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JHWH in einem altägyptischen Zauberspruch?

Göttinger Miszellen 242 (2014), pp. 105-110.

The article comprehends a discussion of a short invocation in Pap. New York 35.9.21, XXVII,8, in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7, in Pap. Berlin P. 3037, rt. and on the eastern wall, H 2 of the temple in Hībis. It is shown that in this egyptian ritual beneath the semitic passage ’e/ilka „Your (m.) Gott“, written in Hieroglyphics, also JHWH is mentioned in a short form of his name as Yw for protection.

GöttinGer Miszellen Beiträge zur ägyptologischen Diskussion Heft 242 Göttingen 2014 Göttinger Miszellen is a refereed journal Advisory Board: Mohamed Sherif Ali, Kairo Heike Behlmer, Göttingen Ola El-Aguizi, Kairo Fayza Haikal, Kairo Christian E. Loeben, Hannover Boyo Ockinga, Sydney Wolfgang Schenkel, Tübingen Wolfhart Westendorf, Göttingen recommended abbreviation: GM ISSN 0344-385X Herausgegeben von Mitarbeitern des Seminars für Ägyptologie und Koptologie der Georg-August-Universität Göttingen V.i.S.d.P.: Heike Sternberg-El Hotabi Satz und Layout: Orell Witthuhn Druck und Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Die veröffentlichten Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder. Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, Internet oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeber reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Unverbindlicher Einzelverkaufspreis dieses Heftes im Direktbezug: € 5.00 zuzüglich Versandkosten INHALTSVERZEICHNIS TECHNISCHE HINWEISE .......................................................................................4 MISZELLEN Castillos, Juan José: Semi‐Mythological Heroes in Early Egypt ...........................5 Deglin, Flavie: Le mot šfnw dans les textes Égyptiens ......................................13 Masoud, Abdel‐Hamid: Symposium and Ithyphallic Figures from Saïs, Egypt ..25 Mladjov, Ian S. R.: Rediscovering Queen Tanodjmy: A Probable Link Between Dynasties 18 and 19 ..............................................................................57 Miatello, Luca: On the Etymology of jtn and the Solar Iconography.................71 Monnier, Franck: La construction des grandes voûtes en chevrons de l’Ancien Empire ...................................................................................................89 Theis, Christoffer: JHWH in einem altägyptischen Zauberspruch? .................105 Taterka, Filip: An Intriguing Passage from the Akhenaten’s Boundary Stelae Evoking Royal Ancestors......................................................................111 NOTIZEN ZUR LITERATUR Ternes, Bernd/ Mülstegen, Stefan/ Graefe Erhart: Neues zum Pyramidenbau – Versuchsergebnisse.............................................................................. 119 GM 242 (2014) 105 CHRISTOFFER THEIS JHWH in einem altägyptischen Zauberspruch?* Beim Ritual der vier Kugeln, welches in mehreren parallelen Überlieferungen aus Ägypten erhalten ist, handelt es sich um einen Brauch zum Schutz für den Gott Osiris respektive dessen Grabstätte, allerdings wird auch das Land Ägypten mit einbezogen und mit einer rituell durchgeführten magischen Umkreisung versehen, um es vor seinen äußeren Feinden zu schützen.1 In der zweiten Ritualnotiz existiert eine bisher als voces magicae bzw. Abracadabra gedeutete Passage; die vorgeblichen voces magicae sollen im Fokus des vorliegenden Beitrags stehen und für diese eine Deutung als semitische Anrufung einer Gottheit herausgestellt werden. Den umfangreichsten Textzeugen des Rituals stellt Pap. New York 35.9.21, Kol. XXVI– XXXII dar, der ursprünglich einem ’Iy-m-ḥtp gehörte und aus der Zeit der zweiten Perserherrschaft respektive dem Beginn der Ptolemäerzeit stammt.2 Ebenso sind Extrakte des Textes auf weiteren Papyri erhalten geblieben, die von JEAN-CLAUDE GOYON zusammengestellt wurden.3 Es handelt sich hierbei um Pap. Berlin P. 3037, rt. I–III, Pap. Louvre 3237+3239 sowie Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XIV,10–21–x+XV und x+XVI,x– XVI,1–15.4 Im Tempel des Amun von Hībis in der Oase al-Ḫārğa wurde das Ritual desgleichen wie im Bau des Taharqo in Karnak angebracht.5 Ein größtenteils zerstörter * Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen des Teilprojekts A03 des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 933 “Materiale Textkulturen” an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1 Hierzu sei auf C. THEIS, Magie und Raum. Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen, Kap. VII (in Druckvorbereitung für ORA) verwiesen. Dieses Ritual ist von einer vergleichbaren Handlung mit einem Ball zu trennen, die z.B. in Edfou I, 62 und III, 348 erscheint und den Titel Èqr Hm# „Schlagen des Balls“ trägt, hierzu zusammenfassend C.E. DE VRIES, A Ritual Ball Game?, in: G.E. KADISH (ed.), Studies in Honor of John A. Wilson, SAOC 35, Chicago 1969, S. 25–35, hier S. 28–31. 2 Siehe J.-C. GOYON, Le papyrus d’Imouthès, fils de Psintaês au Metropolitan Museum of Art de New-York (Papyrus MMA 35.9.21), New York 1999, S. 63–73 und id., Textes mythologiques II.: Les révélations du mystère des quatre boules, in: BIFAO 75 (1975), S. 349–399. Verbesserungen bei J.F. QUACK, Philologische Miszellen 1, in: LingAeg 2 (1992), S. 151–153, hier S. 151. Eine Zusammenstellung der Textzeugen liegt bei GOYON, Papyrus d’Imouthès, S. 63f. und N. FIEDLER, Sprüche gegen Seth. Bemerkungen zu drei späten Tempelritualen, Heidelberg 2011, S. 338f. vor. 3 Siehe GOYON, in: BIFAO 75 (1975), S. 349–352 und id., Papyrus d’Imouthès, S. 63 mit Anm. 2 [Anm. 2]. 4 Vgl. hierzu die Zusammenstellung von J.-C. GOYON, Le recueil de prophylaxie contre les agressions des animaux venimeux du Musée de Brooklyn (Papyrus Wilbour 47.218.138), SSR 5, Wiesbaden 2012, S. 100; hierzu auch die Rezension von J.F. QUACK, Rezension zu J.-C. Goyon, Le recueil de prophylaxie contre les agressions des animaux venimeux du Musée de Brooklyn (Papyrus Wilbour 47.218.138), SSR 5, Wiesbaden 2012, in: WdO 43 (2013), S. 256–272. Im vorliegenden Beitrag wurde die Zählung der gebotenen Publikation verwendet. 5 Publiziert wurde das Ritual im Tempel von Hībis in der Oase al-Ḫārğa von N. DE GARIS-DAVIES, The Temple of Hibis, III: The Decoration, New York 1953, Tf. 19f. und B. PORTER & R.L.B. MOSS, Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings, 7 Bde., Oxford 21960–1990, hier VII, S. 288 (Raum 15, Nr. 143f.); zum Ritual im Bau des Taharqo R.A. PARKER, J. LECLANT & J.-C. GOYON, The Edifice of Taharqa by the Sacred Lake of Karnak, Brown Egyptological Studies VIII, 106 GM 242 (2014) Kalksteinblock, der sich heute in Moskau, Pushkin Museum of Fine Arts, I.1.b.1022 befindet, weist noch drei Zeilen mit wenigen Zeichen auf;6 ebenso zeigt Paris, Musée Guimet, Inv. 14730 lediglich noch drei Reihen Text.7 Das jüngste heute bekannte Stück stellt Pap. London, BM 10288, I,1–7 aus der frühen Ptolemäerzeit dar.8 Alle Textzeugen datieren somit in die Zeit zwischen der 25. Dynastie und dem Beginn der Ptolemäerzeit. Dass das Ritual an sich aber höchstwahrscheinlich älteren Ursprungs ist, zeigen Kugeln, die bereits aus dem Mittleren Reich belegt sind.9 Ebenso muss auf Pap. Chester Beatty XI, frg. F, rt. x+5 aus der 19. Dynastie hingewiesen werden, da hier noch der kurze Ritualvermerk Dd=tw rA pn Hr fd.t bnn[.t] „Man spreche diesen Spruch über vier Tonkugeln“ erhalten ist.10 Ob dieser Textzeuge wirklich dem Ritual der vier Kugeln zuzuordnen ist, oder ob es sich um einen magischen Text handelt, der vier Tonkugeln in einem ganz anderen Zusammenhang als materia sacra einsetzt, kann nicht gesagt werden. Nur auf vieren der genannten Textträger hat sich die zu besprechende Textstelle erhalten. In der ersten Ritualnotiz des Rituals, die in Pap. New York 35.9.21, XXVII,8, in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7, in Pap. Berlin P. 3037, rt. und auf der Ostwand in H2 des Tempels von Hībis erhalten ist, liegt die betreffende problematische Stelle im Text vor. Nachdem die vier Kugeln aufgefordert wurden, den ehrwürdigen Gott zu schützen, folgen die nachstehend in Zusammenstellung gebotenen Zeichen:11 6 7 8 9 10 11 Providence 1979, S. 61–65 & Tf. 25, zuletzt auch A. VON LIEVEN, Bemerkungen zum Dekorationsprogramm des Osireion in Abydos, in: B. HARING & A. KLUG (Hgg.), 6. Ägyptologische Tempeltagung. Funktion und Gebrauch altägyptischer Tempelräume, Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen 3,1, Wiesbaden 2007, S. 167–186, hier S. 185. Publiziert von S. HODJASH & O.D. BERLEV, The Egyptian Reliefs and Stelae in the Pushkin Museum of Fine Arts, Moscow, St. Petersburg 1982, S. 180 (Nr. 123). Das Stück wird dort in die 26. Dynastie datiert, oder stammt nach GOYON, Papyrus d’Imouthès, S. 63 [Anm. 2] aus der 30. Dynastie. Publiziert von A. MORET, Catalogue du Musée Guimet, Galerie égyptienne: Stèles, Bas-Reliefs, Monuments divers, Annales du Musée Guimet 32, Paris 1909, S. 126f. Publiziert von R.A. CAMINOS, Another Hieratic Manuscript from the Library of Pwerem Son of Ḳiḳi (Pap. B.M. 10288), in: JEA 58 (1972), S. 205–224, Tf. 36. Hierbei handelt es sich um zwei Tonkugeln aus Mirğissa, siehe R.K. RITNER, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practise, SAOC 54, Chicago 1993, S. 161; A. VILA, Un rituel d’evoûtement au Moyen Empire Égyptien, in: M. SAUTER (éd.), L’homme, hier et aujourd’hui. Recueil d’études en hommage à André Leroi-Gourhan, Paris 1973, S. 625–639, hier S. 637 sowie Y. KOENIG, I Testi di Esecrazione di Mirgissa (Nubia). A propos des textes d’envoûtement de Mirgissa, in: A. ROCCATI & A. SILIOTTI (eds.), La Magia in Egitto ai Tempi dei Faraoni, Milano 1987, S. 301–312, hier S. 302 & S. 311 mit Anm. 10. Die nächst jüngeren Kugeln stammen aus Grab Z 52 in Zāwiyat al-Aryan und datieren in das Neue Reich. Diese sind nach D. DUNHAM, Zawiyet el-Aryan. The Cemeteries adjacent to The Layer Pyramid, Boston 1978, S. 40f. (Nr. 16, 21f. & 24) mit Markierungen versehen worden. Es bleibt fraglich, ob auch die von W.M. FLINDERS PETRIE, The Tombs of the Courtiers and Oxyrhynchos, BSAE 37, London 1925, S. 5 & Tf. IV,12 publizierte Kugel aus dem frühdynastischen Friedhof in Abydos wirklich einem frühen Vorläufer dieses Rituals dienen sollte oder ob sie vielleicht für einen ganz anderen Zweck hergestellt worden war. Vgl. A.H. GARDINER, Chester Beatty Gift, 2 Bde., London 1935, Tf. 66; Inventarnummer London, BM EA 10691,5. Siehe die Zusammenstellung bei GOYON, in: BIFAO 75 (1975), S. 369 und die Inschrift im Tempel von Hībis bei DE GARIS-DAVIES, Hibis III, Tf. 20 [Anm. 5]. GM 242 (2014) 107 Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7 26. Dynastie Hībis, Ostwand von H 2 27. Dynastie Pap. New York 35.9.21, XXVII,8 30. Dyn./ Beginn der Ptolemäerzeit Pap. Berlin P. 3037, rt. Ptolemäerzeit Die Lautfolgen in Pap. New York 35.9.21, XXVII,8 und in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7 wurden von Goyon als voces magicae gedeutet und zuerst als AI-r#-k# und AI-Hy-r#-k# umschrieben.12 Folgend deutete er sie als eine Art Anrufung „Ȏ Raka, bis“.13 Es stellt sich die Frage, wie die Worte im Kontext der Ritualnotiz zu den vier Kugeln zu deuten sind – handelt es sich wirklich nur um unverständliche voces magicae im Sinne eines Abracadabra14 oder lässt sich für einige Worte eine Bedeutung finden, die sich mit einem Zauber in Verbindung bringen lässt? Als Interpretation der ersten Anrufung in Pap. New York 35.9.21, XXVII,8 ist aufgrund bekannter Umschreibungen semitischer Wörter in Hieroglyphen an eine Wiedergabe für Al-k# mit einer zugrunde liegenden semitischen Entsprechung ’e/ilka, vergleichbar akkadischem ilka oder hebräischem ָ‫אֵ ל‬, mit der Bedeutung „Dein (m.) Gott“ zu denken.15 12 Vgl. GOYON, in: BIFAO 75 (1975), S. 368. Vergleichbar auch C. LEITZ (Hg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, 8 Bde., OLA 110–116, Leuven 2002–2003, hier Bd. I, S. 536b & S. 549a+b, wo die Namen als AIrk, AIHrk und AIH-bnn umschrieben werden. 13 GOYON, Papyrus d’Imouthès, S. 67 [Anm. 2] und id., Recueil de Prophylaxie, S. 105 [Anm. 4]. Einen vergleichbaren Ausruf zeigt Pap. London, BM EA 10042, rt. VII,12 mit popo rwk# popo rAk# popo rwrA, siehe C. LEITZ, Magical and Medical Papyri of the New Kingdom, Hieratic Papyri in the British Museum VII, London 1999, S. 42 & Tf. 18. Die beiden Lautfolgen rwk# und r#k# wurden von RITNER, Egyptian Magical Practice, S. 193 mit Anm. 890 [Anm. 9] als Vorläufer des demotischen lg „entfernen/ beseitigen“ gedeutet. Zur Deutung der Worte aus Sektion Q von Pap. London, BM EA 10042, rt. VII,12 merkte J.B. BORGHOUTS, Ancient Egyptian Magical Texts, Leiden 1978, S. 89 mit Anm. 304 an: „Unintelligible words (Egyptian?)“. Das in Pap. London, BM EA 10042, vs. II,3 zweimal rk bei LEITZ, Magical and Medical Papyri, S. 49 & Tf. 22 erfüllt mit Determinativ die erscheinende Bedingung als Vorläufer des demotischen Verbums. Pap. Berlin P. 3031, I,10 bei M.Z. ALLAM, Papyrus Berlin 3031. Totentexte der 21. Dynastie mit und ohne Parallelen, Bonn 1992, Tf. 9f. zeigt eine zu Pap. London, BM EA 10042, rt. VII,12 vergleichbare Nennung mit Pnh#qh#q, AIq#r und Rwb#. 14 Zuerst belegt bei Quintus Sammonicus Serenus, Liber medicinalis LI (935), der sein Werk etwa 200 n.Chr. verfasste, siehe den Text bei F. VOLLMER, Quinti Sereni Liber Medicinalis, Corpus Medicorum Latinorum II/3, 1916, S. 45 [Online verfügbar unter http://latin.packhum.org/loc/1515/1/0#0; Zugriff am 29. März 2014]. 15 Vgl. z.B. die Schreibungen des Substantivs ’Ēl im Ägyptischen bei J.E. HOCH, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period, Princeton, New Jersey 1994, S. 27f. (Nr. 16), S. 50 (Nr. 48), S. 91 (Nr. 113), S. 113 (Nr. 144), S. 176 (Nr. 235), S. 201f. (Nr. 272), S. 204f. (Nr. 278), S. 214 (Nr. 294), S. 323 (Nr. 466) und S. 384 (Nr. 576). Eventuell wird ’Ēl bereits in Pap. Budapest 51.1960, B,6 in einem Zauberspruch angerufen, der um 1250–1000 entstanden ist, siehe L. KÁKOSY, Fragmente eines unpublizierten magischen Textes in Budapest, in: ZÄS 117 (1990), S. 140–157, hier S. 150 mit Anm. m. Man vergleiche nur die Schreibungen des Gottesnamens in Pap. Wilbour bei R.O. FAULKNER, in: A.H. GARDINER, The Wilbour Papyrus, 4 Bde., London 1942–1952, hier IV, S. 3 & S. 8. Des Weiteren ist Alk#.tÌ in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+IX,13 bei GOYON, Recueil de Prophylaxie, S. 61 & Tf. 9 [Anm. 4] belegt. J.F. QUACK, Zauber ohne Grenzen. Zur Transkulturalität der spätantiken Magie, in: A.H. PRIES, L. MARTZOLFF, 108 GM 242 (2014) Die ausführlichste Variante liegt im Tempel von Hībis mit vor. Diese ist als syllabische Schreibung von Yw (A)l-k#Ì sp-Èn.w „Yw, dein Gott, zweimal“ zu deuten. Eine Elision des Alephs ist für das Ägyptische belegt.16 In diesem Sinne ist auch die in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7 teilweise leider zerstörte Passage zu interpretieren. Nun ist naturgegeben die Frage zu stellen, ob mit Yw hier eine Kurzform eines bekannten Gottesnamens vorliegen könnte.17 Diese passt auf den ersten Blick nicht mit einer Form von JHWH, nebst einer angenommenen zentralsemitischen Langform *Yahwiyu,18 zusammen. Auf alternative Schreibungen der Kurzform in ägyptischen Texten wurde bereits früher hingewiesen.19 Der Name erscheint in mehreren Schreib- und Aussprachevarianten, so sind z.B. Jaho oder Jao, manchmal auch Jahu, belegt, wobei die Schreibung des h als fakultativ zu bewerten ist. In Zusammensetzungen taucht auch Jo auf. Demnach könnte im obigen Fall durchaus eine verkürzte Form Yw vorliegen, wobei eine Entwicklung von *Yahwiyu > *Yahwi > *Yahû zugrunde liegt, bei der es sich um eine Schreibung ohne h handelt, und damit *Yaû als Abschluss steht. Das folgend an zweiter Position in Pap. New York 35.9.21, XXVII,8 erscheinende AHy (A)l-k# ist am Schluss erneut mit „dein Gott“ unter Elision des Alephs zu lesen. Der erste Teil AHy lässt sich aber aufgrund des fehlenden anlautenden y sowie der Differenz zwischen ḥ und h nicht mit JHWH in Verbindung bringen. Als semitische Entsprechung bietet sich aḫī/ ‫„ אָ ִחי‬Mein Bruder“ an, wobei aber fraglich bleibt, warum in einem Zauberspruch „Mein Bruder, dein Gott“ gesprochen werden sollte. Als Varianten sowie im Tempel von Hībis liegen in Pap. Berlin P. 3037, rt. 16 17 18 19 R. LANGER & C. AMBOSS (Hgg.), Rituale als Ausdruck von Kulturkontakt. „Synkretismus“ zwischen Negation und Neudefinition. Akten der interdisziplinären Tagung des Sonderforschungsbereiches „Ritualdynamik“ in Heidelberg, 3.–5. Dezember 2010, Studies in Oriental Religions 67, Wiesbaden 2013, S. 177–199, hier S. 183 mit Anm. 27 nennt als weiteren fremdsprachigen Einfluss die Passage Pap. Brooklyn 47. 218.138, x+XVI,20f. Vgl. HOCH, Semitic Words, S. 28 (Nr. 16) [Anm. 15]. Nach J.C. DE MOOR, The Rise of Yahwism. The Roots of Israelite Monotheism, BETL 91, Leuven 21997, S. 162–169 könnte in KTU 1.1 IV:13–20 ebenfalls Jw vorliegen, wozu sich allerdings B. BECKING, s.v. Jahweh, www.wibilex.de, § 3.2 [Online verfügbar unter http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/22127/; Zugriff am 29. März 2014] kritisch äußert. Vgl. hierzu M. GÖRG, YHWH – ein Toponym? Weitere Perspektiven, in: BN 101 (2000), S. 10–14, hier S. 12. Diese Langform wird dem unter Amenophis III. belegten Toponym zugrunde liegen, siehe hierzu M.C. ASTOUR, Yahweh in Egyptian Topographic Lists, in: M. GÖRG & E. PUSCH (Hgg.), Festschrift Elmar Edel, 12. März 1979, ÄAT 1, Wiesbaden 1979, S. 17–34; BECKING, s.v. Jahweh, www.wibilex.de, § 3.3; J. LECLANT, Fouilles et travaux au Soudan, 1955–1960, in: Or 31 (1962), S. 120–144, hier S. 128; id., Tétragramme à l’époque d’Aménophis III, in: M. MORI (ed.), Near Eastern Studies dedicated to H.I.H. Prince Takahito Mikasa, Wiesbaden 1991, S. 215–217 und id., Les fouilles de Soleb (Nubie soudanaise), in: S. SCHOTT (Hg.), Göttinger Vorträge, NAW Göttingen, Phil.-Hist. Klasse 13, Göttingen 1965, S. 211–216. Vgl. hierzu auch speziell H. GOEDICKE, The Tetragram in Egyptian?, in: JSSEA 24 (1994), S. 24–27, hier S. 24– 26; M. GÖRG, Jahwe – ein Toponym?, in: BN 1 (1976), S. 7–14 und id., in: BN 101 (2000), S. 10–14. Vgl. hierzu und zum Folgenden J.F. QUACK, Griechische und andere Dämonen in spätdemotischen magischen Texten, in: T. SCHNEIDER (Hg.), Das Ägyptische und die Sprachen Vorderasiens, Nordafrikas und der Ägäis. Akten des Basler Kolloquiums zum ägyptisch-nichtsemitischen Sprachkontakt, Basel 9.–11. Juli 2003, AOAT 310, Münster 2004, S. 427–507, hier S. 456f. Als exotischere Formen sind Iawa in Pap. Mag. LL. 16, 1f. und Jae, Jeu und Jeo(u)e belegt, vgl. ibd. S. 457 und Belegstellen S. 484; zitierte Stelle bei F.L. GRIFFITH & H. THOMPSON, The Demotic Magical Papyrus of London and Leiden, 3 Bde., London 1904– 1909, Tf. 16, Zeile 1f. GM 242 (2014) 109 vor.20 Die Zeichen des Berliner Papyrus lassen sich als ÌHÌwy Ìr+ ky deuten, was dementsprechend als „ÌHÌwy, tue (etwas) anderes!“ zu übersetzen wäre. Die Zeichenfolge in Pap. Berlin P. 3037, rt. wäre wohl als ägyptisches Ìr+ ky Ìr+ ky in einer eigenartigen Schreibung zu lesen und als „Tue (etwas) anderes! Tue (etwas) anderes!“ zu übersetzen. Dass in vier sonst fast immer parallel verlaufenden Schriften an dieser Position die Lesungen derart abweichen, ließe sich mit dem Unverständnis einer dem Schreiber unbekannten Sprache erklären. Der bisher älteste bekannte Text Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7 wie auch Pap. New York 35.9.21, XXVII,8 hätten dementsprechend das Semitische noch gut tradiert respektive überliefert. Der Verfasser von Pap. Berlin P. 3037, rt. scheint die Passage bereits nicht mehr verstanden zu haben und re-interpretierte den Text sozusagen nach seiner Vorstellung ins Ägyptische. Wenn es sich bei der oben herausgestellten Identifizierung tatsächlich um eine Form des Namens JHWH handeln sollte, wäre es meines Wissens die früheste Nennung dieser Gottheit in einem ägyptischen Zauberspruch,21 da Pap. Brooklyn 47.218.138 bereits aus der 26. Dynastie stammt.22 Hier sei explizit nur auf das magische Milieu verwiesen; bereits der Eigentümer des Totenbuch-Papyrus Princeton Pharaonic Roll 5 aus der 18. Dynastie trägt den im ägyptischen als Atwny-ro-yh wiedergegebenen kanaanäischen Eigennamen AAdönÍ-röoë-yäh „Mein Herr ist der Hirte von Yah“23 und unter Amenophis III. ist JHWH in einem Toponym belegt.24 Besonders interessant wäre die Zusammenstellung mit anderen Göttern in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,6–11 – genannt werden die Götter des Himmels, die der Erde, die des Südens, des Nordens, des Westens sowie des Ostens. Hierbei handelt es sich in allen Fällen um Wesen, die auch in anderen magischen Schutzsprüchen aus Ägypten als machtvoll erscheinen. Demnach müsste im vorliegenden Fall auch JHWH als mächtige Unterstützung in 20 Vgl. GOYON, in: BIFAO 75 (1975), S. 369 und DE GARIS-DAVIES, Hibis III, Tf. 20 [Anm. 5]. 21 Siehe QUACK, in: SCHNEIDER (Hg.), Sprachen Vorderasiens, S. 483f. [Anm. 19] zu den späteren Belegen. Die von G. PETTINATO, Ebla and the Bible, in: BiAr 43 (1980), S. 203–216, hier S. 203–205 aufgestellte Vermutung, dass bereits in Texten aus Ebla das theophore Element Ja in nomina propria eine Kurzform von JHWH darstellt, konnte von BECKING, s.v. Jahwe, in: WibiLex 2008, http://www.wibilex.de, § 3.1 und H.W. MÜLLER, Gab es in Ebla einen Gottesnamen Ja?, in: ZA 70 (1980), S. 70–92, hier S. 82–89 überzeugend widerlegt werden, da in den Namen nicht NI für ià sondern eine Abkürzung für NI.NI= ì-lí vorliegt. Generell zur Hinwendung fremder Völker zum Gott V. HAARMANN, JHWH-Verehrer der Völker. Die Hinwendung von Nichtisraeliten zum Gott Israels in alttestamentlichen Überlieferungen, AThANT 91, Zürich 2008, S. 170– 254. 22 Vgl. U. VERHOEVEN, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, OLA 99, Leuven 2001, S. 304–306; zuletzt kehrte GOYON, Recueil de Prophylaxie, S. 5 [Anm. 4] wieder zur Datierung in die Ptolemäerzeit zurück. Bekräftigend zur Datierung von VERHOEVEN jetzt QUACK, in: WdO 43 (2013), S. 256. Mit ibd. ist als antike Provenienz Ilfantīn anzugeben; dies nannte auch P.F. O’ROURKE, An Egyptian Royal Book of Protection of the Late Period (p. Brooklyn 47.218.49), New York 2002, S. 24f. für Pap. Brooklyn 47.218.49, die beide aus demselben Fundkomplex stammen. Auf die schlechten Erhaltungsmöglichkeiten für Papyri im Raum Heliopolis wiesen A. VON LIEVEN, Rezension zu D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, MIFAO 125, Kairo 2006, in: BiOR 65 (2008), S. 618–622, hier S. 619 und J.F. QUACK, Rezension zu D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, MIFAO 125, Kairo 2006, in: OrNS 77 (2008), S. 106–111, hier S. 106 hin; vgl. hierzu auch H.-W. FISCHERELFERT, Rezension zu V. Altmann, Die Kultfrevel des Seth. Die Gefährdung der göttlichen Ordnung in zwei Vernichtungsritualen der ägyptischen Spätzeit (Urk. VI), SSR 1, Wiesbaden 2010, in: LingAeg 19 (2011), S. 327–331, hier S. 331. 23 Siehe die Besprechung des Namens von T. SCHNEIDER, Zur Interpretation des Eigennamens des PapyrusBesitzer, in: B. LÜSCHER, Der Totenbuch-Papyrus Princeton Pharaonic Roll 5, BAÄ 2, Basel 2008, S. 45–50. 24 Siehe die in Anm. 18 genannte Literatur. 110 GM 242 (2014) den Zauberspruch eingegliedert worden sein.25 Aus der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts stammt die Nennung des Gottes in einer Inschrift im Vorraum eines Grabes in Bēt Layy (BLay(7):3) „JHWH errettet“ (‫)הושע יהוה‬.26 Hier fungiert er als Retter für den Verstorbenen oder Flüchtlinge, die sich in dem Grab verborgen hatten,27 in einem kurzen magischen Text, so dass die Nennung in einem Zaubertext aus Ägypten durchaus auf einer vorderasiatischen Beeinflussung beruhen könnte. Als eine späte Definition von Magie sei zum Abschluss noch auf Ṭašköprüzāde, Miftāḥ I, 277,13–18 verwiesen.28 Nach seiner Auslegung würde die im Ritual der vier Kugeln vorliegende Stelle eine Kombination von ägyptischen und hebräischen Elementen in Form des Gottesnamens nebst der angewandten Mittel belegen, wie es auch für viele andere Quellen gilt, in denen diese Art der Vermischung kultureller Gedanken zu greifen ist. Doch wäre die direkte Anrufung JHWHs die bisher früheste bekannte Integrierung der Gottheit in einen ägyptischen Zauberspruch. Abstract: The article comprehends a discussion of a short invocation in Pap. New York 35.9.21, XXVII,8, in Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7, in Pap. Berlin P. 3037, rt. and on the eastern wall, H 2 of the temple in Hībis. It is shown that in this egyptian ritual beneath the semitic passage ’e/ilka „Your (m.) Gott“, written in Hieroglyphics, also JHWH is mentioned in a short form of his name as Yw for protection. Résumé: L’article présente une discussion d’une invocation brève, attestée sur le Pap. New York 35.9.21, XXVII,8, le Pap. Brooklyn 47.218.138, x+XV,7, le Pap. Berlin P. 3037, rt. et sur le mur est (H2) du temple d’Hībis. On a pu montrer que le rituel égyptien contient un passage sémitique ’e/ilka „Ton (m.) dieu“, écrit en égyptien. De plus, JHWH est invoqué sous la forme abrégée de Yw afin de prêter son assistance. Christoffer Theis Ägyptologisches Institut der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg Marstallhof 4 D- 69117 Heidelberg 25 Zur Rolle als Chaosbezwinger H. NIEHR, Der höchste Gott. Alttestamentlicher JHWH-Glaube im Kontext syrisch-kanaanäischer Religion des 1. Jahrtausends v.Chr., BZAW190, Berlin/ New York 1990, S. 129–140. 26 Publiziert von J. RENZ, Die althebräischen Inschriften, Handbuch der althebräischen Epigraphik, Band I, Darmstadt 1995, S. 249. Hiphiel der Wurzel √jšc. Weitere Texte, die JHWH nennen, liegen in Graffiti aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert bei J. NAVEH, Hebrew Graffiti from the First Temple Period, in: IEJ 51 (2001), S. 194–207, hier S. 199f. vor. 27 So zuletzt G. EBERHARDT, JHWH und die Unterwelt, FAT II/23, Tübingen 2007, S. 373. Auch die unter der Grabinschrift des ‘Ūrīyāhû in Ḫirbat al-Kūm, Grab II, angebrachte Hand wird als apotropäisches Schutzsymbol verstanden, siehe S. M ITTMANN, Die Grabinschrift des Sängers Uriahu, in: ZDPV 97 (1981), S. 139–152, hier S. 140, Abb. 1 und id., Das Symbol der Hand in der altorientalischen Ikonographie, in: R. KIEFFER & J. BERGMAN (Hgg.), La main de dieu. Die Hand Gottes, WUNT 94, Tübingen 1997, S. 19–47; zusammenfassend zur Literatur EBERHARDT, JHWH und die Unterwelt, S. 369, Anm. 16f. Zuletzt deutete MARTIN LEUENBERGER, Gott in Bewegung, FAT 76, Tübingen 2011, S. 155– 157 die Inschrift als reinen Segen. Noch in nachchristlicher Zeit fungierten Amulette in Form einer Hand als Schutz, siehe z.B. das bei T. SCHRIRE, Hebrew Amulets. Their Decipherment and Interpretation, London 1966, S. 147, Tf. 2, Nr. 11 publizierte Stück. 28 Siehe M. ULLMANN, Die Natur- und Geheimwissenschaften im Islam, HdO I/VI,2, Leiden 1972, S. 361.