HNO
Übersichten
HNO 2022 · 70:14–18
https://doi.org/10.1007/s00106-021-01079-0
Angenommen: 12. Mai 2021
Online publiziert: 25. Juni 2021
© Der/die Autor(en) 2021
S. Reetz1 · M. Brockmann-Bauser1,2 · J. E. Bohlender1,2
1
Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie, Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie,
UniversitätsSpital Zürich, Universität Zürich, Zürich, Schweiz
2
Universität Zürich, Zürich, Schweiz
Prolongierte ulzerierende
Laryngitis
Die prolongierte ulzerierende Laryngitis wurde erstmals 2000 von
Spiegel et al. [7, 10] beschrieben.
Sie ist durch eine über Monate andauernde Heiserkeit bei gleichzeitig
laryngoskopisch nachweisbaren bilateralen Stimmlippenulzerationen
gekennzeichnet, die einen malignen Prozess vermuten lassen und
kaum auf pharmakologische Maßnahmen ansprechen. Da HNO-Ärzte
und Phoniater häufig die letzte Instanz bei prolongierter Heiserkeit
sind, sind ein Überblick über die Phänomenologie sowie die Literatur
zur Therapie dieses seltenen Krankheitsbildes entscheidend für eine
fundierte Beratung und Behandlung.
Der Terminus Laryngitis ist zunächst eine allgemeine Bezeichnung, die einen
entzündlichen Zustand des Kehlkopfes
beschreibt. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich und können multifaktoriell sein [3, 5]. Als relevante ätiologische
Faktoren gelten vor allem Infektionen,
die meist unspezifisch im Rahmen eines viralen Infekts der oberen Atemwege auftreten oder durch spezifische Viren, Bakterien oder auch Candidainfekte verursacht werden können. Weiterhin
können laryngopharyngeale Refluxereignisse, inhalative Reizstoffe (Zigarettenrauch, Kortikoidtherapie oder Umweltnoxen), Rhinitiden (allergisch oder andere), mechanische Phonationstraumata
durch Stimmmissbrauch und -überlastung [11] sowie, seltener, auch autoimmune Grunderkrankungen eine Laryngitis verursachen [7]. Der zeitliche Verlauf
kann akut oder chronisch sein. Eine akute unspezifische Laryngitis weist in der
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HNO 1 · 2022
Regel einen milden und selbstlimitierenden Verlauf innerhalb von 3–7 Tagen auf.
Dauert dieser Krankheitszustand länger
als 3 Wochen an, spricht man von einer
chronischen Laryngitis [4].
Erstmals wurde in den Jahren 2000
und 2002 zum klinischen Bild der charakteristischen Erscheinungsform einer prolongierten ulzerierenden Laryngitis veröffentlicht [7, 10], die später auch idiopathische ulzerierende Laryngitis genannt
wird [8, 9]. Typische Kennzeichen dieser
Erkrankung sind neben einer lang anhaltenden Heiserkeit strukturelle Stimmlippenveränderungen im Form von korrespondierenden Ulzerationen, aber auch
die über mehrere Monate andauernde
Heilung [7].
Da gerade Patienten mit manifester
prolongierter Heiserkeit Fachärzten für
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder Phoniatrie zugewiesen werden, soll dieser
Artikel diese spezifische Form einer entzündlichen Alteration der Stimmlippen
anhand von Fallbeispielen beschreiben
und den Verlauf sowie die Behandlungsoptionen unter Analyse der aktuellen Literatur erläutern.
Erstbeschreibung
Rakel et al. [7] schildert, dass vor über
hundert Jahren John F. Woodward einen
Artikel mit der Überschrift „Prolonged
Laryngitis – Some Chief Causes and
Results“ veröffentlicht und in diesem
erstmals auf die Entität einer Laryngitis
mit Heiserkeit, anhaltender Entzündung
und vereinzelten Ulzerationen hingewiesen habe. Von 1991–1996 wurden
von Spiegel und Sataloff die ersten Fälle des damals noch unbeschriebenen
klinischen Krankheitsbildes einer Laryngitisform gesammelt, die durch eine
länger andauernde Heiserkeit und den
Nachweis von Stimmlippenulzerationen
samt Beteiligung des muskulomembranösen Anteils gekennzeichnet waren.
Die Entzündung dauerte über Monate
hinweg an und heilte später vollständig
ab im Sinne einer Restitutio [7].
In diesem Zusammenhang wurde die
Bezeichnung „prolongierte ulzerierende
Laryngitis“ eingeführt, die den lang anhaltenden zeitlichen Verlauf und typische Stimmlippenulzera charakterisiert.
Im Gegensatz steht dazu steht der im Englischenebenfalls verwendete Begriffeiner
idiopathischen ulzerierenden Laryngitis
[8, 9], der die noch unklare Ätiologie
berücksichtigt. In der deutschsprachigen
Literatur wird teilweise sogar nur von einer ulzerierenden Laryngitis gesprochen.
Fallbeispiele aus der Klinik
In den letzten 10 Jahren wurden in der
Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie in der ORL-Klinik des Universitätsspitals Zürich 13 Patienten mit einer
prolongierten bzw. idiopathischen ulzerierenden Laryngitis betreut. Von diesen
waren 6 Frauen im Alter von 49–83 Jahren (ø 57,6 Jahre) und 7 Patienten Männer im Alter von 34–75 Jahren (ø 46,1).
Das durchschnittliche Alter betrug zum
Diagnosezeitpunkt 54,3 Jahre. Neun Patienten gaben einen regelmäßigen Nikotinkonsum an.
Anhand von 3 Fällen stellen wir im
Folgenden den typischen lupenlaryngostroboskopischen Befund und den
Krankheitsverlauf vor.
Abb. 1 8 Patientin aus Fall 1, Erstkonsultation
Abb. 4 8 Patientin aus Fall 2, Verlauf nach 3 Monaten
1. Fall
Eine 47-jährige arbeitssuchende Patientin berichtete über eine seit 3 Monaten bestehende Heiserkeit, die in Vorstellungsgesprächen zu negativen Reaktionen seitens des potenziellen Arbeitgebers führte und sie zunehmend belastete.
Anamnestisch sei ein Infekt der oberen
und unteren Atemwege mit Husten vorausgegangen. Therapeutisch wurden im
Vorfeld Antibiotika, Protonenpumpenhemmer, nichtsteroidale Antirheumatika
verabreicht, die zu keiner Verbesserung
führten. Aufgrund eines bekanntenAsthma bronchiale inhalierte die Patientin regelmäßig mitBudesonid und Formoterol.
Nikotinkonsum wurde verneint.
In der Lupenlaryngostroboskopie
zeigten sich bei der Erstkonsultation
(siehe . Abb. 1) im mittleren Drittel
beider Stimmlippen ulzerierende, fibrinöse Veränderungen mit verminderter
Randkantenverschieblichkeit bei insgesamt geröteten epithelialen Verhältnissen der Stimmlippen. Die Sprechstimme
klang auditiv perzeptiv hochgradig heiser
(G3R3B3A2S2).
Abb. 2 8 Patientin aus Fall 1, Verlauf nach 4 Monaten
Abb. 5 8 Patient aus Fall 3, Erstkonsultation
Wir initiierten eine inhalative Therapie mittels Macholdt-Inhalator mit einer
klinikinternen Lösung (. Tab. 1) mit Kortison für 2 Wochen und im Anschluss
ohne Kortison für weitere 3 Wochen.
Klinische Kontrollen fanden in 4–6 wöchentlichen Abständen statt. Insgesamt
dauerte der Verlauf bis zur vollständigen
Remission weitere 4 Monate an, sodass
die Gesamtdauer der Erkrankung 7 Monate betrug. Der lupenlaryngostroboskopische Befund in der Abschlusskontrolle
zeigte bis auf eine äußerst diskrete Verdickung im mittleren Stimmlippendrittel
links vollständig abgeheilte Verhältnisse
bei auditiv-perzeptiver noch leichtgradig rauer Stimmqualität (G1R1B0A0S0;
. Abb. 2).
2. Fall
Eine 50-jährige Patientin mit persistierender Heiserkeit, Trockenheits- und
Globusgefühl im Hals seit 2 Monaten
ohne vorausgehenden Infekt der oberen Atemwege wurde uns zugewiesen.
Eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern war extern verordnet worden
und blieb ohne subjektive Verbesserung.
Abb. 3 8 Patientin aus Fall 2, Erstkonsultation
Abb. 6 8 Patient aus Fall 3, Verlauf nach 3 Monaten
Es bestand ein regelmäßiger Nikotinkonsum über mehrere Jahre bei ansonsten
gesunder Patientin.
In der Lupenlaryngostroboskopie
zeigten sich bei der Erstkonsultation
(. Abb. 3) im mittleren Drittel beider
Stimmlippen korrespondierende lanzettförmige, scharf abgrenzbare Ulzerationen bei ansonsten reizlosen laryngealen Verhältnissen. Es waren keine
Randkantenverschiebungen oder Amplituden nachweisbar. Die Sprechstimme
klang auditiv perzeptiv hochgradig heiser (G3R3B3A2S3). Es wurden eine
Inhalationstherapie mittels MacholdtInhalator mit einer klinikinternen Lösung (. Tab. 1) mit Kortison für 3 Tage
und ohne Kortison für weitere 4 Wochen
rezeptiert, sowie 6 Sitzungen logopädische Stimmtherapie zur Vorbeugung einer Fehlkompensation eingeleitet. Nach
3 Monaten ließ sich neben der perzeptiven Stimmverbesserung (G1R1B0A0S1)
endoskopisch eine vollständige Remission nachweisen (. Abb. 4).
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Zusammenfassung · Abstract
3. Fall
Es erfolgte die Zuweisung eines 75-jährigen Patienten mit anhaltender Heiserkeit
seit 4 Wochen nach einem Infekt der
oberen Atemwege. Vorgängig war eine
perorale Therapie mit Steroiden eingeleitet worden ohne wesentliche subjektive
Verbesserung. Nebendiagnostisch bekannt waren ein Asthma bronchiale mit
notwendiger regelmäßiger Inhalation
mit Budesonid und Formoterol und eine
arterielle Hypertonie. Ferner bestand ein
regelmäßiger Nikotinkonsum.
In der Lupenlaryngostroboskopie
waren umschriebene lanzettförmige Ulzerationen auf den Stimmlippen korrespondierend im mittleren Drittel
nachweisbar bei insgesamt geröteten
laryngealen Schleimhautverhältnissen
(. Abb. 5). Die Randkantenverschieblichkeit und die Amplitude waren im
Bereich beider Stimmlippen reduziert.
Die Sprechstimme war auditiv perzeptiv
hochgradig heiser (G3R3B3A2S2).
Wir verordneten eine perorale Antibiotikatherapie und eine Inhalationstherapie mit einer klinikinternen Lösung
(. Tab. 1) mit Kortison für 1 Woche und
ohne Kortison für 4 Wochen mit dem Macholdt-Inhalator und empfahlen zudem
Stimmschonung. Nach 3 Monaten waren
eine vollständige Abheilung nachweisbar
und der Patient subjektiv beschwerdefrei.
Auditiv perzeptiv klang die Sprechstimme noch leichtgradig rau und behaucht
(G1R1B1A0S0; . Abb. 6).
Diskussion der aktuellen
Literatur
Seit der Erstbeschreibung der prolongierten bzw. idiopathischen ulzerierenden Laryngitis im Jahr 2000 gibt es nur
wenige Erfahrungsberichte und Studien
in der englischsprachigen Literatur. Die
erste Beschreibung eines Kollektivs von
14 Patienten mit ulzerierender Laryngitis
wurden von Rakel et al. [7] im Jahr 2002
veröffentlicht. 2011 wurden durch Hsiao
et al. 2011 [5] eine Beobachtungsstudie
mit 33 Patienten und durch Simpson et al.
2011 [8] eine multiinstitutionelle Erhebung von 15 Patienten umgesetzt. Die
letzte Studie mit 23 Patienten wurde von
Young et al. 2018 [13] beschrieben und
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© Der/die Autor(en) 2021
S. Reetz · M. Brockmann-Bauser · J. E. Bohlender
Prolongierte ulzerierende Laryngitis
Zusammenfassung
Hintergrund. Die prolongierte ulzerierende
Laryngitis ist eine seltene, gutartige,
über Monate andauernde entzündliche
Veränderung des Larynx. Der lupenlaryngoskopische Befund lässt einen malignen
Prozess vermuten und kann somit eine
Herausforderung für den behandelnden HalsNasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) darstellen.
Fragestellung. Darstellung der aktuellen
Datenlage, um einen für den klinischen Alltag
hilfreichen Überblick über Ätiologie, Verlauf
und Therapieoptionen zu geben.
Material und Methoden. Präsentation
von 3 Fallbeispielen aus der Abteilung für
Phoniatrie und Klinische Logopädie der
ORL-Klinik des Universitätsspitals Zürich.
Analyse und Diskussion der aktuellen
Studienlage und von Einzelfallberichten aus
der englischsprachigen Literatur.
Ergebnisse. Ätiologie und prädisponierende
Faktoren sind unklar. Ein vorangegangener
Atemwegsinfekt mit Husten und Heiserkeit
scheint die häufigste Ursache zu sein. Die
Erkrankung weist einen selbstlimitierenden
Krankheitsverlauf ohne strukturell dauerhafte
Folgen auf. Biopsien sollten vermieden
werden.
Schlussfolgerung. Der typische laryngoskopische Befund zeigt umschriebene
korrespondierende lanzettförmige Ulzerationen im mittleren Stimmlippendrittel. Der
Krankheitsverlauf scheint selbstlimitierend
zu sein und ohne strukturell dauerhafte
Folgen abzulaufen. Deswegen sollten eine
gute Patientenaufklärung und engmaschige
laryngoskopische Kontrollen vorgenommen
werden.
Schlüsselwörter
Chronische Heiserkeit · Stimmlippenläsion · Laryngoskopie · Stroboskopie ·
Differentialdiagnosen
Prolonged ulcerative laryngitis
Abstract
Background. Prolonged ulcerative laryngitis
is a rare, benign inflammatory alteration
of the larynx that persists for months. The
laryngoscopic findings suggest a malignant
process and can therefore be a challenge
for the treating ear, nose and throat (ENT)
physician.
Objectives. Presentation of the current
database to provide an overview of the
etiology, progress and treatment for everyday
clinical practice.
Methods. Three case studies from the
Department of Phoniatrics and Speech
Pathology of the ENT Department, University
Hospital Zurich, Switzerland, are presented.
Analysis and discussion of the current
literature base and of case reports in the
English literature.
schloss neben den endoskopischen Befunden auch die Auswertung des VoiceHandicap-Index (VHI-10) mit ein. Diese Studien sowie 3 Fallberichte [1, 9, 12]
bilden nach unserem Wissensstand den
in . Tab. 2 aufgelisteten aktuellen Bestand an Literatur über die prolongierte/
idiopathische ulzerierende Laryngitis.
Results. The etiology and predisposing
factors for this disease are unclear. Previous
respiratory infection with cough and
dysphonia seems to be the most common
cause. Biopsies should be avoided.
Conclusions. The typical laryngoscopic
findings show corresponding circumscribed
lancet-shaped ulcerations in the middle
third of the vocal fold. The course of the
disease appears to be self-limiting and
without permanent structural consequences.
Therefore, good patient education and
close laryngoscopic follow-up should be
performed.
Keywords
Chronic hoarseness · Vocal fold lesion ·
Laryngoscopy · Stroboscopy · Differential
diagnosis
Ätiologie
Zusammenfassend gesehen ist die genaue Ätiologie für dieses spezifische
Erscheinungsbild einer Laryngitis weiterhin unbekannt. Simpson et al. [8]
postulierte unter anderem eine mögliche Herpes-simplex-Virus-Infektion
als Ursache, da er wenige Fälle von
Tab. 1 Inhalationslösung der Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie ORL-Klinik UniversitätsSpital Zürich
Ohne Kortison
Mit Kortison
Panthenol NAS ratiopharm 50 ml
3,0 %ige NaCl-Lösung ad 100 g
Panthenol 50 ml
Prednisolut ex amp. 50 mg
3,0 %ige NaCl-Lösung ad 100 g
M.f. solutio zur Inhalation
M.f. solutio zur Inhalation
Aseptische Bereitung
Aseptische Bereitung
Abfüllung in 2 × 50 g Dosierbechern
Abfüllung in 2 × 50 g Dosierbechern
m.f. solutio mische, dass es eine Lösung ist; amp. Ampulle
Tab. 2 Literaturübersicht
Literatur
Patienten (n)
Alter
(Jahre)
Noxen
Beruf mit
Nebendiagnosen
hoher Stimmbelastung
12
Asthma: 6
Allergie: 5
Fieberbläschen: 3
Depression: 2
KrankTherapie
heitsdauer
?–3 Jahre Steroide p.o., Antibiotika, PPI, Stimmruhe, Stimmtherapie, Biopsie (2/14)
Rakel et al.
2002 [7]
14 (m:9/w:5)
23–65
(ø: 38,4)
Nikotin: 2
Alkohol: 3
Hsiao et al.
2011 [5]
33 (m:13/w:20),
Rezidiv 5 Patienten
15 (m:1/w:14),
Rezidiv 2 Patienten
23 (m:7/w:16)
26–76
(ø: 49,5)
Nikotin: 4
Alkohol: 3
11
Asthma: 2
4–20 Wo
(ø: 9,4)
Beobachtung, unspezifische Therapie
33–72
(ø: 49)
Nikotin: 0
Nicht bekannt Asthma: 6
2–10 Mo
(ø: 3,3)
26–79
(ø: 49)
Nikotin:39 %
52 %
1–36 Mo
(ø: 6,8)
Antimykotika: 14 (93 %), PPI 13
(87 %), Steroide p.o.:4 (27 %), Antibiotika 2 (13 %)
PPI: 85 %, Antibiotika 22 %, Steroide
p.o. 52 %, Virostatikum 52 %, Antimykotika 39 %, Stimmruhe 65 %
Steroide p.o., Antibiotika
Simpson
et al. 2011
[8]
Young et al.
2018 [13]
Keine Angaben
Sinclair et al. 1 m
55
Früher NikoNicht bekannt Diabetes mellitus II
3 Mo
2013 [9]
tinkonsu
GERD
Toland et al. 1 w
18
Nicht bekannt Ja
Keine
3 Mo
Steroid p.o., PPI, Antimykotika,
2013 [12]
Stimmruhe
Beaver et al. 1 w
57
Keine
Nicht bekannt Nicht bekannt
2,5 Mo
Antibiotika, Montelukast, Kortison2005 [1]
Nasenspray, Steroide p.o.
m männlich, w weiblich, ø Durchschnitt, GERD Gastroösophageale Refluxkrankheit, Wo Wochen, Mo Monate, p.o. per oral, PPI Protonenpumpenhemmer
Rezidiven nach Monaten und Jahren
beobachtete. Rückblickend begann die
Erkrankung häufig nach einer vorangegangenen Atemwegsinfektion, die mit
schwerem Husten und Heiserkeit einherging. Weiterhin zeigte sich ein über viele
Monate andauernder Verlauf [5, 7, 8,
13]. Geschlecht und Alter scheinen kein
wesentlicher prädisponierender Faktor
für die Erkrankung zu sein, obwohl Rakel et al. 2002 [7] einzig einen größeren
Anteil an Männern mit einschloss und
die Altersspanne um circa 10 Jahren
unterhalb der übrigen Studien lag [5]. In
der Zusammenschau aller spezifischen
Veröffentlichungen (. Tab. 2) trat die
Erkrankung jedoch am häufigsten bei
Frauen im 4. und 5. Lebensjahrzehnt auf
[8]. Ein signifikanter Zusammenhang
mit Nikotinkonsum oder Begleiterkrankungen, wie z. B. Asthma bronchiale,
Diabetes mellitus Typ II oder gastroösophagealer Reflux, ließ sich bisher nicht
signifikant nachweisen.
Behandlung und Diskussion
weiterführender Untersuchungen
In den meisten Studien und Fallberichten [1, 7–9, 12, 13] wurden die Patienten
individuell symptomatisch medikamentös behandelt, darunter waren Steroide,
Antibiotika, Antimykotika und Protonenpumpenhemmer am häufigsten
vertreten [1, 7, 8, 12, 13]. Ergänzend
wurden stimmhygienische Maßnahmen
wie Stimmruhe oder sogar Stimmtherapie empfohlen [7, 12, 13]. Eine spezifische Kausaltherapie ist bisher aber nicht
bekannt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie [6], die laryngologisch tätige
Hals-Nasen-Ohren-Ärzten in den USA
befragte, zeigte, dass das Management
der prolongierten ulzerierenden Laryngitis weiterhin im klinischen Alltag eine
Herausforderung für den behandelnden
Arzt darstellt.
Von einigen Autoren wird sogar angenommen, dass es sich um eine selbstlimitierende Krankheit handelt und ein
spontaner Heilungsverlauf in der Regel
zu erwarten ist [5].
Die laryngoskopische Diagnostik
stellt unabhängig von den Symptomen
eine Herausforderung für den behandelnden HNO Arzt dar. Bei flexibler Endoskopie mit geringer Auflösung besteht
die Gefahr, dass ein maligner Prozess
klassifiziert wird und voreilig eine Biopsie oder mikrochirurgische Exzision
erfolgt. In den aufgeführten Studien wird
die Indikation einer Biopsie bei diesem
scheinbar suspekt malignen Befund kriHNO 1 · 2022
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Übersichten
tisch beurteilt. Nur bei hochgradigem
Verdacht auf eine bösartige Erkrankung
sollte eine Biopsie erfolgen, um dauerhafte Veränderungen und Vernarbungen
der Stimmlippen bei einer prolongierten
ulzerierenden Laryngitis zu verhindern
[5, 7, 8].
Wird in Zusammenschau der erhobenen Befunde und Anamnese die Diagnose einer prolongierten ulzerierenden
Laryngitis gestellt, sollte der Patient detailliert aufgeklärt werden, insbesondere
im Hinblick auf die Dauer der Erkrankung, auf engmaschige Kontrollen
und potenzielle Behandlungsoptionen.
Aspekte einer stimmbezogenen eingeschränkten Lebensqualität im Berufsund Sozialleben, wie in unserem ersten
Fallbericht, sollten berücksichtigt werden. Ein umfassend aufgeklärter Patient
kann in der Regel mit seiner Erkrankung
deutlich besser umgehen [2].
Fazit für die Praxis
4 Typische laryngoskopische Befun-
4
4
4
4
18
de für Patienten mit prolongierter ulzerierender Laryngitis sind
umschriebene korrespondierende lanzettförmige Ulzerationen im
mittleren Stimmlippendrittel.
Über Monate andauernder und
selbstlimitierender Krankheitsverlauf
ohne strukturell dauerhafte Folgen
bei unklarer Ätiologie.
Biopsien sollten auch bei scheinbar suspektem Befund vermieden
werden.
Angemessene detaillierte Aufklärung
und regelmäßige laryngoskopische
Kontrollen des betroffenen Patienten
werden empfohlen.
Individuell symptomatisch angepasste Therapieoptionen sind z. B.
Antibiotika, PPI (Protonenpumpenhemmer), Steroide, Stimmtherapie
bei insgesamt unklarem kausalem
therapeutischem Erfolg.
HNO 1 · 2022
Korrespondenzadresse
S. Reetz
Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie,
Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und
Gesichtschirurgie, UniversitätsSpital Zürich,
Universität Zürich
Frauenklinikstr. 24, 8091 Zürich, Schweiz
stephanie.reetz@usz.ch
Funding. Open access funding provided by University of Zurich
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. S. Reetz, M. Brockmann-Bauser
und J.E. Bohlender geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine
Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für
die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder
anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts,
über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von
ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine
schriftliche Einwilligung vor.
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