sowie die Gleichförmigkeit des täglichen Patientenlebens hervorgehoben. Die Kranken existieren völlig abgeschirmt von der Welt (im 244 Thomas Mann, Der Zauberberg, Frankfurt/M: Fischer 2004, S. 84 73 Roman „das Flachland“ genannt). Sie erleiden das Schicksal, „dem Leben verloren“ zu gehen.245 Von Engelhardt (2003) verweist auf die multikausale Entstehungstheorie, die Mann 1924 entworfen habe: „Die Ursachen der Lungenschwindsucht werden im Zauberberg für komplex und vielfältig gehalten. Organische, psychische und sozial-kulturelle Hintergründe werden für den Ausbruch und die Weiterentwicklung des Leidens verantwortlich gemacht.“ 246 Neben der körperlichen Konstitution werden vor allem auch seelische Probleme für den Ausbruch der Tuberkulose als entscheidend angesehen. Es ist also in erster Linie ein psychosomatischer Ansatz, der hier beschrieben wird.247 Schmiedebach spricht sogar davon, dass die Tuberkulose zwar keinesfalls im Zauberberg als psychiatrische Krankheit beschrieben wird, „wenn sie auch eine Reihe mentaler und psychischer Auswirkungen hatte“248 und sich Thomas Mann vor allem „mit dem Individuellen und dem Metaphysischen“249 in seiner Beschreibung des Sanatorienlebens beschäftigte. Zwar spielt auch die genetische Disposition eine gewisse Rolle, ausschlaggebend sind aber äußere Einflüsse. Dazu gehört neben den Erregern vor allem der soziokulturelle Hintergrund.250 Von Engelhardt fasst referierend zusammen: „Krankheit und Medizin, Patient und Arzt stehen in Thomas Manns Roman ‚Der Zauberberg’ im Spektrum zwischen Phänomenen und Symbolik, von Physis und Psyche, von Gesellschaft und Geist. Was für die Krankheit allgemein gilt, trifft für Lungentuberkulose auf besondere Weise zu. Diese Krankheit zeigt sich als physisches Leiden und verbindet den Menschen als Mikrokosmos über das Organ der Lunge mit der Natur als Makrokosmos. Ebenso einflussreich sind die Zusammenhänge mit der sozialen Welt; Krankheit steckt an und wirkt sich auf Familie, Arbeit und Freizeit aus. Die metaphysische Beziehung stellt sich über die Organsymbolik der Lunge her.“251 Thomas Mann gibt dem Leser im Zauberberg auch einen Einblick in die diagnostischen Verfahren jener Zeit. Von Engelhardt zählt alle medizinischen Verfahren auf, die im Zauberberg erwähnt werden: 245 Ebd., S. 276 Dietrich von Engelhardt, Krankheit und Medizin, Patient und Arzt in Thomas Manns Zauberberg (1924) in medizinhistorischer Sicht. In: Dietrich von Engelhardt und Hans Wißkirchen (Hrsg.): „Der Zauberberg“ – die Welt der Wissenschaften in Thomas Manns Roman, Stuttgart 2003, S. 7 247 Ebd., S. 7f. 248 Heinz-Peter Schmiedebach, Sonderlinge, Psychopathen und andere Bergbewohner im Zauberberg, i. Dr., o.A. 249 Ebd. 250 von Engelhardt, Krankheit und Medizin, S. 9 251 Ebd., S. 25 246 74 „Palpation252, Perkussion, Auskultation253, Messung von Temperatur und Puls, biochemische Untersuchungen (Gaffky-Skala), Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen, Familienanamnese. Zugleich kommt es zur Kritik an der angeblichen Objektivität der instrumentellen Diagnostik […]. Auch die Vielfalt der in jenen Jahren in der Medizin bekannten Therapiearten erfährt im Zauberberg Anwendung: Medikamente, Injektionen, chirurgische Eingriffe wie Pneumothorax, Thorakoplastik und Lungenresektion wie ebenfalls und vor allem Diätetik und Psychotherapie werden zur Überwindung oder 254 Linderung des Leidens eingesetzt.“ Nicht nur die medizinischen Begriffe, sondern auch die Utensilien, die charakteristisch für den Kuraufenthalt eines Lungenkranken sind, werden im Roman immer wieder hervorgehoben. Besondere Aufmerksamkeit wird der Anwendung eines speziellen diagnostischen Verfahrens, der Gaffky-Skala, gewidmet. Die Bedeutung für den Inhalt des Romans schildert von Engelhardt wie folgt: „Im sechsten Kapitel taucht noch ein weiteres diagnostisches Mittel auf: die ‚GaffkySkala‘, nämlich ‚jenes Untersuchungssystem, wonach im Laboratorium drunten [...] der Grad erkundet und bezeichnet wurde, in welchem ein Patient mit Bazillen behaftet war: ob diese nur ganz vereinzelt oder unzählbar massenhaft in dem analysierten Probestoffe sich vorfanden, das bestimmte die Höhe der Gafky255-Nummer, und auf diese eben kam 256 alles an‘.“ Der Protagonist berichtet ausführlich über Einzelheiten des therapeutischen Programms, so z.B. über die Streptovakzinkur oder über die Sputumflasche „Blauer Heinrich“ sowie über die im Davoser Sanatorium durchgeführten operativen Methoden (z.B. den Pneumothorax). 257 Der Pneumothorax ist im Erscheinungsjahr des Zauberbergs eine noch recht neue Technik. Einige Patienten des Berghofs, die diesen chirurgischen Eingriff schon hinter sich haben, finden sich in einer Art Selbsthilfegruppe zusammen, die im Roman wie folgt vorgestellt wird: 252 Palpation: Untersuchung des Körpers durch Betasten Perkussion und Auskultation: „Das Beklopfen [Perkussion, Anm. d. Verf.] der Körperoberfläche und das Behorchen der im Körper entstehenden Geräusche, insbesondere der Atemgeräusche von Bronchien und Lungen, bei der Auskultation [dem absichtlichen starken Atmen und Husten; Anm. d. Verf.] mit Hilfe eines hölzernen Stethoskops.“ Zit. nach Thomas Sprecher, Davos im Zauberberg, München: Wilhelm Fink 1996, S. 106 254 von Engelhardt, Krankheit und Medizin, Patient und Arzt in Thomas Manns Zauberberg (1924) in medizinhistorischer Sicht, S. 11 255 „Der Hygieniker Georg Theodor August Gaffky (1850-1918) war der Nachfolger Robert Kochs in Berlin. Seine Skala datiert aus dem Jahre 1884. Sie maß die Tuberkelbakterien im mikroskopischen Präparat: Gaffky 1 = 1-4 Bakterien im ganzen Präparat, Gaffky 2 = 1 Bakterie in mehreren Gesichtsfeldern, Gaffky 3 = 1 Bakterie in jedem Gesichtsfeld, Gaffky 4 = 2-3 Bakterien in jedem Gesichtsfeld, Gaffky 5 = 4-6 Bakterien in jedem Gesichtsfeld, Gaffky 6 = 7-12 Bakterien in jedem Gesichtsfeld, Gaffky 7 = ziemliche viele Bakterien, Gaffky 8 = zahlreiche Bakterien, Gaffky 9 = sehr zahlreiche Bakterien, Gaffky 10 = enorme Mengen.“ In: Sprecher, Davos im Zauberberg, S. 114 256 Ebd., S. 114 257 Ebd., S. 106 - 151 253 75 „Sie haben sich zusammengefunden, denn so etwas wie der Pneumothorax verbindet die Menschen natürlich, und nennen sich ‚Verein Halbe Lunge‘, unter diesem Namen sind die bekannt. Aber der Stolz des Vereins ist Hermine Kleefeld, weil sie mit dem Pneumothorax pfeifen kann.“258 7 Uhr Tagwache durch den Bademeister Abreibung, Fiebermessen 8 Uhr Erstes Frühstück 9 Uhr Spaziergang zum Wasserlauf 10 Uhr Liegekur 11 Uhr Zweites Frühstück 12 Uhr Mittagsliegekur 13 Uhr Mittagessen Anschließend „Geselligkeit auf der Veranda“ 14 Uhr Hauptliegekur Anschließend Arztvisite 16 Uhr Vespertee Anschließend Spaziergang zum Wasserlauf 17.30 Uhr Liegekur 18 Uhr Abendessen 20 Uhr Abendliegekur 21 Uhr Abendmilch Morgenvisite (Hofrat Behrens / Dr. Krokowski) Anschließend Spaziergang nach Davos (Ort) Anschließend geselliges Beisammensein Um 22 Uhr Nachtruhe TAB. 12: DER „EWIG EINTÖNIGE RHYTHMUS DES ZEITABLAUFS“ IM SANATORIUM BERGHOF. DIE ÄHNLICHKEIT MIT DER TAGESORDNUNG IN DEN VOLKSHEILSTÄTTEN IST UNVERKENNBAR, 259 LEDIGLICH DIE ZEITEN ZWISCHEN DEN MAHLZEITEN DURFTEN FREIER GESTALTET WERDEN. Auch die Mediziner im Zauberberg schreiben dem Licht und der frischen Luft eine positive Wirkung auf den Heilungsprozess zu. Wie in den konkreten Heilstätten jener Zeit werden zudem eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung (die Ärzte im Roman raten zu Wanderungen) im Wechsel mit Ruhephasen (als Liegekur) besonders empfohlen. Die strenge Tagesordnung als therapeutische Maßnahme ist im Zauberberg-Sanatorium, genau wie in den realen Volksheilstätten, gleichsam alles beherrschend (vgl. Tab. 12).260 Die Gefühle der Patienten werden im Zauberberg sehr eingehend beschrieben. Eher beiläufig wird jedoch die psychoanalytische Tätigkeit des Arztes Dr. Edhin Krokowski erwähnt:261 „Dann ist da noch Krokowski, der Assistent – ein ganz gescheutes Etwas. Im Prospekt ist 258 Das Pfeifen hängt wohl mit einer besonderen Operationsmethode des Chefarzts Professor Jessen des „echten“ Davoser Sanatoriums zusammen, meinte Rudolf Virchow. Quelle zit. nach Mann, Der Zauberberg, S. 75; vgl. Sprecher, Davos im Zauberberg, S. 323 259 Tab. 12 nach Sprecher, Davos im Zauberberg, S. 122f. 260 Sprecher, Davos im Zauberberg, S. 123 261 von Engelhardt, Krankheit und Medizin, Patient und Arzt in Thomas Manns Zauberberg (1924) in medizinhistorischer Sicht, S. 12 76 besonders auf seine Tätigkeit hingewiesen. Er treibt nämlich Seelenzergliederung mit den Patienten.“262 Die Tatsache, dass die Lungenpatienten ihre Kur selten gänzlich gesund beendeten, wird ebenfalls beachtet. Wenn ein Patient im Berghof „geheilt“ werde, dann sei dies außerdem, so der Erzähler, eher seiner Natur als der ärztlichen Behandlung zuzuschreiben. Die von Thomas Mann geschilderte virtuelle Anstalt in Davos ist allerdings nicht mit einer klassischen Volksheilstätte, sondern mit einem Privatsanatorium zu vergleichen. Der wesentliche Unterschied besteht hinsichtlich der Schichtzugehörigkeit der Patienten: „In Übereinstimmung mit der historischen Realität fehlt im Übrigen die Arbeiterschaft“263 Private Lungensanatorien wie der fiktive Berghof waren zum einen der Oberschicht vorbehalten und zum anderen dadurch gekennzeichnet, dass sie wirtschaftlich rentabel agieren mussten, weil sie, anders als die Volksheilstätten, finanziell nicht von der Invalidenversicherung getragen wurden. Allerdings besaßen die Kranken in den privaten Sanatorien größere Freiheiten: Sie konnten das Gebäude zu jeder Zeit verlassen und durften Besucher empfangen, die zum Teil sogar im Hause wohnen konnten. Das ist auch im Berghof so. Castorp kann etwa eine ausgedehnte Schneewanderung unternehmen. Vergleichbare Privilegien kannten die Versicherten in den Volksheilstätten in der Regel nicht.264 Die Veröffentlichung des Zauberbergs löste bei vielen Ärzten einen Sturm der Entrüstung aus. Thomas Mann sah sich sogar gezwungen, 1925 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift zu dem Vorwurf einer angeblichen Verunglimpfung des Berufsstands der Ärzte Stellung zu nehmen.265 2.10.2 Die Lebensform in den Volksheilstätten - am Beispiel von Moritz Brommes „Lebensgeschichte eines modernen Fabrikarbeiters“ Von Patientinnen und Patienten aus der Arbeiterschicht, die Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts stationär in einer Volksheilstätte behandelt wurden, gibt es leider wenig authentische Berichte über ihren Kuraufenthalt. Daher sind aus medizinhistorischer Sicht die Memoiren des Fabrikarbeiters Moritz William Bromme besonders wertvoll. 262 Mann, Der Zauberberg, S. 28 von Engelhardt, Krankheit und Medizin, S. 19 264 Ebd., S. 19 265 Thomas Mann, Gesammelte Werke Band XI, Frankfurt/Main: Fischer 1974, S. 596 263 77 Bromme wurde im Jahre 1902 mit der Diagnose „Lungenspitzenkattarh“ in die Sophienheilstätte bei Bad Berka überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt war er als Fabrikarbeiter bereits 15 Jahre lang starken Staubeinflüssen ausgesetzt gewesen. Da sein Arzt ihm zu einem Heilstättenaufenthalt rät, beantragt Bromme eine Kur bei der „Thüringischen Versicherungsanstalt“ (er schreibt zwar „Krankenkasse“, gemeint ist aber vermutlich die LVA). Nach 14 Tagen erhält er von der Versicherung die Aufforderung, sich binnen zwei Tagen einer Untersuchung zu unterziehen. Danach wird bei ihm drei Tage lang Fieber gemessen. Erst nach Feststellung der Fieberfreiheit ist er für einen Heilstättenaufenthalt geeignet und erhält eine Aufnahmeempfehlung, die der Versicherung übermittelt wird. Die Krankenkasse soll die Kosten für die Kur (3 Mark pro Tag) und die Verpflegung (1 Mark) sowie zusätzlich die Hälfte der Unterhaltskosten für die Familie übernehmen.266 Bromme muss nach der Untersuchung vier Wochen lang warten und bekommt dann von der Versicherung folgenden Bescheid: „Wir haben beschlossen, gemäß § 18 des Invalidenversicherungsgesetzes vom 9. Juni 1902 ab Sie in der Sophienheilstätte bei Berka (Ilm) resp. Rittergut München (Thüringen) auf unsere Kosten ärztlich behandeln und verpflegen zu lassen. Sie wollen sich daher bestimmt am festgesetzten Tage zur Aufnahme in die genannte Heilanstalt begeben. Im Falle Sie zur Bestreitung der Reisekosten aus eigenen Mitteln nicht in der Lage sind, werden Ihnen dieselben von Ihrer Krankenkasse auf unsere Rechnung ausgezahlt. Mitzubringen sind die in beifolgenden Bedingungen zur Aufnahme bezeichneten Gegenstände.“ 267 Aus der Mitteilung ergibt sich für Bromme das Problem, dass er nicht alle von der Heilstättenverwaltung geforderten Kleidungsstücke besitzt. Er muss sich weitere Hemden und Unterhosen kaufen. Das ist aber bei dem kläglichen Lohn eines Fabrikarbeiters nicht möglich. Er leiht sich deshalb erst einmal Geld, um die Aufnahmebedingungen der Heilstätte erfüllen zu können. Bromme verlässt sein Zuhause in Sorge, da er sich nicht vorstellen kann, wie seine Frau und die sechs Kinder mit den bewilligten 10,50 Mark Wochenunterhalt auskommen sollen und beschreibt den Abschied als sehr schmerzlich. Bei seiner Ankunft in der „Hustenburg“, wie die auf dem „Lungenpfeifer“ genannten Berg gelegene Heilstätte von den Patienten bezeichnet wird, trifft er auf die anderen Ankömmlinge, die ebenfalls eher deprimiert sind und zweifeln, ob sie die vorgeschriebenen zehn bis zwölf Wochen hier durchhalten werden. Bei vorzeitigem Abbruch des 266 267 78 Moritz Bromme, Aus dem Leben eines modernen Fabrikarbeiters, Jena: Diederichs 1905, S. 293 Ebd., S. 294 Kuraufenthalts haben die Patienten die Kurkosten selbst zu tragen. Das Aufnahmeprocedere erfolgt durch die Oberschwester, die „die Neuen“ in das „Patientenverzeichnis“ einträgt. Als wichtigstes Utensil wird – wie auch im Sanatorium des Zauberbergs – an die Patienten eine blaue Sputum-Auffang-Flasche ausgegeben. Diese Flasche müssen die Patienten ständig bei sich führen, sonst droht sofortige Entlassung aus der Heilstätte. Außerdem erhält jeder Kranke zwei Fieberthermometer (eines spendierte die LVA, ein weiteres musste der Pflegling selbst käuflich erwerben). Ein Wärter übergibt den Patienten eine Butterbüchse, in dem die Butter (alle vier Tage bekamen die Patienten ein neues Stück) aufbewahrt wird, und weist den Neuankömmlingen einen Platz an einem der Esstische zu. Jeder Tafel steht ein „Tischältester“ vor, den der Arzt bestimmt. Erst wenn dieser Beauftragte, den die Mitpatienten scherzhaft „Präsident“ nennen, das Essen für beendet erklärt, darf sich die Gruppe erheben. Beim Essen ist größtmögliche Ruhe einzuhalten. Eine halbe Stunde vor jedem Essen läutet eine Glocke, die die Patienten daran erinnert, die Körpertemperatur zu messen und sich für den Gang in den Speisesaal vorzubereiten. Gereicht wird Hausmannskost (am ersten Abend von Brommes Aufenthalt gab es Nudelsuppe, Gulasch und Kartoffeln sowie dazu ein Bier oder wahlweise eine Limonade).268 Das Essen ist für viele Kranke, die aus prekären Verhältnissen kommen, geradezu luxuriös. Die Ärzte vertreten zwar die Auffassung, eine solch reichhaltige Ernährung müsse auch nach dem Kuraufenthalt zuhause beibehalten werden, doch Bromme bezweifelt, ob dafür die finanziellen Möglichkeiten bei den Arbeitern ausreichen.269 Das Zimmer teilt sich Bromme mit vier weiteren jungen Männern im Alter von 15-23 Jahren. Jeder Patient hat ein eigenes Emaille-Waschbecken. Nachts bleibt das Fenster geöffnet. Täglich wird der Boden des Schlafraums gewischt und einmal pro Woche sogar gebohnert. Für Ernährung und Hygiene sorgen vier männliche Wärter und sechs bis acht Dienstmädchen. 270 Morgens um sieben Uhr wird das erste Frühstück gereicht. Es gibt dabei keine Begrenzung hinsichtlich der Menge. Die Schwestern, die sich um die Behandlung der Kranken kümmern und die Aufsicht über das Patientenleben ausüben, beschreibt Bromme wie folgt: „Den Mittelpunkt im Anstaltsleben bilden im Grund die Schwestern. Man wird wohl selten ein paar so liebevolle Wesen wieder finden wie sie, Lisbeth und Jenny. Schon ihr Äußeres ist anziehend, etwas zur Rundung neigend. Wenn ich sie schildern soll, so möchte ich sagen: Sie waren überaus tätig, heiter, redselig, liebevoll, fest im Befehlen, 268 Ebd., S. 298 Ebd., S. 304 270 Ebd., S. 299 269 79 aber gut und nachsichtig, religiös, aber nicht bigott.“271 Am Tag nach der Ankunft wird Bromme zur Erstuntersuchung zum Oberarzt gebeten. Dieser macht ihm Hoffnung auf schnelle Genesung und klärt ihn über seine persönlichen „Kurvorschriften“ auf: kalte Abreibungen früh und abends, eine tägliche Dusche und ein Bad samstags. Bromme schildert den Ablauf der kalten morgendlichen Duschen: „Gewöhnlich wird eine Minute von vorn genommen, dann wird vom Arzt oder Bademeister Kehrt kommandiert und das Wasser läuft den Rücken hinab. Auf das Kommando Gut tritt man weg, eilt zu seinem Kleiderhaken, nimmt das große Badetuch und reibt sich gründlich trocken, den Rücken lässt man sich von einem Freunde abreiben, dem man den gleichen Gefallen erweist.“272 Zwischen dem ersten und dem zweiten Frühstück gehört ein Spaziergang zum Programm der Patienten. Entfernen sich die Kranken allerdings zu weit von der Heilstätte, erhalten sie meist einen Verweis vom Forstaufseher. Zwischen dem zweiten Frühstück und dem Mittagessen ist eine (recht freizügig gestaltbare) Liegephase durchzuführen, bei der Gesellschaftsspiele zugelassen sind. Für das nachmittägliche Liegen nach dem Essen ist hingegen strikte Ruhe vorgesehen. Nur während der dritten Liegezeit nach dem Abendbrot sind Lesen oder Unterhaltungen erlaubt. Um 22 Uhr beginnt die Bettruhe. Das Licht wird gelöscht. Alle 14 Tage kann sonntags ein Gottesdienst besucht werden, ansonsten gleicht ein Tag dem anderen.273 Die Gleichförmigkeit ist aber, ebenso wie die frische Luft in den Wäldern Thüringens, wesentliche Bedingung der Kur, wie der Oberarzt den Patienten erklärt: „Der schöne Wald ist manchem zu langweilig. Aber Sie sollen sich hier langweilen, um Ihre Nerven einigermaßen zu beruhigen, damit diese wieder gestählt werden für den schweren Kampf ums Dasein draußen in der Welt.“274 Brommes Entlassung erfolgt, als sein Sputum bazillenfrei ist. Nach fast zwei Jahren verschlechtert sich sein Gesundheitszustand jedoch wieder. Bromme wird deshalb im März 1904 ein zweites Mal in die Heilstätte überwiesen. 271 Ebd., S. 303 Ebd., S. 306 273 Ebd., S. 302f. 274 Ebd., S. 337 272 80 2.10.3 Das Krankenhaus-Tagebuch des tuberkulosekranken Joachim Ringelnatz Joachim Ringelnatz (1883-1934) begab sich mit seiner weit fortgeschrittenen Lungentuberkulose im Sommer 1934 in die Behandlung bei Dr. Ulrici im Tuberkulose-Krankenhaus Sommerfeld (bei Kremmen, s. 3.2.9). Obwohl der Schriftsteller schon vollkommen verarmt war, konnte er ein Einzelzimmer beziehen, weil viele Freunde und Bekannte für ihn gesammelt hatten. Das erfährt der Leser aus einem Kommentar zum Tagebuch, den seine Frau Leonharda (genannt „Muschelkalk“ und im Tagebuch mit M. abgekürzt) einer Person mit Namen „H.“ übermittelt hatte.275 Der Brief enthält auch eine Schilderung des Gesundheitszustands von Ringelnatz: „Es geht Ringel schlecht. Er ißt fast nichts mehr. Und obwohl wir an guten Tagen im Walde spazierengehen, ist sein Zustand doch recht schlecht.“276 Von Juni bis wenige Tage vor seinem Tod im Herbst 1934 führt der Schriftsteller Tagebuch und berichtet über den Tagesablauf, die medikamentöse Behandlung, über Ärzte, Schwestern und Mitpatienten sowie über Ernährung (und Stuhlgang). Seinen Aufzeichnungen, die ein z.T. humoristisches Bild des Krankenhaus-Alltags wiedergeben, ist u.a. zu entnehmen, dass fünf Mahlzeiten pro Tage verabreicht wurden, zwischen denen die Zeit mit Liegen verbracht werden musste. Es herrschte wohl eine unglaubliche Monotonie. Immerhin gab es die Möglichkeit, während der Liegekur mit einem Kopfhörer Radio zu hören, oder mit sich selbst Schach zu spielen. Ringelnatz ist genervt von der Lethargie des Anstaltslebens: „Langweiliger Tag. Nachbarin Z. knackt egal Nüsse für ihre Vögel. Von der Knochenabteilung langweilige Reden von ordinären Leuten, die sich der besseren Kinder wegen gebildet benehmen wollen. Von allen Seiten Gedudel, Grammophon, Lautsprecher, gezwungenes Lachen kalbernder Backfische. Warten (schon jetzt) auf M. oder auf Post oder Besuche.“277 Die Heilstätte unterhielt auch einen offiziellen Omnibus, den Ringelnatz als einen „altmodischen Wagen“ beschreibt, den „die Leute aus der Gegend“ wohl aufgrund einer irrationalen Angst vor Ansteckung als „Die Bazille“ bezeichnen: „Ich finde, daß sie [die Bazille, Anm. d. Verf.] wie ein Gefängniswagen aussieht. Aber an Gefängnis erinnert hier ja sehr vielerlei.“278 Über den Tag verteilt erhielten einige Patienten zu den Mahlzeiten alkoholische Getränke. Ringelnatz nahm bereits morgens sein erstes Bier zu sich: 275 Joachim Ringelnatz, Krankenhaus-Tagebuch. 7. Juni bis 2. Oktober 1934. In: Der Nachlaß von Joachim Ringelnatz. Berlin: Rowohlt 1935 276 Ebd., S. 63 277 Ebd., S. 48 278 Ebd., S. 70 81 „Heute geschmollt wegen des Bieres, das erst zum zweiten Frühstück und dann warm gebracht wurde [...]. Ich trank einen Rest Braunbier mit Rest Portwein“.279 Am 15. September 1934 berichtet der Schriftsteller über einen besonders reichlichen Alkoholgenuss zum Frühstück: „Ich sitze auf der Veranda, habe eben Krebsschwänze mit Pilsener Bier gefrühstückt [...], und mein Wohlgefühl treibt mich zu dem Leichtsinn, noch eine Flasche Bier zu öffnen und Kognak dazu zu trinken.“280 Aber anscheinend besaß Ringelnatz zusätzliche Vorräte an Alkoholika. Er trank manchmal bereits „vor dem Frühstück Portwein, um in eine quere Stimmung zu kommen“281, rauchte zudem, wie viele seiner Mitpatienten, heimlich auf der Toilette; denn über den anhaltenden Tabakgeruch in der Nasszelle beschwert er sich auch in seinem Tagebuch. Eine persönliche Flasche Wein, „Medizinwein mit Chinarinde“282 genannt, musste über die Schwester beim „Amtmann“ beantragt werden. Generell spielen Angaben über Art und Mengen des getrunkenen Alkohols eine zentrale Rolle in den Aufzeichnungen: „Schnäpse zu Ende. Humor noch nicht zu Ende“, schreibt er am 20. Juli 1934.283 Über das Essen in der Anstalt berichtet der Patient hingegen nicht sehr positiv: „Abends bekam ich wieder schauderhaften Fraß.“284 Um 20 Uhr hätten die Patienten täglich schlafen gehen müssen. Ringelnatz erwähnt viele lange, schlaflose Nächte, in denen er nur mit medikamentöser Hilfe zur Ruhe kommt: „Das bloß die Nächte umgehen! Aber sie schleichen. Ich huste viel. Stand wie täglich gegen 6 Uhr auf.“285 Nachts würde er vor allem vom Husten der Mitpatienten in den Nebenzimmern geweckt werden: „Wenn alle drei husten, ist es wie bei Fütterung der Raubtiere“.286 Er selbst habe oft um „viel Codein“ gebeten, um nicht allzu sehr nachts von seinem eigenen Husten geweckt zu werden, dennoch „erzitterten aber bei jedem Hüsterchen alle Einzelteile meiner Brust.“287 Eine Schwester würde ihm stets „frivolous much“288 Dicodid289 zum Schlafen verabreichen, notiert er auf Englisch, vermutlich, damit die anderen Schwestern es nicht in seinem Tagebuch nachlesen 279 Ebd., S. 49 Ebd., S. 66 281 Ebd., S. 53 282 Ebd., S. 54 283 Ebd., S. 57 284 Ebd., S. 67 285 Ebd., S. 48 286 Ebd., S. 49 287 Ebd., S. 52 288 Ebd., S. 51 289 Ein Hustenmittel aus der Gruppe der Opioide. 280 82 können. Oftmals bringen aber auch die starken Medikamente Ringelnatz keinen Schlaf: „Die Nacht war abscheulich für mich. Ich lag ständig unter Schweiß, hustete viel, und die Rippen taten mir weh“290, berichtet er am 16. Juli 1934. Ab dem 19. August erhält er das „neue Schlafmittel Luminal“.291 Ihm wurden aber auch regelmäßig Opium und Atropin verabreicht, aber im September 1934 abgesetzt. Die ebenfalls im Haus behandelten Knochentuberkulösen sollten - im Gegensatz zu den Lungentuberkulösen - bewusst Plätze auf der Veranda aufsuchen, an denen die Sonneneinstrahlung besonders hoch war: „Die müssen, im Gegensatz zu uns, in der Sonne liegen. (Beinahe hätte ich gesagt, die Glücklichen:“292 Über seinen Liegekur-Alltag auf der Veranda und seine Mitpatienten äußert Ringelnatz: „Ich lag ein paar Stunden draußen, aber wenn die Sonne fort ist, ist alles düster oder böse Wie vielleicht die meisten Menschen hier?“. Die Tür zwischen dem weiblichen und dem männlichen Patientenbereich wurde nachts stets verschlossen, um eine Aufnahme von Liebesbeziehungen zu verhindern. Ringelnatz bemerkt hierzu: „Nachts allerdings ist der Gang dorthin abgesperrt, denn er trennt die Frauen von den Männern. Und schon, wenn versehentlich einmal der Schlüssel steckenbleibt, ist am nächsten Tag nicht nur selbstverständlicherweise der Schlüssel weg, sondern es ist auch was geschehen.“293 Auch Ausdrucksformen nationalsozialistischer Begeisterung scheint Ringelnatz während seines Klinikaufenthalts wahrgenommen zu haben, und zwar in Gestalt marschierender Gruppen (ob er die örtliche Hitlerjugend meint oder junge Mitpatienten, bleibt aber offen), die grölend über das Klinikgelände ziehen: „Diese Kinder singen nie solo, sondern Marschlieder, und sie brüllen die Lieder roh. Oh, es wird häßlich hier.“294 Eine Abwechslung im wohl recht eintönigen Geschehen bot der Sonntag, an dem viele Besucher, 290 Ringelnatz, Krankenhaus-Tagebuch, S. 56 Luminal ist ein Barbiturat, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert häufig als Schlafmittel eingesetzt wurde, heute aber als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel nur noch bei der Narkosevorbereitung und in der Epilepsiebehandlung verwendet wird. Vgl. Ringelnatz, Krankenhaus-Tagebuch, S. 60 292 Ringelnatz, Krankenhaus-Tagebuch, S. 60 293 Ebd., S. 71 294 Ebd. 291 83 so auch seine Frau, nach Sommerfeld kamen. Im Gegensatz zur sonst völligen Ruhe im Krankenhaus herrschte dann eine ausgelassene Stimmung: „Auf dem Rasen, wo sonst ein scheues Häschen, heute bunte Hosen und junge Mädchenstimmen. In den Männerbaracken wird getanzt und aus den Frauenbaracken ertönen flirtende Rufe.“295 Über den Ablauf der Behandlungen verliert Ringelnatz immer nur wenige Worte, so zum Beispiel: „Schwester E. Blut abgezapft. Dr. U. beklopft [...] Inhaliere Kremser Salz. RöntgenAufnahme.“ 296 Er erwähnt außerdem Mentholspritzen, die er unangenehmerweise vor dem Essen erhält, Jod zum Einreiben des Rippenfells und warme Wickel gegen Schmerzen. Die ihn betreuenden Schwestern werden in Ringelnatz’ Tagebuch oft nicht positiv beschrieben: „Ich traue jetzt – heute – momentan – Schwestern überhaupt nicht. Nachts starke Stiche rechte Lunge. Die Schwester ist aber zu faul, um auf mein Stöhnen und Rufen zu kommen.“297 Am 20. September 1934 schreibt der Schriftsteller: „Herz ist nicht dabei, und sie warten nur darauf, daß ihr Dienst um ist, und hinterlassen z.B. ihrer Nachfolgerin gar nicht, was z.B. Ringelnatz fehlt, und daß er Durchfall hat.“298 Kurz vor seinem Tod diagnostizieren die Ärzte bei Ringelnatz eine „rätselhafte, dazukommende Krankheit“. Er wird „dauernd durchleuchtet“, auch laryngoskopisch. Seinen eigenen seelischen Zustand beschreibt er in seinen letzten Lebensmonaten wie folgt: „Tatterich. Interesselosigkeit. Stumpfsinn packen mich. Ich schlafe manchmal 24 Stunden hintereinander.“ 299 Der Patient bekommt starke Schlafmittel verabreicht. Ein letztes Mal besucht er im September den örtlichen Gasthof „Die Wackelburg“ und trinkt dort „herrlich kaltes Bier.“300 Ringelnatz hatte beobachtet, dass im Spätsommer 1934 mit der Einzäunung des Anstaltsgeländes begonnen worden war. Besuche in der Gastwirtschaft sollten wohl generell verhindert werden. Traurig konstatiert Ringelnatz, dass manche seiner Mitpatienten, die zur gleichen Zeit wie er aufgenommen wurden, bereits verstorben seien und in der Anstalt auf „unserem kleinen Friedhof“301 bestattet wurden. 295 Ebd., S. 47 Ebd. 297 Ebd., S. 52 298 Ebd., S. 68 299 Ebd., S. 64 300 Ebd. 301 Ebd., S. 58 296 84 Seinen eigenen Gesundheitszustand schildert der Schriftsteller am 10. September wie folgt: „Ich huste zu viel, und ich bin so schwach, so schwach, daß ich kaum das Quecksilber im Thermometer runterschlagen kann. Das ist nun das Resultat von 3 ½ Monaten Aufenthalt hier.“302 Am 23. September 1934 schreibt seine Frau an eine Person namens „L. H.“: „Obwohl mich der Arzt über Ringels aussichtslosen Zustand ziemlich aufgeklärt hat, sah ich den kleinen, schwachen Mann heute zum erstenmal wieder in völliger Frische. Er war so lebendig und genial wie seit Ewigkeiten nicht“. Am 9. Oktober, Ringelnatz wurde kurz zuvor auf eigenen Wunsch hin aus dem TuberkuloseKrankenhaus Sommerfeld entlassen, heißt es in einem Brief seiner Frau an eine Person „H.“: „Eigentlich erkenne ich erst jetzt, wie schwer krank er ist. Die Ärzte geben keine Hoffnung mehr [...]. Um so trostloser ist es zu sehen, daß er in klaren Momenten ganz groß, weise und klug ist.“303 Joachim Ringelnatz starb am 17. November 1934 in Berlin-Westend. 302 303 Ebd., S. 65 Ebd., S. 73 85 3 Zur Lage, Ausstattung und Geschichte der einzelnen preußischen Lungenheilstätten Die tragenden Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit bestehen darin, alle wichtigen Lungenheilstätten in Preußen für den Zeitraum von 1863 bis 1934 zu beschreiben und historisch zu würdigen (vgl. 1.1). Die Standorte in den drei Schwerpunktregionen Brandenburg, Harz und Riesengebirge wurden alle persönlich aufgesucht, um auch die heutige Situation der einstigen Heilstätten in Augenschein zu nehmen. Der Vereinheitlichung halber werden deshalb in der vorliegenden Arbeit alle Einrichtungen ab einer Größe von 75 Betten als „Heilstätte“ bezeichnet. Unberücksichtigt bleibt eine Vielzahl kleinerer Häuser, die oft privat betrieben wurden, und meist nur selbstzahlenden Patienten zur Verfügung standen.304 Als unerheblich anzusehen sind regionale Sprachgewohnheiten, die die Trägergesellschaften veranlassten, eine Anstalt z.B. „Genesungsheim“, „Heimstätte“ oder „Heilanstalt“ zu nennen. Generell ist nur die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Volksheilstätte“ und „Sanatorium“ von Bedeutung. Es handelt sich dabei um Kategorien, die auf eine Differenz hinsichtlich der Übernahme der Behandlungskosten verweisen. Als Beispiel kann das schlesische Görbersdorf herangezogen werden: Die hier entstandenen Einrichtungen der Ärzte Brehmer, Römpler und Weicker waren in ihrer Anfangszeit Privatsanatorien mit einer sehr beschränkten Bettenzahl. Bevor 1891 im Deutschen Reich die Invalidenversicherung eingeführt wurde, mussten alle Patientinnen und Patienten ihren Kuraufenthalt selbst bezahlen. Nur wohlhabende Personen konnten sich einen mehrwöchigen Aufenthalt unter ärztlicher Obhut leisten. Manchmal wurden Behandlungen auch Spendengeldern finanziert. Hier ist der Charakter eines Sanatoriums vorherrschend. Heilstätten gab es bis zu den ersten zu wohltätigen Zwecken gegründeten Anstalten nicht. Der Begriff „Volksheilstätte“ kam erst auf, nachdem zum 1. Januar 1891 für breite Bevölkerungsschichten ein umfassender Invalidenversicherungsschutz hergestellt worden war. Die Privatsanatorien blieben danach zunächst weiterhin bestehen und über deren Betten verfügten gelegentlich teilweise auch Versicherungsanstalten. Doch hauptsächlich kamen in die kleineren 304 86 Es gibt nur wenige Beispiele für kleine Einrichtungen für Tuberkulöse (Stand 1930) wie z.B. das Erholungsheim Innien (Kreis Rendsburg) für 52 weibliche Lungentuberkulöse, das Tuberkulosekrankenhaus Philippstift Immenhausen mit 56 Betten, das Erholungsheim Rodberg mit 44 Betten, die Tuberkuloseklinik Jena mit 50 Betten, das Genesungsheim Canzigsee für 65 Männer sowie einige kleinere Kinderheilstätten und Walderholungsstätten (z.B. die Heilstätte Waldfried in Angermünde mit 20 Betten oder die Kindererholungsheim des ev. Verbandes für weibliche Jugend Berlin-Dahlem für 45 Mädchen in Altenkirchen, Westerwald). Häuser nach wie vor selbstzahlende Privatleute. Ein weiteres Beispiel ist Sülzhayn im Südharz. Die im Volksmund auch „norddeutsches Davos“ genannte Ortschaft umfasste eine Vielzahl von Privatsanatorien mit einer Größe von unter 75 Betten. Für den Zeitraum der vorliegenden Untersuchung sind mindestens acht Privatsanatorien für Tuberkulöse überliefert.305 Nach den ersten Betriebsmonaten der Heilstätte Grabowsee (vgl. 3.2.3) im Jahre 1896 gelangten Fachvertreter zu der Auffassung, dass ein heilendes Klima offenbar nicht nur in den Gebirgen oder an der See vorherrsche, sondern eine erfolgreiche Behandlung ebenso gut im Flachland und sogar in der Nähe großer Städte möglich sei. Nach Bekanntwerden dieser Einschätzung gingen viele Ärzte dazu über, den Patientinnen und Patienten zu empfehlen, die erforderliche Kur in der Nähe ihres Heimatortes durchzuführen. Dies hatte aber nicht den gewünschten Effekt: Man fand heraus, dass nicht das Klima, sondern der Wechsel der Örtlichkeit und der Abstand zum gewohnten Umfeld sowie die „psychische Anregung durch neue landschaftliche Reize“ die Vorteile einer Heilstättenbehandlung ausmachten.306 Die so charakterisierbare „Reizbehandlung“, die in Heilstätten der Gebirgs- und Waldgebiete angeboten wurde, bildete zugleich den Hauptunterschied zu den Tuberkulose-Krankenhäusern, die - beginnend in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg - ebenfalls am Rande von Städten und „in landschaftlich schönen Lagen“307 entstanden, aber vor allem auf eine chirurgische Behandlung hin ausgerichtet waren. Manchmal wurde lediglich ein Umbau vorhandener Heilstätten in Tuberkulose-Krankenhäuser (etwa durch den Einbau von OP-Einrichtungen) vorgenommen, dies erwies sich aber als „recht kostspielig“ und gab „meist zu vielen Ärgernissen Anlaß“.308 Nach dem Ersten Weltkrieg baute man in der Regel multifunktional gestaltete Häuser: Die Gebäude wurden meist T-förmig mit einem nach Süden hin gelegenen Bettentrakt, jetzt aber auch mit einem von allen Zimmern aus gut erreichbaren OP-Bereich konzipiert. Im Vergleich zu früher fiel die Unterbringung des medizinischen und pflegerischen Personals nunmehr anspruchsvoller aus. Ursprünglich waren diese Kräfte in der Nähe der Patienten untergebracht. Als dann die Vermutung entstand, die benachbarte Unterbringung führe häufig zu Infektionen, ging man dazu über, für das medizinische Personal eigene Wohnungen in besonderen Häusern 305 vgl. u.a. Reinhard Glaß, Architekturwelt Sülzhayn, abgerufen unter: www.glass-portal.privat.tonline.de/suelzhayn/ index.htm am 17. Dezember 2013, so z.B. Sanatorium „Erholung“, Sanatorium „Glückauf“, Sanatorium „Hohenstein“, Sanatorium „Hohentanneck“, Sanatorium „Kurhaus“, Sanatorium „Sonnenfels“, „Dr. Steins Neues Sanatorium“, Sanatorium „Waldhaus“. 306 Rolf Griesbach, Die Tuberkulosebekämpfung, Stuttgart: Thieme 1948, S. 173 307 Ebd. 308 Ebd. 87 zu errichten.309 Einige Einrichtungen lagen direkt an Bahnhöfen, so etwa Beelitz, Albrechtshaus oder NiederSchreiberhau. Von Beelitz oder Nieder-Schreiberhau aus führten direkte Züge bis nach Berlin. Dieser Luxus blieb aber die Ausnahme. Die meisten Heilstätten lagen sehr abgelegen. Oftmals gab es einen Abholdienst vom Bahnhof (Kutsche oder Automobil). Meist mussten die Ankömmlinge aber lange Fußwege zurücklegen.310 Ein gewisses Problem bei der Suche nach einem geeigneten Standort für den Bau einer Heilstätte war die Nähe zu touristisch bedeutsamen Orten. Man befürchtete Einbußen bei den Übernachtungszahlen, wenn bekannt werden würde, dass sich eine Tuberkuloseheilstätte im Ort befände. Außerdem gab es häufig in der Bevölkerung aus Angst vor Ansteckung Vorbehalte gegen den Bau von Heilstätten. Auch das führte dazu, dass viele Heilstätten weit außerhalb von geschlossenen Ortschaften errichtet wurden. 3.1 Überblick über die preußischen Lungenheilstätten Um die Ausdehnung der preußischen Heilstättenbewegung einschätzen zu können, ist es erforderlich, zunächst die in Betracht kommenden Einrichtungen zu erfassen. Tabelle 13 erhält das Ergebnis der Recherchen. Berücksichtigt wurden darin das Eröffnungsjahr, der Träger, die Lage, die Größe und die Bettenzahl (i. d. R. Stand 1930311) sowie die heutige Nutzung. Aufgelistet sind alle preußischen Einrichtungen, die mindestens eine Kapazität von 75 Betten für erwachsene Lungentuberkulöse aufwiesen und vor 1933 gegründet wurden. Die Tabelle 14 gibt Auskunft über Heilstätten, die auf dem Gebiet von Nachbarstaaten an der Grenze zu Preußen lagen. In der Tabelle 15 finden sich jene preußische Heilstätten, die nur Kinder mit Lungentuberkulose aufnahmen und deshalb in den Kapiteln 3.2 – 3.5 nicht näher beschrieben wurden. Abbildung 2 lässt erkennen, in welchen Regionen die meisten Heilstätten und Sanatorien für Lungentuberkulöse errichtet wurden. Ausführliche Informationen sowie Bilder und Pläne finden sich im Heilstättenverzeichnis im Anhang. 309 Ebd., S. 174 Bromme, Aus dem Leben eines modernen Fabrikarbeiters, S.294f. 311 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 167f. 310 88 Eröffng Name Kapazität313 heutiger Zustand O 1907 Frauenwohl F 150 H SH B 1899 1900 1897 1931+ 1902 Andreasheim Glückauf Oderberg Gebh. Tönsheide Beelitz Belzig B 1900* Vereinsheilstätte MeschedeBeringhausen Berlin W 1904 B314 Berthelsdorf (Barcinek) Bornheim Breslau (Wrocław) Brilon-Wald Bromberg (Bydgoszcz) Clausthal-Zellerfeld S(N) 1906 1918 1893 1892 n.b.* 1877* Augusta-ViktoriaStift Waldhaus Buch Birkenhaag Blankenfelde Malchow Nordend Berthelsdorf F 85 F 130 M 165 M 120** M 480, F 420, K 15 M 67, F 67, K 42 M 176 Altbau für das Gesundheitswesen (Gw) in Betrieb Abgerissen Abgerissen Abgerissen, Neubau Leerstand Altbau in Betrieb Gw ¾ Leerstand / ¼ Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw R S(N) unbek. 1920+ Mariahilf Herrnprotsch W PW 1926315 1904 Johannesstift Mühlthal H Cottbus Essen-Werden Geesthacht B R SH 1898 1899 1900 1902 1899+ Gommern Görbersdorf (Sokołowsko) SA S(N) 1899 1863 1888 Erbprinzentanne Schwarzenbach Kolkwitz Holsterhausen EdmundsthalSiemerswalde Vogelsang Dr. Brehmer (1854) Dr. Weicker Goslar H 1875 1895 *Dr. Römpler Königsberg Greifenstein R 1899* Hannover H 1907+* Waldhof Elgershausen Heidehaus Hagen Hohenstein (Olsztynek) W O 1903 1903 Ambrock Hohenstein Heutiger Ortsname (ggfs. poln./russ.) Allenstein (Olszytn) St. Andreasberg Prv. Aukrug-Bargfeld Beelitz 312 Altbau in Betrieb Gw F 165, K 112 F 150 F 79* M 104 M 99, F 41 M 100, F 20 Leerstand abgerissen Altbau in Betrieb Wohnen Altbau in Betrieb Gw Geschlossen 1943 Leerstand F 102** M 78, F 112, K 10 F 122 F 135, K 20* abgerissen, Neubau Gw Nachnutzung Universitätscampus geplant Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw M 90 M 132 F 170 M 250 M 105, F 220, K 25 F 270 MF 370 M 210, F 250, K 20 MF 140 M 75 abgerissen, Neubau Leerstand abgerissen, Neubau Gw Leerstand, Nachnutzung geplant Abriss, Neubau Gw Altbau in Betrieb Gw MF 137 MF 222, K 36 M 150 M 126 Altbau in Betrieb Gw Leerstand, Nachnutzung geplant Altbau in Betrieb Wohnen Altbau in Betrieb Gw ¾ Leerstand, ¼ bei Brand 2009 zerstört Altbau in Betrieb Gw Einige Altbauten in Betrieb Gw 1990 abgerissen, Neubau Gw Altbau in Betrieb Gw 312 Abkürzung der Provinznamen: B – Brandenburg (und ab 1920 Groß-Berlinisches Gebiet), H – Provinz Hannover, HN – Preußische Provinz Hessen-Nassau, S(N) – Schlesien (1871-1918), Niederschlesien (1919 – 1933), S(O) – Schlesien (1871-1918), Oberschlesien (1919 – 1933), O – Ostpreußen, P – Pommern, PW –Provinz Posen bzw. Provinz Westpreußen (1871 – 1919), 1919-1939 polnisch oder zur Grenzmark Posen-Westpreußen, R – Rheinprovinz (bis 1920 inklusive Saargebiet), SA – Preußische Provinz Sachsen, SH – Schleswig-Holstein, W – Westfalen 313 Wenn nicht anders angegeben, dann: Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich (1930), S. 167f. 314 Die unter „Berlin“ aufgeführten Heilstätten liegen in erst seit 1920 zu Berlin gehörenden Ortsteilen, die vorher Dörfer und Gutsbezirke in der preußischen Provinz Brandenburg waren. 315 Internetseite der Klinik Brilon-Wald, abgerufen unter www.klinik-brilon-wald.de/?&cid=736&nid=3343 &nid2=3352 am 29. Januar 2013 89 Bad Honnef Jesteburg R H 1897 1914* Hohenhonnef Heidehaus M 200 F 124 Kaufungen HN 1900 Oberkaufungen Kelkheim/Taunus Königstein/Taunus Köslin-Rogzow (Koszalin) Kolberg (Kołobrzeg) HN HN P 1895 1875 1928+* Ruppertsthain Falkenstein Gollenwald M 113, F 97, K 40 M 119, F 69 M 114* M 33 F 40 P 1881 Siloah KremmenSommerfeld Landeshut (Kamienna Góra) B 1890 1914+* S(N) 1904 Bad Lippspringe W 1901* unbek. Kauffmann Waldhaus Charlottenburg Kaiserin-AugusteViktoria- / KaiserWilhelm- Heilstätte Augusta-Viktoria-S Grützemacher 1908 Marienstift Altbau in Betrieb Gw tlws. erhaltener Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Wohnen/Gw 1907 abgerissen, Neubau Hotel Altbau in Betrieb Gw MF 20-100, K 50 MF 250** M 178, F 124, K 40 F 222, K 300 1945 kriegszerstört Leerstand, Abriss gepl. unbekannt 1945 kriegszerstört Altbauten in Betrieb Gw Altbauten in Betrieb Gw Loslau (Wodzisław Śląski) Lostau Lüdenscheid Lychen Melsungen Meseritz316 (Międzyrzecz) Mölln S(O) 1898 Volksheilstätte F 275 M 155, F 180** MF 75, K 110 M 210*** SA W B HN PW 1902 1898 1902* 1904 1923 Lostau Hellersen Hohenlychen Stadtwald Obrawalde F 130, K 108 M 134 F 136, K 70 M 152 F 54, K 85 Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Leerstand, tlws. Wohnnutzung Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw SH 1920* M 116, F 87 Neubau Gw Mönchen-Gladbach R 1910 1908317 F 115, K 60 F 250 Altbau in Betrieb Gw abgerissen, Neubau Gw Müllrose Wiesbaden-Naurod B HN 1907* 1901* M 42, F 58 MF 97 Obernigk (Oborniki Śląskie) Obornik318 (Oborniki-Kowanówko) Oranienburg Plön Rathenow Bad Rehburg S(N) 1911* Bremische Heilstätte *Hehn *St. Franziskus Windberg Heilstätte der AOK Nassauische VereinsHst Waldsanatorium M 90, F 92 Altbau in Betrieb Gw Um 1980 abgerissen, Neubau Tagungszentrum Altbau in Betrieb Gw PW 1903 M 100**** Altbau in Betrieb Gw B SH B H Reichshof Bad Reinerz (Duszniki-Zdrój) Saarbrücken R S(N) 1896 1887 1900 1913* 1921 1913 1899* KronprinzWilhelm-Heilstätte Grabowsee Johanniter-Hst Stadtforst Kurhaus Lohr Liebrechtsborn Denklingen Dr. Schoen M 320 F 70, K 70 M 58, K 37 M 108 F 61, K 42 M 176 M 45, F 40 Leerstand Altbau in Betrieb (Verwaltung) Altbau in Betrieb Gw Leerstand Tlws. Neubau Gw Altbau in Betrieb Gw verm. Leerstand R319 1901* Sonnenberg M 70, F 56, K 61 Altbau in Betrieb Gw 316 Abriss, Neubau Gw Altbau in Betrieb Gw Von 1938-1945 gehörte Meseritz zur Provinz Brandenburg Internetseite der Kliniken Maria Hilf, abgerufen unter: www.mariahilf.de/Krankenhaus-St-Franziskus.htm am 29. Januar 2014 318 Obornik wurde zwischen 1943 und 1945 „Kiestal“ genannt und die Heilstätte sowie der unweit gelegene Ortsteil statt Kowanowko „Rundhausen“ 319 Von 1920-1935 zum Saargebiet gehörend 317 90 Schmiedeberg (Kowary) S(N) S(N) 1910* 1918 1902 1904 Schmiedeberg Buchwald Hohenwiese Moltkefels F 60-80 M 200 M 200-220 M 146 Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Schreiberhau (Szklarska Poręba) Slawentzitz (Sławięcice) Sorge StahnsdorfGüterfelde Sternberg/Nmrk. (Torzym) Stettin (Szczecin) Sülzhayn S(O) 1898* Slawentzitz M 70, F 20 Altbau tlws. in Betrieb Hotel SA B 1902* 1902 Johanniter-Hst Gütergotz F 130 M 98* Leerstand Altbau in Betrieb Wohnen B 1907* F 102 Altbau in Betrieb Gw P 1915 Heimstätte Schöneberg Hohenkrug M 85, F 85 Altbau in Betrieb Gw H O 1898 1914 1931+ KnappschaftsHst Hohenstein Stadtheide M 150 MF 95* MF 100** Leerstand Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Tilsit (Sowetsk/Советск) Trebschen (Trzebiechów) Treuenbrietzen Waldbreitbach Westerland Wuppertal Windeck Wülfrath B 1920 Vollmarstiftung M 95, F 15 Altbau in Betrieb Gw B R SH R R R 1927+* 1903 1903* 1902 1902* 1910320 Treuenbrietzen Waldbreitbach Genesungsheim Ronsdorf Rosbach/Sieg Aprath F 200, K 102 F 200 F 80 M 146 M 185 unbekannt Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Abgerissen, Neubau Gw Abgerissen, Neubau Gw Leerstand Umwandlung 1913 in eine Kinder-Hst (siehe dort), Leerstand, Brand 2014 Altbau in Betrieb Gw Bad Ziegenhals S(O) 1926+ Oberschles. HSt M 70, F 100, (Głuchołazy) K 30 TAB. 13: ÜBERBLICK ÜBER DIE PREUßISCHEN HEILSTÄTTEN (LEGENDE SIEHE TAB. 15) Adorf/V. Kgr. Sachsen 1906 Leipziger HSt M 94, K 60 Auerbach/V. Kgr. Sachsen Bad Berka BremenOberneuland Chemnitz Coswig/S. Jenkau Albertsberg Carolagrün Reiboldsgrün Sophienheilstätte Holdheim M 150 F 150, K 50 MF 255 M 198 K 250-350 1911 1920 1925 Borna Lindenhof Jenkau F 53, K72 MF 380 M 69, F 17 2013 abgerissen Altbau in Betrieb Gw unbekannt HamburgLangenhorn Harzgerode Marienberg Sachsen-W.-E. Hansestadt Bremen Kgr. Sachsen Kgr. Sachsen Freie Stadt Danzig F.u.Hansestadt Hamburg Anhalt Kgr. Sachsen 1897 1900 1873 1898 unbek. Altbauten tlws. Leerstand / abgerissen, Neubau Gw Leerstand Leerstand Leerstand Leerstand unbekannt 1918+ Staatskrankenanst Langenhorn Schielo Reitzenhain M 159 Altbau in Betrieb Gw M 160 M 40, F35 Neustadt/S. Oranienbaum Stiege Kgr. Sachsen Anhalt Braunschweig Altbau in Betrieb Gw Altbau vorhanden (zuletzt als Rathaus in Betrieb) Altbau in Betrieb Gw Altbau in Betrieb Gw Leerstand, Brand 2013 1905 1924 Hohwald M 240 Ki-Hst F 14, K 120 AlbrechtshausM 100, F 80, Marienheim K 16** TAB. 14: AUSGEWÄHLTE LUNGENHEILSTÄTTEN IN GEOGRAFISCHER NÄHE ZU PREUßEN 320 1905 1906 1897 André Winternitz, Internetseite zur Geschichte der Klinik Aprath, abgerufen unter: www.rottenplaces.de/rp/ page.php?modul=Article&op=read&nid=326&rub=7 am 20. Januar 2014. 91 Berlin DüsseldorfGrafenberg Ahrensburg B R 1919 1918-29321 Kinder-Hst Buch Waldesheim K 293 K 130322 SH 1900-3 Groß-Hansdorf K 176 Harzgerode Kolberg (Kołobrzeg) Anhalt P 1929 1903 K 120 K 250** P 1893 K 110** 1945 kriegszerstört Bad Kreuznach Bad Lippspringe R W Lochstädt Mammolshain MittelSchreiberhau Norderney Nordkirchen Sülzhayn O HN S 1889 1920 1908 unbek. 1927 unbek. Kinder-Hst Schülerbrink Wald-Hst Reinke Brandenburg. Seehospiz St. Elisabethstift Westfalia Cecilienstift Kinder-SeeHst Mammolshöhe Lenzheim 1958 abgerissen, Neubau Gw Leerstand Altbau in Betrieb Gw K 100 K 75 K 240 K 170-230 K 120 K 145-235 Leerstand Neubau Gw unbekannt Brand, Abriss unbekannt H W H 1886 1925 1925 K 280-350 K 200-260 K 150 Altbau tlws. in Betrieb Gw Altbau tlws. in Betrieb Gw Abriss Weilmünster HN 1924 Wittlich R 1902323 Seehospiz Ki-Hst Hamburgische KiHst Nassauisches KiSan Maria Grünewald Altbau in Betrieb Gw K 500-1500 K 128Altbau in Betrieb Gw 162** Wülfrath R 1910324 KiHst Aprath K 270 (bis Leerstand, Brand 2014 1913 MF) Wippra SA 1930 Mansfelder KiHst K 80 Leerstand TAB. 15: PREUßISCHE KINDERHEILSTÄTTEN (IN KAPITEL 3 NICHT NÄHER BESCHRIEBEN) Legende: *) Heilstätte wird 1930 nicht (mehr) von der Invalidenversicherung325 beworben. M = männliche Patienten, F = weibliche Patienten, MF = beide Geschlechter, K = Kinder.326 321 Das Stadtarchiv Düsseldorf (abgerufen unter: www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/chronik/ 1929.shtml am 29. Januar 2013) gibt zwar 1929 als Eröffnungsjahr an, aber Ferdinand Schellmann, Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (1925) gibt als Eröffnungsjahr 1909 als Naturerholungsheim an und die Umwandlung nach 1918 in eine Kinderheilstätte. 322 Hier widersprechen sich die Quellen: Helm geht nur von 56 Betten im Waldesheim aus, aber auch die Studie von Dr. Kurt Nüssel, Zur offenen Lungentuberkulose im Schulalter, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung, 73(5)/1930, 536-549, geht von 118 Patienten aus. 323 Nicht-bestätigte Quelle: Trierischer Volksfreund vom 22. Juli 2012, abgerufen unter: www.volksfreund.de/ nachrichten/region/wittlich/aktuell/ Heute-in-der-Wittlicher-Zeitung-Mehrere-Hundert-Besucher-beimGruenewaldfest;art8137,3197977 am 20. Januar 2014. 324 André Winternitz, Internetseite zur Geschichte der Klinik Aprath. Abgerufen unter: www.rottenplaces.de/rp/ page.php?modul=Article&op=read&nid=326&rub=7 am 20. Januar 2014. 325 Ständiger Ausschuß des Reichsverbands Deutscher Landesversicherungsanstalten (Hg.), Die Heilanstalten der Invalidenversicherung, Kassel 1930, S. IVf. 326 Die Angaben der vorstehenden Tab. 13-15 entstammen hauptsächlich den beiden Verzeichnissen aus dem Jahre 1930: Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 167f. und DZBKT, Verzeichnis der deutschen Einrichtungen für Tuberkulöse, S. 3f. Eine Ausnahme bilden die mit ** gekennzeichneten Angaben, die dem Band „Die Heilanstalten der Invalidenversicherung“ des Reichsverbands Deutscher Landesversicherungsanstalten, herausgegeben 1930, entnommen sind. Die mit *** markierten Daten entstammen dem Band Nietner (1912) und die mit **** gekennzeichneten Angaben der Zeitschrift Tuberkulose Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Heft 4, S. 110 92 ABB. 2: AUSSCHNITT AUS DER ÜBERSICHTSKARTE DER LUNGENHEILSTÄTTEN IM DEUTSCHEN REICH, STAND 1909 (RUNDE SCHWARZE PUNKTE KENNZEICHNEN BESTEHENDE EINRICHTUNGEN FÜR TUBERKULÖSE, MEIST HEILSTÄTTEN; NICHT AUSGEFÜLLTE KREISE WEISEN AUF BAUPROJEKTE FÜR LUNGENHEILSTÄTTEN UND DREIECKE AUF PRIVATE HEILANSTALTEN FÜR LUNGENKRANKE HIN). Quelle: Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 6, 1909 93 3.2 Die Lungenheilstätten in der Provinz Brandenburg Nur der westliche Teil der ehemaligen preußischen Provinz Brandenburg bildet das heutige deutsche Bundesland Brandenburg. Erst 1881 wurde Berlin ausgegliedert und zu einem provinzfreien selbstständigen Verwaltungsbezirk. Die im Stadtgebiet von Berlin gelegenen Anstalten werden deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt. Etwa ein Drittel der ehemaligen preußischen Provinz Brandenburg, die historische Region Neumark östlich von Oder und Neiße, gehört seit 1945 zu Polen, und zwar zur Wojewodschaft Lebuser Land (Lubuskie). Die in dieser Region entstandenen Heilstätten werden in den Kapiteln 3.2.10 und 3.2.11 beschrieben. Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 3: LAGE DER HEILSTÄTTEN IN BRANDENBURG 327 3.2.1 Beelitz-Heilstätten328 Die Landesversicherungsanstalt Berlin kaufte im Jahre 1898 ein 200 ha großes, im Waldgebiet „Zauche“ gelegenes Gelände. Die Zauche wurde zwischen 1837 und 1841 aufgeforstet, da auf dem sandigen Boden eine landwirtschaftliche Nutzung kaum in Betracht kam. Als Standort für den Bau der Heilstätten wählte man - verkehrsgünstig - den Kreuzungspunkt einer Landstraße 327 328 94 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar. Teile des Kapitels 3.2.1 werden auch im Buchband Andreas Jüttemann & Irene Krause „BeelitzHeilstätten“ (i.Dr., s. beigefügte Publikationsliste) erscheinen. mit der seit 1879 bestehenden Eisenbahnverbindung von Berlin nach Belzig. Die LVA beauftragte die Architekten Heino Schmieden und Julius Boethke mit der Planung einer Heilstätte und eines angrenzenden Sanatoriums für Erholungsbedürftige. Im Jahre 1902 war der erste Abschnitt (für die Aufnahme von männlichen Nicht-Tuberkulösen) fertiggestellt, die anderen Abteilungen (für Frauen und für männliche Tuberkulöse) folgten im gleichen Jahr. Die weiteren Bauabschnitte wurden unter der Leitung des Architekten Fritz Schulz ausgeführt. Die zweite Bauphase (1905-1908) umfasste die Errichtung je eines weiteren, größeren Pavillons für männliche und für weibliche Lungenkranke sowie zusätzliche Liegehallen und Bäderanlagen, eine Bäckerei, eine Fleischerei, ein Postamt und ein Ärztewohnhaus. Als „Pavillon“ wurde in Beelitz ein zentral gelegenes Gebäude mit einer großen Zahl von Betten (etwa 300) bezeichnet. In der dritten Bauperiode, zwischen 1926 und 1930, entstanden das Chirurgiegebäude und ein Wäscherei-Neubau. Das Gesamtgelände war insgesamt in vier Bereiche unterteilt. Die bauliche Struktur ergab sich sowohl durch die Eisenbahnstrecke, als auch durch die Landstraße. Nördlich der Eisenbahn wurde eine Lungenheilstätte, südlich davon ein LVA-eigenes Sanatorium für chronisch Kranke errichtet. Die Pavillons für die männlichen Patienten standen östlich, die für die weiblichen Kranken westlich der Straße. Beelitz war mit mehr als 1.200 Betten für Lungenkranke die mit Abstand größte Heilstätte im Deutschen Reich (die anderen Heilstätten hatten damals selten eine höhere Kapazität als 200 Betten).329 In den zwei- bis dreigeschossigen Heilstättengebäuden, die in Ost-West-Richtung entstanden, lag der Großteil der Krankenzimmer auf der Südseite. Spülküchen und Speisesäle waren in anbauartigen Seitenflügeln der Pavillons untergebracht.330 Folgende Gebäude befanden sich im Nordwestabschnitt (Bereich A, s. Abb. 4): • • • • • • • Pavillon für Frauen (A1), eröffnet 1902, seit 1994 leerstehend zweiter Pavillon für Frauen (A2), eröffnet 1907, 1945 ausgebrannt, seit 1994 leerstehend Tuberkulose-Krankenhaus („Chirurgie“, A3), erbaut 1928-1930, seit 1994 leerstehend Alte Wäscherei (A4), später Hörsaalgebäude und Diätküche, seit 1994 leerstehend Kochküche (A5) mit Vorratskeller und Trankanlage, seit 1994 leerstehend Liegehallen (A6), teilweise erhalten Pförtnerhaus (A7), heute Restaurant 329 Marie-Luise Buchinger und Torsten Volkmann, Denkmalwert. Heilstätten und Sanatorium. In: Marie-Luise Buchinger (Hg.), Die Beelitzer Heilstätten, Potsdam 1997, S. 47-50 330 Peter Lemburg und Torsten Volkmann, Die Beelitzer Heilstätten. Bauanlage und Architekten, In: Buchinger, Die Beelitzer Heilstätten, S. 10-27 95 • • eine Anstaltskirche (A8) für 200 Gläubige, abgerissen.331 Beamtenwohnhäuser entlang der Bahnstrecke (A9) A4 A5 B3 B2 B1 B5 A3 B4 A2 A7 B6 A6 Bhf. A1 A8 A9 C8 C7 D4 D2 C4 C6 C5 C3 D3 C1 D1 D5 C9 C2 E ABB. 4: KARTE DER BEELITZER HEILSTÄTTEN, STAND 2014 332 Im Nordostbereich (Bereich B) lagen folgende Gebäude: • Pavillon für Männer („Whitney-Houston-Haus“, B1), eröffnet 1902, seit 1994 leerstehend • zweiter Pavillon für Männer (B2), eröffnet 1907, heute Rehaklinik • Liege- und Wandelhallen (zwischen B1 und B2), tlws. erhalten • Desinfektion und Obduktionsgebäude (B3), heute „Landhotel Gustav“ 331 In ihren Räumen fanden sowohl protestantische als auch katholische Gottesdienste statt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche geringfügig in Mitleidenschaft gezogen und zu DDR-Zeiten kaum genutzt. Aufgrund ihrer Lage inmitten eines sowjetischen Militärareals entschieden sich die Behörden, vermutlich politisch motiviert, im Jahre 1970 zum Abriss der teilbeschädigten Kirche. Die Steine des alten Kirchenbaus wurden für den Bau einer Kegelbahn in der Stadt Beelitz verwendet. Aus: Klaus Teichert, Historische Bilder aus der Mark Brandenburg. Kirche in Beelitz-Heilstätten, BNN Ausgabe 31 (vom 10. Juni 1981), 134, S. 5 332 Legende: Die Buchstaben zum Gebäudezweck finden sich im vorstehenden Textabschnitt. Kartenhintergrund: MapBox Street. © OpenStreetMap contributors, Lizenzhinweise siehe am Ende der Arbeit 96 • • • • Wohnhaus für den Chefarzt der Lungenheilstätte (B4), heute Wohnhaus Haus für ledige Ärzte (B5), teilzerstört im Zweiten Weltkrieg, abgerissen Stallgebäude mit Feuerwehrdepot (B6), heute Übungszentrum der Kreisfeuerwehr Luftbad, Werkstättengebäude, Gärtnerei und Isolierbaracke, abgerissen Südlich der Eisenbahnstrecke lag das Sanatorium für nicht-ansteckende Kranke. Im südwestlichen Geländeteil befanden sich die Anlagen für weibliche Erholungsbedürftige und im südöstlichen Abschnitt die im Mai 1902 als erster Teil der Gesamtanlage eröffneten Gebäude des Sanatoriums für Männer (C1, Leerstand) sowie für alle Bereiche der Anlage wichtige Verwaltungs- und Infrastruktureinrichtungen: Das zentrale Badehaus für beide Geschlechter (C2, Leerstand), die Heilstättenverwaltung (C3, Leerstand), das Heizkraftwerk (C4, tlws. zu musealen Zwecken genutzt), die Bäckerei (C6, Leerstand), die Fleischerei (C6, Leerstand) und die erst im Jahre 1927 fertiggestellte zentrale Wäscherei (C6, Leerstand). Die Gebäude im Südostabschnitt wurden noch von den Architekten Schmieden und Boethke geplant, in den übrigen Arealen war bereits Fritz Schulz der federführende Planer.333 Im südöstlichen Areal befanden sich u.a. auch eine Kegelbahn, das Wohnhaus für den Chefarzt des Sanatoriums (C7), ein Wohnhaus mit Ladenzeile und Postamt (C8), ein Restaurant (C8) und das Bahnhofgebäude (erbaut bereits 1879). Alle genannten Gebäude stehen heute leer. Im Südwest-Quadranten lagen zwei kleinere Sanatoriumsbauten für Frauen (D1 und D2), ein als Kochküche genutztes Haus (D3), ein Luftbad, eine Liegehalle, ein Pförtnerhaus (D5), mehrere Beamtenwohnhäuser entlang der Bahnstrecke (D4) sowie die im Zweiten Weltkrieg errichtete Krankenhaus-Sonderanlage (E).334 Aufgrund der für die damalige Zeit üblichen Trennung der Klinikbereiche nach Geschlechtern wurde sogar zwischen den infrastrukturellen Einrichtungen „geschlechtsspezifisch“ differenziert: Nicht nur die Villen für die leitenden – damals ausnahmslos männlichen – Ärzte, sondern auch die Maschinenhäuser und Werkstätten (in denen nur Männer tätig waren) wurden auf dem östlichen Klinikgelände errichtet. Die Wasch- und Speiseküchen (in beiden Bereichen war hauptsächlich weibliches Personal beschäftigt) standen im westlichen Bereich. Erst in den Jahren 1928 bis 1930, als neue Gebäude hinzukamen, lockerte man die Geschlechterzuordnung der Anstaltsareale auf (z.B. mit dem Bau eines Chirurgiegebäudes). Die Geschlechtertrennung wurde in den Jahren zuvor auf dem nördlichen Heilstättenareal streng überwacht. Im südlichen Sanatoriumsareal war es hingegen bereits kurz nach Eröffnung der Heilstätten erlaubt, dass die 333 334 Lemburg und Volkmann, Die Beelitzer Heilstätten. Bauanlage und Architekten, S. 22f. Thomas Drachenberg, Wilfried Theile und Torsten Volkmann, Praktische Denkmalpflege. In: Buchinger, Die Beelitzer Heilstätten, S. 57-61 97 weiblichen Kurgäste die Badehäuser auf dem Gebiet des Männersanatoriums nutzten.335 Land- und viehwirtschaftlich genutzte Flächen lagen etwa 15 Kilometer entfernt in der Nähe der Orte Blankensee und Breite. Direkt östlich an das Gelände angrenzend gab es zur Anstalt gehörende Obstplantagen und Gemüsefelder sowie eine eigene Schweinemastanlage. Die Heilstätte konnte sich in einem erheblichen Ausmaß mit Lebensmitteln selbst versorgen und besaß auch eine eigene Fleischerei sowie eine Bäckerei. Für die Wärmeversorgung errichtete die LVA Berlin auf dem Heilstättengelände ein modernes Fernheizkraftwerk. Mit dem hier erzeugten Hochdruckdampf wurden zugleich Dynamos für die Stromerzeugung angetrieben. Das Beelitzer Kesselhaus war das eines der ersten Fernheizkraftwerke Deutschlands. Es wurde in den Folgejahren stetig erweitert und modernisiert.336 Im Jahre 1996 gründete sich ein Förderverein für den Erhalt des Heizkraftwerks zu musealen Zwecken. In den Jahren 2001/2002 konnten Teile der Anlage mit EU-Fördermitteln saniert werden.337 Eine Besonderheit der Pavillonbauten bestand in der technischen Ausrüstung. Es war gewährleistet, dass mindestens stündlich (in Patientenzimmern sogar noch öfter) ein kompletter Austausch der Luft durch die Fenster erfolgte. Ursprünglich waren auch spezielle unterirdische Lüftungsschächte gebaut worden, die sich aber nicht bewährten. In kleinen Lüftungshäuschen auf dem Anstaltsgelände sollte frische Waldluft in die Schächte geblasen, gefiltert, erwärmt und befeuchtet werden, bevor sie die Patientenzimmer erreichte. Jedem Patienten stand ein „Luftraum“ im Umfang von 38 cbm über seinem Bett zur Verfügung, mehr als in jedem anderen Sanatorium des Reiches.338 In den Jahren 1943 – 1944 erhielt der Architekt Egon Eiermann am südlichen Rand der Beelitzer Heilstätten ein Ausweichkrankenhaus für die im 20 Kilometer entfernten Potsdam bereits durch Bomben zerstörten Krankenhäuser zu errichten. Beelitz-Heilstätten lag mitten in den Brandenburgischen Kieferwäldern weitab von der bombengefährdeten Hauptstadt Berlin, sodass eine Zerstörung des neuen Ausweichkrankenhauses unwahrscheinlich erschien.339 Für Ausweichkrankenhäuser (vgl. Buchstabe „E“ in der Abb. 4) durften eigentlich keine kriegswichtigen Materialien benutzt werden, andere Anlagen wurden in Holzbauweise 335 Fritz Schulz, Die Heilstätten und das neue Tuberkulose-Krankenhaus in Beelitz. Köln: Bachem 1931 Heinz Glockhart, Erstes deutsches Fernheizwerk, BNN, 34/1984, 150, 27. Juni 1984, S. 3 und Angelika Stürmer, 80 Jahre gute Dienste und nun Schrott. Märkische Woche, Märkische Volksstimme vom 16. Mai 1990, S. 13 337 Matthias Grünzig; Beelitzer Heilstätten. Bauwelt, 47/2013, S. 6 338 Lemburg und Volkmann, Die Beelitzer Heilstätten. Bauanlage und Architekten, S. 16 339 Marcus Cante und Torsten Volkmann, Das Ausweichkrankenhaus. In: Buchinger, Die Beelitzer Heilstätten, S. 51f. 336 98 ausgeführt. Der für 500 Betten konzipierte Beelitzer Komplex wurde aber gemauert. Ob die Anlagen tatsächlich als Ausweichkrankenhaus genutzt wurden, oder nur zusätzliche Beelitzer Patienten aufnehmen sollte, ist umstritten. Diese „Sonderanlage“ war übrigens nach der sowjetischen Besetzung 1945 der einzige Teil der Beelitzer Heilstätten, der den Deutschen noch zur Verfügung stand. Hier befand sich bis 1996 eine Lungenklinik. Seit der 2014 abgeschlossenen Renovierung wird diese Einrichtung hauptsächlich als Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen und Parkinson genutzt. Außerdem befindet sich hier eine Akademie für Pflegeberufe. Nachnutzung als sowjetisches Militärhospital In der Schlacht um Berlin 1945 waren die Beelitzer Heilstätten hart umkämpft und mussten sogar zweimal von den Sowjets eingenommen werden. Bereits kurz nach der Kapitulation bezog die Rote Armee die teilzerstörten Heilstättengebäude, um hier ein zentrales sowjetisches Armeekrankenhaus einzurichten. Erster Krankenhauskommandant (und zugleich Chefarzt) wurde der Chirurg Goldberg. Er sprach nicht nur gut Deutsch, sondern engagierte sich auch für die Beelitzer Bevölkerung, indem er in dem neuen sowjetischen Krankenhaus viele Stellen für Deutsche schuf. Als der sowjetische Geheimdienst KGB an der Loyalität Goldbergs zur Roten Armee zu zweifeln begann, wurde er nach Moskau zurückberufen. Im Jahre 1956 sollten die Beelitzer Heilstätten den Deutschen zurückgegeben werden. Als aber, bedingt durch den Volksaufstand in Ungarn, die Sowjets auch in der DDR ihre Truppen verstärkten, wurde der Abzug widerrufen. Die ehemalige Heilstätte blieb Hauptkrankenhaus für alle schweren Krankheitsfälle in der Sowjetarmee. Den Pavillon des Männersanatoriums nutzten die Sowjets als Sanitäterschule. Das ehemalige Heilstättenverwaltungshaus diente als Stabsgebäude für die Offiziere. Im Frauensanatorium wurden Blutspendekonserven von Soldaten aus der gesamten DDR gelagert und verwaltet. Zum sowjetischen Krankenhausbereich hatten Deutsche keinen Zutritt. Nur im Heizkraftwerk, in der Bäckerei und in der Wäscherei waren Deutsche beschäftigt. Das Militärhospital Beelitz genoss in der Sowjetunion einen sehr guten Ruf. Erich Honecker und seine Ehefrau erhielten von April 1990 bis März 1991 Asyl im Haus des sowjetischen Militärkommandanten.340 1994 wurde das Krankenhaus von der Sowjetarmee 340 Ohne Autor, Die Beelitzer Heilstätten werden saniert: Ins Denkmal kehrt wieder Leben ein. Dtsch Arztebl, 93(5)/1995, A-266 / B-210 / C-198 99 geräumt.341 Es gab Pläne, ein deutsch-russisches Medizinzentrum für kriegs- und katastrophengeschädigte Kinder in Beelitz einzurichten, zumal viele russische Ärzte in Beelitz bleiben wollten. Das Vorhaben ließ sich aber nicht dauerhaft umsetzen, zeitweilig kamen jedoch (auch noch nach der Wende) strahlengeschädigte Kinder aus Tschernobyl zur Kur nach Beelitz.342 Spätere Nutzung Im Jahre 1992 wurden die Beelitzer Heilstätten an den einstigen Besitzer, die LVA Berlin, zurückgegeben. Nach der Räumung durch die Sowjetarmee 1994 wurde die Anlage unter Denkmalschutz gestellt. Die LVA verkaufte die Gebäude dann im Januar 1995 für zwei Millionen DM343 zu einem großen Teil an die Heidelberger Unternehmensgruppe Roland Ernst (die u.a. die Hacke’schen Höfe in Berlin sanierte und eine eigene Unternehmensstiftung für medizinische Forschungen unterhielt344) sowie zu einem anderen, kleineren Teil an die Anterra AG.345 Die neuen Eigentümer sicherten die Bauten und entwickelten weitreichende Verwendungspläne. Kliniken, Seniorenheime und Institutsgebäude sowie 800 bis 900 Wohnungen (zahlreiche neue Reihenhäuser und Villen) sollten entstehen und waren teilweise schon zum Jahresende 1998 bezugsfertig.346 Im Juli 1998 konnte bei elf von 70 geplanten Einfamilienhaus-Neubauten des „Beelitzer Waldviertels“ Richtfest gefeiert werden.347 Im Sommer 1998 wurde außerdem eine neurologische Rehabilitationsklinik mit 240 Betten in einem der beiden ehemaligen Pavillons für tuberkulöse Männer eröffnet.348 Im Südostbereich der Anlage, dem einstigen Sanatorium für nicht-tuberkulöse Männer, sollte das Zentrum des neuen Wohngebiets entstehen. Der Beginn der Bauarbeiten war für 1999 geplant. Doch das Projekt stockte. Die Unternehmenstochter Beelitz-Heilstätten GmbH & Co KG, die die Planung des Vorhabens betrieb, beauftragte am 7. März 2001 das Insolvenzfahren. Bis heute wurden 160 Millionen DM investiert, doch für die meisten – meist größeren Klinikgebäude – 341 Ohne Autor, Die Beelitzer Heilstätten. Journal am Wochenende. PNN vom 25. September 1993, S. 25 Herbert Kundler (1995): Beelitz-Heilstätten. Herausforderung und Chance. Landsicht, 4, o.S. 343 Ohne Autor (Kürzel „mr“), „Eine Milliarde DM für einen historischen Gesundheitspark“. Frankfurt Allgemeine Zeitung vom 19. August 1996, 192, S. 17. 344 Ohne Autor, Beelitz-Heilstätten. Tradition mit Zukunft. DFV-Familie, 2/1997, S. 12. 345 Ohne Autor, „Die Beelitzer Heilstätten werden saniert: Ins Denkmal kehrt wieder Leben ein“. Dtsch Arztebl, 93(5)/1996, A-266 / B-210 / C-198 346 Ohne Autor, Beelitz-Heilstätten. Wohnparkführer Berlin-Brandenburg, 4/1998 347 Jörg Michel, Aus den einstigen Heilstätten wird eine kleine Stadt. Berliner Zeitung vom 1. August 1998, S. 23 348 Sie gehört bis heute – neben den Pförtnerhäusern, der Desinfektion (die seit 1999 ein Hotel beherbergt) und Teilen des Heizkraftwerks- zu den wenigen sanierten und genutzten Teilen des Heilstättenkomplexes. Quelle: Gründliche Jungkur für die Beelitzer Lungenheilstätten. Berliner Zeitung vom 10. Februar 1995, S. 27 (Autor „kbr“) und „Neue Klinik“ im Berliner Kurier vom 13. Juni 1998, S. 18 342 100 konnten keine Käufer gefunden werden. Deshalb unterblieb auch die Sanierung.349 Im Januar 2003 wurde im Nordostbereich der ehemaligen Heilstätten ein Zentrum für Feuerwerktechnik neu errichtet. 350. Seit 2008 ist ein Potsdamer Architekt und Projektentwickler Eigentümer der Anlage.351 Viele Ideen und Ansätze gab es seitdem, um den verlassenen Beelitzer Heilstätten neues Leben einzuhauchen. Davon wurde bis heute jedoch kaum etwas realisiert. Gegenwärtig werden Investoren für eine denkmalgerechte Nutzung gesucht. Dabei soll an die Pläne der Entwicklungsgesellschaft von Roland Ernst angeknüpft werden.352 Regelmäßig finden historische Führungen durch die Beelitzer Heilstätten statt. Für das Jahr 2015 ist der Aufbau eines „Baumwipfelpfades“ durch den Bereich der ehemaligen Frauenheilstätte geplant.353 3.2.2 Kolkwitz, Cottbus Im Jahre 1898 schenkte die Stadt Cottbus der Landesversicherungsanstalt Brandenburg den „Forstjagen 30“, eine Waldfläche mit einer Größe von mehr als zwölf Hektar. Das Gelände liegt zwischen dem heute zur Stadt Cottbus gehörenden, ehemals eigenständigen Dorf Kolkwitz und dem Putgollafenn, einem Teich- und Sumpfgebiet. Wegen der Gefahr aufsteigender Nebel, die, wie es hieß, die „Luftgüte“ beeinträchtigen könnten, wurde die Heilstätte 500 Meter vom Sumpfgebiet entfernt errichtet. Das fast 300 Meter breite Grundstück war mit Kiefern bewaldet. Das Hauptgebäude wurde in Ost-West-Richtung erbaut, sodass die Patientenzimmer nach Süden ausgerichtet und vor den hier häufig vorkommenden Nordost- und Westwinden geschützt waren. Die Abschirmung der kranken Patienten vor Wind (dem man einen negativen Einfluss auf den Genesungsprozess zuschrieb) war dafür maßgebend, dass das dreigeschossige Hauptgebäude mit drei Flügelteilen geplant wurde: einem Mittelflügel mit zwei Türmen an den Übergängen zu den beiden Seitenflügeln. 354 Der Grundstein wurde am 2. August 1898 gelegt. Wegen des harten Winters, der bis Mai 1899 angedauert haben soll, verzögerten sich die Arbeiten. Der Bauentwurf stammte von Theodor 349 Hiltrud Müller, Privat-Uni für Brandenburg Um den College Park von Beelitz-Heilstätten wird zäh gepokert. Märkische Allgemeine Zeitung vom 10. Oktober 2001 350 Ohne Autor, Statt Spritzenhaus Zentrum für Feuerwehrtechnik. Berliner Morgenpost vom 24. Januar 2003 351 Ohne Autor, Knuth macht Druck. Märkische Allgemeine vom 17. Juni 2010 352 Stefan Strauß, Morbide Sommerfrische. Berliner Zeitung vom 3. August 2014. 353 Jens Steglitz, Baumwipfelpfad kommt nun doch. Märkische Allgemeine vom 18. Januar 2015 354 Theodor Goecke, Die Lungenheilstätte der Landes-Versicherungs-Anstalt „Brandenburg“ in der Cottbuser Stadtforst bei Kolkwitz, in ihrer baulichen Anlage und Einrichtung beschrieben von ihrem Architekten Theodor Goecke; 1900. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep 1. Allg. Abt. 774 101 Goecke aus Berlin, die Bauleitung vor Ort hatten die Architekten Cordier und Meyer (Vornamen unbekannt) inne. Die Parkanlagen wurden vom Direktor des Branitzer Schlossgartens, Georg Bleyer (1837-1915), gestaltet. An den Bauarbeiten wirkten Häftlinge aus Cottbusser Gefängnissen mit. Insgesamt betrugen die Baukosten der Anstalt mehr als 550.000 Reichsmark. Das Hauptgebäude samt Seitenflügeln hatte insgesamt eine Grundfläche von nahezu 1300 Quadratmetern. Für die bei der LVA versicherten Patientinnen gab es Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer sowie große Schlafsäle. Einzelzimmer standen Selbstzahlern zur Verfügung.355 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 5: LAGE DER HEILSTÄTTE KOLKWITZ 356 In einem Vorbau waren sowohl die Kapelle als auch der Speisesaal untergebracht. In einem Nebengebäude befanden sich Angestelltenwohnungen. Die im ersten Stockwerk gelegene Wohnung des Inspektors verfügte über einen „Auslug“, durch den das Geschehen auf dem Anstaltsgelände kontrolliert werden konnte. 355 Goecke, Die Lungenheilstätte der Landes-Versicherungs-Anstalt „Brandenburg“ in der Cottbuser Stadtforst bei Kolkwitz, S. 4 356 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_4251_2400, 1940 102 Ein Kesselhaus sowie verschiedene hauswirtschaftliche Einrichtungen lagen östlich des Klinikgebäudes, damit der überwiegende Westwind keine Abgase in Richtung Klinik wehen konnte. Es bestand sogar ein Abkommen mit einer Bergbaugesellschaft, im Umkreis von fünf Kilometern keine „Brikettfabriken“ zu errichten, um eine Staubbelastung des Klinikareals zu vermeiden. 357 Im Anstaltspark wurde „in Ermangelung nahe gelegener Wasserflächen“ ein Springbrunnen angelegt.358 Die Wege erhielten einen künstlichen Anstieg, um „den Kranken Gelegenheit zur Regelung der Herzthätigkeit“ zu bieten.359 Der Chefarzt (zu dieser Zeit war das Dr. Fritz Junker) wurde im Ersten Weltkrieg zum Wehrdienst einberufen und die Heilstätte musste metallische Gegenstände, wie z.B. die Bronzeglocke der Anstaltskapelle, zur Einschmelzung für die Waffenproduktion abgeben. In den wirtschaftlich schwierigen 1920er Jahren hatte die Kolkwitzer Heilstätte, ebenso wie andere preußische Anstalten, mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Von Oktober 1923 bis zum Sommer 1924 wurde der Betrieb inflationsbedingt zeitweilig ganz eingestellt. Erst 1927 konnten notwendig gewordene Umbauten an der Heilstätte durchgeführt werden. Erweiterungsbauten der frühen 1930er Jahre erlaubten eine Steigerung der Aufnahmekapazität auf 210 Patienten.360 Spätere Nutzung Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude der Kolkwitzer Heilstätte weiter zur Behandlung Tuberkulosekranker genutzt. Aufgrund kriegsbedingter Kapazitätsengpässe mussten zwischen 1945 und 1946 auch nicht-lungenkranke Patienten des zerstörten Städtischen Krankenhauses Cottbus aufgenommen werden. Ab Sommer 1946 waren es wieder ausschließlich Tuberkulosekranke, und zwar nunmehr sowohl Frauen als auch Männer. Im Jahre 1947 wurde, nach dem Tode des Chefarztes Dr. Michel, das Direktorenwohnhaus in eine Heilstätte für 38 Kinder umgebaut. Nach 1950 standen, nach weiteren Ausbauten, bis zu 300 belegbare Betten für Tuberkulöse zur Verfügung. Ab 1953 firmierte die Heilstätte, die nun auch eine chirurgische Abteilung unterhielt, unter dem Namen „Bezirkskrankenhaus für Lungenkrankheiten“. Das einstige Wirtschaftsgebäude wurde nach 1964 als „Zentrallabor für Lungenkrankheiten“ 357 Goecke, Die Lungenheilstätte der Landes-Versicherungs-Anstalt „Brandenburg“ in der Cottbuser Stadtforst bei Kolkwitz, S. 16 358 Ebd., S. 2 359 Ebd., S. 4 360 Wolfgang Lehnigk, Historischer Rückblick aus der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen; 1997. Abgerufen unter: www.kolkwitz.com/html/geschichte.html am 17. Juli 2008 103 genutzt.361 Da Tuberkuloseerkrankungen im Cottbusser Raum rückläufig waren, wurde die Klinik 1972 in eine orthopädische Rehaeinrichtung für Schlaganfallpatienten umgewandelt und in das Bezirkskrankenhaus Cottbus eingegliedert. Aber auch eine gynäkologische, eine neurologische und eine dermatologische Abteilung gab es zeitweise in Kolkwitz. Das Hauptgebäude wurde im April 1986 unter Denkmalschutz gestellt. Nach 1990 kam die Anstalt in den Besitz der LVA Brandenburg, die sie 1995 an einen privaten Investor veräußerte, welcher allerdings kurze Zeit später Insolvenz anmelden musste. Bis zur Eröffnung des neuen Carl-Thiem-Klinikums Cottbus im Dezember 2007 wurde die Anlage noch von der Nachfolgeinstitution des Cottbusser Bezirkskrankenhauses medizinisch genutzt.362 Projekte in jüngerer Zeit zielten darauf ab, das Hauptgebäude zu erhalten und einen Teil des Anstaltsparks in ein Wohn-Neubaugebiet („Dolce-Vita-Park“) umzuwandeln. Einige Nebengebäude wurden von einer Vermögensverwaltung, der das Gelände derzeit gehört, als Wohnhäuser ausgebaut.363 Das Hauptgebäude erhielt (Stand: November 2013) den Namen „Goecke Village Park“, und zwar in Erinnerung an den Architekten der einstigen Lungenheilstätte: Theodor Goecke.364 3.2.3 Grabowsee, Oranienburg Die Heilstätte Grabowsee war eine Versuchseinrichtung. Sie wurde im Frühjahr 1896 als erste im Flachland gelegene Tuberkuloseanstalt errichtet. Es sollte nachgewiesen werden, dass im ebenen Gelände dieselben Behandlungserfolge erzielt werden konnten wie in den Mittelgebirgen Preußens oder in den Alpen.365 Zugleich war Grabowsee die erste Volksheilstätte, die das Rote Kreuz als Bauherr eröffnete. Da sich die Vereinsleitung nicht sicher war, ob ihr Vorhaben gelingen würde, wurden zunächst nur 27 Döcker’sche Baracken als Provisorium direkt am Grabowsee im Wald nördlich der Stadt Oranienburg aufgestellt. Lediglich zwei Gebäude entstanden - nach Plänen des Geheimen 361 Ebd. Ebd. 363 Annett Igel, Kolkwitz. Neue Hoffnung für das Kolkwitzer Klinikum. Lausitzer Rundschau vom 24. März 2012. Abgerufen unter www.lr-online.de/regionen/cottbus/Neue-Hoffnung-fuer-das-Kolkwitzer-Klinikum;art1049, 3733373 am 2. November 2013 364 Internetseite „Goecke Villagepark“ der AIVV, abgerufen unter www.goecke-villagepark.de am 2. November 2013 365 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. 5/1906, S. 68 362 104 Oberbaurats Eggert aus Berlin - in massiver Bauweise: ein Krankenpavillon und ein Verwaltungsgebäude mit Wirtschafts- und Badeeinrichtungen.366 Bereits das erste Betriebsjahr lieferte die erhofften Ergebnisse. Es gelang der Nachweis, dass in ebenen Regionen die gleichen Behandlungserfolge zu erzielen waren wie im Gebirge. Daraufhin wurden ab 1897 mit Spendengeldern weitere Bauten nach Entwürfen der Architekten Schmieden und Boethke auf dem Gelände errichtet.367 Für den Bau einer Anstaltskirche lieferte der Berliner Architekt Adolf die Pläne.368 Die Anstalt umfasste zu Beginn des Ersten Weltkriegs insgesamt eine Geländefläche von etwa 23 Hektar. 189 männliche Patienten konnten aufgenommen werden. Im Jahre 1912 war eine Belegung mit 201 Kranken möglich. Es gab Zweibettzimmer (13), Dreibettzimmer (4), Vierbettzimmer (20) und Schlafsäle (13) für fünf bis neun Personen. Liegehallen für jeweils 20 Patienten standen im Anstaltspark zur Verfügung. Mehrheitlich kamen die Patienten aus „dem Arbeiterstande“369 und waren Versicherte der LVA Brandenburg. Die LVA übernahm vier Mark täglich pro Patient an Kurkosten. 20 Betten wurden von Selbstzahlern belegt. Besonders hilfsbedürftige Kranke unterstützte der Volksheilstättenverein mit bis zu 7000 Mark pro Jahr. Die personelle Ausstattung war sehr vielfältig: Neben einem Chefarzt, zwei „Abteilungsärzten“ und einem Medizinalpraktikanten waren kurz vor dem Ersten Weltkrieg vier Schwestern, zwei Bademeister (einer davon war außerdem „Barbier“), ein Oberinspektor, ein Verwalter, ein Buchhalter, ein Bürogehilfe, ein Maschinenmeister, zwei Heizer, ein „Rieselfeldwärter“, ein Parkarbeiter, ein Gärtner, ein Kutscher, ein Nachtwächter, sechs Hausdiener (Reinigungskräfte sowie Hof- und Gartenhilfen), ein Tischler, ein Maler, eine Köchin, neun Küchenmädchen, vier Zimmermädchen, eine Oberwäscherin, zwei Waschmädchen und eine Näherin beschäftigt.370 Grundlage der Behandlung in Grabowsee war die hygienisch-diätetische Kur nach Brehmer, kombiniert mit einer sechsstündigen Liegekur täglich nach Dettweiler. Die Liegekur wurde im Laufe der Jahre zugunsten einer „Beschäftigungskur“ (leichte Arbeiten im Walde) verkürzt. Zusätzlich gab es Wasser- und Saunabehandlungen (kalte, wechselwarme und warme Duschen, Abreibungen mit verdünntem Alkohol oder Salzwasser, Tretbad und Dampfdusche). Die 366 Schultes, Die Lungenheilstätte Grabowsee bei Oranienburg, in: Kalender für den Kreis Niederbarnim 1930, S. 69 Schultes, Volksheilstätte vom Roten Kreuz Grabowsee bei Oranienburg, In: Johannes Nietner (Hrsg.), Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, Halle a. S.: Marhold, 1913, S. 10f. 368 Ebd., S. 13 369 Ebd., S. 12 370 Ebd., S. 13 367 105 Kranken konnten zudem unter Aufsicht eines Badewärters ein Luftbad genießen, für das eigens eine 420 m² große „Luftbadeanstalt“ errichtet worden war. Weitere Therapiemethoden waren die Tuberkulininjektion, die „Kuhn’sche Maske“371, Atemgymnastik sowie die Gabe von Medikamenten gegen Hustenreiz. Im Durchschnitt dauerte die Kur 72 Tage.372 Im Ersten Weltkrieg wurde die Heilstätte in ein Vereinslazarett des Roten Kreuzes umgewandelt und konnte 120 lungenkranke Soldaten aufnehmen.373 Nach dem Ersten Weltkrieg gelangte der Volksheilstättenverein des Roten Kreuzes in wirtschaftliche Schwierigkeiten und bot die Anstalt Interessenten zum Kauf an. Am 1. Juni 1920 ging die Heilstätte Grabowsee in den Besitz der LVA Brandenburg über, die bereits vor dem Krieg ihre Versicherten in die Anstalt entsandt hatte. Der Verkauf beendete aber nicht die finanzielle Not. Inflationsbedingt musste die Heilanstalt zwischen November 1923 und April 1924 sogar schließen, obwohl wegen der prekären Nachkriegsverhältnisse mehr Tuberkulosekranke in die Heilstätten drängten. Nach der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung ließ die LVA ab 1926 die Anstalt umbauen und vergrößern. Der Architekt und Regierungsbaumeister Arnold Beschoren wurde damit beauftragt, das Gelände gänzlich umzugestalten. Die LVA wandelte gleichzeitig die Ausrichtung der Klinik von einer Lungen-„Heilstätte“ in eine Tuberkulose-Fachklinik um, sodass auch Schwerkranke Aufnahme finden konnten.374 „Hierzu ist es notwendig, auch in baulicher Hinsicht den Kranken Hoffnungsfreudigkeit und heimisches Wohlbehagen zu vermitteln, stets unter Anpassung an die verfügbaren, knappen Geldmittel und ohne Verwöhnung der aus bescheidenen Lebensverhältnissen stammenden Sozialversicherten“375 Auch die Architektur der Neubauten sollte einen positiven Einfluss auf die Psyche der Patienten ausüben. Der Architekt Beschoren beschreibt seinen Entwurf in dieser Hinsicht als gesundheitsfördernd: „Grundriß und Aufbau ist übersichtlich angeordnet, in Farbe und Zeichnung gemeinsam mit einer Kunstform, die sich dem Landschaftsbild des Waldparks um den verträumten Grabowsee einfügt, die sich von der überwundenen Furcht vor dem Bazillus fernhält und das Vertrauen zur Sonne als Lebenbringerin und Lebenerhalterin bekundet, und die jede 371 Siegfried Brotzen schriebt über die Kuhn’sche Maske: „Im Juni 1906 hielt der Stabsarzt Dr. Ernst Kuhn im Verein für innere Medizin zu Berlin einen Vortrag, in dem er eine von ihm erfundene Saugmaske erläuterte, die den Zweck haben sollte, eine Stauungshyperämie in den Lungen hervorzurufen, um dadurch ein Hauptunterstützungsmittel im Kampfe gegen die Lungentuberkulose zu werden.“ Quelle: Brontzen, Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 1912, abgerufen unter: download.springer.com/static/pdf/241/art%253A10.1007% 252FBF01866925.pdf am 27. August 2014. 372 Schultes, Volksheilstätte vom Roten Kreuz Grabowsee bei Oranienburg, S. 15 373 Schultes, Die Lungenheilstätte Grabowsee bei Oranienburg, S. 71 374 Ebd., S. 71 375 Arnold Beschoren, Lungenheilstätte Grabowsee der Landesversicherungsanstalt Brandenburg, Bauwelt Zeitschrift für das gesamte Bauwesen, 20/1929, S.1 106 künstlerische Unwahrheit vermeidet.“376 Beim Um- und Ausbau der Anstalt wurden viele technische Neuerungen installiert, so z.B. Kühlanlagen, Aufzüge, Haustelefone, Rundfunkempfänger und sogar eine kleine elektrische Untergrund-Güterbahn, die die Speisen von der Küche im Verwaltungsgebäude quer unter dem Hof der Anlage hindurch zum Speisesaal im Südgebäude beförderte. Im Sommer 1929 waren die Arbeiten noch nicht beendet, als die ersten Neubauten bereits eröffnet waren. Es konnten nun 321 Tuberkulöse in Grabowsee aufgenommen werden. Angestrebt waren 400-420 Betten.377 Untypisch für preußische Lungenheilstätten war die Gruppierung der Gebäude um einen riesigen rechteckigen Innenhof mit einer Fläche von anderthalb Hektar herum.378 Weiterhin wurde ein Behandlungsgebäude errichtet, in dem sich mehrere Untersuchungs- und Behandlungszimmer, ein aseptischer Operationssaal und verschiedene Laboratorien befanden. Im Keller waren „Leichenkammern“379 eingerichtet. Das Südgebäude, das 1927 eröffnet wurde, bestand aus Patientenzimmern mit insgesamt 150 Betten (Ein-, Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer) und zwei Aufenthaltsräumen. Einer davon wurde als „Tageshalle“ bezeichnet und auch für Kinovorführungen genutzt. Auf jeder Etage gab es kleinere Speiseräume und Küchen sowie Personalunterkünfte für bis zu 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.380 Im sog. Aufnahmegebäude, welches ein Jahr später hinzukam, wurden die Patienten zunächst stationär beobachtet. Das „Hans-Böhm-Gebäude“ stellte eine Besonderheit dar: Es wurde 1928 – benannt nach einem Spender – als Aufbau auf einem einstöckigen Pavillon aus der Anfangszeit der Heilstätte errichtet. An den unterschiedlichen Fenstern erkennt man die verschiedenen Entstehungsjahre der einzelnen Stockwerke. In diesem Haus gab es Betten für 72 Patienten.381 Ein weiterer Ausbau eines vorhandenen Gebäudes aus der Gründungszeit ist das sog. Mittelgebäude, in dem sich nach dem Umbau Behandlungseinrichtungen (Inhalationsräume, Badeanstalt) befanden. Das ebenfalls aus dem Jahr 1900 stammende Hauptgebäude wurde 1930 großzügig umgebaut 376 Ebd., S. 1f. Schultes, Die Lungenheilstätte Grabowsee bei Oranienburg, S. 72 378 Beschoren, Lungenheilstätte Grabowsee der Landesversicherungsanstalt Brandenburg, S. 8 379 Ein elektrischer Sargaufzug, der vom Ingenieur Paul Marcus konstruiert wurde, beförderte die Särge aus dem Keller nach draußen, um die Leichen „unbeobachtet schnell waagerecht emporzufördern“ und sie anschließend in der Kapelle aufzubahren. 380 Beschoren, Lungenheilstätte Grabowsee der Landesversicherungsanstalt Brandenburg, S. 12 381 Ebd., S. 4 377 107 und diente der Unterbringung weiterer Patienten.382 Hier befanden sich der Haupteingang zur Heilstätte und ein großer Saal, der als Speisesaal für 300 Patienten oder als Festsaal für 500 Besucher bestuhlt werden konnte. Im ersten Obergeschoss gab es zugleich ein Mitarbeiterkasino „für oberes und mittleres Anstaltspersonal“383. Der Architekt Beschoren berichtet über den Eingangsbereich, dass dieser bewusst nicht krankenhausartig gestaltet worden sei, „um die Kranken auf diesem ihrem ersten Gang hoffnungsfreudig zu stimmen.“384 Der Bildhauer Hans Lehmann-Borges (Mitglied im Deutschen Werkbund) aus dem Künstlerdorf Gildenhall385 schuf über dem Portikus eine Bauplastik-Figur und verzierte Sitzbänke in den Verbindungsgängen. Die Plastiken entstanden in Zusammenarbeit mit Richard Mutz, der auch für die Zimmerausstattungen verantwortlich war.386 Der ebenfalls aus Gildenhall stammende Kunstschmied Professor Siegfried Prütz gestaltete die schmiedeeisernen Türgitter des Verwaltungs- und des Aufnahmegebäudes. Die Gitter geben den Sinnspruch der Heilstätte wieder: „Wasser, Luft, Sonnenschein – drei gute Arzneien“. Viele Möbel wurden in einer ebenfalls in Gildenhall beheimateten Drechslerei angefertigt. Eberhard Schrammen aus Gildenhall kreierte die hölzernen, zum Teil mit Blattsilber verzierten Deckenleuchten in den Aufenthaltsräumen (Schrammen erhielt auch einen Auftrag für die Lampengestaltung in der Heilstätte Kolkwitz). Die Innenausstattung und Fassadengestaltung der Heilstätte Grabowsee gehörten zu den insgesamt größten Aufträgen für die Kunsthandwerker aus Gildenhall. In ihren Arbeiten nahmen sie stets Bezug auf den Ort und den Auftraggeber: „Über der Tür thront Asklepios, der, in seiner rechten Hand den Stab haltend, die andere Hand einem links von ihm knieenden nackten Jüngling auf den Rücken legt. Damit symbolisiert Lehmann-Borges die zeittypische paternalistische Auffassung von Krankenpflege: Der Kranke als Empfangender, Asklepios – die Landesversicherungsanstalt – als Gebender.“387 Zwischen den einzelnen Heilstättengebäuden gab es Verbindungsgänge. Die Gestaltung hierfür übernahm der Bildhauer Lehmann-Borge. Bronzestatuen und Wandfriese (u.a. auch im Totenraum, in dem Angehörige von den Gestorbenen Abschied nehmen konnten) wurden vom 382 Schultes, Die Lungenheilstätte Grabowsee bei Oranienburg, S. 72 Beschoren, Lungenheilstätte Grabowsee der Landesversicherungsanstalt Brandenburg, S. 5 384 Ebd., S. 6 385 Gildenhall war der Name einer 1921 gegründeten sog. Landreformersiedlung in Neuruppin, in der sich in den 1920er Jahren viele bekannte Kunsthandwerker aus Berlin ansiedelten. Ziel der Siedler war es, Handwerkskunst einer zunehmenden Industrialisierung entgegenzusetzen. Die Bewegung löste sich spätestens während der Weltwirtschaftskrise 1929 auf. 386 Kristina Bake, Die Freiland-Siedlung Gildenhall, Europäische Hochschulschriften Kunstgeschichte, Band 384, Frankfurt/Main 2001, S. 79 387 Ebd., S. 79 383 108 Bildhauer Otto Maerker aus Berlin angefertigt.388 Die Liegehallen waren reetgedeckt (Schilfrohrdach) und mit Rundfunkgeräten ausgestattet. „Rundfunkempfangsanlagen schaffen den Kranken die als Heilfaktor nötige Ruhe, weil jede Unterhaltung verstummt, sobald die Lautsprecher angestellt werden“, hieß es.389 In der ganzen Heilstätte gab es 80-100 Lautsprecher und 1500 Kopfhörer für den Radioempfang. Freizeiteinrichtungen waren eine Bibliothek, Zimmer für Gesellschaftsspiele und Billard, eine Kegelbahn, Räume für Bastelarbeiten (Flechten, Buchbinderei) sowie ein Fotolabor. In den Wintermonaten wurden Konzerte, Vorträge und Theateraufführungen angeboten. Im Jahre 1929 waren in Grabowsee neben einem Chefarzt, einem Oberarzt und fünf Assistenzärzten 16 Krankenschwestern, etwa 50 weibliche Küchen- und Wäschereikräfte sowie 30 männliche Mitarbeiter beschäftigt.390 Spätere Nutzung Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Rote Armee die Anlage und richtete hier ein Militärkrankenhaus ein. Die meisten nach Grabowsee kommenden Patienten waren wieder Lungenkranke. Nach dem Abzug der russischen Armee wurde die Klinik 1993 geschlossen und das Gelände an einen privaten Investor verkauft, der mit seinen Umbauplänen (zu Wohn- und Tourismuszwecken) erfolglos blieb. Auch ein zweites Umbaukonzept scheiterte. Die Anlage wurde durch den Leerstand und die einsetzenden Metalldiebstähle in den letzten Jahren stark in Mitleidenschaft gezogen. Seit einigen Jahren hat ein Verein das Gelände gepachtet und plant für 2017 die Einrichtung einer internationalen Kinder- und Jugendakademie mit dem Namen „Kids Globe“. Der Verein verfügt aber über keine nennenswerten finanziellen Mittel und hofft auf einen Unterstützer.391 Sein Gründer lebt auf dem Gelände und richtet dort gelegentlich Kulturund Freizeitveranstaltungen aus. 3.2.4 Hohenlychen Im Jahre 1902 eröffnete der Volksheilstättenverein des Roten Kreuzes, der bereits die Heilstätte Grabowsee betrieb, die Hohenlychener Heilanstalten. Die Lage hatte Professor Dr. Gotthold Pannwitz ausgewählt, der auch bei der Suche des Standorts der Heilstätte Grabowsee mitgewirkt 388 Beschoren, Lungenheilstätte Grabowsee der Landesversicherungsanstalt Brandenburg, S. 10 Ebd., S. 9 390 Schultes, Die Lungenheilstätte Grabowsee bei Oranienburg, S. 73f. 391 Internetseite des Vereins KidsGlobe, abgerufen unter www.kidsglobe.org/wcms/index.php?geschichte am 10. März 2013 und am 12. März 2015. 389 109 hatte. In Lychen war Pannwitz aufgewachsen und wollte anderen Kindern eine ebenso schöne Zeit am Zenssee bereiten, wie er sie als Kind erleben durfte.392 In Hohenlychen bestanden seiner Meinung nach ideale Bedingungen für den Bau einer Tuberkuloseheilstätte: Die Hügel rund um Lychen waren von einem Mischwald bestanden, es regnete selten und die Wasseroberfläche des Zenssees strahlte die Sonne zurück.393 Kurz zuvor hatte Kaiserin Auguste Viktoria dem Zentralkomitee des Roten Kreuzes vorgeschlagen, im Hinblick auf den Bau von Heilstätten nicht mehr nur einseitig männliche Patienten, sondern auch Frauen und Kinder zu berücksichtigen. Das Komitee griff die Anregung auf und forcierte den Bau einer Heilstätte für Mädchen und Jungen in Hohenlychen. Pannwitz wollte damit zugleich eine Musteranstalt für weitere Projekte schaffen.394 Die Stadt Lychen stellte einen Hektar Baugrundstück zur Verfügung und wählte dafür einen Standort etwas abseits des Ortszentrums aus. Der Heilstättenbetrieb begann mit drei Döcker’schen Baracken, die 16 Mädchen und 16 Jungen aufnehmen konnten und nur für die Benutzung während der Sommermonate des Jahres 1902 aufgestellt worden waren. Es gab zwei Schlafbaracken und eine Wirtschaftsbaracke. Ihre Mahlzeiten bekamen die Kinder im unweit gelegenen Gasthof „Schützenhaus“. Ab Sommer 1903 gab es dann ein eigenes Speisehaus (mit einer Küche) auf dem Gelände.395 Ein 1902 an die Stadt Lychen gerichtetes Gesuch (des Volksheilstättenvereins) zur Erweiterung des Anstaltsgeländes um weitere zwei Hektar Fläche wurde zunächst abgelehnt. Die geplante Errichtung einer Lungenheilanstalt auf dem Gelände konnten sich die Lychener Einwohner wegen einer möglichen Erhöhung der Ansteckungsgefahr nicht vorstellen. Da aber in der Folgezeit keine konkreten gesundheitlichen Probleme bei der Bevölkerung auftauchten und die Stadt wirtschaftlich profitiert hatte, konnte die Vergrößerung der Anstalt - in einem zweiten Anlauf - im November 1902 durchgesetzt werden.396 Zuwendungen der Kaiserin ermöglichten 1903 den Bau von massiven Gebäuden für die Lungenheilstätte, die 60 Kinder aufnehmen sollte. Vorgesehen waren zwei Schlafhäuser, ein 392 Fritz Arendt, Die Kinderheilstätten vom Roten Kreuz in Hohenlychen, Hannover: Jänecke, 1910, S. 24 Hans Waltrich, Aufstieg und Niedergang der Heilanstalten Hohenlychen 1902-1945. Blankensee: strelitzia 2001, S. 7f. 394 Fuchs, Petra, Liebner, Petra & Schulz, Marco: Heilstättenbewegung in Brandenburg – Das Beispiel der Lungenheilstätten in Kolkwitz, Hohenlychen und Beelitz. In: Wolfgang Hofmann, Kristina Hübener und Paul Meusinger (Hrsg.): Fürsorge in Brandenburg : Entwicklungen - Kontinuitäten – Umbrüche. Berlin: be.bra 2007, S. 277 395 Ebd., S. 277f. 396 Waltrich, Aufstieg und Niedergang der Heilanstalten Hohenlychen 1902-1945, S.9f. 393 110 Hauptgebäude sowie ein Wirtschaftsgebäude. Im Oktober 1903 wurde das Mädchenhaus mit einer Belegung von 20 Patientinnen eröffnet. Auch der Schulbesuch sollte während eines Aufenthalts in Hohenlychen fortgesetzt werden. Ab August 1903 lehrte Pannwitz selbst in den Heilstätten. Jedes Kind bekam eine Stunde pro Tag Schulunterricht, der bei guter Witterung sogar im Freien abgehalten wurde. 397 Den baulichen Entwurf für die Heilanstalten lieferten die Architekten Hakenholz und Brandes aus Hannover. Das gesamte Anstaltsgelände umfasste insgesamt eine Fläche von fast 16 Hektar.398 1905 wurde ein weiterer Verein, der eine Abteilung für knochen- und gelenktuberkulöse Berliner Kinder in Hohenlychen einrichten wollte, in das Projekt einbezogen. Die Kronprinzessin Cecilie engagierte sich für das Vorhaben. Im Oktober 1906 erfolgte die Grundsteinlegung und anlässlich ihres Geburtstags am 15. September 1907 konnte das Haus mit dem Namen „Cecilienheim“ eröffnet werden. Der Bau wurde in Steinfachwerk errichtet. Es gab vier Zehnbettzimmer sowie Küchen- und Personalräume. Die Baukosten konnten aus großzügigen Unterstützungen bestritten und zum Teil durch eine „staatlich genehmigte“ Lotterie eingetrieben werden.399 Das Cecilienheim war nicht nur die erste Heilstätte für Kinder in Preußen, sondern auch die erste Klinik, die chirurgische und orthopädische Behandlungen für Kinder anbot. 1907 wurde ein drittes Schlafgebäude für lungentuberkulöse Kinder mit einer integrierten Badeanstalt errichtet. Das Cecilienheim (Abteilung 7) konnte ganzjährig 90 Kinder beherbergen. Die erste Leitung der Einrichtung hatte der Generalarzt Dr. Werner übernommen. Ihm folgte August Bier und dann sein bisheriger Oberarzt Eugen Kisch. Das Cecilienheim war Lehrkrankenhaus der Berliner Charité. 400 In den ersten 25 Jahren seines Bestehens sind 15 medizinische Fachabteilungen am Standort Hohenlychen gegründet worden. Die verschiedenen Einrichtungen in Hohenlychen wurden (nicht durchgängig401) nummeriert: Die beiden wichtigsten Sektionen waren die 1903 entstandene Viktoria-Luise-Kinderheilstätte (Abteilung 5) für 160 tuberkulöse Kinder und das Kaiserin-Auguste-Viktoria-Sanatorium (Abteilung 14) für weibliche Tuberkulöse. Das Kindererholungsheim Waldfrieden für tuberkulosebedrohte Kinder sowie das sog. „Wernerkrankenhaus“ für chirurgische Eingriffe bildeten die Abteilung 15. Es entstanden insgesamt 47 397 Ebd., S. 26 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. 5/1906, S. 105f. 399 Gotthold Pannwitz, Der Volksheilstätten-Verein vom Rothen Kreuz. Das Rothe Kreuz, 25(21)/1907, S. 601 400 Fuchs et al., Heilstättenbewegung in Brandenburg, S. 279 401 Als Abteilung 1 wurde die Heilstätte Grabowsee geführt, die Abteilungen 2 -4 waren Vereinssektionen wie die Familienfürsorge, die Arbeitsvermittlung und die Betreuung von Erholungsstätten. 398 111 Gebäude. Außerdem gehörten ein kleiner Bauernhof und eine Gärtnerei zur Anstalt. Dies reichte aber nicht für eine Selbstversorgung.402 Die Ferienkolonie am Zenssee (Abteilung 12) bot Platz für 110 tuberkulosekranke Kinder, die in fünf Zeiträumen von jeweils vier Wochen Erholungsurlaub am Zenssee machen konnten, meist während der Sommerferien.403 Außerdem gab es ab 1904 eine sog. „ländliche Kolonie KöniginLuise-Andenken“ (Abteilung 6) für 100 Kinder (im Winter 80).404 Die Kolonie erhielt 1908 ein (zusätzliches) mit Badezimmern ausgestattetes Gebäude für 60 Mädchen.405 Zweck der Kolonie war die Wiedereingliederung erfolgreich behandelter tuberkulöser Jugendlicher in das Gesellschaftsleben. Ihnen wurde zu Zwecken der Arbeitstherapie oder der Ausbildung für das spätere Berufsleben Feld- und Waldarbeit angeboten. Männliche Jugendliche konnten außerdem an einer „buchgewerblichen“ Fortbildung teilnehmen. Für Mädchen gab es hauswirtschaftlichen Unterricht.406 Die Viktoria-Luise-Heilstätte nahm in den 1920er Jahren Patienten mit „innerer Erkrankung“, d.h. u.a. mit offener oder geschlossener Tuberkulose auf, aber auch besonders pflegebedürftige tuberkulöse Frauen sowie weibliche und männliche Jugendliche bis zu einem Alter von 20 Jahren. Die Patienten waren nach Alter und Art der Krankheit, aber auch nach Geschlecht getrennt in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht. Es gab Zwei-, Drei-, Vier-, Sieben- und Zwölfbettzimmer. Zur Anwendung kamen vor allem diätetische Therapien, u.a. auch die Sauerbruch-Hermannsdorfer Diät.407 Es wurden auch bereits der Pneumothorax und andere chirurgische Eingriffe durchgeführt.408 Eine weitere Abteilung stellte die Heilanstalt für äußere Tuberkulose (Drüsen-, Knochen-, Gelenk- und Hauttuberkulose) dar. Hier wurden in der die Patienten mit einer Freiluftkur und mit 402 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. 5/1906, S. 105f. Fuchs et al., Heilstättenbewegung in Brandenburg, S. 279 404 Arendt, Die Kinderheilstätten vom Roten Kreuz in Hohenlychen, S. 27 405 Ebd., S. 45 406 Fuchs et al., Heilstättenbewegung in Brandenburg, S. 279 407 Der Assistenzarzt Dr. Drosdek aus der schlesischen Heilstätte Buchwald schildert 1931 die Diät: „Sauerbruch und Herrmannsdorfer sind von ihren Erfahrungen bei der Wundheilung ausgegangen. Sie sahen bei Ernährung mit saurer Kost einen rascheren Heilungsverlauf, eine bessere Durchblutung und Granulation der Wunden sowie einen verminderten Keimgehalt, während alkalische Kost eine Steigerung der Wundsekretion und stärkere bakterielle Besiedlung zur Folge hatte. In der von Schade beobachteten Abnahme der Gewebsalkalität und dem Auftreten stärkerer Säuregrade beim Entzündungsherd selbst sahen Sauerbruch und Herrmannsdorfer eine Abwehrreaktion des Organismus, die sie durch saure Ernährung und einen damit zu erzielenden Säureüberschuß im Blut unterstützen zum müssen glaubten.“ Quelle: Praktische Erfahrungen mit der Gerson-SauerbruchHerrmannsdorfer-Diät, abgerufen unter: download.springer.com/static/pdf/330/art%253A10.1007%252 FBF02080747.pdf am 26. August 2014 408 Adolf Koch, Volksheilstättenverein vom Roten Kreuz Hohenlychen 1902-1927: Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Heilanstalten und Berufsschulen Hohenlychen, Volksheilstättenverein vom Roten Kreuz (Hg.), Berlin: Springer 1927, S. 1f. 403 112 Sonnenbädern behandelt.409 Die 1913-1914 erbaute Abteilung „Kaiserin-Auguste-Viktoria-Sanatorium“ auf dem Hohenlychener Heilstättenareal nahm vor allem weibliche Patienten aus dem Mittelstand auf. Für „tuberkulöse und tuberkuloseverdächtige Frauen und erwachsene Mädchen“ standen Einund Zweibettzimmer zur Verfügung. Zur Anwendung kamen das hygienisch-diätetische Heilverfahren und eine „nachhaltige Erziehung zu gesundheitlichem Leben“ sowie Höhensonne, Inhalationen, aber auch Tuberkulin- und Goldkuren, Pneumothorax und Phrenicoexhairese.410 Das Gebäude „Wernerkrankenhaus“ verfügte über eine eigene Badeanstalt und sogar über ein Bootshaus, das direkt am Zenssee lag. Die Patienten waren in Ein-, Zwei-, Drei- und Vierbettzimmern untergebracht. In der Klinik befanden sich Operations- und Röntgeneinrichtungen, ein medizinisches Bad, Massageräume sowie Einrichtungen für Diathermie411 und eine Diätküche. An das Krankenhaus war im Frühjahr 1909 eine staatlich anerkannte Krankenschwesternschule (Augusta-Helferinnen-Schule) angegliedert worden. In der sechsmonatigen Ausbildung wurden vor allem Kenntnisse zur Betreuung Tuberkulöser vermittelt.412 Außerdem betrieb der Heilstättenverein zusammen mit der örtlichen „Gartenstadtgesellschaft“ ab Januar 1910 ein eigenes Kurhotel in der Nähe des Lychener Bahnhofs, um Besuchern der Heilstätte eine günstige Unterbringung zu ermöglichen. Die Viktoria-Luise-Kinderheilstätte umfasste getrennte Pavillonbauten für Mädchen und Jungen, ein Küchen- und Speisehaus mit einem Saal für 80 Personen, ein Maschinen- und Waschhaus, ein Desinfektionshaus, ein „Kasino“, eine Chefarztvilla, eine Kirche und (außergewöhnliche) achteckige Liegehallen. Insgesamt konnten 105 Kinder in der Heilstätte aufgenommen werden. Die gemeinsame Kirche aller Heilstätten-Abteilungen lag am südlichen Geländerand.413 Der Anstaltsbetrieb wurde durch zu entrichtende Kurgelder der Patienten und durch Spenden finanziert. Da die verschiedenen Abteilungen weitgehend als selbstständige Einrichtungen agierten, konnten sie auch unabhängig voneinander Zuwendungen von namhaften Persönlichkeiten akquirieren. Die Geldgeschenke ermöglichten viele Baumaßnahmen. Die Pflegekosten für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren wurden demgegenüber oft von 409 Ebd., S. 3f. Ebd., S. 6 411 Elektrotherapeutische Methode, um Körpergewebe mittels hochfrequentem Strom zu erwärmen. 412 Arendt, Die Kinderheilstätten vom Roten Kreuz in Hohenlychen, S. 27 413 Ebd., S. 28 410 113 städtischen Einrichtungen getragen.414 ABB. 6: LAGEPLAN DER HEILSTÄTTE HOHENLYCHEN (UM 1910) 415 Nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die Zustände grundlegend, da die großzügigen Geldgeber aus der Kaiserzeit oft Amt und Vermögen verloren hatten. Die Inflation erschwerte die finanzielle Lage der Kliniken zusätzlich, sodass man auf eine Unterstützung durch die zum Teil ebenfalls notleidenden Kommunen (wie der Stadt Lychen) angewiesen war. Die ländliche Kolonie (Abteilung 6) und die Fortbildungsschulen (Abteilung 13) mussten damals schließen. Viele Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen konnten zunächst nicht durchgeführt 414 415 Fuchs et al., Heilstättenbewegung in Brandenburg, S. 279 Folgende Gebäude gab es in Hohenlychen im Jahre 1910 (Zahlen vgl. Abb. 6): Kaiserin-Auguste-ViktoriaSanatorium (13, 14, 15, 28, 29); Cecilienheim für äußere Tuberkulose (4, 10, 11, 12, 18); Viktoria-LuiseHeilstätte (21, 22, 24, 25, 27, 30, 31); Helferinnen-Schwesternschule (1); Werner-Krankenhaus (3); ländliche Kolonie (34, 35, 37 - 42); Haus des ärztlichen Direktors (8); Personalwohnungen (43, 44); Haus der Verwaltungsdirektors (19); Verwaltungsgebäude (36); Anstaltskirche (33); Zweckbauten: Lagerhäuser und Ställe (5, 20), Eishaus (6), Wirtschaftsgebäude (23), Maschinenhaus und Wäscherei (26), Stammhaus, Badeanstalt (7), Pumpwerk (9, 16). Karte aus: Arendt, Die Kinderheilstätten vom Roten Kreuz in Hohenlychen, S. 2f. 114 werden. Einen kurzen Aufschwung gab es zwischen 1924 und 1927, als das Reichsinnenministerium, das Reichsarbeitsministerium, das Preußische Volkswohlfahrtministerium und das Deutsche Rote Kreuz das 25jährige Jubiläum der Hohenlychener Anstalten feierten und die Kosten für die Renovierung und die Errichtung eines Anbaus (in der Abteilung 7) übernahmen. Medizinisch gesehen erreichte Hohenlychen zu jener Zeit weltweite Bedeutung, vor allem hinsichtlich besonderer Erfolge in der orthopädischen und chirurgischen Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose. Im Jahre 1929 wurde das Kindererholungsheim Waldfrieden (Abteilung 12) aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. Ab 1931 kam es zu größeren Leerständen im Cecilienheim.416 Spätere Nutzung Die Nationalsozialisten setzten am 1. November 1933 Himmlers Leibarzt Karl Gebhardt als Chefarzt ein, der die Tuberkuloseheilstätte schließen und das Haus in eine „Klinik für Sport- und Arbeitsmedizin“ umwandeln ließ.417 Viele prominente Nationalsozialisten wurden in Hohenlychen behandelt. Von 1945 bis 1993 betrieb die Rote Armee in den Gebäuden ein Militärlazarett mit zuletzt 400 Betten. Es unterstand der 2. Gardepanzerdivision und verfügte über eine gynäkologische und eine pädiatrische Abteilung zur Betreuung von Soldatenfamilien.418 Seit dem Abzug der Sowjets (1992 - 1994) stehen die Gebäude leer und sind seit Jahren dem Verfall preisgegeben. Im Jahre 1997 wurden sogar einige der denkmalgeschützten Gebäude (u.a. das Wernerkrankenhaus) aufgrund ihres schlechten Bauzustands abgerissen.419 Der derzeitige Eigentümer aus Freiberg/Sachsen, der die verbliebenen Heilstättenbauten 2008 aufkaufte, plant eine Teilrestaurierung. Ein Wellness-Hotel, eine Ferienhausanlage und eine Ausbildungsstätte für „Tourismus- und Servicekräfte“ sollen entstehen.420 3.2.5 Belzig Am 3. März 1896 konstituierte sich der Berlin-Brandenburger Heilstättenverein für Lungenkranke. Vorausgegangen war im Januar des gleichen Jahres ein Aufruf zur Bildung eines wohltätigen Vereins. Diese Ereignisse markieren den Beginn der Geschichte der Heilstätte Belzig. Ziel des Vereins war die Errichtung und Unterhaltung einer oder mehrerer Heilstätte(n) 416 Fuchs et al., Heilstättenbewegung in Brandenburg, S. 282f. Ebd., S. 284 418 Waltrich, Aufstieg und Niedergang der Heilanstalten Hohenlychen 1902-1945, S. 64f. 419 Fuchs et al., Heilstättenbewegung in Brandenburg, S. 284 420 Birgit Bruck, Wann geht es endlich los?, Zeitungsartikel aus dem Nordkurier vom 10. April 2013, abgerufen unter: www.nordkurier.de/cmlink/nordkurier/lokales/templin/wann-geht-es-endlich-los-1.559906 am 21. November 2013. 417 115 in der Umgebung Berlins. Die erste Initiative des Vereins war die Suche nach geeigneten Bauplätzen. In einer hügeligen Waldregion südwestlich von Berlin („Hoher Fläming“) wollte zu dieser Zeit auch die karitative Bleicheröder-Stiftung einen Heilstättenneubau errichten.421 Der Belziger Kreisarzt Dr. Itzzerot empfahl für den geplanten Zweck ein Waldgrundstück (auch „Kirchenforst“, „Klein-Thüringen“ oder „Belziger Paradies“ genannt), das der örtlichen Kirchengemeinde gehörte. Das Gelände lag nördlich der Stadt an der Quelle des Springbachs in einem Tal. Der Heilstättenverein folgte Itzzerots Empfehlung.422 Am 4. Juli 1897 wurde das 14 Hektar große Grundstück vom Verein zusammen mit der Bleicheröder-Stiftung für 14.000 Mark angekauft.423 Friedrich Körte und Konrad Reimer erhielten den Auftrag, den Bau der Heilstätte zu planen und zu betreuen. Der erste Spatenstich im Kirchenforst erfolgte am 11. Juli 1898. Die Baukosten wurden (einschließlich der Innenausstattung) auf 600.000 Mark veranschlagt. Finanziert wurde das Projekt hauptsächlich aus privaten Spenden, und zwar insbesondere der über 500 Vereinsmitglieder. Die Bausumme war bei der Grundsteinlegung erst teilweise vorhanden.424 Zunächst wurden das Hauptgebäude, das der Heilstättenverein für 94 Frauen und Männer errichten ließ, und das Nebengebäude der Samuel-Bleichröder-Stiftung (für 25 Frauen und Männer)425 sowie ein Wirtschafts-, ein Maschinen- und ein Laborgebäude errichtet. Im Hauptgebäude waren acht Einbett-, 18 Zweibett-, sechs Vierbett- und vier Sechsbettzimmer vorhanden. Im Ostflügel wurden nur weibliche Patienten aufgenommen. Der Westflügel war männlichen Kranken vorbehalten. Der erste ärztliche Leiter der neuen Heilstätte wurde Dr. Moeller, der zuvor in Dr. Brehmers Heilstätte im schlesischen Görbersdorf tätig war. Im Februar 1900 konnten in Belzig 40 Patienten stationär aufgenommen werden.426 421 Helga und Günter Kästner, Zur Geschichte einer Klinik. Von der Lungenheilstätte zum Reha Klinikum „Hoher Fläming“ Bad Belzig 1900-2010. Potsdam: Oberlinhaus 2010, S. 13f. 422 Albert Fricke: Die Entstehung der Heilstätte Belzig nebst Bleichröderstiftung und Kappelstiftung und ihre Entwicklung 1900 bis 1925, Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum, Domstiftsarchiv Brandenburg/Havel 1925 423 B. Fränkel, Der Berlin-Brandenburger Heilstättenverein für Lungenkranke und seine Heilstätte in Belzig. Berliner Klinische Wochenschrift, 46, Sonderabdruck - Geheimes Preußisches Staatsarchiv, VI HA Althoff 307, 1898, S. 85-92. 424 Kästner, Zur Geschichte einer Klinik, S. 16f. 425 Samuel Bleichröder (1799-1855) gehörte zu den einflussreichsten Bankiers in Europa. Sein Sohn Gerson (18221893) leitete die Bankgeschäfte nach seinem Tod weiter und wurde zu einem engen Freund und Wegbegleiter Bismarcks. Das Bankhaus Bleichröders war maßgeblich an der Finanzierung des Deutsch-Dänischen Krieges (1864), des Deutschen Krieges (1866) und des Deutsch-Französischen Kriegs (1870/71) beteiligt. Er verfügte in seinem Testament, dass eine Million Mark aus seinem Vermögen wohltätigen Zwecken zugutekommen mögen. 426 Fränkel, Der Berlin-Brandenburger Heilstättenverein für Lungenkranke und seine Heilstätte in Belzig, S. 85-92 116 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 7: LAGE DER HEILSTÄTTE BELZIG 427 Im Erdgeschoss waren „zur hydrotherapeutischen Behandlung je eine Badeeinrichtung mit Wannen-, Sitz-, Brause- und Strahlbädern“ eingerichtet worden. Im ersten Obergeschoss des Hauptgebäudes befanden sich Untersuchungsräume, Bäder und Duschen.428 Im Jahre 1930 warb die Heilstätte sogar mit einer modernen (hydraulisch versenkbaren) Kinovorführungsapparatur im Speisesaal.429 Im Nebengebäude (also dem Haus der Samuel-Bleicheröder-Stiftung) befanden sich im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss Krankenzimmer und Loggien für die Liegekur. Wie im Hauptgebäude war die Eingangshalle zugleich Tagesraum. Hinter der Halle gab es auch hier einen großen Speisesaal. Die Patienten der Bleicheröder-Stiftung aßen später zusammen mit den Patienten der Vereinsheilstätte, nachdem der eigene Speisesaal in eine Musizierhalle umgewandelt worden war. Zwischen der Küche des Vereinshauses und dem Speisesaal der 427 Kartensammlung des Herder-Instituts, K3IIL58_3841_2106, 1942 A. Möller, Erster ärztlicher Jahresbericht der Vereinsheilstätte des Berlin-Brandenburger Heilstättenvereins und der Samuel-Bleichröder-Stiftung bei Belzig für das Jahr 1900. Zeitschrift für Tuberkulose, o.A./1901 429 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 10 428 117 Bleicheröder-Stiftung gab es einen unterirdischen Tunnel für den Speisentransport bei Schlechtwetter.430 Nach dem Ersten Weltkrieg geriet die Belziger Heilstätte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahre 1921 wurden Verhandlungen mit der Preußisch-Hessischen Eisenbahngesellschaft und der Firma Siemens zur Rettung der Einrichtung geführt. Mit den Siemenswerken kam ein Vertrag zustande. Damals wurden tuberkulöse Mitarbeiter der Firmen Siemens, AEG, Osram, Akkumulatorenfabrik AG und Bergmann-Elektrizitätswerke vorzugsweise aufgenommen. Dafür sicherte die Firma Siemens im Gegenzug den Fortbestand der Heilstätte und des Heilstättenvereins. Dank der finanziellen Unterstützung konnten auch notwendig gewordene Umbauten und Erweiterungen erfolgen.431 Im Januar 1930 wurde auf dem Gelände ein drittens Behandlungsgebäude (für 40 Kinder) eröffnet. Finanziert wurde das 226.000 Mark teure Vorhaben hauptsächlich durch Spendengelder des Berliner Ehepaars Markus und Mathilde Kappel. Die Anlage erhielt deshalb den Namen „Kappelstiftung“.432 Der Bau einer Kinderheilstätte war bereits seit 1900 beabsichtigt, kam jedoch aufgrund begrenzter finanzieller Mittel 30 Jahre lang nicht zur Ausführung. Im Keller der Kinderheilstätte gab es einen Raum für Bestrahlungen mit zwei Höhensonnengeräten. Im ersten Obergeschoss befanden sich Räumlichkeiten zur Isolation von besonders ansteckenden Kindern.433 Es war eine maximale Belegung mit 106 Patienten möglich. Die Kurkosten betrugen 1930 im Einzelzimmer acht Mark pro Tag, in Zweibettzimmer sieben Mark und im Schlafsaal 6,50 Mark. Im Jahre 1930 umfasste das Anstaltsgelände etwa 30 Hektar. An weiteren Gebäuden gab es eine kleine Kapelle im neogotischen Stil (1903 im Beisein von Kaiserin Auguste Viktoria eingeweiht) sowie eine Villa für den Chefarzt (1909 fertiggestellt, mit eigenem Tennisplatz).434 Spätere Nutzung Im Oktober 1930 schlossen die Einrichtungen für Lungentuberkulöse in Belzig. Der Heilstättenverein stellte den Siemenswerken gegen ein unverzinsliches Darlehen die Gebäude für die Einrichtung eines Ferien- und Erholungsheims zur Verfügung, das im April 1931 eröffnet 430 Möller, Erster ärztlicher Jahresbericht der Vereinsheilstätte des Berlin-Brandenburger Heilstättenvereins und der Samuel-Bleichröder-Stiftung bei Belzig für das Jahr 1900, o.A. 431 Fricke, Die Entstehung der Heilstätte Belzig nebst Bleichröderstiftung und Kappelstiftung und ihre Entwicklung 1900 bis 1925, Domstiftsarchiv Brandenburg/Havel. 432 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 10 433 Kästner, Zur Geschichte einer Klinik, S. 31f. 434 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 10 118 wurde.435 Bis zur Beschlagnahme der Anstalt durch die Wehrmacht und Umwandlung in ein Lazarett im August 1939, also bereits vor Kriegsbeginn, blieb das Heim unter der Ägide des Siemenskonzerns als Erholungsheim für Leichtkranke erhalten. Viele Siemens-Beschäftigte waren ab 1939 in der nahegelegenen Munitionsfabrik tätig. Bereits Ende September 1939 traf der erste Verwundetentransport im Lazarett ein.436 Nach dem Krieg erfolgte am 9. Oktober 1947 die Enteignung des Berlin-BrandenburgPommerschen Heilstättenvereins und damit die Kündigung des Pachtvertrags mit den Siemenswerken. Im Jahre 1950 ging die Anstalt „als Eigentum des Volkes“ in den Besitz der Sozialversicherungsanstalt des Landes Brandenburg über. Zeitzeugenberichten zufolge wurden bereits im Sommer 1945 wieder Lungentuberkulosepatienten in Belzig aufgenommen.437 Im Jahre 1962 hatte die Tuberkuloseheilstätte Belzig eine Aufnahmekapazität von 210 Patienten, 65 Betten waren für Kinder vorgesehen. Aufgrund rückläufiger Tuberkuloseerkrankungen schloss man die Heilstätte zum Ende des Jahres 1972. Nach einer umfassenden Sanierung wurde die Anstalt zwei Jahre später als Sanatorium für funktionelle Herz- und Kreislauferkrankungen wiederöffnet. 1993 führte die Unternehmensgruppe Lielje das Haus als Rehaklinik „Hoher Fläming“ für Orthopädie, Rheumatologie, Psychosomatik und Anschlussheilbehandlung einer neuen Bestimmung zu. Seit Dezember 2009 ist die Rehaklinik der Leitung des Oberlinhauses der Diakonie unterstellt.438 3.2.6 Treuenbrietzen Die Geschichte des Brandenburgischen Provinzial-Tuberkulosekrankenhauses Treuenbrietzen beginnt im Juli 1914 mit dem Bau eines Fürsorgeheims für Wanderarbeiter an der Landstraße von Potsdam nach Leipzig (heute Bundesstraße 2). Die Einrichtung wurde von Anfang an als Fachkrankenhaus und nicht als Heilstätte geplant, auch wenn noch bis zu Beginn der 1930er Jahre hygienisch-diätetische Behandlungsverfahren in der Anstalt zur Anwendung kamen (weshalb die Treuenbrietzener Tuberkuloseklinik in die vorliegende Arbeit über Heilstätten aufgenommen wurde). Unmittelbar nach Eröffnung des Wanderarbeitsheims wurde mit dem Bau einer weiteren Einrichtung für sieche Frauen (als Abteilung des städtischen Krankenhauses) mit 435 Kästner, Zur Geschichte einer Klinik, S. 55 Ebd., S. 63 437 Ebd., S. 74 438 Ebd., S. 112 436 119 einer Kapazität von 44 Betten begonnen.439 Mitten im Krieg, am 1. April 1916, konnte das Haus eröffnet werden. Es wurde aber bereits kurze Zeit später in ein Lazarett für lungenkranke Soldaten umgewandelt. Aufgrund der kriegsbedingten Verzögerungen konnte die Anstalt erst 1920 ihren Betrieb als ziviles Tuberkulosekrankenhaus aufnehmen. Zwei Bettenhäuser standen für 326 weibliche Tuberkulöse zur Verfügung.440 Im Krankenhaustrakt gab es Isolierabteilungen für ansteckende Kranke, eine Station für tuberkulöse Kinder und einen Operationsaal. Im nahegelegenen Waldgelände befand sich ein anstaltseigener Friedhof.441 Der Landtag der preußischen Provinz Brandenburg beschloss im Frühjahr 1926, ein neues Tuberkulosekrankenhaus für 200 weibliche Patienten auf dem Gelände der bestehenden Treuenbrietzener Anstalt zu errichten. Baubeginn war am 1. Juli 1926. Fertiggestellt wurde die Einrichtung im Spätsommer des Jahres 1927.442 Der Neubau wurde vom Landesoberingenieur Volkstedt von der Hochbau-Abteilung der Stadt Berlin beaufsichtigt. Am Entwurf hatten die Architekten Hecht und Grohte mitgearbeitet. Die Bauleitung vor Ort übernahmen die Architekten Luther und Meier.443 Die Bestandsgebäude wurden nicht komplett in das Neubauprojekt einbezogen, weil sie zum Teil nicht in Ost-WestLage angeordnet waren und damit die für Tuberkulosekliniken vorgesehene südliche Ausrichtung der Krankenzimmer nicht gewährleistet werden konnte.444 Das neu zu errichtende Gebäude wurde mit einer Wetterfahne versehen, die zu einer symbolischen Betrachtung herausforderte: „Wenn der brandenburgische Adler, der in der Gestalt der Wetterfahne über dem schirmenden Dache des neuerbauten Hauses im Luftmeer seine Kreise zieht, der Sonne zustrebt, so mag dies zunächst rein physiologisch verständliche Symbol in solchem Sinne auch psychologisch gedeutet werden“.445 An den beiden Haupteingängen des Krankenhauses wurden zwei Frauenplastiken aufgestellt, die vom Bildhauer Otto Märker gestaltet worden waren.446 Die Architekten des Krankenhausbaus wollten damit bewusst einen Akzent setzen gegen „jene lieblosen hygienischen 439 Akte Provinzialanstalt Treuenbrietzen, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 55 Abt. I 286, S. 6 Ebd., S. 8 441 Ebd. 442 Richard Lang, Das Brandenburgische Tuberkulosekrankenhaus in Treuenbrietzen, Berlin 1928, S. 31 443 Ebd., S. 48 444 Ebd., S. 10f. 445 Ebd., S. 32. 440 120 Verwahrungskästen, die man mit dem Ausdruck ‚kasernenmäßig‘ zu kennzeichnen pflegt“.447 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 8: LAGE DES FACHKRANKENHAUSES TREUENBRIETZEN 448 Neben dem Krankenhaus für weibliche Tuberkulöse gab es auch noch eine Heilstätte für Kinder (59 Mädchen und 41 Jungen), die von den Bezirksfürsorgeeinrichtungen nach Treuenbrietzen überwiesen wurden. Die Einrichtung stand in einem gewissen Kontrast zu der Siechenabteilung (für 330 Frauen) und dem Wanderarbeitsheim (für 210 meist ältere, „häufig arbeitsscheue, unverbesserliche Leute“).449 Die Patientenzimmer befanden sich im Erdgeschoss sowie in den beiden Obergeschossen der Anstalt. Auf jeder Etage gab es zwei Stationen mit je 33 bzw. 34 Betten. Jede Station besaß drei Sechsbett-Schlafsäle, einen Fünfbett-Schlafsaal sowie einige Einbett- und Zweibettzimmer. Im Mittelflügel der Anstalt befanden sich die gemeinsamen Speise- und Aufenthaltsräume.450 Die Leitung der neuen Klinik übernahm der Oberarzt Dr. Wohlfahrt, der dem Direktor der Provinzialanstalten in Treuenbrietzen, Dr. Riemann, unterstand. Außerdem waren ein Oberarzt, ein Assistenzarzt und ein Volontär-Assistenzarzt angestellt. Jeder Arzt betreute zwei der jeweils 446 Ebd., S. 29 Ebd., S. 32 448 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_3943_2175, 1939 449 Dr. Riemann, Das allgemeine Krankenhaus, die Pflegeanstalt und das Wanderarbeitsheim vom ärztlichen Standpunkt aus betrachtet. In: Richard Lang (Hg.), Das Brandenburgische Tuberkulosekrankenhaus in Treuenbrietzen, Berlin 1928, S. 45f. 450 Ebd., S. 17 447 121 auf einer Etage untergebrachten Stationen.451 Sowohl für schwere Fälle („Offentuberkulöse“) als auch für Leichttuberkulöse war eine hygienisch-diätetische Therapie452 mit Liegekur vorgesehen.453 Spätere Nutzung Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Einrichtung in ein Kreiskrankenhaus (Treuenbrietzen gehörte zu DDR-Zeiten zum Landkreis Jüterbog) umgewandelt.454 1994 erwarb der Johanniterorden die Gebäude und eröffnete hier eine rheumatologische, eine orthopädische und eine psychiatrische Abteilung. 1998 wurde eine pneumologische Fachklinik in der Anstalt untergebracht (die vorher zum ehemaligen Ausweichkrankenhaus Beelitz-Heilstätten gehörte). Im Jahre 2006 zog dann auch die thoraxchirurgische Abteilung des Luckenwalder Krankenhauses nach Treuenbrietzen um. Damit überwog wieder die beim Bau im Jahr 1927 beabsichtigte Funktion eines Lungenfachkrankenhauses.455 3.2.7 Stadtforst, Rathenow Rathenow ist eine relativ kleine brandenburgische Stadt, aber in den dort vorhandenen Werken der optischen Industrie gab es im Verhältnis zur geringen Einwohnerzahl des Ortes relativ viele tuberkulöse Arbeiter.456 Die Allgemeine Ortskrankenkasse entschied sich deshalb im Januar 1900 zur Errichtung einer eigenen Heilstätte, da die Wartezeiten für eine Aufnahme in den bereits bestehenden Heilstätten der Landesversicherungsanstalten oft sehr lange waren und sich der Zustand vieler Tuberkulöser während der Wartezeit oft verschlechterte.457 Die neue Heilstätte sollte 24 Patienten Platz bieten. An den Baukosten beteiligten sich neben der AOK 451 Der Krankendienst und Betrieb im neuen Tuberkulosekrankenhaus, zit. nach Dr. Wohlfahrt in: Lang, Das Brandenburgische Tuberkulosekrankenhaus in Treuenbrietzen, S. 47 452 Der Tagesablauf der hygienisch-diätetischen Therapie für die 200 Tuberkulosepatienten war streng reglementiert und unterschied sich nur unwesentlich von den Zeitvorgaben der klassischen Heilstätten: Der Tag begann mit einem ersten Frühstück um 7:30 Uhr, dann folgte die 45-minütige Liegekur und ein zweites Frühstück um 9 Uhr. Zwischen 9.30 Uhr und 11 bzw. 11:45 Uhr war eine zweite Liegekur vorgesehen (in der auch die ärztliche Visite stattfand), um 12 Uhr wurde zum Mittagessen gerufen. Am Nachmittag von 13 bis 15:15 Uhr und von 17 bis 17:45 Uhr waren weitere Liegekuren vorgesehen, die nur von einer Kaffeepause gegen 15:30 Uhr unterbrochen wurden. Nach dem Abendessen um 18 Uhr wurde bereits ab 20 Uhr Bettruhe verordnet. Aus: Dr. Wohlfahrt, Der Krankendienst und Betrieb im neuen Tuberkulosekrankenhaus, In: Ebd., S. 47 453 Lang, Das Brandenburgische Tuberkulosekrankenhaus, S. 10f. 454 Klaus von Heimendahl (Hg.), Das Johanniter-Krankenhaus in Treuenbrietzen. Vom Wanderarbeitsheim zur modernen Fachklinik, Berlin: be.bra 2003. 455 Internetseite des Johanniter Krankenhauses Treuenbrietzen, abgerufen unter: www.johanniter.de/einrichtungen/ krankenhaus/treuenbrietzen/ueber-uns/das-johanniter-krankenhaus-treuenbrietzen/ am 13. Februar 2014 456 Richard August Muttray, Die Lungenheilstätte Rathenow als Beispiel einer für mittlere Städte und kleinere Gemeinden geeigneten Anstalt. Ohne Angabe zum Verlag 1902. Niedersächsische Staatsbibliothek. 457 Ebd., S. 1 122 auch die örtliche Kranken- und Sterbekasse der gewerblichen Arbeiter, die Stadt Rathenow und das Central-Komitee zur Errichtung von Lungenheilstätten. Kleinere Beiträge steuerten die Ortskrankenkasse der Bauhandwerker und einige Betriebskrankenkassen458 bei. Das CentralKomitee zur Errichtung von Lungenheilstätten schenkte der neuen Heilstätte außerdem zwei Döcker’sche Baracken und das Rote Kreuz Bettgestelle.459 In ungewöhnlich kurzer Bauzeit konnte die Heilstätte fertiggestellt und am 28. September 1900 mit der Aufnahme von acht Patienten eröffnet werden. Die Kosten für den laufenden Betrieb trug zur Hälfte die LVA Brandenburg. Die andere Hälfte übernahmen die Stadt Rathenow, der Kreis Westhavelland und private Spender. Der Chefarzt Dr. Richard August Muttray (1856 -1931) wohnte nicht auf dem Heilstättengelände, sondern lebte in dem zwei Kilometer entfernten Stadtzentrum.460 Als weiteres Personal waren eine Krankenschwester, eine Köchin, ein Wärter und ein Hausmädchen in der Einrichtung beschäftigt.461 Schon bald war die Kapazität der Heilstätte erschöpft und weitere Kranke mussten nachts in nahegelegenen Privathäusern untergebracht werden. Sie kamen nur zur Tagespflege in die Heilstätte.462 Die Allgemeine Ortskrankenkasse und die LVA Brandenburg entsandten die meisten Patienten nach Rathenow. Ein Teil der Kranken kam aus dem in der Provinz Sachsen gelegenen Magdeburg. Die meisten Tuberkulösen hatten ihren Wohnsitz in Rathenow bzw. dem Landkreis Westhavelland. Es handelte sich vor allem um Arbeiter aus der optischen Industrie (18) oder um Postangestellte (7).463 Der wichtigste Bestandteil der Kur waren die Mahlzeiten. Mittags wurde Hausmannskost464 gereicht, abends gab es meist nur Suppen und Aufschnitt, mindestens einmal pro Woche auch Bier. Die Mindestkurdauer betrug drei Monate. Die Kranken nahmen in dieser Zeit im Durch458 u.a. der Firmen Nitsche & Günther, Schulze & Bartels, C. Hübner Nachflg., die Bürger-Krankenkasse, der Kreis Westhavelland, der Konsum-Verein zu Rathenow, der Bankverein Rathenow und die Rathenower Optische Industrie-Anstalt E. Busch A.C. sowie die Firmen Nitsche & Günther, Lucke & Andre und W. Heidepriem. Desweiteren wurden Spendengelder von verschiedenen Firmen und Mitarbeitern der optischen Industrie gesammelt. Der Buchdrucker Wenkebach bedachte die neue Heilstätte zudem in seinem Testament. 459 Muttray, Die Lungenheilstätte Rathenow als Beispiel einer für mittlere Städte und kleinere Gemeinden geeigneten Anstalt, S. 2 460 Ebd., S. 3 461 Ebd., S. 2 462 Ebd., S. 3 463 Rathenower Lungenheilstätten-Verein, Bericht über die Verwaltung der am 28. September 1900 hierselbst eröffneten Lungenheilstätte. Erstattet in der Mitglieder-Versammlung vom 12. Februar 1902. Rathenow: Max Babenzien. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 1 Allg. Abt. 774, S. 14 464 Gulasch, Schweinekotelett, falscher Hase, Rinderpökelfleisch, Bratwurst, Hammelfleisch, Schweinebraten, Kalbfleisch, gebratene Leber 123 schnitt 4,78 kg an Gewicht zu.465 Über das Tagesprogramm wird folgendes berichtet: „Der tägliche Lebenslauf unserer Kranken gestaltet sich folgendermassen: Die Abreibungen werden vor dem ersten Frühstück (7 ½ Uhr) vorgenommen, gedoucht wurde je nachdem, vor oder nach demselben. Um 9 ½ Uhr zweites Frühstück, um 12 ½ Uhr Mittagessen, um 4 Uhr Kaffee, um 7 Uhr Abendessen. Die Zeit zwischen den einzelnen Mahlzeiten wird mit Liegen - in den ersten Wochen 6 Stunden täglich -, Spazierengehen, Arbeit und Athemübungen ausgefüllt.“ 466 Die Mitgliederversammlung des Rathenower Lungenheilstättenvereins (des Besitzers der Heilstätte) genehmigte am 8 .Februar 1904 ein Budget von 70.000 Mark für den Bau eines massiven „Kranken-Pavillons“. Den Vorsitz des Vereins hatte der Fabrikbesitzer Georg Balthasar inne. Für die Finanzierung reichten die Mittel des Vereins nicht aus. Es waren darüber hinaus eine Zuwendung des Zentral-Comitees zur Bekämpfung der Tuberkulose und ein Darlehen der LVA Brandenburg notwendig. Der zweigeschossige Bau entstand in den Jahren 1904 bis 1905 nach Entwürfen des Berliner Architekten Adolf Stegmüller. Es konnten weitere 38 Kranke darin untergebracht werden.467 Die Räume für die Kranken (Ein-, Zwei-, Drei- und Fünfbettzimmer) waren nach Süden ausgerichtet. Im ersten Obergeschoss gab es Untersuchungsräume und eine Bibliothek. Im Jahre 1905 kam ein Wirtschaftsgebäude (mit Speisesaal und Küche) hinzu. Gleichzeitig wurde eine zweite Liegehalle im Anstaltspark errichtet.468 Im Jahre 1930 konnten 75 (weibliche und männliche) erwachsene Patienten und 27 Kinder aller Krankheitsstadien aufgenommen werden. Die Leitung der Einrichtung oblag zu dieser Zeit einem Chefarzt mit dem markanten Namen Dr. Julius Caesar.469 Spätere Nutzung Die Einrichtung für Tuberkulöse hatte bis 1966 Bestand, war aber zuletzt nicht mehr ausgelastet. Deshalb beschloss das Gesundheitsamt der Stadt Rathenow, die Anstalt in ein Wohnheim für ältere Menschen umzuwandeln und begann 1967 mit dem Umbau des Hauses. Am 16. Februar 1968 wurde das neue Seniorendomizil mit 110 Plätzen (inklusive einer Pflegestation) eröffnet. Im Jahre 1978 konnten ein Neubau auf dem Anstaltsgelände errichtet und die Kapazität um 465 Der Vorstand des Rathenower Lungenheilstätten-Vereins e.V (o.D.): Aufnahme-Bedingungen der Heilstätte Stadtforst bei Rathenow. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 55 VIIb 203, S. 10 466 Ebd., S. 15 467 Ebd., S. 7 468 Ebd., S. 9 469 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 64 124 weitere 116 Plätze erweitert werden.470 Eine der beiden Döcker’schen Baracken aus der Gründungszeit der Heilstätte wurde 1998/99 saniert und ist - als Teil des Seniorenwohnheims - als „Haus Waldblick“ erhalten geblieben. Im Jahre 1996 wurde mit dem „Haus Wiesengrund“ eine zusätzliche moderne Seniorenwohnanlage hinter dem Altbau eröffnet. Das alte Wirtschaftsgebäude heißt heute „Haus Parkidyll“ und ist im Jahre 2012 modernisiert worden.471 470 Grete Giesche, Stadtforst – einstmals Lungenheilstätte – heute Feierabend- und Pflegeheim. Aus der 80jährigen Entwicklung einer Gesundheitseinrichtung in Rathenow. Rathenower Heimatkalender 1980, S. 29-35 und Uwe Kusay, Abriß der historischen Entwicklung von Altenheimen in Rathenow. Vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit. Rathenow: Landkreis Havelland 1994, Kreis- und Verwaltungsarchiv. 471 Internetseite der Havelland-Kliniken, abgerufen unter www.havelland-kliniken.de/Wohn-und-PflegezentrumHavelland/wohnen-seniorenpark-stadtforst.html am 27. März 2013 125 „Müllrose, Müllrose, Du Perle der Brandenburger Flur. Müllrose, Müllrose, Du gibst uns Gesundheit durch die Kur!“472 3.2.8 Müllrose Die 1906 bis 1907 von der „Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker zu Berlin“ am Südhang des etwa 100 Meter hohen Zeisigbergs bei Müllrose erbaute Heilanstalt bildete eine Besonderheit unter den bestehenden Heilstätten; denn sie wurden nicht für invalidenversicherte Tuberkulöse der Arbeiterschicht geplant, sondern für Patienten aus dem Mittelstand (Handwerk und Gewerbe). 473 Im Herbst 1902 beschlossen die Vorstandsmitglieder der o.g. Berliner Ortskrankenkasse nach Besichtigung verschiedener Heilstätten im Harz und nach Entgegennahme eines fachkundigem Berichts durch den Hohenlychener Heilstättengründer Pannwitz, eine eigene Heilstätte für 100 lungenkranke Frauen und Männer errichten zu lassen. Die Krankenkasse trat zunächst mit der Stadt Lychen in Verhandlungen, um am dortigen Stübnitzsee ein Grundstück zu erwerben. Doch die Stadt versagte schließlich aufgrund vieler Einsprüche ihre Unterstützung, sodass sich die Ortskrankenkasse in einer anderen Region Brandenburgs nach einem Grundstück umsehen musste. In Müllrose wurde man fündig: Der Standort ermöglicht eine Fernsicht, von der man sich eine günstige „psychische Einwirkung“474 auf die Patienten versprach. Die Krankenkasse kaufte zunächst ein fast 15 Hektar großes Grundstück. Durch Zukäufe wurde das Gelände, das etwa einen Kilometer abseits der Landstraße von Beeskow nach Müllrose liegt, schrittweise auf etwa 34 Hektar erweitert.. Für den Entwurf wurden die Architekten Hakenholz und Brandes (Hannover) verpflichtet. Es entstand ein Hauptbau mit zwei Seitenflügeln, einer für die männlichen und einer für die weiblichen Patienten. Im Männerflügel gab es sechs Einzelzimmer, acht Zweibettzimmer, zwei Sechsbettzimmer sowie drei Achtbettzimmer, mit insgesamt 58 Betten.475 Demgegenüber befanden sich im Frauenflügel nur 42 Betten, verteilt auf sechs Einzelzimmer, sechs Zweibettzimmer, drei Vierbettzimmer und zwei Sechsbettzimmer.476 Den Landschaftsteil gestaltete der Gartenarchitekt Ludwig Lesser aus Berlin-Zehlendorf. Im 472 Wolfgang Eckart. In: Dr. Ziemer, Holubar und Joachim Pirwitz, 50 Jahre Heilstätte Müllrose. 50 Jahre Bekämpfung der Lungentuberkulose. 10 Jahre Wiederaufbau, 1957, S. 12 473 Leitung der Heilstätte Müllrose (Hg.), Die Heilstätte Müllrose der Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker zu Berlin: ihre Entstehung und ihr erstes Geschäftsjahr; Aerztlicher und Rechenschafts-Bericht. Müllrose 1903. 474 Ebd., S. 5 475 Ebd., S. 6 476 Ebd., S. 7 126 Frühjahr 1906 begann die Errichtung der Gebäude. Das Richtfest wurde am 13. April 1907 gefeiert und bereits am 20. Oktober 1907 konnte die Heilstätte eröffnet werden.477 Im Hochparterre des Mitteltrakts lagen das Aufnahmezimmer und die Speisesäle. Im ersten Obergeschoss gab es Untersuchungsräume, im zweiten Obergeschoss Personalwohnungen. Der Turm, der das Gebäude ziert, diente funktionell als Wasserturm. Nördlich des Hauptgebäudes entstand ein kombiniertes Wirtschafts-, Wäscherei- und Maschinenhaus, zu dem ein überdachter Gang führte. Ebenfalls nördlich, etwas abseits des Hauptgebäudes, erhob sich die Chefarztvilla.478 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 479 ABB. 9 - LAGE DER HEILSTÄTTE MÜLLROSE Die Heilstätte verfügte nur über eine recht kleine Personalausstattung. Neben dem Chefarzt Ulrici480 werden ein Assistenzarzt, ein Medizinalpraktikant, eine Oberschwester und eine 477 Dr. Ziemer, Holubar und Joachim Pirwitz, 50 Jahre Heilstätte Müllrose. 50 Jahre Bekämpfung der Lungentuberkulose. 10 Jahre Wiederaufbau, 1957, S. 2 478 Ebd., S. 5 479 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_3752_2049, 1938 480 Chefarzt von der Eröffnung bis 1912, dann Wechsel nach Sommerfeld. Von 1912-1918 leiteten Dr. Starkoff, von 1918-1923 Dr. Reuß, von 1923-1945 Dr. Zemmin (während des Krieges vertreten durch Oberarzt Dr. Brockmann) und ab 1949 Dr. Ziemer die Heilstätte. 127 Bürogehilfin genannt.481 Am 1. Januar 1914 trat die Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Berlin bei, die somit die neue Eigentümerin der Heilstätte wurde.482 In den 1920er Jahren erfolgte im Gegensatz zu anderen Heilstätten, in Müllrose keine Umstellung in eine Tuberkulose-Fachklinik. Tuberkulöse, die chirurgisch behandelt werden sollten, wurden dafür an die Berliner Charité oder nach Frankfurt/Oder überwiesen.483 Im Jahre 1938 kaufte die LVA Berlin die Heilstätte.484 Doch schon 1933 waren die Betten der Einrichtung ausschließlich mit Versicherten der LVA Berlin belegt worden.485 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Haus im Besitz der Versicherungsanstalt. Da die im Krieg unbeschädigt gebliebene Heilstätte in den letzten Tagen vor Kriegsende völlig ausgeplündert worden war, musste der Betrieb eingestellt werden. Erst 1949 gelang die Wiedereröffnung. Im Dezember 1952 übernahm die Verwaltung des neugegründeten „Bezirksrats Frankfurt/Oder“ die Einrichtung.486 Die Belegung erfolgte sowohl mit Berliner als auch mit Brandenburger Patienten. Die Berliner Kranken schienen vergleichsweise schwieriger gewesen zu sein, wie einem Bericht aus dem Jahre 1957 zu entnehmen ist: „Während die Berliner Patienten besonders in den letzten Jahren häufig eine intensive medikamentöse – wenn nicht nur chirurgische – Behandlung hinter sich hatten, so handelt es ich bei den Kranken aus dem Bezirk Frankfurt (Oder) meist um frisch unvorbehandelte Fälle. (…) Während die unvorbehandelten Patienten einsichtsvoll und dankbar sich kurgemäß verhalten, fühlen sich die anderen als nur zur ‚Nachkur‘ eingewiesen und meinen, die Kurordnung nicht so ernst nehmen zu müssen.“ 487 Spätere Nutzung Die Einrichtung war bis in die frühen 1970er Jahre als traditionelle Lungenheilstätte (und nicht als Tuberkulose-Fachkrankenhaus) genutzt worden. Nach dem Rückgang der Tuberkuloseerkrankungen entschied man sich 1974, die Anstalt in ein „Feierabendheim für Senioren“ umzuwandeln. Nach der Wende wurde das Gebäude umfassend saniert. Heute 481 Außerdem: zwei Abteilungsschwestern, eine Laborgehilfin, ein Bademeister, sieben Hausmädchen, sechs Küchenangestellte, fünf Wäschereiangestellte, ein Maschinenmeister, ein Heizer, ein Gärtner, ein Kutscher, und mehrere „Tagelöhner“. Ebd., S. 15 482 Ziemer et al., 50 Jahre Heilstätte Müllrose, S. 2 483 Ebd., S. 4 484 Akte Heimstätten, Landesarchiv Berlin, 1938; A Rep 302, Nr. 148 485 Ziemer et al., 50 Jahre Heilstätte Müllrose, S. 2 486 Ebd., S. 2 487 Ebd., S. 4 128 befindet sich in dem denkmalgeschützten Anwesen ein Seniorenpflegeheim der „Entwicklungsgesellschaft für Gesundheit und Soziales mbH“.488 3.2.9 Sommerfeld, Kremmen Die damals noch eigenständige Stadt Charlottenburg (seit 1920 ein Berliner Stadtbezirk) suchte 1907 ein Grundstück für den Bau einer eigenen Tuberkuloseheilstätte (der heutige Berliner Stadtbezirk Schöneberg hatte kurz zuvor bereits eine Heilstätte im brandenburgischen Sternberg eröffnet, s. 3.2.10). Auf eine Zeitungsannonce hin wurden etwa 30 Angebote von zumeist brandenburgischen Gemeinden abgegeben. Am passendsten erschien dem Magistrat ein Grundstück am Beetzer See, nahe der Eisenbahnstrecke von Berlin nach Kremmen. Zu einem relativ niedrigen Kaufpreis erwarb die Stadt das Gelände. Geplant war die Errichtung eines Lungentuberkulose-Krankenhauses und der Bau eines Heims für Rekonvaleszente Die Tuberkulosepatienten, die bisher im städtischen Klinikum Westend behandelt wurden, sollten wegen der im Stadtraum Charlottenburg gegebenen hohen Ansteckungsgefahr nach Sommerfeld „ausgelagert“ werden.489 Der Charlottenburger Stadtbaurat Heinrich Seeling und der Leiter der Entwurfsabteilung, Richard Ermisch, erhielten 1910 den Auftrag für den Bau einer Krankenhausanlage für 222 Betten (Frauen und Männer). Der Name der neuen Einrichtung sollte bewusst nicht das Wort „Tuberkulose“ enthalten. Der Charlottenburger Magistrat einigte sich auf die Bezeichnung „Waldhaus Charlottenburg in Sommerfeld-Osthavelland“. Im Juli 1912 übernahm Dr. Ulrici den Chefarztposten. Er war zuvor in der Heilstätte Müllrose tätig und wurde abgeworben. Am 1. Oktober 1913 gelang die Eröffnung der Einrichtung, aber erst im Laufe des Jahres 1914 konnten alle Bauarbeiten abgeschlossen werden.490 Gerhard Vinken beschreibt die Anstalt Sommerfeld in einer denkmalpflegerischen Einschätzung aus dem Jahre 1995: „Die verschiedenen Funktionsbauten der 1912-14 errichteten ehemaligen Lungenheilstätte sind wirkungsvoll in einem weitläufigen parkähnlichen Landschaftsgarten angeordnet. Sie sind außerordentlich phantasievoll und detailfreudig in einem alpinen Landhausstil gestaltet, dessen Formenvielfalt und Farbenpracht durch die derzeit vorgenommenen Restaurierungsarbeiten wieder besser zur Geltung gebracht wird. 488 Internetseite der Entwicklungsgesellschaft für Gesundheit und Soziales mbH. Abgerufen unter www.entwicklungsgesellschaft.de/aph/index.html am 2 November 2013 489 Andreas Schmitt, ‚Leuchten wir mal hinein’. Das Waldhaus Charlottenburg in Sommerfeld/Osthavelland 19051945. Ein Stück Berliner Tuberkulosemedizin. Onlineveröffentlichte Dissertation FU Berlin 1999. Abgerufen unter: www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000001516 (mehrfacher Abruf), S. 27-30 490 Schmitt, Leuchten wir mal hinein, S. 32-36 129 Die in der märkischen Landschaft durchaus exotisch anmutende Architektursprache der Heilstätte läßt sich (auch im Hinblick auf ihre Bestimmung) als programmatisch verstehen und bietet so einen interessanten Ansatzpunkt für eine Analyse der in ihrer Art einzigartigen Krankenhausanlage“.491 Vinken nennt die von Heinrich Seeling entworfene Lungenheilstätte „ein anschauliches Beispiel für die Vielfalt der Reformbestrebungen innerhalb der wilhelminischen Architektur“ 492 und stellt sie als Beispiel für neues Bauen neben den Werkbund oder die Gartenstadtbewegung jener Zeit. Im Gegensatz zu den Zweckbauten, wie sie z.B. Schmieden und Boethke entwarfen, wählte Seeling für seinen Entwurf einer Lungenheilstätte „die Gestalt einer dörflichen Alpenidylle“. Gebäude, wie z.B. der Wirtschaftshof, repräsentieren einen symbolischen Dorfplatz und der Verwaltungstrakt mit seiner Uhr am Giebel könnte auch ein österreichisches Rathaus darstellen. „Die Wahl eines ‚alpinen Landhausstils’ läßt sich vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Reformbestrebungen auch programmatisch lesen“, merkte Schmitt an.493 Der Eindruck eines Bergdorfs sollte dem Tuberkulösen, der meist aus einer ungesunden Großstadtatmosphäre nach Sommerfeld kam, auch architektonisch „die mit dem Landleben assoziierte Unverdorbenheit und bescheidene Sittlichkeit“ suggerieren.494 Die Anlage besteht aus einem dreiflügeligen Gebäude mit zwei Stockwerken und einem Dachgeschoss, in dem die Personalwohnungen untergebracht waren. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss befanden sich auf der Südseite Räume für über 200 Patienten und auf der Nordseite Aufenthaltsräume, Speisesäle und sanitäre Einrichtungen. Es gab Ein-, Zwei- und Vierbettzimmer sowie drei Schlafsäle für fünf bis sechs Personen. Zwischen den beiden Hauptgebäuden stand ein Badehaus mit einem Inhalatorium und einem vorgelagerten Luftbad. Ein zusätzliches Gebäude enthielt ein Untersuchungszimmer mit OP-Einrichtungen, ein Röntgenkabinett und eine Apotheke.495 Bei seiner Eröffnung konnte Sommerfeld bis zu 220 Patienten aufnehmen. Chefarzt Dr. Ulrici, beschreibt in einem Bericht die Patienten in Sommerfeld wie folgt: „Unserem Krankenmaterial, Männern wie Frauen, merkt man ohne weiteres an, daß es aus der Großstadt kommt. Wie sollte das auch anders sein? Blaßgesichtig, unterernährt, hastig, nervös, dabei leidlich sauber und, gelinde gesagt, nicht verlegen, sind unsere Kranken fast ausnahmslos. Bei näherer Betrachtung entdeckt man noch in einigen 491 Gerhard Vinken, Die Lungenheilstätte „Waldhaus Charlottenburg“ von Heinrich Seeling. Alpenidylle in der Nähe Berlins. Brandenburgische Denkmalpflege, 4(2)/1995, S. 30-37. 492 Ebd. 493 Schmitt, Leuchten wir mal hinein, S. 10 494 Vinken, Die Lungenheilstätte „Waldhaus Charlottenburg“ von Heinrich Seeling, S. 30-37 495 Schmitt, Leuchten wir mal hinein, S. 41f. 130 anderen Zügen den Einfluß des Großstadtmilieus“. 496 Im ersten Jahr kamen - kriegsbedingt - nur 178 Erwachsene und 10 Kinder. Ab 1915 wurde ein Teil der Kliniken als Lazarett genutzt.497 Aufgrund der Krisensituation nach dem Ersten Weltkrieg und des Wechsels der Verwaltung von der freien Stadt Charlottenburg zum Berliner Bezirk (1920) wurden in Sommerfeld sämtliche Ausbauvorhaben für die Anstalt zurückgestellt. Bereits unmittelbar nach Kriegsende geplante Projekte, wie ein Gebäude für tuberkulöse Kinder und eine Ärztewohnung, konnten erst Mitte 1922 fertiggestellt werden. Der weitere Ausbau der Anlage erfolgte nach 1924.498 Der Chefarzt Ulrici, der maßgeblich am Aufbau Sommerfelds mitwirkte, wollte außerdem zwei neue Gebäude (mit 200 Betten) für schwerkranke männliche Tuberkulöse, einen Anbau an die Frauenheilstätte mit 40 weiteren Betten sowie ein Haus für tuberkulöse Kinder mit 100 Betten errichten lassen. Als Architekt für den hierzu erforderlichen Neubau wurde Stadtbaurat Winterstein eingesetzt. Im Zuge der Erweiterung sollte Sommerfeld von 256 Betten im Jahre 1924 auf über 600 Betten anwachsen. Außerdem war an die Einrichtung eines OP-Trakts und eines Röntgenkabinetts in einem Anbau des Badehauses gedacht worden. Finanzielle Hürden und zusätzliche Kostenprüfungen führten dazu, dass die meisten der geplanten Bauten erst im November 1928 fertiggestellt werden konnten. Ein ebenfalls vorgesehener zweiter Patientenpavillon für Männer, ein Lehrgebäude für über 30 Hörer sowie vorgesehene Neubauten für tuberkulöse Kinder wurden nicht realisiert.499 „Mit der Eröffnung der neuen Bauten hatte sich das Bild des Waldhauses rein äußerlich nicht gewandelt. Trotz einer Aufstockung der Kapazität um 180 Betten war der Dorfcharakter erhalten geblieben. Die neuen Pavillons wie die Wohnhäuser orientierten sich in Form, Größe und Ausrichtung geradezu streng am alten axialen und dörflichen Konzept des Architekten Seeling.“500 Über die Vergrößerung der Anlage hinaus hatte Ulrici die Absicht, in Sommerfeld eine Forschungsanstalt zu etablieren und sah sich hier in Konkurrenz zu den Kliniken in Berlin-Buch (späterer Charité-Campus). Vor allem im Hinblick auf chirurgische Eingriffe führte Sommerfeld die Statistiken an: Im Jahre 1923 wurden 109 Operationen in der Klinik durchgeführt, erheblich mehr als in vergleichbaren Einrichtungen. Auch in den Folgejahren erfolgte etwa ein Fünftel 496 Leitung der Heilstätte Müllrose, Aerztlicher und Rechenschafts-Bericht 1907-1912, S. 15 Schmitt, Leuchten wir mal hinein, S. 47 498 Ebd., S. 83 499 Ebd., S. 84-92 500 Ebd., S. 86 497 131 aller Operationen an Berliner Tuberkulosepatienten in Sommerfeld.501 Zu den bekanntesten Patienten in Sommerfeld gehörte Joachim Ringelnatz, der sich hier vom 7. Juni bis zum 3. Oktober 1934 behandeln ließ (vgl. auch 2.10.3). Als er nach einer Untersuchung durch Ulrici in Sommerfeld aufgenommen wurde, war er schon auf 50 kg Körpergewicht abgemagert. Nicht nur die Lunge, sondern auch der Kehlkopf waren stark von der Tuberkulose betroffen. Sein Zustand besserte sich nicht. Am 3. Oktober beendete er den Aufenthalt in Sommerfeld auf eigenen Wunsch. Er starb wenige Tage später in der bedrückenden Erkenntnis, er sei auch außerhalb Sommerfelds „zu schwach fürs Arbeiten“502. Ringelnatz war krank geworden, nachdem die Nationalsozialisten seine Bücher verbrannt und ihm öffentliche Auftritte verboten hatten.503 Nach dem Krieg wurde die Lungenklinik von der DDR weiterbetrieben, war aber zusätzlich für die Fachgebiete Orthopädie und Manuelle Medizin zuständig. Der Berliner Senat übernahm 1990 als Rechtsnachfolger das Waldhaus Sommerfeld und veräußerte es an den Paritätischen Wohlfahrtsverband. 1997 wurde die Einrichtung in eine Rehaklinik umgewandelt. Sommerfeld ist nun unter dem Namen „Sana Kliniken Hellmuth Ulrici“ als orthopädisches Rehabilitationszentrum bekannt, das von der Sana Kliniken AG (Tochtergesellschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands) und dem Landesverband Berlin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands gemeinsam getragen wird.504 501 Ebd., S. 124 Ebd., S. 218 503 Volker Weidermann, Das Buch der verbrannten Bücher. Köln 2008, S. 89f. 504 Internetseite zur Geschichte der Sana Klinken Sommerfeld. Abgerufen unter: www.sana-hu.de/ueberuns/historie/waldhaus-charlottenburg.html am 3.November 2013 502 132 3.2.10 Sternberg (Torzym) Die „Heimstätte“505 genannte Lungenheilanstalt der Stadt Schöneberg befand sich etwa zwei Kilometer nordwestlich der neumärkischen Kleinstadt Sternberg. Das Haus wurde am 1. Juli 1907 vom Schöneberger Heilstättenverein eröffnet. Federführend für die Errichtung war der Schöneberger Sanitätsrat Dr. Johannes Rabnow.506 Als Dezernent für soziale Hygiene der Stadt leitete er den Aufbau der Einrichtung, die in einem Waldgebiet, etwa 700 Meter von der Bahnstrecke Berlin-Warschau entfernt, auf einer Höhe von 130 Metern über dem Meeresspiegel liegt.507 Die Kranken konnten sich vom Bahnhof Sternberg abholen lassen.508 Erst während des Baus der Heilstätte wurde beschlossen, nur weibliche Tuberkulosekranke aufzunehmen. Dafür waren die besonders lang gewordenen Wartelisten ausschlaggebend. Da aber auch für männliche Tuberkulöse ein erheblicher Bedarf bestand, wurde bereits im ersten Betriebsjahr mit den Planungen für einen zweiten Krankenpavillon begonnen, der im Mai 1909 fertiggestellt werden konnte509. Auf Wunsch der Stadt Schöneberg sollten im zweiten Pavillon nur männliche Patienten Aufnahme finden.510 Der Schöneberger Stadtverordnete Voßberg bedachte testamentarisch den Heilstättenverein, der daraufhin den Frauenpavillon ausbauen ließ und Ländereien ankaufte, um den Anstaltspark um etwa 56 Hektar auf 100 Hektar Fläche zu vergrößern. Außerdem wurden eine große neue Liegehalle sowie eine Chefarztvilla errichtet. Zum Jahresende 1911 erreichte die Heilstätte ihren vorerst größten Ausbauzustand: 74 weibliche und 28 männliche Patienten konnten aufgenommen werden. Die Anstalt ging zum 1. April 1911 in das Eigentum der Stadt Schöneberg über. Die Verwaltung lag aber weiterhin beim Heilstättenverein. Chefarzt war von 1907 bis 1921 Dr. Brandenburg. Im Dezember 1914 wurden Teile des Männerpavillons in ein Lazarett für bis zu 25 lungenkranke Soldaten umgewandelt. 505 Die Begrifflichkeit „Heimstätte“ kennzeichnet, dass auch Schwerkranke aufgenommen wurden, bei denen keine Aussicht auf Heilung bestand, vgl. A. Fuld, Heilstätten und Heimstätten, Die Gegenwart, 61(31)/1902, 226-227 506 Rabnow (1855-1933) war nach seiner Dezernententätigkeit ab 1910 als Stadtrat für die kommunale Medizin und Hygiene zuständig. Zwischen 1920 und 1924 war er Stadtrat für Medizin in Groß-Berlin. 507 Robert Piotrowski, Erbe und Zukunft. Soziohistorische Studie der Traditionen des öffentlichen Gesundheitswesens in eh. Ostbrandenburg bis 1945. Landsberg/Warthe 2010, S. 8 508 Aufnahmebedingungen der Berliner Lungenheilstätte „Schöneberg“ in Sternberg/Nm., Februar 1930, Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose in Schöneberg e.V. Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Rep. 55 VIIb 196 509 Die Heimstätte Schöneberg in Sternberg, Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Rep. 55 VIIb 196, S. 7 510 Ebd., S. 7 133 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 10: LAGE DER HEILSTÄTTE STERNBERG/NEUMARK 511 Im Rahmen der Bildung der Stadt Groß-Berlin im Jahre 1920 wurde die Stadt Schöneberg eingemeindet und war von da an ein Verwaltungsbezirk Berlins.512 Damit gelangte die Heilstätte in Sternberg/Neumark in den Besitz der Stadt Berlin. Sternberg war nunmehr neben der Tuberkuloseklinik Waldhaus (der ehemaligen Stadt Charlottenburg) in Sommerfeld eine der beiden städtischen - nicht LVA-eigenen - Berliner Heilstätten auf brandenburgischem Gebiet.513 Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den ersten Nachkriegsjahren und aus Anlass einer „Agitation politisch irregeführter Patienten der Männerabteilung“ (nähere Angaben waren hierzu nicht zu ermitteln) musste die Abteilung für männliche Tuberkulöse am 31. Januar 1921 geschlossen werden und war ab jetzt nur noch für die Aufnahme von weiblichen Patienten geöffnet. Am 1. Juli 1921 übernahm Dr. Schwalm aus Stettin die Leitung der Heilstätte.514 Die Aufnahmebedingungen für die Heilstätte aus dem Jahre 1930 ermöglichen einen Einblick in das Belegungsverfahren: „In zwei Gebäuden können 102 Kranke in Schlafräumen mit 1-4 Betten untergebracht werden. […] Die Lungenheilstätte „Schöneberg“ nimmt lungenkranke Frauen und Mädchen (vom zehnten Lebensjahre an) auf, deren Leiden Aussicht auf Heilung oder doch erhebliche Besserung bietet und die nach ärztlichem Urteil für eine Heilstättenkur geeignet sind. Dem leitenden Arzt der Anstalt, Dr. Schwalm, bleibt es vorbehalten, 511 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_3656_1986, 1939 Helmut Winz, Es war in Schöneberg. Aus 700 Jahren Schöneberger Geschichte, Berlin 1964. 513 Die Heimstätte Schöneberg in Sternberg, Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Rep. 55 VIIb 196, S. 8 514 Ebd., S. 8 512 134 ungeeignete Patienten zu entlassen. Die Kurdauer beträgt in der Regel drei Monate; ist eine Kurverlängerung erforderlich, so wird sie rechtzeitig vom leitenden Arzt bei der Entsendestelle beantragt. Die Aufnahme von Kranken erfolgt durch die Auskunfts- und Fürsorgestelle für Tuberkulöse in Berlin-Schöneberg, Neues Rathaus, wohin Aufnahmeanträge unter Beifügung eines ärztlichen Zeugnisses zu richten sind.“515 Im Jahre 1928 befanden sich nahezu 60 Prozent der Patienten in Sternberg in einem fortgeschrittenen Stadium der Tuberkuloseerkrankung und 37% litten an offener Tuberkulose. Im Jahre 1924 wurden etwa 20 Prozent der Patienten als unheilbar entlassen (im Jahre 1928 waren es nur noch halb so viele). Die Anzahl der chirurgischen Eingriffe stieg zwischen 1922 und 1928 anteilig von 1,7 auf 20,1 Prozent. Auch in Sternberg bahnte sich also der Wandel der traditionellen Heilstätte in ein Fachkrankenhaus an.516 Für die Unterhaltung der Patienten standen ab 1925 eine Radioanlage und ab 1926 ein Kinoprojektor zur Verfügung. Die Stadt Schöneberg unterhielt neben der Heilstätte für Frauen und Mädchen (ab 10 Jahren) in Sternberg auch eine Zweigstelle (mit 36 Betten) für erholungsbedürftige Kinder am Südstrand der Nordseeinsel Föhr. Das Haus war im Juli 1909 eröffnet worden.517 Auch Forschung wurde in Sternberg betrieben. Es gab u.a. Versuche mit der GersonSauerbruch’schen Diät und mit der Behandlung durch Milzzufuhr. Die Stadt Sternberg befindet sich in der Region Neumark, die seit 1945 zu Polen gehört. Der Ort heißt polnisch Torzym. Die Heilstätte liegt nordwestlich der Stadt in einem Waldgebiet an der ul. Biernackiego. Noch heute erfüllt eines der beiden einstigen Heilstättengebäude seine ursprüngliche Funktion. Die gesamte Anlage gehört zur Lebuser Fachklinik für Pulmologie und Kardiologie (Lubuski Szpital Specjalistyczny Pulmonologiczno-Kardiologiczny). Im Hauptgebäude der Heilstätte ist heute eine kardiologische Rehaklinik (Oddział Rehabilitacji Kardiologicznej) untergebracht und im Nebengebäude die pulmologische Fachklinik sowie die Tuberkuloseabteilung (Oddział Pulmonologii, Oddział Gruźlicy i Chorób Płuc).518 515 Aufnahmebedingungen der Berliner Lungenheilstätte „Schöneberg“ in Sternberg/Nm., Februar 1930, Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose in Schöneberg e.V., Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 55 VIIb 196 516 Die Heimstätte Schöneberg in Sternberg. Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 55 VIIb 196, S. 8 517 Der Schöneberger „Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose“ eröffnete 1909 eine Heilstätte für lungen- und gelenktuberkulöse Kinder in Boldixum, Wyk auf Föhr. Sie war bis 1960 in Betrieb und wurde dann schrittweise in eine Kurklinik für allergie- und asthmakranke Kinder umgewandelt. Seit 1967 befindet sich in den Gebäuden ein Wohnheim für geistig beeinträchtigte Kinder und Jugendliche, ab 1983 firmierte die Einrichtung als eine Außenstelle des Auguste-Viktoria-Krankenhauses Berlin-Schöneberg mit 130 Betten. Aus: Festschrift 75 Jahre Schöneberg in Wyk auf Föhr 1909-1984. Sonderdruck des Auguste-Viktoria-Krankenhauses. Archiv des Museums Tempelhof-Schöneberg, S. 3f. 518 Internetseite des Lebuser Fachkrankenhauses Sternberg. Abgerufen unter szpitaltorzym.pl/Map/Show.html am 30. März 2013. 135 3.2.11 Trebschen (Trzebiechów) Die Idee, ein Sanatorium in dem kleinen ostbrandenburgischen Dorf Trebschen (heute polnisch Trzebiechów) zu errichten, entstand bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert. Prinz Heinrich VII. Reuß, ein berenteter kaiserlicher Botschafter, bewohnte ein Schloss in Trebschen. Er und seine Frau, Prinzessin Marie Alexandrine von Sachsen-Weimar-Eisenach, entwickelten ausgeprägte soziale und karitative Interessen. Bereits 1876 gründeten sie in Trebschen eine Vorschule, 1900 ein Krankenhaus und ab 1897 wurden Grundstücke für den Bau eines Sanatoriums im Ort angekauft.519 In den Jahren 1902-1905 entstand nach Entwürfen des Bauunternehmers Max Schündler aus Zwickau (Außenarchitektur) und des berühmten Bauhausarchitekten Henry van de Velde (Innenausbau) das Sanatorium für - nicht ausschließlich lungenkranke - Erholungsbedürftige. Die Prinzessin Marie Alexandrine Reuß war maßgeblich an der Planung beteiligt, kritisierte diese aber später.520 Dass die Prinzessin sogar den Bauhaus-Architekten van de Velde für das Projekt Trebschen gewinnen konnte, lag vermutlich daran, dass der Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach dem Bauhaus in Weimar vorstand, also gleichsam „Vorgesetzter“ van de Veldes war.521 Die Eröffnung wurde im Januar 1905 gefeiert.522 Anders als das repräsentative Hauptgebäude, dessen Außenfassade von Schündler eher „konservativ“ gestaltet wurde (die Prinzessin erinnerte das Haus an ein Bahnhofsgebäude aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts), war die Innenausstattung äußerst modern gehalten. Architektonisch sollte sich das Sanatorium in die Tradition der norddeutschen Backsteinbauten einordnen lassen. Die einzelnen Gebäude waren „im Stil der englischen Cottage-Architektur“ mit Wandelgängen untereinander verbunden.523 Im Hauptgebäude gab es einen Lesesaal mit Wintergarten und einen Speisesaal. Die Patienten sollten alle Annehmlichkeiten eines Privatsanatoriums genießen können. Das spiegelte sich vor allem in der Innenarchitektur wider. Dazu gehörten Wanddekorationen im 519 Erwin Bockhorn-von der Bank, Vom Sanatorium zum Seniorenheim – hundert Jahre Kontinuität und Wandel in Trebschen/Trzebiechów. In: Antje Neumann und Brigitte Reuter (Hg.), Henry van de Velde in Polen/w Polsce. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen/Trzebiechów. Potsdam: Deutsches Kulturforum östliches Europa 2007, S. 15-24, hier S. 18 520 Antje Neumann, Das Haus des Arztes. In: Antje Neumann und Brigitte Reuter (Hg.): Henry van de Velde in Polen/w Polsce. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen/Trzebiechów. Potsdam: Deutsches Kulturforum östliches Europa 2007. S. 25-42, hier S. 25 521 Ebd., S. 28 522 Bockhorn-von der Bank, Vom Sanatorium zum Seniorenheim, S.18 und Neumann, Das Haus des Arztes, S. 25 523 Brigitte Reuter, Das Patientengebäude. In: Neumann, Antje & Reuter, Brigitte (Hg.): Henry van de Velde in Polen/w Polsce. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen/Trzebiechów. Potsdam: Deutsches Kulturforum östliches Europa, 2007. S. 43-66, hier S. 47 136 ganzen Gebäude, ein besonderer Frühstücksraum, mit Korbstühlen eingerichtete Gesellschaftszimmer (je eines für Damen und für Herren), eine Kegelbahn und ein Tennisplatz.524 Henry van de Velde arbeitete bei der Innenausstattung mit den Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau zusammen.525 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 526 ABB. 11: LAGE DER HEILSTÄTTE TREBSCHEN ("SOPHIENHS." IN DER KARTE GENANNT) Im Eingangsbereich zum Sanatorium wurde die Villa für den Chefarzt errichtet, in der sich auch das Untersuchungszimmer mit Röntgenkabinett, eine medizinische Bibliothek sowie Räumlichkeiten für Massagen und für die physikalische Therapie befanden.527 Der erste Leiter der Anstalt war Dr. Oskar Müller.528 Bereits ein Jahr nach der Eröffnung, im Sommer 1906, wurde das Sanatorium nach dem Tod des Prinzen Heinrich VII. für kurze Zeit geschlossen. Im Mai 1907 erhielt dann eine neugegründete private Gesellschaft die Trägerrolle. Der ärztliche und organisatorische Leiter der „Sanatorium Trebschen GmbH“ war Dr. Hans Brennecke. Die Gesellschaft wurde aber „aufgrund formaler Unregelmäßigkeiten“ schon im Januar 1908 wieder aufgelöst. Der Stabsarzt Dr. Ernst Diesing übernahm die Einrichtung, die 524 Ebd., S. 56f. Ebd., S. 59 526 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_3960_2192, 1938 527 Neumann, Das Haus des Arztes, S. 28 528 Antje Neumann und Brigitte Reuter, Das Sanatorium Trebschen: Anmutig und unaufdringlich. Dtsch Arztebl, 102(12)/2005, A-843 / B-713 / C-666 525 137 zwischen 1909 und 1911 in ein Erholungsheim des Deutschen Bankbeamtenvereins umgewandelt wurde. Im Jahre 1912 wechselte abermals die Trägerschaft: Das Deutsche Landerziehungsheim für Erholungsbedürftige in Waldsieversdorf pachtete das Sanatorium bis 1919. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Gebäude also hauptsächlich für privat finanzierte Kuren Erholungsbedürftiger genutzt.529 In der brandenburgischen Kreisverwaltung Züllichau-Schwiebus entstand nach dem Ersten Weltkrieg der Plan, mit den Geldern, die noch aus dem Stiftungsvermögen des 1886 verstorbenen Gutsbesitzers Hermann Hugo Vollmar stammten, eine Lungenheilanstalt einzurichten, und zwar in den Gebäuden des einstigen Privatsanatoriums in Trebschen. Damit wurde der Arzt Dr. Schelenz beauftragt. Die Heilstätte sollte den Namen „VollmarStiftung“ tragen. Im Mai 1920 konnte das Haus in Trebschen eröffnet werden.530 Bis Anfang 1926 befanden sich die der Stiftung zur Verfügung gestellten Gebäude noch im Besitz der Prinzenfamilie Reuß.531 Die Anlage war zunächst nur pachtweise dem Kreis ZüllichauSchwiebus vom Gut Trebschen überlassen worden. Dann kaufte der Kreis die Anlage, um bauliche Veränderungen durchführen zu können, ohne das Einverständnis der privaten Besitzerin einholen zu müssen.532 Die Landesversicherungsanstalt Berlin stellte aufgrund fehlender Patienten Ende 1926 die Überweisung von Versicherten nach Trebschen ein. Selbst die LVA-eigenen Heilstätten waren zu dieser Zeit nicht mehr voll belegt. Auch andere Kostenträger entsandten nach 1926 weniger männliche Kranke nach Trebschen. Deshalb standen freie Kapazitäten vermehrt für die Aufnahme von weiblichen Patienten zur Verfügung. Die meisten Patienten waren in den 1920er Jahren Versicherte der LVA Berlin und der LVA Grenzmark Posen-Westpreußen oder wurden als Angehörige der preußischen Schutzpolizei zum Kuraufenthalt nach Trebschen geschickt. Der Heilstättenbetrieb wurde unter Leitung von Dr. Schelenz bis kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs fortgeführt. Am 27. Januar 1945 schloss das Haus. Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung (Schelenz zog nach Hannover, wo er eine eigene Praxis eröffnete) nutzte die polnische Wojewodschaftsverwaltung bis 1965 die Gebäude weiterhin als eigenständige Lungentuberkulosefachklinik. 1966 richtete das Wojewodschaftskrankenhaus Grünberg (Zielona 529 Erwin Bockhorn-von der Bank, Antje Neumann und Brigitte Reuter, Die Geschichte des ehemaligen Sanatoriums Trebschen/Trzebiechów. In: Antje Neumann und Brigitte Reuter (Hg.), Henry van de Velde in Polen/w Polsce. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen/Trzebiechów. Potsdam: Deutsches Kulturforum östliches Europa 2007, S. 94f. 530 Bockhorn-von der Bank, Vom Sanatorium zum Seniorenheim, S. 21 531 Bockhorn-von der Bank et al., Die Geschichte des ehemaligen Sanatoriums Trebschen/Trzebiechów, S. 95 532 Jahresberichte 1925-1927 der Lungenheilstätte Vollmarstiftung, Preußische Staatsbibliothek Berlin. 138 Góra) im Trebschener Sanatorium eine bis 1973 bestehende Fachabteilung für Nervenkranke und Rekonvaleszente ein.533 Seit 1974 befindet sich in der alten Heilstätte ein Seniorenheim in der Trägerschaft des Landkreises Zielona Góra (Grünberg). Park und Gebäude wurden 2003 unter Denkmalschutz gestellt. Heute kommen viele architekturhistorisch interessierte Besucher nach Trebschen, um die liebevoll restaurierte Jugendstil-Innenausstattung, die Henry van de Velde zwischen 1902 und 1905 geschaffen hatte, zu besichtigen. Die polnische Henry-van-de-Velde-Gesellschaft hat in dem umfassend denkmalgerecht sanierten Gebäude ihren Sitz.534 3.2.12 Weitere Einrichtungen Eine weitere erwähnenswerte Einrichtung für Tuberkulöse im Raum Berlin-Brandenburg war die nur 15 Jahre lang existierende Anstalt für Lupuskranke in Müncheberg im märkischen Oderland. Sie wurde von dem pensionierten Regierungsbaumeister Arnold Beschoren entworfen und drei Kilometer westlich von Müncheberg bei Dahmsdorf erbaut535. An der Finanzierung der im Oktober 1930 eröffneten Lupusheilstätte beteiligten sich die Lupuskommission des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, das Reichsarbeitsministerium, das preußische Ministerium für Volkswohlfahrt, das Landes-Wohlfahrtsamtes Pommern, die Landesversicherungsanstalten Berlin, Brandenburg, der Grenzmark Posen-Westpreußen und Pommern sowie die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte.536. In Müncheberg wurden vor allem Kranke mit fortgeschrittener Hauttuberkulose aufgenommen. Die Abteilungen waren nach Geschlechtern getrennt. Insgesamt fanden 60 Erwachsene und 15 Kinder in der Einrichtung Platz. Zur Behandlung gehörten - wie in vielen Lungenheilstätten - die Gerson-Sauerbruch-Hermannsdorfer Diät sowie lokale und allgemeine Bestrahlungen durch Quarzlicht und Höhensonne. Ätzund Salbenverfahren ergänzten das Programm.537 Die Lupusheilstätte wurde 1945 im Kampf um Berlin stark beschädigt und nach dem Krieg abgetragen. Heute existiert nur noch ein einzelnes Gebäude, bei dem es sich vermutlich um die alte Arztvilla handelt. Der Name der Bushaltestelle „Müncheberg, Heilstätte“ weist noch auf die 533 Bockhorn-von der Bank et al., Die Geschichte des ehemaligen Sanatoriums Trebschen/Trzebiechów, S. 95 Ebd., S. 96 und Bockhorn-von-der-Bank, Vom Sanatorium zum Seniorenheim, S. 23 535 Ohne Autor, Heilstätte Müncheberg/Mark. Krankenhaus f. Hauttuberkulose, Bauwelt, Sonderausgabe, Heft 38, vom 18. September 1930 536 Ohne Autor, Heilstätte Müncheberg für Hauttuberkulöse. Eröffnet im Oktober 1930. Zeitschrift für das gesamte Krankenhauswesen, Heft 19, Berlin: Hansen, S. 1-15 537 Ebd. 534 139 ehemalige Einrichtung hin. Der einzige Chefarzt der nur 15 Jahre lang bestehenden Heilstätte blieb der Dermatologe Carl Friedrich Funk. 538 Außerdem ist noch das private Elisabeth-Sanatorium zwischen Potsdam und Stahnsdorf als Einrichtung für Lungenkranke in Brandenburg zu nennen. Der Lungenfacharzt Walter Freimuth übernahm 1912 den Auftrag, im Waldgebiet „Parforceheide“ ein Sanatorium für Lungenkranke einzurichten. Das im Jahre 1914 fertiggestellte Gebäude diente bis 1952 der Behandlung Lungenkranker. Von 1952 bis 1967 spezialisierte man sich auf Haut- und Lymphdrüsentuberkulose, zwischen 1967 und 1994 auf allgemeine Hautkrankheiten. Zuletzt umfasste die Anlage 90 Betten. Seit 1994 steht das Gebäude leer. Eine Nachnutzungsmöglichkeit wurde nicht gefunden.539 538 539 H.C Friederich, Prof. Dr. med. Carl Friedrich Funk zum 70. Geburtstag. Aesthetische Medizin, 13/1967, S. 1f. Georg Jopke, Elisabeth-Sanatorium steht nun unter Denkmalschutz, Potsdamer Neuste Nachrichten vom 6. September 2005. Abgerufen unter www.pnn.de/pm/115781/ am 8. November 2014 140 3.3 Die Lungenheilstätten im Harz Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 12: LAGE DER HEILSTÄTTEN IM HARZ 540 Der Begriff „Harz“ bezeichnet das höchste im nördlichen Deutschland gelegene Gebirge. Heute gliedert sich der Harz grob in den Oberharz (Teil des Bundeslandes Niedersachsen), den Unterharz (Bundesland Sachsen-Anhalt) und in die Region Südharz, die zusammen mit dem Eichsfeld einen gleichnamigen thüringischen Landkreis bildet. In dem Zeitraum, auf den sich die vorliegende Untersuchung erstreckt, war der Harz politisch zwischen den preußischen Provinzen Hannover und Sachsen aufgeteilt und umfasste außerdem Exklaven der Herzogtümer Anhalt und Braunschweig. Der Vollständigkeit halber werden die im Harz gelegenen nicht-preußischen Anstalten Albrechtshaus-Marienheim (Herzogtum Braunschweig), Schielo und Harzgerode (Herzogtum Anhalt) in dieser Studie ebenfalls berücksichtigt. 3.3.1 Felixstift, St. Andreasberg Am 3. Juni 1893 war ein Trägerverein für die spätere Heilstätte „Felixstift“ gegründet worden. Die Mittel zur Vereinsgründung hatte der an einer Lungenkrankheit verstorbene Referendar 540 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 141 Arthur Felix aus St. Andreasberg kurz vor seinem Tode bereitgestellt.541 Der achte Bericht der „Heilanstalt für bedürftige Lungenkranke (Felix-Stift) in St. Andreasberg i. Harz“, der vom Bauherrn der Anstalt, Dr. August Ladendorf, 1897 verfasst wurde, beginnt mit einem Rückblick auf die seit der Eröffnung vergangenen zwei Jahre. In diesem Zeitraum waren insgesamt 29 Kranke in der Einrichtung behandelt worden, und zwar 15 Männer, neun Frauen und fünf Kinder. Zehn Patienten kamen aus Hannover, acht aus Hamburg und sechs aus Brandenburg. Die weiblichen Tuberkulösen des Felixstifts waren auswärtig, d.h. in St. Andreasberger „Privatquartieren“ als Gäste untergebracht. Der Vorstand des gemeinnützigen Felixstifts beschloss im Jahre 1898 den Bau einer eigenen Anstalt für 30 bis 35 mittellose Kranke, die sich einen mehrwöchigen Kuraufenthalt nicht leisten konnten. Obwohl sich das Vermögen des Vereins zunächst nur auf 50.000 Mark belief und die Baukosten mit 70.000-90.000 Mark veranschlagt waren, wurde mit der Errichtung des Hauses begonnen.542 Nach Entwürfen „eines stadthannoverschen Architekten“ entstand im Sperrluttertal auf einer Höhe von 620 Metern nordwestlich von St. Andreasberg das vereinseigene Heilstättengebäude, das von der LVA Hannover von 1903 bis 1913 dauerhaft gepachtet wurde und den Namen „Andreasheim“ erhielt. Auf dem Gelände konnte zunächst ein kleiner Fachwerkbau mit einem Schlafsaal und einem Zweibettzimmer für insgesamt zehn Kranke errichtet werden. Im Jahre 1910 kam ein Erweiterungsbau mit neun Betten hinzu. Das zweite Fachwerkgebäude bot Unterkunft für 52 Patienten, ließ sich aber wegen unzulänglicher sanitärer Anlagen nur im Sommer nutzen. Der Anstaltspark hatte eine Fläche von zwölf Hektar. Im Jahr 1913 wurde das Andreasheim von Dr. Ladendorf aus St. Andreasberg geleitet. Neun weitere Personen waren zu dieser Zeit im Haus beschäftigt.543 Aufnahme fanden nicht nur Kranke, sondern auch körperlich stark geschwächte Personen mit „mehr oder weniger ausgesprochenen Erscheinungen der Tuberkulose“. 544 Diese Gäste sollten durch Kräftigung vor dem Ausbruch der Erkrankung bewahrt werden und während ihres 541 Hesse, Der Steierberg, S. 146 gibt als Herkunftsort Wiesbaden an. Felix sei 1888 aus gesundheitlichen Gründen nach St. Andreasberg gezogen und verstarb dort 1890. Ladendorff war sein Arzt in St. Andreasberg. 542 Das Felix-Stift in Sankt Andreasberg (Heilanstalt für bedürftige Lungenkranke - jetzt Andreasheim), Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180 Hildesheim Nr. 01317, S. 7 543 Johannes Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, Halle a.S.: Marhold, 1913, o.A. 544 August Ladendorf, Achter Bericht der Heilanstalt für bedürftige Lungenkranke (Felix-Stift) in St. Andreasberg i. Harz, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, 1897, Hann. 180 Hildesheim Nr. 01317, S. 2 142 Aufenthalts „einen gewissen Vorrath an Kraft und Lebensmuth für den Kampf uns Dasein“545 ansammeln. Für unheilbar gehaltene Tuberkulöse, von denen eine Ansteckungsgefahr ausging, wurden nicht behandelt. Verpflegung und Anwendungen waren in den monatlichen Kurkosten von 24 Mark inbegriffen. Medikamente, Mineralwässer und alkoholische Getränke mussten zusätzlich bezahlt werden. In Sonderfällen, z.B. bei Kranken ohne finanzielle Mittel, wurden die Kurkosten aus dem Stiftungsvermögen bezahlt. Mit Aufnahme in die Anstalt verpflichteten sich die Patienten, leichtere Arbeiten selbst zu erledigen.546 Die Hausordnung bestand aus einem strengen Reglement. Kranken, die „fleißig spazieren gehen und tüchtig essen“547, wurde eine schnellere Heilung versprochen. Am 1. Oktober 1967 wurde das Felixstift aufgrund gesunkener Einweisungszahlen geschlossen. Im September 1968 erfolgte der Abriss des historischen Gebäudes.548 Das Inventar erhielt die Heilstätte Erbprinzentanne.549 545 Ebd. Hausordnung des Felix-Stiftes, ebd. 547 Speise-Ordnung des Felix-Stiftes, ebd. 548 Winfried Dörner, Zauberberge im Harz, Streifzüge durch die Harzer Medizingeschichte, Heilstätten und Sanatorien, Bad Salzdetfurth: Dörner-Medien-Verlag (i. Dr.) 549 Wolf-Dieter Burde, 100 Jahre Landesversicherungsanstalt Hannover, Hannover: Referat für Öffentlichkeitsarbeit der LVA 1990, Archiv der DRV Standort Laatzen, S. 54 546 143 Luft und Licht laß ziehn durch Stub' und Kammer, vor ihnen flieht Krankheit und Trübsinn und Jammer550 3.3.2 Oderberg, St. Andreasberg Im Februar 1894 entwickelte die „Hanseatische Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversicherung“ den Plan, in St. Andreasberg ein Sanatorium für 80-100 männliche Lungenkranke zu errichten. Fach-Ausschuss und Vorstand der Versicherung waren sich aber uneins über die erforderliche Größe des zu errichtenden Krankenhauses. Daher wurde beschlossen, zwar die Infrastruktureinrichtungen der Heilstätte (wie Küche, Speisesaal und Verwaltungseinrichtungen) perspektivisch für eine Zahl von 100 Patienten auszulegen, aber die Aufnahme zunächst auf 50 Personen zu begrenzen. Noch in der Bauphase der Anstalt im Winter 1896 zeigte sich aber bereits, dass aufgrund einer Vielzahl potentieller Patienten, die um Aufnahme baten, dringend ein Vollausbau der neuen Heilstätte für 100 Personen erforderlich war. Diesem Bedarf wurde Rechnung getragen und zusätzlich der Dachstuhl der neuen Klinik ausgebaut, sodass letztendlich 115-120 Kranke aufgenommen werden konnten.551 Die „Heilstätte für lungenkranke Versicherte, welche entsprechend ihrer Belegenheit am Großen Oderberge bei St. Andreasberg die Bezeichnung ‚Heilstätte Oderberg‘ erhalten hat“552, wurde im Sommer 1897 eröffnet. Einige Jahre später konnte für weibliche Kranke ein weiteres Gebäude errichtet werden, dass nur etwa einen Kilometer von der Heilstätte für Männer entfernt lag. Es wurde unter dem Namen „Glückauf“ am 13. Juli 1901 eröffnet.553 Im Hinblick auf den Standort für den Klinikneubau sollten gewährleistet sein: „Staubfreiheit, volle Bestrahlung durch die Sonne auch während der kurzen Tage der Winterszeit, Schutz gegen raue, namentlich gegen nördliche und nordöstliche Winde, Nähe ausgedehnter Waldungen, gute Zugänglichkeit für Fuhrwerk zu jeder Jahreszeit, insbesondere auch bei Schnee, Vorhandensein der für den Heilstättenbetrieb genügenden Wassermenge auch zu trockener Jahreszeit, guter Baugrund […] und dabei den Vorzug einer hohen Lage, soweit dies im Harze zu erreichen.“554 Ursprünglich war für den Heilstättenbau ein Gelände bei Hohegeiß vorgesehen, aber eine 550 Einer von mehreren in den Fluren und Zimmern der Heilstätte Oderberg an die Wände gemalten Sprüchen. Aus: Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg, 1897-1898. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180, Hild. Nr. 1319, S. 21 551 Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg. Lübeck: Gebrüder Borchers. Staatsarchiv Hamburg, A 815 / 0009 552 Bericht an den Ausschuss der Hanseatischen Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversorgung vom 20. August 1897. Ebd., S. 1 553 Übersicht der im Harze gelegenen Sanatorien der LVA Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Han 122a XII Nr. 3068, S. 19-65 554 Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg 1897-1898. Ebd., S. 5 144 Eingabe des touristisch orientierten Harzklubs, in der eine Gesundheitsgefährdung der örtlichen Bevölkerung und Einbußen bei Einnahmen im Fremdenverkehr geltend gemacht wurden, verhinderte den Bau. Man entschied sich stattdessen für den Hang am Großen Oderberg, 640 Meter hoch gelegen, zwei Kilometern östlich von St. Andreasberg.555 Als Architekt wurde der in Bezug auf Sanatorienbauten als erfahren geltende Direktor der Barmener Baugewerkschule Erdmann Hartig ausgewählt.556 Insgesamt hatten alle baulichen Anlagen der Heilstätte eine Grundfläche von 3300 Quadratmetern. Die Anlage am Südhang des Großen Oderberges wurde so gewählt, dass „auch in den Jahreszeiten, wo der Sonnenstand ein tiefer ist, (…) das Heilstätten-Grundstück den ganzen Tag über der vollen Sonnenbestrahlung ausgesetzt“ ist557. Gegen Wind war die Anstalt durch den baumbestandenen Hang des Dreijungfernholzes geschützt. Die Lage an der wichtigen Straße zwischen St. Andreasberg und Braunlage sicherte der Einrichtung auch in Zeiten, in denen der Oberharz von einer dicken Schneedecke bedeckt war, den Zugang zur Anstalt. Neben dem Hauptgebäude und der Chefarztvilla wurden Häuser mit Dienstwohnungen für verheiratete Angestellte erbaut. Außerdem entstanden ein Kessel-, ein Maschinen- und ein Waschhaus sowie eine Desinfektionsanlage. Das über 100 Meter lange Haupthaus wurde, „bedingt durch die klimatischen Verhältnisse des Oberharzes“, in Fachwerkbauweise ausgeführt. Im Erdgeschoss und in den Obergeschossen der beiden Krankentrakte des Hauptgebäudes lagen - nach Süden hin ausgerichtet - die Patientenzimmer. Etwa 18-20 Kranke konnten jeweils auf einer Etage eines Flügels untergebracht werden. Vor der Südfassade des Haupthauses befanden sich 130 Meter lange hölzerne Liegehallen.558 An den Wänden der Krankenzimmer hingen fünf „Plakate, auf welche die dem Kranken für ihre Lebensführung nach ihrer Entlassung zu ertheilenden Rathschläge gedruckt sind.“559 Sie waren derart an den Wänden „aufgehängt, daß sie die Aufmerksamkeit der Insassen stets auf sich ziehen müssen“.560Man entschied sich bewusst gegen moderne Klosetts mit Wasserspülung, um die Flussläufe nicht mit möglicherweise infektiösen Fäkalien zu verunreinigen.561 Der Mittelbau der neuen Klinik beherbergte die Verwaltung, seitlich schloss sich jeweils ein Bettentrakt an. Aus Kostengründen verzichtete man bewusst auf künstlerische Verzierungen, und 555 Ebd., S. 11 Staatsarchiv Hamburg, Akte A 830 / 0801, S. I 557 Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg 1897-1898, S. 3 558 Ebd., S. 6 559 Ebd., S. 11 560 Ebd. 561 Ebd., S. 9 556 145 zwar sowohl an der Fassade, als auch im Gebäudeinneren. Das dadurch gesparte Geld wurde zur Verbesserung der technischen Ausstattung des Neubaus genutzt.562 Die Inneneinrichtung sollte „in einfacher, aber dauerhafter Beschaffenheit und von solcher Gestaltung gewählt“ werden, dass sie eine „möglichst gute Reinhaltung und Staubfreiheit sicher stellt“.563 Die Wäscherei war so großzügig ausgelegt, „daß sämmtliche Wäsche der Anstalt, wenn 120 Betten belegt sind, in etwa 3 Tagen fertig gewaschen, getrocknet und gemangelt bezw. gebügelt werden kann“.564 Für die Desinfektionsanlage (Hersteller: Rietschel und Henneberg) wurde ein eigenes Gebäude errichtet.565 Für den Chefarzt wurde ein eigenes Wohnhaus zwischen Klinik und Straße errichtet. Dem Gebäude wurde eine „solche Lage gegeben, daß der Arzt von ihm aus den an der Südseite des Hauptgebäudes belegenen, für den Aufenthalt der Kranken im Freien vorzugsweise bestimmten Platz und die an der Südseite des Hauptgebäudes sich hinziehenden Hallen thunlichst zu übersehen vermag“566. Der erste Chefarzt wurde 1894 Dr. Ladendorf. Er betreute neben der Heilstätte Oderberg auch die Anstalt „Glückauf“ für weibliche Lungenkranke. Ladendorf wurde 1896 von Dr. Karl Georg Liebe und dieser 1897 von Dr. Hartung abgelöst.567 In der „Ordnung für die Verwaltung der Heilstätte Oderberg“ von 1898 heißt es: „Das Ziel der Behandlung soll sein, die in die Heilstätte Aufgenommenen zu heilen und, sofern dies nach Lage des Falles oder innerhalb der zu Gebote zu stellenden Behandlungsdauer nicht möglich sein sollte, sie wenigstens in den Zustand dauernder Erwerbsfähigkeit zu versetzen.“568 Kranke, bei denen die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit aussichtslos erschien, konnten nicht in der Heilstätte bleiben oder gar nicht erst aufgenommen werden. Neben der eigentlichen Behandlung wurde bei allen Kranken die Gesundheitserziehung als wichtiges Element des Kuraufenthalts gesehen.569 Jede Krankenstation bildete eine „Abteilung“, in der ein „Obmann“ den Patienten vorstand. Er sollte als „Vertreter der Kranken gegenüber der 562 Bericht an den Ausschuß der Hanseatischen Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Alterversorgung vom 20. August 1897. Ebd., S. 1 563 Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg, 1897-1898, S. 11 564 Ebd., S. 3 565 Die Heilstätten Oderberg, Glückauf, Gross-Hansdorf, errichtet von der Landes-Versicherungsanstalt der Hansestädte in Lübeck. Lübeck: Gebr. Borchers 1901. Verfügbar als elektronische Ressource bei der Zentralbibliothek der Humboldt-Universität Berlin: edoc.hu-berlin.de/ebind/hdok/h18_landesversicherungsanstalt_1901/XML/ 566 Bericht an den Ausschuß der Hanseatischen Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversorgung vom 20. August 1897, S. 2 567 Staatsarchiv Hamburg, A 830 / 0801, S. 19 568 Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180, Hild. Nr. 1319, S. 13 569 Ebd., S. 13 146 Heilstätten-Verwaltung und ebenso Vertreter und Organ der letzteren gegenüber den Kranken sein.“570 Zu den Aufgaben des Obmanns gehörte es z.B., beim Essen im Saal die Speisen auszuteilen, auf Anweisung des Inspektors den Lichtschalter zu betätigen, die Benutzung der Waschräume zu beaufsichtigen und „bei Spaziergängen und Ausflügen auf ein gutes Verhalten der Kranken Obacht zu geben.“571 Der Obmann sollte auch generell kontrollieren, ob die anderen Kranken die Kurvorschriften beachteten. Wöchentlich musste er dem Arzt und dem Inspektor Bericht erstatten. Die Kranken wurden zu leichten Arbeiten im Sinne arbeitstherapeutischer Maßnahmen herangezogen. Außerdem waren tägliche Dienste zu verrichten. Dazu gehörten Bettenmachen, Stiefelputzen, Ausspülen der Spuckgläser und diverse Hilfestellungen bei den „Abreibungen“ und Bädern. Das Auslegen oder Verteilen von Zeitungen oder politischen Schriften war den Patienten verboten. Zu kirchlichen Andachten sollte niemand genötigt werden. Gläubigen Patienten wurde auf Wunsch erlaubt, sonntags den Gottesdienst in St. Andreasberg zu besuchen.572 Im Jahre 1898 fanden 316 Patienten in Oderberg Aufnahme. Bei drei Viertel der Patienten wurde in jenem Jahr bei Beendigung ihres Aufenthalts eine Besserung des Zustands festgestellt, bei 15 Prozent war keine Veränderung eingetreten und bei sieben Prozent der Kranken hatte sich das Bild während des Aufenthalts sogar noch weiter verschlechtert. Fast alle Behandelten konnten aber ihr Körpergewicht steigern und bei einer Mehrheit wurde die Erwerbsfähigkeit zumindest für einige Jahre wiederhergestellt. Die Kranken waren zwischen 16 und 62, die meisten zwischen 20 und 25 Jahre alt. In der Regel blieben sie drei Monate lang in der Heilstätte. In beruflicher Hinsicht war die Klientel gemischt. Es waren Handwerker und Arbeiter, aber auch Angestellte als Patienten in Oderberg.573 Spätere Nutzung In den 1960er Jahren wurden die Häuser aufgrund mangelhaften Zustands abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Die Chefarztvilla ist (Stand: Sommer 2014) das einzig erhaltene Gebäude der ursprünglichen Anlage. 570 Ebd., S. 14 Ebd., S. 15 572 Ebd., S. 18 573 Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg, 1897-1898. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180, Hild. Nr. 1319, Ärztlicher Bericht des Jahres 1898, S. 45-49 571 147 Im Jahre 1975 änderte sich das Profil der Klinik. Es fand eine Umstellung von der Tuberkulosebehandlung auf eine Herz-Kreislauf-Behandlung statt. In den 1980er Jahren wurde die Anstalt in eine Klinik für Innere Medizin umgewandelt und in „Rehbergklinik“ umbenannt. Im Jahre 2007 beendete die Klinik ihren Betrieb. Seitdem stehen die Gebäude leer.574 Seit kurzem gibt es konkrete Pläne für eine Nutzung der in den 1960er Jahren errichteten Nachfolgebauten der Heilstätte Oderberg. Ein Luxushotel „Rehberg-Ressort“ soll entstehen.575 3.3.3 Glückauf, St. Andreasberg Das Gebäude der Heilstätte Glückauf (für weibliche Tuberkulöse) wurde von den Architekten Theodor Sartori und Alfred Redelstorff entworfen. Der Bau entstand auf einem Gelände mit einer Größe von 3,13 Hektar, das die LVA der Hansestädte im April 1899 erworben hatte.576 Die Einrichtung sollte der Aufnahme von 100 Patientinnen dienen und war verwaltungstechnisch mit der ebenfalls in St. Andreasberg gelegenen Heilstätte Oderberg für männliche Tuberkulöse verbunden.577 Die heute nicht mehr vorhandene Anlage „Glückauf“ bestand aus einem mehrflügeligen Hauptgebäude, einer Chefarztvilla und einem Gärtnerhaus. Das Haupthaus war gleichsam um ein vorhandenes privates „Logiergebäude“ für Lungenkranke („Paganetti’sches Haus“ genannt) herumgebaut worden, das danach den Mittelflügel für das neue Anstaltsgebäude bildete. Im neuen Haupthaus waren auf allen vier Stockwerken die Patientenzimmer (Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer) eingerichtet worden. In einem Wirtschaftsanbau befanden sich im Erdgeschoss die Küche sowie die Wäscherei, im ersten Obergeschoss ein Speisesaal und im zweiten Obergeschoss zwei Wohnungen für Bedienstete. Die Liegehallen waren der Südfassade vorgelagert. Die Heilstätte verfügte an der Ostseite der Anlage über eine große offene Wandelhalle. Alle neuen Gebäudeflügel wurden in einer für den Harz typischen Bauart (mit Schwemmstein ausgemauertes Holz-Fachwerk in Bretterverschalung) errichtet.578 Die Heilstätte Glückauf schloss im Jahr 1956. Das Haus wurde in ein Sanatorium für Bronchialerkrankungen umgewandelt. Die Einrichtung war bis zum Jahr 1970 in Betrieb. Im November 574 Hesse, Der Steierberg, S. 149f. Internetseite des Norddeutschen Rundfunks, abgerufen unter: www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/ braunschweig_harz_goettingen/Ein-Kempinski-Luxushotel-fuer-Sankt-Andreasberg,andreasberg126.html am 2. Dezember 2014 576 Staatsarchiv Hamburg, A 830 / 0801 577 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 5/1906, S. 94f. 578 Bericht über die Heilstätte Glückauf. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180 Hildesheim Nr. 01320, S. 18-27 575 148 1972 erfolgte der Abriss der leerstehenden historischen Gebäude. Das Grundstück ist inzwischen mit Wohnhäusern neu bebaut worden.579 3.3.4 Erbprinzentanne, Clausthal-Zellerfeld Am 1. Oktober 1898 eröffnete das an der Landstraße zwischen Clausthal-Zellerfeld und Goslar gelegene „Genesungshaus Erbprinzentanne“. Der Entwurf der Anlage stammte von Kreisbauinspektor Baurat Rühlmann aus Zellerfeld.580 Die Heilstätte hatte zunächst eine Kapazität von 44 Betten. Bis Ende 1898 wurde die „Erbprinzentanne“ stetig erweitert.581 Die Kosten für den Bau aller Gebäude und für den Ankauf von Grundstückflächen überschritten bei weitem den ursprünglichen Voranschlag und betrugen insgesamt über 100.000 Mark.582 Bereits im ersten Sommer (1899) des Bestehens der Heilstätte musste man im Park eine zusätzliche Döcker’sche Baracke für weitere 14 Kranke aufstellen. Die Kapazität stieg bis zum Jahre 1901 auf 70 Betten. Das Heilstättengelände erfuhr in dieser Zeit eine Erweiterung auf neun Hektar, in den Folgejahren wuchs es auf über 15 Hektar an. Im Januar 1904 wurde die Aufnahme des 1000. Patienten (seit 1898) in Erbprinzentanne registriert. Die Döcker’sche Baracke zur provisorischen Aufnahme von Patienten konnte 1905 abgerissen und im Folgejahr durch einen festen Pavillon-Bau mit einer Kapazität von 20 Betten ersetzt werden. Das neue Haus diente vor allem zur Durchführung von Liegekuren. Kriegsbedingt wurde die Einrichtung in ein Lazarett umgewandelt. Erst im Jahre 1917 nahm das Haus Erbprinzentanne wieder zivile Tuberkulosekranke auf. Die Zahl der Patienten musste trotz steigender Nachfrage - aber noch im gleichen Jahr aufgrund der Mangelversorgung wieder begrenzt werden.583 Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage nach Kriegsende konnten bereits im Jahre 1920 Umbauten an einem 1916 angekauften Forsthaus vorgenommen und ein Wirtschaftsgebäude (mit Ställen für Pferde, Kühe, Schweine und Geflügel) errichtet werden. Inflationsbedingt schloss die Einrichtung vom Oktober 1923 bis Mai 1924. Im folgenden Jahr waren dann aber schon wieder umfassende Ausbau- und Restaurierungsmaßnahmen möglich. Da die Patienten ab 1926 nicht nur zur hygienisch-diätetischen Therapie nach Erbprinzentanne 579 Winfried Dörner, Zauberberge im Harz (i.Dr.), o.A. Ohne Autor, Die von Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten im Harze angelegten Heilstätten für Lungenkranke, Hannover: Alpers 1900. Auch als Online-Ressource der HU Berlin verfügbar: goobi.ub.huberlin.de/viewer/ resolver;sessionid=3E8B29A2726C860ABEC1BFDB45846F46, o. S. 581 LVA Hannover Fachklinik Erbprinzentanne (Hg.), Jubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen der Erbprinzentanne: vom Genesungshaus zur modernen Reha-Klinik Clausthal-Zellerfeld, 1998 und Burde, 100 Jahre Landesversicherungsanstalt Hannover, S. 21 582 Burde, 100 Jahre Landesversicherungsanstalt Hannover, S. 23 583 Ebd., S. 29 580 149 kamen, sondern nun auch neuartige chirurgische Behandlungsverfahren angewendet werden konnten, wurde die Klinik, die inzwischen auch Frauen aufnahm, nicht mehr „Genesungshaus“, sondern „Heilstätte“ genannt. In den Jahren 1927/28 erfolgte der Bau eines Erweiterungsflügels mit 30 Betten und mit modernen medizinischen Apparaturen, einem Höhensonne-Behandlungsraum, einer Wäscherei, einer Kaltbadeanstalt, einer Liegehalle für 50 Patienten sowie Wohnräumen für den Assistenzarzt und die Schwestern. Die Gesamtkosten für diesen im Juni 1928 eröffneten Trakt betrugen etwa 430.000 Reichsmark. Gleichzeitig wurden weitere Grundstücksflächen angekauft, auch um zu verhindern, dass sich eventuell störende Ausflugslokale in der näheren Umgebung der Heilstätte ansiedeln würden. Eine weitere Neuerung des Jahres 1928 war die Einführung eines Taschengelds für die Kranken. Männliche Patienten erhielten 20 Pfennig und Frauen zehn Pfennig pro Tag. Ab 1929 kümmerte man sich auch um jene Patienten, die nach ärztlichem Urteil ihre vor Ausbruch der Krankheit ausgeübte Tätigkeit aufgeben mussten. Sie wurden von der Anstaltsverwaltung in ein neues Beschäftigungsverhältnis vermittelt.584 Im Jahre 1934 gab es insgesamt 86 Betten. 1936 stieg diese Zahl schon auf 95 und im Jahre 1938 auf 99 Betten an. Nachweislich fanden ab 1937 nur noch männliche Patienten in der Erbprinzentanne Aufnahme. Im Jahre 1938 konnte eine Aufstockung des Anstaltspersonals auf 32 Mitarbeiter realisiert werden. Bereits im Folgejahr wurde damit begonnen, ein weiteres Bettenhaus zu errichten. Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs (im Jahre 1940) kam dieses Ausbauprojekt zum Abschluss. Die Heilstätte hatte jetzt eine Kapazität von insgesamt 136 Betten. Der Altbau wurde 1950 als abbruchreif eingestuft (Holzwurmbefall). Die LVA entschied sich aber zunächst gegen einen Abriss und für eine vorläufige Renovierung. 1956 erfolgte dann zeitgleich mit der Aufgabe der niedersächsischen Heilstätten Stübeckshorn und Riepenburg der Beschluss zu einem Um- und Neubau der Heilanstalt Erbprinzentanne.585 Die ersten neuen Gebäude eröffneten am 18. März 1958 und bis zum 15. Oktober 1960 konnte der Altbau - grundlegend instandgesetzt - wieder in Betrieb genommen werden. Die Anlage umfasste nun 190 Betten. In der Einrichtung waren zu dieser Zeit 115 Mitarbeiter beschäftigt.586 584 Ebd., S. 29f. Ebd., S. 48 586 Ebd., S. 54 585 150 Spätere Nutzung Im Jahre 1971 veranlasste die LVA den Abbruch einzelner Gebäude und die Umwandlung der Einrichtung in eine Klinik für innere Krankheiten. Ab 1973 trug die Anstalt dann gleichsam eine doppelte Bezeichnung: Sie war Fachklinik sowohl für Lungen- und Bronchialbeschwerden als auch für innere Krankheiten. Im August 2011 musste das Haus aus Kostengründen geschlossen werden. Seit dieser Zeit steht der Gebäudekomplex leer. Im September 2012 interessierte sich ein chinesischer Investor für die Anlage. Er wollte eine Klinik für traditionelle chinesische Therapie einrichten. Die Pläne scheiterten, und die Deutsche Rentenversicherung (als Eigentümerin) sucht seitdem einen Käufer für die Gebäude. Es gab aber auch bereits Überlegungen, die Anlage komplett abreißen zu lassen und das freigewordene Gelände anschließend zu veräußern. Inzwischen erneuerte der chinesische Investor wieder seine Kaufabsichten und präsentierte weitere Pläne zur Einrichtung eines Zentrums für chinesische Medizin.587 3.3.5 Schwarzenbach, Clausthal-Zellerfeld Südlich des Ortsteils Zellerfeld, an der Straße nach Buntenbock, wurde am 2. Mai 1899 das Genesungshaus „Schwarzenbach“ als zweite Lungenheilanstalt (für tuberkulöse Männer) der LVA Hannover eröffnet. Die Kapazitäten des Königsberg-Sanatoriums bei Goslar (s. 3.3.6) hatten nicht mehr ausgereicht. Daher wurde im März 1899 das Gelände einer nicht mehr bestehenden Nervenklinik, die von einem Dr. Appenrodt betrieben worden war, aufgekauft, um in dem vorhandenen Gebäude (ein zweieinhalbgeschossiger „Steinfachwerkbau mit Brettbekleidung“ 588) eine Lungenheilstätte einzurichten. Maurermeister Roscher aus Clausthal realisierte den ursprünglichen Bau (und hat vermutlich auch den Entwurf angefertigt).589 Das Gelände liegt inmitten einer Teichlandschaft (Oberharzer Wasserregal) auf einer Höhe von etwa 580 Metern.590 In den angrenzenden Fichtenwäldern unternahmen die Kranken die therapeutisch empfohlenen Spaziergänge. Im Hauptgebäude fanden 54 männliche Patienten Aufnahme. Zusätzlich konnten in den ersten Betriebsjahren während der Sommermonate zwei Döcker’sche Baracken für insgesamt 16 587 Pressemitteilung der Deutschen Rentenversicherung vom 13. September 2012. Abgerufen unter: www.deutscherentenversicherung.de/sid_3809286B8E14E97A0A1E7A4F1B67BA1E.cae01/BraunschweigHannover/de/Inhalt/ 4_Presse/Medieninformationen/01_Pressemitteilungen/PM_17_2012_Erbprinzentanne:%20Verkauf%20unter% 20Dach%20und%20Fach.html am 16. April 2013 588 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 114f. 589 Ohne Autor, Die von Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten im Harze angelegten Heilstätten für Lungenkranke, o. S. 590 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 115 151 weitere Kranke genutzt werden. Im Jahre 1903 wurde ein zweites Gebäude errichtet. 1910 kam ein Verbindungsgebäude (zwischen Alt- und Neubau) hinzu, in dem sich ein Tagesraum, eine beheizbare Liegehalle sowie technische Einrichtungen befanden. Der Chefarzt, der nicht auf dem Heilstättengelände, sondern im nahen Ort Clausthal wohnte, hatte im Jahre 1912 bis zu 70 Patienten in der Heilstätte gleichzeitig zu betreuen. Spätere Nutzung Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Heilstätte ausgebaut und modernisiert. Zugleich schaffte man ein EKG sowie ein Kurzwellen- und ein Röntgengerät an. Im Jahre 1954 erfolgte dann die Umgestaltung zu einer „großchirurgischen Heilstätte“, aber am 31. August 1969 wurde Schwarzenbach wieder geschlossen. Zuletzt hatte Chefarzt Dr. Naujoks die Anstalt geleitet, während die pflegerische Betreuung in den Händen von Krankenschwestern des Agnes-KarllVerbands lag. Die Kapazität des ausgebauten Hauses, die zuletzt zeitweilig 135 Betten betrug, war aufgrund der allgemein rückläufigen Tuberkulosepatientenzahl ständig abgesenkt worden. Im Mai 1969 gab es nur noch 53 Betten. Ab September 1969 fungierte die Heilstätte als „Sanatorium für aktivierende Übungsbehandlung“ (eine Art physiotherapeutische Rehabilitationsklinik). Für die neue Nutzung wurden nach und nach die alten Fachwerkgebäude abgerissen und durch neue Einrichtungen ersetzt, die den gestiegenen Ansprüchen genügten.591 In den 1970er Jahren verschwand dann auch der Name Schwarzenbach. Nichts mehr sollte an die einstige Tuberkuloseheilstätte erinnern, die nunmehr „Sanatorium am Hasenbach“ hieß. Ab 1983 änderte sich die fachliche Ausrichtung der Klinik erneut: Jetzt fanden Patienten mit inneren Krankheiten oder psychosomatischen Beschwerden darin Aufnahme. Wegen einer baulichen Erneuerung der Klinik wurden bis 2012 fast alle Gebäude aus den 1970er Jahren abgerissen.592 Lediglich die Chefarztvilla aus den 1920er Jahren und ein Wirtschaftsgebäude aus den 1950er Jahren sind bis heute erhalten geblieben.593 Die neue Einrichtung für 280 Patienten, die direkt am Ufer des Schwarzenbacher Teichs liegt, ist im Juli 2011 eröffnet worden. In der Bezeichnung „Rehazentrum Oberharz - Am Schwarzenbacher Teich“ wird somit wieder der Name der historischen Lungenheilstätte verwendet.594 591 Geschäftsbericht der LVA Hannover für das Jahr 1969. Unveröffentlicht, Archiv der DRV Standort Laatzen. Goslarsche Zeitung vom 27. August 2012. Abgerufen unter www.goslarsche.de/Home/harz/ oberharz_arid,289785.html am 14. Mai 2012 593 Hesse, Der Steierberg, S. 145 594 Pressemitteilung der DRV Braunschweig-Hannover vom 8. Juli 2011. Abgerufen unter www.deutscherentenversicherung.de/BraunschweigHannover/de/Inhalt/4_Presse/Medieninformationen/02_Pressearchiv/PM_2 011/PM_2011_Rehazentrum_Oberharz.html am 14. Mai 2012. 592 152 3.3.6 Königsberg, Goslar Auf dem Königsberg (in einigen Quellen auch „Nonnenberg“ genannt), dreieinhalb Kilometer oberhalb der Stadt Goslar, lag auf einer Höhe von 450 Metern die um 1892 erbaute „Villa Jaeger“. Sie wurde von einem Architekten namens Geburch aus Goslar entworfen.595 Die Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Hannover kaufte Anfang 1895 das in Privatbesitz befindliche Fachwerkhaus an, um dort ein Genesungsheim für männliche nicht-tuberkulöse Versicherte einzurichten, die aufgrund ihrer Erkrankung arbeitsunfähig geworden waren.596 Das Anwesen bestand aus Erd- und Obergeschoss, einem Seitenflügel und einem vom Hauptgebäude etwas abseits gelegenen Wirtschaftshaus, an das die Versicherungsanstalt einen Speisesaal anbauen ließ, in dem 50 Patienten ihre Mahlzeiten einnehmen konnten.597 Für die Versorgung mit frischer Milch standen eigene Kühe zur Verfügung. Ein besonderer Luxus war ein hauseigenes Pferdegespann, mit dem die Kranken am Goslarer Bahnhof abgeholt werden konnten.598 Der Umbau der Villa Jaeger wurde im Frühjahr 1896 offiziell abgeschlossen. Das „Genesungsheim Königsberg“ stand nun prinzipiell auch für 35 tuberkulöse Versicherte offen. Die ersten Kranken fanden sogar bereits im Mai 1895 Aufnahme. Zwar war ursprünglich keine Einrichtung für Tuberkulosepatienten geplant worden, doch die steigende Zahl an Tuberkulosefällen zwang die Verantwortlichen zu einer Umorientierung. Zeitweilig kamen auch Schwersttuberkulöse in die Anstalt. Für diese Kranken erschien aber dem Chefarzt eine Heilung aussichtslos. In einem Rundschreiben teilte er deshalb den überweisenden Ärzten mit, dass ein Kuraufenthalt auf dem Königsberg nur noch in Betracht gezogen werden sollte, „wenn ziemlich sichere Aussicht auf völlige oder fast völlige Genesung vorhanden ist“.599 Nach der endgültigen Eröffnung bestand die Mehrheit der 61 Kranken aus Lungentuberkulösen, die übrigen litten unter asthmatischen Beschwerden. Es wurde darauf geachtet, dass die Patienten möglichst oft an der frischen Luft waren. Geschlafen wurde bei geöffnetem Fenster. 595 Ohne Autor, Die von Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten im Harze angelegten Heilstätten für Lungenkranke, o. S. 596 Andrae (o.V.): Mittheilungen über das Genesungshaus Königsberg der Invaliditäts- und AltersversicherungsAnstalt Hannover. Hannover: Schmidt 1896. 597 Ebd., S. 1 598 Ebd., S. 2 599 Ebd., S. 3 153 Die Krankenpflege übernahmen Schwestern des Henriettenstifts Hannover.600 Im Jahre 1897 wurde zusätzlich eine Döcker’sche Baracke im Anstaltsgelände errichtet, um 15 weitere Kranke aufnehmen zu können.601 Im Mittelpunkt der Heilstättenbehandlung stand die diätetische Ernährung.602 Außerdem gab es Atemübungen an der freien Luft, die Inhalation von Terpentindämpfen mittels spezieller Pfeifen sowie Bäder und Duschen. Als Freizeitgestaltung waren Gesellschaftsspiele, Holzschnitzerei und Lesen vorgesehen.603 Im Jahre 1902 wurde auf dem Königsberg eine Station zur diagnostischen Beobachtung von Patienten eingerichtet. Je nach Art und Dauer der vom diensthabenden Arzt vorgenommenen Einschätzung wurden die Kranken binnen neun Tagen entweder aufgenommen oder auf andere Häuser der LVA verteilt. Während des Ersten Weltkriegs war kein Heilstättenbetrieb auf dem Königsberg mehr möglich, da das männliche Personal (einschließlich des Arztes) zum Wehrdienst einberufen worden war und die meisten Krankenschwestern im Haupthaus des Henriettenstifts Hannover gebraucht wurden. Das Haus diente daraufhin (bis 1919) als Lazarett. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem Krieg überstand das Sanatorium nur mit einer Unterbrechung (Oktober 1923 – April 1924) während der Inflation. Auch die Weltwirtschaftskrise erzwang eine längerfristige Schließung (November 1931 – Februar 1934).604 Im Gegensatz zu anderen Heilstätten der LVA stand auf dem Goslarer Königsberg lange Zeit die hygienisch-diätetische Kur einseitig im Vordergrund. Neuere Therapien wurden nicht angeboten. In den Heilstätten Schwarzenbach und Erbprinzentanne gab es dagegen schon früh Bestrahlungen und lungenchirurgische Behandlungen. Erst in den späten 1920er Jahren wurden dann auch auf dem Königsberg erste Pneumothorax-Eingriffe durchgeführt. Dafür stellte man einen spezialisierten Assistenzarzt an und richtete Operationsräumlichkeiten ein. Das 600 Ebd., S. 4 Ohne Autor, Bericht über die Verwaltung des Genesungshauses Königsberg bei Goslar. Niedersächsische Staatsbibliothek Göttingen 4 MED FOR 528/161, 1897, S. 1 602 Die Kranken sollten pro Tag mindestens zwei bis drei Liter Milch trinken und an folgenden Mahlzeiten teilnehmen: Neben einem ersten Frühstück gab es gegen 9:30 Uhr eine zweite Mahlzeit mit belegten Butterbroten, Bier (sic!) oder Milch, um 12 Uhr ein Mittagessen (dazu ein Glas Bordeaux- oder Heidelbeerwein), um 15:30 Uhr wurde zur Kaffeetafel geladen. Um 19 Uhr fand das Abendessen statt, gereicht mit einer Flasche Bier oder Milch. Die Nachtruhe begann im Sommer um 21:30 Uhr und im Winter um 21 Uhr. Als Beispiel listet Dr. Andrae einen typischen wöchentlichen Speiseplan auf, der Bouillon-, Milch-, Kartoffel-, Wein- oder Erbsensuppe mit Reisklößen, Kalbsbraten mit Salzkartoffeln, Hammelbraten mit Weißkohl und Nudeln, Schweinskoteletten mit Bohnensalat und Eiergraupen, Schmorbraten, grüne Bohnen, Schweinebraten mit Rotkohl, „Wurzeln“, gekochte Pflaumen und Hering enthielt. 603 Ohne Autor, Bericht über die Verwaltung des Genesungshauses Königsberg bei Goslar 1897, S. 6 604 Ebd., S. 61 601 154 „Genesungsheim“ erhielt zu jener Zeit den Namen „Heilstätte Königsberg“.605 Die Nationalsozialisten wandelten die Lungenheilanstalt 1933 in ein Kurhaus für „konstitutionsschwache Jugendliche“ und kinderreiche Mütter um. Von 1937 bis 1940 hieß die Einrichtung dann „Übungslager“. Es ist aber nicht näher überliefert, welche Zweckbestimmung damit verbunden war. Im Zweiten Weltkrieg wurde Königsberg abermals als Lazarett genutzt. Nach 1945 widmeten sich die Ärzte wieder den inzwischen vermehrt auftretenden Tuberkulosefällen. Aufgrund des sprunghaften Anstiegs an Erkrankungen nach Kriegsende betrugen die Wartezeiten auf einen Patientenplatz bis zu einem Jahr.606 Auf dem Königsberg wurden nach dem Krieg vor allem kleinere chirurgische Anwendungen sowie eine chemotherapeutische Kur angeboten. Es gab auch Werkstätten für Beschäftigungstherapie. Die Patientenzahlen nahmen (auch aufgrund der besseren Ernährungslage) in den 1950er Jahren immer weiter ab. In den 1960er Jahren befanden sich die baulichen Anlagen in einem katastrophalen Zustand und die laufenden Instandhaltungskosten wuchsen rapide an. Deshalb entschloss sich die LVA Hannover, den Heilstättenbetrieb auf dem Königsberg am 30. September 1970 einzustellen.607 Spätere Nutzung Das Haus stand ab 1970 leer. Die Cornelius-Helferich-Stiftung übernahm zum 1. Januar 1974 die ehemalige Heilstätte von der LVA und investierte 1,4 Millionen DM in eine Notsanierung der Anlage und den Umbau in ein Heim für 60 geistig behinderte Kinder und Jugendliche. Die nur unzureichend modernisierten Baulichkeiten verfielen jedoch wieder, als weitere Investitionen ausblieben.608 Im August 1984 musste das Heim auf dem Königsberg dann geschlossen werden. Bereits wenige Tage später brannte das Hauptgebäude (Brandstiftung wurde als Ursache ermittelt). Zum 1. Mai 1997 verkaufte die Stiftung das Gelände an eine Projektentwicklungsgesellschaft. Eine neue Verwendungsmöglichkeit wurde aber für die Gebäude nicht gefunden. Im Juni 2009 brannte es abermals auf dem Gelände. Die Schuttreste des Hauptgebäudes blieben auf dem Gelände liegen. Im gleichen Jahr erteilten die Harz-Wasserwerke, denen die benachbarte Granetalsperre gehört, 605 Burde, 100 Jahre Landesversicherungsanstalt Hannover, S. 60 Ebd., S. 62 607 Ebd., S. 63 608 Gegen die Cornelius-Helferich-Stiftung wurde in der Folge wegen Betrugs der Landessozialkassen ermittelt, das Verfahren aber aufgrund des schlechten Gesundheitszustands von Helferich eingestellt. Grundstücksakte des Königsberg-Sanatoriums im Bauamt der Stadt Goslar, eingesehen im Januar 2013 606 155 jeglichen Bauprojekten auf dem Königsberg eine Absage (das ehemalige Heilstättengelände befindet sich in einer Wasserschutzzone).609 3.3.7 Johanniter-Heilstätte, Sorge Der aus Langensalza stammende „Ehrenritter“ des Johanniter-Ordens, Werner von Seebach, verfügte im Jahre 1895, kurz vor seinem Tod, dass 200.000 Mark aus seinem Vermögen den Johannitern zum Bau eines Krankenhauses im Regierungsbezirk Erfurt (der preußischen Provinz Sachsen, zu der dieser thüringische Teil gehörte) zur Verfügung gestellt werden sollten. Der Orden entschied, eine Lungenheilstätte errichten zu lassen, und zwar für 60 weibliche Kranke aus dem Mittelstand. Der von Seebach gespendete Betrag reichte dafür aber nicht aus, weswegen der Orden aus eigenen Mitteln die Bausumme aufstockte.610 Als Bauplatz wählte man ein etwa elf Hektar großes Grundstück am Südhang des Ochsenbergs zwischen Sorge und Hohegeiß (heute ein Ortsteil von Braunlage) an der braunschweigischpreußischen Grenze. Die Heilstätte sollte auf einer Höhe von 560 Metern entstehen. Die Entwürfe stammten von den Architekten Schmieden und Boethke. Die Heilstätte war dreigeschossig und dreiflügelig konzipiert worden. Der Grundstein für den Anstaltsbau wurde im Herbst 1900 gelegt. Eröffnet werden konnte das Gebäude vom Prinzen Albrecht von Preußen am 26. Juni 1902. Die Patientenzimmer (Ein- bis Vierbettzimmer) waren gen Süden ausgerichtet. Es gab im Haupthaus neben dem Speisesaal auch Tagesräume sowie medizinische Einrichtungen. Auf dem Anstaltsgelände standen 1903 außerdem ein Wirtschaftsgebäude sowie eine Villa für den Chefarzt.611 Erster Chefarzt der Anstalt war ab 1902 Dr. Sobotta, der bis 1906 die Anstalt leitete. Ihm folgte Dr. Naegelsbach, der zuvor in Görbersdorf tätig war. Er wechselte bereits 1908 nach Allenstein (Heilstätte Frauenwohl). Am längsten besetzte Dr. Hans Pigger (1908-1940) die Leitungsposition. Er vergrößerte die Anstaltskapazität auf 72 Betten und erwarb 1909 das erste Röntgengerät. Er gilt als einer der Begründer der Pneumothorax-Operationspraxis, die von ihm 1909 in der Anstalt Sorge einführt worden ist. Erst im Jahre 1927 wurde allerdings ein richtiger OP-Saal gebaut. Seitdem bildeten chirurgische Eingriffe den Schwerpunkt im 609 Steve Niewisch, Private Internetseite zur Geschichte des Königsberg-Sanatoriums, abgerufen unter www.koenigsberg-sanatorium.de/geschichte.htm am 14. Mai 2013. 610 Volkmar Grosse, Denkschrift zum 50jährigen Bestehen der Johanniter-Heilstätte Sorge bei Benneckenstein im Harz 1902-1952, Benneckenstein 1952, S. 6f. 611 Ebd., S. 8f. 156 Behandlungsprogramm der Anstalt.612 Dr. Pigger war dafür bekannt, die Einhaltung der Kurvorschriften streng zu überwachen, „ohne daß aber deshalb der Frohsinn zu kurz kam.“613 Unterstützt wurde er in der Patientenbetreuung von Diakonissen aus dem Hallenser Mutterhaus. Nach Dr. Piggers Tod 1940 leitete der UlriciSchüler Dr. Volkmar Grosse die Heilstätte, der die von Piggers vorgenommene Ausrichtung der Heilstätte auf operative Verfahren weiter ausbaute.614 Im Jahre 1925 waren ein Neubau mit Gästewohnungen, einer Schmiede und einer Garage errichtet (er erhielt den Namen „Oberhaus“). Ein Jahr später entstand ein Gebäude, in dem weitere 45 Tuberkulöse aufgenommen werden konnten und medizinische Untersuchungsräume untergebracht waren. Die Bettenkapazität betrug nun 150 Betten. Etwa ein Drittel der Betten wurde mit Versicherten der Reichsversicherungsanstalt belegt. Im Jahre 1930 kam ein Neubau (das „Gelbe Haus“ mit 15 Betten) hinzu und 1937-38 entstand das „Dr.-Pigger-Haus“ für 25 weitere Kranke. Somit verfügte die Heilstätte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs über eine Kapazität von 180 Betten. Lediglich zwischen 1945 und 1947 war die Heilstätte nicht voll besetzt. Einer der Gründe dafür waren Heizungsprobleme (Mangel an Kohlen).615 Kurze Zeit später wurde der Betrieb in der Johanniter-Heilstätte geschlossen, da das Gelände direkt im neuen Grenzsperrgebiet zwischen der BRD und der DDR lag, musste aber sehr bald darauf musste das Haus aufgrund der hohen Tuberkulosepatientenzahlen wieder geöffnet werden. Allerdings kam es 1952 zu einer Verlegung der 183 Patienten aus Sorge in die Heilstätte Lostau (bei Magdeburg). Die benachbarte Heilstätte Benneckenstein (ehem. Privatsanatorium Dr. Noack) wurde 1952 aufgrund ihrer Nähe zur Zonengrenze sogar stillgelegt. Der Chefarzt beider Anstalten, Dr. Volkmar Grosse flüchtete im gleichen Jahr in die BRD. Die TuberkuloseHeilstätte Stapelburg (bis 1945 Sanatorium „Jungborn“ genannt) schloss ebenfalls: ihre 240 Patienten fanden am 30. Mai 1952 ebenfalls in Lostau Aufnahme.616 Der Betrieb in Sorge konnte kurze Zeit später aber wieder aufgenommen werden. Erst zum 31. Dezember 1967 hatte die Einrichtung als Lungensanatorium ausgedient. Aufgrund rückläufiger TB-Patientenzahlen gab es ab 1962 auch männliche Patienten. Spätere Nutzung Im Jahre 1968 richteten die Grenztruppen der DDR (die der Nationalen Volksarmee unterstellt 612 Ebd., S. 13 Ebd., S. 16 614 Ebd., S. 24 615 Ebd., S. 22f. 616 Akten Heilstätte Sorge, Bundesarchiv DQ 1, Nr. 120, 389, 511 und 986 613 157 waren) in der Heilstätte ein „Kurheim“ ein. Behandelt wurden hier hauptsächlich Patienten mit Wirbelsäulen-, Herz- und Kreislauferkrankungen. Die NVA-Einrichtung war bis 1991 in Betrieb.617 Im Jahre 1992 erfolgte die Rückübertragung des Geländes an den Johanniter-Orden. Dieser war aber an einem Weiterbetrieb des Kurheims nicht interessiert. Lange Zeit ließ sich kein Interessent finden. Erst im Jahre 2000 erfolgte die Veräußerung.618 Der neue Eigentümer entwickelte keine geeigneten Nutzungspläne und verkaufte 2006 das Gelände an einen niederländischen Investor, der dem ehemaligen Heilstättengebäude den Namen „Schloss Ochsenberg“ gab. Seit 2012 steht die alte Heilstätte wieder zum Verkauf.619 Geführte Besichtigungen der stark ruinösen Gebäude sind derzeit möglich (Stand: 2014).620 3.3.8 Knappschaftsheilstätte, Sülzhayn Zwei Beschlüsse (November 1895 und Mai 1896) der Generalversammlung der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle (Saale) hatten zum Ziel, den bereits ab 1894 geplanten Bau einer eigenen Heilstätte am Südhang des kleinen Steierbergs bei Sülzhayn zu realisieren. Die Pensionskasse war im Dezember 1890 aufgrund der neuen Gesetzgebung zur Invalidenversicherung (von 1889) von den Norddeutschen Knappschaftsvereinen Halle (Saale) gegründet worden.621 Die Heilstätte liegt auf einem etwa neun Hektar großen Grundstück am Südhang des kleinen Steigerbergs auf einer Höhe von 400 Metern, etwa 60 Meter über dem Tal. Ein Vorzug des Grundstücks besteht darin, dass sich ringsherum drei weitere Berge erheben, die ausreichend Schutz vor Winden bieten. Um die Hanglage optimal auszunutzen, wurde die Heilstätte auf Steinpfeilern gleichsam aufgeständert errichtet. Am 11. August 1896 konnte, unter Anwesenheit des „Geheimen Bergraths“ Professor Dr. Arndt 617 Johanniter-Orden, Unsere Heime und Häuser brauchen uns. Die ehemalige Johanniter-Lungenheilstätte Sorge/Harz, Ordensblatt des Johanniter-Ordens Januar 1992, S. 2f. 618 Rosemarie Titze, Die 200 000 Mark des Ehrenritters, Neue Wernigeröder Zeitung, 6/2001, 23 und Jürgen Kohlrausch, "Wassermänner" im kleinen Grenzverkehr, Unser Harz, 10/1999, 191-199 619 Schloss Ochsenberg GmbH, Broschüre Health Resort Schloss Ochsenberg, abgerufen unter: images.immonet.de/52/01/46/236520146.pdf am 25. November 2013 620 Internetseite des „Schlittenhunde-Erlebniscamps“, abgerufen unter facebook.com/LostPlaceCamp am 25. September 2014 sowie Auskünfte des derzeitigen Pächters im September 2014. 621 Die Kasse wurde innerhalb der beiden Bezirke der Königlichen Oberbergämter Clausthal und Halle a. S. gegründet, um Bergleute gegen Invalidität zu versichern. Die Versicherten lebten in sieben verschiedenen preußischen Provinzen und 15 nicht-preußischen Kleinstaaten. Der Unfall- und Berufsversicherungsschutz oblag aber weiterhin den Knappschaften. Die Pensionskasse war nur für die Invalidenversicherung zuständig. Aus: Ulrich Lauf, Die Knappschaft: ein Streifzug durch tausend Jahre Sozialgeschichte. Sankt Augustin 1994, S. 116 158 aus Ellrich, der Grundstein für den Bau der Einrichtung gelegt werden.622 Der Entwurf für den Heilstättenbau stammte von den Baumeistern Gustav Hasse und Stengel.623 Im Oktober 1898 war der Westflügel der Heilanstalt fertiggestellt. Die Eröffnung konnte aber nur stattfinden, weil vorher großer Druck ausgeübt worden war. Man wollte die Feier noch bei einigermaßen warmen Temperaturen durchführen. Deshalb wies man die Bauleitung an, schnellstmöglich zumindest einen Flügel der Anstalt „soweit fertig zu stellen, daß man es den Festtheilnehmern zeigen konnte“.624 Nicht uninteressant ist die Eröffnungsfeier, zu der etwa 50 geladene Gäste kamen. Die Anreise zur Heilstätte war damals sehr beschwerlich. Außerdem bot die unfertige Anlage zu wenige Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort. Die Ankömmlinge wurden vom ersten Direktor der Knappschafts-Pensionskasse Paul Stieber, der Vorsteherin Louise Baumann (Diakonie) sowie den ersten 30 Patienten der Anstalt, die sich in einer Reihe auf dem Flur aufstellen mussten, begrüßt. Direktor Stieber erwähnte in seiner Eröffnungsrede, dass er zusammen mit dem örtlichen Pastor Preu bereits 1894 den Standort auf dem kleinen Steierberg, auf dem die Heilstätte letztendlich errichtet wurde, ausfindig gemacht hatte: „Und es kommt mir heut fast vor wie ein Märchen, wie Zauberei, daß an dieser Stelle tiefsten Waldfriedens und tiefster Waldeinsamkeit, wo sich - wie man wohl zu sagen pflegt - die Füchse Gute Nacht sagen, - daß an dieser Stelle nunmehr ein wirthschaftlich bewegtes Leben herrscht, und daß sich hier diese stattlichen Gebäude erheben, welche 100 Menschen und mehr ein sicheres Obdach gewähren sollen“. 625 Der Pfarrer Preu ergänzte: „Seit dem gerade heut vor 4 Jahren Herr Director Stieber mit mir in unseren Bergen mit kundigem Auge und liebewarmem Herzen einen Platz suchte und hier fand, an dem er seinen Kranken eine gesunde und schöne Heilanstalt erbauen mochte, als dann ungeahnte Schwierigkeiten und Hindernisse immer wieder erstanden, haben viele tausend Augen wohl oft zu diesen Bergen mit Sorgen emporgeschaut.“ 626 Bereits am Tag nach der Eröffnungsfeier begann der reguläre Heilstättenbetrieb mit den ersten 30 angereisten Patienten. Erster Chefarzt der Heilstätte wurde Dr. Emil Kremser aus Wandsbek (heute zu Hamburg gehörend).627 Insgesamt gab es im Hauptgebäude 100 Betten.628 Die 622 Die Grundsteinlegung zu der Heilanstalt Sülzhayn am 1. August 1896, Mittheilungen der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle an der Saale vom 15. August 1896, S. 29–30 623 Eduard Schmitt (Hrsg.), Handbuch der Architektur, Viertel Teil, Stuttgart 1903, S. 145-150. 624 Ohne Autor, Die Einweihung der Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn am 15. October 1898, In: Mittheilungen der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle an der Saale. Gesamteinband ULB Halle., S. 37–40 625 Ebd. 626 Predigt des Sülzhayner Pastors Preu bei der feierlichen Eröffnung der Heilstätte, zit. n.: Die Einweihung der Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn am 15. October 1898, In: Mittheilungen der Norddeutschen KnappschaftsPensionskasse zu Halle an der Saale, S. 37–40 627 Mittheilungen der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle an der Saale vom 15. August 1896, S. 27 159 Patientenzimmer und Liegehallen waren zur Südseite hin ausgerichtet.629 Die größten Räume boten Platz für vier Kranke. Die Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude lagen beiderseits der Zufahrt. Die Maschinen- und Heizanlagen wurden im Keller eingerichtet. Im Obergeschoss war der Speisesaal untergebracht. Eine Anstaltskapelle entstand im Jahre 1907 nach Plänen des Architekten Friedrich Fahro als Anbau des Ostflügels der Heilstätte.630 Etwas abseits stand ein Ärztewohnhaus, in dem sich auch einige Zimmer für selbstzahlende Kranke befanden. Zur Anlage gehörte außerdem ein anstaltseigener Bauernhof mit 20 Milchkühen.631 Beim Bau der Heilstätte entschied man sich gegen die in der Harzer Architektur weit verbreiteten Fachwerkbalken und Holzverkleidungen. Die Zwischendecke bestand aus sog. „Heister’schen Platten“, die zwischen Stahlträgern eingezogen wurden. Für die Fußböden waren u.a. Torgament632 und Terrazzo verwendet worden. Die Baukosten betrugen 900.000 Reichsmark.633 Im Juli 1899 war die Anstalt mit 108 Patienten zum ersten Mal fast voll belegt.634 Die Einrichtung galt als besonders komfortabel ausgestattet. Sie war ein Vorbild für weitere Heilstätten-Bauprojekte und wurde auf den Weltausstellungen 1901 in Paris und 1904 in St. Louis ausgezeichnet.635 Im Jahre 1908 erhöhte sich die Zahl der Betten auf 130. Die Pflege der Kranken übernahmen Diakonissenschwestern aus dem Mutterhaus in Halle a/S. Die kaufmännische Leitung der Anstalt hatte bis 1924 der Ortsvorstand der Knappschaftspensionskasse Dr. Emil Kremser inne. Im gleichen Jahr wurde die Norddeutsche Knappschafts-Pensionskasse aufgelöst und in die Reichsknappschaft integriert.636 Im Ort Sülzhayn wurde von den Brüdern Henry und Fritz Mewes außerdem im Jahre 1914 das private Lungensanatorium „Hohenstein“ eröffnet. Der Architekt des dreistöckigen Gebäudes war Karl Picking. Im Eröffnungsjahr verfügte das Sanatorium über 40 Betten für weibliche und 628 Reinhard Glaß, Architekturwelt Sülzhayn, abgerufen unter glass-portal.privat.t-online.de/suelzhayn/ 05_knappschaft.htm am 25. November 2013 629 Die Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn bei Ellrich (Harz), In: Eduard Schmitt, Handbuch der Architektur; 4. Teil: Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude; 5. Halb-Band: Gebäude für Heil- und sonstige Wohlfahrtsanstalten; 2. Heft: Verschiedene Heil- und Pflegeanstalten; Stuttgart: Arnold Bergsträsser und Alfred Kröner, ohne Jahres- und Seitenangaben. 630 Ebd., S. 85f. 631 Die Einweihung der Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn am 15. October 1898, Mittheilungen der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle an der Saale, S. 37-40 632 Feuerfeste Holz-Asbest-Masse 633 Norddeutsche Knappschafts-Pensionskasse, Die Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn bei Ellrich im Südharz der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle a.d. Saale 1898-1908. Halle: Waisenhaus 1909 634 Mittheilungen der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle an der Saale vom 15. Juli 1899, S. 1 635 Hesse, Der Steierberg, S. 93 636 Ulrich Lauf, Die Knappschaft, St. Augustin: Asgard 1994, S. 117 160 männliche Tuberkulöse. Die Zahl der Betten wurde in den 1920er Jahren auf 95 erhöht.637 In dem Gebäude des ehemaligen Sanatoriums ist heute ein Pflegeheim untergebracht. Zu DDR-Zeiten befand sich die Anstalt im Besitz der Thüringischen Sozialversicherung. Ärztliche Direktoren wurden Dr. Heinrich Sebold (bis 1976) und Dr. Wolfgang Stichel (bis 1992). Von der Sozialversicherungsanstalt wurden neben der Knappschaftsheilstätte auch die meisten der kleineren Privatsanatorien in Sülzhayn verwaltet, die 1950 in volkseigenes Eigentum überführt worden waren.638 Bereits 1947 entstand der Plan zum Um- und Ausbau der Heilstätte. Als Architekt wurde Karl Picking aus Illfeld beauftragt. Er sollte die Anstalt modernisieren und die bestehenden Gebäude aufstocken. Die Arbeiten begannen aber erst im Jahre 1952 und konnten aufgrund finanzieller Engpässe nur zum Teil ausgeführt werden. Der Charakter der ursprünglichen Knappschaftsheilstätte blieb deshalb weitgehend bewahrt.639 Spätere Nutzung Nach 1967 wurde die einstige Tuberkuloseklinik in ein Zentrum für Traumatologie und Orthopädie umgewandelt.640 Die Tuberkulosebehandlung übernahm nunmehr die Anstalt in Bad Berka. Dort wurde 1957 eine moderne Tuberkulosefachklinik errichtet.641 Nach der politischen Wende wurde die Anstalt privatisiert und stand von 1994 bis 1997 unter der Trägerschaft der Sanmeda Klinik-Betriebs GmbH (Chefarzt Dr. Gustav Gärtner). Die meisten Patienten wurden in dieser Zeit in die ebenfalls zum Sanmeda-Konzern gehörende Klinik Haidberg verlegt.642 Seit März 1997 stehen die Gebäude leer. Im Jahre 2000 wurden letzte sichernde Baumaßnahmen durchgeführt.643 3.3.9 Albrechtshaus und Marienheim, Stiege In einem Vorort der Harzgemeinde Stiege (zum Herzogtum Braunschweig gehörend), der direkt am damaligen Grenzgewässer „Steigerbach“ zwischen den Herzogtümer Braunschweig und Anhalt lag, wurde am 19. Juni 1897 feierlich die „Heimstätte für Genesende Albertsberg“ eröffnet, und zwar auf einer von der Herzoglich-Braunschweigischen Forstverwaltung 637 Ohne Autor, Sanatorium Hohenstein Sülzhayn (Südharz), Bielefeld: Thomas 1925 Hesse, Der Steierberg, S. 97 639 Ebd., S. 99f. 640 Wolfgang Stichel, Die medizinische Rehabilitation querschnittsgelähmter Patienten „auf dem Berge“, Beiträge zur Orthopädie und Traumatologie, 26(10)/1979, 543–548 641 Hesse, Der Steierberg, S. 104 642 Glaß, Architekturwelt Sülzhayn, abgerufen unter glass-portal.privat.t-online.de/suelzhayn/05_knappschaft.htm am 25. November 2013 643 Hesse, Der Steierberg, S. 111 638 161 gepachteten Fläche. Träger der Anstalt wurde die „Invaliditäts- und Alters-Versicherungsanstalt Braunschweig“.644 Aus Anlass der Silberhochzeit des Prinzen Albrecht von Preußen, der von 1885 bis 1906 Regent des Herzogtums Braunschweigs war, erfolgte die Umbenennung der Einrichtung in „Albrechtshaus“. Die Anlage war ursprünglich nur für die Aufnahme von männlichen Patienten vorgesehen, aber schon bald wurde ein zusätzliches Heilstättengebäude für Frauen geplant. Es konnte zwei Jahre später, am 17. Juni 1899, als „Marienheim“ in Betrieb genommen werden. Beide Häuser entwarf Baurat Spehr aus Blankenburg.645 Das Gelände liegt 450-500 Meter über dem Meeresspiegel. Unweit der Heilstätte gab es einen eigens für die Heilstätte errichteten Haltepunkt der Selketalbahn, der heute noch genutzt wird.646 Als Baukosten für den gesamten Komplex, einschließlich der Betriebseinrichtungen wurden insgesamt etwa 200.000 Mark angegeben. Die Anstaltsgebäude wurden als Fachwerkbauten errichtet.647 Alle Schlaf- und Tagesräume des Albrechtshauses waren nach Süden hin ausgerichtet. Es gab vier Schlafsäle mit je zehn bis 16 Betten und zehn kleinere Zimmer zu je zwei bis vier Betten. Die Zimmer besaßen nur eine sehr spartanische Einrichtung. Sie wurden mit Füllöfen beheizt und mit Petroleumlampen beleuchtet. Es gab für jeden Patienten einen Stuhl aus Rohrgeflecht, einen kleinen Holztisch mit Glasplatte und einen Kleiderschrank. Das Albrechtshaus konnte 58 versicherte männliche Kranke im Hauptgebäude aufnehmen. Das auf dem gleichen Gelände gelegene Nebengebäude „Marienheim“ bot zum Zeitpunkt der Eröffnung Platz für 20 weibliche Kranke. Vor dem Albrechtshaus standen eine Liegehalle und eine Holzbaracke des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege im Herzogtum Braunschweig. In dieser „Baracke“ befanden sich 16 Betten für nicht versicherte Lungenkranke, deren Kurkosten von kommunalen Armenverbänden oder privaten Spendern übernommen wurden.648 Das „Marienheim“ hatte im Jahre 1912 eine erweiterte Kapazität von 34 Betten. Im Hauptgebäude gab es Zwei- und Mehrbettzimmer. Eine Veranda diente als Liegehalle. Zwei Schwestern aus dem Marienstift Braunschweig waren für die Pflege zuständig. Außerdem waren eine Köchin und vier Dienstmädchen beschäftigt.649 644 Akte zu Albrechtshaus, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel 12 Neu 13, Nr. 13660-2 Ohne Autor, Die von Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten im Harze angelegten Heilstätten für Lungenkranke, 1900, o. S. 646 Bericht über einen Besuch in der Heilstätte vom 18 Januar 1912, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-1 647 Akte zu Albrechtshaus, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 648 Ebd. 649 Ebd. 645 162 Der leitende Arzt beider Einrichtungen war 1899 der Facharzt Dr. Köhler, wohnhaft in Hasselfelde. Sein Domizil war mit einer Telefonleitung mit dem Albrechtshaus verbunden. Nach der Hausordnung hatte er die Heilstätte nur zwei- bis dreimal pro Woche aufzusuchen. 650 Einem Bericht von 1913 zufolge kamen die Ärzte aus dem neun Kilometer entfernten Hasselfelde jedoch zumeist täglich in die Anstalt.651 Im gleichen Dokument (1913) wurde bemängelt, dass für die Patienten die Anreise aus Braunschweig kompliziert und langwierig sei. Eine Fahrt mit der Bahn erfordere viermaliges Umsteigen und dauere über fünf Stunden. Neben dem Arzt waren ein Verwalter (ein ausgebildeter Krankenpfleger), eine Köchin und sechs Dienstmädchen in der Heilstätte angestellt. Als scheinbar erfolgreich können die Bemühungen zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit angesehen werden: 1910 wurden 70 Patientinnen und Patienten als dauernd und 50 als vorübergehend erwerbsfähig entlassen. In den Folgejahren stiegen die Zahlen noch weiter an. Die Schwerkranken würden eine Ansteckungsgefahr für ihre Familien bilden. Deshalb entstand die Idee, eine Heilstätte für Schwerstkranke am Langenberg (Elm, bei Bornhausen) einzurichten. Das angefangene Projekt kam aber kurz nach Kriegsbeginn (1915) zum Erliegen.652 Am 20. Mai 1905 wurde eine hölzerne Kapelle auf dem Heilstättengelände eingeweiht. Prinz Albrecht von Preußen, der Landesherr von Braunschweig, nach dem das Heilstättengebäude für männliche Kranke benannt war, nahm an der Feier teil.653 Der Pfarrer aus Stiege kam alle zwei Wochen, um in der Kapelle einen Gottesdienst abzuhalten. In der Hausordnung654 (§ 13) heißt es: „Die Theilnahme am Gottesdienst und (vierteljährlich stattfindenden) Abendmahl wird jedem zum Bekenntniß der Landeskirche655 gehörenden pfleglich warm empfohlen“.656 „Zur Förderung reiner und erhebender Geselligkeit“ gab es oft Hausabende, die vom Pfarrer veranstaltet wurden. Zur Teilnahme waren „alle Pfleglinge verpflichtet“, so § 14.657 Im Jahre 1921 gab es eine Beschwerde über die Leiterin des Marienheims: Die „Pastorentochter ist zu sehr durch ihre Erziehung zur religiösen Politik veranlagt und sucht diese auch auf alle mögliche Art und Weise 650 Hausordnung für Heimstätte für Genesende bei Stiege. Herausgegeben vom Vorstand der Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Braunschweig, Vorsitzender Hassel in Braunschweig, 14. März 1897. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 651 Statistische Angaben über Albrechtshaus, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 11551 652 Ebd. 653 Akte zu Albrechtshaus, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 654 Hausordnung für Heimstätte für Genesende bei Stiege, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 655 Evangelische Landeskirche des Herzogtums Braunschweigs. 656 Hausordnung für Heimstätte für Genesende bei Stiege, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 657 Ebd. 163 durchzusetzen“.658 Die Patienten konnten sich auf dem Heilstättengrundstück auch sportlich betätigen. Im Winter stand ihnen auch eine Turnhalle zur Verfügung.659 Spazieren gehen sollten die Lungenkranken nur in einem festgelegten Bereich des benachbarten Forstgebiets „Moorthäler“. Die möglichen Routen waren auf einem Plan im Aufenthaltsraum ausgewiesen.660 Offenbar war ein Kontakt mit der Bevölkerung unerwünscht. Deshalb durften die Ortschaften ringsum laut § 2 der HeilstättenHausordnung von 1897 ausdrücklich nicht besucht werden. Im Jahre 1921 wurden die Spaziergänge stark eingeschränkt, da sich einige Patienten darüber beschwerten, dass es auf den einsamen Wegen zu Liebeleien zwischen weiblichen und männlichen Kranken gekommen sei.661 Wie in den anderen Lungenheilstätten jener Zeit waren der Tagesablauf662 und die Ernährungsweise663 der Patienten des Albrechtshauses stark reglementiert. Einem Bericht von 1935 zufolge hatte die Heilstätte Albrechtshaus zu Beginn der 1930er Jahre eine Kapazität von 200 Betten. In der Heilstätte waren ein Chefarzt, ein Oberarzt und zwei Assistenzärzte beschäftigt.664 Der Leiter der Anstalt war zu jener Zeit Dr. Zimmermann. Er bemühte sich erfolgreich, die Heilstätte in ein Tuberkulosekrankenhaus (mit einer Abteilung für innere Krankheiten und einer Beobachtungsabteilung für Rentenantragssteller mit Leiden aller Art) umzuwandeln. Ebenfalls 1935 wurden moderne Einrichtungen für die Röntgendiagnostik angeschafft. Hesse berichtet außerdem vom Bau eines „pavillonartigen Gebäudes für die Behandlung von Kindern“665 auf dem Gelände in den 1930er Jahren. Im Jahre 1938 wurde die Kapazität auf 240 Betten für Erwachsene und Kinder erhöht. Kurz nach Kriegsbeginn, am 9. September 1939, erhielt das Albrechtshaus den Status eines Reservelazaretts. Die Hälfte der Betten blieb aber für die zivile Nutzung bis auf Widerruf frei. Auch zu 658 Bericht aus der Heilstätte Albrechtshaus, Briefwechsel 1921, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel , 12 Neu 13, Nr. 13660-1 659 Ohne Autor, Die von Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten im Harze angelegten Heilstätten für Lungenkranke, 1900, o. S 660 Hausordnung für Heimstätte für Genesende bei Stiege. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 661 Bericht aus der Heilstätte Albrechtshaus, Briefwechsel 1921, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-1 662 Im Sommer hatten die Patienten um sechs Uhr morgens das Bett zu verlassen, im Winter durften sie bis 7 Uhr liegen bleiben. Abends um 22 Uhr begann die Nachtruhe. Ein Nachthemd zu tragen, welches zweimal wöchentlich gewechselt werden musste, war sogar verpflichtend in der Hausordnung vorgeschrieben. Aus: Hausordnung für Heimstätte für Genesende bei Stiege. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2 663 Über die Verpflegung der Patienten sind folgende Angaben zu finden: Zum Frühstück gab es Milch, ein Butterbrot mit Leber-, Rotwurst, Sülze oder Käse. Einmal pro Woche erhielten die Patienten auch ein Schmalzbrot. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-1 664 Berichte über Albrechtshaus/Briefwechsel, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 2842 665 Ebd. 164 DDR-Zeiten blieb das Albrechtshaus als lungenchirurgische Fachklinik erhalten.666 Spätere Nutzung Der Rückgang an Tuberkuloseerkrankungen führte dazu, dass ab Oktober 1987 nur noch HerzKreislauf-Patienten im Albrechtshaus behandelt wurden. Im Jahre 1991 erfolgte die Umwandlung in eine Reha-Klinik. Zum Jahresende 1993 musste die Einrichtung schließen. Die Gebäude stehen seitdem leer und verfallen allmählich. Lediglich die Anstaltskapelle667 ist erhalten geblieben und konnte bis vor kurzem noch besichtigt werden.668 Im Jahre 1999 erwarb ein Investor die ehemalige Heilstätte und plante 2003 den Umbau in ein Luxushotel für die Kempinski-Hotelkette mit 300 Betten. Die Umbauten, die das österreichische Architekturbüro „Atelier 3“ durchführen sollten, kamen bis auf einige Abrissarbeiten an Nebengebäuden allerdings nicht zustande.669 Seit 2009 ruhen alle Bauarbeiten.670 Im August 2013 gab es einen Großbrand im Albrechtshaus, der einen großen Teil des Hauptgebäudes zerstörte.671 3.3.10 Harzgerode-Schielo Auf dem Gebiet des bis 1945 bestehenden Herzogtums Anhalt wurden drei Heilstätten errichtet: Schielo, Harzgerode und Oranienbaum. Die LVA Sachsen-Anhalt, die sowohl für die Tuberkulosekranken der preußischen Provinz Sachsen, als auch für die anhaltinischen Versicherten zuständig war672, eröffnete am 3. Oktober 1905 unweit des Harzer Ortes Schielo (heute zu Harzgerode gehörend) eine Heilstätte mit einer Kapazität von 80 Betten. Schon ein Jahr später wurde die Anlage erweitert. Nun konnten bereits 120 männliche Patienten aufgenommen werden.673 Bis zum Jahre 1952 stieg die Kapazität auf 200 Betten.674 Von den 1294 Tuberkulosepatienten, die sich zwischen 1906 und 1908 in Schielo aufhielten, 666 Hesse, Der Steierberg, S. 148 Im Stil einer norwegischen Stabholzkirche, ähnlich der Kirche Wang in Krummhübel. Der Architekt hieß Witte und war Zimmermann aus Osterwieck. 668 André Winternitz, Albrechtshaus. Internetseite über verlassene Orte, abgerufen unter: www.rottenplaces.de/ rp/page.php? modul=Article&op=read&nid=185&rub=7 am 4. November 2013 669 Kempinski übernimmt das Albrechtshaus. Allgemeine Hotel- und Gaststättenzeitung, 10/2003, abgerufen unter: www.ahgz.de/regional-und-lokal/kempinski-uebernimmt-das-albrechtshaus,158262.html am 4. November 2013 670 Hesse, Der Steierberg, S. 148 671 „Albrechtshaus bei Stiege: Brand wurde gelegt.“ Mitteldeutsche Zeitung vom 29. August 2013, abgerufen unter: www.mz-web.de/quedlinburg/albrechtshaus-bei-stiege-brand-wurde-gelegt,20641064,24149538.html 672 Lageplan der Heilstätte Schielo, Landeshauptarchiv Magdeburg, C 92, Nr. 5209 / 1-70, Blatt 20 und Lageplan der Einrichtung Schielo, Landeshauptarchiv Magdeburg, Mgw K9 1374, Blatt 159. 673 LVA Sachsen-Anhalt, Geschäftsbericht über die Heilstätte der Landes-Versicherungsanstalt Sachsen-Anhalt bei Schielo (Ostharz) für die Zeit vom 3. Oktober 1905 bis 30. Juni 1908. Merseburg: Stollberg. Bayrische Staatsbibliothek München, 4 Pol.civ. 62 k 674 Aktenbestand LVA Sachsen-Anhalt, Landesarchiv Magdeburg, C 20 Ib 1535 IV 667 165 kamen 266 aus dem Regierungsbezirk Erfurt, 521 aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und 396 aus dem Regierungsbezirk Merseburg der preußischen Provinz Sachsen. Nur 107 Patienten stammten aus dem Herzogtum Anhalt und vier aus weiter entfernt liegenden Regionen.675 Die meisten Kranken gehörten zur Gruppe von Arbeitern, die „meist im Freien tätig sind“ 676, in der Landwirtschaft, als Bauarbeiter, Kutscher, Gärtner oder Waldarbeiter. 195 Kranke galten als Berufstätige, die sich zumeist in geschlossenen Räumen aufhielten, wie Techniker, Handlungsgehilfen, Schneider und Maler. 39 Personen waren „der Schädigung des Übergangs aus starker Hitze in Kälte ausgesetzt“677, wie Brauerei-, Ziegelei- und Zuckerfabrikarbeiter. 340 Arbeiter kamen aus Gewerbebetrieben, in denen sie auch Metallstaub einatmen mussten (Schmiede, Schlosser, Dreher, Eisenfabriksarbeiter). Für 122 Patienten wurde angenommen, dass sie mit Staub678 in Berührung gekommen waren. 70 Pfleglinge kamen aus der Papierbranche, 28 aus wollfabrizierenden Unternehmen und 17 aus der chemischen Industrie.679 Als besonders gefährdet sieht der Verfasser eines Geschäftsberichts der LVA Arbeiter aus dem „Steinhauerberuf“ an, da die Tuberkulose hier einen „bösartigen Charakter und Neigung zur rapidem Gewebszerfall“ besäße.680 Die„dauernde Verletzung der Lunge durch die spitzen feinen Steinteilchen“ sei die Ursache.681 Den Tuberkulösen aus dem stein- und holzverarbeiteten Gewerbe wurde deshalb oft ein Berufswechsel empfohlen. Über die Ansteckungsgefahr heißt es in dem Bericht: „Nicht weniger als 26 unserer Kranken gaben als Ursache ihres Leidens an, daß sie jahrelang mit Kollegen zusammen gearbeitet hätten, welche viel gehustet, auf den Boden gespuckt und dann an Schwindsucht gestorben wären.“682 Im Jahre 1929 wurde unweit der Anstalt Schielo (nördlich von Harzgerode, Herzogtum Anhalt) ein Heilstättengebäude für 120 tuberkulöse Kinder errichtet. Außerdem bestand in dem südöstlich von Schielo gelegenen Ort Wippra (preußische Provinz Sachsen) von 1929 bis 1967 eine weitere Kinderheilstätte. Für die Wahl der Bauplätze war ausschlaggebend, dass die Region zu den sonnenreichsten Gegenden des Harzes zählt. Neben dem nach Plänen des Architekten Schwedthelm im Bauhaus-Stil errichteten Hauptgebäude der Kinderheilstätte Harzgerode sind auf dem drei Hektar großen Gelände Wirtschaftsgebäude und Villen für die Ärzte entstanden. 675 LVA Sachsen-Anhalt, Geschäftsbericht über die Heilstätte der Landes-Versicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, S. 4 Ebd., S.6f. 677 Ebd. 678 122 Patienten, die Lederstaub (Schuhfabrik, Gerber) ausgesetzt waren, 87 Holzstaub (Tischler), 22 Mehlstaub (Bäcker), 77 Steinstaub (Steinmetz, Porzellanfabrik) und 19 Tabakstaub. In: Ebd. 679 LVA Sachsen-Anhalt, Geschäftsbericht über die Heilstätte der Landes-Versicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, S. 6 680 Ebd., S. 7 681 Ebd., S. 7f. 682 Ebd., S. 12 676 166 Bereits kurz nach ihrer Eröffnung wurde die Einrichtung in Harzgerode vergrößert und bestand aus einer chirurgischen Abteilung mit 100 Betten sowie einer Abteilung für offene Tuberkulöse mit 50 Betten.683 Spätere Nutzung Spätestens seit dem Jahre 1950 werden in Schielo hauptsächlich operative Eingriffe (z.B. Pneumothorax, Thorakoplastik, Pneumolyse) durchgeführt. Insofern ist die Anstalt nun nicht mehr als „Heilstätte“, sondern als Fachklinik für Tuberkulose zu bezeichnen.684 1975 wird die Ausrichtung der Klinik Schielo erweitert. Es kommt eine Fachklinik für HerzKreislauf-Erkrankungen hinzu. 1998 schließen die medizinischen Einrichtungen. Danach beginnt ein Umbau zu einem Behinderten- und Pflegeheim mit dem Namen „Haus Einetal“, das bis heute Bestand hat.685 Nach 1969 wird die nördlich von Harzgerode gelegene Kinderheilstätte in ein LungenFachkrankenhaus für Kinder und Jugendliche umgewandelt. Von 1960 bis 1982 stand der Einrichtung Dr. Joseph Müller als ärztlicher Direktors vor.686 Im September 1998 schloss die Kinderklinik in Harzgerode.687 Verschiedene Nachnutzungsideen für die denkmalgeschützte Anlage der ehemaligen Kinderklinik ließen sich bisher nicht verwirklichen. Im Jahre 2012 wurde die Liegenschaft versteigert. Derzeit stehen die Gebäude leer.688 683 Ohne Autor, 25 Jahre Tuberkulose-Kinderheilstätte Harzgerode 1931-1956, Quedlinburg 1956. Aktenbestand LVA Sachsen-Anhalt, Landeshauptarchiv Magdeburg, C 20 Ib 1535 IV 685 Winfried Dörner, Zauberberge im Harz (i. Dr.), o. S. 686 In Memoriam – Nachruf für Dr. med. Joseph Müller, Ärzteblatt Sachsen-Anhalt, abgerufen unter www.aerzteblatt-sachsen-anhalt.de/ausgabe/sonstiges/81-sonstiges-05-2013/219-in-memoriam-nachruf-fuer-drjoseph-mueller.html am 25. November 2013 687 Winfried Dörner, Zauberberge im Harz, (i. Dr.), o. S. 688 Petra Korn, Klinik unterm Hammer, Mitteldeutsche Zeitung vom 23.11.2012, abgerufen unter www.mzweb.de/archiv/Klinik-unterm-Hammer/HC-11-23-2012-7075743.71-45673570QB.htm am 25. November 2013 684 167 3.4 Die Lungenheilstätten im Riesengebirge Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 13: LAGE DER HEILSTÄTTEN IM RIESENGEBIRGE 689 Das Riesengebirge mit dem unmittelbar vorgelagerten Waldenburger Bergland bildete das höchste Gebirge Preußens. Die Region wurde deshalb - neben dem Harz - für die Heilstättenbewegung besonders bedeutsam und stellt zugleich ihre „Geburtsstätte“ dar: Dr. Brehmer entwickelte in den Jahren 1854 bis 1863 im Ort Görbersdorf am Ostrand des Riesengebirges die erste Lungenheilstätte Mitteleuropas. Der umgangssprachliche Begriff „Riesengebirge“ bezeichnet die heute polnischen und tschechischen Teile des westlichen Sudentengebirges690. Geografisch reichen die Westsudeten bis an die Spree bei Bautzen (Oberlausitz). Das Waldenburger Bergland, ein Vorgebirge des Riesengebirges, wird im Volksmund, aber auch in vielen historischen Schriften, dem Riesengebirge zuordnet, obwohl es geologisch bereits zu den Mittelsudeten gehört. Alfred Jahn 689 690 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar. Da der Begriff Sudeten mit der Volksgruppe der Sudentendeutschen konnotiert ist, lag es nahe, die geläufige Bezeichnung „Riesengebirge“ großzügiger zu verwenden und auch die bereits in den Grenztälern zu den Nachbargebirgen liegenden Heilstätten Moltkefels (Isergebirge) und in Görbersdorf (Waldenburger Bergland) einem so benannten Untersuchungsbereich zuzuordnen. Als eine alternative Deklaration zu „Sudeten“ hätte auch der Begriff „schlesisches Bergland“ verwendet werden können, da alle beschriebenen Heilstätten in der preußischen Provinz Schlesien lagen. Im Bereich der Sudeten befanden sich außerdem die sächsische Heilstätte Hohwald, das Sanatorium Bad Reinerz und die oberschlesische Heilstätte Ziegenhals (Altvatergebirge). 168 kennzeichnete die Schwierigkeiten der geografischen Einordnung in einem Vergleich mit den Karpaten, bei denen auch der höchste Gebirgsteil namengebend für das Gesamtgebirge ist: „Das Riesengebirge ist dasselbe für die Sudeten, was die Tatra für die Karpaten“ ist.691 Als geografische Begrenzungen des eigentlichen Riesengebirges werden heute der Pass „Neue Welt“ an der Straße von Schreiberhau nach Harrachsdorf im Westen und das Bobertal bei Landeshut im Osten angesehen. Im Riesengebirge liegen damit die höchsten Berggipfel der Sudeten692 und die Region weist die klimatischen Bedingungen eines Hochgebirges auf, ist aber - wie der Harz - geografisch eindeutig als Mittelgebirge einzuordnen. Der weitaus größte Teil des Gebirges (465 km2) liegt im heutigen Tschechien, nur 185 km2 sind heute polnisch und gehören als ehemals preußische Besitzungen zum Gebiet der vorliegenden Untersuchung. Im tschechischen Teil des Riesengebirges sind allerdings keine Lungenheilstätten entstanden, obwohl die Südhänge der Berge dafür prädestiniert gewesen wären.693 Im Verzeichnis zur geomorphologischen Einteilung Polens694 sind die Westsudeten („Naturraum 332.3“) als Sudety Zachodnie aufgelistet. Dieses Gebiet heißt im Tschechischen, in dem der Begriff Sudeten gern vermieden wird, Krkonošská oblast (also Riesengebirgsregion). Dazu gehören neben dem eigentlichen Riesengebirgsmassiv mit der Schneekoppe auch das Iser- und das Katzbachgebirge sowie die Gegend um Hirschberg (Kotlina Jeleniogórska). Das Waldenburger Bergland, das Heuscheuer- und das Adlergebirge werden naturräumlich zu den Mittelsudeten Sudety Środkowe gezählt. Im Tschechischen wird diese Region Orlická oblast, also Adlergebirgsregion, genannt.695 3.4.1 Dr. Brehmer, Görbersdorf (Sokołowsko)696 Görbersdorf liegt in einem Seitental des Waldenburger Berglands, einem seichten Höhenrücken der Sudeten, der das Riesengebirge mit dem Eulengebirge verbindet. Bis 1945 gehörte der Ort zum Kreis Waldenburg im Regierungsbezirk Breslau der preußischen Provinz Schlesien. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist das Dorf, das nur wenige Kilometer von der Grenze zu Tschechien entfernt liegt, Teil der polnischen Wojewodschaft Niederschlesien. Das Tal von Görbersdorf erstreckt sich in einer „schwindsuchtsfreien Höhe“ von „1720 691 Alfred Jahn, zit. nach Marek Staffa, Das Riesengebirge, Breslau 1997, S. 5 Staffa, Das Riesengebirge, S. 7, 27 und 34 693 Ebd., S. 17 und 23 694 Jerzy Kondracki, Geografia regionalna Polski, Warschau: PWN 2002. 695 Ebd. 696 Dieses Kapitel ist ausschnittsweise vorab erschienen: Andreas Jüttemann, 150 Jahre Lungenheilstätte Görbersdorf. Pneumologie, 68/2014, 481-487. 692 169 Fuss“ (etwa 520 Meter).697 Es „dehnt sich mehr in der Länge als in der Breite aus; doch treten die circa 3000 Fuss hohen Berge, welche das Thal von allen Seiten begrenzen, nicht so nahe zu einander, dass es auf den Besucher ein Gefühl der Beklemmung ausübte.“698 Der junge Arzt Dr. Brehmer, selbst aus Schlesien stammend, suchte einen Ort, an dem die Tuberkulose bislang nicht in Erscheinung getreten war und der außerdem günstige Kurbedingungen bot.699 Zum vorgesehenen Kurprogramm gehörte in erster Linie die Bewegung, einschließlich der Möglichkeit eines langsamen Anstiegs während der Spaziergänge im Park. Aber es gab auch genügend Bänke zum Ausruhen (gemäß der „Berg- und Terrainkur nach Oertel“700). Ein zweiter Schwerpunkt in Brehmers Behandlungskonzept war die „reichliche und rationelle Ernährung der Kranken“. Die Ernährungstherapie bestand aus häufigen Mahlzeiten und einer abwechslungsreichen Speisenfolge. Der Milch wurde Kognak beigemengt und Gaben von Wein sollten gegen Schweißausbrüche helfen. Einem dritten Eckpfeiler der Kur lag der Gedanke der Abhärtung zugrunde: Schlafen bei offenem Fenster, kalte Abreibungen und Duschen sowie eine sog. hydropathische Behandlung. 701 Die von Brehmer begründete Lungenkurtradition reicht bis in das Jahr 1854 zurück. In diesem Jahr übernahm der Arzt von seiner Schwägerin, die recht erfolglos eine Kaltwasserheilanstalt betrieb, ein kleines Haus und behandelte dort drei bis vier an Lungentuberkulose erkrankte Patientinnen und Patienten. Drei Jahre später, 1857, erhielt Dr. Brehmer, vermittelt durch Alexander von Humboldt, der zu dieser Zeit Mitglied des preußischen Staatsrats war, die Konzession für den Betrieb einer besonderen Kureinrichtung für Tuberkulöse. Ab 1862 plante und realisierte Dr. Brehmer daraufhin den Bau einer Heilanstalt für 40 in Einzelzimmern untergebrachte Kranke (das sog. „Alte Kurhaus“, später polnisch „Zamek“/Schloss, heute baufällig). Der genaue Eröffnungstermin des Alten Kurhauses, der ersten LungentuberkuloseHeilstätte Preußens (und Mitteleuropas), ist umstritten: Hähner-Rombach nennt das Jahr 1862, Langerbeins 1863.702 697 H. K. Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer. Eine Klinik für chronisch Lungenkranke. Berlin: Enslin 1875, S. 12 698 Ebd. 699 Ernst von Leyden, Fest-Rede zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens von Dr. Brehmers Heilanstalten für Lungenkranke in Görbersdorf i. Schlesien. Wiesbaden: Bergmann 1904. 700 Ebd., S. XIII 701 Ebd. 702 Hubertus Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie: Betrachtungen zu Personen und zur Zeit der wichtigsten Entwicklungen im 19. Jahrhundert, Norderstedt: BoD 2012, S. 451 und Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 144 und Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 10 170 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 14: LAGE DER DREI HEILANSTALTEN IN GÖRBERSDORF (V.L.N.R.: HEILANSTALT DES DR. 703 WEICKER, DES DR. BREHMER UND DES DR. RÖMPLER) Die Anstalt liegt am Hang des Storchbergs. Das Gelände ermöglichte es, die Einrichtung problemlos zu erweitern. Dem Hauptgebäude wurde 1878 ein zusätzlicher Gebäudetrakt („Neues Kurhaus“) angeschlossen. Damit verfügte das Doppelkurhaus über 110 Zimmer. Zudem gab es, verteilt im Park, drei Villen: das „Weiße Haus“ mit 20 Zimmern, das „Neue Haus“ mit 15-18 Zimmern, erbaut 1873, und - für leichter Erkrankte - die „Villa Rosa“, heute Pension Róża, mit 16 Zimmern. Hinzu kamen ein Wirtschaftsgebäude mit Ställen, die etwas weiter vom Hauptgebäude entfernt lagen, sowie, am Südhang des 300 Morgen großen Anstaltsparks, ein chemischtechnisches Labor.704 Das „Weiße Haus“ war das erste Gebäude der Anstalt, in dem - seit 1854 - Lungenkranke behandelt wurden. Im Weißen Haus befanden sich später die Wohnung und das Sprechzimmer des 1873 eingestellten Assistenzarztes Peter Dettweiler. Er war der Begründer der Liegekur und späterer Leiter der Heilstätte Ruppertshain im Taunus (s. 3.5.10.5). Nach 1872 folgten Anbauten an das Alte Kurhaus (diese wurden dann als Neues Kurhaus bezeichnet, obwohl sie lediglich einen weiteren Gebäudeflügel bildeten). Mit deren Errichtung war der Hannoveraner Architekt und Baurat Oppler beauftragt worden. Das Kurhaus lässt sich von seinem Stil her der Neogotik zuordnen. Der Nordflügel des Neuen Kurhauses beherbergte im Keller das Inhalatorium für die Behandlung mit Saline (vergleichbar mit Bad Ems oder Bad Reichenhall) und ein Duschbad für 703 704 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_5363_3132, 1925 Oskar Welten, Die Heilanstalten von Görbersdorf. Was sie versprechen und was sie halten. Für Aerzte und Kranke auf Grund eigener Anschauung und authentischer Quellen dargestellt von Dr. Oskar Welten. Berlin: Issleib 1888. 171 die Wintermonate. Im Sommer wurde im Freien geduscht. Das Alte und das Neue Kurhaus waren durch einen Ergänzungsbau miteinander verbunden, in dem sich der Wintergarten und ein Lesesaal befanden. Die Villa Rosa und das Neue Haus konnten durch finanzielle Beteiligung von Patienten errichtet werden, die während der Zeit ihrer Behandlung zum Teil sogar mit ihren Familien in Görbersdorf lebten. Im Jahre 1869 wurde für Dr. Brehmer eine Chefarztvilla erbaut. Es folgte in den Jahren zwischen 1871 und 1872 der Bau weiterer Villen und Hallen im Anstaltspark sowie zwischen 1874 und 1876 ein Anbau an das Kurhaus mit 60 Betten. Es gab sogar schon Planungen für einen Ausbau bis zu 300 Betten. Dieses Projekt wurde jedoch nicht realisiert.705 In den 1920er Jahren kam mit dem „Kaiser-Logierhaus“ ein weiteres Gebäude für 61 Patienten hinzu. Außerdem gab es eine „Volksheilstätten-Abteilung“ für 100 finanziell minderbemittelte Kranke, die vorher in privaten Häusern verstreut über das Dorf untergebracht waren. In den Jahren 1925 bis 1929 erfolgte ein Umbau der Heilstätte, um auch die damals neuen chirurgischen Behandlungen durchführen zu können. Ein Operationssaal für aseptische Lungen-OPs, ein Inhalatorium und ein Strahlentherapieraum wurden eingerichtet. Für die Diagnostik standen ein Röntgengerät (Siemens) und ein chemisch-bakteriologisches Labor zur Verfügung. Auch die Liegekur war mittlerweile Bestandteil der Therapie, sodass Waldliegehallen errichtet wurden.706 Dr. Brehmer wurde in seinem Vorhaben lange Zeit von der Fachwelt belächelt. Diese Reaktion betraf vor allem die 1855 in einer Studie über die „physiologische Wirkung des veränderten Luftdrucks“ aufgestellte Behauptung, der niedrigere Luftdruck in den Gebirgen übe auf die Tuberkulose eine heilende Wirkung aus. Allerdings schien 1856 die Annahme durch die Untersuchungen von Adolf Mühry bestätigt zu werden, der ermittelte, dass Bewohner der Hochgebirge nicht an Tuberkulose litten. 707 Obwohl Brehmer erste Heilerfolge in Görbersdorf aufweisen konnte, ignorierten die meisten Kollegen zunächst seine Arbeiten: „Diejenigen, welche Notiz von ihm nahmen, unterstützten ihn aber nicht in seinen Bestrebungen, sondern theils verlachten und verspotteten sie ihn, theils (…) stempelten seine Versuche, die Schwindsucht zu heilen, mit dem Stempel der Scharlatanerie; ja sehr fehlte [es] sogar nicht an Leuten, die ihm feindlich entgegentraten, und es ihm in jeder Weise erschwerten, eine Heilanstalt, ein Asyl für Lungenkranke errichten zu können“.708 705 von Leyden, Fest-Rede zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens von Dr. Brehmers Heilanstalten für Lungenkranke in Görbersdorf i. Schlesien 1904. 706 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 27 707 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 8 708 Ebd., S. 9 172 Brehmer hatte jedoch in Berlin einen großen Befürworter gefunden: Alexander von Humboldt. Humboldt war von den Ideen Brehmers so angetan, dass er wiederum den prominenten Arzt Johann Schönlein709 für die Idee begeisterte, den Bau einer Heilanstalt in Görbersdorf zu befürworten. Schönlein erteilte Brehmer dafür gegen den Widerstand der Fachwelt eine Konzession. Zunächst kamen nur wenige Tuberkulöse nach Görbersdorf. Doch der in Hannover praktizierende Arzt Dr. Flügge begann nach 1859, Lungenkranke regelmäßig zur Kur in die Brehmer’sche Einrichtung zu entsenden. Als die ersten Behandelten geheilt (zumindest aber in deutlich besserem Zustand) nach Hannover zurückkehrten, wurden andere Ärzte auf die Heilstätte aufmerksam. Stetig stieg von nun an die Zahl der Kurgäste (vgl. Tabelle 16).710 1860 1862 1869 1870 1872 1873 60 104 318 347 400 706 711 TAB. 16: PATIENTENZAHLEN IN DR. BREHMERS HEILANSTALT P.A. Im Jahre 1929 waren in der Heilanstalt ein Chefarzt, ein Oberarzt, drei Assistenzärzte und mehr als 100 weitere Personen beschäftigt.712 Busch war selbst Patient in Görbersdorf und schilderte seine Ankunft in der Heilanstalt: „Der Inspector der Anstalt empfängt uns und lässt und durch den Portier eine Wohnung anweisen, welche sich theils in den zur Anstalt des Herrn Dr. Brehmer gehörigen Häusern befinden, theils im Dorfe vorhanden sind“. 713 Nach dem Bericht von Busch gestaltete sich die Kur wie folgt: Nach zwei Tagen des Aufenthalts, an denen sich die Ankommenden von den Strapazen der Reise erholen, erfolgt die erste Untersuchung durch Dr. Brehmer. Die zweite Untersuchung wird nach einer Woche durchgeführt. Dafür stehen drei Assistenzärzte (Dr. Dettweiler, Dr. Greveler und Dr. Sokołowski) zur Verfügung. Nach dem aus Polen stammenden Assistenzarzt Sokołowski erhielt übrigens nach 1945 der deutsche Ort Görbersdorf seinen heutigen polnischen Namen Sokołowsko. 709 Johann Lukas Schönlein (1793-1864) war Medizinprofessor an der Berliner Universität und Leibarzt des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. 710 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 11 711 Ebd. 712 z.B. als Röntgenassistentin, Laborantin, Bademeister, Diakonissen, Verwaltungsdirektor, Buchhalter, Kassierer, Lagerist, Gutsinspektor, Gärtner, Chefkoch, Köchinnen, Wäschebeschließerin sowie Küchen- und Pflegepersonal. Aus: Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 29 713 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 16 173 Im Anschluss an die Untersuchungen bekommen die Patienten Verhaltensanweisungen, die zum einen die Länge und den Ort des Aufenthalts im Freien (sonnige oder schattige Plätze) sowie zum anderen die Bewegungsweise (Länge der Spaziergänge und Steigungsgrad der Wege) betreffen.714 Die sportliche Seite der Kuranwendung nennt Brehmer „methodisches Bergsteigen“. Es soll versucht werden, „die lahmen Lungen, namentlich die oberen Theile“ zu aktivieren. Dabei wird das „ärztlich verordnete, systematische Tiefathmen“ praktiziert.715 Busch bezeichnet dieses Vorgehen als „Gymnastik der kranken Brust“. Das Bergsteigen soll in langsamer Geschwindigkeit erfolgen, damit nicht zu früh eine Ermüdung eintritt und sich die Herzschlagfrequenz und die Atemfrequenz nicht allzu stark erhöhen. Für die therapeutischen Spaziergänge wird der Anstaltspark genutzt, der sich in Hanglage bis zu einer Höhe von etwa 790 Metern erstreckt. Im Abstand von mindestens 50 Schritten sind Ruhebänke aufgestellt worden.716 Einen weiteren Therapiebestandteil bilden kalte Bäder mit einer Wassertemperatur von sechs bis acht Grad Celsius. Es handelt sich um sog. „Regenbäder“ (eine Art kalte Dusche). Im Sommer war für diese Anwendungen ein besonderer Duschpavillon vorgesehen. Im Winter wurde die Therapie in einem beheizten Raum im Kurhaus durchgeführt: „Diese Bäder, welche vorzugsweise zur Anregung der Hautthätigkeit und zugleich zur Abhärtung des verweichlichten Körpers sowie zur Resorption der betreffenden Exsudate dienen, [und den Patienten, Anm. d. Verf.] widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüsse […] machen, wurden zuerst von Herrn Dr. Brehmer bei Lungenkranken angewendet, und sollen in gar vielen Fällen wirklich Wunderdinge“ bewirkt haben.717 Direkt im Anschluss an die fünf bis 45 Sekunden lang dauernden Regen- bzw. Duschbäder wird die Haut von einem Bademeister „warmgerieben“. Die Ärzte verbringen den ganzen Tag auf dem Gelände des Kurhauses und können bei Fragen oder Problemen jederzeit angesprochen werden. Zudem gibt es zweimal täglich feste Sprechstundentermine des Chefarztes Dr. Brehmer und einmal pro Tag eine Sprechstunde der Assistenzärzte. Für die vielen polnischen Patienten war Dr. Sokołowski angestellt worden.718 Das Kurprogramm in Dr. Brehmers Heilanstalt besteht insgesamt aus den folgenden methodischen Komponenten: • 714 Ernährungsumstellung („zweckmäßige Nahrung“); Ebd., S. 34 Ebd. 716 Ebd., S. 37 717 Ebd., S. 49 718 Ebd., S. 61 715 174 • • • • • • • • Erziehung zu richtiger Ernährung und Lebensweise; zusätzliche Belebung der Hauttätigkeit zur Unterstützung der schwachen Lunge; Dämpfung der Blutzirkulation durch den dauerhaft verminderten Luftdruck im Gebirge; Aufenthalt an der frischen Gebirgsluft; Bewegung an der frischen Luft im Wechsel mit Ruhe; Regenbäder, Strahlendusche und kalte Abreibungen; ständige Kontrolle durch die Ärzte und Pflegekräfte, um die Einhaltung der Kurmethoden sicherzustellen; in seltenen Fällen Ergänzung durch medikamentöse Therapie: Morphium, Chloral, Pepsin, bei Diarrhöe Rotwein, Pulvis Doweri, Opium und Tannin, bei Affektionen des Larynx Morphium, Priesnitzsche Umschläge, Crotonöl und Inhalation von warmem Dampf. Gegen Blutungen: Ergotin innerlich und subcutan in starker Dosis, Eispillen, Eisbeutel und Morphium; außerdem Verdampfungen von Ol. Pul. Pumil; Carbolsäure innerlich und Ozonwasser äußerlich (hat sich aber als nutzlos erwiesen).719 In jedem Zimmer befinden sich ein Sofa und ein Schreibtisch in Mahagoni- oder Eichenausführung. In dem dreistöckigen Kurhaus ist sogar ein Fahrstuhl („Hebewerk“ genannt) vorhanden. Dienstmädchen und Hausdiener bedienen die Kranken und reinigen die Zimmer.720 Das Kurhaus beherbergt u.a. zwei große Speisesäle mit je sechs langen Tischen (jedem Tisch war ein Kellner zugeteilt), ein Herren- und ein Damenzimmer mit Polstermöbeln für Ruhepausen vor und nach den Mahlzeiten sowie für die Erledigung von Schreibarbeiten. Außerdem gibt es eine große Veranda mit einem Glasdach, die nach Süden ausgerichtet ist. Hier halten sich diejenigen Patienten auf, die den Anstaltspark nicht besuchen können oder dürfen. Im Kurhaus sind zudem ein großer Wintergarten und der „Neue Saal“ untergerbacht, in dem man sich vor allem zum Lesen zurückziehen konnte.721 Oberhalb der Villa Rosa erhebt sich ein „Humboldttempel“ genanntes Gebäude, das 1869 zu Ehren von Alexander von Humboldt und als Dank für seine Verdienste um den Aufbau der Anstalt errichtet worden ist. Der Tempel mit der Büste Humboldts existiert heute nicht mehr. Seit 2012 steht auf den Fundamenten des Humboldttempels das von dem polnischen Künstler Zbigniew Warpechowski gestaltete Kunstwerk „Łódź postępu“ in Form eines Schiffes. Zu Brehmers Zeiten wurde im Sommer unweit des Tempels, jeweils 14-tägig, ein Konzert im 719 Ebd., S. 50f. Ebd., S. 65-67 721 Hier lagen im Jahre 1875 mehrere deutschsprachige sowie einige polnischsprachige Zeitungen und Bücher aus: Kölnische Allgemeine, Augsburger, Allgemeine, FAZ, Norddeutsche Allgemeine, Kreuz-Zeitung, Schlesische Presse, Kladderadatsch, die Gartenlaube, Über Land und Meer, Tribüne, Hamburger Reform und die polnische „Czas“. In der 1873 gegründeten Hausbibliothek fanden sich vor allem Werke von Goethe, Schiller, Lessing, Heine, Fritz Reuter, Walter Scott sowie Beckers Weltgeschichte. Außerdem konnten von den Patienten per Fernleihe Bücher aus der Breslauer und der Waldenburger Stadtbibliothek entliehen werden. 720 175 Anstaltspark angeboten.722 In dem nach 1854 angelegten Anstaltspark, der 1875 eine Fläche von 20 Hektar umfasst, befinden sich über 300 Bänke und 200 Stühle für die Ruhepausen während der verordneten Spaziergänge.723 Im Sommer fallen Kurkosten für Kost und Logis zwischen 36 und 51 Mark pro Woche an, im Winter (inklusive Heizkosten) zwischen 42 und 57 Mark; eigene Bettwäsche durfte mitgebracht werden. In den Kurkosten sind die Ausgaben für ärztliche Leistungen und zusätzliche Kurmittel (wie z.B. Wein) nicht enthalten.724 Nach Brehmers Tod (1889) ist die Anstalt kurzzeitig ohne Leitung, da der Fortbestand der Heilstätte nach der Einführung des Tuberkulins ohnehin fraglich erscheint. Doch 1890 macht man weiter. Erster Chefarzt nach Brehmer ist Felix Wolff. Er verlässt aber bereits 1891 Görbersdorf wieder.725 Sein Nachfolger, Hahn von Dorsche, bekleidet das Amt des Chefarztes bis 1908. Ihm folgt Dr. Heinrich Kraft, der 1913 von Dr. Franz Wehmer abgelöst wird. Vermutlich seit dem Ersten Weltkrieg bis in das Jahr 1926 hinein, steht Dr. Julius Busch der Brehmer’schen Anstalt vor, dann übernimmt Dr. Kurt Schlapper die Position. Ab 1929/1930 leitet Dr. Theobald Petri die Heilstätte. Als letzter deutscher Chefarzt kommt Dr. Georg Grundner (etwa Mitte der 1930er Jahre) in die Heilstätte.726 Spätere Nutzung In den 1950er Jahren wurde ein Teil des Kurhauses abgerissen. Der neue polnische Chefarzt, Dr. Stanislaw Domina, wandelte die Heilstätte in eine Fachklinik für Atemwege mit dem Namen „Grunwald“ (der polnische Name der historischen Tannenbergschlacht von 1410) um. Im Dezember 1966 musste die Anstalt geschlossen werden, nachdem sich die Ortsverwaltung dafür entschieden hatte, die Region als Wintersportgebiet auszubauen. Man fürchtete, das Vorhandensein einer Tuberkuloseklinik könnte potentielle Gäste stören.727 Im Jahre 2005 zerstörte ein Brand weite Teile der noch bestehenden, aber bereits durch Verfall und Vandalismus in Mitleidenschaft gezogenen beiden Hauptgebäude der ehemaligen Brehmer’schen Heilstätte. Der Haupttrakt befindet sich heute in einem besonders ruinösen Zustand. Die Villa Rosa wurde allerdings kürzlich restauriert. Das Weiße und das Neue Haus 722 Busch, Die Görbersdorfer Heilanstalt des Dr. H. Brehmer, S. 72 Ebd., S. 75 724 Ebd., S. 64 725 Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 456f. 726 Ebd., S. 463 727 Internetforum zur Geschichte Niederschlesiens, abgerufen unter dolny-slask.org.pl/548639,Sokolowsko, Sanatorium_Grunwald_dawne.html am 21. November 2013 723 176 sind bewohnt, aber sanierungsbedürftig. Die Warschauer Kulturstiftung „In Situ“, die 2008 das gesamte sechs Hektar große Anstaltsgelände erworben hat, möchte das Neue Kurhaus wieder aufbauen und für eine kulturelle Nutzung verfügbar machen. Mit den Bauarbeiten wurde 2012 begonnen. Auf dem Grundstück des in den 1950er Jahren abgetragenen Bauteils des Kurhauses ist die Errichtung eines Neubaus geplant. Wenngleich der Wiederaufbau wegen der spärlich fließenden Spendengelder nur langsam voranschreitet, führt die Stiftung auf dem Gelände bereits Kulturprojekte (Filmfestivals, Workshops und Ausstellungen) durch.728 3.4.2 Dr. Römpler, Görbersdorf (Sokołowsko) Im Jahre 1871/72 ließ ein Patient Brehmers, Freiherr von Rössing, im Einvernehmen mit dem ihn behandelnden Arzt in Görbersdorf nur wenige Meter von Brehmers Anstalt entfernt eine Kurpension mit angeschlossener „Kaltwasserheilanstalt“ errichten. Bereits kurz nach der Eröffnung kam es zu ersten Konflikten zwischen Brehmer und von Rössing. Die Differenzen waren so groß, dass sich von Rössing herausgefordert fühlte, am gleichen Ort eine eigene Lungenheilanstalt zu bauen. Nach Abschluss des Vorhabens stellte er zum 15. März 1875 den aus Naumburg stammenden und an der Universität Halle-Wittenberg promovierten Arzt Dr. Theodor Römpler729 ein. Römpler hatte zufällig kurz zuvor auf einer Italienreise Bekanntschaft mit dem Grafen Solms, dem Grundbesitzer Görbersdorfs, gemacht.730 Die Römpler’sche Heilanstalt sollte nicht nur Tuberkulöse aufnehmen, sondern auch „Anaemische, Chlorotische, Scrophulöse, Nervenleidende und Rekonvalescente“.731 Im Jahre 1891 scheinen sich die beiden Anstaltsleitungen aber wieder einander angenähert zu haben. Der Chefarzt der vormals Brehmscher’schen Anstalt Wehmer und Dr. Römpler entwickelten sogar die Idee einer Fusion. Allerdings stellte sich die Erbengemeinschaft Brehmers dagegen, sodass der Plan scheiterte. 732 In den 1870er Jahren wurde die Römpler’sche Heilstätte auf den bis heute bestehenden Umfang erweitert. Im Jahre 1888 erwarb Dr. Römpler die Anstalt käuflich.733 Der Anstaltspark umfasste etwa 50 Hektar und befand sich – im Gegensatz zum Anstaltspark 728 Ebd. Karl Augest (sic!) Theodor Römpler wurde 1845 in Hassenhausen bei Naumburg/Saale geboren. Er absolvierte 1866 in Naumburg das Abitur und studierte in Jena und Halle Naturwissenschaften und Medizin. Das Studium schloss er 1872 mit dem Rigorosum ab, zwischenzeitlich diente er als Feldassistenzarzt in DeutschFranzösischen Krieg. Zu seinen Lehrern gehörte u.a. der berühmte Chirurg Richard von Volkmann (1830-1889). Aus: Dissertationsschrift von Römpler im Universitätsarchiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 730 Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 464 731 Anzeige Nr. 28 in der Berliner klinischen Wochenschrift, 17/1880, S. 332 732 Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 458 733 Ebd., S. 464 729 177 von Dr. Brehmer – auf einem fast ebenerdigen Gelände. Es gab zwei Kurhäuser sowie die ein paar Gehminuten entfernt gelegene „Villa Römpler“. Dem Hauptkurhaus war eine Sonnenterrasse vorgelagert. Zwischen dem Kurhaus und dem Nebengebäude („Turmvilla“ genannt“) befand sich der Speisesaal mit einem angegliederten Wintergarten. Im Anstaltspark war sogar eine russisch-orthodoxe Kapelle für die vielen russischen Gäste des Sanatoriums errichtet worden. 1900 übernahm Dr. Eugen Joel (1863 – 1911) die Leitung der Anstalt. Römpler starb zwei Jahre später, am 26. April 1902, in Görbersdorf.734 Nach dem Tod Joels 1911 wurde das Haus von Dr. Bruno Birke weitergeführt.735 Im Jahre 1913 konnten insgesamt 85 und um 1930 sogar 140 Kurgäste736 aufgenommen werden. Im Hauptgebäude befanden sich 72 Zimmer für Patienten auf vier Etagen. In der Villa Römpler gab es Einzelzimmer mit eigenem Balkon für insgesamt zwölf Personen.737 In den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurden ein Röntgengerät738 angeschafft sowie ein OP-Saal für die Durchführung der „Lungenkollapstherapie nach Brauer“739 eingerichtet. Chefarzt war ab etwa 1934 Dr. Eduard Heger, der die Einrichtung bis 1945 leitete.740 Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Anstalt als Fachkrankenhaus für Lungenkranke in Betrieb. Die Klinik trägt heute den Namen „Biały Orzeł“ (weißer Adler) und hat eine Kapazität von 95 Betten. Aufgenommen werden Lungen- und Lungentuberkulosekranke. Das Haus dient außerdem als Diagnostikzentrum für Lungenkrebs und andere Lungenkrankheiten.741 3.4.3 Dr. Weicker, Görbersdorf (Sokołowsko) Neben den Häusern von Dr. Brehmer und Dr. Römpler wurde in Görbersdorf noch eine weitere Heilstätte für Tuberkulöse (an der Straße von Görbersdorf nach Schmidtsdorf, pl. Kowalowa) errichtet. Die Gräfin Marie Pückler hatte 1883 ein Genesungsheim für Lungenkranke der Mittelschicht (meist niedere Beamte) auf einer Höhe von 550 Metern errichten lassen.742 Allerdings betrieb sie das Haus zunächst nur mit mäßigem Erfolg: Im Winter 1891/92 stand die Heilstätte sogar gänzlich leer. Im Jahre 1892 übernahm dann der Sanitätsrat Dr. Hans Weicker 734 Anzeige Nr. 18 vom 1. Mai 1902 in der Dtsch. Med. Wschr, 28/1902, o.S. Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 466 736 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 168 737 Deutscher Beamten-Wirtschaftsbund, Verzeichnis empfehlenswerter Lungen-Heilstätten aufgestellt von der Tuberkulose-Beratungsstelle des Deutschen Beamten-Wirtschaftsbundes. Berlin: Seydel 1933. 738 „Idealapparat“ der Firma Reiniger, Gebbert und Schall 739 Andere Bezeichnung für den künstlichen Pneumothorax 740 Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 466 741 Internetseite des Fachkrankenhauses sanatoria-dolnoslaskie.pl/sokolowsko/o-szpitalu, abgerufen am 2. Mai 2013 742 Averbeck, Von der Kaltwasserkur bis zur physikalischen Therapie, S. 466 735 178 (1860-1920) die Leitung der Pückler’schen Klinik und pachtete die noch nicht komplett ausgebaute Anlage. In Erinnerung an die Vorbesitzerin, die die endgültige Fertigstellung der Heilstätte nicht mehr erlebte, nannte er die genau auf der Grenze zwischen Görbersdorf und dem Nachbarort Schmidtsdorf gelegene Anstalt „Marienhaus“.1905 kaufte Weicker den Erben der Gräfin die Einrichtung ab. Weickers Zielgruppe war nach wie vor der „gebildete Mittelstand“.743 In den Folgejahren konnten „in dem geräumigen, nach Süden und Südosten mit großen Balkonen versehenen Gebäude“ mit 35 Ein- und Zweibettzimmern 50 Kranke aufgenommen werden.744 Nach einem großzügigen Umbau im Jahre 1905 gehörte auch ein elektrischer Aufzug bis ins Dachgeschoss zu den technischen Neuerungen. Dr. Weicker wollte die Heilstätte ähnlich wie ein Hotel betreiben und stellte deshalb keine Assistenzärzte ein. Ein diätetisches Programm, die Flachliegekur, die Freiluft-Liegekur, die Bewegungstherapie und eine „hydropathische Behandlung“ (Waschungen, Packungen, Abreibungen, Bäder usw.) kennzeichneten die Kurmethoden Weickers.745 Die Patienten bekamen fünf Mahlzeiten pro Tag nach den Vorgaben der Gerson-Sauerbruch-Diät.746 Weicker wandte außerdem als einer der ersten Ärzte die durch Robert Koch „inaugurierte spezifische Therapie der Tuberkulose“ (Gabe von Tuberkulin und ähnlichen Präparaten) an.747 Seit 1898 empfahl Dr. Weicker seinen Patientinnen und Patienten auch leichte körperliche Beschäftigung (u.a. freiwillige Mithilfe bei der Waldarbeit). In den 1920er Jahren wurde die Behandlung auf chirurgische Methoden umgestellt - somit wurde die Heilstätte in ein Tuberkulose-Fachkrankenhaus umgewandelt: Zu den Angeboten gehörten neben Röntgenuntersuchungen und Höhensonnenbestrahlungen das Anlegen eines künstlichen Pneumothoraxes, die Phrenicusexhairese und die Strangdurchtrennung nach Jacobäus, eine Thorakoplastik (in enger Zusammenarbeit mit Chirurgen aus Breslau).748 Der Anstaltspark führte den Hang hinauf bis zum Gipfel des Berges, auf dem sich ein Aussichtspunkt befand, von dem man bis zu den Höhen des Riesengebirges schauen konnte. Im waldigen Gelände gab es viele Ruhebänke und Lauben. Nicht nur in medizinischem Sinne, 743 Oskar Welten, Die Heilanstalten von Görbersdorf. Was sie versprechen und was sie halten. Für Aerzte und Kranke auf Grund eigener Anschauung und authentischer Quellen dargestellt von Dr. Oskar Welten. Berlin: Issleib 1888. 744 Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 293 745 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 30 746 Das Essen sollte bei der von Gerson entwickelten und von Sauerbruch bei Patienten angewandten Diät in erster Linie fettfrei, salzfrei und vegetarisch sein. Einige Gemüsesorten, Kaffee und Tee sollten vermieden werden. Neben Obstsäften waren täglich Jod und Vitamin B12 vorgeschrieben. Einige Patienten erhielten zudem Einläufe mit Kaffeesatz. 747 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 294 748 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 30 179 sondern auch in der Ausgestaltung des Anstaltsparks orientierte sich Weicker also eng am Vorbild der Brehmer’schen Heilanstalt, die nur wenige hundert Meter entfernt lag. 749 Weickers reger fachlicher Austausch mit einem Arzt namens Pauly aus Posen führte dazu, dass die LVA Posen, bei der Pauly als Sanitätsrat angestellt war, ab Mai 1894 regelmäßig ihre Patienten in ein von Weicker zusätzlich eingerichtetes „Krankenheim für unbemittelte Lungenkranke“ entsendete. Weicker bemühte sich dann auch bei Vertretern anderer Landesversicherungsanstalten um eine Anerkennung seiner Heilstättenbehandlung. Diese Aktivität bescherte ihm viele versicherte Kurgäste. Von den rund 20.000 seit Bestehen der Anstalt bis Ende 1911 behandelten Patienten waren nur etwa 4.000 Selbstzahler. Hinzu kamen etwa 1.000 Mittellose, deren Kuraufenthalt von Genossenschaften und Behörden bezahlt wurde. Die übrigen waren von den LVA Sachsen, Pommern, Schlesien, Westpreußen und Berlin an Weicker überwiesen worden. Als nach dem Tode Dr. Brehmers die Zahl der Kurgäste in dessen Heilstätte abnahm, konnte Weicker 1894 einige Häuser der Brehmer’schen Anstalt kaufen und auf diese Weise seine Heilstätte erweitern. Da immer mehr Patienten nach Görbersdorf geschickt wurden, nahm die Zahl der von Weicker im Ort übernommenen Häuser bis zur Jahrhundertwende stetig zu: im Jahre 1896 waren es insgesamt sechs, 1897 neun und 1903 dreizehn,750 mit insgesamt 400 Betten.751 Im Jahre 1911 arbeiteten neben dem Chefarzt Weicker, der ja zunächst eine Art Hotelbetrieb ohne medizinisches Personal begründen wollte, ein Oberarzt sowie drei bis vier Assistenzärzte im Sanatorium tätig.752 Es gab zwei Hauptgebäude, in denen Speisesäle, Verwaltungs- und Behandlungsräume eingerichtet waren. Die Kranken waren in den Häusern im Ort untergebracht. Männer- und Frauenstationen wurden erst ab 1897 voneinander getrennt. Dr. Weicker nahm auch Schwerkranke auf und richtete dafür besondere Isolierzimmer ein. Darüberhinaus war ein Haus mit 20 Betten für tuberkuloseverdächtige Kinder zwischen sechs und 14 Jahren vorhanden. Seit den 1920er Jahren stand der Anstalt ein Röntgengerät753 für Diagnostik und Behandlung zur Verfügung. Für die Durchführung des Pneumothorax wurden in einem Gebäude des „Krankenheims“ ein Operationssaal, ein Inhalatorium und ein Bestrahlungsraum (mit Sollux-Lampen und künstlicher Höhensonne) eingerichtet.754 Insgesamt verfügte die Heilstätte über 140 Hektar Anstaltsfläche und drei gepachtete Bauernhöfe im unweit von Görbersdorf gelegenen Schmidtsdorfer Ortsteil Fuchswinkel. 749 Ebd., S. 29 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 293 751 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 30 752 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 2/1904, S. 294 753 Universal-Polyphos-Apparat der Firma Siemens-Reininger-Veifa 754 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 30 750 180 Zur Unterhaltung der Patienten gab es populärwissenschaftliche medizinische Vorträge, da Weicker den Grundsatz vertrat, „daß die Volksheilstätte in erster Linie eine Erziehungsstätte sein soll“. Deshalb hatte Weicker auch einen Hauslehrer angestellt und eine Bibliothek eingerichtet. Zur Weiterbildung wurden Kurse (z.B. für Stenografie und Schönschrift) angeboten. Der Hauslehrer sollte auch in Fragen der Fürsorge beraten und als Mentor Hilfsbedürftigen dienen. Auch auf dem Gebiet der Hygiene war Weicker ein Pionier. Er wurde 1904 mit dem Kollektivpreis „Grand Prix“ der Weltausstellung in St. Louis und 1911 mit dem Großen Preis der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden ausgezeichnet. Ab 1911 lag die Leitung des Marienhauses und der Männerabteilung des Krankenheims in den Händen von Dr. Steinmeyer. Der Frauen- und Kinderstation stand ab 1912 Dr. Warnecke vor. Seit der Jahrhundertwende - bis in die 1930er Jahre hinein - betreute Verwaltungsdirektor Bertram die Anstalt in betriebswirtschaftlicher Hinsicht.755 Unweit der Weicker’schen Anstalt gab es ab 1890 im benachbarten Schmidtdorf die private Heilanstalt einer oder eines Dr. M. Beuchler „am Buchberg“ mit 44 Betten.756 Es gab außerdem 1908 in Görbersdorf von Anna Fischer gegründete Sanatorium „Waldesduft“. Zu diesen Anstalten konnten keine aussagekräftigen Quellen gefunden werden.757 3.4.4 Schmiedeberg (Kowary) Im - heute polnisch Kowary genannten - Ort Schmiedeberg wurde am 15. September 1900758 das Genesungsheim Schmiedeberg mit 201 Betten für weibliche Tuberkulosekranke eröffnet. Im Jahre 1902 konnten insgesamt 278 Patienten mit einer durchschnittlichen Belegungsdauer von 62 Tagen aufgenommen werden.759 Das Genesungsheim Schmiedeberg lag auf einer Höhe von 450 Metern direkt im Stadtzentrum Schmiedebergs. Es hatte eine gemeinsame Verwaltung mit der Heilstätte Hohenwiese, die sich in einem Vorort Schmiedebergs befand. Im Heim wurden im Jahre 1928 insgesamt 201 Patientinnen (zwei Drittel mit geschlossener Tuberkulose und etwa ein Drittel mit Herz-, Magen- oder Nervenkrankheiten) behandelt.760 Einer anderen Quelle zufolge 755 Ebd., S. 30f. Deutscher Beamten-Wirtschaftsbund, Verzeichnis empfehlenswerter Lungen-Heilstätten aufgestellt von der Tuberkulose-Beratungsstelle des Deutschen Beamten-Wirtschaftsbundes. Berlin: Seydel 1933. 757 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 53f. 758 LVA Schlesien, Organisation und Aufgaben der Landesversicherungsanstalt Schlesien. Breslau: Jungfer 1928. Preußische Staatsbibliothek Berlin, Fha35, S. 16 759 Geschäftsberichte der LVA Schlesien: für die Rechnungsjahre 1899-1907. Breslau: Jungfer, o. S. 760 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 79 756 181 konnten außerdem Kranke mit nicht-bazillären Lungenkrankheiten, Rekonvaleszente nach schweren Erkrankungen, Patienten mit Blutarmut sowie Unterernährte und Leicht-Nervenkranke (Neurasthenie, Hypochondrie und Burn-Out) aufgenommen werden.761 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein von einem „landwirtschaftlich geschulten Wirtschafter“ geführtes Gut mit Milchkühen angekauft, da zu dieser Zeit Versorgungsengpässe bei Milchprodukten in den Heilstätten der LVA Schlesien bestanden.762 Im Jahre 1912 waren 1017 Kranke im Genesungsheim Schmiedeberg untergebracht. Von ihnen kamen 208 aus Oberschlesien, 286 aus Mittelschlesien (Region um Breslau), 346 aus dem Stadtgebiet von Breslau, 207 aus dem restlichen Niederschlesien (rund um Görlitz und Bunzlau) und der Rest aus verschiedenen Teilen des Reiches sowie dem damals österreichischen Teil Schlesiens (Troppau, Ostrau).763 Im Jahre 2013 befand sich in den an einer stark befahrenen Landstraße gelegenen Gebäuden ein Hospiz (Hospicjum przy PCZ).764 761 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien und Organisation und Aufgaben der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 17 762 LVA Schlesien, Organisation und Aufgaben der Landesversicherungsanstalt Schlesien und LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 18 763 LVA Schlesien, Geschäftsberichte der Landesversicherungsanstalt Schlesien für die Rechnungsjahre 1907-1914. Breslau: Jungfer. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz 4"Fe 9202 764 Internetseite des o.g. Hospizes, abgerufen unter: pcz-kowary.pl/index. php/hospicjum.html am 3. Februar 2014 182 3.4.5 Hohenwiese (Wysoka Łąka) und Buchwald (Bukowiec) Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 15 – LAGE DER BEIDEN HEILSTÄTTEN HOHENWIESE UND BUCHWALD 765 Das Genesungsheim Hohenwiese wurde am 1. September 1902 auf einem 485 Meter hoch gelegenen Areal errichtet, zweieinhalb Kilometer vom Kurort Schmiedeberg entfernt. Auf dem über 30 Hektar großen Gelände am Südhang des Schüsselbergs war ursprünglich ein Haus für 200 Betten geplant. Zunächst entstand ein Gebäude mit einer Kapazität von 150 Betten. 1912 und 1914 wurden Erweiterungen auf 180766 und 220 Betten vorgenommen.767 Der Bau des neuen Genesungsheims oberhalb Schmiedebergs war nötig geworden, weil das Sanatorium Obernigk bei Breslau, eine Villa mit 28 Betten für die Versicherten der LVA Schlesien, bereits nach kurzer Betriebszeit zu klein geworden war. Am 23. September 1899 wurde daraufhin der Bau der Heilstätte Hohenwiese beschlossen. Der Entwurf für das Gebäude stammte von dem Architekten Carl Grosser aus Breslau. Den Garten gestaltete der Breslauer Landschaftsplaner Menzel. Im Jahre 1901 wurden die Nebengebäude (Arztvilla, Maschinenhaus, Gärtnerei und Pförtnerhaus) errichtet. Hölzerne Liegehallen für 80 Patienten im Anstaltspark folgten 1904. Ein Teil der Anlage wurde 1913 durch einen Orkan zerstört und durch neue Eisenbeton-Hallen mit einer Kapazität für 113 Kranke ersetzt. Während des Ersten Weltkriegs diente die Heilstätte zwei Jahre lang als Lazarett. In der Inflationszeit (1923/24) musste die Anstalt für neun Monate schließen.768 765 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_5161_3010, 1936 LVA Schlesien, Geschäftsberichte der Landesversicherungsanstalt Schlesien für die Rechnungsjahre 1899-1907 und 1907-1914. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz 4"Fe 9202 767 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen der Männer-Heilstätte, Hohenwiese im Riesengebirge der Landesversicherungsanstalt Schlesien 1. Sept. 1902 bis 1. Sept. 1927. Breslau: Schles.-Dr., 1927, S. 3 768 Ebd., S. 7 766 183 Der erste Chefarzt war Dr. Hasse. Für die Pflege der Patienten waren evangelische Diakonissenschwestern zuständig. Zur Anwendung kam die physikalische Kur nach dem „Winternitzschem Muster“769. Dafür gab es einen eigens ausgestalteten Baderaum mit Zellen für Schwitzbäder und sog. „Einpackungen“ sowie für weitere „hydriatische Prozeduren“. Die Aufsicht über die Einrichtungen für die Hydrotherapie hatten zwei Bademeister inne. Im Haus gab es außerdem ein „kohlensaures Bad“, ein Moorbad, ein Gärtner’sches Zweizellenbad770 sowie Räume für die Elektrotherapie und für Massagekuren. Für die Körpertherapie stand ein „Vibrations-Massageapparat mit Motorantrieb“ zur Verfügung.771 Atemübungen wurden auf einer Ruderbank („Sanitasapparat“) durchgeführt. Weitere beschriebene Gerätschaften waren ein „Elektrotherm“-Gerät zur lokalen Heißluftbehandlung und ein klassischer Röntgenapparat.772 Die meisten Patienten kamen aus Niederschlesien und Oberschlesien, viele aus der Stadt Breslau. Sie blieben in der Regel acht Wochen. In den ersten Betriebsjahren der Heilstätte wurden auch nicht-tuberkulöse Erholungsbedürftige, die zum Teil arbeitsunfähig waren, aufgenommen. Da sich diese Patientengruppe nicht an die strengen Regeln des Hauses für die Tuberkulösen hielt, kam es wohl zu einigen Problemen. Die Klinikleitung entschloss sich darum zu drastischen Maßnahmen und verhängte eine Ausgangssperre: „Häufiger Wirtshausbesuch und Spaziergänge, deren Ausdehnung nicht im Einklang mit den ärztlichen Verordnungen standen, gefährdeten den Erfolg der Heilverfahren. Der 1905 erbaute Zaun beseitigte die schlimmsten Schäden, wenn er auch bis heute noch kein unüberwindliches Hindernis bildet. Er wird noch immer von einzelnen überstiegen oder zerschnitten.“ 773 Im Jahr 1912 kam in der Heilstätte erstmals das Tuberkulose-Prophylaktikum Mallebrein (Aluminum chloratum) in Form von Gurgelwasser zum Einsatz. In den 1920er Jahren wurden immer öfter auch Patienten mit Stoffwechselkrankheiten oder Herz- und Nierenleiden sowie Menschen mit funktionellen Störungen in der Heilanstalt behandelt. Etwa die Hälfte der Patienten kam mit einer geschlossenen Lungentuberkulose in die Heilstätte. Die andere Hälfte litt an anderen Lungenkrankheiten, an Gelenkrheuma, Ischias oder Gicht. Die Klinikleitung wollte die Anwendung medizinischer Verfahren nachdrücklich hervorheben 769 Der Balneologe Winternitzsch hatte eine Vielzahl hydrotherapeutischer Verfahren entwickelt, u.a. eine Methode, bei der den Badenden Schläuche mit heißem Wasser auf den Bauch gelegt wurden. Siehe auch: Ebd., S. 7 770 Eine Badewanne, in der den Patienten elektrische Stöße mit einer Stromstärke bis zu 100 mA verabreicht wurden. 771 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 36 772 Ebd., S. 36 773 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen der Männer-Heilstätte Hohenwiese im Riesengebirge der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 8 184 und änderte den Namen des Genesungsheims am 1. Januar 1927 in „Heilstätte Hohenwiese“.774 Für Jugendliche gab es eine Betreuung durch einen „Jugend- und Sportleiter“. Erwachsene und Jugendliche hatten in den 1930er Jahren dieselben Kurkosten in Höhe von 6,20 Reichsmark täglich zu entrichten. Über die Einweisung jedes einzelnen Patienten entschied der Vorstand der LVA Schlesien.775 Kurz vor Kriegsende, am 16. September 1918, wurde auf dem Nachbargrundstück der Heilstätte Hohenwiese die Heilstätte Buchwald mit einer Kapazität von 208 Betten eröffnet. Sie war für männliche Tuberkulosepatienten bestimmt. Dabei handelte es sich um Versicherte der LVA Schlesien, der Niederschlesischen und Oberschlesischen Knappschaft sowie um Selbstzahler.776 Die Heilstätten Hohenwiese und Buchwald lagen auf einer Höhe von 450 Metern an demselben Südhang nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Nach Süden hin boten beide Gebäude einen großzügigen Blick über Schmiedeberg und auf das Riesengebirge. Die Nord-, Ost- und Westseite waren durch einen bewaldeten Bergrücken gegen den Wind geschützt. Ein Chefarzt (das war 1930 der Landesversicherungs-Obermedizinalrat Dr. May), ein Oberarzt und zwei Assistenzärzte betreuten die Kranken.777 In Buchwald wurden vor allem Patienten mit offener Lungentuberkulose behandelt, Hohenwiese nahm ab 1918 nur noch Pateinten mit geschlossener Tuberkulose auf.778 In den 1920er Jahren wandelten sich auch die Behandlungsmethoden: Vermehrt wurde die hygienisch-diätetische Therapie durch chirurgische Eingriffe wie den Pneumothorax, die Phrenicusexhairese, die Thorakoplastik ersetzt bzw. durch physikalische Anwendungen mit Röntgenstrahlen oder Höhensonne-Sollux-Bogenlampenbestrahlung und medikamentöse Therapien wie Tuberkulin- und Goldinjektionen ergänzt. Im Jahre 1930 gab es in Buchwald ein großes „Röntgeninstitut, ein gut ausgestattetes Laboratorium, in dem alle klinisch-chemischen und bakteriologischen Untersuchungen vorgenommen werden konnten“.779 Die Verwaltungen der drei Heilstätten Schmiedeberg, Hohenwiese und Buchwald arbeiteten eng zusammen. So gab es zum Beispiel eine gemeinsame Fürsorgerin, die versuchte, die Patienten, 774 Ebd., S. 8 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 36 776 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen der Männer-Heilstätte, Hohenwiese im Riesengebirge der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 13 777 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 17 778 Ebd., S. 12f. 779 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 13 775 185 die nicht mehr in ihren Beruf zurückkehren konnten, noch während des Kuraufenthalts in geeignete Arbeitsstellen zu vermitteln.780 3.4.6 Landeshut (Kamienna Góra) Die Kaiserin-Augusta-Viktoria-Volksheilstätte für weibliche Lungenkranke in der Nähe der niederschlesischen Stadt Landeshut wurde am 15. September 1904 mit einer Kapazität von 85 Betten eröffnet. Die vom Niederschlesischen Provinzialverein zur Bekämpfung der Tuberkulose erbaute Anlage lag in einer Höhe von 503 Metern über dem Meer, am Übergang des Waldenburger Berglands zum Riesengebirge, etwa vier Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.781 Von der Heilstätte aus sah man auf das Kloster Grüssau und das Riesengebirge.782 Im Jahre 1908 erfolgte der Bau eines zweiten Hauses auf dem Anstaltsgelände, sodass die Kapazität auf 165 Betten erhöht werden konnte. Bereits 1910 war es möglich 185, und im Jahre 1928 insgesamt 221 Patientinnen aufzunehmen. Auf dem Gelände befand sich auch eine Villa mit drei Ärztewohnungen.783 In der Heilstätte gab es Zwei, Drei, Vier- und Fünfbettzimmer. Aufgenommen wurden weibliche Tuberkulöse (alle Tuberkulosearten), sofern Aussicht auf Heilung oder zumindest Besserung bestand und die Patientinnen nicht an anderen „ansteckenden oder ekelerregenden“784 Krankheiten litten. Über die Aufnahme entschied der Vereinsvorstand nach Prüfung des ärztlichen Berichts. Vorliegen musste die Kostenübernahmeerklärung eines öffentlichen Kostenträgers oder privaten Spenders für eine Dauer von 90 Tagen. Als Kurkosten waren Ende der 1920er Jahre täglich 6,50 Reichsmark (die Kosten für Medikamente und etwaige Operationen waren eingeschlossen) zu entrichten. 780 Ebd., S. 13 LVA Schlesien, Geschäftsberichte der Landesversicherungsanstalt Schlesien für die Rechnungsjahre 1899-1907, ohne S. 782 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 39f. 783 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 18 784 Ebd., S. 24 781 186 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 16 - LAGE DER BEIDEN HEILSTÄTTEN IN LANDESHUT 785 Auf dem Gelände befanden sich Spazierwege sowie ein Luft- und Sonnenbad mit Duschmöglichkeiten. Der Wald, der die Anstalt umgab, war im Jahre 1904 mit einer Fläche von neun Hektar für die Dauer von 35 Jahren gepachtet worden.786 Im Jahre 1911 wurde ein neuartiges Nachrichtensystem installiert, um die Heilanstalt direkt mit den Fürsorgestellen und den Gemeindepflegestationen Schlesiens zu verbinden. Röntgentherapie gab es seit 1915. Ein Naturluft- und Sonnenbad nach Bernhard und Rollier787 785 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_5262_3072, 1937 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S.18f. 787 „Die Sonnentherapie im Hochgebirge wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Oscar Bernhard eingeführt. Als Chefarzt am Kreisspital Samedan im Oberengadin sah er, wie die einheimischen Bauern Fleisch an Luft und Sonne trockneten und so vor Fäulnis bewahren konnten. Dies brachte ihn auf die Idee, die schlecht heilende Wunde eines Patienten der Sonnenbestrahlung auszusetzen. Nach dem Erfolg dieses Verfahrens wandte Bernhard es auch bei Kranken mit so genannter ‚chirurgischer’ Tuberkulose an, die vor allem Knochen, Gelenke, Lymphknoten und Haut befällt. Weit über die chirurgische Nachbehandlung hinaus ging das Sonnentherapie- System, das Auguste Rollier in Leysin entwickelte. Es erzielte gute Heilerfolge bei vorher wenig erfolgreich behandelten Tuberkulosefällen. Chirurgische Behandlungen hielt Rollier für unnötig; statt zu operieren, liess er seine Patienten möglichst viel im Freien liegen oder sich bewegen. Seine genau dokumentierten Erfolge machten Rollier und die Heliotherapie in der ganzen Welt bekannt.“ Aus: Wyder, Margrit: Kräuter, Kröpfe, Höhenkuren - die Alpen in der Medizin - die Medizin in den Alpen. Zürich 2003, S. 125. 786 187 eröffnete 1917. Gleichzeitig begann die Therapie mit einem Höhensonne-Gerät nach Jesionek.788 Als weitere Behandlungsmethoden kamen nach 1920 die Arbeitstherapie und ab 1924 die systematische Heilgymnastik hinzu. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs war die Heilstätte in ein „intern-klinisches“ Krankenhaus789 umgewandelt worden, da hauptsächlich der künstliche Pneumothorax vorgenommen wurde. Ab 1923 folgte die Phrenicusexhairese und 1927, mit der Eröffnung einer separaten lungenchirurgischen Abteilung, die Thorakoplastik.790 An technischen Einrichtungen standen der Heilanstalt nun auch eine zentral geregelte Niederdruckdampfheizung und eine mechanische Wäscherei zur Verfügung.791 Die Leitung der Klinik oblag zu dieser Zeit dem Internisten Dr. Wirth. Ihm standen ein Oberarzt (Chirurg) und eine Assistenzärztin (mit pathologisch-anatomischer und bakteriologischer Ausbildung) sowie zwei hauptamtliche Assistenzärzte zur Seite. Da Landeshut seit 1928 Ausbildungskrankenhaus war, übten die Ärzte zugleich eine Lehrtätigkeit aus. Seit 1922 waren bereits zweiwöchige Fortbildungen für Ärzte angeboten worden. Ab 1928 gab es zweiwöchige Kurse für Medizinstudenten im letzten klinischen Semester der Breslauer Universität. Auf dem gleichen Gelände befand sich das Gebäude der Kaiser-Wilhelm-Kinderheilstätte. Das Haus war ebenso wie das Gebäude der Frauenheilstätte von Norden, Osten und Westen von dichtem Nadelwald umgeben, der damals von der Heilstätte aus nur den Blick in Richtung Süden zuließ.792 Die Kinderabteilung wurde im April 1920 in Betrieb genommen und bot 250 jungen Patientinnen und Patienten Platz. Der Anstalt stand 1928 ein Chefarzt vor, der von einem Oberarzt und zwei Assistenzärzten unterstützt wurde.793 788 „Man hatte nämlich bald erkannt, daß die Heilwirkung der Hochgebirgssonne nicht so sehr auf der Sonnenwärme als vielmehr auf den unsichtbaren ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes beruhte […]. Diese Erkenntnis führte […] zu der hohen Bedeutung, welche die Quarzlampe besonders als ‚künstliche Höhensonne’ (nach Geheimrat Dr. Bach in Bad Elster und nach Prof. Dr. Jesionek von der Universitäts-Hautklinik in Gießen) erlangt hat. Diese Bestrahlungsapparate senden mehr heilkräftige, unsichtbare ultraviolette Strahlen aus, als die Natursonne im Hochgebirge, weshalb sie auch in noch höherem Maße als diese eine tiefer wirkende Hautreizung und damit eine kräftige Anfüllung der Hautblutgefäße des menschlichen Körpers erzeugen. Hierauf basieren im wesentlichen die mit den ultravioletten Strahlen der Quarzlampe erzielten Heilerfolge.“ Aus: Fritz Förster, Der Bereich der ultravioletten Strahlen und ihre Anwendung. Dinglers polytechnisches Journal, 342/1927, 13–17 789 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 40 790 Ebd. 791 LVA Schlesien, Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 18f. 792 Johanna Hanuschke, Das Landeshuter Klima als Reizklima bei tuberkulösen Kindern an Hand des Krankengutes der Kinderheilstätte Landeshut 1936-38. Landeshut/Breslau: Wilh. Gottl. Korn 1941, S.5 / Im Jahre 2013 war der Ausblick auf das im Tal gelegene Dorf Zieder (pl. Zadrna) aufgrund des dichten Baumbestandes nicht mehr möglich. 793 Denkschrift zum 25jährigen Bestehen des Frauen-Genesungsheims Schmiedeberg i. Rsgb. der Landesversicherungsanstalt Schlesien, S. 18 188 Die Heilstätte wird in einer Dissertation von Johanna Hanuschke beschrieben. Die Arbeit enthält auch Patientendaten: Die Kinder kamen aus Schlesien (gesamte Provinz einschl. Großstädte), Berlin, Danzig und Pommern. Bei den Patienten aus Berlin beobachte Hanuschke fast immer erhöhte Hämoglobinwerte. Hanuschke nahm eine Klassifikation der erkrankten Kinder vor: Sie unterschied zwischen äußerer Tuberkulose (69 Kinder), Hilusdrüsentuberkulose (1835 Kinder), Infiltrierungen (55 Kinder) und allen Formen der offenen Tuberkulose (157 Kinder).794 Im Jahre 1952 wurde die Ausrichtung der Heilstätte verändert. Der Behandlungsschwerpunkt verlagerte sich von der Lungentuberkulose zur Knochen- und Gelenktuberkulose. Seit 1977 ist die Anstalt ein Reha-Klinikum für Erkrankungen des Bewegungsapparates (seit 2004 in privater Trägerschaft).795 3.4.7 Moltkefels, Schreiberhau (Szklarska Poręba) In Niederschreiberhau befand sich die Lungenheilanstalt Moltkefels. Die Heilstätte wurde am 17. April 1904 von der „Pensionskasse für die Arbeiter der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft“ eröffnet, die später in der „Reichsbahn-Arbeiterpensionskasse I“ aufging. Der bauliche Entwurf für die Anstalt stammte - ebenso wie die Pläne für die ähnlich gestaltete Schwesternheilstätte in Melsungen bei Kassel - von den Berliner Krankenhausarchitekten Schmieden und Boethke.796 Die Anlage besteht aus drei Gebäuden: dem Hauptgebäude mit einer 110 m langen Südfassade, dem Maschinenhaus und der Chefarztvilla. Letztere befindet sich an der östlichen Zufahrt zum Hauptgebäude. Es gab drei Liegehallen am Hang unmittelbar vor dem Hauptgebäude sowie eine zweigeschossige Liegehalle, die sich (noch heute) westlich des Hauptgebäudes befindet.797 Das Hauptgebäude umgibt ein etwa 21,5 Hektar großer Anstaltspark. Niederschreiberhau liegt auf einer Höhe von 650 Metern am Übergang vom Iser- zum Riesengebirge. Das Heilstättengelände erstreckte sich am Südhang eines „Moltkefelsen“ genannten Bergrückens. Dadurch war das Anstaltsgelände windgeschützt. Die Patienten hatten einen Ausblick, der bis zur Schneekoppe und dem Reifträger reichte: „Diese selten schöne Lage kann als psychisches Moment für den Aufenthalt der Kranken gar nicht hoch genug bewertet 794 Hanuschke, Das Landeshuter Klima als Reizklima bei tuberkulösen Kindern an Hand des Krankengutes der Kinderheilstätte Landeshut 1936-38, S. 24 795 Internetseite des Dolnośląskie Centrum Rehabilitacji, abgerufen unter dcr.org.pl/main/m51.htm am 18. Dezember 2013 796 vgl. auch Schautafel Moltkefels, Archiv des Deutschen Technikmuseums, Sign. IV 2 VBM. EB/01/018 797 Ohne Autor, Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft. Berlin: Verlag Greve 1904, o. S. 189 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 17: LAGE DER HEILSTÄTTE MOLTKEFELS 798 werden“799, hob die Anstaltsleitung in einem Werbeprospekt aus dem Jahre 1904 hervor. Der Anstaltspark wurde mit Spazierwegen, einem Bassin und zwei Springbrunnen gärtnerisch gestaltet. Die Patientenzimmer befanden sich im Westteil des Hauptgebäudes. In einem besonderen Zwischenflügel waren Einzel- und Zweibettzimmer untergebracht, die zur Südseite hin vorgelagerte, für die Liegekur nutzbare Balkone besaßen. Die ärztlichen Untersuchungsräume, die Verwaltung sowie die Küche waren im Erdgeschoss der Klinik zu finden. Der Aufenthaltsraum im zweiten Obergeschoss diente vor allem der arbeitstherapeutischen Betätigung.800 Der Ostflügel enthielt hauswirtschaftliche Einrichtungen sowie den Speisesaal für 100 Kranke, direkt über der im Erdgeschoss gelegenen Küche. Der Speisesaal wurde zugleich für Gottesdienste genutzt, weshalb es eine Nische gab, die den Altar beherbergte.801 Die Leitung der Schreiberhauer Anstalt oblag im Jahre 1928 dem Chefarzt Dr. Bochalli.802 Die Familie von Bochalli wurde 1945 von den polnischen Behörden aus der Heilstätte vertrieben und 798 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_5159_3008, 1940 Ohne Autor, Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft. Berlin: Verlag Greve 1904, o.S. 800 Ebd. 801 Ebd. 802 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 52f 799 190 zog nach Kassel.803 Die Heilstätte Moltkefels in Niederschreiberhau und die Heilstätte Stadtwald bei Kassel waren von der Pensionskasse für die Arbeiter der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft errichtet worden: „Für die Errichtung eigener Lungenheilstätten trat der Vorsitzende der Pensionskasse lebhaft ein, indem er auf die stark zunehmende Zahl der Anträge auf Heilbehandlung und die Unzulänglichkeit der bestehenden Heilstätten hinwies.“ 804 Die finanziellen Rücklagen der Pensionskasse reichten erst im Jahre 1899 aus, um an den Bau einer eigenen Heilstätten denken zu können. Um die Anreise relativ kurz zu halten, beschloss eine Expertenkommission, zu der auch Dr. Gotthold Pannwitz (Gründer des Zentralkomitees zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke) und der Architekt Heino Schmieden gehörten, zwei Heilstätten zu errichten, und zwar eine für den östlichen und eine für den westlichen Teil des Reiches. Als mögliche Bauplätze standen neben Niederschreiberhau auch Hohenwiese (dort baute dann später die LVA Schlesien eine Heilstätte, s. 3.4.5) und - für das westliche Deutschland - Ellrich im Harz und Melsungen bei Kassel zur Auswahl. Die Pensionskasse entschied sich für den Moltkefels in Niederschreiberhau und den Stadtwald von Melsungen (s. 3.5.10.1).805 Der Architekt Schmieden erstellte mit seinem Mitarbeiter Reinhardt die Pläne für die Heilstätte Moltkefels. Die Bauleitung übernahm der Architekt Brummack. Der Minister für öffentliche Angelegenheiten genehmigte am 22. Januar 1901 die Bauprojekte in Niederschreiberhau und Melsungen. 1902 war Baubeginn. Bezogen wurden die beiden Gebäude (nach Austrocknung) erst im Frühjahr 1904. Erster Chefarzt in Moltkefels wurde Dr. Muttray (vorher Heilstätte Rathenow-Stadtforst). Gleich zur Betriebsaufnahme stand ihm ein Assistenzarzt zur Seite. Die Krankenschwestern wurden vom Vaterländischen Frauenverein in Gnesen gestellt. Unterhalb der Heilstätte Moltkefels verläuft die Bahnlinie Hirschberg – Reichenberg. Der Bahnhof Niederschreiberhau war in zehn Minuten zu Fuß zu erreichen. Auf einer zur Anstalt gehörenden 803 Zeitungsartikel zum 100. Geburtstag der Tochter Bochallis Hildegard Kuhr-Bochalli am 20. August 2012 im Weser-Kurier Bremen. Abgerufen unter: m.weser-kurier.de/articles/353722-67/bremen/kulturliebhaberin-feiert100-geburtstag abgerufen am 18. Dezember 2013 804 Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft. Berlin: Greve 1904, S. 4 805 Ebd., S. 5f 191 Wiese standen etwa 900 Obstbäume zur Selbstversorgung.806 Heute befindet sich in der ehemaligen Heilstätte Moltkefels das 2001 gegründete Isergebirgszentrum für Pneumologie und Chemotherapie („Izerskie Centrum Pulmonologii i Chemioterapii IZER-MED Spółka z o.o.“). Die Einrichtung dient der Diagnose und Behandlung aller Arten von Lungenkrankheit (einschließlich Lungenkrebs) sowie zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen nach chirurgischen Eingriffen. Außerdem gibt es im ehemaligen Hauptgebäude der Anstalt ambulante und fachärztliche Einrichtungen der Pneumologie und Onkologie.807 3.4.8 Privatsanatorien in der Umgebung von Schreiberhau Am „Alten Baudenweg“ in Schreiberhau errichtete die AOK im Jahre 1925 auf einer Höhe von 800 Metern ein Genesungsheim, dessen Leitung der im Ort ansässige Arzt Dr. Ihms übernahm. Zwei Krankenschwestern, eine Köchin, ein Hausdiener und sechs Hausmädchen waren im Heim beschäftigt. Die Belegung der 64 Betten erfolgte durch die LVA Berlin. Behandelt wurden Erschöpfungszustände und Bronchialkatarrhe. In Schreiberhau gab es außerdem das „Katharienheim“ für 14 weibliche Kranke mit der Diagnose Bleichsucht oder Lungenkatarrh.808 In Oberschreiberhau soll es auch ein Sanatorium „Schultz“ für Lungenkranke gegeben haben. In den Jahren 1877 und 1878 wurde im Kemnitzgrund, unweit des Dorfes Berthelsdorf, ein Privatsanatorium errichtet. Berthelsdorf (heute Ortsteil Barcinek von Stara Kamienica) liegt etwa 15 Kilometer nördlich von Schreiberhau im Riesengebirgsvorland. Ernst Berger809 gründete das Haus. Im Sanatorium wurden Kuren für Patienten mit Hals- und Lungenkrankheiten. Wahrscheinlich fanden auch Tuberkulöse Aufnahme, exakte Angaben darüber ließen sich aber nicht ermitteln.810 Es standen 100 Betten für männliche und 20 Betten für weibliche Patienten zur Verfügung. Insgesamt gab es 50 Schlafzimmer und separate Aufenthaltsräume für Männer und Frauen. Das Haus wurde 1935 geschlossen und von der Luftwaffe in ein Offiziersheim umgewandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Berthelsdorf unter polnische Verwaltung gestellt und 806 Ebd., S. 8 Internetseite des Isergebirgszentrums für Pulmologie www.icpich.izer-med.com.pl/o-nas.html abgerufen am 6. Mai 2013 808 Geschäftsberichte der Landesversicherungsanstalt Schlesien für die Rechnungsjahre 1899-1907. Breslau: Jungfer. 809 Eine andere nicht bestätigte Internet-Quelle gibt einen Schweizer namens Richard Brewhaus als Gründer an. 810 Private Internetseite zur Geschichte Berthelsdorfs. Abgerufen unter maciejowiec.beepworld.de/ berthelsdorfinfos.htm am 31. März 2014 807 192 zunächst als allgemeines Sanatorium des Warschauer Innenministeriums wiederöffnet. Im Jahre 1990 erfolgte die Veräußerung des Hauses an einen Privatinvestor. Nach dessen gescheiterten Renovierungsplänen steht die Anstalt leer und ist von Witterungseinflüssen und Vandalismus stark in Mitleidenschaft gezogen worden.811 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 18 - LAGE DES SANATORIUMS BERTHELSDORF 812 811 Internetseite einer polnischen Foto-Community zum Sanatorium Berthelsdorf. Abgerufen unter: fotopolska.eu/Barcinek/b26195,Samodzielny_Publiczny_ZOZ_Szpital_Specjalistyczny_MSW.html am 31. März 2014 812 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_5059_2946, 1939 193 3.5 Die Lungenheilstätten im übrigen Preußen Nachfolgend werden diejenigen preußischen Heilstätten beschrieben, die zwischen 1863 und 1934 außerhalb der Schwerpunktregionen der vorliegenden Arbeit (Brandenburg, Harz und Riesengebirge) errichtet wurden. Nur wenige Einrichtungen wurden im Rahmen der vorliegenden Studie persönlich aufgesucht. 3.5.1 Provinz Schlesien (ohne Riesengebirge) Neben den bereits vorgestellten Heilstätten im Riesengebirge und im vorgelagerten Waldenburger Bergland (s. 3.4) gab es in Nieder- und Oberschlesien noch weitere erwähnenswerte Einrichtungen für Tuberkulöse. 3.5.1.1 Bad Reinerz (Duszniki-Zdrój) Dr. Rudolf Schön gründete 1899 ein Privatsanatorium für Lungenkranke am Rande des Ortes Bad Reinerz im Adlergebirge. Bad Reinerz liegt in einem breiten Tal auf einer Höhe von etwa 560 Metern. Ursprünglich sollte die Heilstätte mitten im Ort errichtet werden. Dagegen regte sich jedoch Widerstand in der Bevölkerung: „Eine an die Aerzte ergangene Anfrage in Betreff der Errichtung einer Lungenheilstätte im Bade hatte ein ablehnendes Ergebniß gehabt. Diesen Standpunkt theilte auch die Verwaltung, die Heilstätte und offene Kuranstalt für zwei einander gegenüberstehende, fremdartige Begriffe hielt und das in die Heilstätten passende Krankenmaterial als nicht geeignet für offene Kurstätten ansah. Es hat sich die Anpachtung eines dem Kaufmann Schwabe gehörigen Wohnhauses an den Ausläufern der Stadt für den Dr. Schoen eine Gelegenheit gefunden, eine solche Lungenheilstätte zu errichten, die im Sommer und Winter offen ist.“813 Das Hauptgebäude des Sanatoriums umfasste 38 Zimmer. In einem 1908 entstandenen Nebengebäude gab es zusätzliche 19 Zimmer. Im Erdgeschoss befanden sich neben dem Speisesaal auch die Untersuchungszimmer, ein Inhalationsraum und ein Aufenthaltsraum. Dem Erdgeschoss war eine Liegehalle vorgelagert. Zur Eröffnung des Hauses wurden 24 Patienten aufgenommen (im Hause wurden diese als „Besucher“ bezeichnet, vermutlich um den Kurcharakter des Sanatoriums hervorzuheben). Im Jahre 1911 zählte man schon 148 „Besucher“. Die meisten von ihnen erhielten eine Behandlung mit Tuberkulin. Sie waren also tatsächlich Patienten.814 Da es im Haus bereits im Jahre 1912 einen Aufzug gab, konnten auch schwerkranke Personen aufgenommen werden, die zum Treppensteigen zu schwach waren. 813 814 Paul Dengler, Geschichte des Bades Reinerz, Reinerz: Richard Pohl 1903, S. 258 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 58f. 194 Für das Jahr 1930 wird das Vorhandensein mehrerer Operationsräume, eines Röntgenkabinetts und eines Bestrahlungsraums erwähnt. Für die chirurgischen Eingriffe wurde ein Lungenchirurg angestellt, der u.a. den Pneumothorax durchführte. Der Chefarzt war zu dieser Zeit Dr. Engell. Die Kurkosten (für Selbstzahler und Versicherte) betrugen zehn Mark im Einzel- und acht Mark im Doppelzimmer.815 Nachdem die deutsche Bevölkerung nach dem Kriegsende 1945 Bad Reinerz verlassen musste, wurde das Kurhaus in ein polnisches Gewerkschaftsheim („FWP-Pensjonat Słoneczna“) umgewandelt. Gegenwärtig sind die Gebäude ungenutzt (Stand 2013). 3.5.1.2 Breslau-Herrnprotsch (Pracze Odrzańskie) In Niederschlesien gab es ab Herbst 1920 ebenfalls ein Tuberkulosekrankenhaus, und zwar im späteren Breslauer Ortsteil Herrnprotsch. Die Anstalt wurde zwischen 1912 und 1914 nach Plänen eines Oberbaurats Müller errichtet und sollte ursprünglich als städtisches Pflegeheim dienen. Während des Ersten Weltkriegs blieb das noch kurz vor Kriegsbeginn fertiggestellte Haus ungenutzt. 1920 erfolgte dann die Inbetriebnahme mit 290 Betten für Tuberkulosepatienten. Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 19: LAGE DES TUBERKULOSE-KRANKENHAUSES HERRNPROTSCH 816 Es gab eine Station für Innere Medizin mit 210 und eine chirurgische Station mit 80 Betten. Im Krankenhaus wurden Pneumothorax-Behandlungen, Röntgentherapie, Thorakoplastiken, Plombierungen und die Phrenicusexhairese durchgeführt. Die pathologisch-anatomische Abteilung unterstand der Universität Breslau als Lehreinrichtung. In unmittelbarer 815 816 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 69f. Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_4867_2827, 1934 195 Nachbarschaft zum Krankenhaus war eine „Werkstättensiedlung“ für 82 Kranke mit offener Tuberkulose eingerichtet worden. Die Patienten konnten hier nach ihrer Entlassung aus der stationären Pflege in eigenen Wohnungen leben und in den anstaltseigenen Werkstätten arbeiten.817 Heute befindet sich in den Gebäuden des ehemaligen Krankenhauses der Wissenschafts- und Technologiepark „Kampus Wrocławskiego Centrum Badań EIT+“.818 3.5.1.3 Loslau (Wodzisław Śląski) Die Geschichte der Heilstättenbewegung in Oberschlesien beginnt mit einer gemeinsamen Sitzung des Vereins der Ärzte Oberschlesiens (einschließlich des oberschlesischen Industriegebiets) in Kattowitz am 15. Oktober 1895. Mit einem Vortrag überzeugte der aus Oppeln stammende Medizinalrat Dr. Roth die anwesenden Vereinsmitglieder vom Nutzen einer eigenen Heilstätte im Regierungsbezirk Oppeln. Ein Jahr nach der Sitzung konstituierte sich - am 18. November 1896 - ein Heilstättenverein. Schon bald boten mehrere private Grundbesitzer und einzelne Kommunen dem Verein mögliche Bauplätze für die Errichtung einer Heilstätte an. Den Zuschlag erhielt die Stadt Loslau, die dem Verein kostenfrei ein 1,6 Hektar großes Waldgelände zur Verfügung stellte und den zukünftigen Patienten zugestand, den umliegenden, 25 Hektar großen Stadtwald zu Erholungszwecken zu nutzen. Dies stellt eine Besonderheit dar, da das Verlassen des Heilstättengeländes zu dieser Zeit in anderen Anstalten eher unüblich und meist sogar verboten war. Der Bau der Heilstätte konnte im Juli 1898 fertiggestellt werden. Die Anlage liegt südöstlich der Stadt Loslau auf einem Südhang in einer Höhe von 285 Metern und wurde vom Oppelner Regierungsbaumeister Zickler entworfen. Ein Nebengebäude (das die Küche, die Speisesäle und die Badezimmer enthielt) entstand im Jahre 1903. Eine Chefarztvilla kam 1907 hinzu (errichtet unter der Leitung des Architekturbüros Mohr und Weidner, BerlinCharlottenburg). Die Baukosten für die gesamte Anlage betrugen etwa 800.000 Mark.819 Das heute noch vorhandene dreistöckige Hauptgebäude besteht aus einem Mittelbau und zwei Seitenflügeln. Die Patientenzimmer waren zur Südseite hin eingerichtet. Im Erdgeschoss gab es Ein-, Zwei-, Drei-, Vier- und Fünfbettzimmer und im 1.OG sogar Sechsbettzimmer sowie einen Schlafsaal mit zwölf Betten. Nach einem späteren Umbau hatte Loslau eine Kapazität von 210 Betten. Als technische Besonderheiten galten ein elektrischer Personenaufzug und eine Geschirrspülmaschine. 817 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 94f. Internetseite des Technologieparks Herrnprotsch, abgerufen unter: www.eitplus.pl/pl/ kampus_wroclawskiego_ centrum_badan_eit-plus-/315/ am 4. Dezember 2013 819 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 68 818 196 Auf dem Anstaltsgelände befand sich ein sog. „Unterbeamtenhaus“, in dem Wohnungen für den Maschinisten und den Gärtner sowie Gästezimmer für Angehörigenbesuche der Patienten eingerichtet waren. Die Trinkwasserversorgung erfolgte durch eine natürliche Quelle, die praktischerweise direkt auf dem Anstaltsgelände lag.820 Die Behandlung konzentrierte sich auf ein hygienisch-diätetisches Programm, in Verbindung mit Anwendungen der Hydrotherapie. Zudem waren freiwillig zu leistende, leichte Arbeitseinsätze vorgesehen.821 Neben dem Chefarzt Dr. Schrader (seit Juli 1899) waren in der Heilstätte ein Oberarzt, ein Assistenzarzt sowie zwei Medizinalpraktikanten beschäftigt. Die ausnahmslos männlichen Patienten entstammten zu großen Teilen der Arbeiterschicht des oberschlesischen Industriegebiets. In der Loslauer Heilstätte konnten aber auch Kinder (ausschließlich Jungen) in einer speziellen Krankenstation aufgenommen werden. Loslau gehörte aufgrund der im Versailler Vertrag festgelegten Volksabstimmungen seit 1920/1921 zu Polen und wurde in Wodzisław Śląski umbenannt. Bis heute ist in den Gebäuden die schlesische Landesklinik für Lungenkrankheiten (einschließlich Tuberkulose) untergebracht.822 Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen 1939 wurde die oberschlesische Heilstätte in Loslau zeitweilig wieder von einem deutschen Rentenversicherungsträger (der „Oberschlesischen Knappschaft“) übernommen.823 3.5.1.4 Slawentitz (Sławięcice) In jenem Teil Oberschlesiens, der bis 1945 deutsch geblieben war, lag Slawentzitz. Dort gab es eine Lungenheilstätte, die nach dem Fürsten von Hohenlohe August benannt und am 12. Juni 1884 eröffnet wurde. Die Anstalt war für 70 männliche und 20 weibliche Tuberkulöse eingerichtet worden. Im Jahre 1890 hielt sich Robert Koch zu Forschungszwecken in der Heilstätte auf. Sein Augenmerk galt aber weniger den Patienten, sondern vor allem den anstaltseigenen Rindern, an denen er Versuche mit Tuberkulosemedikamenten durchführte.824 In Slawentzitz waren neben dem Chefarzt drei Assistenzärzte beschäftigt.825 Im Jahre 1905 820 Ebd., S. 70f. Ebd., S. 72f. 822 Internetseite des Landeskrankenhauses Woj. Szpitala Chorób Płuc, abgerufen unter: wscp.wodzislaw.pl am 4. Februar 2014. 823 Reichsverband Deutscher Rentenversicherungsträger, Die Heilstätten der Rentenversicherungsträger. Berlin: RDRt 1941. Bibliothek der Deutschen Rentenversicherung Bund, Berlin. 824 Bernhard Muschol, Die Herrschaft Slawentzitz-Ehrenforst in Oberschlesien: piastisches Kammergut im Spätmittelalter, sächsischer Adelsbesitz und hohenlohesche Residenz in der Neuzeit. Sigmaringen: Thorbecke 1993, S. 91 825 Reichsverband Deutscher Landesversicherungsanstalten, Die Heilanstalten der Invalidenversicherung, Kassel 1930, S. 311 821 197 konnten 115 Tuberkulöse aufgenommen werden. Die Bettenzahl wurde später verkleinert; denn für das Jahr 1930 sind nur noch 90 Betten verzeichnet. Die Belegung der Heilstättenbetten erfolgte hauptsächlich durch die Landesversicherungsanstalt Berlin und die Reichsknappschaft.826 In den Gebäuden befindet sich heute ein Hotel.827 3.5.1.5 Bad Ziegenhals (Głuchołazy) Da Loslau aufgrund der Ergebnisse der Volksabstimmung in Oberschlesien im Jahre 1922 an Polen fiel, wählte man Bad Ziegenhals am Altvatergebirge (Ostsudeten, polnisch Głuchołazy) als Ort für die Einrichtung einer neuen Heilstätte der Provinzialanstalt Oberschlesien aus. Im Januar 1927 (andere Quellen nennen das Jahr 1926828) wurde südlich von Bad Ziegenhals eine Landesheilstätte für 95 weibliche Tuberkulosepatienten gegründet. Die Anstalt befand sich auf einer Höhe von 345 Metern. Für die Einrichtung der Frauenheilstätte wurden u.a. die Gebäude eines bereits bestehenden Sanatoriums mit dem Namen „Waldfrieden“ genutzt.829 Im Laufe des Jahres 1929 ließ die Provinzialverwaltung die Anstalt erweitern. Die Männerstation war zunächst in einem 600 Meter vom Klinikgelände entfernten Gebäude (des ehemaligen „Kurhotels Franzensbad“) untergebracht. Den Männern, die vornehmlich aus der Arbeiterschicht stammten, kam hier oft erstmals Luxus von Einzelzimmern mit elektrischem Strom und fließendem Wasser zugute. Ein dreistöckiges Hauptgebäude für die Aufnahme von 70 männlichen Patienten, eine Liegehalle, ein Wirtschaftsgebäude und Stallungen wurden in der Folge neu errichtet. Als technische Ausstattung in der Frauenstation gab es ein Röntgengerät, ein Bestrahlungszimmer (Höhensonne, Solux- und Finsenlampe830) und ein Labor.831 Außerdem entstand eine besondere Abteilung für chirurgische Eingriffe mit 40 Betten. In der Klinik waren ein Chefarzt, ein Oberarzt und zwei Assistenzärzte beschäftigt. Der Chefarzt betreute nicht nur die Lungenheilanstalt, sondern auch das städtische St.-Joseph-Krankenhaus (in der etwas entfernt liegenden Innenstadt von Bad Ziegenhals), in dem u. a. chirurgische Eingriffe bei Tuberkulösen durchgeführt wurden.832 Eine Krankenbeobachtungsstation befand sich im St. JosephKrankenhaus. Die Heilstätte verfügte über zwei sog. „Provinzialgüter“, so nannte man Bauernhöfe mit Gewächshäusern, deren Erzeugnisse zumindest teilweise den Lebensmittelbedarf 826 Reichsverband Deutscher Landesversicherungsanstalten, Die Heilanstalten der Invalidenversicherung, S. 311 Internetseite des Hotels Hugo, abgerufen unter hotelhugo.pl/de/ am 25. März 2015 828 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 91 829 Provinzialverwaltung Oberschlesien, 10 Jahre Provinz Oberschlesien, Sonderheft der Wochenschrift Die Provinz Oberschlesien, Ratibor 1929, S. 31 830 Kohlenbogenlampe zur Lichttherapie von Lupuskranken 831 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 92 832 LVA Schlesien, Organisation und Aufgaben der Landesversicherungsanstalt Schlesien. Breslau: Jungfer. 1928. Preußische Staatsbibliothek Berlin Fha35, S. 18 827 198 der Anstalt decken sollten.833 Neben dem Chefarzt (1929 der Provinzialobermedizinalrat Dr. Rickmann) und einem Oberarzt waren zwei Assistenzärzte, eine Oberin, zehn Krankenschwestern (der Kongregation des heiligen Karl Borromäus zu Trebnitz) sowie ein Verwalter mit drei „Schreibkräften“ in der Heilstätte tätig. Am 27. Juni 1936 eröffneten die LVA Schlesien und die Oberschlesische Knappschaft, also die beiden Träger der Anstalt, einen großzügig ausgestatteten zusätzlichen Neubau, um die Provisorien zu beseitigen.834 Erst vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Heilstätte (im April 1949) unter dem Namen „Szpital Specjalistyczny Ministerstwa Spraw Wewnętrznych“ mit 100 Betten von der polnischen Verwaltung wiedereröffnet. Bevor die Einrichtung 1974 die Umwandlung in eine Fachklinik für alle Lungenkrankheiten erfuhr, erfolgte eine Belegung ausschließlich mit Tuberkulösen. Es gab aber auch nach 1974 eine spezielle Sektion für Tuberkulosekranke.835 Als das alte Kurhotel „Franzensbad“ baufällig wurde, ersetzte man es nach und nach (1982-1987) durch einen Neubaukomplex mit insgesamt 262 Betten. Zusätzlich befand sich in den Gebäuden ein Zentrum für die Rehabilitation nach Lungenerkrankungen, orthopädischen Leiden und HerzKreislauf-Störungen.836 Der Heilstättenbau von 1936 ist als „Szpital No.2“ für Lungenkrankheiten Teil des heutigen Klinikkomplexes. Im Eingangsbereich hängt eine dreisprachige Gedenktafel mit einer kurzen Darstellung der Geschichte der Heilstätte837. 3.5.1.6 Weitere Einrichtungen Neben der Heilstätte in Ziegenhals betrieb die LVA Schlesien das Sanatorium „Blitzengrund“ bei Friedland und das „Waldsanatorium Obernigk“ für Lungentuberkulöse bei Breslau (129 Patienten, geschlossen 1901, ursprünglich privat betrieben).838 1939 kam die polnische Heilstätte Bistrai bei Bielsko-Bielitz (südlich des oberschlesischen Industriegebiets) unter deutschen Einfluss. Einem Verzeichnis aus dem Jahre 1941 zufolge konnten hier 290 männliche Tuberkulosepatienten aufgenommen werden. Außerdem wurde die heutige Anstalt „Istebna“ (Landkreis Teschen; unweit der Grenze zum sudetenländischen 833 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 92 Gedenktafel an der Klinik Ziegenhals, fotografiert im Mai 2013: sites.googlegroups.com/site/lungenheilstaetten/ ziegenhals-glucholazy/ziegenhals4.jpg 835 Internetseite des Krankenhauses Ziegenhals, Allgemeine Informationen, abgerufen am 13. Juni 2013 unter szpitalmsw-glucholazy.pl/?strona=5 836 Internetseite des Krankenhauses Ziegelhals, Geschichte der Klinik, abgerufen am 13. Juni 2013 unter szpitalmsw-glucholazy.pl/?strona=6 837 Gedenktafel am Szpital No. 2, fotografiert im Mai 2013 838 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 4f. 834 199 Jablunkau/Jablunkov) unter deutsche Verwaltung gestellt. Hier konnten 330 weibliche und 230 minderjährige Patienten mit Tuberkulose behandelt werden.839 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 20: LAGE DES WALDSANATORIUMS OBERNIGK 840 Bereits 1938 - mit der Angliederung des Sudentenlands - wurden drei vormals tschechoslowakische Heilstätten dem Zuständigkeitsbereich der deutschen Rentenversicherungsträger zugeordnet und somit auch für Patienten aus dem nahegelegenen Schlesien zugänglich: Die Anstalt Spiegelberg in Aussig-Pokau (336 Betten für erwachsene Tuberkulöse), die Heilstätte Oberschaar in Olbersdorf-Stadt (195 Betten, auch für Kinder) sowie eine Klinik in SangerbergTöschen bei Dauba für 40 weibliche Tuberkulöse.841 3.5.2 Provinz Schleswig-Holstein Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslands Schleswig-Holstein bzw. der gleichnamigen ehemals preußischen Provinz befanden sich drei Heilstätten der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck. Die „freien Hansestädte“ gehörten nicht zu Preußen und unterhielten somit eine eigene gemeinsame Versicherungsanstalt. Da in den räumlich begrenzten Stadtgebieten kein Platz für den Bau von Heilstätten war, und auch günstige landschaftliche Voraussetzungen fehlten, musste man auf die umliegenden preußischen Provinzen ausweichen und baute in Mölln (Bremische Heilstätte), in Großhansdorf und Geesthacht-Edmundsthal (Genesungsheim und Heilstätte, hauptsächlich für Hamburger Versicherte) sowie in Westerland auf Sylt (Genesungsheim für Lübecker Versicherte) Kureinrichtungen für Tuberkulöse. Da diese drei Heilstätten, auch wenn sie nicht von einer preußischen LVA betrieben wurden, auf preußischem Territorium lagen, werden sie in der 839 RDRt, Die Heilstätten der Rentenversicherungsträger, o. S. Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_4667_2705, 1942 841 RDRt, Die Heilstätten der Rentenversicherungsträger, o. S. 840 200 vorliegenden Arbeit beschrieben. 3.5.2.1 Edmundsthal-Siemerswalde Die Hamburgische Lungenheilstätte Edmundsthal-Siemerswalde konnte weitgehend mithilfe einer Spende von insgesamt 250.000 Mark des Hamburger Kaufmanns und Reeders Edmund Siemers errichtet werden.842 Das Haus wurde für finanziell minderbemittelte Hamburger Tuberkulöse geplant, die nicht sozialversichert waren. Siemers orientierte sich bei seinem Vorhaben an bereits existierenden LVA-eigenen Heilstätten.843 Im Jahre 1898 begannen die Bauarbeiten nach Entwürfen der hamburgischen Architekten Haller und Geissler. Dafür war ein 70 Hektar großes Gelände, das zwischen Lauenburg/Elbe und Geesthacht lag und damals zum Hamburger Stadtgebiet gehörte, ausgewählt worden. Als erstes Gebäude konnte auf dem Areal im Mai 1899 das „Theklahaus“ für 100 männliche Tuberkulöse eröffnet werden.844 Da es viele Aufnahmegesuche von weiblichen Tuberkulosekranken gab, entschloss sich Siemers im Jahre 1901, ein zweites Krankenhaus errichten zu lassen. Der später „Hans-Haus“ genannte Bau wurde ebenfalls von Haller und Geissler betreut und im Juni 1902 fertiggestellt. Der Andrang an männlichen Patienten war aber inzwischen so groß geworden, dass die Heilstätte bereits 1905 erneut erweitert werden musste. Es entstand das „Kurt-Haus“ für 40 männliche Kranke. 1907 wurde die Anlage durch ein Wirtschafts- und Badehaus ergänzt.845 Schon bald wurde deutlich, dass auch ein großer Bedarf an Behandlungsplätzen für tuberkulöse Kinder vorlag.846 Die Anstaltsleitung entschied sich daraufhin, das bisher den männlichen Patienten vorbehaltene Theklahaus in eine Abteilung für 104 Kinder umzuwandeln. Für 134 weibliche Patienten wurde ein Neubau, das „Susannenhaus“, errichtet. Nach seiner Fertigstellung zogen die Männer in das dadurch frei gewordene Frauengebäude ein. Die Anstalt umfasste 1912 insgesamt 345 Betten.847 Für die Bezeichnung der Häuser wählte man die Vornamen der Ehefrau, der Tochter und der beiden Söhne des Stifters aus.848 Jedes der vier Gebäude hatte eine eigene Küche, da die Wege von einer Zentralküche zu den auf dem 30 Hektar großen Areal verstreut gelegenen Häusern zu lang gewesen wären. Als Neben842 Stiftungs-Urkunde und Satzungen der Heilstätte für unbemittelte Tuberkulose-Kranke, Staatsarchiv Hamburg, A 858 / 0166 / Kapsel 02, S. 1 843 Carl Marhold, Die Hamburgische Lungenheilstätte Siemerswald in Geesthacht. Sonderabdruck auf dem Werke „Deutsche Lungenheilstätten“, Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 1913; S. 1 844 100 Jahre Edmunsthal-Siemerswalde 1899-1999, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0801 / Kapsel 01, S. 6f. 845 Ebd. 846 Marhold, Die Hamburgische Lungenheilstätte Siemerswald in Geesthacht, S. 4 847 100 Jahre Edmundsthal-Siemerswalde 1899-1999, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0801 / Kapsel 01, S. 6f. 848 Marhold, Die Hamburgische Lungenheilstätte -Siemerswald in Geesthacht, S. 7 201 gebäude wurden eine Badeanstalt, eine Chefarztvilla und ein Haus mit Wohnungen für Assistenzärzte und Verwaltungskräfte errichtet. Eine bauliche Besonderheit stellte der im Park gelegene Musikpavillon dar. Ungewöhnlich waren Maßnahmen zur Geschlechtertrennung. Nach einem Bericht sind die Gebäude „für sich durch ein hohes Drahtgitter eingezäunt. Die beiden sich gegenüberliegenden Haupteingänge werden durch ein Pförtnerhaus überwacht, so daß ein Verkehr zwischen Männerseite und Frauenseite zum mindesten sehr erschwert ist“.849 Aufgenommen werden durften nur Patientinnen und Patienten, die die hamburgische „Staatsangehörigkeit“ besaßen oder in den letzten zwei Jahren in Hamburg gewohnt hatten. Die Anstalt erhielt eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt. Jeden Donnerstag wurde für Heilstättenbewerber eine Aufnahmesprechstunde in der Poliklinik des „Vaterländischen Frauen-HülfsVereins“ in der Hamburger Caffamacherreihe abgehalten.850 In die Heilstätte mussten die Neuankömmlinge genau vorgeschriebene „Ausrüstungs-Gegenstände“ mitbringen.851 Die Leitung der Anstalt übernahm ein Kuratorium, deren 15-20 Mitglieder vom Stifter und von der Stadt ausgewählt wurden. Dem Chefarzt unterstanden ein bis zwei Assistenzärzte. Das Pflegepersonal wurde von den Hamburgischen Staatskrankenanstalten gestellt.852 War sich der Arzt unschlüssig, ob ein Heilstättenaufenthalt für einen Patienten die geeignete Behandlung sei, konnte der Antragsteller auch probeweise für einen Monat aufgenommen werden. Musste sich ein allein verdienender Familienvater einer Heilstättenbehandlung unterziehen, dann konnten aus einem „Unterstützungsfonds“ Unterhaltszahlungen für die Angehörigen geleistet werden. Zudem gab es Beihilfen des „Mietehilfsvereins“. Wurde eine Mutter in die Heilstätte aufgenommen, so bestand die Möglichkeit, eine „Wärterin“ des „Hauspflegevereins“ in die Familie aufnehmen zu lassen, um eine ausreichende Kinderbetreuung zu ermöglichen. Aber auch eine zeitweilige Unterbringung der Kinder in einem Waisenhaus kam u.U. in Betracht.853 Aus dem Thekla-Haus wurde im Ersten Weltkrieg vorübergehend ein Reservelazarett für 849 Ebd., S. 7 Aufnahme-Bedingungen der Heilstätte Edmundsthal, Staatsarchiv Hamburg, A 834/0033, Kapsel 01, S. 5f. 851 Vorzuweisen waren ein vollständiger Winter/Sommer-Anzug (bei Frauen ein Kleid), einzelne Winter- bzw. Sommer-Überzieher (bei Frauen eine Jacke oder ein Mantel), zwei Paar Hausschuhe (für Sommer und Winter), sechs wollene oder baumwollene Hemden, drei Paar Unterhosen, sechs Paar Strümpfe, sechs Taschentücher, eine weiche Schirmmütze, Zahnbürste, Kamm, Haarbürste, Kleiderbürste, Schwamm oder Waschlappen sowie zwei kleine Vorhängeschlösser. Frauen sollten vier baumwollene „Beinkleider“ und zwei Paar feste Stiefel mitbringen 852 Marhold, Die Hamburgische Lungenheilstätte -Siemerswald in Geesthacht, S. 11 853 Ebd., S. 13 850 202 lungentuberkulöse Soldaten. 1929 erfolgte die Umwandlung der Heilstätte in ein chirurgisches Krankenhaus. Auch Schwerkranke wurden nun aufgenommen. Der Charakter einer Heilstätte bestand nun nicht mehr. Nach dem Krieg nutzte man die Betten vorrangig für Flüchtlinge aus den Ostgebieten, und zwar nicht nur als Krankenhaus.854 Im Jahre 1953 war wieder ein vollständiger Krankenhausbetrieb mit 550 Betten möglich. 1965 wurde Edmundsthal schrittweise in ein Krankenhaus für Innere Medizin umgewandelt. In das Susannenhaus zog eine Kinderklinik für Rehabilitation ein.855 Eine später auf dem Gelände entstandene Klinik für Geriatrie gehört heute zum Vitanas-Konzern.856 3.5.2.2 Großhansdorf Am 11. Dezember 1900 wurde das Genesungsheim Großhansdorf feierlich eröffnet und im Januar 1901 zogen die ersten Patienten ein. Das Gelände gehörte zum Hamburger Staatsgebiet (heute zu Schleswig-Holstein). Aufnahme fanden vor allem Tuberkulöse im Anfangsstadium der Erkrankung (mit begleitender Skrofulose oder Anämie).857 Im Februar 1902 plante der Vorstand der LVA der Hansestädte, in Großhansdorf zusätzlich zum Genesungsheim ein Invalidenheim für männliche lungenkranke Rentenempfänger einzurichten, die Vollverpflegung erhalten sollten. Das bedeutete: „die Aufnahme in ein Invalidenheim tritt an die Stelle der Rente.“858 Der Architekt Theodor Sartori aus Lübeck (s. 3.3.3) war mit dem Bau beider Gebäude beauftragt worden. Das Genesungsheim verfügte bei seiner Eröffnung über 70 Betten, verteilt auf 30 Schlafräume.859 Das Invalidenheim, das im Juli 1903 fertig war, konnte 30 Rentenempfänger beherbergen. Über den Stil der Anlage hieß es: „Alle Gebäude sind in einfacher Ausstattung und der ländlichen Umgebung entsprechend ausgeführt.“860 3.5.2.3 Mölln Eine weitere hansestädtische Einrichtung war die Bremische Heilstätte „Niedersachsen“ im schleswig-holsteinischen Mölln. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dafür ein altes Kurhaus umgebaut, das bereits im Jahre 1893 abseits des Stadtzentrums an einem Südhang inmitten eines großen Waldgebiets errichtet worden war. Das Hauptgebäude (mit 47 Zimmern) hatte einen 854 100 Jahre Edmundsthal- Siemerswalde 1899-1999, Schwarzenbek: Lauenburgische Buchdruckerei, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0801 / Kapsel 01, S. 30 855 Ebd., S. 16f. 856 Internetseite der Klinik für Geriatrie Geesthacht. Abgerufen unter vitanas.de/de/klinische_centren/ geriatrie_geesthacht/klinik_geriatrie_geesthacht.php am 24. September 2013. 857 Die vorbeugende Krankenpflege und die Invalidenfürsorge der Landes-Versicherungsanstalt der Hansestädte, Staatsarchiv Hamburg, A 803 / 0801, S. 19 858 Das Invalidenheim bei Großhansdorf, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0806, S. 10 859 100 Jahre Edmunsthal-Siemerswalde 1899-1999, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0801, S. 46f. 860 Das Invalidenheim bei Großhansdorf, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0806, S. 13 203 Anbau mit 20 Zimmern.861 Die Umwandlung des Kurhauses in eine Heilstätte war aufgrund der Vielzahl von Tuberkulosefällen nach dem Ersten Weltkrieg notwendig geworden. Am 1. September 1920 konnte die Anstalt für 100 nicht-sozialversicherte Tuberkulöse eröffnet werden. Während in Edmundsthal fast alle Patienten aus Hamburg stammten, waren in Mölln nur etwa 40% der Tuberkulösen bremischer Herkunft. Aufgrund der besonderen Bedarfslage musste die Heilstätte Ende 1923 baulich erweitert und die Aufnahmekapazität auf 137 Betten erhöht werden. Die Baukosten übernahmen die Stadt Bremerhaven und die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Ein erneuter Ausbau der Einrichtung erfolgte in den Jahren 1924-1926, sodass schließlich Platz für 203 Patienten in 45 Einzel- und 79 Zweibettzimmern vorhanden war.862 Im Hauptgebäude war neben drei Untersuchungszimmern auch ein spezieller Raum für die Behandlung von Patienten mit Kehlkopftuberkulose vorgesehen worden. Außerdem gab es zwei Operationssäle, ein Röntgenkabinett und zwei Laboratorien. Für den Chefarzt war Ende der 1920er Jahre eine außerhalb des Geländes liegende Villa angekauft worden, in der auch eine medizinische Bibliothek untergebracht wurde.863 Die nicht-ärztliche Leitung der Klinik übernahm, ähnlich wie in Edmundsthal, ein Verwaltungsrat, bestehend u.a. aus dem Oberbürgermeister von Bremerhaven und einem bremischen Senator. Die Heilstätte wurde 1967 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Heute befindet sich auf dem Gelände die DRV-Rehaklinik Föhrenkamp. 3.5.2.4 Westerland (Sylt) Die LVA der Hansestadt Lübeck entschied sich 1899, in dem zuvor als Privatsanatorium genutzten Gebäude („Kropper-Anstalten“ genannt), in Westerland auf Sylt ein Genesungsheim für weibliche tuberkulöse Versicherte einzurichten. Das Haus lag auf einem 7000 m² großen Grundstück nördlich von Westerland an der Straße nach Wenningstedt, etwa 300 Meter vom Strand entfernt. Der Westerländer Architekt Max Hansen wurde mit der Umgestaltung des dreistöckigen Gebäudes beauftragt. Danach befanden sich im Erdgeschoss das Arzt- und das Oberinnenzimmer sowie der Speisesaal mit Küche, ein Tagesraum und einige Patientenschlafräume. In den oberen Stockwerken gab es ausschließlich Zimmer für die Kranken. Neben einer Liegehalle verfügte das Genesungsheim über eine eigene Strandhalle in den angrenzenden Dünen. 861 Walter Sachs, Kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Heilstätte. In: Festschrift zum 10 jährigen Bestehen der Bremischen Heilstätte Niedersachsen in Mölln (Lauenburg). Berlin: Springer 1930, S.1f. 862 Ebd., S. 3 863 Ebd., S. 4f. 204 Im ersten Betriebsjahr der Einrichtung (1900) wurden in Westerland 152 Lungenpatientinnen behandelt. Danach kamen durchschnittlich 110 weibliche Versicherte pro Jahr zum Kuraufenthalt in das Genesungsheim.864 Für die Behandlung von Tuberkulösen sollen auch die Wintermonate günstig gewesen sein, denn es wurden „ganz erstaunliche Resultate in der Heilung und Kräftigung derartiger Kranker im Anfangsstadium gerade durch Winterkuren erzielt“.865 Bis 1903 wurde das Genesungsheim durch den Vorbesitzer, die Kropper-Anstalten, verwaltet, obwohl hauptsächlich LVA-Versicherte mit einer Lungentuberkulose im Anfangsstadium aufgenommen wurden. Am 23. März 1903 kaufte die LVA die Anlage den Kropper-Anstalten ab.866 Das Genesungsheim bestand bis in die 1960er Jahre. Heute befindet sich auf dem alten Anstaltsgelände (Norderstraße 33) eine Fachklinik für Verhaltensmedizin der Deutschen Rentenversicherung Nord (Nachfolge-Institution der LVA). Behandelt werden Jugendliche mit Atemwegs- und Hautkrankheiten sowie Stoffwechselstörungen und Adipositas.867 3.5.2.5 Bargfeld In Schleswig-Holstein gab es zunächst für Patientinnen und Patienten mit Tuberkulose nur die zuvor genannten kleineren Genesungshäuser. Im Jahre 1927 beschloss der Landrat Gehlsen als Leiter der LVA Schleswig-Holstein den Bau eines großen pneumologischen Fachkrankenhauses. Als Bauplatz wurde ein Grundstück neben dem bereits bestehenden LVA-eigenen Erholungsheim „Tannenfelde“ für Nicht-Tuberkulöse (3 km vom Bahnhof Innien entfernt) ausgewählt. Die geplante chirurgische Fachklinik sollte den Namen „Bargfeld“ erhalten. Der Kieler Architekt Harald Ensrud entwarf ein für die Aufnahme von 130 Tuberkulösen vorgesehenes Gebäude. Die Arbeiten begannen im Spätherbst 1928, aber die Einweihung des Neubaus erfolgte erst 1931. Das Krankenhaus verfügte über mehrere Operationssäle und Laboratorien. Vorgesehen waren vor allem Behandlungen „nach der Jacobäusschen Methode“, also der künstliche Pneumothorax868 sowie zystokopische Untersuchungen. Zur Ausstattung gehörten Kammern zur Therapie mit Höhenklima und -sonne sowie mit Diathermie. Die Einrichtung in Bargfeld stand in enger Kooperation mit dem Kieler Universitätsklinikum und dem Tuberkuloseforschungsinstitut Hamburg. Erster Direktor des Krankenhauses wurde Dr. 864 H. Berkefeld, Sylt in alten und neuen Reisebeschreibungen, o.A. 1900, S. 183 Ohne Autor, Sylt. Reise-Führer, o.A. 1900, S. 88 866 Die vorbeugende Krankenpflege und die Invalidenfürsorge der Landes-Versicherungsanstalt der Hansestädte, Staatsarchiv Hamburg, A 830 / 0801, S. 19 867 Internetseite der Fachklinik Sylt, abgerufen unter www.fachklinik-sylt.de/pages/de/home/kompakt_info/ index.htm am 24. September 2013 868 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 110f. 865 205 Dommasch. 3.5.2.6 Weitere Einrichtungen In Plön (Holsteinische Schweiz) betrieb der Johanniter-Orden seit 1887 eine behelfsmäßig in Baracken eingerichtete Heilstätte für 15 Tuberkulöse. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entstand daraus eine größere Frauen- und Kinderheilstätte. 35 erwachsene Patientinnen und 85 Kinder konnten aufgenommen werden. Nach einer erneuten Erweiterung der Anlage hatte die Anstalt im Jahre 1930 eine Kapazität von 138 Betten.869 In der nordschleswig’schen (ab 1920 dänischen) Stadt Apenrade gab es eine Tuberkulosestation im Kreiskrankenhaus. 1913 wurden dort insgesamt 153 Tuberkulöse behandelt.870 Außerdem unterhielt die damals selbstständige brandenburgische Stadt Schöneberg (heute ein Berliner Bezirk) eine Heilstätte für Kinder am Südstrand der Insel Föhr (s. 3.2.10).871 3.5.3 Provinz Westfalen Die Geschichte der Heilstättenbewegung in Westfalen begann mit der Initiative des Altenaer Landrats Heydweiller, der sich im Jahre 1896 entschloss, in seinem Landkreis bei Stiftern und Gemeinden Spenden für den Bau einer Heilstätte einzuwerben. Es kam dabei jedoch nur rund ein Drittel der benötigten Summe zusammen. Deshalb wandte er sich mit seinem Anliegen an die LVA Westfalen. Mit finanzieller Unterstützung der Versicherung konnte im August 1898 in Lüdenscheid-Hellersen die „Volksheilstätte für den Kreis Altena“ als erste westfälische Heilstätte eingeweiht werden. Als zweite Einrichtung wurde 1901 das „Auguste-Viktoria-Stift“ in Bad Lippspringe eröffnet, das auch mithilfe eines Darlehens der LVA entstand.872 3.5.3.1 Hagen-Ambrock Dem Beispiel Heydweillers folgten schnell andere, so gründete der Landrat Hartmann aus dem Kreis Hagen „zum Gedächtnis der 100. Wiederkehr des Geburtstages Kaiser Wilhelms I.“873 1897 einen Verein zum Bau einer Volksheilstätte, die nach dem Kaiser benannt werden sollte. Der Verein wurde 1901 Teil des „Märkischen Volksheilstättenverbands“.874 Auch im Landkreis 869 Ebd., S. 63f. Der Stand der Tuberkulose-Bekämpfung : im Frühjahr 1914; Geschäftsbericht d. Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose. Deutsches Zentral-Komitee zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke (Hg.) 871 Festschrift 75 Jahre Schöneberg in Wyk auf Föhr 1909-1984. Sonderdruck des Auguste-Viktoria-Krankenhauses. Archiv des Museums Tempelhof-Schöneberg, S. 3f. 872 Andreas Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock. Von der Volksheilstätte zu einem modernen Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie. Münster: LVA Westfalen Pressereferat 1995, S. 12 873 LVA Westfalen, Lungenheilstätte Ambrock bei Hagen i.W. ; Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Heilstätte. Münster: Münstersche Buchdr. & Verl.-Anstalt 1928, S. 3 874 Ebd. 870 206 Hagen wurde versucht, ausreichende Spendengelder für den Bau einer Heilstätte zu sammeln. Hartmann konnte die Städte Dortmund, Hagen und Schwelm für eine finanzielle Beteiligung an seinem Projekt gewinnen. Doch auch hier reichten die Mittel nicht aus, und der Landrat bat die LVA Westfalen um Unterstützung.875 Mit den eingeworbenen Geldern konnte aber bereits ein über 100 Hektar876 großes Gelände an einem 80 Meter hohen Hang oberhalb des Volmetals bei Dahl angekauft werden. Für die Errichtung der Heilstätte gewährte die LVA ein 600.000 Mark umfassendes Darlehen zu einem günstigen Zinssatz (3,5% statt der damals üblichen 5-6%). Der Bau der Märkischen Volksheilstätte im heutigen Hagener Ortsteil Ambrock begann im April 1902. Mit dem Entwurf der Heilstätte waren die Architekten Picht (aus Hagen) und Düchting (aus Dortmund) betraut worden. Am 22. Oktober 1903, dem Geburtstag der Kaiserin Auguste Victoria, fand die Eröffnung der Einrichtung statt. Unmittelbar nach den Feierlichkeiten konnten 120 Patienten in der Heilstätte aufgenommen werden. Der Neubau war fünfstöckig und bestand aus drei Gebäudeflügeln. Die Zimmer und die Liegehallen (ausgelegt für 120 Kranke) waren nach Süden hin ausgerichtet. Auf der Nordseite des Gebäudes befanden sich die hauswirtschaftlich genutzten Räumlichkeiten.877. Die Leitung der Heilanstalt übernahm zuerst Dr. von Scheibner. Das Pflegepersonal bestand ausschließlich aus männlichen Angehörigen der protestantischen Inneren Mission (die Diakone waren in den Bodelschwingh’schen Anstalten bzw. ab 1907 im Diakonissenhaus Duisburg ausgebildet worden). Zur Erfüllung von Verwaltungs- und Betreuungsaufgaben wurden darüber hinaus sog. „Hauseltern“ eingesetzt.878 In den ersten Betriebsjahren (vor Beginn des Ersten Weltkriegs) mangelte es der Heilstätte noch an Patienten. Da selbst die geringen Kurkosten von 3,50 Mark von den meisten NichtVersicherten nicht übernommen werden konnten, bemühte man sich um sozialversicherte Patienten (der LVA Westfalen).879 Auf diese Weise gerieten Häuser wie die Heilstätte Ambrock in eine starke Abhängigkeit von der LVA. Das führte u.a. dazu, dass die LVA - angeblich aufgrund der Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie - Beihilfen für Heilstättenaufenthalte statt für drei Monate nur noch für sechs Wochen gewährte. Es wurde behauptet, in der verkürzten Kurzeit könnten die gleichen Heilerfolge erzielt werden. 875 Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock, S. 8f. Unterschiedliche Angaben, u.a. 430 Morgen bei LVA Westfalen (1928), S. 4 877 LVA Westfalen, Lungenheilstätte Ambrock bei Hagen i.W., S. 7 und Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock, S. 15 878 LVA Westfalen, Lungenheilstätte Ambrock bei Hagen i.W., S. 10 879 Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock, S. 19 876 207 Mit Beginn des Krieges verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der bis dahin unabhängigen westfälischen Heilstätten weiter. Als erste Anstalt musste daraufhin im Januar 1915 die Klinik in Lüdenscheid-Hellersen an die LVA Westfalen verkauft werden. Die LVA Westfalen hatte bis zu diesem Zeitpunkt zu den wenigen preußischen Sozialversicherungsanstalten gehört, die über keine eigenen Lungenheilstätten verfügten. Auch die inzwischen auf 145 Betten angewachsene Volksheilstätte Ambrock wurde im April 1917 vom Märkischen Volksheilstätten-Verband an die LVA Westfalen verkauft.880 Im Zuge der Novemberrevolution verließen fast alle Patienten die Anstalt, sodass das Haus am 10. November 1918 geschlossen werden musste. Aber bereits im Januar 1919 konnte die Anstalt unter Leitung des neuen Chefarztes Dr. Ernst Meinicke wiedereröffnet werden.881 In den ersten Jahren nach dem Krieg hatte die Heilanstalt oft unter den Unruhen im Ruhrgebiet zu leiden: Viele Patienten erschienen trotz Genehmigung ihres Aufnahmegesuchs nicht in der Heilstätte. Außerdem gab es Engpässe bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Brennmaterial. Die Heilstätte Ambrock war in dieser Zeit zu einem erheblichen Teil auf die Eigenversorgung durch Nutzung anstaltseigener Bodenflächen angewiesen.882 Personalpolitisch führte der neue Chefarzt einige Änderungen durch: Es wurden nicht mehr ausschließlich männliche Pflegekräfte eingesetzt. Ab 1919 wurden auch Krankenschwestern des Roten Kreuzes aus Bochum-Langendreer in der Heilstätte Ambrock beschäftigt.883 Im Jahre 1924 erhielt die Anstalt einen Röntgenapparat. Neben der Einrichtung eines Operationssaals war das Gerät für die Durchführung chirurgischer Behandlungsmaßnahmen (Pneumothorax und Phrenicotomie) notwendig geworden. Damit begann die Umwandlung des Hauses von einer reinen Heilstätte zu einem Tuberkulose-Fachkrankenhaus.884 Im Jahre 1926 erfolgte ein weiterer Ausbau der Anstalt: Die Bettenkapazität wurde auf 150 erhöht. Mitte der 1930er Jahre sollte die Einrichung grundlegend modernisiert und in ein reines chirurgisches Tuberkulose-Fachrankenhaus umgewandelt werden. Aus diesem Grunde unterbrach man den Anstaltsbetrieb für zehn Monate. Nach dem Umbau erfolgte im März 1937 die Wiedereröffnung des Hauses als Fachklinik für 130 männliche Tuberkulosepatienten. Auch während des Zweiten Weltkriegs war Ambrock durchgehend in Betrieb, wenn auch zeitweilig zusätzlich nicht-tuberkulöse Patienten (zumeist Zwangsarbeiter) behandelt wurden. Ab Januar 1946 diente Ambrock wieder ausschließlich der Aufnahme von Tuberkulose880 LVA Westfalen, Lungenheilstätte Ambrock bei Hagen i.W., S. 4 Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock, S. 26 882 Ebd., S. 28 883 LVA Westfalen, Lungenheilstätte Ambrock bei Hagen i.W., S. 23 884 Daniel, Kleine Geschichte der Klinik Ambrock, S. 31 881 208 patienten.885 In den 1960er Jahren kam es zu großen Umbaumaßnahmen in Ambrock, da die bisherige Klinik nicht mehr den modernen Anforderungen entsprach. Im Jahre 1965 konnten zwei Flügel an das Haupthaus angebaut sowie ein Schwesternwohnheim und ein Maschinenhaus fertiggestellt werden. Danach bot die Anstalt Platz für 205 Patienten, die von neun Ärzten und 22 Pflegekräften betreut wurden.886 Aufgrund der rückläufigen Zahl der Tuberkulosekranken nahm die Klinik jedoch bereits gegen Ende der 60er Jahre immer mehr Nicht-Tuberkulöse auf, hielt aber an einer Spezialisierung auf Lungenkrankheiten (wie Asthma, Bronchitis und Lungenkrebs) fest. Die Einrichtung in Ambrock wurde im Februar 1987 zu einem Krankenhaus für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Thorax- und Kardiovaskularchirurgie umgewidmet. Im November 1990 wurden der Abriss des alten Heilstättengebäudes und die Errichtung einer neuen Klinik beschlossen. Wenige Jahre später erfolgte die Verpachtung das Krankenhaus von der LVA, und zwar an die Wittgensteiner Rehaklinik Holthausen GmbH & Co.887 Die Klinik Ambrock wurde 2006 wie die anderen Kliniken des Wittgensteiner Verbundes in den HELIOS-Konzern integriert.888 3.5.3.2 Meschede-Beringhausen Eine weitere bedeutsame Heilstätte in Westfalen, die sich jedoch nicht im Besitz der LVA befand, war das Auguste-Viktoria-Stift des Allgemeinen Knappschaftsvereins in Beringhausen bei Meschede. In einer Sitzung des Knappschaftsvereins im Juni 1899 war entschieden worden, in der Nähe des Ruhrgebiets eine vereinseigene Heilstätte zu gründen. Man suchte nach einem Ort mit einer „staubfreien Bergluft, in umfangreichen Waldungen, weit ab von der geräuschvollen Industrie, und dem Einfluss des qualmenden Rauches der Bergwerks- und Fabrikschornsteine“ und entschied sich für einen Bauplatz am sauerländischen Olsberg.889 Da aber die Kaufverhandlungen scheiterten, musste nach einem anderen Gelände Ausschau gehalten werden. Die Wahl fiel auf das Rittergut Beringhausen unweit der Stadt Meschede, das zum Verkauf stand. Das über 160 Hektar große Grundstück des Ritterguts wurde im Jahre 1900 vom Verein erworben, nachdem es vom Heilstättenarchiteken Schmieden aus Berlin und dem 885 Ebd., S. 48f. Ebd., S. 58f. 887 Ebd., S. 83f. 888 Internetseite des HELIOS Klinik-Konzerns, abgerufen unter: www.helios-kliniken.de/ueberhelios/unternehmensportrait/meilensteine.html am 27. März 2015 889 W. Greve, Die Auguste Viktoria Knappschafts-Heilstätte in Beringhausen bei Meschede, Denkschrift zur Feier der Eröffnung der Anstalt 1904, S. 6f. 886 209 Generalsekretär des Zentral-Komitees Dr. Pannwitz besichtigt und für geeignet befunden wurde. Schmieden, der gemeinsam mit seinem Kompagnon Boethke viele Krankenhausbauten in Preußen entwarf, erhielt den Auftrag, das Projekt zusammen mit den örtlichen Architekten Hülsenbeck und Müller durchzuführen. Geplant war eine auf 118 Betten ausgelegte Heilstätte.890 In einer Denkschrift aus dem Jahre 1904 heißt es: „Die Architektur eines Bauwerks soll seine innere Bestimmung zum Ausdruck bringen. Sie muss sich den gegebenen örtlichen Verhältnissen und den vorhandenen Geldmitteln anpassen und soll falschen Schein vermeiden. Nach diesem Grundsatze wurde bei der Gestaltung des Äusseren und Inneren der Anstalt verfahren. Keine leichte Aufgabe ist es, die Forderungen der Hygiene mit denen einer strengen Ästhetik immer in Einklang zu bringen. Und doch ist es notwendig und der Mühe wert, dass der Architekt nach der ästhetischen Seite auch bei Heilstätten das Höchste anstrebt, damit das Gemüt der Insassen durch den Anblick ihrer Umgebung erfreut und nicht etwa durch Hässlichkeiten abgestossen werde. Denn wenn allgemein für das Wohlbefinden eines Menschen dessen äussere Umgebung eine grosse Rolle spielt, so ist dieses in noch erhöhtem Masse bei Kranken der Fall. […] Dass dabei Sparsamkeit geübt werden muss, um die Kranken andererseits nicht zu verwöhnen, ist allgemein giltiger Grundsatz. […] Die Stilgebung schliesst sich der Bauweise westfälischer Landsitze mit den Formen der deutschen Renaissance an, trägt aber doch ein neuzeitliches Gepräge.“ 891 Vor Beginn der Bauarbeiten wurde eine elektrische Seilbahn892 für den Materialtransport errichtet, die nach Beendigung des Vorhabens bestehen blieb und - bis 1926 - auch der Personenbeförderung diente.893 Die neue Klinik erhielt den Namen „Auguste-Viktoria-Stift“. Das Anstaltsgelände liegt in einem ruhigen Bergtal, durch das der von einer Hügelkette eingerahmte Höllinghauser Bach fließt. Auf dem Südhang, mehr als hundert Meter oberhalb des Bachlaufs, entstanden die Heilstättenbauten.894 Der Grundstein wurde im Oktober 1902 gelegt und bereits im Sommer 1904 konnte die Anstalt eröffnet werden.895 Neben dem Hauptgebäude wurden ein Wirtschaftsgebäude sowie eine Chefarztvilla errichtet. Das fünfgeschossige Haupthaus wurde in zwei Flügel unterteilt, verbunden durch einen niedrigeren Zwischentrakt, in dem sich eine Liegehalle und eine Kapelle mit einem kleinen Türmchen befanden.896 Bei der Religionsausübung dachte man praktisch: Die Kapelle wurde 890 Ebd., S. 7 Ebd., S. 53f. 892 Ebd., S. 15 893 Hubert Fliege, Die "Auguste-Viktoria"-Knappschaftsheilstätte in Beringhausen, Jahrbuch Hochsauerlandkreis, Ausgabe 2001, S. 92 894 Greve, Die Auguste Viktoria Knappschafts-Heilstätte in Beringhausen bei Meschede, S. 13 895 Ebd., S. 59 896 Ebd., S. 20 891 210 abwechselnd von Protestanten und Katholiken genutzt.897 In der Anstalt gab es keine großen Schlafsäle, sondern vor allem Zwei- bis Fünfbettzimmer. Zur Verfügung standen außerdem 14 Einzelzimmer „für solche Kranke, welche entweder ihrer besseren sozialen Stellung wegen oder im Hinblick auf die Natur ihrer Krankheit einzeln wohnen sollen“.898 Im Sommer 1904 bot die Heilstätte Beringhausen Platz für 118 männliche Patientinnen. Eine Besonderheit war eine separate Beobachtungsstation für „diejenigen Kranken, bei welchen der Entwicklungsgrad der Krankheit noch nicht feststeht.“899 Das Dachgeschoss wurde als Schwesternwohnheim ausgestaltet. Das Personal hatte die Aufgabe, in „hygienischer und sonstiger Hinsicht überall und zu jeder Zeit“ 900 die Kranken zu pflegen und zu beaufsichtigen. Auf jeder Etage gab es ein Dienstzimmer für Schwestern oder einen Raum für einen Assistenzarzt. In den Jahren 1978/80 wurde die Klinik modernisiert und in „Bundesknappschaftsklinik Tannenberg“ umbenannt. Gleichzeitig verringerte man die Zahl der Betten auf 103. Die Anstalt war nunmehr auch keine reine Tuberkulose-Fachklinik mehr, sondern stand allen Patienten mit Atemwegserkrankungen offen. Im Jahre 1986 endete die Verwaltung durch die Knappschaft. Die Klinik wurde veräußert, im Juli 1988 vom „Veramed“-Konzern in ein Fachkrankenhaus zur Nachsorge von Tumorerkrankungen umgestaltet und erhielt den Namen „Veramed-Klinik“. Seit 2009, ein Jahr nach der Insolvenz des Konzerns, steht das Klinikum leer. Zuletzt wurde darüber berichtet, aus dem leerstehenden Gebäude seien zurückgelassene Patientenakten gestohlen worden.901 3.5.3.3 Weitere Einrichtungen Einige der in der Provinz Westfalen vorhandenen Lungenheilstätten mit einer Größe von über 75 Betten befanden sich in der Stadt Bad Lippspringe (bei Paderborn). Nachdem hier im Jahre 1901 eine Heilstätte eröffnet wurde, die ebenso wie die Einrichtung in Meschede den Namen AugusteViktoria-Stift trug, entwickelte sich Lippspringe (ähnlich wie Görbersdorf und Sülzhayn) zu einem Behandlungszentrum für Lungentuberkulose. Das Auguste-Viktoria-Stift wurde vom Heilstättenverein für den Regierungsbezirk Minden gegründet und bestand aus zwei Gebäuden mit jeweils 160 Betten.902 In Bad Lippspringe betrieb außerdem der Arzt Dr. Brackmann ab 1903 897 Ebd., S. 21 Ebd., S. 20 899 Ebd., S. 26 900 Ebd., S. 26 901 Fliege, Die "Auguste-Viktoria"-Knappschaftsheilstätte in Beringhausen, S. 92f. 902 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 137 898 211 ein Privatsanatorium für Tuberkulöse. Zudem gab es im Ort das Sanatorium Cecilienstift. Es entstand 1907/08 als privates Erholungsheim, wurde 1925 in eine Heilstätte umgewandelt und 1928 durch einen Neubau erweitert.903 Weitere bedeutende Einrichtungen für Lungentuberkulöse in Westfalen waren die bereits erwähnte Heilstätte Lüdenscheid-Hellersen (s. 3.5.3.1), die im Jahre 1898 für 134 männliche Tuberkulöse eröffnet worden war und die Tuberkulose-Fachklinik Brilon-Wald, die 1933 für 122 weibliche Tuberkulöse eingerichtet wurde. 3.5.4 Rheinprovinz Im Vergleich zu Westfalen war die Zahl der in der Rheinprovinz errichteten Heilstätten deutlich größer. Aus der Differenz der Einwohnerzahlen ist diese Tatsache nicht zu erklären. Es muss also auf eine unterschiedliche gesundheitspolitische Orientierung in den beiden Provinzen geschlossen werden. Nur die wichtigsten Einrichtungen für Lungentuberkulöse im Rheinland werden nachstehend näher dargestellt. Eine vollständige Übersicht über alle Heilstätten der Region bietet der Anhang (Abschnitt R). 3.5.4.1 Wuppertal-Ronsdorf Im Oktober 1898 begannen in Düsseldorf unter der Leitung des rheinischen Regierungspräsidenten Freiherr von Rheinbaben erste Spendensammlungen für den Bau einer Bergischen Volksheilstätte für Tuberkulöse. Schon nach wenigen Wochen waren genügend Mittel für den Bau zusammengekommen. Bereits im November 1898 konnte eine GmbH mit dem Namen „Bergische Volksheilstätten für heilbare Lungenkranke“ gegründet werden. Hervorgegangen ist diese Gesellschaft aus dem „Bergischen Verein für Gemeinwohl“, der in den Städten Barmen, Elberfeld und Vohwinkel (alle drei Städte sind heute Ortsteile von Wuppertal), Düsseldorf, Remscheid (und dem heute dazugehörigen Lennep), Ohligs (heute ein Ortsteil von Solingen) und Mettmann vorher schon bestanden hatte. Die GmbH erhielt finanzielle Unterstützung durch die LVA Rheinprovinz.904 Bürgermeister und die Mitglieder der neuen Gesellschaft machten sich auf die Suche nach einem geeigneten Bauplatz für die Errichtung einer Lungenheilanstalt. Ein Grundstück oberhalb des Gelpebaches im heutigen Wuppertaler Stadtteil Ronsdorf wurde ausgewählt. Der Generalsekretär des „Zentralkomitees zur Erbauung von Volksheilstätten für Lungenkranke“, Dr. Pannwitz aus Berlin, besichtigte das in einer Höhe von fast 300 Metern an einem Südhang 903 904 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 138f. Bergische Volksheilstätten für heilbare Lungenkranke GmbH (1903), Mitteilungen über Entstehung der Gesellschaft, sowie Bau und Betrieb der Heilstätte bei Ronsdorf 1901 - 1903, S. 7f. 212 gelegene Gelände und befand es für gut.905 Der Baurat Schmieden aus Berlin (der u.a. die Heilstätten Beringhausen und Beelitz entwarf) übernahm 1899 die Gesamtleitung des Projekts. Er beauftragte den Architekten Christian Gerhardt aus Elberfeld mit der Ausführung. Die Bauzeit der Anstalt betrug 16 Monate.906. Das Hauptgebäude konnte im September 1901 eröffnet werden. Neben dem Bau stand ein markanter 36 Meter hoher Uhrturm. Außerdem gab es noch ein separates Speisehaus und mehrere Wirtschaftsgebäude. Eine Besonderheit war eine spezielle Desinfektionsanlage, mit der ganze Betten mittels Wasserdampf gereinigt werden konnten. Die Chefarztvilla lag im Eingangsbereich der Anstalt. Wie in den meisten Lungenheilanstalten waren die Patientenzimmer zur Südseite hin ausgerichtet. Insgesamt 131 Betten standen, verteilt auf sechs Einzelzimmer, zehn Zweibettzimmer, elf Vierbettzimmer, elf Fünfbettzimmer und ein Sechsbettzimmer, zur Verfügung. In den Untersuchungsräumen wurden bereits seit 1903 kleinere chirurgische Eingriffe durchgeführt.907 Der Anstaltsbetrieb startete im November 1901 unter der Leitung der Chefarztes Dr. von Mengeringhausen. Aufgenommen wurden nur männliche Tuberkulöse. Die 618 im ersten Betriebsjahr behandelten Patienten kamen überwiegend aus den benachbarten Gemeinden.908 Die Kosten der Behandlung wurden in etwa der Hälfte der Fälle von der LVA Rheinprovinz getragen. Die andere Hälfte der Patienten erhielt ihre Kurkosten u. a. vom RekonvaleszentenVerein Elberfeld, dem Bergischen Verein für Gemeinwohl, dem Barmer Verein für Gemeinwohl, dem Verein zur Fürsorge für kranke Arbeiter Remscheid sowie von Berufsgenossenschaften und Betriebskrankenkassen. 53 Patienten waren in der Lage, für die Kurkosten selbst aufzukommen. Die durchschnittliche Kurdauer im ersten Betriebsjahr betrug 60 Tage.909 Die am stärksten unter den Patienten vertretene Berufsgruppe war die der Fabrikarbeiter. Das Durchschnittsalter der Kranken lag bei 30 Jahren. Rund die Hälfte der Patienten litt an Tuberkulose im I. Stadium, jeweils ein Viertel befand sich bereits im Stadium II bzw. III.910 Die meisten Kranken mussten sich fünfeinhalb Stunden täglich einer Liegekur unterziehen. Fittere Patienten durften Spaziergänge im Anstaltspark unternehmen oder sich zu „freiwilligen Arbeiten“ im Anstaltsbetrieb oder im Wald melden. Viele haushälterische Aufgaben mussten die Kranken selbst erledigen. Die Patienten waren hinsichtlich der Pflege ihrer eigenen Hygiene zu einer gegenseitigen Hilfestellung verpflichtet. Das stieß offenbar auf große Begeisterung: 905 Ebd., S. 9f. Ebd., S. 14 und S. 18 907 Ebd., S. 13 908 Ebd., S. 43 909 Ebd., S. 54 910 Ebd., S. 44f. 906 213 „Alle Kranken sind angehalten, sich jeden Morgen mit einem Frottierhandschuh und kaltem Wasser gegenseitig abzureiben. Dies wird von allen mit großer Liebe ausgeführt.“911 Im Jahre 1908 geriet die Bergische-Volksheilstätten-Gesellschaft in finanzielle Not und musste die Heilstätte Ronsdorf an die LVA Rheinprovinz verkaufen. Im Jahr zuvor hatte die LVA bereits eine Bürgschaft für Kredite der Gesellschaft übernommen und verschiedene Baumaßnahmen auf dem Heilstättengelände finanziert. Als Chefarzt setzte die LVA im Jahre 1910 Dr. Grau ein, der aber bereits 1914 in die Heilstätte Honnef wechselte.912 In den Jahren 1973 bis 1975 wurden die Altbauten größtenteils abgerissen und durch einen Neubau mit einer Kapazität von 250 Betten ersetzt. Mit dem Bauentwurf wurde der Architekt Hans Hoischen beauftragt. Nur das Kellergeschoss und die Turmuhr der alten Lungenheilstätte sind bis heute übriggeblieben.913 Auf dem Areal der alten Anstalt befindet sich heute die HELIOS Klinik Bergisch-Land mit 206 Betten, eine Rehabilitationseinrichtung für die Anschluss- und Nachsorgebehandlung von Tumorerkrankungen aller Art.914 3.5.4.2 Waldbreitbach Der rheinische Regierungspräsident Freiherr von Hoevel initiierte die Gründung des „Verbands zur Errichtung von Volksheilstätten für Lungenkranke in dem Regierungsbezirke Coblenz“. Die konstituierende Sitzung fand am 15. Januar 1900 statt. Absicht des neuen Vereins, der eine Vielzahl von Spenden von Privatpersonen (insbesondere von Fabrikbesitzern) und vom Roten Kreuz erhielt, war es, Lungenheilstätten für finanziell schlechter gestellte Patienten zu errichten.915 Bei der Auswahl geeigneter Baugrundstücke bat der Heilstättenverein (dem Beispiel anderer Vereine folgend; vgl. 3.5.3.2 und 3.5.4.1) bat man den Baurat Schmieden und den Oberstabsarzt Dr. Pannwitz um Beratungshilfe. Nach langem Suchen wurde ein passendes Areal im Wiedbachtal (Westerwald) auf einer Höhe von 240 Metern unweit des Ortes Waldbreitbach gefunden. Als Vorbild für die projektierte Volksheilstätte galt die westfälische Heilstätte Lüdenscheid911 Ebd., S. 51 Ferdinand Schellmann, Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Düsseldorf 1925, S. 8 913 Ruth Meyer-Kahrweg, Architekten, Bauingenieure, Baumeister, Bauträger und ihre Bauten im Wuppertal. Wuppertal: Pies 2003. 914 Internetseite des HELIOS Klinikums Bergisch-Land, abgerufen unter www.helios-kliniken.de/klinik/wuppertalklinik-bergisch-land/ am 24. September 2013 915 VEVL Coblenz, Die Volksheilstätte bei Waldbreitbach, errichtet von d. Verband z. Errichtung von Volksheilstätten f. Lungenkranke in d. Reg. Bez. Coblenz (VEVL Coblenz). Koblenz-Lützel : Verl. d. Verbandes, 1903, S. 3f. 912 214 Hellersen (s. 3.5.3.3). Mit dem Entwurf wurde aber nicht, wie in Hellersen, das Berliner Büro Schmieden & Boethke beauftragt. Den Zuschlag erhielt der Geheime Baurat Launer aus Koblenz und ein lokal ansässiger Architekt namens Eichner. Der Innenausbau erfolgte durch eine Lothringer Baugesellschaft aus Metz. Die Gestaltung des Anstaltsparks übernahm die Firma Siesmayer aus Frankfurt.916 Der Heilstättenbau wurde im August 1901 begonnen und im Juni 1903 mit einer Kapazität von 120 Betten fertiggestellt. Ursprünglich sollten nur männliche Kranke aufgenommen werden. Da es aber inzwischen viele Heilstätten für Männer in der Rheinprovinz gab, beschloss man bereits kurze Zeit nach der Eröffnung nur noch weibliche Patienten aufzunehmen. Die ersten zuvor stationär eingewiesenen männlichen Patienten konnten aber noch ihren Kuraufenthalt abschließen. Der Andrang an Patientinnen war so stark, dass die Heilstätte 1913 ein Darlehen bei der LVA Rheinprovinz für einen Erweiterungsbau aufnahm. Das Projekt wurde aber schon vor Beginn der Arbeiten gestoppt, weil der Erste Weltkrieg ausbrach.917 Die Anstalt bestand aus einem Hauptgebäude, in dem sich die Patientenzimmer befanden, einem Wirtschaftsgebäude (mit Küche), einem Maschinenhaus (mit Wäscherei), einer Chefarztvilla (an der Zufahrtsstraße zur Heilstätte) und einer Remise.918 Der erste Leiter der Anstalt wurde Dr. Schüler, der die frühzeitig fertiggestellte Chefarztvilla bezog, „um die Installation der in hygienischer Beziehung wichtigen Heiz-, Bade- und Wasserleitungseinrichtungen etc. zu überwachen“.919 Am 1. Januar 1920 übernahm die LVA Rheinprovinz die Heilstätte zu einem Kaufpreis von 1,2 Millionen Mark und realisierte einige bereits vor dem Krieg geplante Baumaßnahmen. Als im Jahre 1923 noch ein Erweiterungsbau hinzukam, erhöhte sich die Aufnahmekapazität für weibliche Kranke auf 200 Betten.920 Nach dem Krieg wurde die Heilstätte in eine Rehabilitationsklinik für Patienten mit Atemwegserkrankungen umgewandelt und blieb bis zum Ende der 1980er Jahre in Betrieb. Von der Raumausstattung der alten Lungenheilstätte ist heute nur noch wenig übriggeblieben. Die Anstalt wurde innen komplett umgestaltet. Lediglich die Außenfassade des Hauses erinnert noch an die 1903 eröffnete Heilstätte. Auf dem Gelände befindet sich seit 1990 die über 200 Betten verfügende moderne „Westerwaldklinik“ für neurologische und neurologisch-psychosomatische 916 Ebd., S. 12 Schellmann, Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, S. 19 und S. 21 918 VEVL Coblenz, Die Volksheilstätte bei Waldbreitbach, S. 13f. 919 Ebd., S. 20 920 Schellmann, Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, S. 22 917 215 Erkrankungen.921 3.5.4.3 Rosbach (Sieg) Der Kölner Oberbürgermeister Becker setzte sich im Jahre 1899 erfolgreich für die Gründung eines kölnischen Heilstättenvereins ein. Bereits ein Jahr später wurde von dem Verein der Plan entwickelt, eine Einrichtung für Lungenkranke zu errichten. Die Baukosten sollte die Stadt Köln tragen. Die Stadt erhielt dafür Kredite von der rheinischen Landesbank. Der Standort für die projektierte Anstalt lag unweit des Orts Rosbach im Tal der Sieg. Im September 1902 konnte die neue Volksheilstätte mit dem Namen „Stadtkölnische Augusta-Viktoria-Stiftung in Rosbach/Sieg“ mit 130 Betten für männliche Tuberkulöse eröffnet werden. Den Bauentwurf hatte der Kölner Stadtbauinspektor Kleeberg geliefert. „Oberhalb des Dorfes Rosbach […] schaut hoch über dem Talgrund ein weitläufiges Gebäude in die Lande: die Lungenheilstätte der Stadt Köln“, so beschreibt Dr. Krause 1927 die Lage der Heilstätte. Das etwa 65 Hektar große Waldgrundstück befindet an einem Berghang oberhalb der Sieg in 280 Metern Höhe. Das Anstaltsgebäude war fünfstöckig mit einer Ausrichtung der Patientenzimmer nach Süden. Ein Anbau zur Straßenseite hin enthielt die Verwaltungseinrichtungen, den Speisesaal und einige Personalwohnungen. Die Heizungsanlage, Wäscherei und Werkstätten befanden sich in einem Nebengebäude, das zusammen mit dem Haupthaus einen Hof bildete. Die Liegehallen am Hang ermöglichten den Patienten den Blick auf das Tal. Zur Anstalt gehörten 15 Hektar Ackerfläche. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse ermöglichten in Notzeiten, insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg, zu einem erheblichen Teil die Eigenversorgung der Patienten mit Nahrungsmitteln.922 Von 1908 bis 1945 leitete Dr. Krause die Anstalt. Er hatte 1902 als Assistenzarzt seinen Dienst in Rosbach angetreten.923 Mit der Krankenpflege wurden Schwestern des Ordens des heiligen Augustinus (Mutterhaus in der Severinstraße, Köln) beauftragt.924 Die meisten Patienten wurden von der LVA Rheinprovinz nach Rosbach überwiesen, aber auch Versicherte der Ruhrknappschaft oder Unterstützungsempfänger des Sozialministeriums und der Reichsversicherungsanstalt kamen in die Anstalt. Selbstzahlende Patienten gab es nur wenige.925 921 Internetseite der Westerwaldklinik Waldbreitbach gGmbH „Die Klinik stellt sich vor“, abgerufen unter www.westerwaldklinik.de/klinik/die-klink-stellt-sich-vor.php am 24. September 2013. 922 Kieffer, 50 Jahre Heilstätte der Stadt Köln in Rosbach (Sieg), S. 12 923 Ebd., S. 9 924 Ebd., S. 32 925 Ebd., S. 33 216 Im Jahre 1928 wurde ein Neubau errichtet, der neben zusätzlichen Patientenzimmern und Personalwohnungen auch eine ökumenische Anstaltskapelle beherbergte. Ein Operationssaal für die chirurgische Behandlung wurde in Rosbach erst 1950 fertiggestellt. Somit erfolgte die Umstellung von einer klassischen Heilstätte in eine Tuberkulose-Fachklinik hier vergleichsweise spät. Im Jahre 1951 verfügte die Einrichtung über 180 Betten.926 3.5.4.4 Essen-Holsterhausen Eine weitere Einrichtung für Tuberkulosepatienten der Rheinprovinz und insbesondere des Ruhrgebiets war die etwa 130 Meter hoch gelegene Heilstätte Holsterhausen in der Nähe von Werden an der Ruhr (heute ein Stadtteil von Essen), die im Juli 1902 mit einer Kapazität von 100 Betten eröffnet wurde. Bau und Betrieb erfolgten durch den „Heilstättenverein der Ruhrkreise“ (dem die Stadt Essen, der Landkreis Essen und die Städte Mülheim/Ruhr, Oberhausen, Ruhrort und Duisburg angehörten), mit dem Bauentwurf beauftragt wurden das Büro Schmieden und Boethke. Die Baukosten beliefen sich auf 200.000 Mark. Die Bettenkapazität der Anstalt musste aber schon bald erweitert werden. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde ein Neubau errichtet, damit 170 Patienten behandelt werden konnten.927 Direkt nach dem Krieg kam es zu einem Verkauf der Heilstätte an die LVA Rheinprovinz, die weitere umfangreiche Baumaßnahmen durchführte.928 Im Jahre 1930 konnten 250 Tuberkulosepatienten aufgenommen werden. Die Anstalt umfasste zwei große Gebäude, die beide am Südhang des Gellenbergs lagen. Die Patienten konnten von ihren Zimmern ins Ruhrtal blicken. Zum eigenen Gelände der Heilstätte gehörten fast 90 Hektar Wald und Ackerland. Aufgrund der großen landwirtschaftlichen Nutzfläche war in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg eine fast autarke Versorgung der Patienten mit Lebensmitteln möglich. Auf der Anlage gab es eine Wäscherei, eine Schreinerei, eine Schmiede und eine Elektrowerkstatt. In der Heilstätte wurden 1930 fünf Ärzte beschäftigt, die zugleich als Lehrkräfte für die Westdeutsche Sozialhygienische Akademie Düsseldorf tätig waren. Die Krankenpflege übernahmen Schwestern aus dem Augustinerinnen-Orden zu Köln.929 In den 1970er Jahren wurde in Essen aufgrund rückläufiger Patientenzahlen die Spezialisierung auf die Tuberkulosebehandlung nach und nach aufgegeben. Heute ist die „Ruhrlandklinik“ genannte Einrichtung eine Fachklinik für Lungenkrebserkrankungen. Seit 1989 besteht 926 Ebd., S. 13 und S. 39 Hans Günther Hohn, Die deutsche Rentengeschichte, Pro Business 2004, S. 234 928 Ebd., S. 15 und S. 17 929 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 37f. 927 217 eine enge Kooperation mit der Universitätsklinik Duisburg-Essen. Im Jahre 2009 wurde das Krankenhaus zu einer eigenständigen Gesellschaft und firmiert heute als gemeinnütziges „Westdeutsches Lungenzentrum“.930 3.5.4.5 Waldhof Elgershausen Die Heilstätte Waldhof in Elgershausen wurde vom Chefarzt Dr. Liebe, der vorher die Heilstätte Loslau (Oberschlesien) leitete, im Jahre 1899 gegen den Widerstand der Einwohner im Kurort Braunfels (bei Wetzlar) als private Kurpension für Lungenkranke gegründet. Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass diese Anstalt weder als Sanatorium für Selbstzahler noch als Volksheilstätte für Arbeiter betrieben wurde. Vor allem nicht-versicherte tuberkulöse Mittelstandspatienten sollten in die Anstalt aufgenommen werden. Zu diesem Zweck wurde ein angekaufter Gutshof in Elgershausen (Westerwald) um- und ausgebaut und im April 1901 mit Patienten eröffnet, die aus der zu klein gewordenen Braunfelser Kurpension umzogen. Das Gutshaus befand sich ursprünglich im Besitz des Fürsten Solms-Braunfels. Das Anstaltsgelände (auf dem sich ursprünglich ein großer Zier- und Gemüsegarten befand) liegt auf einer Höhe von 340 Metern. In die Heilstätte aufgenommen wurden männliche Tuberkulöse, und zwar sowohl selbstzahlende (vornehmlich aus dem Mittelstand stammende) als auch sozial schwächer gestellte Patienten. Für die Selbstzahler standen die Neubauten „Eigenhaus“, „Sächsisches Haus“ und „Blockhaus“ zur Verfügung. Die nicht-selbstzahlenden Patienten brachte man im dreistöckigen Haupthaus und im zweistöckigen Neubau „Prinz-Albrecht-Haus“ unter. Außerdem gab es auf dem Anstaltsgelände eine eigene Badeanstalt, ein Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude, eine Wäscherei und eine Bäckerei.931 Insgesamt umfasste die Anstalt über 70 Betten.932 Im Jahre 1903 bezeichnete sich die Heilstätte Elgershausen als „einzige alkoholfreie Lungenheilanstalt Deutschlands“, da Alkohol als den Körper schwächend angesehen wurde und deshalb nicht (wie in anderen Heilstätten üblich) zu therapeutischen Zwecken verabreicht werden sollte.933 Da die tuberkulösen Patienten ab dem Jahre 1913 auch von der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte nach Elgershausen überwiesen wurden, konnte die Aufnahmekapazität auf 100 Betten erhöht werden. Im Jahre 1915 übernahm die Krankenhausgesellschaft, die bisher nur als 930 Internetseite der Ruhrlandklinik. Abgerufen unter www.ruhrlandklinikhausderlunge.de/service-undinformation/geschichte.html am 4. Dezember 2013 931 Hamel, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 8, Berlin 1908, S. 119 932 Ebd., S. 120f. 933 Liebe, Die Heilanstalt Waldhof Elgershausen, S. 30 218 Pächterin aufgetreten war, die Anstalt aus fürstlichem Besitz. Der Gründer und Eigentümer Dr. Liebe starb im Jahre 1924. Im Jahre 1928 wurde die Heilstätte an die Innere Mission der evangelischen Kirche verkauft. 1961 wandelte man die (ab 1949 auf dem Gebiet des Bundeslands Hessen liegende) Einrichtung in ein pneumologisches Fachkrankenhaus um. Nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Inneren Mission ging das Haus bald darauf in die Trägerschaft des Diakonischen Werks Hessen-Nassau über.934 3.5.4.6 Weitere Einrichtungen Unweit von Bonn, oberhalb des Ortes Honnef im Siebengebirge, wurde in den Jahren 1891-92 mit privatem Kapital (und in Form einer Aktiengesellschaft) das „Sanatorium Hohenhonnef“ mit 70 Betten errichtet und bis 1913 als Lungenheilstätte betrieben. Das Gebäude lag an einem Hang des Schmelztals auf einer Höhe von 200 Metern. Die Aktiengesellschaft verlangte vermutlich zu hohe Kurkosten, sodass das Haus aufgrund mangelnder Nachfrage im Jahre 1913 an die LVA Rheinprovinz veräußert werden musste. In der Stadt Honnef entstanden jedoch Befürchtungen, der Betrieb einer Lungenheilstätte für Patienten aus der Arbeiterschicht könnte dem Ansehen des mondänen Badeorts schaden. Die LVA änderte deshalb den Namen der Einrichtung. Aus dem „Sanatorium Hohenhonnef“ wurde die „Heilstätte Rheinland“, sodass die unmittelbare Assoziation mit dem Ortsnamen entfiel. Die Anlage wurde ausgebaut und die Aufnahmekapazität erhöht. Erster Chefarzt unter der neuen Verwaltung war Dr. Grau, der von der Heilstätte Ronsdorf nach Hohenhonnef kam.935 Im Jahre 1930 hatte die Anstalt eine Kapazität von 200 Betten und nahm männliche tuberkulöse Versichterte der LVA Rheinprovinz und der Reichsknappschaft auf. Vier „Anstaltsfachärzte“ betreuten die Kranken.936 Im Jahre 1979 erwarb die Cornelius-Helferich-Stiftung das denkmalgeschützte Haus und wandelte es in ein Rehabilitationszentrum um.937 Die Allgemeine Ortskrankenkasse Barmen ließ in den Jahren 1911-13 eine Heilstätte für 200 Patienten im oberbergischen Denklingen (heute zur Stadt Reichshof gehörend) errichten. Im Ersten Weltkrieg diente die Anstalt als Lazarett für lungenkranke Soldaten. Aufgrund finanzieller Engpässe konnte die AOK Barmen ab 1919 Kuraufenthalte in Denklingen nicht mehr bewilligen und bot der LVA Rheinprovinz an, die freigewordenen Betten zu belegen. Ein Jahr später erwarb die LVA dann das Haus für eine Million Mark, baute die Anstalt um und 934 Internetseite der pneumologischen Fachklinik Waldhof-Elgershausen, abgerufen unter: www.klinikwaldhof.de/index.php?option=com_content&view=article&id=51&Itemid=57 am 18. Dezember 2013 935 Schellmann, Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, S. 10 und 14 936 Reichsverband Deutscher Landesversicherungsanstalten, Die Heilanstalten der Invalidenversicherung, S. 116 937 Denkmalliste der Stadt Bad Honnef, Eintrag A 41 219 verringerte die Kapazität auf 153 Betten für männliche Tuberkulöse. Die Heilstätte war mit ihrer Lage auf einem Geländeniveau von 350 Metern die am höchsten gelegene Einrichtung der LVA Rheinprovinz.938 In der Nähe der Stadt Düsseldorf, im heutigen Stadtteil Grafenberg, erwarben im Jahre 1876 die Geschwister Otto und Henriette Fellinger ein Grundstück und ließen dort 1900 die Heilstätte „Waldesheim“ errichten. Im Jahre 1904 übernahm die „Stiftung zum Wohle kranker und pflegebedürftiger Angehöriger der minderbemittelten Bevölkerungskreise“ die bisher privat geführte Anstalt.939 Der Stiftungszweck sah vor, Erwachsene nach den „Grundsätzen naturgemäßer Lebensweise“, also ohne „giftige Arzneien“ (zu denen auch der damals medizinisch oft eingesetzte Alkohol gerechnet wurde), zu behandeln. Im Ersten Weltkrieg wurde die Einrichtung als Lazarett genutzt. Danach beauftragte die Stiftung einen besonderen Träger (den Verein für Säuglingsfürsorge und Wohlfahrtspflege im Regierungsbezirk Düsseldorf), in den Häusern der Stiftung eine Kinder-Lungenheilstätte mit 115 Betten einzurichten. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Einrichtung in ein Lazarett umgewandelt und ab 1919 unter Leitung des Zahnarztes Christian Bruns als „Kinderhilfsstätte“ wieder zivil genutzt.940 In der Inflationszeit verlor die Stiftung ihr Kapital und musste die Anstalt im Oktober 1924 an die LVA Rheinprovinz verkaufen. Aufgenommen wurden nun wieder lungenkranke und tuberkulosegefährdete Kinder zwischen sechs und 16 Jahren. Die LVA baute die Anstalt bis 1929 weiter aus.941 Unweit des ehemaligen Anstaltsgrundstücks befindet sich das heutige Universitätsklinikum Düsseldorf. Über die weitere Geschichte der Einrichtung nach 1933 konnte nichts herausgefunden werden.942 938 Ebd., S. 17 und S. 19 Internetseite des Stadtarchivs Düsseldorf, abgerufen unter: www.duesseldorf.de/stadtarchiv/fortgeschrittene/ tektonik/deposita/findbuecher/4_7fellinger.pdf am 10. Februar 2014. 940 Ebd., S. 4 941 Bericht über die am 19. Oktober 1929 vorgenommene Einweihungsfeier der in der Tuberkulose-Kinderheilstätte Waldesheim ausgeführten baulichen Veränderungen, Neu- u. Umbauten mit e. baulichen Beschreibg, Amtliche Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Düsseldorf: L. Schwann, 1930. 942 Schellmann, Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, S. 23f. 939 220 3.5.5 Provinz Pommern In der recht dünn besiedelten Provinz Pommern gab es nur wenige Heilstätten für Tuberkulöse. Die beiden größten Häuser in Stettin und in Kolberg werden nachstehend ausführlicher vorgestellt. Eine vollständige Übersicht über alle Heilstätten der Region bietet der Anhang (Abschnitt P). 3.5.5.1 Stettin-Hohenkrug (Zdunowo) Der begüterte Stettiner Samenhändler Ferdinand Karkutsch starb im Jahre 1890. Da er keine Kinder hatte er, vermachte er einen großen Teil seines Vermögens der Stadt Stettin. Er verfügte, dass die Stadt mit seinem Geld ein Rekonvaleszentenheim und ein stadtgeschichtliches Museum bauen sollte. Doch die von ihm hinterlassene Summe in Höhe von 300.000 Mark reichte nicht für beide Projekte aus, sodass die Stadt Stettin 1892 beschloss, den Betrag zunächst anzulegen, auf diese Weise für mindestens fünf Jahre Zinsen anzusammeln. Nach Ablauf dieser Zeit, im Jahre 1897, bat der „Verein zur Errichtung von Genesungsstätten für unbemittelte Lungenkranke im Regierungsbezirk Stettin“943 die Stettiner Stadtverwaltung, das Geld für den Bau einer Heilstätte verwenden zu dürfen. Den partiellen Widerspruch zur testamentarischen Bestimmung (dem Bau eines Rekonvaleszentenheims) ignorierend, begrüßte die Stadtverwaltung diesen Vorschlag und beschloss 1898, das Erbe von Ferdinand Karkutsch für den Bau einer Lungenheilanstalt zu verwenden. Der Stadtrat Dohrn schenkte der Gemeinde einen Baugrund im Vorort Hökendorf (Klęskowo). Da jedoch mehrere Industriebetriebe in unmittelbarer Nähe lagen und die Bauherren eine Beeinträchtigung der Luftgüte befürchteten, machte die Stadt von der Dotation keinen Gebrauch. Auch andere angebotene Bauplätze im Wussower Forst (Osów), der südlichen Buchheide sowie der Wendheide wurden abgelehnt. Erst im Jahre 1908 entschied sich die Stadt, vor allem aufgrund der guten Verkehrsanbindung, für einen Bauplatz im Hohenkruger Forst (Zdunowo) an der Bahnstrecke Stettin – Danzig.944 In einer Denkschrift aus dem Jahre 1903 hatte ein Stettiner Hochschullehrer angeregt, sowohl eine Heilstätte für Leichtkranke als auch ein städtisches Tuberkulosekrankenhaus zu errichten. Dieser Empfehlung wurde gefolgt und eine Kommission damit beauftragt, auf dem gepachteten Gelände im Hohenkruger Forst für 50 weibliche und für 100 männliche Kranke je ein Haus zu planen.945 943 Akten zur Entscheidung über den Bau einer Heilstätte bei Stettin. Geheimes Preußisches Staatsarchiv, I HA Rep 76 VIIIB 4216/1 944 Hermann Bräuning, TBC Krankenhaus: die Bauanlage in Hohenkrug. Die Aufgabe des TuberkuloseKrankenhauses. Die Bauausführung Berlin: Hübsch, 1931. 945 Ebd. 221 Die LVA Pommern hatte der Stadt Stettin bereits 1907 eine Hypothek von 750.000 Mark in Aussicht gestellt, wenn sie 50 bei der LVA versicherte Tuberkulöse in der neuen Heilstätte unterbringen dürfe. Auf Veranlassung der eingesetzten Kommission arbeiteten Stadtbauinspektor Toop und der staatliche Baumeister Schaube einen Entwurf für die Bebauung aus. Doch die Verhandlungen über die Realisierung zogen sich in die Länge. Bevor mit dem Bau begonnen werden konnte, brach der Erste Weltkrieg aus. Die Architekten wurden als Soldaten eingezogen und starben bereits nach wenigen Wochen an der Front. Baumeister Boldt, der städtische Architekt Martins und der technische Obersekretär Dittmar übernahmen das Projekt, dessen Verwirklichung trotz des Krieges jetzt endlich schnell voranschritt. Im Jahre 1915 entstand der Westflügel des Hauptgebäudes. Dort wurden Patientenzimmer (mit insgesamt 164 Betten) sowie Operations- und andere Behandlungsräume eingerichtet. In der ersten Bauetappe entstanden Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude sowie der Anstaltspark. In der zweiten Hälfte des Krieges wurden die Baumaßnahmen eingestellt. Die Errichtung der Teilanlage hatte bis zu diesem Zeitpunkt mehr als eine Million Mark gekostet.946 Die Heilstätte wurde nach Karkutsch benannt, der das erste Grundkapital gestiftet hatte. Organisatorisch war Hohenkrug als Station für Tuberkulose an das städtische Krankenhaus Stettin angegliedert und stellt somit keine eigenständige Heilstätte dar. Die Leitung oblag dem Chefarzt des Krankenhauses.947 Die Kurkosten wurden je nach „Versorgungsstufe“948 erhoben. Wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage nach dem Ersten Weltkrieg konnten die Bauarbeiten (die Anstalt sollte auf 170 Betten vergrößert werden) erst 1925 fortgesetzt werden. Den weiteren Ausbau finanzierten die Gesellschaft für Tuberkulosebekämpfung, das Gesundheitsministerium, die Provinzialverwaltung, die Staatliche Versicherungsverwaltung, die Stadt Stettin und die umliegenden Landkreise. Während der letzten Bauphase entstanden ein Neubau für 100 weibliche Tuberkulöse, Wohnhäuser für das ärztliche Personal (einschließlich einer Chefarztvilla) und ein Torgebäude mit Pförtnerhaus. Außerdem erhielt das Hauptgebäude einen Saal für Versammlungen und ein Röntgenkabinett. Der Ausbau der Klinik wurde erst 1932 abgeschlossen. Nun konnten 261 Patienten in Hohenkrug aufgenommen werden.949 In der parallel miterrichteten Krankenhaussiedlung lebten etwa 200 Einwohner, meist Klinikangestellte 946 Marek Łuczak, Szczecin Wielgowo Załom Zdunowo. Stettin: Zapol Spółka jawna 2012, S. 91 Ebd., S. 93 948 Einheimische zahlten je nach Einkommen etwa zwischen vier und 13 Mark. Auswärtige Selbstzahler mussten einen Zuschlag von zwei Mark zahlen. Von der LVA Pommern oder den städtischen Behörden nach Hohenkrug entsandte Patienten brauchten nur 5,35 bis 6,10 Mark zu entrichten. Aus: DZKBT, Verzeichnis der deutschen Einrichtungen für Tuberkulöse, S. 109 949 Łuczak, Szczecin Wielgowo Załom Zdunowo, S. 95 947 222 mit ihren Familien.950 Der erste Klinikdirektor war von 1915 bis 1939 Professor Dr. H. Braeuning.951 1939 wurde die krankenhauseigene Siedlung Hohenkrug in die Stadt Stettin eingemeindet. Im Zweiten Weltkrieg gab es auf dem Areal ein Zwangsarbeiterlager der Reichsbahn. Die Heilstätte selbst wurde von der Wehrmacht und ab dem Frühjahr 1945 von der Roten Armee als Lazarett genutzt. Größere Kriegsschäden entstanden an den Heilstättengebäuden nicht. Seit 1945 gehört die Stadt Stettin zu Polen und die Klinik erhielt den Namen Zdunowo.952 Einige Jahre nach dem Krieg wurde die Anlage umfassend modernisiert und konnte im Juli 1949 als staatliche Tuberkuloseklinik wiedereröffnet werden. Seit 1955 gibt es hier zwischen 400 und 500 belegbare Betten. Der erste polnische Chefarzt war Dr. Popiel. Die Klinik „Wojewódzki Szpital Ftyzjo-Pulmonologiczny“ (also Landesklinik für Tuberkulose und Pulmonologie) erhielt 1996 den Namen „Alfred Sokołowski“. Damit wurde der bekannteste polnische Tuberkulosearzt geehrt, der Ende des 19. Jahrhunderts unter Hermann Brehmer in Görbersdorf gearbeitet hatte. Zdunowo ist seit 1996 eine von drei Spezialkliniken für Lungen- und Herztransplantationen in Polen. Da in den Jahren danach die Zahl der in Zdunowo aufgenommenen Patienten mit Atemwegskrankheiten weiter absank, wurden einige Stationen in Abteilungen für innere Krankheiten und Orthopädie umgewandelt. Zuletzt erfolgte ein umfassender Um- und Ausbau der Einrichtung in den Jahren 2009-2013.953 3.5.5.2 Siloah, Kolberg (Kołobrzeg) In der preußischen Provinz Pommern wurde 1881 die Lungenheilstätte „Siloah“ im Ostseebad Kolberg mit 42 Betten feierlich eröffnet. Sie gehört zu den ältesten in Preußen und besitzt eine interessante Entstehungsgeschichte: Der jüdische Kurgast N. Oppenheim aus Berlin schrieb im Juni 1874 dem Kolberger Bürgermeister einen Brief, in dem er ihm finanzielle Mittel für den Bau eines evangelischen Kurhospitals an der „Colberger Münde“ anbot. Als bemerkenswert wurde hierzu in einer Festschrift954 hervorgehoben, dass ein jüdischer Bürger den finanziellen Grundstock für ein christliches Kurhospital legte. Die deutsche Kaiserin und der Kreis Kolberg unterstützten das Projekt ebenfalls finanziell. Mithilfe der Spendengelder konnte im August 1880 ein Grundstück in der Kolberger Hafenstraße 5 erworben und ein erstes Gebäude errichtet 950 Ebd., S. 87 Tadeusz Zajaczkowski, The beginnings of antituberculosis service in Stettin. Hermann Braeuning--the first director of the Tuberculosis Hospital in Stettin-Hohenkrug (Szczecin-Zdunowo), Annales Academiae Medicae Stetinensis, 57(1)/2011, 105-109 952 Łuczak, Szczecin Wielgowo Załom Zdunowo, S. 85 953 Ebd., S. 101 954 Walter Behrend, Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Christlichen Kurhospitals und der Kinderheilstätte 'Siloah' ; Kolberg: Eigenverlag 1931. 951 223 werden. Oppenheim stiftete kurz vor Baubeginn weitere 1500 Mark.955 Die Heilstätte sollte ursprünglich nicht tuberkulöse, sondern „scropulöse“956 Kinder aufnehmen. Der erste Chefarzt war Geheimrat Dr. von Büssau. Die Organisation der Pflege oblag 25 Krankenschwestern verschiedener Konfessionen. Zum Namen der Anstalt wird von Hansel erläuternd ausgeführt: Der gesamte Heilstättenkomplex „trug den Namen ‚Siloah’, ein Name der noch heute bei vielen Krankhäusern verwendet wird. Siloah heißt ein heiliger Teich in Jerusalem, in dem schon der jüdische König Salamon gesalbt worden sein soll. Außerdem soll hier eine Wasserschöpf-Prozession, an der Jesus einen Blinden mit dem Teichwasser wieder sehend machte, abgehalten worden sein. Auch den Moslems gilt dieser Teich als heilig. Vermutlich wurde der Name Siloah also gewählt, weil er als verbindendes Symbol zwischen den Religionen gilt, ebenso wie die Krankenhausgründung auf einer interkonfessionellen Geste fußte: Einer Spende des jüdischen Unternehmers Oppenheim für ein evangelisches Krankenhaus anno 1874“.957 Im März 1883 kam es zur Gründung eines Vereins mit dem Ziel, weitere Kinderheilstätten in Pommern, Westpreußen und in Mecklenburg zu bauen. Zunächst vergrößerte der Verein 1884 das Kolberger Anstaltsgelände, indem er das Nachbargrundstück Hafenstraße 4 ankaufte und auf dem Gelände ein neues Badehaus und ein zusätzliches Wirtschaftsgebäude errichtete.958 Im Juni 1902 erfolgte dann eine nochmalige Erweiterung mit dem Ankauf des Grundstücks Hafenstraße 3. Dort entstand mit finanzieller Hilfe der LVA Pommern ein Erweiterungsbau. Ab 1911 wurden Mittel für die Errichtung eines Neubaus mit Betten für Knochen-, Gelenk- und Drüsentuberkulose gesammelt. Die LVA Pommern bewilligte der Stadt Kolberg 1912 für den Bau der neuen Einrichtung ein Darlehen von einer Viertel Million Mark. Den architektonischen Entwurf erarbeitete der Baurat Goßner. Im Juni 1914 konnte das Haus auf dem Nachbargrundstück Hafenstraße 1-2 eröffnet werden. 959 Seit 1912 waren in der Anstalt für die LVA Pommern 90-120 Betten vertraglich für Versicherte reserviert. Im Ersten Weltkrieg wurde die gesamte Anlage als Reservelazarett genutzt. Nach dem Krieg geriet die Einrichtung in eine wirtschaftliche Notlage. Erst in den Jahren 1925 bis 1927 konnte wieder investiert werden: Liegenhallen wurden errichtet und eine Warmwasserheizung 955 Ebd. Die Skrofulose ist eine Halsdrüsengeschwulst, die im 19. Jahrhundert fälschlicherweise oft den Schwindsuchtserkrankungen zugeordnet wurde, da auch schlechte hygienische Umstände als Ursache angenommen wurden. 957 Jens Hansel, Die frühere Lungenheilstätte Kolberg: Heute ein Kurheim. Internetseite „Kolberg-Cafe.de“, abgerufen unter www.kolberg-cafe.de/meldungen-aus-kolobrzeg-kolberg/items/die-fruehere-lungenheilstaettekolberg-heute-ein-kurheim.html am 31. Januar 2013 958 Behrend, Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Christlichen Kurhospitals und der Kinderheilstätte Siloah, o.S. 959 Peter Jancke, Ostseebad Kolberg. Rückschau auf eineinhalb Jahrhunderte Badgeschichte, Hamburg 2002, S. 56 956 224 installiert. Im Jahre 1930 wird mit 193 Erwachsenen und 1603 Kindern in den Siloah-Anstalten die höchste Belegungszahl erreicht.960 Auf zehn Kinder, die durchschnittlich über sieben Wochen in der Anstalt blieben, kam eine Pflegekraft. Das Betreuungsverhältnis war damit im Vergleich zu anderen Einrichtungen recht gut. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde 1933 der jüdische Chefarzt Behrend vom Dienst suspendiert und der Name „Siloah“ verschwand. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unterstand das in „Kinderheilstätte Kolberg“ umbenannte Haus der Leitung von Werner Brand. Der gesamte Heilstättenkomplex wurde - nach Evakuierung der Kranken - bei den schweren Kämpfen um Kolberg in den letzten Kriegstagen 1945 zerstört. Heute befinden sich neugebaute Ferienheime und ein Hotel auf dem Grundstück.961 3.5.5.3 Andere Heilstätten in Kolberg Seit 1893 existierte in Kolberg auch eine als Seehospiz bezeichnete Kinderheilstätte962 der Provinz Brandenburg „für skrophulöse und schwächliche, überhaupt in der Entwicklung zurückgebliebene Kinder“.963 Das Seehospiz entstand auf Betreiben der Freifrau von Manteuffel. Die Patienten wurden von Schwestern des Diakonissenmutterhauses Oberlin in PotsdamBabelsberg pflegerisch betreut. Das vom Architekten Theodor Goecke (vgl. 3.2.2) erbaute Gebäude lag im Stadtteil Maikuhle am Ufer des Flusses Persante, der durch das Stadtzentrum fließt. Das Haus verfügte über 120 Plätze. Ab 1930 wurden in der Einrichtung auch Kinder mit inaktiver Tuberkulose behandelt.964 Das Gebäude diente in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges (bis zu seiner völligen Zerstörung) als Befehlsstand des Volkssturms.965 Nach 1890 gab es zeitweilig am Kolberger Strand (Dünenstraße 17) eine private Kuranstalt für Tuberkulöse, die von einer Familie Kauffmann errichtet worden war. Die 250 Betten umfassende Anlage wurde aber bereits wenige Jahre später in ein Strandhotel umgewandelt. Am westlichen Rand des Stadtwalds befand sich ab 1903 die von Geheimen Sanitätsrat Dr. Julius Reinke gegründete Waldheilstätte Schülerbrink, die später dem Namen „Seitz-ReinkeWaldheilstätte“ erhielt. Die Einrichtung für tuberkulöse Kinder hatte eine Kapazität von 350 Betten und wurde in den 1930er Jahren zuletzt von Dr. Fritz Brandt geleitet. Das Gebäude diente 960 Behrend, Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Christlichen Kurhospitals und der Kinderheilstätte 'Siloah', o.S. Jancke, Kolberg, S. 92 962 Der Begriff Hospiz ist nicht mit der heutigen Bedeutung gleichzusetzten, sondern wurde damals auch für Genesungsheime für Kinder am Meer genutzt (neben Kolberg bspw. auch auf Norderney). 963 Ohne Autor, Das Brandenburgische Seehospiz. Deutsche Bauzeitung, (25)85/1901, 525 964 Reichsverband Deutscher Landesversicherungsanstalten, Die Heilanstalten der Invalidenversicherung, 1930 965 Peter Jancke, Ostseebad Kolberg. Rückschau auf eineinhalb Jahrhunderte Badgeschichte, Hamburg 2002, S. 56 und S. 69 961 225 im Zweiten Weltkrieg als Lazarett. Es hat die Kämpfe um Kolberg 1945 unbeschadet überstanden und wird heute noch als Sanatorium genutzt.966 3.5.5.4 Weitere Einrichtungen in Pommern In dem heute zur polnischen Wojewodschaft Westpommern gehörenden Kösliner Vorort Gollenwald wurde im November 1928 ein Tuberkulosekrankenhaus für 64 Frauen und Männer eröffnet. Die Abteilungen waren in verschiedenen Gebäuden untergebracht. Es standen Einzel-, Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer zur Verfügung. Die Klinik besaß 1930 einen Operationsaal, ein Röntgengerät, eine Lichtkammer für Quartzlichtbestrahlungen und mehrere DiathermieBehandlungsapparate.967 Betrieben wurde die Anstalt vom „Hinterpommerschen Heilstättenverein Köslin“. Leiter der Einrichtung war 1930 Dr. Haese. Der Pflegesatz betrug 6,50 Reichsmark täglich. 968 Der Landkreis Stolp unterhielt in Deutsch-Karstnitz eine zwischen 1912 und 1913 errichtete Lungenheilstätte mit 26-30 Betten. Die Baukosten betrugen etwa 100.000 Mark. Im Park befand sich eine Liegehalle. Die Anstalt war drei Kilometer vom Bahnhof Hebrondamnitz entfernt, an der Strecke von Stettin nach Danzig, errichtet worden. Aufgenommen wurden hauptsächlich Einwohner des Landkreises Stolp und Versicherte der LVA Pommern.969 Die Kurkosten pro Patient betrugen 5,50 Reichsmark pro Tag. Aufgrund zu geringer Belegung wurde die Heilstätte im Juli 1930 geschlossen. Der letzte Leiter der Anstalt war der Arzt Dr. Boseck.970 3.5.6 Provinzen Posen und Westpreußen Ebenfalls recht dünn besiedelt waren die Provinzen Posen und Westpreußen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Großteil der beiden Provinzgebiete, in denen überwiegend polnischstämmige Einwohner lebten, dem neugegründeten polnischen Staat zugesprochen. Die nach 1919 bei Preußen verbleibenden restlichen Landesteile wurden in einer Provinz mit Namen „Grenzmark Posen-Westpreußen“ vereinigt. Deshalb werden die Tuberkulose-Einrichtungen beider Provinzen nachstehend gemeinsam vorgestellt. Eine vollständige Übersicht über alle Heilstätten der Region bietet der Anhang (Abschnitt PW). 3.5.6.1 Bromberg-Mühlthal (Bydgoszcz) Der „Posener Provinzialverein zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit“ im Jahre 966 Ebd., S. 57 und S. 72 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 104f. 968 DZKBT, Verzeichnis der deutschen Einrichtungen für Tuberkulöse. Selbstverlag: Berlin. 969 Ebd. 970 Akte Hebron-Damnitz, Bundesarchiv R 86 / 1169 967 226 1905 im königlichen Forst Strelitz (etwa zehn Kilometer nördlich der Stadt Bromberg) eröffnete Kronprinzessin-Cecilie-Heilstätte Mühlthal, konnte 50 weibliche Tuberkulöse aufnehmen (Architekt: Carl Meyer).971 Die Anstalt wurde in den Jahren 1907 und 1911/1912 auf eine Kapazität von 135 Betten erweitert. Eine private Spende der „Frau Gesandten“ Raschdau ermöglichte es, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf dem Gelände der Heilanstalt ein eigenes Haus für eine Kinderstation mit 20-36 Betten zu eröffnen. 972 Der 1913 eröffnete Neubau erhielt den Namen „Berta-Amélie-Stiftung“ (Architekt: Julius Knüpfer).973 Der Verein legte großen Wert auf eine moderne, behandlungsgerechte Ausstattung der Anstalt. Das Mobiliar hatte abgerundete Ecken und glatte Oberflächen, um Staubansammlungen zu vermeiden. Auf Gardinen, Teppiche sowie Polstersessel wurde aus dem gleichen Grund verzichtet.974 In der Anstalt waren 1912 ein Chefarzt (Dr. Scherer), ein Assistenzarzt, ein Medizinalpraktikant und fünf Schwestern des Roten Kreuzes (Gnesener Mutterhaus) beschäftigt. Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 21: LAGE DER HEILSTÄTTE BROMBERG 975 Aufnahmegesuche von Patientinnen mussten direkt an den Vorstand des Provinzialvereins gerichtet werden, zusammen mit einem ärztlichen Gutachten über den Lungenbefund und den allgemeingesundheitlichen Zustand. Kranke, bei denen „nicht wenigstens eine erhebliche 971 Paradowska, Przeciw chorobie, S. 43 Jahresbericht der Kronprinzessin-Cecilie-Heilstätte bei Bromberg mit Jahresbericht der Kinderheilstätte der Bertha Amelie-Stiftung. Erschienen: Posen, 1.1905(1906) – 10.1914(1915). Preußische Staatbibliothek Berlin. 973 DZKEHL, Der Stand der Tuberkulose-Bekämpfung, Geschäftsbericht d. Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, Frühjahr 1914. 974 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 53f. 975 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_2873_1426, 1940 972 227 Besserung des Leides und des Allgemeinzustandes zu erwarten ist“976, wurden abgewiesen. Der Preis für das Einzelzimmer (I. Klasse) betrug sechs Mark zzgl. Extrakosten für das Waschen von „Luxuswäsche“ pro Tag.977 Für die Unterbringung im Mehrbettzimmer waren 4,75 Mark zu entrichten. In der II. Klasse (Schlafsäle) mussten 3,50 Mark gezahlt werden. Patientinnen, die in der Provinz Posen wohnhaft waren, konnte der Tagessatz ermäßigt oder erlassen werden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Einrichtung unter polnische Verwaltung gestellt und in „Wojewódzkie Sanatorjum dla Piersiowo Chorych w Smukale pod Bydgoszczą“ (Landesklinik für Brustkranke) umbenannt.978 3.5.6.2 Hohensalza (Inowrocław) Das Städtchen Hohensalza war zur Kaiserzeit als Solebad bekannt. Die Provinz Posen hatte einen sog. „Provinzialfonds“ eingerichtet, um die Hochzeitsfeier des preußischen Prinzen Wilhelm und der späteren Prinzessin Auguste Viktoria im Jahre 1881 ausrichten zu können. Die Summe war so groß, dass das Geld für die Feierlichkeiten nicht vollständig ausgegeben wurde. Die nicht verbrauchten Mittel sollten für den Bau einer Kinderheilstätte in Hohensalza verwendet werden. Außerdem veranstaltete der Landrat Freiherr von Unruhe-Bomst („Schlosshauptmann von Posen“) eine Lotterie zugunsten des Heilstättenprojekts.979 Die im Juni 1888 eröffnete Einrichtung nahm „skrofulöse und leicht tuberkulöse Kinder unbemittelter Eltern ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, des Herkommens und des Standes“980aus der Provinz Posen auf, die zwischen sechs und 14 Jahre alt waren. In dem zweistöckigen Hauptgebäude befanden sich Wohnräume für das Personal, vier Schlafsäle, ein Speisesaal und ein Spielzimmer. Im Jahre 1906 entstand auf dem Anstaltsgelände zusätzlich ein Neubau für leicht-tuberkulöse Kinder, der als „Gartenhaus“ bezeichnet wurde und der über einen Operationssaal verfügte. Die Häuser der Heilstätte hatten eigene Anschlüsse an die Solequelle der „Königlichen Saline Hohensalza“. In der Regel kamen zwischen Mitte Mai und Mitte November jährlich 230 Kinder zu einem sechswöchigen Kuraufenthalt nach Hohensalza. Die Kurkosten betrugen 1,55 Mark pro Tag. Viele Kinder wurden sogar kostenfrei behandelt. Die ärztliche Leitung der Anstalt hatte zu Beginn der Geheime Sanitätsrat Dr. Forner inne. Zum Jahreswechsel 1911/1912 löste ihn Dr. 976 Jahresbericht der Kronprinzessin-Cecilie-Heilstätte bei Bromberg mit Jahresbericht der Kinderheilstätte der Bertha Amelie-Stiftung. Erschienen: Posen, 1.1905(1906) – 10.1914(1915). Preußische Staatbibliothek Berlin. 977 Blusen, Waschkleider, Spitzenunterröcke, Kragen, Schürzen usw. 978 Paradowska, Przeciw chorobie, S. 44f. 979 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 439f. 980 Ebd. 228 Sell ab. Für die wirtschaftliche Leitung war Elisabeth Fiedler, eine Schwester des Johanniterordens, zuständig. Als Aufsichtsgremium gab es ein „Anstaltskuratorium“, dem der Bürgermeister von Hohensalza vorstand. Die Heilanstalt gehörte dem Kinderheilstättenverein der Provinz Posen.981 3.5.6.3 Meseritz-Obrawalde (Obrzyce) Das Dorf Obrawalde liegt etwa zwei Kilometer vom Bahnhof Meseritz (Międzyrzecz) entfernt. Von einem ehemaligen Gutsgelände wurde eine Fläche von fast 17 Hektar abgetrennt, um darauf eine Heilanstalt für Nervenkranke zu errichten.982 Mit der Weihe der anstaltseigenen Kirche wurde die Einrichtung im November 1904 feierlich eröffnet.983 1912 konnte die Anlage vergrößert werden.984 Die gesamte Anstalt konnte zu Beginn des Ersten Weltkriegs insgesamt mehr als 1000 Patienten aufnehmen.985 Die Einrichtung einer separaten Lungenheilstätte auf dem Gelände in Obrawalde wird für das Jahr 1923 angegeben.986 Träger war der Provinzialverband der Provinz Posen-Westpreußen, der zwischen 1922 und 1928 seinen Sitz sogar in den Anstalten Obrawalde hatte.987 In Aufzeichnungen aus dem Jahre 1929 ist von einer Station mit 56 weiblichen Tuberkulösen die Rede.988 Der Pflegesatz betrug 1930 in den meisten Fällen 4,50 Reichsmark. Doch es gab Ausnahmen: „Für Minderbemittelte, insbesondere Nichtversicherte aus der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen kann der Landeshauptmann die Kurkosten ermäßigen“.989 Von Ende 1923 bis Mai 1924 musste die Lungenheilstätte inflationsbedingt schließen.990 Der gesamten Anstalt stand im Jahre 1930 der Chefarzt Dr. Knust vor, Leiter der Abteilung für 981 Ohne Autor, Die Geschichte, die wirtschaftliche und die kulturelle Entwicklung des Kreises Hohensalza bis zum Jahre 1911, Hohensalza: E. Lehmann 1911, S. 507 982 Thomas Beddies, Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich. In: Hübener, Kristina (Hrsg.): Brandenburgische Heil- und Pflegeanstalten in der NS-Zeit. Berlin: be.bra wissenschaft 2002, S.241 983 Sie war damit die vierte „Irrenanstalt“ in der preußischen Provinz Posen (und nach 1919 die einzige Irrenanstalt in der neugegründeten Provinz Posen-Westpreußen). Bis 1919 gehörte Obrawalde zur preußischen Provinz Posen, von 1919 – 1938 zur Grenzmark Posen-Westpreußen und von 1938-1945 zur Provinz Brandenburg. Die Anstalt Obrawalde wurde ab 1938 trotz ihrer Lage in Brandenburg vom Provinzialverband Pommern verwaltet, da das Haupteinzugsgebiet der Klinik dem Pommern zugesprochenen Teil der 1938 aufgelösten Grenzmark Posen-Westpreußen gehörte. 984 Beddies, Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich, S. 236 985 Provinzial-Irrenanstalt Obrawalde, Bericht über die Provinzial-Irrenanstalt zu Obrawalde für die Zeit von 1904/05 – 1912/13. Preußische Staatsbibliothek Berlin. 986 DZKBT, Verzeichnis der deutschen Einrichtungen für Tuberkulöse, Berlin 1930. 987 Beddies, Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich, S. 236 988 Reichsverband Deutscher Landesversicherungsanstalten, Die Heilanstalten der Invalidenversicherung, Kassel 1930, S. 193 989 DZKBT, Verzeichnis der deutschen Einrichtungen für Tuberkulöse, Berlin 1930. 990 Hans Dittmann, Die Provinz Posen-Westpreußen, ihre Entstehung und Selbstverwaltung, Meseritz 1926, S. 44 229 Lungenkranke war Oberarzt Dr. Schneider.991 Noch im Jahre 1938 wird im Preußischen Staatshandbuch eine Lungenheilstätte als Teil der inzwischen „Landeskrankenhaus Obrawalde“ genannten Einrichtung erwähnt.992 Aus einer Gesprächsnotiz vom 4. März 1939 geht hervor, dass die Landesregierung die Stelle des Klinikleiters in Obrawalde entweder mit einem Lungenfacharzt oder mit einem Psychiater besetzen wollte. Je nachdem, welcher Fachrichtung der neue Chefarzt angehörte, sollte entschieden werden, Obrawalde in eine reine Lungenheilstätte oder in eine reine Nervenheilanstalt umzuwandeln. Da die Anstalt 1940 überwiegend mit Nervenkranken belegt war, scheint die Entscheidung zugunsten einer psychiatrischen Einrichtung gefallen zu sein. Die Station für Lungenkranke schloss vermutlich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, genauere Angaben hierzu sind nicht überliefert.993 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 994 ABB. 22: DIE LAGE DER PROVINZIALHEILANSTALTEN OBRAWALDE Traurige Berühmtheit erlangte Obrawalde, nachdem bekannt wurde, dass die Nationalsozialisten hier während des Zweiten Weltkriegs viele psychisch Kranke im Rahmen eines Euthanasieprogramms (1941 als „Aktion T4“ bezeichnet) ermordeten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehört Obrawalde zu Polen.995. Der Ort heißt heute Obrzyce und liegt in der Wojewodschaft Lebuser Land. In den Gebäuden befindet sich ein immer noch psychiatrisches Krankenhaus. Es heißt „Publiczny Szpital dla Nerwowo i Psychicznie chorych w Międzyrzeczu“. 991 Andreas Jüttemann, Arnd May & Florian Steger, About the different handling of medical-historically significant (psychiatric) sanatoriums in the regions of Halle/Saale and Poznan (using the examples of Nietleben and Miedzyrzecz). In: Poznan University of Medical Sciences (Hg.): Perspectives and Challenges in Medicine. 25th Bilateral Poznan-Halle Symposium. Poznan 2013, S. 55 992 Preußisches Staatsministerium, Preußisches Staatshandbuch für das Jahr 1938, 140, S. 291 zit. nach Beddies, Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich, S. 241 993 Ebd., S. 243 994 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_3559_1921, 1938 995 Beddies, Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich, S. 248f. 230 3.5.6.4 Obornik (Oborniki) Die LVA Posen begann 1901 mit den Planungen zum Bau der Kronprinz-Wilhelm-Heilstätte für 100 männliche Tuberkulöse in Obornik und stellte dafür eine halbe Million Mark bereit. Der Entwurf für die Gebäude stammte von dem für Projekte dieser Art bekannten Berliner Architektenduo Schmieden und Boethke und dem Architekten Georg Zillmann, der bereits bei der Errichtung von Krankenhausbauten in Posen und Meseritz mitgewirkt hatte.996 Die Heilstätte wurde 1903 eröffnet. Der die Anstalt umgebende Park, der überwiegend aus Kiefernwald bestand, hatte eine Fläche von fast 14, später 32 Hektar.997 Die Klinik wurde in der sog. Pavillonbauweise errichtet. Durch das Pavillonsystem sollte „eine familienartige Vereinigung von Kranken bezweckt werden“.998, um das Wohlbefinden der Patienten zu fördern. Die drei eingeschossigen Patientenpavillons waren mit Liegehallen untereinander verbunden. Durch Kippflügelfenster und „Aspirationsschächte“ (Schornsteine) konnte frische Luft zugeführt werden.999 Außerdem entstanden ein Verwaltungs- und ein Wirtschaftsgebäude sowie an der Zufahrtstraße die Chefarztvilla und ein Pförtnerhaus. In jedem Pavillon ließen sich 34 Patienten unterbringen. Im Erdgeschoss des Verwaltungstrakts, der auch als „Hauptgebäude“ bezeichnet wurde, befanden sich die ärztlichen Untersuchungsräume. Der Speisesaal war zweigeschossig angelegt: Eine Etage war für die Kranken, die andere für das Personal vorgesehen. In dem Wirtschaftsgebäude, das direkt hinter dem sog. Hauptgebäude lag, gab es Zimmer für die Bediensteten. Außerdem waren dort die Waschküche und die Desinfektionsanlage untergebracht.1000 Weitere Liegehallen wurden zwischen 1905 und 1911 errichtet.1001 Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Anstalt in den Besitz der staatlichen polnischen Versicherung über (da die Provinz Posen im Versailler Vertrag zu großen Teilen dem neuen polnischen Staat zugesprochen wurde) und wurde in „Lecznica dla płucno-chorych pod Obornikami“ umbenannt.1002 Die Warschauer Sozialversicherungsanstalt übernahm 1938 das Haus. Ein in direkter Nachbarschaft der Heilstätte erbautes Hospiz für Bedürftige wurde nach 996 Aleksandra Paradowska, Przeciw chorobie. Architektura szpitalna Wielkopolski w dwudziestoleciu międzywojennym. Unveröffentlichte Dissertation Posen 2013, S. 37 997 Der Stand der Tuberkulose-Bekämpfung im Frühjahr 1901. Bundesarchiv R 86 / 1169 998 Viktor von Weltzien, Verschiedene Heil- und Pflegeanstalten, Versorgungs-, Pflege- und Zufluchtshäuser. In: Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude. Lungenheilstätten In: Durm, Josef, Ende, Hermann und Schmitt, Eduard (Hrsg.): Handbuch der Architektur. Vierter Teil. 3. Halb-Band. 2. Heft. Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung A. Kröner 1903. S. 150 999 Kaiserliches Gesundheitsamt, Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, 5/1906, S. 74f. 1000 Ebd. 1001 Jerzy Szuman, Zakłady lecznicze w Kowanówku koło Obornik, Kronika Wielkopolski, 1/1995, S. 61-72 1002 Paradowska, Przeciw chorobie, S. 38 231 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 23: LAGE DER HEILSTÄTTE OBORNIK 1003 dem Ersten Weltkrieg in eine Abteilung für weibliche Kranke umgewandelt.1004 Im Jahre 1941 wird die Heilstätte mit 280 Betten für männliche tuberkulöse Patienten unter dem Namen „Rundhausen1005 bei Obornik (Kreis Samter)“ erwähnt.1006 Die Pensionskasse der polnischen Eisenbahn übernahm nach dem Krieg die Gebäude der ehemaligen Lungenheilstätte und wandelte 1974 die Einrichtung in eine kardiologische Rehaklinik um („Szpital RehabilitacyjnoKardiologiczny Kowanówko“).1007 Die Anstalt wurde 1994 von einem privaten Träger übernommen.1008 3.5.6.5 Weitere Einrichtungen In Westpreußen war 1914 der Bau eines provinzeigenen Lungenkrankenhauses in Rehhof (Kreis Stuhm) geplant. Die Anstalt sollte 100 Betten umfassen. Die Kosten für den Bau wurden im Frühjahr bewilligt. Kriegsbedingt kam es aber nicht zur Bauausführung.1009 Nach 1939 wurden viele von der Wehrmacht eroberte polnischen Gebiete mit der ehemals 1003 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_3367_1786, 1934 Szuman, Zakłady lecznicze w Kowanówku koło Obornik, S. 61f. 1005 Rundhausen war der von den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs verwendete Name für den zuvor „Kowanowko“ genannten Ort 1006 Reichsverband Deutscher Rentenversicherungsträger (RDRt), Die Heilstätten der Rentenversicherungsträger, Berlin: RDRt 1941. Bibliothek der Deutschen Rentenversicherung Bund, Berlin, o.S. 1007 Paradowska, Przeciw chorobie, S. 39f. 1008 Internetseite des Rehaklinkums Rundhausen, Rubrik „O Szpitalu“. Abgerufen unter: www.kowanowko.com.pl/ index.php?option=com_content&task=view&id=41&Itemid=30 am 2. November 2013 1009 DZKEHL, Der Stand der Tuberkulose-Bekämpfung. Geschäftsbericht d. Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, Frühjahr 1914. 1004 232 preußischen Provinz Posen zum neugegründeten Reichsgau „Wartheland“ zwangsvereinigt. Auf der Ludwigshöhe bei Moschin (polnisch Mosina, ehemaliger Kreis Schrimm, heute Wojewodschaft Großpolen) wurde im Januar 1927 in einem ehemaligen Privatsanatorium ein Tuberkulosekrankenhaus für 300 Frauen und Kinder eingerichtet.1010 Die Heilstätte Ludwigshöhe heißt heute „Wojewódzki Specjalistyczny Szpital Gruźlicy i Chorób Płuc im. St. Staszica w Ludwikowie“, ist also eine Fachklinik für Tuberkulose der Wojewodschaft Großpolen (etwa 15 km südlich von Posen). Der Name „Ludwigshöhe“ ist im Kliniknamen „Ludwikowo“ erhalten geblieben.1011 Südlich der Stadt Lodsch gab es 1941 eine Robert-Koch-Heilstätte in Tuschin (heute Tuszyn, Wojewodschaft Łódzkie), die 450 Frauen und Männer aufnehmen konnte.1012 Die Einrichtung ist heute immer noch eine Fachklinik für Tuberkulose.1013 1010 Jerzy Lojko und Jerzy Stepien, Zarys Dziejów Mosiny i Okoloic, Moschin 1992, S. 134 Internetseite des Biuletyn informcji publicznej über die Fachklinik: Abgerufen unter bip.umww.pl/portal? id=59757 am 2. November 2013 1012 RDRt, Die Heilstätten der Rentenversicherungsträger, o.S. 1013 Internetseite der Fachklinik Tuschinek, genannt Wojewódzki Zespół Zakładów Opieki Zdrowotnej Centrum Leczenia Chorób Płuc I Rehabilitacji w Łodzi; Specjalistyczny Szpital Gruźlicy, Chorób Płuc i Rehabilitacji, Tuszyn 95-080, ul. Szpitalna 5. Abgerufen unter www.centrumpluc.com.pl/main.php?id=szpital-lagiewniki abgerufen am 2. November 2013 1011 233 „Bei dem leicht lenkbaren Naturell der ostpreußischen Frau ist es möglich, den Verkehrston in der Heilstätte etwas familiärer und intimer zu stimmen als vielleicht anderswo. So kommt es, daß für manche Instmannsfrau1014 die Anstaltskur die Glanzzeit ihres Lebens bildet.“1015 3.5.7 Provinz Ostpreußen In Ostpreußen gab es zwei große Lungenheilstätten: die 1903 im Stadtwald von Hohenstein entstandene Einrichtung für männliche und die 1907 eröffnete Anstalt „Frauenwohl“ bei Allenstein für weibliche Tuberkulose-Patienten. Der „Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen“ ließ die Häuser planen und bauen. Die Finanzierung erfolgte mit Hilfe von Darlehen der LVA Ostpreußen.1016 3.5.7.1 Frauenwohl, Allenstein (Olszytn) Die Heilstätte Frauenwohl lag zwei Kilometer von Allenstein entfernt auf einem Höhenzug „an landschaftlich hervorragend schöner Stelle“ 1017 inmitten des großen Stadtwalds (heute ul. Jagiellońska). Dort hatte der im Frühjahr 1904 gegründete Verein zur Errichtung einer Heilstätte ein fünf Hektar großes Waldstück für den Bau einer Lungenheilstätte für Frauen erworben. Die im Oktober 1907 eröffnete Anstalt bestand aus einem dreigeschossigen Hauptgebäude mit „einseitiger Korridorbebauung“ 1018, d.h. mit lichtdurchfluteten Räumen, die sämtlich mit ihren Fenstern nach Südost ausgerichtet waren. Nietner hebt hervor, dass das Projekt insbesondere von Frauen stark unterstützt worden war: „Bei der weiten Ausdehnung der Provinz und der Abneigung besonders der ostpreußischen Frauen, die Heimat zu verlassen, entspricht sie einem tiefbegründeten Bedürfnis und erfreut sich nicht nur bei den Kranken einer oft bewiesenen Sympathie; sind es doch vorzugsweise ostpreußische Frauen, die einen großen Teil des Gründungskapitals mitgesammelt haben und gelegentlich mit Genugtuung die schöne Anstalt besichtigen.“ 1019 Zu den privaten Spenden der Vereinsmitglieder kam eine Zuwendung von 50.000 Mark vom Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose hinzu. Außerdem nahm der Verein bei der LVA Ostpreußen eine Hypothek auf. Insgesamt kostete der Bau der Heilstätte Frauenwohl etwa 760.000 Mark. Bei ihrer Eröffnung bot die Anstalt Platz für 108 Patientinnen, mit einem Anteil 1014 Instmann bezeichnet einen fest angestellten Landarbeiter, vornehmlich in Preußen, der mit dem Bauer auf dem selben Gutshof wohnte (meist mietfrei) und teilweise sogar eigene Ackerflächen bestellen durfte. 1015 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 9 1016 Heilstätte Frauenwohl, Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4213 1017 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 5f. 1018 Ebd., S. 6 1019 Ebd., S. 7 234 von 23 Betten für Selbstzahlerinnen, die in Einzelzimmern untergebracht waren und besondere Speise- und Aufenthaltsräume benutzen durften. Diese Abteilung wurde in der Anstalt umgangssprachlich „Pensionat“ genannt.1020 Zwischen der Heilstätte und der Stadt verkehrte zeitweise ein anstaltseigenes Pferdefuhrwerk. Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 1021 ABB. 24: LAGE DER HEILSTÄTTE FRAUENWOHL Im Betriebsjahr 1913/1914 kam die überwiegende Mehrheit der Patientinnen aus Königsberg, der Rest stammte aus den Städten Allenstein, Insterburg, Tilsit und Wehlau. Die meisten Kranken waren zwischen 16 und 30 Jahre alt (306 von 438 insgesamt), ledig (320 von 439 insg.) und evangelisch (377 von 436 insg.). Als Beruf gaben 64 Kranke „Dienstmädchen“ an. 22 Patientinnen waren „Besitztochter“, 37 Schneiderinnen oder Näherinnen.1022 Den meisten Patientinnen wurde Tuberkulin gespritzt, drei erhielten eine Pirquetsche Hautimpfung.1023 Die wirtschaftliche und medizinische Leitung oblag dem Chefarzt. Ihm zur Seite standen ein 1020 Ebd., S. 8 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_2189_806, 1929 1022 Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen, Ärztliche und Kassenberichte der Heilstätten bei Hohenstein, Ostpr. und Frauenwohl bei Allenstein, Ostpr. für d. Zeit vom 1. Apr. bis 31. März. Königsberg, Pr., 1909/10(1911) – 1918/19. Preußische Staatsbibliothek Berlin ZDB-ID: 568397x 1023 Die Pirquetsche Hautimpfung ist eine „Kutanreaktion: bei Hautimpfung mit Alttuberkulin entsteht bei Menschen, die jemals tuberkulös infiziert waren, in 24-48 Std. eine mehr oder weniger große flache rote Papel. Ausbleiben der Reaktion beweist, daß nie Infektion mit Tuberkulose erfolgt war.“ Aus: Otto Dornblüth, Klinisches Wörterbuch 1927, abgerufen unter: www.textlog.de/29589.html am 30. Juli 2014. 1021 235 Assistenzarzt und Diakonissinnen vom Krankenhaus der Barmherzigkeit in Königsberg für Krankenpflege- und Verwaltungsaufgaben.1024 Im Mai 1913 wurde die Bettenkapazität von 108 auf 130 erhöht. Am 25. August 1914 flohen die meisten Patientinnen und das weibliche Personal vor der russischen Armee aus Frauenwohl. Die Besatzung dauerte aber nur wenige Tage. Da es zu keinerlei Zwischenfällen kam, wurde am 11. September 1914, als die russische Armee erneut vor Allenstein stand, eine geplante Flucht abgesagt und der Heilstättenbetrieb ging ununterbrochen weiter. Anfang 1915 wurde das in Frauenwohl vorhandene Röntgengerät sicherheitshalber eingemauert, als noch einmal der Einmarsch der russischen Armee bevor stand. Man fürchtete die Plünderung der modernen Apparatur.1025 In den Jahren 1916-1917 kamen vermehrt nicht-tuberkulosekranke Frauen in die Heilstätte, die - kriegsbedingt - „bei der Übernahme männlicher Berufstätigkeit zusammenbrachen“1026 oder an Unterernährung litten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden auch Patientinnen mit Lungenkarzinomen in Frauenwohl behandelt. Nach 1945 erhielt die Anstalt den Namen „Jagiellońska-Szpital“, blieb aber eine pneumologische Klinik. Seit 2005 gibt es zwei Abteilungen, eine für Tuberkulose und Lungenkrebs sowie eine für Chemotherapie und pulmonale Rehabilitation. 1027 3.5.7.2 Hohenstein (Olsztynek) Der „Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen“ plante, in den Jahren 1902 bis 1903 im Stadtwald des Masurenortes Hohenstein (heute polnisch Olsztynek) eine Heilstätte für männliche Tuberkulosepatienten mit einer Kapazität von 50 Betten zu errichten.1028 Als Bauplatz wurde ein hügeliges Waldgebiet mit einem alten Kiefernbestand ausgewählt. Die Heilstätte war durch den sie umgebenden Wald windgeschützt und lag unweit eines Badesees. Das fünf Hektar große Anstaltsgelände bestand hauptsächlich aus Wald- und Gartenanlagen. Die Patienten durften aber auch Spaziergänge durch den umliegenden Stadtwald unternehmen. In den beiden oberen Stockwerken des dreigeschossigen Hauptgebäudes waren die Patienten untergebracht. Es gab bereits im ersten Betriebsjahr der Einrichtung eine Erweiterung auf 84 Betten mit sechs Einzelzimmern und 17 Mehrbettzimmern (davon ein Schlafsaal mit zehn 1024 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 9 Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen, Ärztliche und Kassenberichte der Heilstätten bei Hohenstein, Ostpr. und Frauenwohl bei Allenstein, Ostpr. für d. Zeit vom 1. Apr. bis 31. März. Königsberg, Pr., 1909/10(1911) – 1918/19. Preußische Staatsbibliothek Berlin ZDB-ID: 568397x 1026 Ebd. 1027 Internetseite der Lungenklinik Allenstein, abgerufen unter www.pulmonologia.olsztyn.pl/ index.php?option=com_content&view=article&id=5&Itemid=7 am 22. Dezember 2012 1028 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 1f. 1025 236 Betten). An das Hauptgebäude war ein Nebengebäude mit einem Speisesaal angegliedert. Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar ABB. 25: LAGE DER HEILSTÄTTE HOHENSTEIN 1029 Die meist von der LVA Ostpreußen getragenen Kurkosten pro Kopf betrugen 3,50 Mark pro Tag, Patienten mit Einzelzimmer hießen „Pensionäre“ und zahlten eine Mark mehr. Neben dem Chefarzt und seinem Assistenzarzt gab es 1912 vier Krankenschwestern, einen Bademeister, einen Kutscher, einen Maschinisten sowie eine Reihe von Dienstboten in der Heilstätte.1030 Eine Röntgenapparatur gab es in Hohenstein nicht. Die Patienten mussten zum Röntgen in das nahegelegene Johanniterkrankenhaus in Neidenburg gebracht werden.1031 Ein Großteil der Patienten stammte aus Königsberg und war zwischen 16 und 30 Jahre alt. Die meisten Patienten waren Arbeiter (Land- und Fabrikarbeiter). Nur wenige Patienten wurden voll arbeitsfähig entlassen. Die meisten blieben sogar dauerhaft erwerbsunfähig. Am 1. August 1914 (also zu Kriegsbeginn) wurden alle Patienten der Heilstätte (mit Ausnahme von fünf Schwerkranken) entlassen. Im April 1915 wurde die Anstalt mit 100 der Armee angehörenden tuberkulosekranken Patienten wiedereröffnet. Anscheinend war infolge der Kriegssituation und der Anwesenheit der Soldaten der Ton im Hause rauer geworden und das Pflegepersonal konnte der Lage nicht mehr Herr werden. Daher musste ein Offizier des Generalkommandos des XX. Armeekorps disziplinarisch in den Heilstättenbetrieb eingreifen und Strafen verhängen. Es gab es zu dieser Zeit auch erste Engpässe: Kohlenlieferungen blieben aus und zeitweise stand nur ein halber Liter Milch pro Patient zur Verfügung. Die Aufnahme- 1029 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_2387_995, 1938 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 1f. 1031 Ebd. 1030 237 kapazität musste deshalb verringert werden.1032 Im November 1919 verließen 69 Kranke die Heilstätte Hohenstein, weil sich die Verpflegungssituation katastrophal verschlechtert hatte. Es hieß, die Speisen seien nicht genießbar oder die Portionen zu klein gewesen. Außerdem kritisierten die Patienten die im November ungeheizten Räume; teilweise wäre sogar flüssige Medizin gefroren. Ein kasernenhafter Ton des Pflegepersonals gegenüber den Kranken wurde ebenfalls mehrfach bemängelt. Die Patienten wandten sich in ihrem Unmut sogar an die Königsberger Hartung’sche Zeitung. Das Blatt berichtete am 18. Dezember 1919 über kritikwürdige Zustände in der Anstalt. Wegen der anhaltend schlechten Publicity konnte 1920 nur die Hälfte der Betten belegt werden. Am 15. Januar 1921 meldete die Hartung’sche Zeitung wieder eine „Flucht“ von 35 Patienten aus Hohenstein, die sich vor allem über den militärischen Ton des Chefarztes Dr. Liewin beklagt hatten. Außerdem sei die Verpflegung stark rationiert worden. Aufgrund der wiederholten Beschwerden wurde Dr. Liewin am 1. Juli 1921 entlassen.1033 Während der Inflation explodierten die allgemeinen Kosten. Im Juli 1923 musste der Krankenhausbetrieb in Hohenstein (ebenso wie in den anderen ostpreußischen Heilstätten) aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage unterbrochen werden.1034 Die Anstalt Hohenstein konnte nach der Inflation für kurze Zeit wieder für Leicht-Lungenkranke eröffnet werden, blieb aber in einer finanziellen Notsituation.1035 Nach der Weltwirtschaftskrise wurde das Haus 1933 geschlossen und 1937 in ein Sommerferienheim für Beamte und Angestellte umgewandelt.1036 Seit 1967 war Hohenstein ein Heim für Kinder, die aus sehr armen Verhältnissen stammten. Im Jahre 1974 eröffnete in den Gebäuden eine Rehaklinik für Kinder (mit Cerebralparese, körperlichen Beeinträchtigungen und Erkrankungen der Atemwege). Die ehemalige Heilstätte trägt heute den Namen „Wojewódzki Szpital Rehabilitacyjny dla Dzieci w Ameryce“. Die polnische Bezeichnung „Ameryka“ (für Amerika) der Klinik geht auf eine Anekdote zurück: Für den Bau der Heilstätte habe es einen Spender mit Namen Pagel gegeben, der in Nordamerika zu Geld gekommen sei. Außerdem wird berichtet, die Nazis hätten den Zusatz Amerika 1941 bei Kriegseintritt der USA verboten.1037 1032 Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen, Ärztliche und Kassenberichte der Heilstätten bei Hohenstein, Ostpr. und Frauenwohl bei Allenstein, Ostpr. für d. Zeit vom 1. Apr. bis 31. März, Königsberg, Pr., 1909/10(1911) – 1918/19. Preußische Staatsbibliothek Berlin ZDB-ID: 568397x 1033 Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4213 1034 Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4214 1035 Internetseite der Kinder-Rehaklinik Ameryka, abgerufen unter www.ameryka.com.pl/index.php/oszpitalu/historia-szpitala am 22. Dezember 2012 1036 Bildunterschrift des Bildes ID 33359 im Bildarchiv Ostpreußen, abgerufen unter www.bildarchiv-ostpreussen.de am 22. Dezember 2012 1037 Internetseite der Kinderrehaklinik Ameryka, abgerufen unter www.ameryka.com.pl/index.php/oszpitalu/historia-szpitala am 22. Dezember 2012 238 „Ameryka“ heißt heute auch der Ortsteil der Gemeinde Hohenstein (polnisch Olsztynek), in dem die ehemalige Heilstätte liegt 3.5.7.3 Tilsit (Sowjetsk) Im Stadtwald von Tilsit (heute russisch Sowjetsk, Советск) liegt am früheren Robert-Koch-Weg das Tuberkulose-Fachkrankenhaus „Stadtheide“. Die Anstalt, die von der LVA Ostpreußen in den 1920er Jahren errichtet wurde, war bereits bei ihrer Eröffnung mit modernen Röntgenapparaturen und Operationseinrichtungen für die chirurgische Behandlung der Tuberkulose ausgestattet.1038 Die Liegehallen befanden sich auf einer Dachterrasse. Erster Chefarzt der Heilstätte wurde der Kreismedizinalrat Dr. Rehberg. Die Leitung der Hauswirtschaft und die Aufsicht über die in Stadtheide arbeitenden Krankenschwestern des Deutschen Roten Kreuzes oblagen der Oberschwester Biesewski. Im Hauptgebäude der Heilstätte befanden sich die Verwaltung und die Untersuchungszimmer. Hauswirtschaftlich genutzte Räume, die Küche und der große Speisesaal befanden sich in einem Seitenflügel.1039 Es wird berichtet, dass es für das Krankenhauspersonal sogar einen eigenen Tennisplatz gab. Den Kranken waren größere Anstrengungen natürlich untersagt. Nicht-ansteckende Patienten durften kurze Ausflüge unternehmen. Dazu gehörten auch Besuche in der nahegelegenen Innenstadt: „Kleine Wanderungen führten über Waldwege zu den bekannten Waldgaststätten Kuhlins, Waldschlößchen und Waldkrug [...]. Die Innenstadt war sieben Kilometer vom TbcKrankenhaus entfernt und konnte mit der Eisenbahn vom Bahnhof Stadtheide aus erreicht werden“1040. Fuhr einmal kein Zug, wurde der Weg in die Stadt - auch aus therapeutischen Gründen - von den Patienten zu Fuß zurückgelegt. Die im Zweiten Weltkrieg nicht zerstörte Heilstätte wurde 1945 in ein Heim für deutsche und sowjetische Kriegswaisen umgestaltet. In der Nachkriegszeit gab es oft Versorgungsengpässe. Die Kinder waren zeitweise gezwungen, im Wald selbst nach Pilzen zu suchen. Manche Kinder erlitten aufgrund der falschen Pilzwahl Vergiftungen. 1038 Ingolf Koehler, Das Lungenkrankenhaus Stadtheide. Tilsiter Rundbrief, 17/1987, 51-53. Ebd. 1040 Ebd. 1039 239 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 1041 ABB. 26: LAGE DES TUBERKULOSE-KRANKENHAUSES TILSIT Im Jahre 1950 wurde das Haus in ein Sanatorium für Knochentuberkulose umgewandelt und 1960 an das Leningrader Institut für Tuberkulosechirurgie angeschlossen. Das Haus ist heute eine Klinik für Knochen-, Gelenkknorpel- und Harnwegstuberkulose und heißt „Санаторий Советск“. 90 der 120 Betten werden für Kranke mit Knochentuberkulose bereitgehalten, 30 Betten stehen Urogenitaltuberkulose-Patienten zur Verfügung.1042 3.5.7.4 Weitere Einrichtungen Im April 1917 eröffnete in Lochstädt, das zwischen dem Ostseebad Neuhäuser (heute Мечниково) und der Hafenstadt Pillau (heute Балти́йск) liegt, eine Seeheilstätte für Kinder. Im ersten Betriebsjahr fanden dort 43 Kinder Aufnahme. Sie blieben im Durchschnitt nur 62 Tage. Etwa drei Viertel der Kinder entsandte die LVA Ostpreußen, ein Viertel die AOK Königsberg. Lochstädt ist heute eine Wüstung und besitzt keinen russischen Namen. Rund um die ehemalige Kinderheilstätte ist nach dem Krieg die Vorortsiedlung Боткина, heute Ortsteil von Балтийск (Pillau) entstanden.1043 Im Jahre 1920 gab es Überlegungen zur Errichtung eines Tuberkulosekrankenhauses für 120 Kranke im Königsberger Vorort Speichersdorf. Dort gab es bereits eine Nervenheilanstalt. Über 1041 Kartensammlung des Herder-Instituts Marburg, K3IIL58_0997_86, 1942 Internetseite des Sanatoriums Tilsit, abgerufen unter http://санаторий-советск.рф/ am 22. Dezember 2012 1043 Akte Gesundheitswesen Ostpreußen, Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4213 1042 240 den Bau ist nichts überliefert.1044 3.5.8 Provinz Sachsen (ohne Harz) Für die Versorgung von Tuberkulösen sowohl aus der preußischen Provinz Sachsen als auch aus dem Herzogtum Anhalt war die LVA Sachsen-Anhalt zuständig. Neben den bereits beschriebenen Einrichtungen im Harz (s. 3.3) unterhielt die LVA eine Reihe von Heilstätten, die im Flachland des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalts liegen. 3.5.8.1 Gommern-Vogelsang Die Heilstätte Vogelsang bei Gommern nahe der Stadt Magdeburg wurde im Jahre 1899 vom „Provinzialverband der Vaterländischen Frauenvereine der Provinz Sachsen“ eröffnet. Dem Verein stand die Staatsministergattin von Boetticher vor. Ihr gab die Kaiserin Auguste Viktoria 1897 den Auftrag, sich für die Einrichtung einer Lungenheilstätte in der Provinz Magdeburg stark zu machen.1045 Vogelsang war nur für die Aufnahme weiblicher Patienten vorgesehen und kann somit als erste Heilstätte für Frauen in Deutschland bezeichnet werden. Der Betrieb begann behelfsmäßig mit 80 Betten in Döcker’schen Baracken. Das erste Heilstättengebäude (Haus I) sowie die Wirtschafts- und Maschinengebäude wurden im November 1900 fertiggestellt. Das zweite Krankengebäude (Haus II) folgte drei Jahre später. Im August 1903 feierte man den erfolgreichen Abschluss des Bauprojekts. Fortan konnten 220 Frauen in Vogelsang aufgenommen werden.1046 Das Anstaltsgelände liegt auf einem zehn Hektar großen Grundstück mitten in einem großen Kiefernwald mit dem Namen „Vogelsang“. Das Gelände wurde zuerst gepachtet und später gekauft. Die Kranken durften sowohl im Anstaltspark, als auch im umliegenden Wald spazieren gehen.1047 Der Entwurf für die Neubauten stammte von den Magdeburger Stadtbauräten Otto Peters und Weiß. Der Grundriss der Anstalt wurde sogar auf der Pariser Weltausstellung 1900 gezeigt.1048 Es gab zwei Krankenpavillons (mit einer Größe von jeweils 90 Betten), fünf kleinere Personalund Wirtschaftsgebäude sowie drei Liegehallen. Im Jahre 1905 erwarb die Anstaltsleitung ein angrenzendes, etwa 50 Hektar großes Landgut, auf dem sich sogar eine Wassermühle befand. Die Wassermühle versorgte die Anstalt in den ersten Jahren auch mit Elektrizität. Die Chefarztvilla stand erhöht (das brachte ihr den Spitznamen „Villa Hügel“ ein). Erster Chefarzt 1044 Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4214 Wolfgang Keitel, Ein Krankenhaus erzählt. Geschichten der Klinik Vogelsang, Dößel 2004, S. 52 1046 Ebd., S. 77 1047 Ebd., S. 53 1048 Ebd., S. 61 1045 241 wurde Dr. Schudt.1049 Im Jahre 1912 erfolgte der Bau eines weiteren Pavillons mit 60 Betten, der die Döcker’schen Baracken aus der Anfangszeit ersetzte.1050 Dr. Schudt starb 1929. Seinen Posten als Chefarzt übernahm im Folgejahr Dr. Hartmann aus Arosa, der die Heilstätte 1938 an das Deutsche Rote Kreuz verkaufte. Es gab zu dieser Zeit in der Einrichtung 225 Betten für Tuberkulosekranke.1051 Bei einem schweren Luftangriff im Januar 1944 geriet die Anlage in Brand: Ein Krankenpavillon, das Schwesternhaus, das Wirtschaftsgebäude und das Wäschereigebäude fielen den Bomben zum Opfer. In den letzten Kriegstagen, als die Rote Armee in die Region vordrang, wurden die landwirtschaftlichen Gebäude beschädigt und das Vieh getötet.1052 Nach Kriegsende konnte die Anstalt erst 1947/48 wieder in vollem Umfang den Betrieb aufnehmen. Der neue Chefarzt Dr. Markgraf (Hartmann starb 1946) wandelte die Heilstätte in eine chirurgische Tuberkuloseklinik um.1053 1956 wurde die Anlage weiter vergrößert. Im Jahre 1965 kamen erstmals mehr Lungenkrebs- als Tuberkulosekranke zur Behandlung nach Vogelsang.1054 Im Jahre 1971 entstand zusätzlich eine orthopädische Abteilung in Vogelsang.1055 Eine umfassende Modernisierung der Anstalt erfolgte nach der politischen Wende (in den Jahren 1991-93). Seit dem Jahr 1999 gehört die Klinik zum Greifswalder MEDIGREIF-Konzern, der sie für neun Millionen DM erwarb und als Klinik für Orthopädie und Rheumatologie bis 2010 weiterführte. Seitdem ist das Krankenhaus (148 Betten) im Besitz der Rhön Klinikum AG.1056 3.5.8.2 Lostau In der Magdeburger Umgebung gab es neben Vogelsang noch eine weitere Heilstätte für Tuberkulöse, und zwar in Lostau an der Elbe. Die Einrichtung, die vom „Magdeburger Verein zur Bekämpfung der Lungenschwindsucht“ im Juni 1902 zur Aufnahme von 95 männlichen Patienten eröffnet wurde, liegt auf einem zwölf Hektar großen Grundstück am Hang des Flusstals. 80 Betten waren ständig für Versicherte der LVA Sachsen-Anhalt reserviert.1057 Neben dem Hauptgebäude (Pavillon I genannt, 24 Betten in Zweibettzimmern) befand sich das Verwaltungsgebäude (mit einem markanten Wasserturm). Außerdem standen zwei (nur im 1049 Ebd., S. 67 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild , S. 91f. 1051 Keitel, Ein Krankenhaus erzählt, S. 106 1052 Landesarchiv Magdeburg, Akte Mgw K9 1374 1053 Keitel, Ein Krankenhaus erzählt, S. 132 1054 Ebd., S. 117 1055 Ebd., S. 200 1056 Internetseite des Fachkrankenhauses Vogelsang, abgerufen unter: www.medigreif-fachkrankenhausvogelsang.de am 8. Dezember 2013 1057 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 97 1050 242 Sommer nutzbare) Döcker’sche Baracken auf dem Anstaltsgelände. Im Jahre 1908 wurden der Pavillon II (sechs Vierbettzimmer) und eine Fachwerk-Baracke (drei Sechsbettzimmer) bezugsfertig. Gleichzeitig gingen ein Maschinenhaus und eine elektrische Beleuchtungsanlage in Betrieb.1058 Im Sommer verkehrten vor dem Ersten Weltkrieg noch regelmäßig Dampfschiffe nach Magdeburg. Die Anlegestelle befand sich unweit der Anstalt. Die Gebäude der Lostauer Heilstätte werden bis heute als Fachklinik für Pneumologie und Thoraxchirurgie genutzt. Die Einrichtung wird seit 1996 von den Pfeifferschen Stiftungen betrieben.1059 3.5.9 Provinz Hannover (ohne Harz) Die bedeutendsten Heilstätten in der Provinz Hannover liegen im Harz und sind bereits im Abschnitt über die Anstalten im Harz beschrieben worden (vgl. 3.3). Eine vollständige Übersicht über alle Heilstätten der Provinz Hannover (inkl. Harz) bietet der Anhang (Abschnitt H). 3.5.9.1 Hannover-Heidehaus Das Heidehaus bei Hannover wurde 1907 vom „Verein für bedürftige Lungenkranke“ als Heilstätte für einkommensschwache Tuberkulöse gegründet und bis 1920 betrieben. Danach wechselte die Anstalt in den Besitz der Stadt Hannover. Gleichzeitig wurde die alte Heilstätte in ein Tuberkulose-Fachkrankenhaus umgewandelt, da nun mehr vor allem chirurgische Eingriffe und Höhensonne-Bestrahlungen zum Behandlungsprogramm gehörten und auf die klassische hygienisch-diätetische Heilstättentherapie - zumindest prinzipiell - verzichtet werden konnte. Die Einrichtung „Heidehaus“ lag etwa zehn Kilometer vom Stadtzentrum Hannovers entfernt. In den ersten Betriebsjahren hatte das Haus eine Kapazität von 100 Betten, aber nach einigen Aus- und Umbauten konnten 1912 etwa 220 Patienten aufgenommen werden. Im Jahre 1930 stieg die Zahl sogar auf über 280 Betten. Davon waren 50 Plätze für Kinder vorgesehen. Der Anstaltspark umfasste 30 Hektar. Im Jahre 1930 leitete Professor Ziegler von der Universität Göttingen die Anstalt und es wurden im Heidehaus auch regelmäßig Kurse für Göttinger Medizinstudenten durchgeführt.1060 3.5.9.2 Weitere Einrichtungen Die Landesversicherungsanstalt Hannover pachtete am 1. Oktober 1901 das ehemaliges Rittergut Stübeckshorn bei Soltau in der Lüneburger Heide, um Tuberkulosekranke bei leichter 1058 Ebd., S. 98f. Internetseite der Lungenklinik Lostau, abgerufen unter: www.lungenklinik-lostau.de am 25. Februar 2015 1060 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 106f 1059 243 landwirtschaftlicher Arbeit an frischer Luft zu therapieren. Zunächst konnten 15 Patienten aufgenommen werden. Ein Neubau für 50 weitere Betten wurde 1903 errichtet, erst zwei Jahre später entstand ein Verwaltungsgebäude. 1905 entschied sich die LVA, das landwirtschaftliche Gut in eine reguläre Lungenheilstätte umzuwandeln (und die arbeitstherapeutische Ausrichtung der Institution einzuschränken). Die ärztliche Leitung oblag Dr. Büttner.1061 In der Provinz Hannover gab daneben noch das Kurhaus Lohr in Bad Rehburg (für 108 männliche Tuberkulöse) und die Heilstätte Heidehaus bei Jesteburg (für 134 Tuberkulosepatientinnen). 3.5.10 Provinz Hessen-Nassau Im preußischen Teil Hessens gab es mehrere größere Heilstätten für Tuberkulöse. Die Anstalt Falkenstein (in Königstein/Taunus) war sogar eine der ersten Heilstätten in Deutschland. Eine vollständige Übersicht über alle Heilstätten der Region bietet der Anhang (Abschnitt HN). Die nicht zu Preußen gehörenden Landesteile des heutigen Bundeslandes Hessen werden nicht beschrieben. 3.5.10.1 Melsungen Melsungen liegt an der Fulda zwischen Kassel und Bebra. Der Bauplatz für die „Lungenheilanstalt Melsungen der „Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft“ lag auf einer Höhe von 330 Metern an einem Südhang. Der Anstaltspark bestand aus einem 17 Hektar großen Buchenwald.1062 Die Stadt Melsungen trat der Pensionskasse den Wald zu einem Vorzugspreis ab. Der eigentliche Baugrund für das Hauptgebäude wurde der Pensionskasse sogar unentgeltlich überlassen. Zuvor waren von der Kasse auch Grundstücke in St. Andreasberg und in Ellrich in Betracht gezogen worden. Zeitgleich mit der Heilstätte Melsungen entstand (nach vergleichbaren Bauplänen) eine Heilstätte in Schreiberhau (s. 3.4.7).1063 Der Minister für öffentliche Angelegenheiten genehmigte am 22. Januar 1901 die HeilstättenBauprojekte in Melsungen und Schreiberhau. Der Architekt Schmieden erstellte mit seinem Kompagnon Boethke die Entwürfe für die Anstaltsgebäude. Die Bauleitung übernahm der Kasseler Regierungsbaumeister Kegel. Im Jahre 1902 war Baubeginn in Melsungen. Als 1061 Nietner, Deutsche Lungenheilstätten in Wort und Bild, S. 116f. Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, S. 7 1063 Otto Wiegand, Ehemalige Heilstätte Stadtwald Melsungen und Heilstätte Nieder-Schreiberhau im Riesengebirge nach gleichen Plänen in 1907/08 erbaut. Hessischer Gebirgsbote, 92/1991, S. 14 1062 244 fertiggestellt galt die Anlage (nach Austrocknung der Wände) im Frühjahr 1904. Sie erhielt den Namen „Stadtwald“.1064 Erster Chefarzt wurde Dr. Roepke. Er war vorher als Arzt im AugusteViktoria-Stift (Bad Lippspringe) beschäftigt. Die Krankenschwestern stellte der Vaterländische Frauenverein in Kassel. Für die Zufahrt zur Heilanstalt musste eine eigene Straße angelegt werden, die von der Chaussee zwischen Melsungen und Adelshausen abzweigte. Das 114 Meter lange Hauptgebäude bot Platz für 120 Betten. Es gab Zwei-, Drei-, Vier- und Fünfbetträume sowie zwölf Einzelzimmer. Nordwestlich vom Hauptgebäude wurde ein Ärztewohnhaus errichtet.1065 Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die Bundesbahn (als Rechtsnachfolgerin der Pensionskasse) im Schwarzwald eine neue Heilstätte. Aus diesem Grund stand die Melsunger Anstalt jahrelang leer. Die Firma B.Braun Melsungen AG erwarb 1977 die ehemaligen Heilstättenbauten, und richtete in den Räumen eine Forschungsabteilung ein. Auch ein Teil der Konzernverwaltung befindet sich bis heute in den alten Heilstättenbauten.1066 3.5.10.2 Oberkaufungen In der näheren Umgebung Kassels lag die Heilstätte Oberkaufungen. Die Idee zur Errichtung der Heilstätte hatte Sophie Henschel, Ehefrau des bekannten Kasseler Maschinenfabrikanten Oskar Henschel. Wie viele andere Unternehmergattinnen engagierte sie sich karitativ und gründete 1866 ein „Damen-Comité“ für wohltätige Zwecke. Auf Anregung der preußischen Königin (Kurhessen wurde im gleichen Jahr preußisch) wurde das private Komitee in einen jener örtlichen „Vaterländischen Frauenvereine“ umgewandelt, die es in Preußen zu jener Zeit häufig gab. Sophie Henschel übernahm 1873 den Vorsitz des Vereins. Kurz nach der Neugründung begannen die Planungen für eine Heilstätte in der Nähe Kassels. Der Verein erwarb 1898 ein 270 Meter hoch gelegenes, acht Hektar großes Baugrundstück an einem Südhang der Hügelkette „Rotte Breite“ oberhalb des Ortes Oberkaufungen. Als Architekten beauftragte Sophie Henschel den Kasseler Architekten Ludwig Rieck und seinen Mitarbeiter Ochs (Architekturbüro Eubell & Rieck). Die Baupläne für die Heilstätte wurden 1904 sogar auf der Weltausstellung in St. Louis präsentiert.1067 1064 Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, S. 8 1065 Ebd., S. 12f. 1066 Otto Wiegand, Ehemalige Heilstätte Stadtwald Melsungen und Heilstätte Nieder-Schreiberhau im Riesengebirge nach gleichen Plänen in 1907/08 erbaut, S. 15 1067 Christina Vanja, Moderne auf dem Lande. Die Anfänge der Lungenheilstätte Oberkaufungen, In: Ulla Merle (Hg.): 1000 Jahre Kaufungen: Arbeit, Alltag, Zusammenleben, Kaufungen 2011, S. 283f. 245 Die ersten Gebäude konnten im Jahr 1900 fertiggestellt werden. Zehn Jahre später erfolgten weitere Neu- und Anbauten. Die Anlage bestand aus einem großen Hauptgebäude für männliche Patienten (mit 110 Betten) und aus einem kleineren Pavillon (für 80 weibliche Tuberkulöse). In den ersten Jahren überwies die der LVA Hessen-Nassau ihre meisten Versicherten zur Kur nach Oberkaufungen. Die Patienten kamen vorwiegend aus dem Regierungsbezirk Kassel und dem angrenzenden Fürstentum Waldeck (das von der LVA mitverwaltet wurde, obwohl es nicht zur preußischen Provinz Hessen-Nassau gehörte). Im Jahre 1904 besuchte sogar die preußische Kaiserin die Heilstätte Oberkaufungen.1068 Im Jahre 1928 wurde der Komplex um eine Kinderabteilung und einen Operationssaal erweitert. Auch in Oberkaufungen brach nun die Ära der chirurgischen Behandlung ein. Die Bettenkapazität reichte nach dem Umbau für 110 männliche und 96 weiblichen Patienten sowie für 36 Kinder. Zur Anlage gehörten eine Arztvilla, eine Anstaltskapelle, ein Verwaltungstrakt, ein Wirtschaftsgebäude, eine Wäscherei sowie eine Desinfektionsanlage. Im Jahre 1930 leitete Dr. Lagrèze die Heilstätte.1069 1938 übernahm das Deutsche Rote Kreuz die Einrichtung. Während des Kriegs wurde die Anstalt als Lazarett genutzt, konnte aber nach 1945 mit 300 Betten für Tuberkulöse wiedereröffnet und bis 1973 weiterbetrieben werden. Dann erfolgte die Umwandlung in eine Rehaklinik für OP-Nachsorgebehandlungen und 1984 in ein Seniorenheim. 1993 entstand aus der ehemaligen Heilstätte, die sich nach wie vor im Besitz des Roten Kreuzes befindet, ein geriatrisches Fachkrankenhaus.1070 3.5.10.4 Wiesbaden-Naurod Im November 1901 wurde die Nassauische Heilstätte für Lungenkranke bei Naurod1071 im Taunus für tuberkulöse Frauen und Männer eröffnet. Die Anstalt liegt im heutigen Stadtgebiet von Wiesbaden auf einer Höhe von 330 Metern. Der bekannte Heilstätten-Pionier Peter Dettweiler leitete die Kommission, die nach einem geeigneten Baugrundstück suchte. Etwa zwei Kilometer vom Bahnhof Niedernhausen entfernt wurde man fündig. Das später parkartig gestaltete Areal umfasste eine Größe von fünf Hektar. Es wurden ein Hauptgebäude, Liegehallen und eine Chefarztvilla errichtet. Im Haupthaus gab es Ein-, Zwei- und Dreibettzimmer für insgesamt 77 Patienten, außerdem Tagesräume, eine Bibliothek, ein Konversationszimmer, ein Musikzimmer, ein Billardraum, eine Hausapotheke sowie mehrere Dienstwohnungen. In einem, 1068 Ebd., S. 288f. Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 60f. 1070 Reinhard Rentsch, 100 Jahre Heilen und Pflegen im DRK-Kaufungen, Geschichte der DRK Klinik Kaufungen, abgerufen unter: www.drk-klinik-kaufungen.de/index.php?id=3 am 11. Februar 2014 1071 Heute ist Naurod ein Stadtteil Wiesbadens. 1069 246 in den 1920er Jahren hinzugebauten Flügel befanden sich weitere zehn Zimmer mit insgesamt 18 Betten, Untersuchungsräumen, ein Operationssaal, ein Röntgenkabinett und Labore. Die Einrichtung leitete 1930 von Dr. Wiencke.1072 1951 erhielt die Heilstätte den Namen „Taunus-Sanatorium“. Sie wurde 1975 in eine Fachklinik für alle Erkrankungen der Atmungsorgange umgewandelt. In den frühen 1980er Jahren erfolgten die Schließung der inzwischen unmodern gewordenen Klinik und der Abriss der Gebäude. Das Bistum Limburg an der Lahn errichtete 1984 auf dem Gelände eine katholische Tagungsstätte mit dem Namen „Wilhelm-Kempf-Haus“, die es heute noch gibt.1073 3.5.10.5 Kelkheim-Ruppertshain Der Frankfurter „Verein für Rekonvaleszenten-Anstalten“ betrieb eine Lungenheilstätte in Ruppertshain (Taunus), die auf Vorschlag des Heilstättenarztes Peter Dettweiler in den Gebäuden des ehemaligen Privatsanatoriums Dr. Hirsch eingerichtet wurde. Die neue Anstalt eröffnete am 24. Oktober 1895 für je 36 Frauen und Männer. Es fanden hauptsächlich Versicherte der LVA Hessen-Nassau Aufnahme. Erster ärztlicher Leiter war der Sanitätsrat Nahm. Die Anstalt lag auf einer Höhe von 450 Metern an einem Südhang. Im Jahre 1899 konnte ein mit Spenden finanzierter zusätzlicher Anbau für weitere 35 weibliche Tuberkulöse fertiggestellt werden. In einem 1904 errichteten Werkstattgebäude wurden Kranke, die kurz vor ihrer Entlassung standen, im Rahmen einer Arbeitstherapie auf ihre Wiedereingliederung in den Beruf vorbereitet. Im Januar 1914 eröffnete man auf dem Gelände außerdem versuchsweise eine Kinderstation. Kriegsbedingt musste die Kinderabteilung aber bereits im Oktober des gleichen Jahres wieder schließen. Die gesamte Anstalt diente im Krieg zeitweilig als Lazarett für Leichtverwundete. Im Jahre 1927/28 entstand ein Anbau mit chirurgischen Behandlungsräumen.1074 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus der einstigen Lungenheilstätte die „Gerhard-DomagkKlinik“ für Thoraxchirurgie. Die Patientenzahlen waren jedoch rückläufig, sodass die LVA Hessen das Krankenhaus 1982 schloss. Das Gebäude stand bis zum Verkauf an einen privaten Investor im Jahre 1988 leer. Nach 1989 erfolgte übergangsweise eine Nutzung der Anlage als Heim für Aussiedler und für Flüchtlinge aus der DDR. Seit 1996 befindet sich ein Kultur- und 1072 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 58f. Landesgeschichtliches Informationszentrum Hessen, abgerufen unter: www.wilhelm-kempf-haus.de am 25. November 2013 1074 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 78f. 1073 247 Dienstleistungszentrum im alten Heilstättengebäude. In Anlehnung an Thomas Manns berühmten Roman und die alte Heilstättentradition trägt es den Namen „Zauberberg“.1075 3.5.10.6 Königstein-Falkenstein Im Jahre 1875 eröffnete im heute zu Königstein (Taunus) gehörenden Ort Falkenstein die Heilanstalt von Peter Dettweiler, der sich von 1868 bis 1875 in der Brehmer’schen Heilstätte zu Görbersdorf erst als Patient aufhielt und später dort als Assistenzarzt tätig war. Zeitgleich entstand zu Beginn der 1870er Jahre unter den wohlhabenden Bürgern in Frankfurt (Main) die Überlegung, einen karitativen Verein „zur Erbauung einer Kur- und Heilanstalt“ für Tuberkulöse zu gründen. Unter der Leitung des Frankfurter Pulmologen Moritz Schmidt trat im Mai 1873 der Verein erstmalig zusammen. Schon recht schnell konnte mit den Planungen einer Heilstätte begonnen werden. Der Bau sollte in der für ihre gute Luft bekannten Mittelgebirgsregion Taunus errichtet werden. Als Bauplatz entschied man sich für ein fast acht Hektar großes Areal im Ort Falkenstein (heute Ortsteil der Stadt Königstein). Bereits 1875 eröffnete die Anstalt. Als erster Chefarzt war Dr. Jakob Dührssen eingestellt worden. Er starb aber bereits im Mai 1876. Seine Nachfolge trat Peter Dettweiler an, der sich - nicht zuletzt aufgrund von Behandlungsvorstellungen, die Brehmer nicht teilte - inzwischen entschlossen hatte, Görbersdorf zu verlassen, um in Westdeutschland ein eigenes Heilstättenprojekt zu initiieren. Im Jahre 1890 verfügte die Königsteiner Anstalt über 115 Betten.1076 Dettweiler erprobte in Falkenstein neue Behandlungsweisen, so u.a. die Liegekur und das Therapiekonzept der „psychischen Hygiene“ (vgl. 2.6.6). Im April 1889 stellte Dettweiler der Fachwelt eine von ihm konzipierte Taschenspuckflasche „für Hustende“ vor, die später in vielen Lungenheilstätten Anwendung fand und von den Patienten scherzhaft mit den Namen „Blauer Dettweiler“ oder „Blauer Heinrich“ belegt wurde.1077 Akzeptanz in der Bevölkerung der umliegenden Wohngebiete für den Heilstättenbetrieb erreichte Dettweiler dadurch, dass er für viele Bewohner des Dorfes Falkenstein Arbeitsplätze in der Anstalt schuf. Als Dettweiler im Jahre 1895 Falkenstein verließ, leitete Dr. Karl Heß und nach ihm, ab 1902, Dr. Gustav Besold die Einrichtung, der aber nicht verhindern konnte, dass die privat finanzierte Falkensteiner Anstalt in eine monetäre Schieflage geriet und im Jahre 1907 schließen musste. Aus einer irrationalen Angst vor einer bakteriellen Gefahr heraus wurden 1909 alle Gebäude (mit Ausnahme des heute noch existierenden anstaltseigenen Postamts) abgerissen. 1075 Internetseite des Dienstleistungszentrums „Zauberberg“: Abgerufen unter www.zauberberg-kelkheim.de und www.zauberberg-kelkheim.de/inhalt/geschichte1.html am 4. Dezember 2013 und am 11. Februar 2014 1076 Grossmann-Hofmann, Dr. Peter Dettweiler und die Heilanstalt Falkenstein, S. 120-134 1077 Ebd., S. 126 248 Auf dem Grundstück errichtete das Militär ein Genesungsheim. Heute betreibt Asklepios auf dem einstigen Heilstättengelände eine neurologische Fachklinik.1078 3.5.10.7 Weilmünster In der Provinz Hessen-Nassau wurde im Frühjahr 1921 in den Gebäuden der ehemaligen Nervenheil- und Pflegeanstalt Weilmünster eine Lungenheilstätte mit 1400 Betten eingerichtet. Die Anstalt war somit kurzzeitig die größte in Preußen. Ab 1923 wurden in den Gebäuden hauptsächlich tuberkulöse Kinder untergebracht.1079 Im Jahr 1926 erfolgte die Umbenennung der Einrichtung in „Nassauisches Kindersanatorium Weilmünster“. Schwerpunkt der Arbeit im Sanatorium war die Tuberkulosefürsorge. Es kamen vor allem tuberkulosegefährdete, aber noch nicht erkrankte Kinder, die aus „tuberkulosebelasteten Familien stammen und nach Konstitution und Habitus einer Infektion ausgesetzt sind“, nach Weilmünster.1080 Offentuberkulöse Kinder wurden nicht aufgenommen. Aufgrund der generell schwierigen Lage nach der Weltwirtschaftskrise wurde das Kindersanatorium Weilmünster im Oktober 1933 geschlossen und die Anlage in eine Nervenheilanstalt umgewandelt.1081 3.5.11 Verwaltungsbezirk Berlin Im einem gewissen Gegensatz zu der Überzeugung, für Tuberkulosekranke sei ein Behandlungsaufenthalt - fernab der Ballungszentren - in ländlichen und waldreichen Gebieten anzustreben, damit sie in guter Luft genesen könnten, wurden im 20. Jahrhundert auch Heilstätten in unmittelbarer Nähe der Stadt Berlin1082 errichtet. Die ersten Anstalten im Berliner Raum waren die 1892 eröffnete „Heimstätte“ für männliche Tuberkulöse in Malchow (heute zum Berliner Bezirk Lichtenberg gehörend) und die seit 1893 bestehende Einrichtung für weibliche Tuberkulöse in Blankenfelde (heute Bezirk Pankow). Wenige Jahre später kamen die von der Stadt Berlin im Jahre 1902 gegründete „Heilstätte für männliche Brustkranke in Gütergotz“ (heute heißt der Ort Güterfelde) sowie die 1905 eröffnete 1078 Ebd., S. 134 und Internetseite des Asklepios-Klinkums, abgerufen unter: www.asklepios.com/klinik/ default.aspx?cid=712&pc=04 am 8. November 2014 1079 Nolte, Licht, Luft und Sonne für die Kinder ‚breiter Volkskreise’, S. 102f. 1080 Ebd., S. 112 1081 Ebd., S. 116 1082 Die Stadt Berlin war bis März 1881 Teil der preußischen Provinz Brandenburg und wurde ab April 1881 ein eigener preußischer Verwaltungsbezirk, deswegen sind die Berliner Heilstätten an dieser Stelle gesondert aufgeführt. Die hier aufgeführten Heilstätten lagen in erst 1920 zu Groß-Berlin eingemeindeten Orten. 249 „Heimstätte für Brustkranke in Buch“ (heute Bezirk Pankow) hinzu.1083 Beachtenswert ist, dass alle vier von der Stadt Berlin betriebenen Genesungsheime für Tuberkulöse (Malchow, Blankenfelde, Gütergotz und Buch) sowie die Schöneberger Anstalt in Sternberg/Neumark die Bezeichnung „Heimstätte“ und nicht „Heilstätte“ trugen. 1084 ABB. 27: EHEMALIGE HEILSTÄTTEN IM HEUTIGEN STADTGEBIET BERLINS 1085 Ein besonderer Grund für diese begriffliche Präferenz liegt wohl darin, dass in diesen Häusern auch Schwerkranke untergebracht wurden. Da in Heilstätten meist nur Leichtkranke aufgenommen wurden, schlug der Arzt Fuld „die Gründung von Heimstätten für die ganz 1083 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 89 und Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 2758 A. Kayserling, Die Volksheilstätten in Preußen. In: Medizinische Anstalten auf dem Gebiete der Volksgesundheitspflege in Preußen. Jena: Gustav Fischer, S. 440 1085 Kartenhintergrund: MapBox, Kartendaten stammen aus den Daten der “OpenStreetMap contributors”. Sie wurden lizensiert mit der Open Data Commons Open Database License. 1084 250 hoffnungslosen, dauernd erwerbsunfähigen Kranken“ vor.1086 Die „Heimstätten“ in Malchow und Gütergotz waren provisorisch in ehemaligen Herrenhäusern eingerichtet worden1087. Als die Kapazitäten in den darauffolgenden Jahren nicht mehr ausreichten, wurden Neubauten in der Provinz Brandenburg geplant und realisiert (vgl. 3.2).1088 Innerhalb des Berliner Verwaltungsbezirks entstanden erst nach dem Ersten Weltkrieg weitere Einrichtungen, und zwar das Privatsanatorium „Birkenhaag“ des Arztes Karl Sander im heutigen Berliner Ortsteil Lichtenrade und ein privat geführtes Sanatorium Nordend im Bezirk Pankow.1089 3.5.11.1 Buch Auf einem Gutshof in Buch sollte eine Heilstätte für 100 Tuberkulöse eingerichtet werden. Die Pläne zum Bau für dieses Sanatoriums stammten vom Architekten Ludwig Hoffmann, der bereits andere Krankenhausbauten im Raum Berlin entworfen hatte. Das Projekt kam zustande. Die Bettenkapazität konnte sogar noch während des Baus auf 150 erweitert werden. Im Anstaltspark wurden zwei Liegehallen für je 50 Patienten errichtet. Die Anlage trug ab 1927 dem Namen „Waldhaus Buch“ und war bis 1942 als Lungen-Fachklinik in Betrieb. Von 1942 bis 1945 war im Waldhaus ein Lazarett der Luftwaffe untergebracht und nach Kriegsende, bis 1992, eine Klinik für Orthopädie und Rehabilitation, die ab 1963 verwaltungstechnisch dem städtischen Klinikum Buch angegliedert war. Seit 1992 stehen die unter Denkmalschutz gestellten Gebäude des Waldhauses Buch leer.1090 Der Berliner Liegenschaftsfonds, dem die alte Heilstätte gehört, bietet das Objekt mit dem 54.000 m² großen Anstaltsgelände und einem zu DDR-Zeiten erbauten Schwesternwohnheim seit 2012 zum Verkauf an. Eine neue Nutzung wurde jedoch bisher nicht gefunden, es gibt aber Pläne, hier ein Forschungsinstitut („Life Science Center“) für Gesundheitswissenschaften einzurichten.1091 3.5.11.2 Malchow Die „Heimstätte“ Malchow (Berlin-Lichtenberg, Wartenberger Weg 4) hatte im Jahre 1905 eine Kapazität von 104 Plätzen. Das 1882 eröffnete und bis 1887 komplettierte Bauensemble ist noch erhalten und steht heute unter Denkmalschutz. Derzeit wird das Hauptgebäude als Pflegeheim 1086 A. Fuld, Heilstätten und Heimstätten. Die Gegenwart, 61(31)/1902, 226-227 Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, S. 162 1088 Ludwig Hoffmann, Heimstätte für Brustkranke, Berlin-Buch, Neubauten der Stadt Berlin, Bd. IV, 1905 1089 Ingeborg Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland, S. 55 1090 Denny Müller, Internetseite „modernruins“ zur Geschichte des Waldhauses Buch. Abgerufen unter www.modernruins.de/index.php?option=com_content&view=article&id=89&Itemid=130 am 3. November 2013 1091 Internetseite eines Immobilien-Onlinemagazins www.immobilien-newsticker.de/liegenschaftsfonds-berlinverkauft-hufelandkrankenhaus-und-waldhaus-buch-201212023/ Abgerufen am 10. Mai 2013 1087 251 genutzt.1092 Die ursprünglich für beide Geschlechter vorgesehene Heimstätte Malchow 1902 in eine reine Frauenheilstätte umgewandelt, nachdem die Stadt Berlin die Heimstätte in Gütergotz einrichten und mit tuberkulösen Männern belegen konnte, da hinsichtlich der Belegungskapazität ein Engpass aufgetreten war.1093 Im Jahre 1917 betrug der Kurkostensatz für Erwachsene täglich drei Mark (Kinder 2,50 M). 1920 erfolgte ein größerer Umbau der Einrichtung.1094 3.5.11.3 Blankenfelde Die Anstalt in Blankenfelde (Berlin-Pankow, Hauptstr. 24-30) entstand 1894 auf dem Gelände eines Gutshofs, und zwar in einem Gebäude, in dem ab November 1891 bereits Wöchnerinnen untergebracht waren. Die Anstalt wurde aber ein Jahr später wieder geschlossen, und die Stadt Berlin als Eigentümerin des Gutshofs entschied sich, die Anlage im Juli 1893 in eine Tuberkulose-Heilstätte umzuwandeln.1095 Die Anstalt konnte zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung 60 Patienten aufnehmen, und wurde bald darauf auf 78 Betten erweitert. In den Jahren 1903 und 1906 wurden auf dem Anstaltsgelände Liegehallen errichtet.1096 Die Einrichtung war bei den Patienten nicht sehr beliebt; denn die Kranken beklagten oft den Gestank der nahegelegenen Rieselfelder (auf die die Berliner Abwässer zu landwirtschaftlichen Zwecken geleitet wurden). In der Heilstätte behandelte man bis 1933 Tuberkulöse. Danach diente das Haus zwölf Jahre lang als Altersheim. Von 1945 bis 1995 wurde der städtische Gutshof wieder landwirtschaftlich genutzt. Danach stand das Gebäude leer. Im Jahre 2005 erwarb der Verein „Stadtgut Blankenfelde e.V.“ die seit 1996 denkmalgeschützte Anlage und baute sie zu einem Mehrgenerationenhaus mit eigener Landwirtschaft aus.1097 3.5.11.4 Gütergotz Im Jahre 1893 erwarb die Stadt Berlin das 1804 von dem Architekten David Gilly erbaute Herrenhaus des einstigen Ritterguts Gütergotz (seit 1937 „Güterfelde“, heute Kreis PotsdamMittelmark) vom Erben des Vorbesitzers Gerson von Bleichröder (1822-1893; s. 3.2.5), um darin eine Tuberkulose-Heilstätte einzurichten. Nach einem Bericht aus dem Jahre 1905 fanden 1092 Denkmaldatenbank der Stadt Berlin. Objekt 09045436. Abgerufen unter: stadtentwicklung.berlin.de/cgibin/hidaweb/getdoc.pl?DOK_TPL=lda_doc.tpl&KEY=obj%2009045436 am 3. November 2013 1093 Akte Malchow, Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 2000 1094 Akte Heimstätten, Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 1971 1095 Akte Heimstätten, Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 1970 1096 Axel Schuhmann, Daniela Spiegel und Anja Tuma, Berlin-Pankow. Stadtgut Blankenfelde. Jahrbuch Masterstudium Denkmalpflege 2006-09, Berlin 2008, S. 51 1097 Internetseite des Stadtguts Blankenfelde. Abgerufen unter: www.stadtgut-blankenfelde.de/wordpress/dasstadtgut/geschichte/ am 4. November 2013 252 dort 98 Patienten Platz.1098 Im gleichen Jahr ließ die Stadt Berlin von dem Architekten Ludwig Hoffmann neben dem Hauptgebäude ein Wohnhaus für die Ärzte errichten.1099 Im Jahre 1927 schloss die Heilstätte, und es begann eine wechselvolle Geschichte der Anlage. Das Gebäude wurde an die Reichswehr veräußert und als Stabsquartier genutzt, dann 1933 von der SAWachstandarte „Feldherrenhalle“ übernommen und 1940 schließlich an die NSDAP abgegeben.1100 Nach 1945 erwog man den Abriss des alten Ritterguts, entschied sich aber jedoch dagegen. Die sowjetische Kommandantur zog ein. Die Zuständigkeit für das Gebäudeensemble wurde 1952 an die DDR-Behörden weitergegeben.1101 Es kam zu einer Umwandlung der alten Heilstätte in ein Seniorenheim. Unter weitgehender Beachtung des seit 1986 bestehenden Denkmalschutzes entstand im Herrenhaus ab 2010 eine moderne Wohnanlage.1102 3.5.11.5 West-Berliner Ersatzheilstätten nach 1945: Heckeshorn und Havelhöhe Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs stieg die Zahl der Tuberkulosefälle in Berlin stark an. Mit Ausnahme eines Sanatoriums an der Hasenheide (Berlin-Neukölln) und der Kinderheilstätte auf der Insel Föhr befanden sich alle früher von Berlin aus belegten Einrichtungen für Lungentuberkulöse nach 1945 in der sowjetischen Besatzungszone bzw. in Polen. Zuletzt waren im Kriegsjahr 1943 noch 12.000 Berliner Tuberkulosepatienten in die brandenburgischen Heilstätten überwiesen worden. Im Jahre 1946 rechneten die Gesundheitsbehörden in den westlichen Sektoren Berlins mit 50.000 bis 65.000 Tuberkulosefällen. Daher bemühten sich die Westalliierten um die Einrichtung von Tuberkulosekrankenhäusern. Diese Anstrengungen mussten verstärkt werden, als ab dem Jahre 1949 eine Behandlung von Patienten aus den drei Berliner Westsektoren in den zur neugegründeten DDR gehörenden Kliniken Brandenburgs weitgehend unmöglich wurde. Heckeshorn Am 1. Oktober 1946 wandelte man die Gebäude der im Krieg weitgehend unzerstört gebliebenen Reichluftschutzschule am Großen Wannsee (Bezirk Zehlendorf, amerikanischer Sektor) in eine Tuberkulose-Fachklinik um. Die Häuser waren kurz vor dem Krieg (in den Jahren 1938 bis 1939) nach Entwürfen des Architekten Eduard Jobst Siedler für die Ausbildung von Luftschutzwarten 1098 Kayserling, Die Volksheilstätten in Preußen, S. 440 Archiv des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin, Inv. Nr. B 2374,049 1100 Vermietung und Verkauf an die NSDAP, 1937-1940. Aus: Landesarchiv Berlin, A Rep 255, Nr. 512 1101 Petra Winarsky, Güterfelde. Schoss Gütergotz und sein Park. Brandenburgische Denkmalpflege, 2(11)/2002, 1628. 1102 Georg Piltz und Peter Garbe, Schlösser und Gärten in der Mark Brandenburg. Leipzig: Seemann 1987, S. 179 und Konstanze Wild, Sanierung des Güterfelder Schlosses beginnt, aber Neubauvorhaben im Garten sind umstritten. Märkische Allgemeine Zeitung vom 26. Januar 2012. 1099 253 errichtet worden.1103 Die Anlage bestand aus 13 Backsteinbauten (Unterkunftshäuser der Reichsluftkriegsschule „U-Häuser“ genannt), in denen Patientenzimmer eingerichtet und 17 hölzernen Baracken, die zu Liegehallen umfunktioniert wurden. Auf dem Gelände befanden sich außerdem zwei ehemalige Privatvillen: Die 1922 erbaute „Villa Collignon“, die fortan als Ärztekasino diente, sowie die „Villa Sperling“, die sich als Wohnhaus für den Chefarzt eignete. Ein im Zweiten Weltkrieg auf dem Areal errichteter Hochbunker wurde - erst 1982 - zu einem Not-Krankenhaus umgebaut.1104 Zur Erstausstattung der Tuberkuloseklinik gehörten Feldbetten und Essgeschirr der US-Armee sowie ein veraltetes Röntgengerät. In den Jahren 1953 bis 1954 wurden sechs Bungalows mit 40 Betten für Schwerkranke aufgestellt. Der Ausbau der Einrichtung Heckeshorn war erst in den 1960er Jahren abgeschlossen. Die Anlage umfasste dann 450 Betten.1105 Nach Fertigstellung des Komplexes gab es eine diagnostische, eine innere, eine chirurgische sowie eine pädiatrische Abteilung. Der erste ärztliche Leiter war Dr. Karl Auersbach1106, ein Schüler des berühmten Ferdinand Sauerbruch. Da das Tuberkulosekrankenhaus Heckeshorn im amerikanischen Sektor Berlins lag, wurde es sehr schnell mit dem in den USA erstmals erfolgreich angewendeten Streptomycin versorgt (s. 2.5.4.3). Die Anstalt blieb - bis zu ihrer Schließung im Jahre 2007 - eine Fachklinik für Pneumologie und Thoraxchirurgie.1107 Heute sind in einigen Gebäuden der Einrichtung private Mieter untergebracht. Darüber hinaus sind in Heckeshorn häufig Fernsehteams anzutreffen, die vor allem „Krankenhausserien“ produzieren. Havelhöhe Am 2. Februar 1950 wurde an der Havelhöhe, die sich am Ufer des Wannsees erhebt, gegenüber von Heckeshorn im britischen Sektor (Bezirk Spandau) ein weiteres städtisches TuberkuloseKrankenhaus mit 112 Betten eingerichtet. Wie in Heckeshorn nutzte man dafür entwidmete militärische Bauten: Die im Krieg nur weitgehend erhalten gebliebenen Gebäude waren in den Jahren 1934 bis 1936 nach Entwürfen der Architekten Richard Binder, J. Braun und Alfred Gunzenhauser zur Unterbringung der Reichsluftfahrtakademie errichtet worden. Wie in 1103 Robert Loddenkemper, Vom Tuberkulosekrankenhaus zum Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie. In: Vera Seehausen, Torsten Bauer, Dirk Kaiser und Robert Loddenkemper (Hrsg.): Von der Phthisiologie zur Pneumologie und Thoraxchirurgie. 60 Jahre Lungenklinik Heckeshorn, Stuttgart: Thieme 2007, S. 13-22 1104 Reinhard Hein und Vera Seehausen, Geschichte(n) des Geländes Heckeshorn am Wannsee. Ein Spaziergang. In: Vera Seehausen, Torsten Bauer, Dirk Kaiser und Robert Loddenkemper (Hrsg.): Von der Phthisiologie zur Pneumologie und Thoraxchirurgie. 60 Jahre Lungenklinik Heckeshorn, Stuttgart: Thieme 2007, S. 92-97 1105 Loddenkemper, Vom Tuberkulosekrankenhaus zum Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, S. 13-22 1106 Stürzbecher, Die Tuberkulosebekämpfung in Berlin und die Vor- und Gründungsgeschichte von Heckeshorn, S. 3-7 1107 Loddenkemper, Vom Tuberkulosekrankenhaus zum Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, S. 13-22 254 Heckeshorn gab es an der Havelhöhe insgesamt 450 Betten. Im Jahre 1976 wurde die immer noch hauptsächlich auf die Tuberkulosebehandlung spezialisierte Einrichtung formal eine Abteilung des Krankenhauses Spandau. Von 1982 bis 1995 war die Havelhöhe dann ein städtisches Allgemeinkrankenhaus. Seitdem ist die Einrichtung ein privates Klinikum, das vom „Gemeinnützigen Verein zur Förderung und Entwicklung anthroposophisch erweiterter Heilkunst e.V. Berlin“ betrieben wird.1108 1108 Internetseite des Gemeinschaftsklinikums Havelhöhe http://www.havelhoehe.de/Chronik.html Abgerufen am 4. März 2013 255 4 Heilstätten mit regionalem Bezug zu Preußen Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 besaßen die Herzogtümer Anhalt, Braunschweig und Sachsen-Weimar-Eisenach immer noch Enklaven innerhalb Preußens. Außerdem gab es Staaten, die ganz bzw. teilweise von Preußen umschlossen wurden, wie z.B. das Königreich Sachsen. Die in diesen Regionen entstandenen Heilstätten werden im vorliegenden Zusammenhang wegen ihrer geografischen Nähe zu Preußen ebenfalls berücksichtigt, zumal in den Einrichtungen auch viele preußische Patienten aufgenommen wurden. Ein indirekter regionaler Bezug zu Preußen lässt sich im Hinblick auf TuberkuloseKrankenhäuser herstellen, die in deutschen Kolonien, vor allem in Südwestafrika, errichtet werden sollten. Hierauf wird im Abschnitt 4.4 näher eingegangen. 4.1 Oranienbaum (Herzogtum Anhalt) In der anhaltinischen Stadt Oranienbaum wurde vom „Verein zur Bekämpfung der Schwindsucht in der Provinz Sachsen und dem Herzogtum Anhalt“ am 6. Mai 1906 eine Heilstätte für 17 Frauen und Kinder eröffnet.1109 Sie erhielt den Namen „Herzogin Marie“, benannt nach der Landesherrin, die für die landeseigene Heilstätte die Schirmherrschaft übernommen hatte.1110 Ursprünglich war die Errichtung einer Anstalt im preußischen Bad Kösen (Region Saale-Unstrut) geplant. Die Kösener Kurverwaltung fürchtete aber das Ausbleiben von Gästen, wenn bekannt geworden wäre, dass sich eine Tuberkuloseheilstätte im Ort befände.1111 Das Anstaltsgelände in Oranienbaum, das dem Verein von der Gemeinde für den Bau der Heilstätte geschenkt wurde, lag im städtischen Forst und umfasste etwa einen Hektar.1112 Der bauliche Entwurf für die Oranienbaumer Heilstätte stammt vom Architekten Robert Richter aus Dessau.1113 Im ersten Obergeschoss der Einrichtung waren die Zimmer für die Kinder, im zweiten Obergeschoss die für 14 tuberkulöse Frauen untergebracht. In der Heilstätte waren 1910 neben dem Chefarzt fünf Schwestern und die erforderlichen Arbeitskräfte für Hauswirtschaft und Garten beschäftigt.1114 Im Jahre 1933 wurde die Heilstätte geschlossen, das Haus in staatlichen Besitz überführt und in eine Bildungsanstalt für Lehrerinnen mit integrierter „Landfrauenschule“ umgewandelt. Ab 1944 1109 Bekämpfung der Tuberkulose im Mittelstand, 1912-1914, Landeshauptarchiv Magdeburg, C 20 Ib, 1535 I. Peter Woeste, Das Krankenhaus Oranienbaum (Sachsen-Anhalt). Von der Gründung 1906 als Kinderheilstätte, dann Lungenheilstätte bis zum heutigen Internistischen Versorgungskrankenhaus, Unveröffentlichte Dissertation Freie Universität Berlin 1999, S. 11 1111 Ebd., S. 57 1112 Ebd., S. 72f. 1113 Ebd., S. 68 1114 Ebd., S. 97 1110 256 diente Oranienbaum als Lazarett. 1946 konnte der Krankenhausbetrieb für tuberkulosekranke Frauen und Männer wiedereröffnet werden, und zwar als Station des Kreiskrankenhauses Köthen. Bis 1983 war die Anstalt als Lungenfachklinik in Betrieb, allerdings mit stark rückläufiger Patientenzahl. Deshalb wurde das Haus 1983 in eine Klinik für Innere Medizin umgewandelt.1115 1994 erfolgte die Übernahme durch die Paul-Gerhard-Diakonie und 20071116 die Schließung des Krankenhauses. In den Gebäuden befindet sich heute ein Seniorenwohnheim mit 90 Betten.1117 4.2 Königreich Sachsen Die Geschichte der Heilstättenbewegung in Sachsen1118 beginnt im Jahre 1873. Damals gründete der junge Chemnitzer Augenarzt Dr. Carl Driver im vogtländischen Reiboldsgrün die erste Lungenheilstätte Sachsens. In allen sächsischen Heilstätten wurden Kranke bis in die 1920er Jahre hinein nach der von Brehmer entwickelten hygienisch-diätetischen Kurmethode behandelt. Ein Unterschied zum Therapieprogramm in preußischen Heilstätten bestand in der Verordnung von Trinkkuren. 4.2.1 Reiboldsgrün Driver hatte wegen eines Rheumaleidens und einer Tuberkuloseerkrankung den Kurort Reiboldsgrün aufgesucht und sich hier gesundheitlich gut erholt. Aufgrund dieser Erfahrung beschloss er, in dem Ort eine Lungenheilstätte zu errichten. Gleichzeitig wechselte er seine Fachrichtung: von der Augen- zur Lungenheilkunde. Er kaufte in Reiboldsgrün im Jahre 1873 zwei Bauernhäuser. Außerdem konnte er bereits vorhandene Badeeinrichtungen übernehmen. Die Bauernhäuser wurden von ihm zu einer Behandlungseinrichtung für Lungenkranke umgebaut. Vorbild für Driver war der Ort Görbersdorf in Schlesien, wo der Arzt Hermann Brehmer im Jahre 1854 die erste deutsche Lungenheilstätte eröffnet und das kleine Dorf zu einem Kurort erhoben hatte.1119 Die von Driver geschaffene Anstalt in Reiboldsgrün konnte dem steigenden Bedarf bald nicht mehr gerecht werden. Deshalb errichtete Driver 1888 in Reiboldsgrün ein weiteres Heilstättengebäude („Winterheim“ bzw. „Neues Kurhaus“ genannt). 1115 Bericht über die Geschäftsjahre 1912-1914 der Kinderheilstätte Oranienbaum, Landesarchiv Magdeburg, C 20 Ib, 1535 II 1116 Heidi Thiemann, Fachklinik ist nun geschlossen, Mitteldeutsche Zeitung vom 19. März 2007, abgerufen unter www.mz-web.de/wittenberg-graefenhainichen/fachklinik-ist-nun-geschlossen,20641128,18849784.html am 5. Dezember 2013 1117 Woeste, Das Krankenhaus Oranienbaum (Sachsen-Anhalt), S. 3f. und S. 124f. 1118 Über das Königreich Sachsen hat der Verfasser im Rahmen einer Vorabveröffentlichung (Jüttemann, A.: Die Heilstätten für Tuberkulose im sächsischen Bergland. Ärzteblatt Sachsen, 2/2015, 77-80) gesondert berichtet. Der nachstehende Text stimmt mit dem Inhalt des Aufsatzes größtenteils überein. 1119 Dr. Gebser, zit. n.: Sächsischer Heilstättenverein für Lungenkranke, Der Sächsische Heilstättenverein für Lungenkranke und seine Anstalten. Dresden: Hieronymus 1929, S. 11 257 Im Juli 1893 pachtete der Arzt Dr. Felix Wolff die Anstalt Reiboldsgrün. Bis zum Ersten Weltkrieg stand diese Einrichtung nur Selbstzahlern zur Verfügung. Im Jahre 1918 erwarb der Sächsische Volksheilstättenverein das Privatsanatorium und öffnete es für alle Bevölkerungsschichten (vor allem für Patienten aus dem Mittelstand). Der Sanitätsrat Dr. Gebser wurde als Chefarzt eingesetzt. Er war bereits in Sachsen als Tuberkulosearzt tätig. Die Heilstätte Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar 1120 ABB. 28 - LAGE DER HEILSTÄTTEN IM KÖNIGREICH SACHSEN Reiboldsgrün hatte inzwischen - nach den Umbau eines zusätzlich angekauften Waldgasthofs eine beachtliche Größe erreicht: Bei Übernahme der Anstalt durch den Heilstättenverein war eine Kapazität von 250 Betten in sechs Gebäuden vorhanden. Die Einrichtung wurde in den Folgejahren umfassend modernisiert, was in der finanziell schwierigen Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Vereinskasse stark belastete. Ein für chirurgische Eingriffe (wie dem therapeutischen Pneumothorax) errichteter Anbau konnte erst 1928 eröffnet werden.1121 In der Anstalt waren vor Aufnahme des chirurgischen Betriebs zwei Ärzte beschäftigt, nach der Erweiterung waren es fünf.1122 Auf dem Gelände der Reiboldsgrüner Anstalt lag die Christiane1120 Bild aus urheberrechtlichen Gründen in der Onlineversion nicht verfügbar. Sächsischer Heilstättenverein für Lungenkranke, Der Sächsische Heilstättenverein für Lungenkranke und seine Anstalten, S. 13 1122 Ebd., S. 14 1121 258 Eberhardinen-Quelle, deren Wasser u.a. im Rahmen der Behandlung von Kehlkopfkrankheiten verabreicht wurde. 4.2.2 Albertsberg Am 8. Juli 1893 riefen Dr. Felix Wolff (Heilstätte Reiboldsgrün) und der Geheimrat Dr. Fiedler, Leibarzt des sächsischen Königs Albert, den „Verein zur Begründung und Erhaltung von Volksheilstätten für Lungenkranke im Königreich Sachsen“ ins Leben. Damit begann auch in Sachsen die sog. „Volksheilstättenbewegung“. Ihre Unterstützer hatten die Absicht, Häuser für finanziell schlechter gestellte Tuberkulosekranke einzurichten. Erstes Ziel des unter der Schirmherrschaft des Königs stehenden Vereins war der Bau einer Heilstätte für männliche Tuberkulosekranke im vogtländischen Albertsberg. Diese älteste Anstalt des Vereins konnte am 20. September 1897 mit einer Kapazität von 121 Betten eröffnet werden.1123 Das Hauptgebäude wurde nach Entwürfen des Geheimen Medizinalrats Professor Curschmann aus Leipzig und des Architekturprofessors Tscharmann aus Dresden errichtet. Schon bald aber wurde die Heilstätte für die Aufnahme von weiteren 141 Patienten um einige Barackenbauten vergrößert. Im Jahre 1909 entstand eine anstaltseigene Kapelle auf dem Gelände.1124 Kurz vor dem Ersten Weltkrieg konnten die provisorischen Baracken durch einen Neubau ersetzt werden. In den 1920er Jahren erfolgte eine großzügige Umgestaltung des Anstaltsparks, sogar mit einem Teich. Ein Anbau für eine neue chirurgische Abteilung, der 1928 errichtet wurde, bedeutete zugleich die Umwandlung der Volksheilstätte Albertsberg in ein Tuberkulose-Fachkrankenhaus.1125 4.2.3 Carolagrün Das dritte Heilstättenprojekt in Sachsen war eine Einrichtung für tuberkulöse Frauen im vogtländischen Silberbachtal. Eine Spende des Königs (in Höhe von 100.000 Mark) und weiterer privater Geldgeber sowie ein Zuschuss der Landesversicherungsanstalt Sachsen ermöglichten die Realisierung des Vorhabens. Die Namensgebung „Carolagrün“ für die neue Einrichtung lag nahe. Als Tag der Grundsteinlegung wählte man deshalb den Geburtstag der sächsischen Königin Carola (5. August 1899). Im Oktober 1900 wurde die Eröffnung des Hauses in ihrem Beisein gefeiert. Die Anstalt war am Anfang mit 121 Betten ebenso groß wie die in Albertsberg. Den Auftrag zur Verwirklichung des Projekts erhielten wiederum, wie in Albertsberg, der Architekt Tscharmann 1123 Michel, zit. n. ebd., S. 7 Linding, zit. n. ebd., S. 22 1125 Ebd., S. 23f. 1124 259 und der Medizinalrat Curschmann. Eine eigene Kapelle erhielt die Anstalt 1906. Die Heilstätte Carolagrün wurde in den Jahren 1907 und 1913 um insgesamt 80 Betten für tuberkulosekranke Kinder erweitert.1126 Die Anschaffung eines ersten Röntgengeräts erfolgte kurz nach Kriegsende im Jahre 1919.1127 4.2.4 Hohwald Der Sächsische Volksheilstättenverein betrieb mit Albertsberg, Carolagrün und Reiboldsgrün drei Heilstätten in der Nähe des vogtländischen Ortes Auerbach auf einer im Vergleich zu anderen deutschen Heilstätten recht hohen Lage von 650 bis 700 Metern. In die Anstalten des Volksheilstättenvereins wurden vor allem Versicherte der LVA Sachsen und der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte eingewiesen worden.1128 Die LVA, die neben dem Heilstättenverein die zweite treibende Kraft der Heilstättenbewegung in Sachsen war, plante auch den Bau einer eigenen Einrichtung und erwarb zu diesem Zweck um 1902 ein fast 94 Hektar großes Waldgrundstück oberhalb des Oberlausitzer Ortes Neustadt, der direkt an der Grenze zu Böhmen liegt. Dort ließ die LVA 1905 ihre erste eigene Anstalt für tuberkulöse Männer mit dem Namen „Heilstätte Hohwald“ errichten. Mit einer Aufnahmekapazität für 250-270 Patienten gehörte der Neubau bereits zu den größten Anstalten in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts (nur Beelitz bei Berlin mit Betten für 950 Lungenkranke war noch wesentlich größer). Der bauliche Entwurf der Heilanstalt wurde von Regierungsbaumeister Geißler erstellt. Die Kosten der Umsetzung betrugen rund 2,5 Millionen Mark.1129 Auf dem Anstaltsgelände entstanden drei Wohnhäuser, ein Verwaltungstrakt sowie Gebäude für technische Einrichtungen errichtet.1130 Zwischen 1908 und 1954 befand sich auf dem Heilstättengelände sogar eine Privatschule für die vielen Kinder des Personals. Außerdem hatte Hohwald von 1905 bis 1993 eine eigene Poststelle. Eine weitere Besonderheit war darin zu erkennen, dass der Heilstätte Ländereien des einstigen Ritterguts Langburkersdorf gehörten. Der Chefarzt stand zugleich dem gesamten Gutsbezirk vor, war also bis 1948, als das Heilstättengelände in den Ort Berthelsdorf eingemeindet wurde, auch als Obmann für das Forst- und Postwesen verantwortlich. Insgesamt lebten - neben den Patienten - zwischen 150 und 180 Menschen dauerhaft auf dem Klinikgelände, das in den ersten Betriebsjahren eingezäunt war. Es gab anstaltseigene Werkstätten, eine Gärtnerei, eine Bäckerei und ein Lebensmittelgeschäft. Da 1126 Michel, zit. n. ebd., S. 7 Havenstein, zit. n. ebd., S. 32 1128 Michel, zit. n. ebd., S. 9 1129 Rita Winkler und Wolfgang Albrecht, 100 Jahre Hohwaldklinik, Hohwald 2005, S. 12 1130 Ebd., S. 42f. 1127 260 der Anstaltspark bis an die tschechische Grenze heranreichte, konnte über ein Gartentor das sächsische Staatsgebiet verlassen werden.1131 Als erster Chefarzt wurde im Frühjahr 1905 der frühere Leiter der vogtländischen Heilstätte Reiboldsgrün, Dr. Schulze, berufen. Außerdem waren in der Heilstätte ein Ober- und ein Assistenzarzt tätig. Den Betrieb begann man mit 16 Patienten, betreut von vier Diakonissenschwestern und zwölf Helferinnen. In den ersten Betriebsjahren fanden vor allem Leichttuberkulöse Aufnahme in Hohwald. Der durchschnittliche Behandlungszeitraum betrug anderthalb bis drei Monate. Für jeden Patienten stand in den hölzernen Liegenhallen ein Platz für die Freiluftkur zur Verfügung. Erst nach der Etablierung chirurgischer Behandlungsmöglichkeiten in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg kamen auch Schwerkranke und blieben bis zu einem Jahr in Hohwald. In den Jahren zwischen 1905 und 1923 wurden fast 20.000 Personen behandelt und zu fast 90 % als erwerbsfähig entlassen. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Zahl der Schwertuberkulösen in den sächsischen Heilstätten stark an, und Behandlungszeiträume von bis zu zweieinhalb Jahren waren keine Seltenheit.1132 Im Jahre 1944 legte der Assistenzarzt Martin Dittrich eine Dissertation über Behandlungserfolge in der Heilstätte Hohwald in den Jahren 1933 bis 1942 vor. Die Arbeit wurde veröffentlicht und bietet einen guten Einblick in die Tuberkulosebehandlung dieser Zeit.1133 4.2.5 Weitere Heilstätten in Sachsen Eine von der Stadt Leipzig finanzierte Heilstätte eröffnete im Mai 1906 im vogtländischen Adorf. Sie konnte bis zu 94 (männliche) Lungenkranke aufnehmen, die prinzipiell Leipziger Bürger sein sollten. Nicht-Leipziger durften aber gegen Zahlung höherer Kurkosten ebenfalls behandelt werden, sofern freie Betten zur Verfügung standen. Im März 1928 wurde die Heilstätte um ein Haus für 60 tuberkulöse Kinder erweitert.1134 Die Ortskrankenkasse des Berliner Buchdruckgewerbes richtete im Jahre 1921 eine Klinik für zwölf männliche Tuberkulöse im erzgebirgischen Reitzenhain ein. Die geringe Bettenkapazität erwies sich aber schon bald als nicht mehr ausreichend. Daher erfolgte 1922-1924 ein Ausbau, um Platz für 45 weitere männliche und 35 weibliche Lungenpatienten zu gewinnen.1135 Spätere Nutzungen der genannten Heilstätten Ebenso wie in den preußischen Heilstätten verloren die Kurmethoden, die auf Brehmer 1131 Ebd., S. 26f. Ebd., S. 12f. 1133 Martin Dittrich, Behandlungserfolge in der Heilstätte Hohwald in den Jahren 1933 bis 1942, Leipzig 1944. 1134 Helm, Tuberkulose-Heilstätten im Deutschen Reich, S. 2 1135 Ebd., S. 71 1132 261 zurückgingen, in den 1920er Jahren auch in Sachsen an Bedeutung. Der traditionelle Ansatz wurde durch die chirurgische Behandlungspraxis verdrängt. Im Rahmen einer „Nachkur“ fanden die bewährten Methoden, wie z.B. die Liegekur, aber weiterhin Anwendung. Nach Auflösung der LVA Sachsen im Dezember 1946 übernahm die Sozialversicherungsanstalt Sachsen als Rechtsnachfolgerin die Trägerschaft der Heilstätten. Von 1951 bis 1990 war die Versicherung sogar Eigentümerin der Anlagen. Die Aufsicht lag beim Gesundheitsministerium der DDR. Da in den 1960er Jahren immer weniger Lungentuberkulosepatienten einen Heilstättenaufenthalt verordnet bekamen, wurde Hohwald - auf Veranlassung der SED im Bezirk Dresden - 1975 als letzte traditionelle Heilstätte in Sachsen geschlossen. Es erfolgte die Umwandlung in eine Bezirksklinik für Orthopädie und Rehabilitation.1136 Von 1990 bis 1992 war die ehemalige Heilstätte im Besitz der wiedergegründeten LVA Sachsen und wurde vom Land Sachsen als orthopädisches Fachkrankenhaus betrieben. Dann übernahmen die privaten Memory-Kliniken Leipzig die Anlage. Im September 1994 erhielt die Memory-Klinikgruppe für 99 Jahre das Erbbaurecht, das aber im April 1997 mit der Insolvenz der Gesellschaft erlosch. Im Jahre 1998 wurde die private Asklepios-Gesellschaft Eigentümerin des Hauses. Die Anlage existiert heute als Akutklinik für Orthopädie und Rheumaorthopädie.1137 Die Anstalt Carolagrün war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst auf eine Größe von 189 Betten für Tuberkulöse angewachsen. Als die Belegungszahlen zurückgingen, erfolgte 1965 die Umwandlung in ein Heim für geistig behinderte Kinder und Jugendliche.1138 Die Einrichtung wurde 1995 privatisiert und gehörte bis 2000 dem Verein Lebenshilfe Auerbach. Seit 2000 steht die Anlage leer.1139 Die Heilstätten Reiboldsgrün und Albertsberg erlitten ein ähnliches Schicksal. Zunächst entstanden aus den Anstalten 1966 psychiatrische Kliniken für Kinder und Jugendliche.1140 Nach der Wende blieben sie bis 1998 zunächst als Teil des Sächsischen Krankenhauses für Kinderund Jugendneuropsychiatrie1141 in Betrieb. Dann firmierten die Häuser bis zu ihrer Schließung im Jahre 2004 als Filiale der Sächsischen Psychiatrischen Klinik Rodewisch.1142 Jetzt stehen sie 1136 Winkler und Albrecht, 100 Jahre Hohwaldklinik, S. 11 Ebd., S. 17 1138 Internetseite zur Geschichte der Heilstätte Carolagrün. Abgerufen unter: thelostplaces.blogspot.com/ 2013_05_01_archive.html am 10. April 2014 1139 Ebd. 1140 Leibniz-Institut für Länderkunde, Das östliche Vogtland, Werte der deutschen Heimat, Band 59. Weimar: Böhlaus Nachfolger 1998, S. 161 1141 Drucksache 6106 des Sächsischen Landtags, abgerufen unter: edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx? dok_nr=6106&dok_art=Drs&leg_per=4&pos_dok=2 am 10. April 2014 1142 Internetseite des SKH Rodwisch. Abgerufen unter: skh-rodewisch.sachsen.de/ueber_uns/geschichte/ die_geschichte_ab_dem_jahr_2000 am 10. April 2014 1137 262 leer. Nutzungsmöglichkeiten sind bislang nicht in Sicht. Das Gebäude der Heilstätte Adorf genügte nach der Wende modernen Ansprüchen nicht mehr und musste 2009 abgerissen werden. Im ehemaligen Hauptgebäude war zuletzt ein Seniorenheim untergebracht. Es steht heute leer. Auf dem Anstaltsgelände wurde im Jahre 1996 ein Neubau der Paracelsusklinik für Innere Medizin und Unfallchirurgie eröffnet.1143 4.3 Bad Berka (Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach) Südlich der thüringischen Kleinstadt Bad Berka, etwa zehn Kilometer von der preußischen Grenze entfernt, eröffnete im Oktober 1898 eine Lungenheilanstalt. Die an einem Südhang gelegene Heilstätte wurde vom „Patriotischen Institut der Frauenvereine für das Großherzogtum Sachsen-Weimar“ mit Unterstützung durch die Thüringische Alters- und Invalidenversicherung errichtet und erhielt - nach der im Jahr zuvor verstorbenen Großherzogin von Sachsen-WeimarEisenach - den Namen „Sophienheilstätte“. Das Haus war für 80 männliche1144 Tuberkulöse vorgesehen.1145 In den ersten Betriebsjahren war das Gebäude der Sophienheilstätte nur zwei Stockwerke hoch. Im Erdgeschoss befanden sich vier Sechsbettzimmer für die Patienten, der Speisesaal, Tagesräume, Untersuchungszimmer, Isolationsräume für Kranke mit Fieber und ein Schwesternzimmer. Im ersten Obergeschoss gab es Zwei- und Dreibettzimmer. Aufgrund der beschränkten Bettenzahl wurde eine Höchstkurdauer von 13 Wochen festgelegt. Da die Kapazitäten bald nicht mehr ausreichten, stellte man auf dem Anstaltsgelände eine Baracke für 100 Kranke auf. Nachdem die LVA Thüringen 1904 die Trägerschaft über die Sophienheilstätte übernommen hatte, begannen die Planungen für den weiteren Ausbau der Klinik: Das Hauptgebäude der Heilstätte konnte 1912 um zwei Geschosse aufgestockt werden und erhielt einen Erweiterungsflügel. Nun konnten bis zu 200 Patienten aufgenommen werden.1146 Der erste leitende Arzt war - seit 1898 - Dr. Servers. Er fügte u.a. die Arbeitstherapie sowie leichte Atemgymnastik und Spaziergänge in das Behandlungsprogramm ein. Im Jahre 1902 wurde er von Dr. Adam Koppert als Chefarzt abgelöst, der bis 1934 die Verantwortung innehatte.1147 Neben ihm gab es einen Oberarzt. Lediglich zwei Schwestern des Sophienstifts in 1143 Internetseite der Paracelsus-Kliniken. Abgerufen unter: www.paracelsus-kliniken.de/adorf/ am 17. April 2014 Für Frauen gab es erst später kleinere Anstalten in Gera-Milbitz (ab 1901), Römhild (ab 1902) und im Münchenrodaer Grund. Für Kinder wurde 1918 in Finneck ein Genesungsheim eingerichtet. 1145 Berndt und Kouschil, Schach der Tuberkulose, aber matt?, S. 19f. 1146 Ebd., S. 21 1147 Ebd., S. 22f. 1144 263 Weimar und vier Wärter standen ihm zur Seite.1148 1910 wies die LVA Thüringen eine 5,5 Hektar große landwirtschaftliche Fläche im Anstaltsgelände für arbeitstherapeutische Zwecke aus. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde das unterhalb der Heilstätte gelegene Rittergut München aufgekauft. Hier sollte eine ebenfalls therapeutisch intendierte „landwirtschaftliche Kolonie“ für die Tuberkulösen entstehen, doch kriegsbedingt kam es nicht mehr zur Verwirklichung dieses Plans. Das Rittergut belieferte aber fortan die Heilstätte mit Lebensmitteln.1149 Wie auch in anderen Anstalten veränderte sich in den 1920er Jahren der Behandlungsschwerpunkt. Die chirurgische Therapie trat in den Vordergrund. Die Umstellung des Behandlungsprogrammes ging mit der Ernennung Dr. Adolf Tegtmeiers zum Oberarzt im Jahre 1924 einher. Tegtmeier war in der Heilstätte Landeshut (Schlesien) zum Lungenfacharzt ausgebildet worden. Er übernahm für 43 Jahre (bis 1967) die Leitung der Sophienheilstätte. Bereits nach seinem Dienstantritt begann er mit der Umgestaltung der Klinik. Zwar behielten die bisher gängigen Behandlungsprinzipien der hygienisch-diätetischen Therapie neben einer Anwendung der neuen chirurgischen Methoden weiterhin Bedeutung, es entstanden aber Einrichtungen für den klinischen Betrieb.1150 In den 1930er Jahren stieg die Bettenkapazität auf 200 Plätze. Die Arbeitsbelastung für das Personal war entsprechend hoch. Selbst bei einer lediglich 80%-igen Belegung entfielen somit auf jeden in der Anstalt beschäftigten Arzt etwa 40 zu versorgende Patienten.1151 Der Zweite Weltkrieg ging an der Sophienheilstätte fast spurlos vorüber. Die Rote Armee wollte im Sommer 1945 in den Gebäuden ein Seuchenlazarett einrichten. Doch dazu kam es nicht. Die Sophienheilstätte konnte als ziviles Fachkrankenhaus weiterbestehen. Im Jahre 1949 wurde sie in „Heilstätte I - Bad Berka“ umbenannt.1152 Unweit der alten Sophienheilstätte errichtete man in den Jahren 1951-1957 eine weitere Tuberkuloseklinik (Heilstätte II - Bad Berka). Sie bildete zusammen mit der Sophienheilstätte (206 Betten), der 1921 eröffneten Bad Berkaer Knappschaftsheilstätte Schloss Harth (als Fachklinik für Silikose1153 und Tuberkulose, mit 134 Betten), dem Haus Rodberg (50 Betten) und dem Schloss Tonndorf (91 Betten) einen Klinikverbund, den der Chefarzt Tegtmeier leitete. Im Jahre 1973 kam es aufgrund rückläufiger Tuberkuloseerkrankungen zu einer Umwandlung der Sophienheilstätte in eine Fachklinik für Urologie und Orthopädie, und Jahre 1974 erfolgte 1148 Ebd., S. 31 Ebd., S. 32 1150 Ebd., S. 40-43 1151 Akte zur Heilanstalt Hohwald, Bundesarchiv R 89 Nr. 5659 und 6781 1152 Berndt und Kouschil, Schach der Tuberkulose, aber matt?, S. 56f. und S. 98f. 1153 Quarzstaublunge: Einlagerung von Staub in der Lunge, meist bei Bergleuten vorkommend 1149 264 die Umbenennung der gesamten Berkaer Anstalten in „Zentralkliniken für Herz- und Lungenkrankheiten. 1154 Mit dem Tod Tegtmeiers im Jahre 1975 endete die Ära der Tuberkulose-Behandlung in Bad Berka.1155 Nach der Wende ging die Anstalt in der „Zentralklinik Bad Berka GmbH“ auf, einer Kooperationsgesellschaft zwischen der Rhön-Klinikum AG und der Stadt Bad Berka.1156 Die Sophienheilstätte wurde nicht mehr benötigt und zum Jahresende 1993 geschlossen. Seit dem Jahre 1994 steht das historische Gebäude leer und leidet stark unter Verfall. Mehrere Reaktivierungspläne scheiterten bislang.1157 4.4 Preußische Heilstättenbewegung in Südwestafrika Einen historisch interessanten Ansatz verfolgten die preußischen Gesundheitsbehörden in der Kaiserzeit: Die mögliche Aussiedlung von Tuberkulosekranken in die deutschen Kolonien, so z.B. nach Südwestafrika. Da die Tuberkulose - nach damaliger Auffassung – dort nicht vorkam, wurde angenommen, das Klima wäre heilsam. Zu den daraus abgeleiteten Überlegungen äußerten sich Julius Katz et. al. wie folgt: „Unter den Eingeborenen kommt die Tuberkulose als endemische Krankheit nicht vor, während die in das Land kommenden Brustkranken mit dem Verlauf ihres Zustandes sehr zufrieden sein können.“ 1158 Auf einer Konferenz der Deutschen Kolonialgesellschaft wurde im Jahre 1903 der Plan vorgestellt, in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, besondere Bezirke für Tuberkulosekranke einzurichten. Noch arbeitsfähige Kranke sollten dort Landwirtschaft betreiben und durch die klimatischen Einflüsse Heilung erfahren. Zugleich behauptete man, eine Entsendung von Kranken in die Kolonien könnte die Ansteckungsgefahr für Familienangehörige in Deutschland erheblich mindern.1159 Von ärztlicher Seite gab es unterschiedliche Reaktionen auf den Vorschlag. Ein Dr. Lübbert führte an, dass Südwestafrika zwar frei von Tuberkulose wäre und somit als „immuner Ort“ bezeichnet werden könnte, beim Bau von Einrichtungen für Tuberkulöse aber müssten die 1154 Internetseite der Zentralklinik Bad Berka, abgerufen unter: www.rhoen-klinikum-ag.com/rka/cms/zbb_2/deu/ 48161.html am 22. März 2013 1155 Berndt und Kouschil, Schach der Tuberkulose, aber matt?, S. 105 1156 Internetseite der Zentralklinik Bad Berka, s. o. 1157 Internetseite zum Verkaufsexposé, abgerufen unter: www.bredereck-immobilien.de/html/sophienheilstaette-badberka-zum-kaufen-f-1240.html am 22. März 2013 1158 Julius Katz, A. Lübbert und Dr. Rohde, Die eventuelle Errichtung von Lungenheilstätten in DeutschSüdwestafrika, Berlin: Dietrich Reimer 1903, S. 93 1159 Ebd., S. 68f. 265 gesundheitsfördernde Bedeutung der Höhenlage und der Schutz vor rauen Winden berücksichtigt werden.1160 Auf der Konferenz wurde gefordert, zunächst versuchsweise Bakterienkulturen in Südwestafrika anzulegen oder Tierversuche durchzuführen, bevor beschlossen werden konnte, kostspielig Heilstätten einzurichten und Patienten aus Deutschland die lange, beschwerliche Reise antreten zu lassen.1161 Ein anderer Konferenzteilnehmer führte aus, in Südwestafrika bestünden günstige Aussichten dafür, dass die Lungenkranken nach ihrer Entlassung aus der Heilstätte an Ort und Stelle in einen anderen Beruf wechseln könnten. Hier wäre vor allem an einen Einsatz in der Landwirtschaft zu denken. Die zu errichtende südwestafrikanische Anstalt sollte den Tuberkulösen daher zugleich bei der Umschulung und Existenzgründung helfen.1162 Wörtlich trugen von Katz et al. vor: „Gröbere landwirtschaftliche Arbeit wird in Südwestafrika von den Eingeborenen verrichtet, sodass dem Heilungsbedürftigen nichts zugemutet werden braucht, was physisch über seine Kräfte geht.“ 1163 Konferenzteilnehmer Lübbert wies auf die vierwöchige Seereise von Deutschland nach Südwestafrika hin, die er nicht als beschwerlich, sondern aufgrund der guten Seeluft vor allem als heilsam für Lungenkranke erachtete.1164 Als geeignetes Gebiet für den Bau der Heilstätten wurde, neben der Namibwüste, das Otjimbingwe-Hochland (etwa 1.400 m über dem Meeresspiegel) und das Damaraland-Gebirge in Erwägung gezogen. In diesem Kontext wurde hervorgehoben, dass sich der Lungenkranke „zur Zeit des höchsten Sonnenstandes in ein deutsches Klima versetzt fühlen könnte, wäre nicht die Luft in diesem Hochgebieten so unendlich viel erfrischender und kräftiger als in Mitteleuropa.“1165 Einer weiteren Expertenmeinung zufolge sollten Heilstätten in einfachster Bauweise ausgeführt werden, da sich die Tuberkulösen im Rahmen ihrer Kur ohnehin zumeist im Freien aufhalten würden. Man sprach von Baukosten pro eingerichtetem Bett von 1.500 Mark. Dies war in etwa ein Zehntel des Bettenpreises, den die LVA Berlin beim Bau der Beelitzer Heilstätten veranschlagt hatte.1166 Aber es wurde zugleich die Befürchtung geäußert, ob „sich unter den arbeitenden Klassen Deutschland überhaupt Leute finden werden, die geneigt sind, unter 1160 Ebd., S. 74 Ebd., S. 117 1162 Ebd., S. 97 1163 Ebd., S. 98 1164 Ebd., S. 82 und S. 104 1165 Ebd., S. 87 1166 Ebd., S. 101 1161 266 Losreissung von ihren bisher gewohnten Verhältnissen nach Südwestafrika überzusiedeln.“1167 Auch das „psychische Moment“ in der Heilbehandlung sei zu beachten, hieß es, und die Umsiedlung könnte negative Effekte haben, wenn die Tuberkulösen unter Heimweh leiden würden, weil sie das Alleinesein in der Fremde nicht gewohnt wären.1168 Die Pläne für den Bau der Heilstätte kamen - vermutlich auch kriegsbedingt - nicht zur Verwirklichung. Noch in den 1930er Jahren, als Südwestafrika längst schon keine deutsche Kolonie mehr war, dachte man in der Gesundheitsbehörde noch daran, in der Region Heilstätten für Kranke aus Deutschland zu errichten. So entstand 1932 eine Denkschrift zur Projektierung einer Heilstätte in der heute namibianischen Hauptstadt Windhuk. Hinter dem Bauprojekt verbargen sich wohl hauptsächlich nationale Motive, wie ein Brief1169 erkennen lässt, den der damalige Bürgermeister Windhuks im April 1933 an den deutschen Außenminister Freiherr von Neurath schrieb: „Wir sind der Ansicht, dass das vorgelegte Projekt von weittragender Bedeutung für das Deutschtum in Südwestafrika ist“.1170 Die Tuberkulose ist im heutigen Namibia nach wie vor eine verbreitete Krankheit. Die Patienten werden heute in einer speziellen Abteilung des Katutura-Hospitals in Windhuk behandelt. Die Klinik wurde übrigens wohl tatsächlich auf der Grundlage der Pläne aus den 1930er Jahren errichtet, und zwar in einem Armenviertel im Nordwesten der Stadt.1171 1167 Ebd., S. 95 Ebd., S. 122 1169 Stadt Windhuk, Denkschrift zur Errichtung einer Lungen-Heilstätte in Windhoek, Südwestafrika, Windhoek: Meinert, 1932. 1170 Reichskolonialamt, Bau einer Lungenheilstätte in Windhuk 1933-1936, Bundesarchiv R 1001/5695 1171 Berichtdatenbank der bvmd (ehemals DFA), Berichte von drei Famulanten, u.a. Helena Kemper (mit Rückfrage). Abgerufen unter: bvmd.de/ausland/berichte/Namibia/Windhoek am 30. Januar 2013. 1168 267 5 Diskussion Die in Kapitel 3 beschriebenen Einrichtungen repräsentieren die Heilstättenbewegung in Preußen, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte. Um das Bild dieser medizinhistorischen Epoche auch im Überblick zu veranschaulichen, werden nachstehend vergleichende und zusammenfassende Betrachtungen vorgenommen. Dabei geht es nicht nur um die Darstellung der Ergebnisse zu den einleitend formulierten drei zentralen und zwei nachrangigen Zielsetzungen der Arbeit (vgl. 1.1), sondern auch um eine Hervorhebung besonderer Bewertungsaspekte, die Abgrenzung der vorliegenden Studie zu anderen Forschungsarbeiten und die Benennung von Vorschlägen für mögliche Anschlussprojekte. Zu den zusätzlich formulierten Einzelfragen wurde im Rahmen der einzelnen Abschnitte in Kapitel 3 Stellung genommen. 5.1 Ergebnisse zum Hauptteil der gestellten Aufgabe Als erstes Ziel der vorliegenden Arbeit galt es, den Untersuchungsgegenstand, d.h. die Standorte der Anstalten und das Ausmaß der Heilstättenbewegung, adäquat zu erfassen. Eine hierzu angefertigte Übersicht ermöglichte es, die rasche Entstehung der Heilstättenbewegung seit 1863 in Preußen aufzuzeigen. Der Höhepunkt der Entwicklung lag zwischen 1897 und 1905 (vgl. Abbildung 29). Die Einzelergebnisse zur ersten Zielsetzung wurden in Kapitel 3 dargestellt und durch ein karteiförmig gestaltetes Verzeichnis (im Anhang) ergänzt. Für die vorliegende medizinhistorisch-topografische Studie wurde bewusst das Staatsgebiet „Preußen“ ausgewählt, das für die Errichtung von Lungenheilstätten von großer Bedeutung war und das einen relativ homogenen politischen Bereich bildete. Zu Preußen gehörten auch die für die Gesamtentwicklung besonders wichtigen Anstalten in den Regionen Brandenburg, Harz und Riesengebirge. Über die Archivarbeit hinaus konnten fast alle Heilstätten bzw. die Plätze, an denen sich heute entweder neue Einrichtungen oder nur noch mehr oder weniger dem Verfall preisgegebene Gebäude befinden, besichtigt und fotografisch dokumentiert werden. Das zweite Ziel des Projekts war die Erforschung der Geschichte der einzelnen Heilstätten. Hier stellten die Planung, Finanzierung und Errichtung der Gebäude, der Aufbau der Kurprogramme für die Bekämpfung der Volksseuche und der Wandel der Behandlungsmethoden die wichtigsten Gegenstände der Untersuchung dar. Fragen der baulichen Gestaltung erfuhren in diesem 268 140! 120! 100! 80! 60! 40! 20! 0! ABB. 29 – DAS ANWACHSEN DER ZAHL DER LUNGENHEILSTÄTTEN IM UNTERSUCHUNGSGEBIET 1172 Zusammenhang ebenso Beachtung wie die Besonderheiten, die den Anstaltsbetrieb kennzeichneten. Das Ende der Heilstättenbewegung bedeutete auch in architektonischer Hinsicht einen Umbruch. Viele Einrichtungen wurden nach dem Ersten Weltkrieg in TuberkuloseFachkrankenhäuser und später in Rehabilitationskliniken umgewandelt. Einige Gebäude stehen heute leer. Als drittes Ziel der Untersuchung sollte die Frage nach der heutigen medizinischen Nutzung oder nicht-medizinischen Verwendung der Anstalten bzw. einzelner Heilstättengebäude beantwortet werden. Die ermittelten Ergebnisse hierzu wurden in besonderen Unterpunkten („Spätere Nachnutzung“) dargestellt. Dieses Thema betrifft vor allem die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der es für die Tuberkulosemedizin abermals eine Neuorientierung gab: Aufgrund der aufkommenden medikamentösen Therapie wurde der chirurgische Ansatz in den Hintergrund gedrängt. Die Fachkrankenhäuser näherten sich dadurch z.T. wieder dem Bild der herkömmlichen Heilstätten an, in denen sich die geschwächten Tuberkulosepatienten erholen 1172 Zahlengrundlage bilden die Tabellen in Kapitel 3.1, Heilstätten im Untersuchungsgebiet Preußen sowie in geografischer Nähe zu Preußen (Sachsen, Anhalt, Braunschweig und Sachsen-Weimar-Eisenach), 1863-1934. 269 konnten. Hinzu kam nunmehr die Kontrolle der medikamentösen Behandlung. 5.2 Das Ergebnis zu den nachrangigen Zielsetzungen Als nachrangige Zielsetzungen des Projekts waren zum einen die Klärung der sozialgeschichtlichen Hintergründe für die Ausbreitung der Tuberkulose und für die Entwicklung der Heilstättenbewegung sowie zum anderen die Darstellung der therapeutischen Methoden formuliert worden. Dieser Teil der Studie wurde in Kapitel 2 behandelt. Aus sozialgeschichtlicher Sicht sind die Heilstätten auch insofern interessant, als es sich hier um die ersten Krankenhausgebäude handelte, die von staatlichen Versicherungen errichtet wurden und vornehmlich finanziell schlechter gestellten Personen zugute kamen. Für die von der Tuberkulose besonders stark betroffene Arbeiterschicht kam es darauf an, sowohl Einrichtungen zur Überwindung der Erkrankung als auch prophylaktisch wirksame Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit in Anspruch nehmen zu können. Die Zahl der Häuser (weit über 100 in Preußen) verweist auf der einen Seite auf das große Ausmaß, das die Seuche Tuberkulose im ausgehenden 19. Jahrhundert erreicht hatte, zeugt aber auf der anderen Seite auch von einer deutlich wahrgenommenen öffentlichen Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung sowie von einem gewachsenen Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Medizin. Erkennbar sind nicht nur ein hohes Niveau der ärztlichen Kunst, sondern auch der gesellschaftliche Fortschritt des von Bismarck eingeführten Sozialversicherungsschutzes. Waren es vor Verabschiedung der Sozialversicherungsgesetze vor allem karitative Vereine, die die Kurkosten der aus ärmeren Schichten stammenden Tuberkulösen zahlten, übernahmen ab 1883 die Landesversicherungsanstalten die finanzielle Absicherung. Manchmal verfolgten sie dabei allzu einseitig das Ziel, die Erwerbsfähigkeit der Erkrankten möglichst bald wiederherzustellen. Die Tendenz, die Versorgung der Schwerkranken zu vernachlässigen, wurde kritisch hinterfragt. Die damit zusammenhängen Fragen sollten gesondert untersucht werden. 5.3 Vergleichende Betrachtungen Der Vergleich der Heilstätten lässt zunächst eine große Ähnlichkeit der Einrichtungen erkennen. Dieses Phänomen beruht auf der weitgehend einheitlichen Behandlungsweise, die sich, vor allem zu Beginn der Bewegung, am Therapiekonzept Hermann Brehmers (Görbersdorf) orientierte. Daraus resultierten auch die baulichen Gemeinsamkeiten der Heilstätten: Zu den Anstalten gehörten große Parkanlagen, in deren Eingangsbereich verschiedene Häuser errichtet wurden. Die Hauptgebäude waren in fast allen Fällen in Ost-West-Lage angeordnet, sodass die Zimmer 270 für die Patienten in Richtung Süden zeigten. Ein weiteres - baulich relevantes - allgemeines Merkmal der Heilstätten kam darin zum Ausdruck, dass sich auf dem Gelände der Anstalten in verstreuter Anordnung Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude, technische Einrichtungen (Wäscherei, Desinfektionsanlage, Maschinenhaus) und eine in der Regel etwas abseits gelegene Chefarztvilla befanden. Im Anstaltspark standen zudem meist hölzerne Liegehallen für die mehrstündigen Freiluft-Liegekuren. Neben Übereinstimmungen fielen auch Unterschiede auf: So verfügten einige Heilstätten wie z.B. Beelitz bei Berlin über mehr als 800 Betten, während viele andere Einrichtungen mit weniger als 100 Betten ausgestattet waren (vgl. 3.1). Erhebliche Abweichungen betrafen die Größe und die Ausstattung der Räume. In privat betriebenen Einrichtungen überwogen Ein- und Zweibettzimmer, in den Volksheilstätten der Landesversicherungsanstalten gab es oft sogar Schlafsäle. Die besonders großen Heilstätten glichen kleinen Dorfgemeinschaften mit den üblichen Einrichtungen (Postamt, Bäckerei, Fleischerei, Restaurant u.a.m.). Einige Anstalten besaßen eigene landwirtschaftlich genutzte Flächen und dazugehörige Gebäude (z.B. Speicher und Stallungen). Die Felder wurden entweder von eigens dafür eingestellten Hilfskräften oder von - bereits belastbaren - Kranken im Rahmen arbeitstherapeutischer Maßnahmen bestellt. Besonders in den Notzeiten im und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg waren die agrarischen Erzeugnisse für die Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung der Patienten hilfreich und manchmal sogar entscheidend wichtig. Von medizinhistorischem Interesse ist vor allem die Betrachtung der Behandlungsmethoden in den Heilstätten. Die Therapieprogramme wiesen aufgrund des stark wirksamen Vorbilds Görbersdorf (Dr. Brehmer) große Ähnlichkeiten auf. Partiell konkurrierende Konzepte hatten nur zeitweilige Bedeutung. In der Frühzeit der Heilstättenbewegung gab es verschiedene Lehrmeinungen zur Liegekur und zur Verabreichung von Alkohol. Für die Spätzeit gilt, dass die Einführung neuer Behandlungsmethoden in manchen Anstalten nur mit Verzögerung möglich war. So setzte nach dem Ersten Weltkrieg nicht überall zugleich ein Umdenken in der medizinischen Versorgung Tuberkulöser ein. Erst nach und nach wurden Einrichtungen für die Durchführung chirurgischer Eingriffe implementiert. 5.4 Der Wandel der Einrichtungen Im Rahmen der Heilstättenbewegung fanden mehrere grundlegende Wandlungen statt, deren Ursache vor allem der medizinische Fortschritt war, der die traditionellen Häuser schließlich sogar entbehrlich machte. Die erste große Veränderung betraf den künstlichen Pneumothorax in 271 der Therapie, der nach 1912 eingeführt wurde. Das ab Ende der 1940er Jahre zunehmend eingesetzte Streptomycin ließ langwierige Heilstättenbehandlungen überflüssig werden. Der Ausblick auf das bauliche Schicksal der ehemaligen Heilstätten lässt ein eher düsteres Bild erkennen. In den alten Bundesländern wurden viele Heilstättengebäude zwischen 1960 und 1990 abgerissen, und zwar meist, um modernen Rehakliniken oder touristisch genutzten Neubauten Platz zu machen. In den neuen Bundesländern entstand erst nach 1990 die Situation, dass sich für viele Heilstättenbauten keine weitere Verwendung mehr fand. Vorher waren die Gebäude beispielweise noch von der Sowjetarmee als Lazarette genutzt worden. Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Neuorientierung musste nach anderen Verwertungsmöglichkeiten für die Anstaltskomplexe gesucht werden. Ein Renovieren der Anlagen wäre in vielen Fällen zu kostspielig gewesen. Deshalb stehen in den neuen Bundesländern seit der Wende viele Häuser leer. Nur selten gelang es, die Einrichtungen z.B. als Krankenhaus oder Pflegeheim weiterzuverwenden. In den heute zu Polen oder zu Russland gehörenden ehemaligen preußischen Provinzen sind die meisten Heilstätten noch als Gesundheitseinrichtungen in Betrieb (z.T. auch noch als Fachkliniken für Lungenkrankheiten) und werden oft zugleich denkmalschützerisch gepflegt. 5.5 Bewertungsaspekte (Thesen) Die wesentlichen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich wie folgt hervorheben: (a) Es wird ein umfassender topografischer Überblick zur Heilstättenbewegung in Preußen für die Zeit von 1863 bis 1934 vorgelegt. (b) Es wird verdeutlicht, welche Behandlungsmethoden in den Tuberkuloseheilstätten der Kaiserzeit zur Anwendung kamen und welche grundlegenden Wandlungen sich hinsichtlich des Therapieprogramms seit der Eröffnung der ersten Heilstätte in Görbersdorf vollzogen. (c) Da die errichteten Anstalten auch nach dem Abklingen der Heilstättenbewegung noch erhalten blieben, wird auch auf die spätere Nutzung der Einrichtungen eingegangen. In diesem Rahmen ist auch der aktuelle Zustand der ehemaligen Heilstättengebäude in differenzierender Betrachtung erfasst worden. Auf dieser Grundlage lassen sich möglicherweise auch heute noch Ideen zur Wiederverwendung oder zur denkmalpflegerischen Erhaltung entwickeln. 272 (d) Viele Unterlagen über das Heilstättenwesen wurden von den Landesversicherungsanstalten vernichtet. Es war deshalb wichtig, die wenigen in verstreuten Archiven und Bibliotheken noch vorhandenen Quellen ausfindig zu machen, um dadurch auch Anschlussarbeiten zu ermöglichen. (e) Viele der ehemals preußischen Heilstätten (und der Ursprungsort der Heilstättenbewegung Görbersdorf) liegen heute in Polen. Wegen der möglichen Bedeutung der vorliegenden Arbeit für Projekte, die gerade diese Region betreffen, wurde für die noch vorhandenen Einrichtungen auch ihre heutige polnische Bezeichnung angegeben. Aus dem gleichen Grunde befindet sich am Ende der Arbeit eine Zusammenfassung in polnischer Sprache. (f) Außerhalb des Wissenschaftsbereichs bestehen Verwendungsmöglichkeiten für die erzielten Ergebnisse (Verwertung durch Genealogen, Heimatforscher, Museen und die heutigen Träger der Krankenhäuser). 5.6 Abgrenzung zu anderen Forschungsarbeiten Im Vergleich zu den bisher veröffentlichten Studien zur Heilstättengeschichte wurde in der vorliegenden Arbeit einerseits auf eine breite Erfassung der Einrichtungen und andererseits auf eine detaillierte Beschreibung der einzelnen örtlichen Besonderheiten Wert gelegt. Die Bearbeitung einer ähnlichen Aufgabenstellung findet sich nur in der Dissertation von Langerbeins.1173 Die Autorin verzichtet jedoch auf eine Analyse und Darstellung der Entwicklung im Hinblick auf die einzelnen Anstalten. In den Arbeiten von Hähner-Rombach1174 und Seeliger1175 wird zwar auf die Geschichte der Heilstättenbewegung sowie auf den sozialgeschichtlichen Hintergrund der Krankheit Tuberkulose näher eingegangen, aber es fehlt eine Bezugnahme auf die konkreten Einrichtungen. Außerdem konzentriert sich Hähner-Rombach in ihrer Untersuchung auf die Region Württemberg. In einem gewissen Sinne kann ihre Veröffentlichung deshalb als eine Ergänzung zu der vorliegenden Studie über die preußischen Heilstätten aufgefasst werden. Von Jungnickel existiert außerdem eine Überblicksarbeit zu den Einrichtungen für Lungentuberkulöse in Österreich.1176 Mattonet berichtet über die Heilstätten in der Schweiz.1177 1173 Langerbeins, Lungenheilanstalten in Deutschland 1854-1945, o. S. Hähner-Rombach, Sozialgeschichte der Tuberkulose, o. S. 1175 Seeliger, Die Volksheilstätten-Bewegung in Deutschland um 1900, o. S. 1176 Jungnickel, Lungenheilstätten in Österreich, o. S. 1177 Thomas Mattonet, Lungenheilstätten der Schweiz 1860-1918, Unveröffentl. Dissertation Uni Köln 1991, o. S. 1174 273 Condrau vergleicht in seiner im Jahre 2000 erschienenen Publikation vor allem Daten von Heilstättenpatienten in Preußen und in England. Er verwendet dafür u.a. Archivmaterial der Anstalten Oderberg und Elgershausen. Condraus Ergebnisbericht trägt den Titel „Lungenheilanstalt und Patientenschicksal“.1178 In enger Eingrenzung auf den Bereich Harz gibt es eine Master-Thesis von Hesse und eine populärwissenschaftliche Arbeit von Dörner zur lokalen Sanatoriengeschichte.1179 Für die Region Brandenburg liegt eine Dissertation von Schmitt zur Geschichte der Anstalt „Waldhaus Sommerfeld“ vor.1180 Keine der genannten Studien trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, dass gerade Preußen den besonderen Schwerpunkt der Heilstättenbewegung bildete und z.B. die Anstalten in Görbersdorf, Falkenstein und Beelitz eminent bedeutsam waren. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung schließen diese Lücke und könnten weitere Arbeiten zur Geschichte der Tuberkulose und der Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung im deutschen Kaiserreich anregen. Dazu würde auch die Beachtung von Regionen gehören (wie z.B. Bayern), über deren Anteil an der Heilstättenbewegung noch keine allgemeinen Erkenntnisse gewonnen worden sind. 5.7 Ausblick In Deutschland sind die Zeugnisse der einst mächtigen Heilstättenbewegung vielfach noch vorhanden, aber das Wissen um die große frühere Bedeutung der Einrichtungen gerät allmählich in Vergessenheit. Es ist deshalb eine unverzichtbare Aufgabe der medizingeschichtlichen Forschung, die Heilstättenbewegung zu dokumentieren, um die Erinnerung daran zu bewahren und das Geschehen insgesamt angemessen historisch zu würdigen. Noch wichtiger ist es aber vielleicht, das Bild von der damaligen Verbreitung der Tuberkulose und der Vielzahl der daraus entstandenen Behandlungseinrichtungen weiterzugeben und aufzuzeigen, welche gesellschaftlichen Probleme und wirtschaftlichen Defizite zu jenen physischen und psychischen Belastungen führten, die für die Zunahme der Erkrankungsraten maßgebend waren. Hier könnten weiterführende Projekte anschließen. Der Wandel in den Behandlungsmethoden ist ein zentrales medizingeschichtliches Thema. Auf die damit zusammenhängenden Fragen wurde deshalb in der vorliegenden Studie bewusst nur in eingeschränkter Weise eingegangen, weil die Aufgabe darin bestand, die Heilstättenbewegung 1178 Condrau, Lungenheilanstalt und Patientenschicksal, o. S. Hesse, Der Steierberg, o. S. und Dörner, Zauberberge im Harz, o. S. 1180 Schmitt, Leuchten wir mal hinein, o. S. 1179 274 krankenhausgeschichtlich in angemessener Breite zu untersuchen. Es erscheint aber als sehr sinnvoll, die therapiegeschichtlichen Vorgänge näher zu untersuchen. Der Überblick über die Heilstätten und ihre Entwicklung zeigt, dass das Ende der Bewegung mit Einführung der chirurgischen Behandlungsmethode nicht in einem engen Zeitraum erfolgte. Das lässt darauf schließen, dass das Verhältnis von internistischer und chirurgischer Behandlungsweise auch im Bereich der Tuberkulosebehandlung diskutiert wurde. Die genaue Untersuchung des Wandels in den Behandlungsmethoden wäre ebenfalls eine lohnend erscheinende Anschlussarbeit. Erstaunlicherweise sind keine vergleichenden Untersuchungen darüber zu finden, in welchem Maße z.B. die chirurgische Methode erfolgreicher war als die Anwendung des traditionellen Heilstättenkonzepts. Untersuchenswert erscheint auch die Frage, in welchem Maße die heute getrennt von den Lungenfachkrankenhäusern in Anspruch genommenen Rehakliniken die Tradition der Heilstätten - z. T. bzw. implizit - weiterführen. Streszczenie (Zusammenfassung in polnischer Sprache) Praca dotyczy gruźlicy płucnej na terenie Prus w ostatnim dwudziestopięcioleciu XIX wieku, jej znaczenia dla historii medycyny oraz rozwoju fenomenu jakim był „Heilstättenbewegung“, rozumianym jako „ruch uzdrowisk“. W niektórych regionach Niemiec zjawisko to miało szczególne znaczenie. W pracy wzięto pod uwagę wszystkie pruskie sanatoria posiadające co najmniej 75 łóżek dla osób chorych na gruźlicę i inne choroby płuc. Zebrane dane dotyczą sytuacji pacjentów, personelu i wykorzystywanych metod terapeutycznych w omawianych ośrodkach, jak i położenia sanatoriów oraz ich struktury budowlanej. Ponadto, w ramach tych badań wzięto pod uwagę literackie opisy życia codziennego pacjentek i pacjentów. Opisując powstawanie ruchu uzdrowisk, szczególnie dużo uwagi poświęcono doktorowi Hermanowi Brehmerowi, twórcy pierwszego sanatorium w śląskim Görbersdorfie. Bliższa analiza wykazała, że wraz z wprowadzeniem ubezpieczeń społecznych zaczął się okres tak zwanego „ruchu uzdrowisk społecznych“. W pracy tej są zatem również opisane praktyki instytucji ubezpieczeniowych, polegające na oferowaniu pobytu w sanatorium w pierwszej kolejności tym chorym, którzy rokowali prawdopodobny powrót do pracy. Dlatego też cechą 275 charakterystyczną ruchu uzdrowisk społecznych było nieczęste przyjmowanie osób ciężko chorych, mimo że grupa osób cierpiących na gruźlicę otwartą stanowiła zagrożenie zarówno dla zdrowia mieszkańców miast jak i pracowników przedsiębiorstw. Głównym etapem badań w tej pracy była szczegółowa analiza procesów przyczyniających się do rozwoju ruchu uzdrowiskowego oraz tych procedur, które wpłynęły później na zmiany metod leczniczych i samych ośrodków w świetle prawodawstwa socjalnego wprowadzonego przez Bismarcka. Dzięki tej politycznej podstawie taki rozwój ruchu uzdrowiskowego był możliwy. Po I Wojnie Światowej instytucje ubezpieczeniowe w większości zrezygnowały z budowy nowych uzdrowisk i skupiły się na programach tworzenia ośrodków opieki społecznej. Głównym celem tych ośrodków było profilaktyczne uświadamianie społeczeństwa o niebezpieczeństwach gruźlicy i proponowanie możliwości zapobiegawczych. Poza tym, część uzdrowisk zaczęto przebudowywać na szpitale wyspecjalizowane w chirurgicznym leczeniu gruźlicy, aby umożliwić pomoc osobom ciężko chorym. W latach 20 ubiegłego wieku założenia w leczeniu gruźlicy doktora Brehmera były uznawane w Prusach za coraz bardziej zbędne, co doprowadziło do schyłku ruchu uzdrowiskowego. Nie bez znaczenia był okres po odkryciu antybiotyku Streptomycyny, który po raz pierwszy zastosowano w Niemczech po roku 1945. W konsekwencji słabło zapotrzebowanie na uzdrowiska leczące choroby płuc. Ostatnie ośrodki tego rodzaju zamknięto w Niemczech w latach 80-tych XX wieku, a wiele historycznych budynków uzdrowiskowych które znajdowały się w byłych pruskich prowincjach, a należących obecnie do Polski, jest po dziś dzień wykorzystywanych w leczeniu chorób dróg oddechowych. Postęp medycyny spowodował koniec ruchu uzdrowisk i wykorzystywania ich infrastruktury uległ zmianie. Ponieważ nadal są one nazywane „uzdrowiskami“, poddano je analizie w niniejszej pracy. W tym kontekście zwrócono również uwagę na różniące się warunki w byłych pruskich prowincjach (stare landy, nowe landy oraz tereny należące dzisiaj do Polski i Rosji). 276 Literaturverzeichnis Andrae, o.A. (1896). Mittheilungen über das Genesungshaus Königsberg der Invaliditäts- und AltersversicherungsAnstalt Hannover. Hannover: Schmidt. Arendt, F. (1910). Die Kinderheilstätten vom Roten Kreuz in Hohenlychen, Hannover: Jänecke. Averbeck, H. (2012). 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Berliner Klinische Wochenschrift, 46, Sonderabdruck - Geheimes Preußisches Staatsarchiv, VI HA Althoff 307. Akten zum Gesundheitswesen in Ostpreußen, Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4213. 286 Akte zur Heilstätte Frauenwohl, Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4214. Akte zur Heilstätte Frauenwohl, Geheimes Preußisches Staatsarchiv, Akte I. HA Rep 76 VIII B 4213. Jahresberichte 1925-1927 der Lungenheilstätte Vollmarstiftung, Preußische Staatsbibliothek Berlin. 4 Td 10194.30. Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam Rathenower Lungenheilstätten-Verein, Bericht über die Verwaltung der am 28. September 1900 hierselbst eröffneten Lungenheilstätte. Erstattet in der Mitglieder-Versammlung vom 12. Februar 1902. Rathenow: Max Babenzien. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 1 Allg. Abt. 774. Aufnahmebedingungen der Berliner Lungenheilstätte „Schöneberg“ in Sternberg Nm., Februar 1930. Herausgegeben vom Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose in Schöneberg e.V. Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Rep. 55 VIIb 196. Der Vorstand des Rathenower Lungenheilstätten-Vereins, Aufnahme-Bedingungen der Heilstätte Stadtforst bei Rathenow. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 55 VIIb 203. Akte zur Heimstätte Schöneberg in Sternberg, Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Rep. 55 VIIb 196. Akte Provinzialanstalt Treuenbrietzen, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 55 Abt. I 286. Goecke, T. (1900): Die Lungenheilstätte der Landes-Versicherungs-Anstalt „Brandenburg“ in der Cottbuser Stadtforst bei Kolkwitz, in ihrer baulichen Anlage und Einrichtung beschrieben von ihrem Architekten Theodor Goecke. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep 1. Allg. Abt. 774. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Standorte Hannover und Wolfenbüttel Akten zu den Heilstätten Felixstift, Erbprinztanne und Schwarzenbach. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180 Hildesheim Nr. 03666-8. August Ladendorf, Achter Bericht der Heilanstalt für bedürftige Lungenkranke (Felix-Stift) in St. Andreasberg i. Harz, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, 1897, Hann. 180 Hildesheim Nr. 01317. Bericht aus der Heilstätte Albrechtshaus, Briefwechsel 1921, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel , 12 Neu 13, Nr. 13660-1. Bericht über die Heilstätte Glückauf. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180 Hildesheim Nr. 01320. Bericht über einen Besuch in der Heilstätte vom 18.1.1912, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-1. Berichte über Albrechtshaus, Briefwechsel, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 2842. Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg, 1897-1898 und Ärztlicher Bericht des Jahres 1898. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 180, Hild. Nr. 1319. Hausordnung für Heimstätte für Genesende bei Stiege. Herausgegeben vom Vorstand der Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Braunschweig, Vorsitzender Hassel in Braunschweig, 14. März 1897. Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 13660-2. Statistische Angaben über Albrechtshaus, Staatsarchiv Wolfenbüttel, 12 Neu 13, Nr. 11551. Übersicht der im Harze gelegenen Sanatorien der LVA Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Han 122a XII Nr. 3068. 287 Staatsarchiv Hamburg Akte zum Invalidenheim bei Großhansdorf, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0806. Die vorbeugende Krankenpflege und die Invalidenfürsorge der Landes-Versicherungsanstalt der Hansestädte, Staatsarchiv Hamburg, A 803 / 0801. Die Heilstätte Oderberg bei St. Andreasberg. Lübeck: Gebrüder Borches. Staatsarchiv Hamburg, A 815 / 0009. Aufnahme-Bedingungen der Heilstätte Edmundsthal, Staatsarchiv Hamburg, A 834/0033, Kapsel 01. Stiftungs-Urkunde und Satzungen der Heilstätte für unbemittelte Tuberkulose-Kranke, Staatsarchiv Hamburg, A 858 / 0166 / Kapsel 02. 100 Jahre Edmundsthal- Siemerswalde 1899-1999, Schwarzenbek: Lauenburgische Buchdruckerei, Staatsarchiv Hamburg, A 834 / 0801 / Kapsel 01. Landesarchiv Berlin-Reinickendorf Akten und Berichte zu den im Stadtgebiet Berlin befindlichen Heilstätten: Landesarchiv Berlin, A Rep 302, Nr. 148; Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 1970; Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 1971; Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 2000; Landesarchiv Berlin, A Rep. 000-02-01 Nr. 2758; Landesarchiv Berlin, A Rep 255, Nr. 512. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Akte Gesundheitswesen Baltikum, Bundesarchiv, R / 90 / 370. Akte zur Heilstätte Hebron-Damnitz, Bundesarchiv R 86 / 1169. Akte zu Heilstätten im Harz, Bundesarchiv DQ 1, Akten Nr. 120, 389, 511 und 986. Der Stand der Tuberkulose-Bekämpfung im Frühjahr 1901. Bundesarchiv R 86 / 1169. Reichskolonialamt, Bau einer Lungenheilstätte in Windhuk 1933-1936, Bundesarchiv R 1001/5695. Landeshauptarchiv Magdeburg Aktenbestand LVA Sachsen, Landesarchiv Magdeburg, C 20 Ib 1535 IV. Bekämpfung der Tuberkulose im Mittelstand, 1912-1914, Landeshauptarchiv Magdeburg, C 20 Ib, 1535 I. Bericht über die Geschäftsjahre 1912-1914 der Kinderheilstätte Oranienbaum, Landesarchiv Magdeburg, C 20 Ib, 1535 II. Lageplan der Heilstätte Schielo, Blatt 20. Mappe C 92, Nr. 5209 / 1-70. Lageplan Schielo, Landesarchiv Magdeburg, Mgw K9 1374 (Lageplan s. Blatt 159). Sonstige Archive Archiv des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin, Inv. Nr. B 2374,049. Geschäftsbericht der LVA Hannover für das Jahr 1969. Unveröffentlicht, Archiv der DRV Standort Laatzen. Bericht über die Verwaltung des Genesungshauses Königsberg bei Goslar. Niedersächsische Staatsbibliothek Göttingen 4 MED FOR 528/161, 1897. Geschäftsbericht über die Heilstätte der Landes-Versicherungsanstalt Sachsen-Anhalt bei Schielo (Ostharz) für die Zeit vom 3. Oktober 1905 bis 30. Juni 1908. Merseburg: Stollberg. Bayrische Staatsbibliothek München, 4 Pol.civ. 62 k. Grundstücksakte des Königsberg-Sanatoriums im Bauamt der Stadt Goslar, eingesehen im Januar 2013. 288 Danksagung Ich danke Herrn Prof. Dr. Hess für die Überlassung des Themas und Herrn PD Dr. Beddies für die sehr hilfreiche Betreuung des Projekts. 289 Eidesstattliche Versicherung Ich, Andreas Jüttemann, versichere an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorgelegte Dissertation mit dem Thema: Die preußischen Lungenheilstätten 1863-1934 - unter besonderer Berücksichtigung der Regionen Brandenburg, Harz und Riesengebirge selbstständig und ohne nicht offengelegte Hilfe Dritter verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel genutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder dem Sinne nach auf Publikationen oder Vorträgen anderer Autoren beruhen, sind als solche in korrekter Zitierung (siehe „Uniform Requirements for Manuscripts (URM)“ des ICMJE -www.icmje.org) kenntlich gemacht. Die Abschnitte zu Methodik (insbesondere praktische Arbeiten, Laborbestimmungen, statistische Aufarbeitung) und Resultaten (insbesondere Abbildungen, Graphiken und Tabellen) entsprechen den URM (s.o) und werden von mir verantwortet. Meine Anteile an etwaigen Publikationen zu dieser Dissertation entsprechen denen, die in der untenstehenden gemeinsamen Erklärung mit dem/der Betreuer/in, angegeben sind. Sämtliche Publikationen, die aus dieser Dissertation hervorgegangen sind und bei denen ich Autor bin, entsprechen den URM (s.o) und werden von mir verantwortet. Die Bedeutung dieser eidesstattlichen Versicherung und die strafrechtlichen Folgen einer unwahren eidesstattlichen Versicherung (§156,161 des Strafgesetzbuches) sind mir bekannt und bewusst.“ ............................................. Unterschrift des Doktoranden 290 Anteilserklärung an erfolgten Publikationen Andreas Jüttemann hatte Anteil an den folgenden Publikationen: Publikation 1: Jüttemann, A. (2013): Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Berlin bei Beelitz i/Mark: [Rezension zum] Vorwort zum Nachdruck zu einer Denkschrift, herausgegeben von der Landesversicherungsanstalt Berlin. Stuttgart: Wasmuth 2012. Pneumologie, 67(6), 326. Publikation 2: Jüttemann, A. (2014): 150 Jahre Lungenheilstätte Görbersdorf (Sokolowsko). Pneumologie, 68(7), 481-487. Publikation 3: Jüttemann, A. (2014): 100 Jahre Oskar-Helene-Heim – ein Nachruf. Das orthopädische Pionierkrankenhaus im Südwesten Berlins. Z Orthop Unfall, 152, 572-576 [Das Oskar-Helene-Heim war eine Fachklinik für Knochen- und Gelenktuberkulose]. Publikation 4: Jüttemann, A. (2015): Die Heilstätten für Tuberkulose im sächsischen Bergland. Ärzteblatt Sachsen, 2, 77-80. Publikation 5: Jüttemann, A. (2015): History of the Prussian tuberculosis sanatorium movement, 1863-1934. The brief history of the Prussian tuberculosis sanatorium movement in today Western Polish landscapes and its first site in Sokolowsko, Lower Silesia. Acta Medicorum Polonorum, 5, 5-14 Publikation 6: Jüttemann, A. (i. Dr.): Peter Dettweiler und die ersten Ansätze der Hygieneerziehung in den Tuberkulose-Heilstätten der Kaiserzeit. In: Kristian Köchy, Stefan Majetschak (Hrsg.): Lebenswissenschaften im Dialog. Freiburg: Karl Alber. ............................................. Unterschrift des Doktoranden 291 Lebenslauf Mein Lebenslauf wird aus datenschutzrechtlichen Gründen in der elektronischen Version meiner Arbeit nicht veröffentlicht. 292 Publikationsliste Bereich Medizin und Medizingeschichte Jüttemann, A. (2015): History of the Prussian tuberculosis sanatorium movement, 1863-1934. The brief history of the Prussian tuberculosis sanatorium movement in today Western Polish landscapes and its first site in Sokolowsko, Lower Silesia. Acta Medicorum Polonorum, 5, 5-14 Jüttemann, A. (2015): Eine kurze Notiz zur Geschichte der Ärztevereine zu Merseburg und Halle. Ärztebl Sachsen-Anhalt, 26(4), 35-36. Jüttemann, A. (2015): Die Heilstätten für Tuberkulose im sächsischen Bergland. Ärztebl Sachsen, 3, 77-80. Jüttemann, A. (2015): Die norwegischen Entbindungs- und Kinderheime der nationalsozialistischen Lebensborn-Organisation, 1940–1945. Der Gynäkologe, 2, 181-184. Jüttemann, A. (2014): 100 Jahre Oskar-Helene-Heim – ein Nachruf. Das orthopädische Pionierkrankenhaus im Südwesten Berlins. Z Orthop Unfall, 152, 572-576. Jüttemann, A. (2014): 50 Jahre Halle-Neustadt – eine kurze Notiz zur Medizingeschichte der Trabantenstadt. Ärztebl Sachsen-Anhalt, 25(9), 19. Jüttemann, A. (2014): Hundert Jahre danach: Das spurlose Verschwinden der ehemaligen Frauenklinik der Freien Universität Berlin. Der Gynäkologe,C47, 448–450. Jüttemann, A. (2014): 150 Jahre Lungenheilstätte Görbersdorf (Sokołowsko). Pneumologie, 68(7), 483-487. Jüttemann, A., Richter, F., Wagner, C. & Dewey, M. (2014): Die Situation der Doktoranden an der Charité, zehn Jahre nach Einrichtung eines Promotionskollegs. Vergleichende Evaluationen 2001 und 2011. Dtsch med Wochenschr, 139(15), 767-773. Jüttemann, A. (2013): Buchbesprechung zum Nachdruck der Denkschrift „Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Berlin bei Beelitz i/Mark“ 1927. Pneumologie, 67(6), 326. Jüttemann, A., May, A. & Steger, F. (2013): About the different handling of medicalhistorically significant (psychiatric) sanatoriums in the regions of Halle/Saale and Poznan (using the examples of Nietleben and Międzyrzecz). 25th Bilateral Poznań – Halle Symposium. Perspectives and Challenges in Medicine 1975–2013. Posen: Eigenverlag der medizinischen Hochschule. Bereich Psychologie Jüttemann, A. (2011): Das deutsch-polnische Verhältnis aus der heutigen Sicht der Heimatvertriebenen. München: Grin. Jüttemann, A. (2007): Romantische Wanderliteratur kulturpsychologisch betrachtet - am Beispiel Heines Harzreise. München: Grin. Jüttemann, A. (2006): Doppelkarrierepaare. Partnerschaftstypen, berufsbedingte Belastungen und arbeitsmarktspezifische Mobilitätsanforderungen. München: Grin. Bereich Stadtgeschichte Jüttemann, A. (2015): Potsdam. Halle: Mitteldeutscher Verlag. Jüttemann, A. (2015): Berlin-Düppel. Berlin: Pharus Plan. [2. Auflage erschienen 2015] Jüttemann, A. (2014): Berlin-Schmargendorf. Berlin: Pharus Plan. Jüttemann, A. (2013): Ostpreußenviertel Berlin-Westend. Berlin: Pharus Plan. Behling, K. & Jüttemann, A. (2012): Berlin Teufelsberg: Outpost in the Middle of Enemy Territory. Berlin: Berlin Story. 293 Behling, K. & Jüttemann, A. (2011): Der Berliner Teufelsberg. Trümmer, Truppen und Touristen. Berlin: Berlin Story. [2. Auflage erschienen 2014] Jüttemann, A.; Lemke, H. & Schröder, H. (2010): Schlachtensee-West. Häuser und Bewohner der Villenkolonie. Berlin: Schroederniko. Jüttemann, A. (2009): Landhäuser und Villen in Berlin und Potsdam, Band 7. Nikolassee-Ost. Bremen: Aschenbeck. 294 Anhang Überblick über die preußischen Lungenheilstätten (ab einer Größe von 75 Betten, ohne Kinderheilstätten) Abschnitte: B H HN O P PW R S SA SH W Provinz Brandenburg (mit dem Verwaltungsbezirk „Berlin“) Provinz Hannover Provinz Hessen-Nassau Provinz Ostpreußen Provinz Pommern Provinzen Posen und Westpreußen (ab 1919: Grenzmark Posen-Westpreußen) Rheinprovinz (mit Saargebiet) Provinz Schlesien (ab 1919: Provinzen Nieder- und Oberschlesien) Provinz Sachsen (und eingeschlossene bzw. angrenzende Staaten: Königreich Sachsen, Anhalt, Braunschweig und Sachsen-Weimar-Eisenach) Provinz Schleswig-Holstein Provinz Westfalen Die Angaben zu Bettenkapazitäten (im Anhang) beziehen sich - sofern nicht anders angegeben - auf das Jahr 1930. Quellen hierzu vgl. Kapitel 3.1. Bildnachweise im Anhang sind als Abkürzung aufgeführt und weisen auf Literatur hin, die im Literaturverzeichnis der vorliegenden Arbeit zu finden sind. Der Verweis erfolgt an der Stelle der erstmaligen Verwendung im Anhang. Hinweis zu den historischen Fotos und Karten: Bei historischen Fotos, die nicht eindeutig gemeinfrei sind, folge ich der sog. „pragmatischen Regelung“ der deutschen Wikipedia „bei Bildern, die älter als 100 Jahre sind“ bzw. der sog. „pragmatische Regelung bei Bildern, die vor 1923 veröffentlicht wurden“: „Bilder, die nachweislich 100 Jahre oder älter sind, sofern der Name des Urhebers oder dessen Todesdatum auch nach gründlicher Recherche in Suchmaschinen, Datenbanken und biografischen Nachschlagewerken nicht herausgefunden werden kann“ dürfen genutzt werden, obwohl es denkbar wäre, „dass der Urheber noch keine 70 Jahre tot ist (Beispiel: das Foto wurde 1905 von einem 25jährigen geschaffen, dieser starb 1960 im Alter von 80 Jahren).“1181 Historische Lagepläne sowie im Anhang mit „HI“ gekennzeichnete historische Ansichtskarten einzelner Heilstätten, insbesondere in Brandenburg, Schlesien, Pommern und Ostpreußen, sind mir dankenswerterweise für die vorliegende Arbeit vom Herder-Instituts Marburg zur Verfügung gestellt worden, und zwar in Verbindung mit einer Genehmigung des Abdrucks (Schreiben vom 11. März 2014). Es erfolgt keine Onlineveröffentlichung. Die Kartenausschnitte von Berlin und Beelitz-Heilstätten sind dem Project MapBox Street entnommen. Die Genehmigung dazu wurde am 22. Januar 2013 erteilt. Die Kartendaten stammen von den „OpenStreetMap contributors“. Die Daten wurden lizensiert mit der „Open Data Commons Open Database License“ und sind von “MapBox” bearbeitet worden (according to the MapBox Terms of Service http://mapbox.com/about/maps). Historische Kartenausschnitte, die nach 1923 erschienen, wurden ebenfalls nicht online veröffentlicht. 1181 Infoseite der deutschen Wikipedia zur pragmatischen Regelung bei historischen Bildern, abgerufen unter: de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Bildrechte am 21. Februar 2014 295 Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Beelitz Heilstätten der LVA Berlin Eröffnung 1902 Bauherr LVA Berlin Architekten Heino Schmieden, Julius Boethke, Fritz Schulz Kapazität 480 Männer und 420 Frauen (inkl. auch nichttuberkulöse Patienten) Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung 1945, Nutzung als als TBsowjetisches Krankenhaus Militärkrankenhaus bis 1992 Heutiger Zustand ¾ der Gebäude stehen seit 1994 Leer. ¼ ist als Neurologische Rehaklinik, Hotel, Wohngebäude oder Gastronomie in Betrieb. Heutiger Name Neurologische Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten Adresse (gesamter Ortsteil) D - 14547 BeelitzHeilstätten Internetseite www.klinikenbeelitz.de Bibliografie: Fuchs, Petra, Liebner, Petra & Schulz, Marco: Heilstättenbewegung in Brandenburg – Das Beispiel der Lungenheilstätten in Kolkwitz, Hohenlychen und Beelitz, In: Wolfgang Hofmann, Kristina Hübener und Paul Meusinger (Hrsg.): Fürsorge in Brandenburg : Entwicklungen - Kontinuitäten – Umbrüche. Berlin: be.bra Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) LVA Berlin (Hrsg.), Die Heilstätten der Landesversicherungsanstalt Berlin bei Beelitz i/Mark. Stuttgart 1927, Nachdruck 2012 bei Wasmuth. Sonja Brandt, Marie-Luise Buchinger und Marcus Cante, Die Beelitzer Heilstätten, Landesdenkmalamt Brandenburg: 1997 Bildnachweise: AJ 2012 und 2013. / Sammlung AJ Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Bad Belzig Heilstätte der Bleicheröder-Stiftung Eröffnung 1900 Bauherr BerlinBrandenburger Heilstättenverein für Lungenkranke Architekten Friedrich Körte und Konrad Reimer Kapazität 134 Männer und Frauen, 40 Kinder Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung 1930 – 1945 als TBwurden keine TBKrankenhaus Kranken aufgenommen, endgültige Schließung für TB-Kranke 1972 Heutiger Zustand Altbau als Rehaklinik in Betrieb Heutiger Name Reha Klinikum „Hoher Fläming“ im Oberlinhaus gGmbH Adresse Hermann-LieljeStraße 3, D-14806 Bad Belzig Internetseite rehaklinikumoberlinhaus.de Bibliografie: Helga und Günter Kästner, Zur Geschichte einer Klinik. Von der Lungenheilstätte zum Reha Klinikum „Hoher Fläming“ Bad Belzig 1900-2010. Potsdam: Oberlinhaus 2010 Bildnachweise: HE, TA (beide oben), Sammlung AJ, AJ, NI Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Berlin Heimstätten der Stadt Berlin (mit mehreren Standorten im Stadtgebiet) Eröffnung 1892 (Malchow), 1893 (Blankenfelde) 1902 (Gütergotz) 1905 (Buch) 1947 (Heckeshorn) 1950 (Havelhöhe) Bauherr Stadt Berlin, tlws. unter Nutzung bestehender Gutshäuser oder Militärgebäude Architekten David Gilly (Gütergotz), Ludwig Hoffmann (Buch), Eduard Jobst Foto: Sanatorium Gütergotz, AJ 2013 Siedler (Heckeshorn), Richard Binder, J. Braun und Alfred Gunzenhauser(Havelhöhe) Kapazität 104 Frauen (Malchow), 78 Männer (Blankenfelde); 98 Männer (Gütergotz), 150 Männer und Frauen (Buch), 450 Männer und Foto Malchow AJ 2014 Frauen (Heckeshorn,1954), 112 Männer und Frauen (Havelhöhe, 1950) Heutiges Bundesland Berlin (außer Gütergotz, heute Güterfelde, Brandenburg) Schließung als Lungenklinik unbek. (Malchow) 1933 (Blankenfelde) 1927 (Gütergotz) 1942 (Buch) 2007 (Heckeshorn, zuletzt Lungenklinik) 1976 (Havelhöhe) Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Heutiger Zustand Obdachlosenheim (Malchow), Wohnnutzung (Blankenfelde, Gütergotz), Leerstand seit 1992 (Buch) bzw. seit 2007 (Heckeshorn), Altbauten als Klinik in Betrieb (Havelhöhe) Adressen: Wartenberger Weg 4, D- 13051 Berlin (Malchow); Hauptstraße 24-30, Foto Heckeshorn AJ 2014 D-13159 Berlin (Blankenfelde); Lindenallee 30, D14532 Stahnsdorf OT Güterfelde (Gütergotz); AltBuch 74, D-13125 Berlin (Buch) Am Heckeshorn 33, D-14109 Berlin (Heckeshorn) Kladower Damm 221, 14089 Berlin (Havelhöhe) Bibliografie: Foto Havelhöhe AJ 2014 Dirk Kaiser und Robert Loddenkemper (Hrsg.): Von der Phthisiologie zur Pneumologie und Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht Thoraxchirurgie. 60 Jahre in der Onlineversion verfügbar. Lungenklinik Heckeshorn, Stuttgart: Thieme 2007 Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Cottbus Heilstätte Kolkwitz Eröffnung 1900 Bauherr LVA Brandenburg Architekten Theodor Goecke, Cordier und Meyer Kapazität 170 Frauen Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung 1972, Umwandlung als TBin eine Rehaklinik Krankenhaus Heutiger Zustand Leerstand seit 2007 Heutiger Name Goecke Village Park Adresse Am Klinikum Kolkwitz D- 03099 Cottbus Internetsteite www.kolkwitz.de/ve rzeichnis/objekt.ph p?mandat=47542 Bibliografie: Fuchs, Petra, Liebner, Petra & Schulz, Marco: Heilstättenbewegung in Brandenburg – Das Beispiel der Lungenheilstätten in Kolkwitz, Hohenlychen und Beelitz, In: Wolfgang Hofmann, Kristina Hübener und Paul Meusinger (Hrsg.): Fürsorge in Brandenburg : Entwicklungen - Kontinuitäten – Umbrüche. Berlin: be.bra Goecke, Theodor (1900): Die Lungenheilstätte der LandesVersicherungs-Anstalt „Brandenburg“ in der Cottbuser Stadtforst bei Kolkwitz, in ihrer baulichen Anlage und Einrichtung Bildnachweise: NI (oben und Foto Mitte unten), AJ beschrieben von ihrem Architekten 2013 (beide unten), TA (Grafik Mitte oben). Theodor Goecke. Brandenburg. Landeshauptarchiv. Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Kremmen-Sommerfeld Tuberkulose-Krankenhaus Waldhaus Charlottenburg Eröffnung 1914 Bauherr Stadt Charlottenburg Architekten Heinrich Seeling und Richard Ermisch Kapazität 178 Männer, 124 Frauen, 40 Kinder Heutiges Bundesland Brandenburg Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Schließung als 1987 Lungenklinik Heutiger Zustand Altbauten als orthopädische Rehaklinik in Betrieb Heutiger Name Sana Kliniken Sommerfeld Adresse Waldhausstraße 44 D- 16766 Kremmen Bildnachweise: AJ 2012 (Mitte/u.l.), Sammlung AJ (unten und unten rechts) www.sana-hu.de Internetseite Bibliografie: Andreas Schmitt: Leuchten wir mal hinein. Das Waldhaus Charlottenburg in Sommerfeld/Osthavelland 19051945. Diss. FU Berlin 1999. Gerhard Vinken, Die Lungenheilstätte „Waldhaus Charlottenburg“ von Heinrich Seeling. Alpenidylle in der Nähe Berlins. Brandenburgische Denkmalpflege, 4(2), 1995 Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Lychen Kaiserin-Augusta-Volksheilstätte Hohenlychen Eröffnung 1902 Bauherr Volksheilstättenver ein des Roten Kreuzes Architekten Hakenholz und Brandes, Hannover Kapazität 136 Frauen, 70 Kinder mit LungenTB (und 75 Kinder mit anderen TBFormen) Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung als 1933, danach Lungenklinik Nutzung als Klinik für Sport- und Arbeitsmedizin bis 1945, dann Militärlazarett der Sowjetarmee Heutiger Zustand Leerstand seit 1993, tlws. Einzelhäuser Wohnnutzung Adresse Pannwitzallee, D-17279 Lychen Internetseite tourismus.lychen.de Bildnachweise: FA 1910 (oben) / AJ 2014 (unten) Bibliografie: Fritz Arendt, Die Kinderheilstätten vom Roten Kreuz in Hohenlychen, Hannover: Jänecke, 1910 (FA) Fuchs, Petra, Liebner, Petra & Schulz, Marco: Heilstättenbewegung in Brandenburg – Das Beispiel der Lungenheilstätten in Kolkwitz, Hohenlychen und Beelitz, In: Wolfgang Hofmann, Kristina Hübener und Paul Meusinger (Hrsg.): Fürsorge in Brandenburg : Entwicklungen - Kontinuitäten – Umbrüche. Berlin: be.bra Hans Waltrich, Aufstieg und Niedergang der Heilanstalten Hohenlychen 1902-1945. Blankensee: strelitzia 2001 Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Bildnachweise: AJ 2014 (erste und zweite Reihe), FA (dritte Reihe) Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Müllrose Heilstätte Eröffnung 1907 Bauherr Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker zu Berlin Architekten Hakenholz und Brandes, Hannover Kapazität 42 Männer, 58 Frauen Heutiges Bundesland Brandenburg Seehöhe 90 m Schließung als 1974, Umwandlung Lungenklinik in ein Seniorenheim Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Heutiger Name Altenpflegeheim Gut Zeisigberg Adresse Am Zeisigberg 6, D-15299 Müllrose Internetseite www.pflegeheimmuellrose.de Bibliografie: Dr. Ziemer, Holubar und Joachim Pirwitz, 50 Jahre Heilstätte Müllrose. 50 Jahre Bekämpfung der Lungentuberkulose. 10 Jahre Wiederaufbau, 1957 Bildnachweise: AJ 2015 (Mitte und unten), Sammlung AJ um 1930 (oben), NI (links) Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Oranienburg Volksheilstätte des Roten Kreuzes am Grabowsee Eröffnung 1896 Bauherr Volksheilstättenver ein des Roten Kreuzes Architekten Heino Schmieden und Julius Boethke sowie Arnold Beschoren (ab 1926) Kapazität 320 Männer Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung als Lungenklinik 1991-1993 (zuletzt Lungenklinik der Sowjetarmee) Heutiger Zustand Leerstand seit 1993, z.Zt. gepachtet von einem Verein (Nachnutzung als Jugendzentrum angedacht) Heutiger Name KidsGlobe e.V. Adresse Malzer Weg 17, D16515 Oranienburg Internetseite www.kidsglobe.de Bibliografie: Arnold Beschoren (1929): Lungenheilstätte Grabowsee der Landesversicherungsanstalt Brandenburg, Bauwelt Zeitschrift für das gesamte Bauwesen, 20. Bildnachweis: Sammlung AJ (oben/unten rechts und Folgeseite unten), AJ 2011 (Mitte und Folgeseite oben). Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Rathenow Heilstätte Stadtforst Eröffnung 1900 Bauherr Rathenower Lungenheilstättenverein (AOK und Stadt Rathenow, LVA Brandenburg und Kreis Westhavelland) Architekten Adolf Stegmüller Kapazität 58 Männer, 37 Kinder Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung 1966, Umwandlung als TBin ein Krankenhaus Seniorenheim Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Heutiger Name Seniorenpark Stadtforst der Havelland Kliniken Adresse Stechower Landstraße 3, D14712 Rathenow Internetseite www.havellandkliniken.de/Wohnund-Pflegezentru m-Havelland/wohn en-seniorenparkstadtforst.html Bibliografie: Richard August Muttray, Die Lungenheilstätte Rathenow als Beispiel einer für mittlere Städte und kleinere Gemeinden geeigneten Anstalt. Ohne Angabe zum Verlag 1902. Bildnachweise: IV 1930 (oben), AJ 2012 (Mitte und unten) Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Sternberg/Neumark Heimstätte der Stadt Schöneberg Eröffnung 1907 Bauherr Schöneberger Heilstättenverein Architekten unbekannt Kapazität 102 Frauen (bis 1921 auch Männer) Heutige Lebuser Land / Woiwodschaft Lubuskie Seehöhe 130 m Schließung Als Lungen- und als TBTuberkulosefachKrankenhaus klinik in Betrieb Heutiger Zustand Altbauten als kardiologische und Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht pneumologische in der Onlineversion verfügbar Fach- und Rehaklinik in Betrieb Heutiger Name Lubuski Szpital Specjalistyczny PulmonologicznoKardiologiczny Adresse Biernackiego, PL66235 Torzym Internetseite szpitaltorzym.pl Bildnachweise: NI 1912 (oben rechts und unten links), AJ 2012 (Rest) Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Trebschen Lungenheilstätte der Vollmarstiftung Eröffnung 1920 Bauherr Prinz Heinrich VII und Prinzessin Marie-Alexandrine Reuß (1905 als Sanatorium) Architekten Max Schündler (Außen) und Henry van de Velde (Innen) Kapazität 110 Männer und Frauen Heutige Lebuser Land / Woiwodschaft Lubuskie Schließung als Lungenklinik 1965, Umwandlung in eine Nervenheilanstalt (bis 1974) Heutiger Zustand Seniorenheim Heutiger Name Dom Pomocy Społecznej w Trzebiechowie Adresse ul. Sulechowska 1, PL-66-132 Trzebiechów Internetseite www.dps.trzebiech ow.bip.net.pl Bibliografie: Antje Neumann und Brigitte Reuter, Henry van de Velde in Polen/w Polsce. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen/Trzebiechów. Potsdam: Deutsches Kulturforum östliches Europa 2007 Bildnachweise: AJ 2012 Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang B – Provinz Brandenburg (mit Berlin) Treuenbrietzen Brandenburgisches Tuberkulosekrankenhaus Eröffnung 1927 (zuvor seit 1916 Wanderarbeitsheim) Bauherr Provinzialverband Brandenburg Architekten Hecht, Grohte, Luther und Meier Kapazität 202 Frauen, 102 Kinder Heutiges Bundesland Brandenburg Schließung als Lungenklinik 1945, seit 1998 wieder Fachklinik für allg. Pneumologie Heutiger Zustand Altbauten in Betrieb Heutiger Name JohanniterKrankenhaus im Fläming Treuenbrietzen Adresse Johanniterstraße 1, D-14929 Treuenbrietzen Internetseite johanniter.de/einric htungen/krankenha us/treuenbrietzen/ Bibliografie: Richard Lang, Das Brandenburgische Tuberkulosekrankenhaus in Treuenbrietzen, Berlin 1928 (RL) Heimendahl, Klaus von, Das Johanniter-Krankenhaus in Treuenbrietzen. Berlin: Be.bra Wissenschaft, 2003 Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang H – Provinz Hannover St. Andreasberg Heilstätte Oderberg-Gebhardsheim Baujahr 1897 Bauherr Hanseatische Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversicherung Architekt Erdmann Hartig Kapazität 165 Männer Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 640 m Schließung als Lungenklinik 1975, danach Herz-KreislaufFachklinik Heutiger Zustand Altbau in den 1960er Jahren abgerissen, Leerstand des Neubaus Letzter Name Rehberg-Klinik (vor der Fachklinik für Schließung) Orthopädie und Innere Medizin Adresse: Braunlager Str. 25, D-37444 St. Andreasberg < Einzig erhaltener Altbau ist die ehem. Arztvilla Bildnachweise: NI 1912 (oben), AJ 2012 (Mitte und links), Sammlung AJ (unten rechts) Anhang H – Provinz Hannover St. Andreasberg Heilstätte Glückauf Eröffnet 1899-1900 Bauherr Hanseatischen Versicherungsanstalt für Invaliditäts- und Altersversicherung Architekt Theodor Sartori, Lübeck, tlws. Nutzung eines vorhandenen Privathauses Kapazität 130 Frauen Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 620 m Schließung als Lungenklinik 1956 Umwandlung in ein Sanatorium für Bronchialkranke, Schließung 1970, Heutiger Zustand Abriss 1972 Adresse: (ungefähr): Braunlager Str. 2, D-37444 St. Andreasberg (Paganettisches Haus vor Bau der Heilstätte um das Gebäude herum) Bildnachweise: HH (oben und unten links), Sammlung AJ (Mitte und unten rechts) Anhang H – Provinz Hannover St. Andreasberg Felixstift / Andreasheim Baujahr 1899 Bauherr LVA Hannover Architekten Unbekannt (aus Hannover) Kapazität 85 Frauen Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 620 m Schließung als Lungenklinik 1967 Heutiger Zustand Abriss am 28.9.1968 Adresse: (ungefähr), St.Andreas-Weg 7-8 D-37444 St. Andreasberg Bildnachweise: NI 1913 (oben und Mitte), IV 1930 (unten links), Sammlung AJ (unten rechts) Anhang H – Provinz Hannover Goslar Genesungshaus Königsberg Eröffnet 1895 Bauherr (Hauptgebäude ursprünglich 1892 erbaute Privat-Villa „Jäger“), ab 1896/ Nebengebäude: Invaliditäts- und Altersversicherung s-Anstalt Hannover Architekten Geburch, Goslar Kapazität 75 Frauen Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 450 m Schließung 1970, Umwandlung als Lungenklinik in ein Kinderheim Letzter Name Corneliusvor Schließung Helferich-Stiftung Heutiger Zustand Leerstand seit 1984, Hauptgebäude 2009 abgebrannt Adresse: Nonnenberg 8, D-38644 Goslar Bildnachweise: NI 1913 (oben), AJ (Mitte und Folgeseite erste Bildreihe: 2012, Folgeseite zweite Bildreihe: 2013), HH (Folgeseite Mitte und unten). Anhang H – Provinz Hannover Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang H – Provinz Hannover Clausthal-Zellerfeld Genesungshaus Erbprinzentanne Baujahr 1898 Bauherr Invaliditäts- und Altersversicherung s-Anstalt Hannover Architekten Baurat Rühlmann, Zellerfeld Kapazität (mit Jahr) 90 Männer Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 570 m Schließung als Lungenklinik 1972 Letzter Name DRV-Fachklinik (vor Erbprinzentanne Schließung) (Innere Medizin) Heutiger Zustand Altbauten 19571962 abgerissen, Neubau steht seit 2011 leer Adresse: Goslarsche Str. 80, D-38678 ClausthalZellerfeld Bibliografie: LVA Hannover Fachklinik Erbprinzentanne (Hrsg.), Jubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen der Erbprinzentanne: vom Genesungshaus zur modernen Reha-Klinik ClausthalZellerfeld, 1998 und Burde, 100 Jahre Landesversicherungsanstalt Hannover Bildnachweise: NI 1913 (oben und unten), AJ 2012 (Mitte), Sammlung AJ (Folgeseite oben) Anhang H – Provinz Hannover Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang H – Provinz Hannover Clausthal-Zellerfeld Genesungshaus Schwarzenbach Eröffnet 1899 Bauherr Einbeziehung einer bestehenden priv. Nervenheilstätte (Dr. Appentrodt), Neubauten durch die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt Hannover Architekt Roscher, Clausthal Kapazität 132 Männer Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 576 m Schließung 1969, Umwandlung als TBin ein Sanatorium Krankenhaus für aktivierende Übungsbehandlung Heutiger Zustand Altbauten 1968 und 2008 abgerissen, Neubau in Betrieb Heutiger Name DRV-Rehazentrum Oberharz „Am Schwarzenbacher Teich“(zuvor „Am Hasenbach“) Adresse Schwarzenbacher Str. 19, D-38678 Clausthal-Zellerfeld Bildnachweise: HH (oben und Folgeseite), AJ 2012 (Mitte und unten), Sammlung AJ (links) Anhang H – Provinz Hannover Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang H – Provinz Hannover Ellrich Knappschafts-Heilstätte Sülzhayn Eröffnet 1898 Bauherr Norddeutsche KnappschaftsPensionskasse zu Halle a. d. Saale Architekt Regierungsbaumeister Gustav Hasse und O. Stengel, Halle a/S Kapazität 150 Männer Heutiges Bundesland Thüringen Seehöhe 400 m Sanatorium Hohenstein: In Sülzhayn befand sich Schließung 1976, danach außerdem ein 1914 eröffnetes Privatsanatorium für als TBZentrum für Lungenkranke. Eigentümer und Bauherren waren die Krankenhaus Traumatologie und Gebrüder Mewes, Architekt: Karl Picking. Im Jahre Orthopädie 1927 gab es 95 Betten für Männer und Frauen. Letzter Name Sanmeda Klinik(vor Betriebs GmbH Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht Schließung) in der Onlineversion verfügbar Heutiger Zustand Leerstand seit 1997 (Umzug an neuen Standort) Adresse: Am Steierberg, D- 99755 Ellrich Internetseite (private Seite zur Ortsgeschichte) www.glassportal.privat.tonline.de/suelzhay n/05_knappschaft.h tm Bibliografie: Norddeutsche KnappschaftsPensionskasse zu Halle a.d. Saale (Hrsg.), Die KnappschaftsHeilstätte Sülzhayn bei Ellrich im Südharz der Norddeutschen Knappschafts-Pensionskasse zu Halle a.d. Saale 1898-1908. Halle a.d.S., 1909. Bildnachweise: NI 1913(oben), AJ 2012 (unten und Folgeseite 2), TA (Folgeseite 1) Anhang H – Provinz Hannover Anhang H – Provinz Hannover Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang H – Provinz Hannover Hannover Heidehaus Eröffnet 1907 Bauherr Verein für bedürftige Lungenkranke Kapazität 222 Frauen und Männer, 36 Kinder Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 58 m Schließung als Lungenklinik 2005, zuletzt Klinik für Pneumologie & Thoraxchirurgie Heutiger Zustand Einige historische Gebäude erhalten. Seniorenresidenz, Arztpraxen Adresse: Am Heidehaus 4, D-30419 Hannover Internetseite www.krh.eu/kliniku m/SOH/kliniken Jesteburg Heidehaus Eröffnet 1914 Bauherr Carl Hoops (Privatanstalt) Kapazität 124 Frauen Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 46 m Heutiger Zustand Altbau tlws. in Betrieb Schließung als Lungenklinik Spätestens 1968 Umwandlung in ein Seniorenheim Adresse: Itzenbütteler Heuweg 60, D21266 Jesteburg Internetseite das-heidehaus.de Bildnachweis: Sammlung AJ Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang H – Provinz Hannover Bad Rehburg Kurhaus Lohr und Heilstätte Liebrechtsborn Eröffnet 1913 (Lohr) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht 1921 (Liebrechtsborn) in der Onlineversion verfügbar Bauherr LVA Hannover Kapazität 108 Männer (Lohr); 61 Frauen und 42 Kinder (Liebrechtsborn) Heutiges Bundesland Niedersachsen Seehöhe 79 m Schließung als Lungenklinik 1953 bzw. 1974. Umwandlung in ein Altenheim, später In Fachkliniken (Maßregelvollzug und Psychiatrie) Heutiger Zustand Fachkliniken (Liebrechtsborn); tlws. Leerstand / Umbau in Hotel geplant (Lohr) Adresse: Friedrich-StolbergAllee, D-31547 Rehburg-Loccum Internetseite www.krh.eu/kliniku m/PSW/ueberuns/g eschichte/Seiten/ge schichte2.aspx Bibliografie: LVA Hannover (1929): "Liebrechtsborn": die neue Kinderheilstätte der Landesversicherungsanstalt Hannover in Bad Rehburg Culemannsche Buchdruckerei Hannover. Anhang HN – Provinz Hessen-Nassau Wiesbaden Nassauische Vereinsheilstätte Naurod Baujahr 1901 Bauherr Nassauischer Heilstättenverein für Lungenkranke Kapazität 97 Männer und Frauen Heutiges Bundesland Hessen Seehöhe 360 m Schließung Spätestens um als Lungenklinik 1980 Heutiger Zustand Abriss um 1980, heute Neubau als Tagungszentrum Heutiger Name Wilhelm-KempfHaus Adresse: L3027, 65207 Wiesbaden OT Naurod Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Internetseite: www.wilhelmkempf-haus.de Bildnachweise: Sammlung AJ Königstein (Taunus) Volksheilstätte Falkenstein Baujahr 1875 Bauherr Ärztlicher Verein Frankfurt/Main Kapazität 114 Männer Heutiges Bundesland Hessen Seehöhe 440 m Schließung 1907 als Lungenklinik Heutiger Zustand Abriss, Gelände heute neubebaut Adresse Debusweg, Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht D- 61462 in der Onlineversion verfügbar Königstein/Taunus Anhang HN – Provinz Hessen-Nassau Kelkheim (Taunus) Heilstätte Ruppertshain Eröffnet 1895 Bauherr Dr. Hirsch (Privatsanatorium), Übernahme 1894 durch Frankfurter Verein für RekonvaleszentenAnstalten Kapazität (1930) 119 Männer, 69 Frauen Heutiges Bundesland Hessen Seehöhe 450 m Schließung 1982, zuletzt als als Lungenklinik Gerhard-DomagkKlinik Heutiger Zustand Altbau in Betrieb (Mischnutzung) Heutiger Name Creativ Concept Zauberberg Ruppertshain GmbH & Co. KG Adresse: www.zauberbergkelkheim.de/ Internetseite: Robert-KochStraße 116, D65779 Kelkheim (Taunus) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bibliografie: Daniela Tracht (2004): Die Volksheilstätte Ruppertshain im Taunus als Beispiel für die Entwicklung des Bautypus "Lungenheilstätte" um 1900 im Deutschen Reich. Kelkheim : Historischer Verein Rhein-MainTaunus. Bildnachweise: Sammlung AJ (oben), HE 1930 (Mitte), IV 1930 (unten) Anhang HN – Provinz Hessen-Nassau Melsungen Heilstätte Stadtwald Baujahr 1904 Bauherr Pensionskasse für die Arbeiter der PreußischHessischen Eisenbahngemeins chaft Architekten Heino Schmieden, Julius Boethke, Kegel Kapazität 152 Männer Heutiges Bundesland Hessen Seehöhe 330 m Schließung 1977, zuletzt als Lungenklinik Bundesbahn- Rehaklinik Heutiger Zustand Altbau heute Verwaltungsgebäude Heutiger Name u..a. B. BraunStiftung Adresse: Stadtwald 10, D-34212 Melsungen Internetseite: www.bbraunstiftung.de Bibliografie: Otto Wiegand, Ehemalige Heilstätte Stadtwald Melsungen und Heilstätte Nieder-Schreiberhau im Riesengebirge nach gleichen Plänen in 1907/08 erbaut. Hessischer Gebirgsbote, 92, 1991 Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der PreussischHessischen EisenbahnBildnachweis: MS (Seite 1 und Pläne), Sammlung AJ gemeinschaft,[MS] Anhang HN – Provinz Hessen-Nassau Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang HN – Provinz Hessen-Nassau Kaufungen Heilstätte Oberkaufungen Baujahr 1900 Bauherr Vaterländischer Frauenverein im Kassel Architekten Ludwig Rieck und Hr. Ochs (Büro Eubell & Rieck) Kapazität 113 Männer, 97 Frauen, 40 Kinder Heutiges Bundesland Hessen Seehöhe 270 m Schließung 1973, danach als TBUmwandlung in Krankenhaus eine Rehaklinik Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Heutiger Name DRK Klinik Kaufungen; Geriatrisches Fachkrankenhaus Adresse: Sophie-HenschelWeg 2, D-34260 Kaufungen Internetseite: www.drk-klinikkaufungen.de Bibliografie: Christina Vanja, Moderne auf dem Lande. Die Anfänge der Lungenheilstätte Oberkaufungen, In: Ulla Merle (Hg.): 1000 Jahre Kaufungen: Arbeit, Alltag, Zusammenleben, Kaufungen 2011 Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang O – Provinz Ostpreußen Allenstein Heilstätte Frauenwohl Eröffnung 1907 Bauherr Gesellschaft zur Errichtung einer Heilstätte in Ostpreußen Architekten unbekannt Kapazität 130 Frauen (1913) Heutige Ermland-Masuren / Woiwodschaft Warmia-Mazury Seehöhe 150 m Schließung als Lungenklinik Als Lungenfachklinik in Betrieb Heutiger Name Samodzielny Publiczny Zespół Gruźlicy i Chorób Płuc w Olsztynie Adresse ul. Jagiellońska 78, PL-10-357 Olsztyn Internetseite pulmonologia. olsztyn.pl Bildnachweise: NI 1913 außer HI (rechts unten) Anhang O – Provinz Ostpreußen Hohenstein Heilstätte Eröffnung 1903 Bauherr Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen Architekten unbekannt Kapazität (mit Jahr) 84 Männer (1910) Heutige Ermland-Masuren / Woiwodschaft Warmia-Mazury Seehöhe 175 m Schließung als Lungenklinik 1967-1974, Umwandlung in eine allg. KinderRehaklinik Heutiger Name Wojewódzki Szpital Rehabilitacyjny dla Dzieci w Ameryce Adresse Ameryka 21, PL11-015 Olsztynek Internetseite ameryka.com.pl Bildnachweise: HE 1930 (oben), Sammlung AJ (rechts unten) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang O – Provinz Ostpreußen Tilsit Tuberkulose-Krankenhaus Stadtheide Eröffnung 1920-1925 Bauherr LVA Ostpreußen Architekten unbekannt Kapazität (mit Jahr) 120 Männer und Frauen (2013) Heutige Oblast (Russische Förderation) Kaliningrad / Калининградская область Seehöhe 25 m Schließung als Lungenklinik 1950, Umwandlung in ein Sanatorium für Knochen-, Gelenkknorpel- und Harnwegs-TBC Heutiger Name Klinisches Sanatorium Tilsit (клинический Санаторий Советск) Adresse ул. Полевая д.4, RUS-238754 Советск Internetseite http://санаторийсоветск.рф/ Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang P – Provinz Pommern Kolberg Kurhospital Siloah Eröffnung 1881 (Kurhospital) Bauherr Stiftung (begründet durch Spende eines Kurgastes) Architekten Baurat Goßner (für die Anbauten 1914 der Heilstätte für Knochen-TB) Kapazität (mit Jahr) 42 Kinder (1881) sowie erwachsene Kurgäste (auch ohne Tuberkulose) Heutige Westpommern / Woiwodschaft Zachodniopomorskie Seehöhe <50 m Schließung als Lungenklinik Kriegszerstörung 1945 Heutiger Zustand Neubau (Kurheim) Adresse ul. Portowa, PL78100 Kołobrzeg Spätere Namen Sanatorium dziecięce; heute Kurheim des Außenministeriums Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bibliografie: Behrend, W. (1931). Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Christlichen Kurhospitals und der Kinderheilstätte „Siloah“. Eigenverlag Bildnachweise: Sammlung AJ (oben), AJ 2013 (Mitte) und HI (unten) Anhang P – Provinz Pommern Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang P – Provinz Pommern Kolberg Brandenburgisches Seehospiz Eröffnung 1893 Bauherr Provinzialverwaltung Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Brandenburg Architekten Th. Goecke, Berlin Heutige Westpommern / Woiwodschaft Zachodniopomorskie Kapazität (mit Jahr) 120 Kinder Schließung als Lungenklinik 1945 zerstört Adresse (ungefähr) Towarowa 17, PL-78-100 Kołobrzeg Kolberg Kauffmanns Kuranstalt Eröffnung 1890 Bauherr Fam. Kauffmann Architekt unbekannt Kapazität 250 Männer und Frauen (1890) Heutige Westpommern / Woiwodschaft Zachodniopomorskie Schließung als Lungenklinik Um 1900, Umwandlung in ein Kurhotel (tuberkulöse Patienten waren ausgeschlossen) Heutiger Zustand 1945 zerstört, heute Neubebauung Adresse (ungefähr) ul. Obrońców Westerplatte 4 PL-78100 Kołobrzeg Bildnachweise: Sammlung AJ Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang P – Provinz Pommern Kolberg Waldheilstätte Schülerbrink Eröffnung 1903 Bauherr Dr. Julius Reinke Architekten unbekannt Kapazität 350 Kinder Heutige Westpommern / Woiwodschaft Zachodniopomorskie Heutiger Zustand Als Rehaklinik in Betrieb (Hauptgebäude baulich verändert) Heutiger Name Sanatorium Uzdrowiskowego „ORW Kołobrzeg – Podczele“ Adresse ul. Koszalińska 72, PL-78100 Kołobrzeg Internetseite www.holtur.com.pl Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang P – Provinz Pommern Stettin Tuberkulose-Krankenhaus Hohenkrug Eröffnung 1915 Bauherr Stadt Stettin (unterstützt durch den Verein zur Errichtung von Genesungsstätten für unbemittelte Lungenkranke im Regierungsbezirk Stettin) Architekten Toop und Schaube (bis 1914), Martins und Dittmar Kapazität 85 Männer und 85 Frauen Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht Heutige Westpommern / in der Onlineversion verfügbar Woiwodschaft Zachodniopomorskie Schließung als Lungenklinik Pneumologische Bildnachweis: AJ 2012 Klinik in Betrieb, auch orthopädische und innere Medizin Heutiger Zustand Altbau in Betrieb. Umbauten 2013 Heutiger Name Specjalistyczny Szpital im. Prof. A. Sokołowskiego Adresse ul. Alfreda Sokołowskiego 11, PL-70-891 Szczecin Internetseite szpitalzdunowo.pl Bibliografie: Bräuning, Hermann (1931): TBC Krankenhaus - die Bauanlage in Hohenkrug. Berlin: Hübsch. [BH] Łuczak, M. (2012). Szczecin Wielgowo Załom Zdunowo. Stettin: Zapol Spółka jawna. Anhang P – Provinz Pommern Bildnachweise: BH (oben), Sammlung AJ (unten) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang P – Provinz Pommern Bildnachweise: AJ 2012 und 2013 Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang P – Provinz Pommern Köslin-Rogzow Tuberkulose-Krankenhaus Gollenwald Baujahr 1928 Bauherr LVA Pommern Architekten unbekannt Kapazität 33 Männer und 40 Frauen Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Heutige Westpommern / Woiwodschaft Zachodniopomorskie Schließung als Lungenklinik Altbau in Betrieb, Nutzung als psychiatrisches Privatkrankenhaus Heutiger Name Niepubliczny Zakład Opieki Zdrowotnej MEDiSON Adresse Słoneczna 15, PL-75-642 Koszalin Internetseite medison.com.pl Bildnachweis: Sammlung AJ Anhang PW – Provinzen Posen und Westpreußen Bromberg Kronprinzessin-Cecilie-Heilstätte Mühlthal Baujahr 1904 Bauherr Posener Provinzialverein zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit Architekten Carl Meyer, Julius Knüpfer Kapazität 135 Frauen, 20 Kinder in den Gebäuden der Berta-AmélieStiftung (1913) Heutige Kujawien-Pommern Woiwodschaft Kujawskopomorskie Schließung als Lungenklinik Altbauten als Lungenfachklinik in Betrieb Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Heutiger Name KujawskoPomorskie Centrum Pulomonologii Adresse ul. Meysnera 9 PL-85-472 BydgoszczSmukała Internetseite www.szpitalpluc.bydgoszcz.pl Bildnachweise: NI (ganze rechte Spalte), TA (unten links) Anhang PW – Provinzen Posen und Westpreußen Obornik Kronprinz-Wilhelm-Volksheilstätte Baujahr 1903 Bauherr LVA Posen Architekten Julius Schmieden, Heino Boethke, Georg Zillmann Kapazität 280 Männer (1941) Heutige Großpolen / Woiwodschaft Wielkopolskie Schließung spätestens 1974 als Lungenklinik Heutiger Zustand Altbau als kardiologische Rehaklinik in Betrieb Heutiger Name Szpital RehabilitacyjnoKardiologiczny Kowanówko Adresse Sanatoryjna 34 PL-64-600 Kowanówko Internetseite kowanowko.com.pl Bildnachweise: Sammlung AJ (oben, Mitte oben und unten) Grafik rechts aus: Schmitt, E. (1903). Handbuch der Architektur, Viertel Teil, Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude; 5. HalbBand: Gebäude für Heil- und sonstige Wohlfahrtsanstalten; 2. Heft: Verschiedene Heil- und Pflegeanstalten Stuttgart: Arnold Bergsträsser und Alfred Kröner Bibliografie: Paradowska, Aleksandra (2012): Przeciw chorobie. Architektura szpitalna Wielkopolski w dwudziestoleciu międzywojennym (Unveröff. Dissertation, AMU Poznan). Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang PW – Provinzen Posen und Westpreußen Meseritz Lungenheilstätte in der Provinzialanstalt Obrawalde Baujahr / Eröffnung 1904 (Provinzialanstalt) und 1923 (Lungenheilstäte) Betreiber der Lungenheilstätte Provinzialverband der Provinz Posen* Architekten Kübler (Meseritz) Kapazität (nur 54 Frauen, 85 Tuberkulöse) Kinder Heutige Lebuser Land / Woiwodschaft Lubuskie Schließung 1939 Umwandlung der Abteilung in eine reine für Tuberkulöse Nervenheilanstalt Heutiger Zustand Altbauten als psychiatrische Klinik in Betrieb Heutiger Name Publiczny Szpital dla Nerwowo i Psychicznie chorych w Międzyrzeczu Adresse Poznańska 109, PL-66-300 Międzyrzecz Internetseite www.psychiatria. miedzyrzecz.pl Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bibliografie: Beddies, Thomas (2002): Die Heilund Pflegeanstalt MeseritzObrawalde im Dritten Reich. In: Kristina Hübener (Hg.): Brandenburgische Heil- und Pflegeanstalten in der NS-Zeit, Berlin: be.bra Wissenschaft. *) Ab 1922 zur Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen, ab 1938 geografisch zur Provinz Brandenburg, seit 1945 polnisch. Bildnachweis: AJ 2015 (oben), IV 1930 (Mitte/unten) Anhang PW – Provinzen Posen und Westpreußen Bildnachweise: AJ 2015 (oben, Mitte, unten links). Anhang R – Rheinprovinz Bornheim Mariahilf Baujahr 1905/1906 Bauherr Genossenschaft der Celliten Köln Kapazität 102 Frauen (Neurasthenie und inaktive Tuberkulose) Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 60 m Heutiger Zustand abgerissen, heute Neubau Heutiger Name Marienborn gGmbH Altenheim Maria Hilf Adresse Brunnenallee 20, D-53332 Bornheim Internetseite ah-mariahilf.de Essen-Werden Heilstätte Holsterhausen Baujahr 1902 Bauherr Heilstättenvereins der Ruhrkreise Kapazität 250 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 150 m Schließung Als Lungenklinik in als Lungenklinik Betrieb Heutiger Zustand Altbau abgerissen Heutiger Name Ruhrlandklinik Adresse Tüschener Weg 40, D-45239 Essen Internetseite www.ruhrlandklinik hausderlunge.de Bildnachweise: NI (Mitte), Sammlung AJ (unten) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang R – Rheinprovinz Greifenstein Heilstätte Waldhof Elgershausen Baujahr 1899-1901 Bauherr Dr. Liebe Kapazität 137 Männer und Frauen Heutiges Bundesland Hessen Seehöhe 350 m Schließung Als pneumologische als Lungenklinik Klinik in Betrieb Heutiger Zustand Altbauten in Betrieb Heutiger Name Klinik Waldhof Adresse Grüner Weg D-35753 Greifenstein Internetseite www.klinikwaldhof.de Bibliografie: Georg Liebe (1903): Die Heilanstalt Waldhof-Elgershausen. Selbstverl. der Heilanstalt, [GL]. Bildnachweise: GL 1903 Anhang R – Rheinprovinz Honnef Heilstätte Hohenhonnef Baujahr 1897 Bauherr LVA Rheinprovinz Kapazität (1930) 200 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 210 m Schließung als Lungenklinik 1979 Umwandlung in ein Behindertenwohnheim Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Heutiger Name Hohenhonnef GmbH Adresse Bergstraße 111, D-53604 Bad Honnef Internetseite hohenhonnef.de Bildnachweise: HE (oben), Sammlung AJ (unten) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang R – Rheinprovinz Mönchengladbach Heilstätte Hehn und Heilstätte St. Franziskus Windberg Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Baujahr 1908 (Windberg), 1910 (Hehn) Bauherr Luise-GueuryStiftung und Stadt Mönchengladbach Architekten unbekannt Kapazität 115 Frauen, 60 Kinder (Hehn), 250 Frauen (Windberg) Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 80 m (Hehn), 70 m (Windberg) Schließung als Lungenklinik tlws. als pneumologische Freiluftliegekur, MÜE 1903 (unten) Klinik noch in Betrieb (Windberg), Umwandlung in ein kardiologisches Zentrum (Hehn) Heutiger Zustand Altbau in Betrieb (Hehn), abgerissen und Neubau (Windberg) Heutiger Name Herzpark (Hehn), St. Franziskus (Windberg) Adresse Louise-Gueury-Str. 400, D-41169 Mönchengladbach (Hehn), Viersener Str. 450, D-41063 Mönchengladbach (Windberg) Internetseite www.herzparkmg.de (Hehn), www.mariahilf.de (Windberg) Anhang R – Rheinprovinz Reichshof Heilstätte Denklingen Baujahr 1913 Bauherr LVA Rheinprovinz Kapazität 176 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 310 m Heutiger Zustand Altbau als Seniorenheim in Betrieb Heutiger Name Seniorenresidenz Am Burgberg Denklingen Adresse Hähner Weg 5, 51580 Reichshof, OT Denklingen Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Trivia: Eine Seltenheit sind die nach Westen ausgerichteten Patientenzimmer (sonst Südseite) Internetseite nicht vorhanden Saarbrücken Heilstätte Sonnenberg Baujahr 1901 Bauherr LK Saarbrücken Kapazität 70 Männer, 56 Frauen, 61 Kinder Heutiges Bundesland Saarland (bis 1920 zu Preußen) Seehöhe 300 m Schließung als Lungenklinik Ab 1965: neurolog.Klinik Heutiger Zustand Altbauten nach 1965 abgerissen Heutiger Name SHG-Kliniken Sonnenberg Adresse Sonnenbergstr. 10, D-66119 Saarbrücken Internetseite sb.shg-kliniken.de Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang R – Rheinprovinz Waldbreitbach Heilstätte Baujahr 1903 Bauherr Verband zur Errichtung von Volksheilstätten für Lungenkranke in dem Regierungsbezirke Coblenz Architekten Launer (Koblenz) und Eichner Kapazität 200 Frauen Heutiges Bundesland Rheinland-Pfalz Seehöhe 250 m Schließung als Lungenklinik Umwandlung 1990 in eine neurologische Rehaklinik Heutiger Zustand Altbau bis zur Unkenntlichkeit umgebaut, gleicht einem Neubau Heutiger Name Westerwaldklinik Waldbreitbach Adresse Buchenstraße 6 , D-56588 Waldbreitbach Internetseite westerwaldklinik.de Bibliografie: Die Volksheilstätte bei Waldbreitbach, errichtet von d. Verband z. Errichtung von Volksheilstätten f. Lungenkranke in d. Reg. Bez. Coblenz. CoblenzLützel: Verl. d. Verbandes 1903, [VHS] Bildnachweise: VHS 1903 (oben, unten), Sammlung AJ (Mitte) Anhang R – Rheinprovinz Windeck Heilstätte Rosbach Baujahr 1902 Bauherr Stadt Köln Architekten Stadtbauinspektor Johannes Kleefisch Kapazität 185 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 250 m Schließung als 2002 Lungenklinik Heutiger Zustand Leerstand seit 2002, Nachnutzung geplant Heutiger Name Waldkrankenhaus der Stadt Köln Adresse Hurster Straße 50 D-51570 Windeck Wülfrath Heilstätte Aprath Baujahr 1910 Kapazität 100 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 200 m Schließung als Lungenklinik Umwandlung 1913 in eine reine Kinder-HSt und 1977/78 in ein Seniorenheim Heutiger Zustand Leerstand seit 2006, Brand 2014 Heutiger Name Klinik Aprath Adresse Klinik Aprath 9 D-42489 Wülfrath Bildnachweise: IV 1930 (oben und unten), Sammlung AJ (Mitte). Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang R – Rheinprovinz Wuppertal Bergische Volksheilstätte Ronsdorf Baujahr 1901 Bauherr Bergische Volksheilstätten für heilbare Lungenkranke GmbH Architekten Baurat Schmieden und Christian Gerhardt (Elberfeld) Kapazität 146 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 310 m Schließung als Lungenklinik 1975 Umwandlung in eine onkologische Rehaklinik Heutiger Zustand Abgerissen, Neubau in Betrieb Heutiger Name HELIOS Klinik Bergisch Land Adresse Im Saalscheid 5, D-42369 Wuppertal Internetseite www.helioskliniken.de/klinik/ wuppertal-klinikbergisch-land.html Bibliografie: Mitteilungen über Entstehung der Gesellschaft, sowie Bau und Betrieb der Heilstätte bei Ronsdorf 1901 - 1903 / Bergische Volksheilstätten für heilbare Lungenkranke. Elberfeld: Könker, [MÜE] Bildnachweise: Sammlung AJ (oben), MÜE 1903 (Rest) Anhang S – Provinz Schlesien Berthelsdorf Sanatorium Eröffnung 1877-1878 Bauherr Ernst Berger Kapazität 100 Männer, 20 Frauen Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 330 m Schließung als Lungenklinik 1935 Umwandlung in ein Luftwaffenheim; zwischen 1945 und 1990 wieder als Sanatorium genutzt Letzter Name Samodzielny vor Publiczny ZOZ Schließung Szpital Specjalistyczny MSW Heutiger Zustand Leerstand seit 1990, Privatbesitz Adresse: PL-58512 Barcinek, Koordinaten: 50.94444,15.60910 Bildnachweis: HI (oben und Mitte), Sammlung AJ (unten) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang S – Provinz Schlesien Breslau Tuberkulose-Krankenhaus Herrnprotsch und Waldsanatorium Obernigk Eröffnung Bauherr 1911 (Obernigk) 1920 (Herrnprotsch) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht Stadt Breslau, LVA in der Onlineversion verfügbar Schlesien (beide) Architekten Oberbaurat Müller (Herrnprotsch) Kapazität 78 Männer, 112 Frauen, 10 Kinder (bzw. 40 Kinder mit anderen TBFormen; Herrnprotsch); 182 Männer und Frauen (Obernigk) Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 115 m (Herrnprotsch), 185 m (Obernigk) Schließung als Lungenklinik Unbekannt (beide); Privatisierung 1918 (Obernigk) Heutiger Zustand Altbauten in Betrieb (beide) Adresse: Stabłowicka 147 PL-54066 Wrocław (Herrnprotsch) Dunikowskiego 20 PL-55120 Oborniki Śląskie (Obernigk) Internetseite: www.eitplus.pl (Herrnprotsch) Heutiger Name Kampus Wrocławskiego Centrum Badań EIT+ (Herrnprotsch) Bildnachweise: HE 1930 (oben), HI (Mitte und unten) Anhang S – Provinz Schlesien Schmiedeberg Genesungsheim Buchwald Eröffnung 1918 Bauherr LVA Schlesien Architekten Unbekannt Kapazität (mit Jahr) 208 Betten (1918) für Männer Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 450 m Schließung als Lungenklinik Als Rehaklinik in Betrieb Heutiger Zustand Altbau in Betireb Adresse: ul. Sanatoryjna 15 PL-58530 Kowary Internetseite: pczkowary.pl/index. php/szpitaloddziay. html Heutiger Name Powiatowe Centrum Zdrowia, Szpital Bukowiec Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bildnachweise: Sammlung AJ (oben); AJ 2013 (Mitte), HI (links und rechts unten) Anhang S – Provinz Schlesien Bildnachweise: AJ 2013 (beide) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Blick auf die Heilstätten Buchwald (Vordergrund) und Hohenwiese (Hintergrund), Bildnachweis: HI Anhang S – Provinz Schlesien Schmiedeberg Heilstätte Hohenwiese Eröffnung 1902 (Nachfolgeinstitution des Sanatoriums Obernigk) Bauherr LVA Schlesien Architekt Carl Grosser Kapazität (mit Jahr) 220 Betten (1914) für Männer Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 485 m Schließung als Lungenklinik Als Rehaklinik in Betrieb Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Adresse: Ul. Sanatoryjna 27, PL-58530 Kowary Internetseite: www.kowary.pl/pl/a trakcje-kowary /wysoka-laka/ atrakcjeturystyczne Heutiger Name Szpital Przeciwgruźliczy „Wysoka Łąka“ Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bildnachweise: AJ 2012 (Mitte rechts und Folgeseite oben), HI (unten rechts und Folgeseite unten), Sammlung AJ (Rest) Anhang S – Provinz Schlesien Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Hohenwiese+ Buchwald+ +" +" Schmiedeberg+ +" Lage der drei Heilstätten in der Stadt Schmiedeberg (Kowary) Kartenhintergrund: MapBox – mit freundlicher Genehmigung Anhang S – Provinz Schlesien Schmiedeberg Genesungsheim Schmiedeberg Eröffnung 1910 Bauherr LVA Schlesien Architekt vermutlich Nutzung Bestandgebäudes Kapazität (mit Jahr) 60-80 Frauen Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 435 m Schließung Als Hospiz in als Lungenklinik Betrieb Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Adresse Jeleniogórska 14, PL-58530 Kowary Internetseite pczkowary.pl/index. php/hospicjum.html Heutiger Name Hospicjum przy PCZ w Kowarach Bildnachweise: NI (oben), AJ 2013 (unten) Anhang S – Provinz Schlesien Görbersdorf Dr. Brehmersche Heilanstalt Baujahr 1863 (eröffnet ohne eig. Gebäude 1854) Bauherr Dr. Brehmer Architekten Baurat Oppler Kapazität (mit Jahr) 300 Betten (1904) bzw. 3 Häuser mit 240, 100 und 61 Betten (1928) Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 561 m Schließung 1966 als Lungenklinik Heutiger Zustand Leerstand, ruinös / Wiederaufbau gepl. Adresse ul. Główna, PL- 58 350 Sokołowsko (Koordinaten: 50.6847,16.2321) Internetseite insitu.pl/ sokolowsko Heutiger Name In Situ (Kulturstiftung) „Zamek“ / Das Schloss (als Gebäudename) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bildnachweise: Reinhard Ortmann (1887): Görbersdorf. Dr. Brehmer’s Heilanstalt für Lungenkranke. Zürich: Orell Füssli (oben und links unten), AJ 2013 (Mitte); HI 1970er Jahre (unten rechts) Anhang S – Provinz Schlesien Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bildnachweise: AJ 2013 (Reihe 1 & 2), NI 1912 (Reihe 3), HI (Reihe 4) Anhang S – Provinz Schlesien Görbersdorf Dr. Römplersche Heilanstalt Eröffnung 1875 Bauherr Freiherr von Rössing Architekten unbekannt Kapazität (mit Jahr) 80 Betten für beide Geschlechter (1904) Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 600 m Schließung als Lungenklinik Noch in Betrieb als Krankenhaus für Lungenkrankheiten Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Adresse: ul. Parkowa 5, PL58 351 Sokołowsko Internetseite www.sanatoriadolnoslaskie.pl/ Heutiger Name Specjalistyczny Szpital Chorób Płuc "Biały Orzeł" Bildnachweis: Reinhard Ortmann (1887): Görbersdorf. Zürich: Orell Füssli [RO] Anhang S – Provinz Schlesien Bildnachweise: NI (unten); AJ, 2013 (Mitte) und HE (oben) Anhang S – Provinz Schlesien Bildnachweise: RO (oben links), NI 1912 (oben rechts), AJ 2013 (Rest) Anhang S – Provinz Schlesien Görbersdorf Dr. Weickers Volkssanatorium „Krankenheim“ Baujahr 1883 Bauherr Gräfin Marie Pückler Architekten unbekannt Kapazität (mit Jahr) 50 Betten (1905) im Hauptgebäude „Marienheim“ 450 Betten (1929) in 17 kleinen im Ort verteilten Gebäuden für beide Geschlechter Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 550 m (Hauptgeb.) Schließung als Lungenklinik Unbekannt, vermutlich 1945 Heutiger Zustand Hauptgebäude heute privates Wohnhaus Adresse: ul. Główna, PL58350 Sokołowsko (an der Landstraße nach Kowalowa, Koordinaten 50.6852,16.2224) Bildnachweis: NI, 1912 (oben), AJ, 2013 (unten beide) Folgeseite: HI (obere Blatthälfte) / TA (untere Hälfte) Anhang S – Provinz Schlesien Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang S – Provinz Schlesien Landeshut Kaiserin-Augusta-Volksheilstätte und Kaiser-Wilhelm-Kinderheilstätte Baujahr 1904 (die Kinderheilstätte folgte 1920) Bauherr Niederschlesischer Provinzialverein zur Bekämpfung der Tuberkulose Architekten unbekannt Kapazität (mit Jahr) 221 Betten für Frauen (1928) und 250 Betten für Kinder (ab 1920) Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 500-504 m Schließung als Lungenklinik 1977, danach orthopädisches Rehazentrum Heutiger Zustand Als Rehaklinik in Betrieb Adresse ul. J. Korczaka 1, PL-58 400 Kamienna Góra Internetseite dcr.org.pl Heutiger Name Dolnośląskie Centrum Rehabilitacji Bibliografie: Johanna Hanuschke, Das Landeshuter Klima als Reizklima bei tuberkulösen Kindern an Hand des Krankengutes der Kinderheilstätte Landeshut 193638. Landeshut/Breslau: Wilh. Gottl. Korn 1941 Bildnachweise: NI 1913 (oben/Mitte), HI (Folgeseite Reihe 1), AJ 2013 (Rest) Anhang S – Provinz Schlesien Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang S – Provinz Schlesien Slawentzitz Fürst Hohenlohesche Augusta Lungenheilstätte Baujahr 1884 Bauherr Fürst August von Hohelohe-Öhringen Architekten Unbekannt Kapazität (1884) 70 Betten für Männer und 20 Betten für Frauen Heutige Oppeln / Opolskie Woiwodschaft Seehöhe 190 m Schließung als Lungenklinik Unbekannt, in den 1930er Jahren noch in Betrieb. Heutiger Zustand tlws.. Leerstand, tlws. Nutzung als Hotel. Liegehalle erhalten. Adresse Władysława Orkana 14, PL-47 230 Kędzierzyn-Koźle, Ortsteil Sławięcice Intenetseite www.hotelhugo.pl Heutiger Name Hotel Hugo Bibliographie: Muschol, Bernhard (1993): Die Herrschaft SlawentzitzEhrenforst in Oberschlesien : piastisches Kammergut im Spätmittelalter, sächsischer Adelsbesitz und hohenlohesche Residenz in der Neuzeit Sigmaringen : Thorbecke. Bildnachweise: Sammlung AJ (oben), HI (Mitte und unten) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang S – Provinz Schlesien Loslau Oberschlesische Volksheilstätte Baujahr 1898 Bauherr Heilstättenverein für Lungenkranke im Reg.-Bez. Oppeln, Betrieben durch den Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose in Oberschlesien bis März 1921, dann Oberschlesischer Knappschaftsverein Architekten Regierungsbaumei ster Zickler (Hauptgeb.); Mohr und Weidner (Arztvilla) Kapazität (1904) 110 Betten Heutige (Ober-)Schlesien / Woiwodschaft Śląskie Seehöhe 285 m Schließung als Lungenklinik Als Lungenfachklinik in Betrieb Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Adresse: Ul. Bracka 13, PL- 44 300 Wodzisław Śląski Internetseite: wscp.wodzislaw.pl Heutiger Name Wojewódzki Szpital Chorób Płuc im. dr Alojzego Pawelca Bildnachweise: NI (oben & links), AJ 2013 (Mitte und unten rechts) Anhang S – Provinz Schlesien Bad Reinerz Heilanstalt Dr. Schön Baujahr 1899 Bauherr Dr. Rudolf Schön Architekten unbekannt Kapazität (1912) 45 Männer, 40 Frauen Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 564 m Schließung Vermutlich 1945 als Lungenklinik Heutiger Zustand Altbau vermutlich in Privatbesitz, zuletzt staatliche Pension Adresse ul. Krakowska 6, PL-57 340 Duszniki-Zdrój Heutiger Name FWP-Pensjonat Słoneczna Bildnachweise: NI (alle) Anhang S – Provinz Schlesien Schreiberhau Heilstätte Moltkefels Eröffnung 1904 Bauherr Pensionskasse für die Arbeiter der PreußischHessischen Eisenbahngemeinschaft, Abt. A und B Architekten Heino Schmieden und Reinhardt Kapazität 146 Männer Heutige Niederschlesien / Woiwodschaft Dolnośląskie Seehöhe 650 m Schließung In Betrieb als priv. als Lungenklinik Lungenfachklinik Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Adresse: ul. Sanatoryjna 1, PL- 58 580 Szklarska Poręba Internetseite: www.izermed.com.pl Heutiger Name Izerskie Centrum Pulmonologii i Chemioterapii IZER-MED Spółka Bibliografie: Die Heilstätten Stadtwald bei Melsungen (Cassel) und Moltkefels in Nieder-Schreiberhau (Schlesien) errichtet von der Pensionskasse für die Arbeiter der PreussischHessischen Eisenbahngemeinschaft (zugleich Hg.). Berlin: Greve, 1904 [MS] Bildnachweis: AJ 2012 (Mitte rechts), MS 1904 (Rest) Anhang S – Provinz Schlesien Bad Ziegenhals Oberschlesische Volksheilstätte Eröffnung Bauherr Ab 1926, tlws. in Bestandsgebäuden Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht Heilstätten-Neubau in der Onlineversion verfügbar 1936 durch die Provinzialverwaltg. Architekten unbekannt Kapazität (mit Jahr) 70 Männer, 100 Frauen, 30 Kinder (1929) Heutige Oppeln / Opolskie Woiwodschaft Seehöhe 345 m Schließung als Lungenklinik 1974, ab dann Lungenfachklinik und Rehaklinik (Orthopädie / Kardiologie) Heutiger Zustand tlws. Gebäude durch Neubauten ersetzt, Gebäude von 1936 noch in Betrieb Adresse Ul. Lompy 2, PL- 48-340 Głuchołazy Internetseite: zoz.glucholazy.pl Heutiger Name Szpital No.2 Specjalistyczny Ministerstwa Spraw Wewnętrznych Bildnachweise: Sammlung AJ (oben und Mitte), AJ 2013 (unten) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Gommern Volksheilstätte Vogelsang Baujahr 1899 Bauherr Provinzialverband der Vaterländischen Frauenvereine der Provinz Sachsen Architekten Otto Peters und Weiß Kapazität 270 Frauen Territorialzugehörigkeit zur Bauzeit Provinz Sachsen (Preußen) Heutiges Bundesland Sachsen-Anhalt Seehöhe 60 m Schließung als Lungenklinik Seit 1969 nur noch lungenchirurgische Abteilung; seit 1999 keine Pneumologie Heutiger Zustand Altbauten in Betrieb. In einem Gebäude der ehem. Heilstätte befindet sich heute das Museum der Medizinhistorischen Sammlung Heutiger Name Medigreif Fachkrankenhaus Vogelsang-Gommern GmbH Adresse: Sophie-vonBoetticher-Str. 1, D-39245 Gommern/OT Vogelsang Internetseite: www.medigreiffachkrankenhausvogelsang.de Bibliographie: Keitel, Wolfgang (2004): Ein Krankenhaus erzählt. Geschichten der Klinik Vogelsang. Wettin: Stekovics. +" Bildnachweise: NI (oben und Folgeseite oben); AJ, 2012 (Mitte / unten und Folgeseite unten) sowie Sammlung AJ (Rest). Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Lostau Heilstätte Eröffnet 1902 Bauherr Magdeburger Verein zur Bekämpfung der Lungenschwindsuc ht Architekten unbekannt Kapazität 130 Frauen, 108 Kinder Territorialzugehörigkeit zur Bauzeit Provinz Sachsen (Preußen) Heutiges Bundesland Sachsen-Anhalt Seehöhe 60 m Heutiger Zustand Als Lungenklinik in Betrieb Heutiger Name Lungenklinik Lostau gGmbH Adresse Lindenstraße 2, D-39291 Möser Internetseite www.lungenkliniklostau.de Bildnachweis: NI (oben), AJ 2012 (Rest) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Sorge Johanniter-Heilstätte Eröffnet 1902 Bauherr Johanniter-Orden Architekten Heino Schmieden, Julius Boethke Kapazität 130 Frauen Territorialzugehörigkeit zur Bauzeit Provinz Sachsen (Preußen) Heutiges Bundesland Sachsen-Anhalt Seehöhe 570 m Schließung als Lungenklinik 1967 Heutiger Zustand Leerstand Heutiger Name Schloss Ochsenberg GmbH Adresse: Am Ochsenberg 1, D-38875 Sorge Internetseite: facebook.com/ LostPlaceCamp Bibliografie: Grosse, V.: Denkschrift zum 50 jährigen Bestehen der JohanniterHeilstätte Sorge bei Benneckenstein/Harz 1902-1952 Bildnachweise: Sammlung AJ (oben und Mitte) / AJ 2014 (unten links und rechts) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Herzogtum Anhalt Heilstätte Schielo und Kinderheilstätte Harzgerode Baujahr 1905 (Schielo) 1929 (KinderHst) Bauherr LVA Sachsen-Anhalt Architekten Godehard Schwethelm (KinderHst) Kapazität 160 Männer (Schielo), 150 Kinder (KinderHst) Territorialzugehörigkeit Herzogtum Anhalt Heutiges Bundesland Sachsen-Anhalt Seehöhe 345 m (Schielo) 390 m (KinderHst) Schließung als Lungenklinik Schließung 30.9.1998 als Lungenfachklinik (Kinder Hst); 19751978 Umwandlung in eine kardiolog. Fachklinik und vermutlich 1998 in ein Pflegeheim (Schielo) Heutiger Zustand Altbauten in Betrieb (Schielo), Leerstand (KinderHst) Heutiger Name Wohn- und Pflegeheim Haus Einetal (Schielo) Adresse: Anhaltiner Weg 115 (Schielo) und Freie Feldlage 6 (KinderHst), beide: D-06493 Harzgerode Internetseite: haus-eine-tal.de; alte-heilstaetteharzgerode.de Bildnachweise: AJ 2012 (oben); HUE 1931 (Mitte oben); und Smlg. AJ (unten). Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Herzogtum Braunschweig Heilstätten Albrechtshaus und Marienheim Eröffnung 1897 (Albrechtshaus) 1899 (Marienheim) Bauherr Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt Braunschweig Architekten Baurat Spehr, Blankenburg Kapazität 100 Männer, 80 Frauen, 16 Kinder TerritorialHerzogtum zugehörigkeit Braunschweig zur Bauzeit Heutiges Bundesland Sachsen-Anhalt Seehöhe 500 m Schließung als Lungenklinik 1987, danach kardiologische Rehaklinik Heutiger Zustand Leerstand seit 1993, seit Brand 2013 tlws. zerstört (Albrechtshaus). Marienheim wurde abgerissen Bildnachweis: NI 1913 (oben und unten links), AJ 2012 (Mitte), Sammlung AJ (unten rechts) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Bildnachweise: HH Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Königreich Sachsen Eröffnung 1873 (Auerbach/V.-Reiboldsgrün) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht 1897 (Auerbach/V.-Albertsberg) in der Onlineversion verfügbar 1900 (Auerbach/V.-Carolagrün) 1905 (Neustadt/Sachs.-Hohwald) 1906 (Adorf/Vogtland) 1911 (Chemnitz-Borna) 1920 (Coswig-Lindenhof, 1874 als Nervenklinik erbaut) 1924 (Marienberg-Reitzenhain) Bauherren Sächsischer Verein für Lungenkranke (alle in Auerbach/V.) LVA Sachsen (Hohwald und Lindenhof) Stadt Leipzig (Adorf) Verein zur Bekämpfung der Schwindsucht (Borna) Ortskrankenkasse für das Buchgewerbe (Reitzenhain) Kapazität 255 Männer und Frauen (Reiboldsgrün); 150 Männer (Albertsberg); 150 Frauen und 50 Kinder (Carolagrün); 240 Männer (Hohwald); 94 Männer und 60 Kinder (Adorf); 53 Frauen und 72 Kinder (Borna); 380 Frauen und Männer (Lindenhof); 40 Männer und 35 Frauen (Reitzenhain) Seehöhe 700 m (Reiboldsgrün); 685 m (Albertsberg); 650 m (Carolagrün); 420 m (Hohwald); 560 m (Adorf); 800 m (Reitzenhain) Heutiger Zustand Leerstand (alle in Auerbach/V.); Leerstand der Männerheilstätte / Kinderheilstätte 2009 abgerissen (Adorf); als orthopädische Klinik in Betrieb (Hohwald); als Lungenfachklinik in Betrieb (Lindenhof); 2013 abgerissen (Borna); Wohnnutzung, zuletzt Nutzung als Rathaus (Reitzenhain) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Sophienheilstätte und Knappschaftsheilstätte Bad Berka Baujahr Bauherr Architekt Kapazität Territorialzugehörigkeit zur Bauzeit Heutiges Bundesland Seehöhe Schließung als Lungenklinik Heutiger Zustand Heutiger Name Adresse Internetseite 1898 (SophienHst) Patriotisches Institut der Frauenvereine für das Großhzgtm, Sachsen-Weimar (erweitert 1911/2 von der LVA Thüringen); Reichsknappschaft (KnappschaftsHst) unbekannt 198 Männer (SophienHst); 110 Männer (KnappschaftsHst) Großherzogtum Sachsen-WeimarEisenach (an der Grenze zur preuß. Provinz Sachsen) Thüringen 340 m 1973-1975, Umwandlung in Fachkliniken für andere Krankheiten Leerstand seit 1994 (SophienHst) Zentralklinik Bad Berka GmbH Adolf-TegtmeierAllee 4, D-99438 Bad Berka www.bredereckimmobilien.de/htm l/sophienheilstaett e-bad-berka-zumkaufen-f1240.html Bibliografie: Birgit Berndt und Christa Kouschil, Schach der Tuberkulose, aber matt? Berlin: edition bodoni 2008 Bildnachweise: Sammlung AJ (oben und Mitte), AJ 2012 (unten und Folgeseite) Anhang SA – Provinz Sachsen (angrenzende Herzogtümer und Königreich Sachsen) Lage der Sophienheilstätte an der Grenze von Preußen (Erfurt) zu Sachsen-WeimarEisenach (Weimar). Karte aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang SH – Provinz Schleswig-Holstein Aukrug-Bargfeld Klinik Tönsheide Eröffnung 1931 Bauherr LVA SchleswigHolstein Architekten Harald Ensrud Kapazität 120 Männer Heutiges Bundesland Schleswig-Holstein Seehöhe 60 m Schließung als Lungenklinik u.a. als Fachklinik für Pneumologie in Betrieb Heutiger Zustand Abriss 1990-1994, heute Klinikneubau Heutiger Name DRV Fachklinik Aukrug für Orthopädie, Pneumologie, Innere Medizin und Psychosomatische Medizin Adresse Tönsheide D-24613 Aukrug Internetseite www.fachklinikaukrug.de/ Bildnachweise: IV 1930 (oben), HE 1930 (Rest) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang SH – Provinz Schleswig-Holstein Geesthacht Heilstätte Edmundsthal-Siemerswalde Eröffnung 1899 Bauherr Stiftung der Reederei Siemers Architekten Martin Haller und Geissler Kapazität 105 Männer, 220 Frauen, 25 Kinder Heutiges Bundesland Schleswig-Holstein Seehöhe 40 m Schließung Schrittweise als TBUmwandlung Krankenhaus zwischen 1965 und 1980 in eine Rehaklinik Heutiger Zustand Altbauten in Betrieb Heutiger Name HELIOS Klinik Geesthacht ist eine Fachklinik für Neurologie und ein Neurologisches Rehabilitationszent rum / Vitanas-Klinik für Geriatrie Adresse Johannes-RitterStraße 100, D21502 Geesthacht Internetseite www.vitanas.de/de/ klinische_centren/g eriatrie_geesthacht /klinik_geriatrie_ge esthacht.php und www.helioskliniken.de/index.p hp?id=7093 Bildnachweis: NI (alle, auch Folgeseite) Anhang SH – Provinz Schleswig-Holstein Anhang SH – Provinz Schleswig-Holstein Mölln Bremische Heilstätte Niedersachsen Eröffnung 1920 Bauherr Eingerichtet in einem ehemaligen Kurhaus von 1893 Kapazität 203 Frauen und Männer Heutiges Bundesland Schleswig-Holstein Seehöhe 35 m Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Schließung Abbruch im als Lungenklinik November 1967 Heutiger Zustand Neubau der LVARehaklinik Föhrenkamp Adresse Birkenweg 24, D-23879 Mölln Bibliografie: Sachs, Walter (1930): Kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Heilstätte. In: Festschrift zum 10 jährigen Bestehen der Bremischen Heilstätte Niedersachsen in Mölln (Lauenburg). Berlin: Springer Plön Johanniter-Heilstätte Eröffnung 1887 Bauherr LVA SchleswigHolstein Kapazität (mit Jahr) 70 Frauen, 70 Kinder Heutiges Bundesland Schleswig-Holstein Seehöhe 30 m Schließung 1958, Ankauf durch als Lungenklinik die Kreisverwaltung Heutiger Zustand Seit 1961 Kreishaus Plön Adresse Hamburger Str. 17-18 D-24306 Plön Internetseite ploen.active-city.net Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Anhang SH – Provinz Schleswig-Holstein Westerland (Sylt) Genesungsheim der LVA der Hansestädte Eröffnung 1899 (in bestehendem Haus der KropperAnstalten) Bauherr Kropper-Anstalten, Betrieb: LVA der Hansestädte Architekt Max Hansen Kapazität 80 Frauen Heutiges Bundesland Schleswig-Holstein Seehöhe 5m Schließung als Lungenklinik Als Fachklinik für Jugendliche, u.a. für Atemwegserkrankungen in Betrieb Heutiger Zustand Altbau in den 1960er Jahren abgerissen Heutiger Name Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche der DRV Nord Adresse Steinmannstraße 52, D-25980 Westerland Internetseite www.fachkliniksylt.de Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Bildnachweis: Sammlung AJ (oben), AJ 2014 (Mitte) Anhang W – Provinz Westfalen Hagen-Ambrock Märkische Volksheilstätte Baujahr 1903 Bauherr Märkischer Volksheilstättenverband Architekten Picht (Hagen) und Düchting (Dortmund) Kapazität (mit Jahr) 150 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 220 m Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Schließung 1995, Umwandlung als Lungenklinik in eine neurolog. Rehaklinik Heutiger Zustand Abriss 1990-1994, heute Neubau, ein historisches Nebengebäude erhalten Heutiger Name HELIOS Klinik Hagen-Ambrock Adresse Ambrocker Weg 60, D-58091 Hagen Internetseite www.helioskliniken.de/klinik/ha gen-ambrock.html Bildnachweise: Sammlung AJ Bibliografie: Lungenheilstätte Ambrock bei Hagen i.W. ; Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Heilstätte. Überreicht v.d. Landesversicherungsanstalt Westfalen. Münster : Münstersche Buchdr. & Verl.-Anst., (1928) (LA) Daniel, Andreas (1995): Kleine Geschichte der Klinik Ambrock : von der TuberkuloseHeilstätte zum Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie Münster: LVA Westfalen. Anhang W – Provinz Westfalen Meschede-Beringhausen Auguste-Viktoria-Volksheilstätte Baujahr 1904 Bauherr Allgemeiner Knappschaftsverein Architekten Heino Schmieden, Julius Boethke, Hülsenbeck und O. Müller Kapazität 176 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 430 m Schließung 1988, dann Klinik als Lungenklinik für Tumornachsorge Heutiger Zustand Leerstand seit 2009 Heutiger Name Veramed Klinik am Wendelstein KG Klinik für Onkologie Adresse Beringhausen 5, D-59872 Meschede Bibliografie: Die Auguste Viktoria Knappschafts-Heilstätte in Beringhausen bei Meschede i. W. (1904): Denkschrift zur Feier der Eröffnung der Anstalt ; mit 31 Ill. / Allgem. Knappschafts-Verein. Berlin: W. Greve [AVS] Fliege, Hubert (2001): Die Auguste-ViktoriaKnappschaftsheilstätte in Beringhausen, in Jahrbuch Hochsauerlandkreis, Ausg. 2001 Bildnachweise: AVS (oben und Mitte), NI (unten) Anhang W – Provinz Westfalen Brilon-Wald Heilstätte Johannesstift / Tuberkulose-Krankenhaus Hoheneimberg Baujahr 1933 Bauherr LVA Westfalen Kapazität 123 Frauen Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 476-530 m Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar Schließung 1983 als Lungenklinik Heutiger Zustand Altbau in Betrieb als Fachklinik für Suchterkrankungen Heutiger Name Klinik Brilon-Wald Adresse Friedrich-KösterWeg 2, D-59929 Brilon Internetseite klinik-brilon-wald.de Lüdenscheid Heilstätte Hellersen Baujahr 1898 Bauherr Kapazität Volksheilstättenverein Kreis Altena Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Onlineversion verfügbar 134 Männer Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 420 m Schließung 1972, Umwandlung als Lungenklinik in Pflegeheim Heutiger Zustand Altbau in Betrieb Heutiger Name Karl-Wessel-Haus Adresse Brüninghauser Str. 69, D-58513 Lüdenscheid Internetseite haus-hellersen.de Anhang W – Provinz Westfalen Bad Lippspringe Auguste-Viktoria-Stift (AVS), Marienstift und Sanatorium Grützemacher Eröffnet Kapazität 1901-2 (AVS) 1905-8 (Marienstift) Einige Bilder aus urheberrechtlichen Gründen nicht 275 Frauen (AVS), in der Onlineversion verfügbar 75 Erwachsene, 110 Kinder (Marienstift), 155 Männer und 180 Frauen (Grützemacher) Heutiges Bundesland NordrheinWestfalen Seehöhe 150 m Heutiger Zustand Leerstand seit 2010 (AVS), bzw. abgerissen (Rest) Heutiger Name Medizinisches Zentrum für Gesundheit Adresse Auguste-ViktoriaAllee, D-33175 Bad Lippspringe Internetseite medizinischeszentrum.de