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Ein spätantikes Kapitell im Park "Arkadia" bei Nieborów

2004

The article discusses an ancien mai ^ Helena Radziwill The capital wasfirst published Masowia. that until 1820s belonged to t ie p> mcc author however argues for its dating to the second in 2001 and dated to the 3rd-4th cent. Constantmople. Ravenna, Rome. Venice and halfof the 5th cent., pointing to snnilar Cor P , that jt orjgjnally topped a free-standing Chersonesus. The capital's dimensions (lower di ■) ® Petersburg at the turn of the 18th (honorific ?) column. 1t is likely to have been hrought to Arkactia and 19th centuries. In den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde im Park Arkadia bei Nieboröw (ca^ 50 jan westlich von Warschau) ein Marmoikapitell (nv.

Originalveröffentlichung in: Archeologia 55, 2004, S. 41-45 PL ISSN 0066-605X ELZBIETA JASTRZ^BOWSKA EIN SPÄTANTIKES KAPITELL IM PARK “ARKADIA” BEI NIEBORÖW /-r„c vtT-YTTTT ,, fnunrl in 1970s in the park Arkadia near Nieboröw, ABSTRACT. The article discusses an ancien mai ^ Helena Radziwill The capital wasfirst published Masowia. that until 1820s belonged to t ie p> mcc author however argues for its dating to the second in 2001 and dated to the 3rd-4th cent. Constantmople. Ravenna, Rome. Venice and halfof the 5th cent., pointing to snnilar Cor P , that jt orjgjnally topped a free-standing Chersonesus. The capital's dimensions (lower di ■ ) ® Petersburg at the turn of the 18th (honorific ?) column. 1t is likely to have been hrought to Arkactia and 19th centuries. doch fiir diesen sentimentalen Park ein Gelände gewählt, das am wenigsten an sein griechisches Vörwurde im Park Arkadia bei Nieboröw (ca^ 50 jan bild erinnerte, nämlich die Ebene von Masowien westlich von Warschau) ein Marmoikapitell ( nv. beim Dorf Lupnia und die Sümpfe des kleinen Ba4529 MNW) ausgegraben1 2(Taf. XII.la), das eis m ches Lupia, mit dem ein künstlicher Teich in der Juli 1997 durch Tomasz Czujko von der Abtei ung Gartemnitte bewässert wurde. Das Landgut von Arkafür Renovierung von architektonischen E emen en dia (Garten) und Nieboröw (Palast und Park) wurde und Details (Zaklad Konserwacji Elementöw l Deta l schon im Jahre 1774 durch Michal Hieronim RadziArchitektonicznych) an der Mikolaj Kopenn niv will erworben und dann in den Jahren 1787 - 1821 sität zu Torun konserviert wurde (Taf. XII.lb-c) . durch seine Frau Helena mit vielen antiken DenkBevor ich auf die Herkunft und Datierung ieses mälem bereichert. Nach dem Wunsch der Gräfin wurKapitells eingehe, möchte ich kurz an die Gesc nc den die meisten dieser Kunstwerke an den Bauten te des Parks Arkadia erinnem. Die Idee, au iese11 und den künstlichen Ruinen des Gartens von Arkadia Park den Namen zu übertragen, der in der Antike (wie Circus, Amphitheater, Dianatempel, Gotisches die wilden Gebirge der griechischen Peloponnes un Haus, Haus des Erzpriesters) aufgestellt. In dieser die Landschaft Arkadia bezeichnete, stamnn1 von ^ romantischen Umgebung haben viele antike Skulplena Radziwill, geborene Przezdziecka (175 turen, Sarkophage und Umen und auch zahllose Die Gräfin wollte mit diesem antikisierenden ariie architektonische Werkstücke wie Säulen und Pfeiler, voller romantischer Anspielungen einen von l u se s Basen und Kapitelle, Friese und Gesimse ihren entworfenen englischen Garten, einen Gartentyp, Standplatz gefunden. Die Sammlung wurde schon im 18. Jh. sehr beliebt war, auszeichnen. Sie ha je- am Anfang des 19. Jh. inventarisiert, und alle diesen Inventare sind heute im Archiwum Glöwne Akt Dawnych zu Warschau zugänglich. Leider finden sich 1 Text des Refcrats, das während des Symposiunis. C ^ dort keine Angaben zu irgendwelchen antiken KapiIn den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Aixhitecture in the Black Sea Basin, IV-VU cen ■ nah-Obrzycko, 25.-29.10.2004, ausgcsprochcn wur' 2 T. CZUJKO, Dokumcntacja konserwatorska ma . kapitelu z Arkadii, Torun 1997 - unveröffcnthchtc Rc dokumentation im Museum zu Nicboröw. *0 Hlzbicta Jastrzi;bowska, 2004 tellen. Die Geschichte der Sammlung von Nieboröw und Arkadia ist aber Dank der Untersuchungen von Anna 41 ELZBIETA JASTRZ^BOWSKA Sadurska3 und der ausfuhrlicheren Darstellung von Tomasz Mikocki gut bekannt4. Die Gräfin Radziwili ist nie selbst in eines der Länder am Mittelmqer gereist, um ihre Kunstwerke etwa in situ oder in römischen Antiquariaten zu erwerben. Sie hat sich zu diesem Zwecke nach Deutschland und vor allem nach Russland begeben5. Einige Kunstwerke hat sie aber zunächst noch in Polen gekauft, so etwa aus Anlässe der Auflösung der Sammlungen vom König Stanisfaw August Poniatowski und dem Bischof Ignacy Krasicki6. Darüber hinaus hat die Gräfin ihre Sammlung vor allem mit Hilfe ihrer “Agenten” bereichert. Zu ihnen gehörte der italienische Architekt Vincenzo Brenna (1745-1814), der die Residenzen der Zaren in Russland, darunter den Palast in Gatschina, entworfen hat, aus dem er heimlich einige Marmorskulpturen herausgeschafft hat, _ um sie dann der Gräfin für den Park “Arkadia“ zu verkaufen7. Ein gewisser Walicki sollte fiir Helena Radziwill, nach der Erinnerung ihres Sohns, zwei Obelisken aus rotem Granit (heute beim Palast in Nieboröw), die zuerst im Circus von Arkadia aufgestellt wurden, und damit vielleicht auch andere Kunstwerke in SanktPetersburg erwerben8. Aus dieser Stadt stammt jedenfalls die Mehrheit der Denkmale aus der Sammlung der Gräfin. Sie wurden auch zum großen Teil durch die Zarin Katherina II. ihrer Freundin Helena Radziwilf geschenkt. Diese zaristische Großzügigkeit wurde noch später nach Katherinas Tod im Jahre 1796 durch ihre Nachfolger Paul I. und Alexander I. fortgesetzt. Unter den Geschenken gab es auch den berühmten Kopf der Niobe, eine römische Kopie des 2. Jh. von einern hellenistischen Original9. Ebenso wie es zwei Versionen, eine legendärer als die andere, über die Provenienz dieses bekanntesten Meisterwerks der Sammlung von Nieboröw gibt, können wir heute 3 A. SADURSKA, Les Antiquites au Palais de Nieboröw, in: Actes du Colloque sur l'esclavage (Nieboröw 2.-6.12.1975), Prace Instytutu Historii Uniwersytetu Warszawskiego 10, Warszawa 1979, 7-21. 4 T. MlKOCKI, Collection de la Princesse Radziwill, Wroclaw 1995; IDEM, Arcadiana, Arcadia in Poland. An I8'1’ Century Antique Garden and its Famous Sculptures, Swiatowit, Suppl. A/I, Warszawa 1998; IDEM, Et in Arcadia ego... Muzeum ksiqzny H. Radziwillowej. Katalog wystawy w Swiq/yni Diany w Arkadii, maj -wrzesien 2001, Warszawa 2001. 5 IDEM, Collection, 33; IDEM, Et in Arcadia..., 90. 6 IDEM, Collection, 33-37; IDEM, Et in Arcadia..., 90f. 7 IDEM, Collection, 37; IDEM, Et in Arcadia..., 92. 8 Nach der Biographie der Gräfin, die von Michal Radziwilt verfasst wurde; ibidem, 92f. 9 K. MlCHALOWSKI, Ein Niobenkopf aus den Sammlungen des Fiirsten RadziwiU in Nieboröw, AA 1927, 58-70; T. MlKOCKI, Les sculptures mythologiques et decoratives dans les collections polonaises, in: Corpus Signorum Imperii Romani, III-1, Warszawa 1994, 72-74, Nr. 63, Taf. 38 (mit übriger Bibliographie). 42 ARCHEOLOGIA LV 2004 auch nicht mehr entscheiden, welche Denkmale (außer einigen Sarkophagen, Umen und Skulpturen) aus Rom oder aus dem Gebiet des Schwarzen Meeres stammen. Katherina II. hat ihre Sammlung in Sankt-Petersburg mit Einkäufen in Rom - unmittelbar in den Jahren 1769 und 1777 - oder via London in den Jahren 1785-1787. durch die Erwerbung der ehemaligen Kollektion von Lyde Brown aus Wimbledon, erweitert10. Es gab aber auch in der ursprünglichen Sammlung der Zarin griechische Kunstwerke (sowie vielleicht auch einige spätantike) aus dem Oste'n, die durch den Admiral Alexiei Orlow (genannt Tschesmensky) von den griechischen Inseln oder von den Ufern des Schwarzen Meeres nach Sankt-Petersburg gebracht wurden11. Die Herkunft aus der Krim ist nur fiir eine griechisch-türkische Grabinschrift von 1709 mit Sicherheit zu bestimmen, die via SanktPetersburg nach Arkadia gelangte. Aus den Briefen von Michaf Radziwift und seiner Frau wissen wir, daß drei Transporte der “Marmore für die Gräfin”, und zwar in den Jahren 1796, 1801, 1802, von SanktPetersburg nach Arkadia über das Meer und den Hafen von Gdansk (Danzig) durchgeführt worden seien12. Leider hat man die erwähnten Marmore in diesen Briefen nicht näher spezifiziert. Darüber hinaus finden wir unser Kapitell in keiner der erhaltenen schriftlichen Quellen. Wenn man aber dem oben gegebenen Überblick der Sammlungsgeschichte folgt, kann man annehmen, daß unser Kapitell zusammen mit anderen Denkmalen aus Sankt-Petersburg nach Arkadia gelangt ist. Das Kapitell steht heute unter dem viersäuligen ionischen Portikus der antikisierenden Fassade des Dianatempels (links des Eingangs); es ist 55 cm hoch, 80 crn breit und hat einen unteren Durchmesser von 56 cm (Taf. XII. lb-c). Dieses große korinthische Marmorkapitell ist rnit großgezackten Akanthusblättern in zwei Blattkränzen (je mit 8 Blättem) und flachen, bandartigen Außenvoluten ausgestattet. Insgesamt ist das Kapitell oben ziemlich breit ausladend und unten schmal. Eine Abakusecke sowie die darunter liegenden Helices und der obere Teil eines oberen Akanthusblattes an der Ecke des Kapitells sind abgebrochen. Das Abakusprofil ist zweistreifig, mit 4 Abakusbossen in der Mittelachse, die unfertig belassen worden oder auch sehr beschädigt sind. Darübei hinaus gibt es zahlreiche Beschädigungen der gesamten Kapitelloberfläche. In der Auflagefläche des Kapitells befinden sich zwei quadratische Löcher (4x4 cm), jie zur Befestigung eines darüber liegenden Elements gedient haben (Taf. XII. ld). Nach 10 IDEM, Et in Arcadia..., 96-99. 11 Ibidem, 103. 12 SADURSKA, op. cit., 9f; MlKOCKI, Et in Arcadia..., 103. ARCHEOLOGIA LV 2004 dem konservatorischen Gutachten von Tomasz Czujko ist “das Kapitell aus einem hellen mittelkörnigen Kalzitmarmor verfertigt worden, dessen Kristalle verschiedene Farbtönung von Grau, Gelb und Rot zeigen und charakteristische Venen bilden”13. Auf Grund der ausführlichen petrographischen Marmoranalyse von Dariusz Jözefiak ist Czujko zu dem sicher richtigen Ergebnis gekommen, daß “das Kapitell nicht aus polnischem Marmor gearbeitet wurde”14. Anhand der Kenntnis von hunderten ähnlicher Kapitelle und von anderen architektonischen Elementen aus dem Mittelmeerraum und den Küsten des Schwarzen Meeres möchte ich die Steinbrüche von Prokonnesos als den einzig möglichen Herkunftsort dieses Marmors vorschlagen, weil die oben genannten “charakteristischen Venen”, die meist bläulich gefärbt sind, sehr typisch fiir den prokonnesischen Marmor sind15. Wie allgemein bekannt, sind die Steinbriiche von Prokonnesos in der Spätantike, d. h. von Konstantin bis Justinian, sehr aktiv gewesen. Das Kapitell von Arkadia wurde zweimal nur kurz durch Tomasz Mikocki im Jahre 1998 (nur eine Photographie)16 und irn Jalire 2001 veröffentlicht, mit folgendem Kommentar: “Charakteristische Bearbeitung der Blätter bestimmt die Produktionszeit [dieses Kapitells] in der Spätantike. Eine Vordatierung auf die 3.-4. Jh. scheint durch einige Analogien bestätigt zu werden, obwohl der Erhaltungszustand und der Mangel an Dokumentation seine präzise Einordnung verhindem. Der Bau und die Modellierung der Blätter entsprechen am besten den severischen und anderen korinthischen Kapitellen aus dem 3. Jh., die in der Monographie von Freyberger veröffentlicht wurden”17. *Offensichtlich hat der Autor die oben zitierte Dokumentation von Czujko nicht gekannt, weil ausgerechnet die Modelliemng der Akanthusblätter nach der Reinigung des Kapitells und nach 13 CZUJKO, op. cii., 4. 14 Ibidem. 15 Vgl. vor allem: A. DWORAKOWSKA, Quarries in Roman Provinces, Wroclaw 1983, passinv, R. GNOLI, Marmora Romana, Roma 1988, 263-264; C. BARSANTI, L 'esportazione di marmi dal Proconneso nelle regioni pontiche durante il IV- VI secolo, Rivista dell’Istituto Nazionale d'Archeologia e Storia dell Arte 12, 1989, 91 -220; M.C. MARCHEI, in: Marmi antichi, Roma 1998, 252 (mit weiterer Bibliographic); C. BARSANTI, Capitelli di manujattura costantinopolitana a Roma, in: Ecclesiae Urbis, Atti del Congresso Internazionale di studi sulle chiese di Roma (IV-X secolo), Roma 4-10 settembre 2000, Cittä del Vaticano 2002, III, 1443-1478. 16 MIKOCKI, Arcadiana, 20, Taf. 13, 4. 17 IDEM, Et in Arcadia..., 158, Nr. Kat. 80, mit Hinweis auf die Vergleichsstücke: K.S. FREYBERGER, Stadtrömische Kapitelle aus der Zeit von Domitian bis Alexander Severus. Zur Arbeitweise und Organisation stadlrömischer Werkstätten der Kaiserzeit, Mainz 1990, Taf. 46 (Ostia, Tempio Rotondo und Rom, Colosseum, Forum Romanum, bei Basilika Aemilia); Taf. 48 (Ostia, Forumsthermen, und Milet, Faustinathermen). EIN SPÄTANTIKES KAPITELL IM PARK “ARKADIA” seiner allgemeinen Konservierung, trotz aller Beschädigungen, sichtbar und deutlich ist. Diese Modellierung ist eben ein Charakteristikum, das es erlaubt, die Herkunft und die Datiemng des Kapitells ziemlich genau zu bestimmen. Im Gegensatz zur detailreichen, scharfplastischen, aber nicht sehr tiefen, fast zitterigen Modelliemng der Akanthusblätter auf den Kapitellen aus dem 3. Jh.lx macht die Bearbeitung der Blätter auf dem Kapitell von Arkadia einen ganz anderen Eindmck. Die großgezackten Akanthusblätter sind breit und flach, sie bestehen aus je zwei seitlichen und einem mittleren Blattabschnitt mit Überfall, ihre Mittelrippen werden von zwei Furchen gerahmt. Die oberen Zähne sind gegen den darüber liegenden Blattabschnitt aufgekrümmt, und die unteren Zähne sind jeweils gegen die des Nachbarblattes gestellt, so daß zwischen den Blättern große und tiefe tropfförmige Einschnitte entstehen. Dagegen mhen die einfachen und schmalen Helices flach auf den Eckhochblättem. Auf den ersten Blick gibt es sehr viele Vergleichsbeispiele für diese Bearbeitung der großgezackten Akanthusblätter auf den Kapitellen, die sowohl im Westen wie auch im Osten des Mittelmeerraumes zu finden sind. Gleichzeitig muss ich gestehen, daß ich kein unmittelbares Vergleichsbeispiel gefunden habe, das eine hundertprozentige Ähnlichkeit in Bezug auf seine Größe und entsprechende Proportionen aufweist und eine Kombination dieser Form der Akanthusblätter und der vernachlässigten Helices zeigt. Wenn man die Größe des Kapitells berücksichtigt und nach dem Ursprung dieser Art Modelliemng der Akanthusblätter sucht, dürfte man zuerst zwei sehr aufwendige Analogien nennen. Es handelt sich um korinthische Kapitelle aus dem Bestand an Kapitellen bei der Basilika von S. Paolo fuori le mura (eines von ihnen heute im Hof bei S. Pudenziana, Taf. XII.2) in Rom19 und aus dem Theodosiusbogen im Fomm Tauri in Konstantinopel (Cad. Yeniceriler zu Istanbul, Taf. XII.3)20. Das Kapitell im Hof der Kirche von S. Pudenziana ist größer als das von Arkadia (76 cm hoch, 94 cm breit und mit einem unteren Durchmesser von 56/58 cm) und hat dichter und sorgfältiger bearbeitete Akanthusblätter. Nach Joachim Kramer 18 Wie es auf den von Mikocki vorgeschlagenen Vergleichsstücken zu sehen ist (ibidem). 19 J. KRAMER, Eine Gruppe von spätantiken Säulenkapitellen in Rom, Bollettino dei Musei e Gallerie Pontificie 16, 1996, 21 27; IDEM, Spätantike korinthische Säulenkapitelle in Rom. Bei S. Paulo f. I. m. in S. Maria in Domnica und andere, Wiesbaden 1997, 3, Nr. Kat. 1, Abb. 1; BARSANTI, Capitelli, 1447, fig. 1. 39 R. KAUTZSCH, Kapitellstudien. Beiträge zu einer Geschiclite des spätantiken Kapitells im Osten vom 4. bis ins 7. Jh., Berlin 1936, 40f., Nr. Kat. 154 b-c, Taf. 11, Abb. 1-2; Th. ZOLLT, Kapitellplastik Konstantinopels vom 4. bis 6. Jh., in: Asia Minor Studien 14, Bonn 1994, 112 -114, Nr. Kat. 288 292, Taf. 36 und 37; BARSANTI, Capitelli, 1452- 1454, Abb. 5. 43 ELZBIETA JASTRZ^BOWSKA und Claudia Barsanti ist das Kapitell ein Import aus Konstantinopel und um die Wende vom 4. zum 5. Jh. zu datieren21. Die Kapitelle aus dem Forum Tauri sind sehr beschädigt und haben unterschiedliche Masse (Höhe: 95 - 175 cm, unterer Durchmesser: 122 130 cm). Laut Thomas Zollt gehören sie zu einem späteren (nach 465) Wiederaufbau des Theodosiusbogens, der mehrmals im Laufe des 5. Jh. durch Erdbeben zerstört wurde22. Die Modellierung der Akanthusblätter auf allen diesen Kapitellen, zusammen mit dem von Arkadia, ist unterschiedlich, aber der obere Teil mit Voluten und dem Abakus ist auf allen diesen Objekten ziemlich ähnlich. Wichtiger ist jedoch die Herkunftsbestimmung dieser Kapitelle, zumal die Stücke bei S. Paolo in Rom sehr wahrscheinlich und die vom Forum Tauri mit Sicherheit aus Konstantinopel stammen. In der Tat gibt es die besten Vergleichsbeispiele fur das Kapitell von Arkadia eben unter den Kapitellen, die an verschiedenen Stellen des heutigen Istanbul gefunden wurden. Man dürfte hier vor allem auf die so genannten Kapitelle des Hl. Paulus, mit der Inschrift tou [hagiou] Paulou (7 Stücke: 60 cm hoch, 92 cm breit, mit einem unteren Durchmesser von 51 cm) hinweisen, die in die erste Hälfte des 5. Jh. datiert sind und als Spolia in der Kirche Kalenderhane Camii verwendet wurden (Taf. XIII. 1 2)~3. Obwohl der untere Durchmesser dieser Kapitelle kleiner, ihre Höhe und obere Breite aber größer im Vergleich zum Kapitell von Arkadia sind, ist die Modellierung der großgezackten Akanthusblätter in zwei Blattkränzen beiderseits sehr ähnlich. Jedoch ist auch hier nicht alles gleich, weil die Außenvoluten auf dem Kapitell von Arkadia und auf den der Kalenderhane Camii anders gestaltet sind. In jedem Fall aber weisen alle oben angeführten Vergleichsbeispiele eindeutig darauf hin, daß das Kapitell von Arkadia auch aus Konstantinopel stammen wird. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß von den oben erwähnten Maßunterschieden einer eine große Bedeutung haben kann. Es handelt sich um den unteren Durchmesser der Kapitelle. Dieses Maß ist nach Joachim Kramer ein sehr wichtiger Faktor, um die Höhe der Säule zu bestimmen: “Die Kapitelle mit einem Durchmesser der Fußfläche von mehr als 0,55 m gehörten zu den Säulen, die nicht mehr für das Innere einer «normalen» frühchristlichen Basilika bestimmt waren. Denn Säulen aus drei Teilen [Ka21 KRAMER, Spätantike korinthische Säulenkapitelle, 49. 22 ZOLLT, op. cit., 113-114, “Möglicherweise Ersatzexemplar aus den Jahren nach 465 n. Chr.”. 23 A. BERGER, in: Kalenderhane in Istanbul, the Buildings, their History, Architecture and Decoration. Final Reports on the Archaeological Exploration and Restoration at Kalenderhane Camii 1966-1978, Mainz 1977, 15f.; U. PESCHLOW, Architectural Sculpture, ibidem, 105. 44 ARCHEOLOGIA LV 2004 pitell, Schaft und Base] mit einer Höhe von 5,40 m und mehr dürften weitgehend zu Kolonnaden gehört haben, die eine monumentale Wirkung erzielen sollten, von Eindrucksmächtigkeit bestimmt waren, um das Wort monumental, das in der Kunstgeschichte in Mißkredit gekommen ist, zu vermeiden”24. Es wäre also möglich, daß das Kapitell von Arkadia mit einem unteren Durchmesser von 56 cm ursprünglich auch für eine monumentale Säule bestimmt war. Annie Pralong hat jüngst 843 Kapitelle aus Alexandria in zwei Hauptgruppen geteilt: 244 Kapitelle mit abgerundeten Akanthusblättern und 599 Kapitelle mit gezackten Akanthusblättern25. Das Kapitell von Arkadia mit seinen deutlich gezackten Akanthusblättern würde am besten zum Typus III von Pralong (mit 18 Stücken) passen und könnte nach den Blattformen mit den Beispielen vom Topkapi Sarayi zu Istanbul (72 cm hoch, ca. 91,5 cm breit und mit unterem Durchmesser von 60,5 cm) zusammengestellt werden26. Auch in diesem Fall ist seine Zuweisung an eine Konstantinopler Werkstatt gesichert. Von dort stammen auch viele andere Vergleichsbeispiele, die sich im Mittelmeerraum und am Schwarzen Meer gefunden haben. Manchmal sind diese Kapitelle in den heute noch existierenden Kirchen erhalten und können schon deswegen nach ihren Maßen nicht mit dem Kapitell von Arkadia verglichen werden. In Bezug aber auf die Modellierung der Akanthusblätter zeigen sie viele Ähnlichkeiten mit unserem Kapitell. Ich möchte hier nur einige solche Beispiele vorführen. Im Westen ist zuerst Ravenna mit den Kapitellen in der Basilika von S. Apollinare Nuovo (494-526) zu nennen-7; weiter die Kapitelle der ehemaligen Apostelkirche (heute S. Francesco, Taf. XIII.3), die nach Friedrich Wilhelm Deichmann vor 450 zu datieren seien, dagegen nach Rafaella Farioli aus der Zeit des Episkopats des Bischof Neon, d.h. aus dem dritten Viertel des 5. Jh., stammen sollten28. In Rom gibt es zwei Kapitelle auf der östlichen Empore in der BaJ. KRAMER, Bemerkungen zu den Methoden der Klassißzierung und Datierung ßühchristlicher oströmischer Kapitelle, in. Spätantike und byzantinische Bauskulptur. Beiträge eines Symposions in Mainz, Februar 1994, Stuttgart 1998, 47. A. PRALONG, La typologie des chapiteaux corinthiens tardifs en marbre de Proconnese el la production d'Alexandrie, RA 1, 2000, 81-101; EADEM, Les chapiteaux corinthiens lardifs en marbre de Proconnese: une nouvelle typologie, Bulletin de l'Association pour l’Antiquite tardive 12, 2003, 46-53. ZOLLT, op. cit., 142f., Nr. Kat. 386, Abb. 12, datiert in die^erste Hälfte des 6. Jh. F.W. DEICHMANN, Ravenna, Hauptstadt des spätantiken Abendlandes, II: Kommentar 1, Wiesbaden 1974, 131-35, Abb. 85-98. IDEM, Ravenna, Geschichte und Monumente, Wiesbadcn 1969, 64f„ Abb. 29; R. OLIVIERI FARIOLI, "Corpus" della scultuia paleocristiana ed altomedioevale di Ravenna, III, Basi, capitelli, pietre d'imposta, pilastri e pilastrini, plutei, pulvini, Roma 1969, 24, Nr. 20, Abb. 19, b. ARCHEOLOGIA LV 2004 silika Pelagiana von S. Lorenzo fuori le mura (579 590), die aber vielleicht noch aus dem Ende des 5. Jh. stammen (Taf. XIII.4). In Venedig hat sich unter den zahlreichen konstantinopolitanischen Spolien von S. Marco nur ein Kapitell, und zwar an der südlichen Fassade der Kirche gefunden (Taf. XIII.5), das eine der besten Analogien überhaupt für das Kapitell von Arkadia bildet und nach Deichmann aus der Wende des 5. zum 6. Jh. stammt29. Im Osten gibt es in Nesebar (das antike Mesembria) am Schwarzen Meer ähnliche Kapitelle, die aus den Kirchen des Hl. Stefan und der Erzengel stammen und mit Claudia Barsanti auf das letzte Viertel des 5. Jh. zu datieren sind30. Auch in Warna frnden wir zwei Kapitelle im Museum und im Lapidarium von Naulochos-Obzor, die durch Barsanti auch auf das 5. Jh. datiert werden31. In Kertsch in der OstKrim befinden sich die Kapitelle in der Kirche des Hl. Johannes der Täufer immer noch in situ auf den Säulen; sie sind hier jedoch nur im Schnitt der Akanthusblätter zu vergleichen. Diese Kapitelle wurden laut Maria Tichanov-Klimenko aus prokonnesischem Marmor gefertigt und sind auf das Ende des 5. oder den Anfang des 6. Jh. zu datieren32. Sie sind aber viel kleiner (Höhe: 43 - 46,5 cm, unterer Durchmesser: 43,3 - 43,8 cm) als das Kapitell von Arkadia. Gleichfalls gibt es unter den zahlreichen Kapitellen von Chersonesos nach den Angaben von Anatolij Jakobson33 (Höhe: 40-49 cm, bei einem Exemplar 57 cm; obere Breite: 53-58 und 60-66 cm; unterer Durchmesser: 35-40 cm) kein Exemplar, das so groß wie das Kapitell von Arkadia wäre34. Nach der Modellierung der Akanthusblätter scheinen unserem 29 F.W. DEICHMANN, J. KRAMER, U. PESCHLOW, Corpus der Kapitelle der Kirche von San Marco zu Venedig, Wiesbaden 1981, 94f., Nr. Kat. 388, Taf. 25. 30 BARSANTI, L'esportazione, 114f., Abb. 17 und 18. 31 Ibidem, 115f„ Abb. 20. 32 M. TICHANOV-KLIMENKO, Les chapiteaux de l’eglise SaintJean-Ie-Precurseur ä Kerc, in: L’art byzantin cliez les Slaves. L ’ancienne Russie, les slaves catholiques, Orient et Byzance V, Paris 1930, 5-7, Abb. 2-3. 33 A.L. JAKOBSON, Rannesrednevekovyj Chersones, MIA 63, 1959,136-140; TlCHANOV-KLIMENKO, op. cit., 9-13, Abb. 6-11. EIN SPATANTIKES KAPITELL IM PARK “ARKADIA” Kapitell am ähnlichsten die Kapitelle, die aus der ersten Phase des Baues der Basilika vom Jahr 1935 (Taf. XIII.6), also vielleicht noch aus dem 5. Jh., stammen. Sie sind heute im Rahmen einer Anastylose wieder auf die Säulen in der Kirchenruine aufgesetzt35. Zum Schluß bleibt also das Problem der Größe des Kapitells von Arkadia, besonders seines unteren Durchmessers (0,56 m), weil die Säule, die es ursprünglich getragen hatte, ca. 5,50 m hoch - laut der erwähnten Berechnung von Joachim Kramer gewesen sein dürfte. So hohe Säulen gab es weder in den Basiliken in Chersonesos, noch sind sie in anderen Orten am Schwarzen Meer bekannt. Wäre es möglich, daß die Säule unseres Kapitells überhaupt nicht ein Teil der Ausstattung einer Kirche gewesen war, sondem daß sie etwa als Ehrensäule Verwendung gefunden hat, falls sie wirklich irgendwo am Schwarzen Meer gefunden worden ist. Auf jeden Fall weisen alle obengenannten Analogien auf die ursprüngliche Herkunft des Kapitells von Arkadia aus Konstantinopel hin und ermöglichen seine Datierung auf das 5. Jh., und zwar eher auf seine zweite Hälfte. Auf die Frage, ob unser Kapitell in Rom erworben oder am Schwarzen Meer ausgegraben wurde, kann man heute leider keine Antwort geben. Wahrscheinlich ist es aber in der zweiten Hälfte des 18. Jh. nach Sankt-Petersburg gebracht worden und von dort an der Wende des 18. zum 19. Jh. schließlich in das masowische Arkadia gelangt. Accademia Polacca di Roma Vicolo Doria 2 00187 Roma 34 Leider ist die Bearbeitung der Kapitelle von Chersonesos von Andrzej B. BlERNACKI, die der zweite Band der Serie: Architektura wczesnobizantyjskich budowli sakralnych Chersonezu Taurydzkiego, beinhalten soll, noch nicht erschienen. 35 E. jASTRZfBOWSKA, Ephesos und Chersonesos in der Spätanlike und in frühbyzantinischer Zeit. Eine vergleichende topographische Studie, Rivista di Archeologia Cristiana 75, 1999, 505-507, Abb. 22; L.W. SEDIKOVA, Basilika 1935 goda, in: Wczesnobizantyjskie budowle sakralne Chersonezu Taurydzkiego, I, Poznah 2004, 61-66. XII ELZBIETA JASTRZEjBOWSKA la. Kapitell von Arkadia nach der Entdeckung (Photo G. Fittschen-Badura). — lb-c. Kapitell von Arkadia nach der Konservierung (Photo E. Jastrzqbowska). ld. Auflagefläche des Kapitells von Arkadia (Photo E. Jastrzqbowska). - 2. Kapitell von S. Paolo fuori le mura, heute im Hof bei S. Pudenziana, Rom (Photo E. Jastrzqbowska). - 3. Kapitell aus dem Theodosiusbogen vom Forum Tauri in Konstantinopel, Istanbul (nach Barsanti, Capitelli, Abb. 5). ELZBIETA JASTRZ^BOWSKA - 1 - - - XIII - 2 . K apitelle des Hl. Paulus in der K irche K alenderhane Cam ii, Istanbul (nach K alenderhane in Istanbul, Taf. 96 und 98). 3. Kapitell in S. Francesco, Ravenna (nach Deichm ann, Ravenna, Abb. 29). 4. Kapitell in S. Lorenzo fuori le m ura, Rom (Photo DAI zu Rom , N eg. 95763). 5. Kapitell in der südlichen Fassade der K irche von S. M arco, V enedig (nach D eichm ann, K ram er, Peschlow , op. cit., Taf. 25). 6. K apitell aus der B asilika vom Jahr 1935, C hersonesos (Photo E. Jastrz^bow ska).