Vinzenz Hediger · Verführung zum Film
ZÜRCHER FILMSTUDIEN
HERAUSGEGEBEN VON
CHRISTINE N. BRINCKMANN
VINZENZ HEDIGER
VERFÜHRUNG ZUM FILM
DER AMERIKANISCHE KINOTRAILER SEIT 1912
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz für diese Publikation
ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich
Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur
Förderung der wissenschaftlichen Forschung
Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität
Zürich im Sommersemster 1999 auf Antrag von Prof. Dr. Christine N. Brinckmann als Dissertation angenommen
Schüren Verlag
Deutschhausstr. 31 ⋅ 35037 Marburg
www.Schueren-Verlag.de
© Schüren 2001
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Bringolf Irion Vögeli, Aarau/Zürich
Druck: WB-Druck, Rieden
Printed in Germany
3-89472-505-2
Für Eva Frosch
7
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
13
Kapitel 1
Vom Muster zum Modell:
Eine kurze Formengeschichte des Trailers
21
1.1 Trailer, Filmwerbung und das Problem der Informationsvergabe 22
1.2 Der Trailer als Muster des Films
26
1.3 Der Trailer als narrative Form:
Morphologie einer filmischen Gattung
31
1.3.1 Auswahl und Korpus
31
1.3.2 Zu den Kriterien der Analyse
32
1.4 Die Formengeschichte des Trailers und die narrative Wende in der
Filmwerbung
36
1.4.1 Plot-Formen: Rätselplot und Spannungsplot
39
1.4.2 Konstruktionsmuster: Klassische Struktur und
protagonistenzentrierte Zweidrittelstruktur
41
1.4.3 Die vier Grundtypen des Trailers
45
1.4.4 Konstellationen von Struktur und Form:
Die zwei dominanten Modi des Trailers
47
1.4.5 Rechenmontage, polyphone Montage und der Trailer als
Modell des Films
50
1.4.6 Der Trailer als narratives System und die Absenz von
Studiostilen
54
1.5 Formgeschichte des Trailers und Werbegeschichte des Films
57
Kapitel 2
Der Film als Werbediskurs und Produkt:
Die ersten Trailer, 1912–1919
2.1 Festhalten am Kurzfilm:
Die Serienform und der Verleihmarkt um 1912
2.2 Von der Attraktion zur Erzählung: Filmwerbung um 1912
2.3 Self-Promoting Story Events:
Die Serienform und die Erfindung des Trailers
2.4 Stars als Mittel der Marktkontrolle:
Filmwerbung nach dem Serial-Phänomen
61
62
68
71
77
8
Kapitel 3
Gefilmtes Inserat, bewegtes Plakat: Der Stummfilmtrailer und
die Anfänge der standardisierten Filmwerbung, 1919–1928 83
3.1 Vertikale Integration und Standardisierung:
Filmverleih und Filmwerbung in den Zwanzigerjahren
3.1.1 Filmwerbung und Kinowerbung:
Konkurrenz der Verkaufsargumente
3.2 Zur Formgeschichte der Stummfilmtrailer
3.2.1 Standfototrailer
3.2.2 Filmtrailer
3.2.3 Spezialfälle
3.3 When the Trailer Comes Alive: Fragen der Aufführungsdramaturgie
85
89
92
96
98
103
105
Kapitel 4
Make Them as Entertainment, Foster the Habit: Trailer und
Filmwerbung in der Ära des klassischen Tonfilms, 1928–1948 109
4.1 «I am privileged to say a few words»: Frühe Tonfilmtrailer
110
4.2 Trailer, Zensur und Standardisierung
115
4.3 Produktedifferenzierung und Industry Identity:
Der klassische Modus des Trailers
118
4.3.1 Der klassische Storytrailer: Casblanca
122
4.3.2 Gone With the Wind und After Office Hours:
Das Trailerdepartment von MGM bei der Arbeit
127
4.3.3 Filmwerbung und Selbstdarstellung der Industrie:
Der «making of»-Trailer
133
4.4 The Habit of Stardom: Filmvermarktung, Film- und Radiowerbung
1928–1948
138
Kapitel 5
A Period of Adjustment: Der Umbruch der Industrie und die
Krise des klassischen Modus, 1948–1970
149
5.1 Saturation, Road Show, Art House: Filmverleih 1948–1970
5.2 Intensität der Werbung und Produktidentität:
Filmwerbung 1948–1970
5.2.1 Budget, Nischen, Fristen: Aspekte der Intensivierung
5.2.2 The Best Ticket Selling Medium:
Die Anfänge der Fernsehwerbung
5.2.3 Hot Ads, Cool Sound: Verbundwerbung nach 1948
151
155
156
160
167
9
5.2.4 Key Art und narratives Image:
Der Umbruch der Filmwerbung nach 1955
5.3 A Bunch of Nonsense: Die Krise des klassischen und
die Herausbildung des zweiten Modus
5.3.1 Rückwärtsgewandte Innovation:
Trailer und Endorsements
5.3.2 Eine dissidente Ästhetik? Trailer-Experimente um 1960
5.3.3 The Night of the Iguana: Die Anfänge des zweiten Modus
176
181
184
Kapitel 6
A New Kind of Art: Trailer und Filmwerbung seit 1970
191
169
174
192
202
6.1 Hit the Jackpot and Run: Filmvermarktung seit 1970
6.2 Sell Me a Story: Filmwerbung seit 1970
6.3 Die narrative Wende in der Filmwerbung:
Aspekte des zweiten Modus
6.3.1 Ein Beispiel der Mischform: Three Days of the Condor
6.3.2 Der reine Zweidritteltrailer: Braveheart
207
210
216
Kapitel 7
Nostalgia for the Coming Attraction:
Trailer und der virtuelle Fandiskurs der Filmwerbung
225
7.1 Erregung, Emotion und Stimmung:
zu den basalen Formwirkungen des Trailers
7.2 Schlüsselszenarien des Begehrens: Fünf rhetorische Strategien
7.2.1 Simulation des Unterhaltungswerts
7.2.2 Kognitive Lücken
7.2.3 Appell an die Erinnerung
7.2.4 Virtuelle Erinnerung
7.2.5 Mimetisches Begehren
Filmerlebnis und Mundpropaganda
Sprachlich-rhetorische Parameter und Endorsements
Texteinblendungen und Sprecherstimme
229
234
235
237
241
243
251
254
257
259
Schlusswort
Aus Liebe zur Wiederholung
265
Bibliographie
269
Glossar
291
Register
299
10
Dank
Mein Dank gilt Fridolin Luchsinger für die Gewährung eines forschungsfreundlichen Anstellungsverhältnisses; Marc Bodmer für seine
unermüdliche Unterstützung beim Erfassen und Vermessen des Materials und Fränzi Bodmer für ihre Geduld; Heidi Studer Brodmann, Andreas Moos, Doris Senn und Alexandra Schneider für Lektorat, Kritik und
wichtige Hinweise; Lisa Kernan, Barbara Flückiger Konermann, Margrit
Tröhler, Mariann Lewinsky, Catherine Silberschmidt, Janet Staiger, Thomas Christen, Henry Taylor, Dietmar Schwärzler und Ruedi Widmer für
Diskussionen und Denkanstöße; Shelley Chamberlain, Hannes Giger,
Bruno Jakob, Peter Hossli und Brigitte Schmid für Gastfreundschaft und
logistische Unterstütztung; Rosemarie C. Hanes, Madeleine Matz (Library of Congress), Maxine Fleckner Ducey (Wisconsin Center for Film and
Theater Research), Faye Thompson (Margaret Herrick Library), Laura
Kaiser (UCLA), Noëlle Carter und Stewart Ng (USC), Charles Silver
(MOMA), James D’Arc und der Belegschaft des Harry Ransom Center
for the Study of Humanities in Austin für archivarischen Beistand; Meret
Ernst, Heidi Giezendanner, Bethlyn Hand, Pablo Ferro, Robert Faber,
Jack Atlas †, Max Dietiker, Christian Drechsler, Gabrielle Jost, Marianne
Noser, William Everson †, Kurt Hediger, Roger Huber, Thomas Imbach,
Peter Jakob, Andy Maerz und Robert Sklar für Hilfestellungen verschiedener Art. Eine erste Forschungsreise ermöglichte mir ein Unterstütztungsbeitrag der Stiftung Schweizer Freunde der USA. Mein besonderer
Dank gilt schliesslich Christine Noll Brinckmann, die den Anstoss zu
diesem Projekt gab, seine Durchführung auf vielfältige Weise unterstützte und mir, durch Vorbild und Kritik, immer wieder in Erinnerung rief,
dass die Arbeit am Stil die Arbeit am Gedanken ist.
Die Liebe der Wiederholung ist in Wahrheit die
einzige glückliche. Sie hat wie die der Erinnerung
nicht die Unruhe der Hoffnung, nicht die beängstigende Abenteuerlichkeit der Entdeckung, aber
auch nicht die Wehmut der Erinnerung, sie hat die
selige Sicherheit des Augenblicks.
Sören Kierkegaard, Die Wiederholung
Abb. 1 Standard-Freigabesiegel für Trailer aus den Siebzigerjahren
13
Einleitung
I would put Hollywood’s production ability third
in importance, behind marketing and financing.
Stan Coleman, Anwalt, in Variety, 18. April 1994
Der Kinotrailer ist das Schlüsselelement jeder Filmwerbekampagne.
Trailer sorgen für ein Viertel bis ein Drittel des Umsatzes an der Kinokasse, kosten aber nur zwischen 1 und 4,5 Prozent des Werbebudgets.
Kein Werbemittel erreicht mehr potenzielle Zuschauer zu einem günstigeren Preis. Will man sich mit der Filmwerbung als Gesamtphänomen
befassen, so fängt man am besten bei der Vorschau an.
Von Interesse sind Trailer und Filmwerbung einerseits aufgrund ihrer kulturellen Funktion. Die Werbung ist im 20. Jahrhundert zu einem
starken Medium geworden und zu einem privilegierten Diskurs (Leiss et
al. 1986, 3). Oblag es im 19. Jahrhundert noch der Architektur, Lebenswelten vorzuformen, und fiel es Diskursen wie Predigt oder politische
Brandrede zu, Werthaltungen zu vermitteln, so hat die Werbung in den
letzten hundert Jahren einen guten Teil dieser Aufgaben übernommen.
Sie unterbreitet Lebensentwürfe, die sich am Konsum bestimmter Produkte festmachen, und sie suggeriert Erlebnis- und Ereignisräume, die
von der zeitgenössischen Architektur aufgenommen und umgesetzt
werden (Eisenmann 1995, 193 ff.). Eine vergleichbare Rolle spielt auch der
Film. Seine kulturelle Definitionsmacht lässt sich nicht zuletzt aus den
zahlreichen Versuchen erschließen, seine Inhalte durch Zensur und andere institutionelle Eingriffe zu regulieren. Zwischen diesen beiden privilegierten Diskursen bildet die Filmwerbung eine bedeutsame Schnittstelle. Sie ist Werbung, und sie ist zugleich integraler Bestandteil des Films.
Denn wenn das Produkt, um einen Gedanken von Marx aufzugreifen, erst
durch den Konsum zum Produkt wird, dann gehört die Werbung zur
Warenform des Films: Sie bereitet den Konsum vor und ermöglicht ihn.
Von Interesse sind Trailer und Filmwerbung aber auch aus ökonomischen Gründen. Die Neunzigerjahre werden als Jahrzehnt der beispiellosen Konsolidierung der Medienwirtschaft in die Geschichte eingehen. Der Zusammenschluss des Internet-Anbieters America Online mit
dem Medienkonzern TimeWarner im Frühjahr 2000 und von Vivendi,
14
der Muttergesellschaft des europäischen Kabelfernsehriesen Canal Plus,
mit dem amerikanischen Film- und Musikkonzern Seagrams/Universal
im Sommer 2000 ist nur die letzten Etappe einer Entwicklung, deren Anfänge in die frühen Achtzigerjahre zurückreichen. Der australische Magnat Rupert Murdoch kaufte sich 1981 in die Fox-Studios ein, übernahm
diese 1985 zu 100 Prozent und baute zugleich das Fox-Network auf, die
vierte nationale Senderkettte der USA. Damit entstand das erste Medienkonglomerat des neuen Typs. 1989 fusionierten Time Inc. und Warner
Communications, während Sony die Columbia-Studios und den Musikkonzern CBS aufkaufte. 1994 erwarb die Kabelgesellschaft Viacom, zu
der auch MTV gehört, die Paramount-Studios und 1995 die weltweit
größte Videokette Blockbuster. Im gleichen Jahr fusionierten Disney und
das Fernseh-Network CapitalCities/ABC. 1999 akquirierte Viacom zusätzlich die Fernsehkette CBS, und kurz darauf wurde die Fusion von
AOL mit TimeWarner bekannt gegeben.
Ermöglicht wurden diese Fusionen auch durch die Regierungen Reagan und Clinton, die geltende Anti-Trust-Gesetze lockerten oder aufhoben,
insbesondere die sogenannte Paramount-Verfügung aus dem Jahr 1948,
welche die Studios zwang, ihre Kinos abzustoßen, und ihnen untersagte,
sich an Fernsehketten zu beteiligen. Als Motivation stand hinter den Fusionen die Aussicht auf erhöhte Profite – zu Beginn der Achtziger für die
Studios noch eine Überlebensfrage – und auf sogenannte Synergien. Die
neuen Medienunternehmen sind vertikal integriert; sie kontrollieren –
ähnlich wie in den Jahren zwischen 1924 und 1948 auch die klassischen Filmstudios – Produktion, Distribution und Konsum ihrer Produkte, ohne Zwischenhändler am Umsatz beteiligen zu müssen. Zudem können sie in einem Firmenbereich Produkte herstellen, die sich auch in anderen Bereichen auswerten lassen. Das gilt insbesondere für die Blockbuster-Filme der
Hollywood-Studios. Abgesehen von der Kinoaufführung können diese
auf den firmeneigenen Fernsehkanälen gezeigt und in Videoläden vermietet und verkauft werden, und sie ziehen Spielzeugsortimente, Videospiele, Bücher und eine ganze Reihe weiterer Folgeprodukte nach sich.
Die Filmstudios bilden entsprechend das Kernstück der neuen Medienkonglomerate (Schatz 1997, 75), was der Filmwerbung eine Bedeutung verleiht, die weit über ihre traditionelle Funktion hinausgeht, die
Leute ins Kino zu locken. Sie dient der Markteinführung neuer Produkte
und legt die Basis für die vertikale, skalierte Auswertung des Films im
Kernbereich, der Kino, Fernsehen und Video umfasst, ebenso wie für seine horizontale Auswertung, die über Anschlussprodukte wie Videospiele, Soundtracks oder Bücher in angrenzenden Geschäftsbereichen des
Konzerns geschieht. Im Zug der Konsolidierung der Medienwirtschaft
15
hat sich das Volumen der Filmwerbung entsprechend vervielfacht. In
den Vierzigerjahren wurde für die Reklame zwischen 2 und 7 Prozent
des Produktionsbudgets aufgewendet. In den letzten dreißig Jahren stieg
dieser Anteil auf über 50 Prozent; mit ein Grund, weshalb das amerikanische Kino seinen Weltmarktanteil seit 1972 von rund 50 Prozent auf
über 80 Prozent steigern konnte. Dieser Zuwachs an Bedeutung und Volumen ist allerdings nur gradueller Natur. Douglas Gomery hat darauf
hingewiesen, dass der Verleih im Filmgeschäft den Schüssel zur Kontrolle des Marktes darstellt (Gomery 1984a, 69). So erklärt sich auch, dass
der Kreis der großen Studios bis auf wenige Ausnahmen immer noch die
gleichen Firmen umfasst wie Mitte der Zwanzigerjahre. Die Studios verkauften zu Beginn der Fünfziger ihre Kinos und delegierten die Produktion weitgehend an unabhängige Produzenten; an ihren Verleihstrukturen aber hielten sie fest, und deshalb blieben sie bis heute im Geschäft.
Als Bestandteil des Verleihtätigkeit leistete die Reklame dazu einen zentralen Beitrag.
Gleichwohl ist die Literatur zur Filmwerbung bislang überschaubar
geblieben. Sieht man ab von Handbüchern (Sargent 1915; Barry und Sargent 1927; Wiese 1989; Rubin 1991), Branchenpublikationen (Strang
1978) und von cinéphilen Materialsammlungen (Sweeney 1973), so liegen bislang nur eine Handvoll buchlanger Studien und Publikationen
zur Reklame vor. Zu erwähnen sind in erster Linie die Dissertation von
Mary Beth Haralovitch über die amerikanische Filmwerbung der Jahre
1930 bis 1948 (Haralovitch 1984), die Studie von Justin Wyatt über die
Durchdringung von Marketingpraxis und Filmästhetik im MainstreamKino der letzten dreißig Jahre (Wyatt 1994) und der Sammelband zum
Filmplakat von Wolfgang Beilenhoff und Martin Heller (Beilenhoff und
Heller 1995). Die weitreichendste Studie zur Kinoreklame als Gesamtphänomen bildet Janet Staigers grundlegender, in Form eines Aufsatzes
vorliegender Entwurf einer Geschichte der amerikanischen Filmwerbung (Staiger 1990). Im übrigen beschränkt sich die Literatur auf Einzelbeiträge zur Plakatwerbung (Haralovitch 1982; Ernst 2000), zum «making of»-Werbefilm (Kernan 1991), zu Werbestrategien für Disney-Animationsfilme (Kaufman 1995), zu Verbundformen von Film- und
Produktewerbung (Gaines 1990), zur Filmwerbung der frühen Stummfilmära (Midkiff DeBauche 1985, Keil 1993), oder zum Komplex von Werbung und Zensur in den Dreißigerjahren (Haralovitch 1982).1 Filmwerbung kommt immer wieder auch im Hinblick auf andere Themen zur
1
Für eine umfassende Bibliographie zur Filmwerbung vgl. den Beitrag von Meret Ernst
in Beilenhoff/Heller (1995, 261–268).
16
Sprache, so im Zusammenhang mit gender studies (Waldmann 1984), mit
Genretheorie (Altman 1998) oder mit Untersuchungen zur Konstruktion
von Autorenschaft im Kino (Nitsche 2000). Zum Trailer gibt es, abgesehen von der vorliegenden Studie, eine weitere monographische Untersuchung von Lisa Kernan, die Vorschauen mit dem Instrumentarium der
aristotelischen Rhetorik untersucht und insbesondere der Frage nachgeht, an welches Publikum sich die Industrie mit ihren Trailern richtet
(Kernan 2000). Daneben liegt eine Reihe von Einzelstudien sprechakttheoretischer (Lughi 1984), psychoanalytischer (Haralovitch/Klapprat
1982) und literaturtheoretischer Ausrichtung (Grimm 1996a) vor. Einige
neuere Studien aus Deutschland befassen sich zudem mit dem Trailer
als Element von Fernsehprogrammen (Hickethier und Bleicher 1998;
Müller 2000).
Die Überschaubarkeit der Literatur rührt unter anderem daher,
dass der Untersuchungsgegenstand sich nur schwierig eingrenzen lässt.
Vor die Aufgabe gestellt, eine Geschichte der Filmwerbung zu schreiben,
sieht man sich mit einer Materialfülle konfrontiert, die nicht einfach zu
bewältigen ist. Soll man die Werbemittel selbst untersuchen, Budgets,
Vermarktungsstrategien? Sind Fallstudien das richtige Instrument, und
wie wählt man sie so aus, dass sie repräsentativ sind? Der Trailer offeriert einen eleganten Ausweg aus diesen Schwierigkeiten. Er ist nicht
nur von zentraler Bedeutung für die Filmwerbung, er wird auch seit
dem Anfang der Spielfilmära eingesetzt, und er stellt eine eigene filmische Gattung dar. Der Trailer kann entsprechend den Ausgangspunkt
für eine Geschichte der Filmwerbung bilden, die von einer Beschreibung
der filmischen Form ausgeht. Das ist auch der Grundgedanke dieses Buches. Es basiert auf der formenhistorischen Analyse eines repräsentativen Korpus von etwas über 2000 Beispielen aus dem Zeitraum von 1912
bis 1998. Diese Analyse zeigt, dass Trailer nach bestimmten Regeln konstruiert werden, die sich im Verlauf der Kinogeschichte verändert haben.
Während Länge und Grundstruktur äußerst stabil sind, verschieben sich
stilistischen Parameter. Zudem lässt sich ein tiefgreifender Wandel der
Strategien der Informationsvergabe beobachten: Trailer der klassischen
Periode halten Storyinformation zurück, zeitgenössische sind auf Plotzusammenfassungen aufgebaut.
Nun sind Regeln und ihr Gebrauch immer abhängig vom ökonomischen, sozialen und kulturellen Kontext. Ihre Beschreibung ist mithin
erst vollständig, wenn sie um eine Beschreibung der Faktoren ergänzt
wird, mit denen die Entwicklung der Regeln in Zusammenhang steht,
also um eine Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Filmwerbung. Staigers Abriss der Entwicklung der Kinoreklame dient im Folgenden dafür
17
als Grundgerüst. Außerdem stütze ich mich für meine Darstellung auf
drei weitere Quellen: auf die bestehende Literatur zur Wirtschaftsgeschichte des Kinos, auf amerikanische Branchenzeitungen der Jahrgänge
ab 1912 – insbesondere auf den Motion Picture Herald, der sich an Kinobetreiber richtet und deshalb viele Informationen über Werbung und Promotion enthält –, sowie auf unveröffentlichte Dokumente aus den Studioarchiven von United Artists (UA), MGM und Warner Bros. und aus
den persönlichen Nachlässen einer Reihe von Regisseuren und Produzenten wie Alfred Hitchcock, Cecil B. DeMille und David O. Selznick.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der komplexen Interaktion von
Werbepraxis, Verleihstrukturen und Konsumverhalten. Soweit die Quellenlage es zulässt, versuche ich zudem auf die Aufführungspraxis von
Trailern einzugehen. Die bisherige Forschung hat sich vorwiegend mit
den Formen der Werbung befasst, die von den Produzenten ausgehen
und sich direkt ans Publikum richten. Daneben gibt es aber auch die
brancheninterne Werbung, die «business to business»-Reklame, sowie
Reklame, die von den Kinobetreibern ausgeht und oft in erster Linie ihr
Theater und erst in zweiter den Film zum Gegenstand hat. Sie gilt es vor
allem für die Jahre vor 1950 mitzuberücksichtigen.
Aufgrund der formhistorischen Analyse zeigt sich, dass bestimmte
Gestaltungsmuster in Vorfilmen kontextübergreifend verwendet werden. Diese Muster bilden den Ausgangspunkt theoretischer Überlegungen zur Frage, wie Trailer ihre Funktion – die Verführung zum Film – erfüllen. Trailer sind ein prägnantes Format der audiovisuellen Kommunikation, ausgestattet mit einer filmischen, das heißt aus Fotogrammen,
Tönen und Texten komponierten Formgestalt. Die Filmpsychologie
nimmt an, dass zwischen der Formgestalt von Filmen und ihrer psychischen Wirkung ein Zusammenhang besteht (Wuss 1993); gleiches gilt
auch für Trailer. Als besonders relevant erweist sich, dass Trailer eine
Form aufweisen, die mit der Art und Weise in Einklang steht, wie wir
uns an Filme erinnern. Das Begehren, den Film zu sehen, ist zugleich ein
zeitlich vorwärts- und rückwärtsgewandtes, eine Liebe der Wiederholung und eine «nostalgia for the coming attraction».
Das Buch Verführung zum Film möchte demnach drei Dinge anbieten: eine Formgeschichte des Trailers, eingebettet in eine Geschichte der
Filmwerbung, und eine Theorie – oder vielmehr die Skizze einer Theorie
– seiner Wirkungen. Es stellt den Versuch einer Methodentriangulation
dar. Der erste Teil, die Formgeschichte, basiert auf einer seriellen historischen Analyse im Sinn Michèle Lagnys, also auf einem Formvergleich einer großen Anzahl Beispiele aus einem längeren Zeitraum. Der zweite
Teil bedient sich der Methoden der Wirtschafts- und Kulturgeschichte
18
des Kinos, und der dritte entwickelt eine theoretische Position, hauptsächlich unter Rückgriff auf filmpsychologische Untersuchungen.
Das Buch versteht sich zum einen als Teil einer Geschichte der Massenmedien und möchte insbesondere zum Verständnis der globalen Dominanz des amerikanischen Kinos beitragen. Die Literatur zu Aufführung
und Massenkonsum von Filmen umfasst neben Bächlins klassischer Studie Der Film als Ware (1945) und den filmsoziologischen Arbeiten von
Jarvie (1970), Prokop (1970, 1974, 1995), Tudor (1973) und Sorlin (1977)
namentlich die kultur- und wirtschaftshistorischen Untersuchungen von
Sklar (1975), Balio et. al. (1976) und Gomery (1992) sowie die umfangreiche neuere Forschung zur historischen Rezeption (Hansen 1990, Staiger
1992, 2000). Meine Studie schließt vor allem an den kultur- und wirtschaftshistorischen Strang dieser Forschung an. Verwandt ist sie in ihrem Interesse an den Funktionsweisen des Mainstream-Kinos aber auch
Untersuchungen wie Wyatts Arbeit über «high concept»-Filme (Wyatt
1995) oder Smith’ Studie zu Formen und Vermarktung populärer Filmmusik (Smith 1998).
Verführung zum Film ist ferner auch als Beitrag zu einer Theorie der
Medienwirkungen zu verstehen. Die psychologische Literatur zur Wirkung audiovisueller Texte ist vielfältig und reicht von den sogenannten
Payne Fund Studies der Dreißigerjahre über die Untersuchungen zur
Wirkung von Propaganda-Filmen der Vierzigerjahre von Hovland,
Lumsdaine und Sheffield (1949) bis zur medienpsychologischen Forschung jüngeren Datums (Schorr/Six/Groebel 1998). In der klassischen
Filmtheorie wird die Frage nach der Formwirkung vor allem bei Münsterberg und bei Eisenstein thematisch, und mit der rhetorischen Wirkung der Form befasste sich auch die ideologiekritisch orientierte psychoanalytische Filmtheorie der Siebzigerjahre (Baudry 1977, Mulvey
1989). Ich möchte für den theoretischen Teil eher an die Arbeit von kognitionswissenschaftlich orientierten Autoren wie Bordwell (1985, 1989),
Branigan (1992), Wuss (1993) oder Ohler (1994) anknüpfen. Im Unterschied zu diesen Autoren gilt mein Interesse allerdings nicht nur den
Prozessen der Wahrnehmung und des Verstehens von einzelnen, isolierten Beispielen. Ich werde das Kino vielmehr als Massenmedium behandeln und den Trailer als integralen Bestandteil seines medialen Systems,2
2
Unter einem Massenmedium verstehe ich im Sinne Luhmanns eine Einrichtung der
Gesellschaft, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der
Vervielfältigung bedient, wobei entscheidend ist, dass keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann (Luhmann 1996, 10f.). Für
einen Versuch, Film- und Industriegeschichte unter einem systemtheoretischen Gesichtspunkt zu schreiben vgl. auch Engell (1995).
19
und es interessieren mich sowohl die Prozesse, die zur Filmrezeption
hinführen, als auch jene, in denen sie nachwirkt. Die Analyse des Trailers unter diesem Gesichtspunkt könnte die Basis liefern für eine weiter
gefasste Rhetorik der Filmwerbung, die ihrerseits wieder als Beitrag zur
allgemeinen Analyse persuasiver Strategien in den audiovisuellen Medien zu verstehen wäre. – Zusammengeführt werden der historische und
der theoretische Strang der Arbeit im Nachdenken über den historischen
Wandel im Konsum- und Rezeptionsverhalten der Kinozuschauer.
Das Buch hat folgenden Aufbau: Das erste Kapitel präsentiert in gebündelter Form die Ergebnisse der seriellen Analyse. Nach einleitenden
theoretischen Überlegungen zur Filmwerbung und zum Verhältnis von
Trailer und Film erläutere ich die Zusammenstellung des Korpus und
die Analysekriterien. Danach gehe ich auf die beiden dominanten Typen
der Vorschau ein, den klassischen und den zeitgenössischen, und schildere insbesondere ihre unterschiedlichen Montagestrategien. Zum Abschluss des Kapitels resümiere ich die Verschiebungen und stelle diese
in den Zusammenhang von Staigers Abriss der Filmwerbegeschichte.
Daraus ergibt sich ein Gerüst, das ich in den Kapiteln 2 bis 6 mit einer
chronologischen Darstellung ausfülle. Ich erläutere die formgeschichtliche Entwicklung anhand ausgewählter Beispiele und stelle diese in den
Kontext der jeweiligen Verleih-, Vermarktungs- und Aufführungspraxis.
Kapitel 2 befasst sich mit der Entstehung des Trailers um 1912 und seiner Entwicklung bis 1919. Kapitel 3 umspannt den Zeitraum von 1919
bis 1928; vor dem Hintergrund der ersten vertikalen Integration der
Filmwirtschaft schildert es die Herausbildung des Spielfilmtrailers, wie
er in den Grundparametern heute noch gebräuchlich ist. Kapitel 4 behandelt die Periode von 1928 bis 1948, die Ära des klassischen Tonfilms.
Es rekonstruiert die Perfektionierung des klassischen Typs von Trailern
und stellt diese in einen Zusammenhang mit anderen Werbepraktiken
wie Radiowerbung und Pseudodokumentarfilmen über Dreharbeiten.
Zur Sprache kommt auch die Rolle der Filmzensur, und eine kleine Fallstudie befasst sich mit der Produktion des Trailers zu Gone With the Wind
(MGM 1939). Kapitel 5 deckt den Zeitraum von 1948 bis 1970 ab und
zeigt auf, wie die Filmwerbung auf die Aufsplitterung des Marktes in
den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit neuen Techniken der Produktedifferenzierung und einer Verschiebung hin zur Story-zentrierten Reklame reagiert. Kapitel 6 behandelt die Entwicklung seit 1970; es bringt die
Dominanz des zeitgenössischen, Story-zentrierten Trailertyps in Verbindung mit der ökonomischen Renaissance der amerikanischen Filmindustrie, die sich nicht zuletzt dem Erfolg von Zweitauswertungen wie
Heimvideo und Kabelfernsehen verdankt. An diese sechs historischen
20
Kapitel schließt ein theoretisches an, das die Frage nach der Wirkungsweise von Vorfilmen mit fünf filmpsychologischen Thesen zu beantworten versucht. Eine detaillierte Beschreibung des Korpus und seiner Analyse findet sich zusammen mit einer Auswahl von Primärquellen auf der
beiliegenden CD-ROM.
Wer sich nur für Filmtheorie interessiert, kann sich mit der Lektüre
der Kapitel 1 und 7 begnügen, und wer sich nur für Filmgeschichte interessiert, aber nicht für Theorie, kann sich im ersten Kapitel auf die kurzen Abschnitte 1.4 und 1.6 beschränken und zudem Kapitel 7 auslassen.
21
Kapitel 1
Vom Muster zum Modell:
Eine kurze Formgeschichte des Trailers
The relationship between form and function is not
accidental.
Jurij Tynjanov, On Literary Evolution
Beim Dreh des Puppen-Animationsfilms Die Story von Monty Spinneratz
(Warner Bros. 1997), einer deutsch-amerikanischen Koproduktion, sollte
der deutsche Schnittmeister gemeinsam mit einem amerikanischen Spezialisten einen Trailer schneiden. Der Amerikaner ging an die Arbeit,
ohne den bereits vorliegenden Rohschnitt eines Blickes zu würdigen.
Erstaunt über dieses Vorgehen fragte der deutsche Cutter seinen Kollegen, ob er sich den Film nicht erst anschauen wolle. «Nein danke», so
dessen Antwort, «es reicht, wenn du mir die 26 besten Szenen zeigst.»1
Woraus sich zweierlei ersehen lässt: Erstens sind es zwei verschiedene Dinge, einen Film zu drehen und einen Trailer herzustellen. Die
Produktionsgeschichte des Films hat mit dem Werbewert des Materials
wenig zu tun, weshalb man die Herstellung der Trailer auch nicht den
Regisseuren überlässt, sondern Fachleute beizieht, die zum Material ein
unbefangeneres Verhältnis haben. Zweitens wissen diese Fachleute offenbar, wie der Trailer auszusehen hat, noch bevor sie den Film gesehen
haben. Die Herstellung eines Trailers ist mit anderen Worten ein konzeptgeleiteter Prozess, der bestimmten Regeln folgt.
Welches aber sind diese Regeln? Wie haben sie sich herausgebildet,
und welche historische Entwicklung haben sie durchgemacht?
Man kann diese Fragen mit einer Art Vernehmlassung unter Trailer-Produzenten zu beantworten versuchen. Verstreut über die Jahrzehnte finden sich in Artikeln und Interviews Äußerungen, die sich zu einem
kleinen Brevier zusammenstellen lassen. Als Kardinalregel schält sich
dabei heraus, dass der Trailer stets besser sein muss als der Film.2 Eine
Grundanforderung der Rhetorik übrigens: Auch ein juristisches Plädo1
2
Diese Information verdanke ich Rolf Nohr, der bei Monty Spinnerratz als Produktionsund Schnittassistent arbeitete.
Douglas W. Churchill: «Shooting Stars in Hollywood». In: NYT, 8. Mai 1938B. John
Wilson: «Impresario of the Movie Trailer». In: LAT, 20. Juni 1977. Leonard Klady:
«Truth About Trailers: They Work». In: Variety, 28. November 1994, S.13–24.
22
yer muss einen Sachverhalt vorteilhafter erscheinen lassen als er ist. Eine
weitere Kurzformel, die vor allem in den Jahren vor 1960 wiederholt auftaucht, heißt: man zeige die besten Szenen und feiere den Star, verrate
aber nichts über die Story (Lasky 1937, 13f.; Ross 1952, 163). «The men
who make [the trailers] are forbidden to reveal the salient plot points of
the feature and […] they must use related incidents that will provoke interest in the film», schreibt die New York Times in einem Bericht aus dem
Jahr 1938.3 Robert Faber, der von 1934 bis 1980 Trailer für Universal herstellte, hielt Story-Informationen entsprechend zurück und versuchte
statt dessen, die Stimmung des Films wiederzugeben.4 Jack Atlas, der
zwischen 1942 und Mitte der Siebzigerjahre für MGM, Columbia sowie
unabhängige Produzenten Trailer herstellte, wies der Story ebenfalls
eine untergeordnete Rolle zu und arbeitete mit vier Standardverkaufsargumenten, die er einzeln oder in Kombinationen einsetzte: «background» (Schauplatz), «character», «plot» und «action».5 Was diese Äußerungen miteinander verbindet, ist die Frage nach dem Maß und der
Art der Information, die der Trailer vermittelt.
1.1 Trailer, Filmwerbung und das Problem der
Informationsvergabe
Das Problem der Informationsvergabe ist für den Trailer zentral, betrifft
aber auch die Kinoreklame im Ganzen. Herkömmliche Konsumprodukte
bleiben sich in Beschaffenheit und Qualität gleich, solange sie im Angebot sind. Die Aufgabe der Werbung besteht darin, dem Produkt eine
Markenidentität zu verleihen, ein «brand image» oder Marken-Image,
meist indem sie dessen Konsum mit bestimmten Erlebnisqualitäten assoziiert und im übrigen auf seine Verfügbarkeit in Kaufläden hinweist.
Marken-Images können äusserst dauerhaft sein, wie etwa die Werbung
für Marlboro-Zigaretten zeigt, die seit 1958 mit den gleichen Motiven arbeitet (Ogilvy 1985, 18). Ein Film hingegen ist im Unterschied zu einem
Päckchen Zigaretten stets ein gänzlich neues Produkt, und dessen Konsum – wie überhaupt der aller Kunst- und Kulturangebote – ist für die
Käufer stets mit einem Risiko verbunden: Man kann sich der Qualität nie
ganz sicher sein (Farchy 1994, 71). Die amerikanische Filmindustrie hat
3
4
5
Churchill, (wie Anm. 2).
Interview mit Robert Faber, 18. November 1994.
Tom Gray: «Creating Trailers – A Matter of Merchandising». In: MPH, Vol. 238, No.
43, 23. Oktober 1968, S. 23f. Interview mit Jack Atlas, 26. Oktober 1996.
23
diese Unsicherheit in der klassischen Periode durch die Serialisierung
und Standardisierung der Produktion zu minimieren versucht, doch ein
gewisses Maß an Unsicherheit bleibt stets zurück. Filmwerbung muss
mithin nicht nur Produktidentitäten ausdifferenzieren – sie muss auch
das Maß an Ungewissheit über die Qualität des Produktes möglichst
weit herabsetzen, auf jeden Fall noch weiter, als dies die Standardisierung der Produktion schon leistet.
Marken-Images helfen dabei wenig, auch wenn Filme bis etwa 1912
noch über Markenzeichen verkauft wurden (Bowser 1990, 103). Einfluss
auf die Kaufentscheidung von Kinozuschauern hat nachweislich nur das
Disney-Label, und auch dies nur für Animationsfilme. In der Regel ist
das Studiolabel ohne Belang.6 Filmwerbung muss vielmehr das aufbauen, was John Ellis als narratives Image bezeichnet (Ellis 1982, 30): eine
möglichst präzise, aber nicht erschöpfende Vorstellung vom Film. Das
Plakat zu Alien liefert für sich genommen schon eine solche Vorstellung.
Es besteht aus dem Filmtitel, dem signethaften Bild eines aufgeknackten
Eis vor dunklem Hintergrund, aus dem ein mysteriöser goldener Schimmer dringt, und aus dem Slogan «in space no one can hear you scream».
Die Typografie des Titels weckt technoide Assoziationen, das Bild solche
an gefährliche Reptilien, und der Slogan enthält zwei Genresignale:
«space» für Science-fiction, «scream» für Horror. Damit erfährt man, abgesehen davon, wie die Teile narrativ verknüpft werden, bereits alles
Wesentliche über den Film (Menschen wie du und ich begegnen im
Weltall fürchtenswerten Reptilien). Ein solcher erster Eindruck wird im
Verlauf der Werbekampagne ergänzt und durch den Einsatz von Trailern, TV-Spots, durch Zeitungs- und Magazinartikel, «making of»-Dokumentationen und andere Epitexte zur ausdifferenzierten Vorstellung
verfeinert.7 Der Trailer zu Alien etwa bestand im Wesentlichen aus einer
filmischen Inszenierung des Plakatmotivs (Abb. 2).
Produkte- und Filmwerbung unterscheiden sich vor allem durch ihren Bezug zum Gegenstand. Marken-Images werden über die Wiederholung einer bestimmten Assoziationskette aufgebaut. Marlboro-Werbung
insistiert in all ihren Formen auf die Verknüpfung von Zigarettenkonsum und Cowboy-Lifestyle. Narrative Images hingegen erzählen Geschichten über Geschichten; sie bringen Vorstellungen von filmischen
Erzählungen in Umlauf. Nun kann man mit Gebner argumentieren, dass
6
7
Dass Markenzeichen in der Filmwerbung eine untergeordnete Rolle spielen, zeigen
nicht zuletzt Filmplakate aus den Jahren vor 1940. Stars vor Story ist auch bei den
Filmplakaten die Hauptregel, und meistens werden die jeweiligen Kinos, in denen der
Film läuft, noch prominenter erwähnt als das Herkunftsstudio (Sweeney 1973).
Für den Begriff des Epitextes vgl. Genette (1992, 328f.)
24
alle Werbung Geschichten erzählt, sogenannte «stories of choice and value», also solche, die uns anleiten, die richtige Wahl zu treffen.8 Sie erzählt uns Geschichten über Erlebnisse, die wir haben können, wenn wir
das Produkt konsumieren. Im Fall der Filmwerbung ist das Produkt seiner Gestalt nach ein narrativ strukturiertes Feld des Wissens: die erzählte Welt des Films. Die Kinoreklame erfüllt ihre Funktion, indem sie einen Informationsmangel in diesem Feld schafft, gewisse Informationen
preisgibt und andere zurückhält. In einer bestimmten Hinsicht macht sie
damit dasselbe wie der Film selbst. «Narration comes into being», so Edward Branigan, «when knowledge is unevenly distributed - when there
is a disturbance or disruption in the field of knowledge» (Branigan 1992,
66). Film und Kinoreklame sind mit anderen Worten strukturell verwandt, und diese Verwandtschaft von Produkt und Werbediskurs unterscheidet die Filmwerbung von der Produktewerbung.9
Sie begründet aber auch das Problem der Informationsvergabe, das
sich beim Trailer besonders ausgeprägt stellt: Nicht nur sind Film wie
Trailer filmische Narrationen – beide stellen mit filmischen Mitteln einen
bestimmten Plot dar (Bordwell 1985, 53) –, der Trailer besteht in den meisten Fällen auch aus dem Material des Films. Zum einen stellt das eine
Chance dar: Der Trailer wirbt mit dem Produkt selbst, und kein anderes
Kinowerbemittel kann mehr und präzisere Informationen liefern. Zum
andern führt es aber auch zu Problemen: Je nachdem, wie das Produkt
definiert wird, dürfen gewisse Teile nicht preisgegeben werden, weil sie
so etwas wie dessen Kern ausmachen. Die Faustregeln deuten darauf
hin, dass dies zu einem bestimmten Zeitpunkt die Story war. Stars,
Spektakel, Schauplatz, Action und Atmosphäre eignen sich gemäß diesem Kriterium als Verkaufsargumente, weil sie für sich genommen noch
nicht das ganze Produkt sind. Die Story hingegen darf man nicht preisgeben, weil sie die Essenz des Produktes darstellt: Sie verleiht den einzelnen Elementen ihren Zusammenhalt und ihre Ordnung.
Auf das Problem der Vergabe von Story-Information und darauf,
wie die Trailer-Produzenten dieses im Verlauf der Werbegeschichte lösten, will ich in der historischen Analyse zurückkommen. Zunächst
möchte ich aber noch weitere allgemeine Überlegungen zum Verhältnis
8
9
Gebner unterscheidet drei Typen von Erzählungen: 1) solche, die uns erklären, wie die
Welt funktioniert, also Romane, Märchen oder Spielfilme, die anhand imaginärer Szenarien komplexe Kausalitäten erläutern; 2) solche, die von der Welt berichten, also
journalistische Reportagen und Geschichtsbücher, und 3) solche, die uns sagen, wie
wir uns in der Welt verhalten sollen. Zu diesen gehört vor allem die Werbung (Shanahan/Morgan 1999, Xf.).
In der Produktewerbung gibt es dann eine strukturelle Verwandtschaft von Werbepraxis und Produkt, wenn Muster oder Proben abgegeben werden.
25
Abb. 2 Aufbau eines narrativen Images:
Der Trailer von R/Greenberg Associates zu Alien
(TCF 1979) besteht aus einer Montage von Kamerafahrten entlang der
Schale des Eis, das auch
auf dem Plakat zu sehen
ist. Der Trailer vermittelt
anfänglich die Suggestion, man bewege sich unter lautem Dröhnen über
einen unwirtlichen Planeten hinweg. Der Trailer
dauert 76 Sekunden und
endet mit einer Einstellung, in der das Ei mit einem scharfen Knacken
aufbricht; darüber wird
der Slogan «In Space No
One Can Hear You Scream» eingeblendet.
26
von Trailer und Film anstellen und näher analysieren, wie sich der Bezug zwischen Werbung und Produkt im Fall des Trailers gestaltet.
1.2 Der Trailer als Muster des Films
Wenn das Plakat ein Zeichen für den Film ist, so ist der Trailer ein Muster. «Showing a few scenes» ist die ursprüngliche Geste des Trailers, und
wenn Trailer Ausschnitte zeigen, lassen sie den Film in ähnlicher Weise
für sich selbst sprechen wie ein Stoffmuster einen Stoff oder eine Kostproben ein Lebensmittel. Kostprobe und Stoffmuster unterscheiden sich
von Speise und Stoff vorab in quantitativer Hinsicht: Sie zeigen an, dass
es von der gleichen Qualität noch mehr gibt, sie veranschaulichen aber
vor allem die Qualität. Ausschnitte in Trailern hingegen repräsentieren
zunächst einmal sich selbst. Darüber hinaus signalisieren sie die Möglichkeit einer Wiederholung in einem anderen Kontext, und sie denotieren damit auch diesen Kontext. Ihre Wiederholung wird keine identische
sein, sondern eine Wiederholung mit Variation, ist doch der Kontext der
Wiederholung – die Formgestalt des Films – von demjenigen des Zeigens – der Formgestalt des Trailers – erheblich verschieden.
Festmachen lässt sich diese Differenz von Zeigen und Wiederholung schon auf einer mikrostrukturellen Ebene. Branigan unterscheidet
in seiner Beschreibung der filmischen Form acht Ebenen der Narration,
sogenannte «levels» (Text, Fiktion, erzählte Welt, Ereignis/Szene, Handlung, sprachliche Äußerung, Wahrnehmung und Gedanke) und drei Typen der Wissensvermittlung: die Narration des «narrator», die des «actor»
und die des «focalizer»: «In a strict sense, a narrator offers statements about;
an actor/agent acts on or is acted upon; and a focalizer has an experience
of», so Branigan (1992, 105). Von der komplexen Textur, die sich aus dem
Spiel dieser Instanzen ergibt, bleibt im Trailer wenig übrig. So wird ein
«reaction shot» im Trailer mitunter zur bloßen Nahaufnahme, und eine
subjektive zu einer neutralen Einstellung. Unverändert bleibt nur die Narration der diegetisch handelnden Figur. Auch deren Handeln versteht
sich im Trailer indes oft anders als im Film. Harmlose Nebenfiguren werden zu Bösewichten stilisiert; Sätze aus einem klärenden Gespräch bekommen den Sinn von Mordbefehlen; einfache Gesten werden zu großen Bewegungen. Das Material erhält mit anderen Worten im Trailer oft eine
andere Bedeutungen, und dessen Wiederholung im Film geht entsprechend mit einer Modifikation seines Ausdrucks- und Sinngehalts einher.
Solche Reartikulationen bestehenden Materials kennt man auch aus
dem Kompilationsfilm. Ähnlich wie dieser wird auch der Trailer nach-
27
träglich hergestellt, meist aufgrund einer vorliegenden Rohschnittfassung (in diesem Sinn ist schon das Zeigen des Ausschnitts im Trailer
eine Wiederholung). In der Rezeption aber geht er dem Film voraus, und
er steht zu diesem auch in einem anderen Hierarchieverhältnis. Der
Kompilationsfilm ist ein Metatext, der Trailer ein Paratext, ein «zutiefst
autonomer Hilfsdiskurs», wie Genette es nennt. Er darf, im Unterschied
zum Kompilationsfilm, den Sinn des Materials nicht beliebig verändern,
sondern bleibt dem Film verpflichtet.10 Ähnlich wie der literarische Paratext erfüllt er nicht zuletzt eine Funktion der Rezeptionssteuerung: Er
schafft Erwartungen und Voreinstellungen, und wenn der Film diesen
nicht entspricht, schadet das seinen kommerziellen Aussichten. Der Trailer lockt dann die falschen Leute ins Kino, und diese werden den Film
nicht weiterempfehlen. Es gibt also einen Toleranzbereich, den die Modifikationen des Ausdrucks- und Sinngehalts nicht überschreiten dürfen:
Die Wiederholung in einem anderen Kontext darf vom ursprünglichen
Zeigen nicht zu stark abweichen.
Es ließe sich nun durch historische Fallstudien feststellen, wann
und wo dieser Toleranzbereich überschritten wurde. Irreführende Genre-Suggestionen erweisen sich als besonders schädlich (Genre-Signale in
Trailern sind unter anderem Frauenschreie für Thriller und Horror, Duellszenen für Western und Songmedleys für Musicals). Falsche Täterhypothesen hingegen scheinen zulässig. So vielversprechend aber eine solche induktive Vorgehensweise ist – die Geste des Zeigens und die
Modifikationen des Ausdrucks- und Sinngehaltes, die zu ihr gehören,
lassen sich auch mit theoretischen Überlegungen noch präziser fassen.
Gerade generische Qualitäten werden im Trailer nicht nur über fixe Signale kommuniziert, sondern in den meisten Fällen über Ausschnitte ausgedrückt. Wie dies geschieht, möchte ich im Rückgriff auf Nelson Goodman beschreiben.
Sein Buch Languages of Art beginnt Goodman mit einer Kritik an
Peirces Begriff des ikonischen Zeichens (Goodman 1976, 3ff.). Ein ikonisches Zeichen – ein Gemälde, ein Foto – ist gemäß gängiger Definition
ein solches, das zum Bezeichneten eine Beziehung der Ähnlichkeit aufweist. Eine solche Ähnlichkeitsbeziehung setzt aber Reversibilität vor10 Dieses Hierarchieverhältnis ist keineswegs irreversibel. Roger Corman ließ oft Trailer
für Filme zirkulieren, die noch gar nicht gedreht waren. Der Actionfilm Lethal Weapon
4 beginnt zudem mit einer Szene – einer Tankstellenexplosion –, die ursprünglich nur
für den Trailer gedreht wurde und erst später in den Film Aufnahme fand. Bemerkenswert ist auch, dass dies von Regisseur und Produzent in einem Interview berichtet wird: Sie legen mithin Wert darauf, dass das Publikum Kenntnis davon hat. Vgl.
Ruedi Widmer: «Interview mit Richard Donner und Joel Silver». In: Berner Zeitung, 14.
August 1998.
28
aus, und die ist bei Gemälden, Fotos oder Filmaufnahmen nicht gegeben:
Wir können ein Porträt von Wellington dechiffrieren, ohne zu wissen,
um wen es sich handelt, also ohne auf eine wahrgenommene Ähnlichkeit rekurrieren zu müssen. Das Bild denotiert seinen Gegenstand folglich nicht auf wesentlich andere Weise als ein geschriebenes oder gesprochenes Wort, und es ist letztlich ebenfalls ein konventionelles
Zeichen. Den Unterschied zwischen sprachlichen Zeichen und Bildern
macht Goodman, anders als die klassische Semiotik, nicht an der Denotationsweise oder an der unterschiedlichen «Motivation» der Zeichen fest,
sondern an der Beschaffenheit der Symbole, genauer: am Unterschied
zwischen Dichte und Differenziertheit. Er veranschaulicht diesen am
Beispiel des Unterschieds zwischen einem gradierten und einem ungradierten Thermometer: Bei einem gradierten werden Temperaturdifferenzen nur durch den Übergang von einer Markierung zur nächsten angezeigt. Bei einem ungradierten hingegen macht jede kleine Veränderung
einen Unterschied aus. Bilder sind in diesem Sinn «dicht», sprachliche
Zeichen hingegen «differenziert».
Differenzierte Symbolschemata denotieren Gegenstände, dichte
hingegen denotieren Gegenstände und exemplifizieren zugleich Qualitäten, die sie selbst aufweisen. Wenn eine Abbildung einer Küstenlandschaft ein graues Kolorit aufweist, dann exemplifiziert sie «grau»; das
Farbadjektiv «grau» wiederum denotiert diese Qualität der Abbildung.
Die Exemplifikation verläuft also analog zur Denotation – einfach in umgekehrter Richtung. Wenn die exemplifizierte Qualität metaphorisch
umschrieben wird – eine graue Küstenlandschaft wirkt «traurig» –,
dann wird die Exemplifikationsbeziehung zur Ausdrucksbeziehung:
Das Symbol bringt die metaphorische Qualität zum Ausdruck.
Goodmans Begriffe eignen sich einerseits, um Werbetypografien zu
beschreiben. Typografisch gestaltete Schriftzüge sind Symbolsysteme,
die zugleich dicht und differenziert sind: Ihre grafische Gestaltung hat
piktoriale Qualität. Ein Schriftzug wie derjenige auf dem Filmplakat zu
Francis Ford Coppolas Dracula (Columbia 1991) denotiert zum einen den
Film, er bringt aber auch Qualitäten zum Ausdruck, die über die Denotation zugleich dem Film zugeschrieben werden. Auf diese Weise funktionieren auch die häufigen, grafisch ausgestalteten Schriftelemente in
Trailern. Rolltitel in klassischen Trailern exemplifizieren über ihre Bewegungen Qualitäten, die, insofern die Titel zugleich auch den Film denotieren, diesem – beziehungsweise seinem Erlebnis – zugeschrieben werden. Ähnlich verweist ein Schriftzug auf den Film, der aus dem Wort
«thrills» besteht, nervös konturiert ist und schließlich verfließt: ein
Schriftbild für «Horror» (Abb. 3).
29
Abb. 3 Exemplifikation von Erlebnisqualitäten:
Texteinblendung
aus dem Trailer für
eine Wiederaufführung von Dracula
(Universal 1932).
Goodmans Begriffe lassen sich ferner verwenden, um die Beziehung zwischen Ausschnitten und Film zu beschreiben. Ein Stoffmuster
exemplifiziert den Stoff, dessen Qualitäten dieselben sein werden wie
die des Musters. Ausschnitte exemplifizieren Qualitäten des Films, oder
vielmehr exemplifizieren sie Qualitäten, die dem Film zugeschrieben
werden, insofern ein Ausschnitt die fiktionale Welt denotiert, die er darstellt. Ausschnitte werden auf diese Weise zu visuellen Tropen. Der Trailer zu Casablanca (Warner Bros. 1942) beginnt mit einer Schießerei. Im
Film gezeigt, denotiert diese Einstellung primär einen Sachverhalt in der
fiktionalen Welt des Films. Im Trailer gezeigt, bringt sie Eigenschaften
wie Gewalt, Action, Abenteuer zum Ausdruck. Es ist nicht nur das
schwarzweiße Bild eines fliehenden Mannes, der erschossen wird, es ist
auch ein «spannendes» Bild. Es funktioniert mithin als Metapher, und in
seiner metaphorischen Bedeutung denotiert es generische Qualitäten des
Films (vgl. die Analyse dieses Trailers in Kapitel 4). Ausschnitte funktionieren zudem oft als Synekdochen: So wie «Segel» ein Pars-pro-totoBegriff für «Schiff» sein kann, ist ein Song in einem Trailer eine Synekdoche für «Musical».
Eine andere Frage ist, welche Qualitäten in Trailern bevorzugt zum
Ausdruck gebracht werden, also nach welchen Kriterien man die Filmausschnitte wählt. Zum Teil sind solche Kriterien durch Zensurvorschriften vorgegeben. Der Advertising Code, der von 1934 bis 1966 in
Kraft war, beschrieb noch vergleichsweise unspezifisch, was in der Werbung gezeigt werden durfte und was nicht.11 Die derzeit geltenden Vor11 Production Code of Ethics, MPA 1938.
30
schriften des Ratings Board hingegen, des Filmzertifizierungsorgans der
Produzentenvereinigung MPAA, listen detailliert unzulässige Inhalte
auf. In Trailern, die für ein Publikum ohne Altersbeschränkung zugelassen werden sollen, dürfen keine Schimpfwörter gebraucht (außer «hell»
und «damn») und keine Anspielungen auf Dreiecksverhältnisse oder auf
Drogen und ihren Konsum gemacht werden. Entblößte Brüste und andere Formen der Nacktheit, Bettszenen und Blut sind als Bildinhalte verboten. Ausdrücklich untersagt sind ferner Situationen, in denen Waffen
und potenzielle Opfer in der gleichen Einstellung zu sehen sind; eine
Vorschrift, die eine Bestätigung für André Bazins Theorem des «montage interdit» liefert, demzufolge nicht geschnitten werden darf, wenn das
Wesentliche eines Ereignisses von der gleichzeitigen Präsenz zweier
oder mehrerer Faktoren der Handlung abhängt (Bazin 1985, 59). Wenn
Waffe und Opfer in derselben Einstellung zu sehen sind, wirkt die Bedrohung real. Für Trailer mit einem R-Rating (zugelassen ab 16 Jahren)
gilt diese Regel nicht mehr. Verboten bleibt aber in solchen Vorschauen
die Darstellung von Verstümmelungen, Genitalien, Schamhaaren, Geschlechtsverkehr und – ausdrücklich – Homosexualität.12
Innerhalb dieser Leitlinien werden Szenen nach Gesichtspunkten
ausgewählt, die durchaus eine gewisse Konstanz zu haben scheinen. Andrew Kuehn schnitt 1992 einen Trailer für eine Wiederaufführung von
Casablanca (Warner Bros. 1942) und stellte bei der nachträglichen Visionierung der Originalvorschau fest, dass er weitgehend dieselben Szenen
ausgewählt hatte wie seine Kollegen fünfzig Jahre zuvor.13 Welche Qualitäten dabei ausschlaggebend sind, kann man sich entweder denken –
Drama, Erotik oder Aktion –, oder man kann sie in einer historischen
Kriteriologie zu erarbeiten versuchen. Dazu müsste man allerdings in einer Vielzahl von Einzelfällen abklären, welche Ausschnitte tatsächlich
verwendet wurden, und das erfordert einen Aufwand, der den Rahmen
dieser Arbeit übersteigt.
Wie das Problem der Informationsvergabe im Verlauf der Filmgeschichte gelöst wurde, lässt sich aber auch aus den Werbematerialien
selbst erschließen. Trailer richten sich in aller Regel an ein Publikum, das
den Film noch nicht gesehen hat. Auf welche Weise sie versuchen, eine
hinreichende und adäquate Vorstellung vom Film zu vermitteln, muss
sich folglich aus ihrer Formgestalt erschließen lassen, ohne dass man
zum Vergleich den jeweiligen Film beizieht.
12 MPAA Advertising Handbook, S. 16f.
13 Interview mit Andrew Kuehn, 7.Dezember 1997.
31
1.3 Der Trailer als narrative Form: Morphologie einer
filmischen Gattung
Die Analyse einer repräsentativen Auswahl von Beispielen kann zeigen,
ob und wie die Faustregeln der Trailer-Hersteller in der Praxis angewendet und welche anderen Muster, Regeln und Restriktionen allenfalls befolgt wurden. Gefragt ist also die Analyse einer größeren Serie von Beispielen, eine «serial history» im Sinne Michèle Lagnys:
[…] the essential point […] is not to build a theoretical model, a structural
scheme which is supposed to explain a mode of textual (in our case, visual)
functioning. What matters instead is to submit the entire series to the same
kind of questioning and to the same viewpoints, which may lead us to formulate conclusions on permanence, evolutions or ruptures. (Lagny 1994,
33f.).
Zu erwarten sind von einer seriellen formalen Analyse Aussagen über
Struktur, Stil und Rhetorik von Trailern. Der Rest dieses Kapitels befasst
sich mit der Darstellung der Resultate einer solchen Analyse. Es handelt
sich um eine analytische Darstellung im Sinne Kants: Sie geht von den
vorliegenden Resultaten aus, rekapituliert aber zugleich den Verlauf der
Untersuchung.
1.3.1 Auswahl und Korpus
Nimmt man sich vor, die serielle Geschichte einer ganzen Filmgattung
zu schreiben, dann stellt sich die Frage nach Auswahl und Anzahl der
Beispiele besonders dringlich. An einen vollständigen Überblick ist bei
Trailern nicht zu denken; es gibt zu viele, und sie wären auch gar nicht
zu beschaffen. Weil aber Trailer industriell gefertigt werden und ihre
Hersteller offenkundig von vorgefassten Konzepten ausgehen, kann
auch eine zufällige Auswahl von Beispielen aussagekräftig sein. Es müssen allerdings Kriterien dafür festgelegt werden, wann die Auswahl als
repräsentativ gilt.
Um einen möglichst vollständigen Überblick über die Formgeschichte zu gewinnen, wählte ich als Zeitraum der Untersuchung die
ganze Periode aus, in der Trailer nachgewiesen sind, also zurückreichend bis ins Jahr 1912. Auf das Genre nahm ich bei der Auswahl der
Beispiele keine Rücksicht. Zum einen zeigen neuere Untersuchungen
von Werbung und Produktion, dass Genres viel weniger stabil und klar
definiert sind, als man ausgehend von prägnanten Fällen wie Western
32
oder Musical annehmen könnte (Altman 1998; 1999, 30f.). Ob und wie
Genres sich auf die Filmwerbung auswirken, lässt sich ohnehin nur
durch den Vergleich einer größeren Anzahl von Beispielen feststellen.
Ähnliches gilt für Studiostile; ob es solche gibt, lässt sich erst durch Vergleich feststellen. Besetzung und Regie spielten eine untergeordnete Rolle; im Hinblick auf mögliche Fallstudien versuchte ich allerdings, alle
verfügbaren Trailer zu Filmen mit James Stewart und zu denen von Cecil B. DeMille, Alfred Hitchcock und David O. Selznick in das Korpus
aufzunehmen. Repräsentativ ist die Auswahl dann, wenn man mit
Propp sagen kann, dass sich an den Ergebnissen nichts Wesentliches ändert, wenn man noch einige Beispiele hinzugibt oder wegnimmt (Propp
1987, 34).
Die Untersuchung basierte schließlich auf einem Korpus von 2039
Beispielen: 1512 Trailer, 253 TV-Spots, 157 Teaser, 63 «featurettes» oder
«making of…»-Trailer, 20 Institutional Trailer, also Reklamefilme für Kinos und Wohltätigkeitsorganisationen, 13 «product reels», also Werbefilme, die sich an Kinobetreiber richten, und 7 Vitaphone-Kurzfilme mit
Ankündigung für kommende Filme. Ferner gehören acht Radio Spots
dazu, zwei Manuskripte für Radiointerviews, ein Wochenschau-Segment, ein Clip für eine TV-Show, ein Manuskript für ein TV-Interview
und ein Trailer für einen Bühnenauftritt des Komikers Will Rogers aus
den Zwanzigerjahren. Im Schnitt zählt das Korpus etwas über zwanzig
Beispiele pro Jahr (für eine detaillierte Darstellung vgl. Tabellen 1–7 im
Dokument-Korpus auf der beiliegenden CD-ROM).
1.3.2 Zu den Kriterien der Analyse
Die Analyse des Materials basiert auf zwei Voraussetzungen: Zum einen
behandelte ich den Trailer als Form der Narration, also als Verfahren, in
dem stilistische und filmtechnische Mittel eingesetzt werden, um einen
bestimmten Plot mitzuteilen. Zum anderen ging ich davon aus, dass die
Informationsvergabe das zentrale Problem der Filmwerbung darstellt
und dass die Konstellation von Plot und filmischen Mitteln in Trailern
immer eine bestimmte Lösung für das Problem darstellt, eine hinreichende und adäquate Vorstellung vom Film zu vermitteln. Unter diesen
Voraussetzungen richtete ich an jedes Beispiel folgende Fragen: 1) Wie
ist der Plot strukturiert, und was und wieviel von der Story des zugehörigen Films teilt er mit? 2) Welche stilistischen und sprachlich-rhetorischen Mittel verwendet der Trailer, um den Plot umzusetzen?
Für die Beantwortung der ersten Frage musste ich von einer Arbeitshypothese ausgehen. Ob Trailer eine präzise Vorstellung von der
33
Story eines Films geben, hängt – wie die Analyse des Beispiels Casablanca
in Kapitel 4 zeigen wird – weniger davon ab, ob sie die Story zum wichtigsten Verkaufsargument machen, als vielmehr davon, ob sie das Material in einer Sequenz präsentieren, die einen bestimmten Plot-Verlauf
suggeriert. Ich ging deshalb von einem Modalwert des Filmplots aus, einer durchschnittlich zu erwartenden narrativen Struktur von Mainstreamfilmen, und untersuchte, inwiefern die Plot-Form des Trailers diesem
Modalwert entspricht.
Einen solchen Modalwert findet man vor allem in der praktischen
Drehbuchliteratur. Drehbuchmanuale von Autoren wie Syd Field oder
Robert McKee lehren, dass im amerikanischen Spielfilm jede Geschichte
drei Akte hat: Exposition, Konfrontation und Auflösung (Eder 1999,
26f.). Gemäß Fields Drehbuchtheorie sind Exposition und Konfrontation
durch den Plot Point 1 verbunden, auch «auslösendes Ereignis» genannt,
Konfrontation und Auflösung wiederum durch den Plot Point 2 (Field
1988, 14). Sein Modell stimmt in den Grundzügen mit demjenigen überein, das Gustav Freytag in seiner Technik des Dramas von 1870 entwickelt
und das seinerseits auf Aristoteles’ Poetik zurückgeht. Was Field «Exposition» nennt, ist für Freytag «Einleitung», der Plot Point 1 heißt dort «erregender Moment», die Konfrontation «Steigerung», der Plot Point 2
«tragischer Moment». Die Auflösung nennt Freytag «fallende Handlung», er unterteilt diese aber in Analogie zu Aristoteles in Umkehr und
Katastrophe (Freytag 1983, 105ff.). Formanalysen zeigen, dass solche Regeln von US-amerikanischen Mainstream-Filmen weitgehend befolgt
werden (Bordwell/Staiger/Thompson 1985; Thompson 1998), Vor diesem Hintergrund prüfte ich nun, ob Trailer nur Formeln wie «James Stewart in einer Geschichte voller Leidenschaft und Gewalt…» verwenden
oder ob es auch vorkommt, dass Story-Information in Form von linearen
Resümees vermittelt wird, also etwa: «James Stewart als x, der sich gerade in der Situation y befindet, als z passiert, worauf sich der Konflikt p
entwickelt, auf dessen Höhepunkt sich die möglichen Enden q oder r ergeben.»
Neben der narrativen Struktur erforschte ich zudem, ob es andere
Konstruktionsmuster gab, die unabhängig von der jeweiligen Strategie
der Informationsvergabe die Form des Trailers bestimmten. Dabei fragte
ich nach dem Aufbau; ferner registrierte ich zwölf weitere mikrostrukturelle Elemente wie etwa Songmedleys in Musical-Trailern, oder Listen
mit Aufzählungen von Schauwerten (Abb. 4). Die stilistische Komposition, also die Umsetzung des Plots durch Bild-, Ton- und Textanteile, analysierte ich, indem ich insgesamt 23 formale und 35 rhetorische Parameter erfasste. Zu den formalen Parametern zählen Werte wie Länge und
34
35
Abb. 4 Liste der Attraktionen: Schauwertekatalog aus dem
Trailer zu Cecil B. DeMilles The Buccaneer
(Paramount 1938).
36
durchschnittliche Einstellungslänge,14 ferner die Nennung von Filmtitel
und Besetzung oder Gestaltungsmittel wie Texteinblendungen, Trickblenden, Sprecherstimme oder Standbilder. Rhetorische Parameter
schließlich sind stereotype sprachliche Formulierungen, die in auffälliger
Häufigkeit von extrafiktionalen Instanzen verwendet werden, also von
der Sprecherstimme oder den Texteinblendungen (detaillierte Auflistung und Erläuterung vgl. Korpus, Abschnitt 2).
1.4 Die Formgeschichte des Trailers und die
narrative Wende in der Filmwerbung
Die Analyse ergibt folgende hauptsächliche Befunde: Die meisten Trailer
aus der klassischen Periode15 präsentieren die Story-Information in Form
eines Rätselplots, der eine Vielzahl von Fragen aufwirft, aber keine Vorstellung vom Story-Verlauf vermittelt. In den Jahren nach 1970 nehmen
Story-Resümees nach dem Dreiaktschema überhand, die am Ende des
zweiten Aktes mit einem Cliffhanger enden, also die Story in Form eines
Spannungsplots präsentieren. Unabhängig von der jeweils verwendeten
Plot-Form weist die überwiegende Mehrzahl der Beispiele aus dem Zeitraum vor 1970 zudem eine vergleichbare Abfolge ihrer Elemente auf, ein
Konstruktionsmuster aus vier Teilen, das man die klassische Struktur
des Trailers nennen kann. In diese klassische Struktur eingebettet, taucht
zunächst auch der Spannungsplot auf, um sie schließlich zu überlagern
und selbst zum grundlegenden Konstruktionsmuster zu werden. Dieses
zweite Muster kann man als protagonistenzentrierte Zweidrittelstruktur
bezeichnen.
Die Frage nach der Struktur (klassische Struktur ja/nein) und diejenige nach dem Plot (Spannungsplot ja/nein) lassen sich verknüpfen. Es
ergeben sich vier mögliche Antworten, die vier Grundtypen des Trailers
14 Länge des Trailers in Sekunden/(Anzahl Schnitte + 1).
15 Bordwell/Staiger/Thompson (1985) definieren als klassische Periode den Zeitraum
von 1917 bis 1960. Sie gehen dabei von stilistischen und produktionstechnischen Kriterien aus: In diesem Zeitraum stellten die Studios Spielfilme mit prägnanten Erzähl-,
Montage- und Inszenierungsmustern in serieller Industrieproduktion her. Christine
Noll Brinckmann (1997, 280) zieht es im Unterschied dazu vor, nur die «Spanne vom
voll entwickelten Tonfilm bis etwa dem Beginn der 50er Jahre als klassische Epoche zu
betrachten», weil in diesem Zeitraum eine grössere Homogenität der Parameter und
Genrekonventionen festzustellen ist. Ich möchte den Begriff dagegen stärker ökonomiehistorisch gewichten und verstehe unter der klassischen Studioperiode die erste
Periode der vollständigen vertikalen Integration der amerikanischen Filmwirtschaft,
die von 1919 bis Anfang der Fünfzigerjahre dauerte.
37
darstellen. Jedes der erfassten Beispiele lässt sich einem dieser vier
Grundtypen zuordnen.
Die Analyse der formalen und rhetorischen Parameter zeigt, dass
die Länge der Trailer konstant bleibt. Starken Veränderungen unterworfen ist hingegen die durchschnittliche Einstellungslänge, die nicht kontinuierlich, aber doch immer weiter absinkt. Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei anderen formalen Parametern beobachten. Texteinblendungen und insbesondere Rolltitel gehören zur Grundausstattung klassischer
Trailer. Nach 1960 verschwinden sie weitgehend, dafür nimmt der Einsatz von Sprecherstimmen zu. Standfotos werden besonders häufig in
den frühen Dreißiger- und in den Sechziger- und frühen Siebzigerjahren
verwendet. Ebenfalls einer großen Wandlung unterworfen ist die Montage. Zeigen klassische Trailer Ausschnitte noch integral oder leicht gekürzt, so lösen neuere Trailer das «continuity editing» größtenteils auf
und ordnen Ton- und Bildanteile einander in Mustern zu, die mit Eisensteins Konzept der vertikalen Montage Verwandtschaft aufweisen.
Es zeigt sich ferner, dass bestimmte Konstellationen von Grundstrukturen, Plot-Formen, formalen und rhetorischen Parametern über
längere Zeiträume hinweg konstant bleiben. Eine solche Konstellation
lässt sich als Modus der Narration im Sinne Bordwells beschreiben. Zwei
solche Modi werden in bestimmten Phasen dominant, das heißt ihre rekursive Verwendung bestimmt, was ein gängiger Trailer ist: ein klassischer Modus bestimmt den Zeitraum von 1934 bis 1960, ein zweiter dominiert seit Beginn der Achtzigerjahre. Der klassische Modus führt einen
Diskurs über den Film und zeigt Ausschnitte zum Zweck der Ankündigung; er verfolgt also eine Informations-Strategie des «showing as announcing». Der zweite Modus hingegen simuliert den Film; er benutzt
dazu ein hochkomprimiertes Story-Resümee und verwendet eine Informations-Strategie des «storytelling as selling».
Neben einer Reihe von kleineren Brüchen, Diskontinuitäten und
Verschiebungen durchläuft der Trailer im Verlauf seiner Formengeschichte mithin einen fundamentalen Umbruch. Angesichts der zentralen Bedeutung des Trailers kann man diesen als narrative Wende in der
Filmwerbung bezeichnen. War es den Werbespezialisten in der klassischen Ära noch untersagt, die sogenannten «salient plot points» preiszugeben – was für den Trailer ebenso galt wie für Inserate und andere
Werbematerialien (Abb. 5) –, so gehen ihre Nachfolger geradezu sorglos
mit Story-Informationen um. «They reveal too much», klagt Robert Faber nicht von ungefähr über aktuelle Trailer.16 Die nachfolgenden Kapi16 Wie Anm. 4.
38
Abb. 5 «To tell you the story would spoil it»: Zeitungsinserat zu Josef von
Sternbergs Dishonored (Paramount 1931). Star und Film-Erlebnis werden auf Kosten der Story in den Vordergrund gerückt.
39
tel, insbesondere die Kapitel 5 und 6 werden zeigen, dass dies seinen bestimmten ökonomischen und kulturhistorischen Sinn hat: Die narrative
Wende liegt in einem Wandel der Funktion des Trailers begründet, und
sie zeigt an, dass die Konzeption des Films als Text und als Produkt, die
Produzenten und Publikum im fortlaufenden Austausch entwickeln,
sich im Vergleich zur klassischen Ära grundlegend verändert hat.
Ich möchte aber zunächst die Analyse-Ergebnisse detailliert darlegen. Die drei Abschnitte über Plot-Formen, über Konstruktionsmuster
und über die vier Grundtypen erläutern Struktur und Aufbau von Trailern. Die drei Abschnitte über den klassischen und den neueren Modus,
über Montagetypen und über den Trailer als narratives System behandeln die stilistische Entwicklung.
1.4.1 Plot-Formen: Rätselplot und Spannungsplot
In den Jahren vor 1960 hielten sich die Trailer-Hersteller im Umgang mit
Storyinformation durchwegs an ihre Faustregeln. Aufschluss über die
Story des Films erhält man vor allem anhand von Kurzformeln und Listen. Sehr häufig sind allgemeine Formulierungen des Typs «a story of
love and passion» ebenso wie Listen, die die Castmitglieder vorstellen
und ihre Rolle kurz beschreiben. Andere Listen versammeln Schauwerte
und Schlüsselszenen, und in Trailern von Spannungsgenres wie Thriller
oder Detektivfilm werden gerne Frageserien verwendet: «Who was the
mysterious woman behind the curtain? Why did she reveal the secret of
xy to him?» Ihrer Plot-Form nach weichen klassische Trailer fast durchwegs ab vom Muster der kausal geschlossenen chronologischen Erzählung nach dem Dreiaktschema. Insbesondere unterlassen sie es, ein auslösendes Ereignis zu markieren. Die Dramaturgie dieser Trailer ist
derjenigen des Rätselplots verwandt: «the author leaves some significant
event out of the discourse, but lets the reader know that the information
is missing» (Brewer/Lichtenstein 1981, 366). Ein Filmausschnitt in einem
solchen Trailer wirft nicht nur die Frage auf, was als nächstes passiert,
sondern auch, wie es dazu kam und worin der Zusammenhang mit den
anderen Szenen besteht. Trailer dieses Typs zielen in erster Linie auf
Neugier bezüglich der Geschichte ab und weniger auf Spannung (Tan
1996, 209); sie werfen ein ganzes Bündel von Fragen zur Story des Films
auf. 93 Prozent aller untersuchten Beispiele aus den Jahren zwischen
1928 und 1960 folgen diesem Prinzip (Tabelle 13; vgl. auch Abb. 6).
Nach 1960 weicht der Rätselplot mehr und mehr dem Spannungsplot. Dieser reproduziert in hochverdichteter Form das Dreiaktschema
mit Exposition (Hauptfigur und Ausgangssituation), auslösendem Ereig-
40
Abb. 6 Rätselplot: Nicht nur Trailer werfen in der klassischen Filmwerbung
ganze Reihen von Fragen auf; hier ein Zeitungsinserat für The Canary Murder
Case (Paramount 1929). Man beachte den kleinen Buchumschlag in der Bildmitte,
der einen Verweis auf die literarische Vorlage darstellt.
41
nis (Problem) und Konfrontation, um in jenem Moment in einen Cliffhanger zu münden, den die Drehbuchmanuale gemeinhin als den Moment der größten Spannung bezeichnen.17 Trailer mit solchen PlotFormen werfen nicht mehr ein Bündel von Fragen auf, sie stellen vielmehr die Frage: Wird der Held/die Heldin siegen? Sie zielen in erster Linie auf Spannung ab und nähern sich überdies in Plot-Form und Strategie der Informationsvergabe dem Film selbst an, sind also von höherer
Mitteilsamkeit als klassische Beispiele. In den Sechzigerjahren verwenden etwas über 7 Prozent einen Spannungsplot, in den Siebzigern sind
es 27 Prozent, in den Achtzigern bereits über 54 und in den Neunzigerjahren über 82 Prozent.
1.4.2 Konstruktionsmuster: Klassische Struktur und
protagonistenzentrierte Zweidrittelstruktur
Entspricht die Häufigkeit von Rätselplots in klassischen Trailern noch dem,
was man aufgrund der Faustregeln erwarten kann, so ist schon eher
überraschend, dass mehr als die Hälfte aller Beispiele nahezu identisch
konstruiert sind. Sie setzen sich aus vier Teilen zusammen: a) einem Intro, in welchem das Thema des Films eingeführt und das hauptsächliche
Verkaufsargument genannt wird, b) einer ersten Nennung des Filmtitels,
die in den meisten Fällen als Antwort auf die erste Frage zu verstehen
ist, welche das Intro aufwirft, c) einer Durchführung, die den Hauptteil
darstellt und das Thema des Intros ausarbeitet – in der Regel mit einer
Cast-Liste, einer Reihe von Szenen und einer Passage aus zusammenfassenden Titeln –, und d) einer abschließenden Titelnennung. Dieses Konstruktionsmuster lässt sich auf folgende Formel bringen:
Intro/Titel/Durchführung/Endtitel
Der Begriff «Durchführung» ist nicht von ungefähr der Kompositionslehre entlehnt. Ähnlich wie die Durchführung einer Sonate besteht der
Hauptteil des Trailers oft aus drei Teilen, die das thematische Material
bearbeiten, das in der Einführung präsentiert wird (Stephan 1957, 313).
Eine Parallele ergibt sich ferner zur klassischen Rhetorik. Das Intro entspricht dem Exordium, der Einleitung. Es operiert oft mit Inhalten, die
17 Unter «Exposition» soll im folgenden «die Vermittlung desjenigen Wissens über Vorgeschichte, Ausgangssituation und Personen, das zum Verständnis der folgenden
Handlung nötig ist» verstanden werden (Weimar 1997, 548). Im Drama erfüllt meistens der erste Akt diese Funktion. Zum Begriff der Exposition vgl. auch Hartmann
(1995, 106ff.).
42
eine Vorkenntnis ins Spiel bringen, den zugehörigen Erwartungen aber
zuwiderlaufen. Es schafft eine Irritation im Feld des Wissens, die vom
Rest des Trailers weiterbehandelt und zumindest teilweise behoben
wird. Das Intro zum Trailer von Ernst Lubitschs Ninotchka (MGM 1939)
zeigt eine lachende Greta Garbo mit der Texteinblendung «Garbo
laughs!». Diese Formel nimmt einerseits Bezug auf den berühmten Slogan zu Garbos Tonfilmdebüt Anna Christie (MGM 1932), «Garbo talks!».
Sie ruft ein Vorwissen auf, zu dem unter anderem die Kenntnis gehört,
dass es sich um eine dramatische Schauspielerin handelt. Die Irritation
liegt im «laughs!», der Mitteilung, dass die Garbo nun erstmals in einer
Komödie zu sehen ist. Die Durchführung enthält jeweils Elemente einer
Narratio und einer Argumentatio. Sie stellt in einem typischen Fall mit
einer knappen Storyline und Szenen den «Sachverhalt» des Films dar
und liefert danach zusätzliche Gründe, die ihn empfehlen («you’ll
laugh», «you’ll cry», «never such spectacle» etc.). Der Endtitel, so könnte
man schließlich sagen, funktioniert als Peroratio, als Zusammenfassung
in Form eines Enthymems.
Da Intro und Titel durch eine implizite Frage-Antwort-Beziehung
verbunden sind, könnte man sie auch zusammenziehen und als Exposition bezeichnen. Damit würde die Formel lauten:
(Intro + Titel)/Durchführung/Endtitel
Mit dieser flexibleren Formel sind auch jene 160 Beispiele erfasst, in denen der Titel vor dem Intro kommt oder bereits im Intro genannt wird.
Der Trailer zu Raoul Walshs High Sierra (Warner Bros. 1941) beginnt mit
einer Titelgrafik. Darauf setzt die Sprecherstimme ein, die den Titel erläutert, wobei ihre Ausführungen von entsprechendem Bildmaterial begleitet werden: High Sierra ist ein hohes Gebirge, wild und zerklüftet, das
mitunter Gejagten als Rückzugsgebiet dient. Man sieht bewaffnete Polizisten die Hänge hochsteigen sowie schließlich eine Nahaufnahme von
Humphrey Bogart, der hinter einem Felsen kauert. Danach beginnt die
Durchführung. Sukzessive werden die Nebenfiguren eingeführt, jeweils
mit einer Szene, welche die Sprecherstimme mit der Frage begleitet, was
die Figur mit Bogarts anfangs gezeigter misslicher Lage zu tun haben
könnte. Benützt man die modifizierte Formel und zählt auch ein solches
Beispiel mit, so haben 1000 von 1512 Trailern einen solchen Aufbau – nahezu zwei Drittel also.
Dieses Konstruktionsmuster bildet sich in den Jahren nach 1923 heraus, also noch in der Stummfilm-Ära (Abb. 7). Im Zeitraum zwischen
1928 und 1960 liegt es über 85 Prozent aller Beispiele zugrunde; zwi-
43
Abb. 7 Herausbildung der klassischen Struktur: Intro, erste Titelnennung und
zwei Auszüge aus der Durchführung des Trailers zur Stummfilm-Komödie Live
Wire (First National 1925). Die Zirkus-Szene dient als Narratio, die Texteinblendung als Argumentatio.
schen 1960 und 1998 sinkt sein Anteil von etwas über 64 Prozent auf
knapp unter 7 Prozent (Tabelle 13). Es liegt deshalb nahe, diesem Muster
den Namen «klassische Struktur» zu geben. Sie hat, um mit einer Unterscheidung Luhmanns zu sprechen, sowohl den Charakter einer begrifflichen Abstraktion als auch den einer Selbstabstraktion des Gegenstandes.
44
Begriffliche Abstraktionen zielen auf die Theorie ab – wie zum Beispiel
die Formel, auf welche ich die klassische Struktur nun gebracht habe.
Zugleich aber ist die klassische Struktur auch eine Selbstabstraktion, insofern sie die «Wiederverwendung derselben Strukturen im Gegenstand
selbst» erlaubt (Luhmann 1983, 16).
Der Nutzen einer solchen rekursiv verwendeten, ein gleichbleibendes Grundmuster variierenden Struktur ist vielfältig. Sie erleichtert die
Arbeit der Hersteller, weil diese immer schon wissen, wie der Trailer
aufgebaut sein wird, und sich darauf beschränken können, die einzelnen
Teile aufzufüllen. Dies gilt umso mehr, als die klassische Struktur äußerst flexibel ist: Sie lässt sich einminütigen TV-Spots ebenso zugrunde
legen wie dem zehnminütigen Trailer zu The Ten Commandments von Cecil B. DeMille (Paramount 1956). Sind ferner nahezu alle Trailer gleich
konstruiert, so realisiert das Publikum spätestens nach den zwanzig Sekunden der Exposition, dass es einen Trailer sieht, und es wird sich auf
dessen Mitteilungshandlung leichter einstellen können. Ein einheitliches
Konstruktionsmuster in Trailern funktioniert zudem auch als Qualitätsversprechen für die Filme. Janet Staiger hat darauf hingewiesen, dass
eine wichtige Funktion der Filmwerbung in der klassischen Ära darin
bestand, Produktionsstandards zu kommunizieren und Standardisierungsversprechen abzugeben (Bordwell/Staiger/Thompson 1985, 102).
Die klassische Struktur liefert dazu einen Beitrag. Sie exemplifiziert die
Qualität «Standardisierung», die über die Denotationsbeziehung dem
Film zugeschrieben wird: So standardisiert wie die Trailer versprechen
mit anderen Worten auch die Filme zu sein. Schließlich schafft die rekursive Verwendung eines Konstruktionsmusters auch Möglichkeiten der
Produktedifferenzierung. Weicht man vom gewohnten Konstruktionsmuster ab, so teilt man damit schon etwas über den außergewöhnlichen
Charakter des Films mit.
Der Rückgang der klassischen Struktur seit den Sechzigerjahren
geht einher mit der Zunahme von Trailern, die einen Spannungsplot aufweisen. Werden die Spannungsplots anfänglich noch im Rahmen der
klassischen Struktur verwendet, so treten mehr und mehr Beispiele auf,
die nur noch auf dem Spannungsplot basieren. Wird dieser selbst zum
Konstruktionsmuster, so kann man ihn auch als «protagonistenzentrierte
Zweidrittelstruktur» bezeichnen. Ist diese einmal etabliert, so weist sie
naturgemäß dieselben ökonomischen und rhetorischen Vorzüge auf wie
die klassische Struktur. Dies um so mehr, als ein Vergleich zeigt, dass
die Zweidrittelstruktur die klassische Struktur eher nur überlagert als
verdrängt. Wo Intro war, ist nun Exposition; wo Titel war, ist auslösendes Ereignis; wo Durchführung war, ist Konfrontation. Der Endtitel bleibt
45
ohnehin am Ort. Ein vierteiliges Muster in diesem Sinn weisen nahezu
86 Prozent der erfassten Beispiele auf (1458 von 1512; Tabellen 4 und 11).
1.4.3 Die vier Grundtypen des Trailers
Die Frage nach der Plot-Form und die Frage nach der Struktur lassen sich
zu einem kombinierten Analysekriterium verbinden. Dieses besteht aus
zwei Fragen: Weist das analysierte Beispiel einen Spannungsplot auf?
Und weist es eine klassische Struktur auf? Aus den möglichen Antworten
ergeben sich vier Wertekombinationen: ja/ja, ja/nein, nein/ja und
nein/nein. Diese Kombinationen ergeben vier Grundtypen des Trailers,
denen sich alle erfassten Beispiele ihrer Strategie der Informationsvergabe,
ihrer Plot-Form und ihrer Struktur nach zuordnen. Es lassen sich folgende
vier Typen unterscheiden (vgl. auch Korpus Abschnitt II und Tabelle 10):
Klassischer Typ (832 Beispiele):
Klassische Struktur:
Spannungsplot:
Ja
Nein
Mischform bzw. Zweidritteltyp mit klassischer Struktur
(168 Beispiele):
Klassische Struktur:
Spannungsplot:
Ja
Ja
Zweidritteltyp (305 Beispiele):
Klassische Struktur:
Spannungsplot:
Nein
Ja
Abweichender Typ (156 Beispiele):
Klassische Struktur:
Spannungsplot:
Nein
Nein
Die zeitliche Verteilung dieser Grundtypen entspricht grob derjenigen
der Plot-Formen, die sie verwenden. Abweichende Beispiele kommen
zwar selten vor, aber sie treten gleichmäßig über den erfassten Zeitraum
verteilt auf. Rund neun Zehntel aller Beispiele des klassischen Typs treten zwischen 1928 und 1970 auf, neun Zehntel aller Beispiele der Mischform zwischen 1961 und 1980 und rund 95 Prozent aller Zweidritteltrai-
46
Abb. 8 Texteinblendungen und Trickblenden...
ler zwischen 1971 und 1998. Der klassische Typ und der Zweidritteltrailer stellen zudem in gewissen Phasen die Mehrzahl aller Beispiele. Der
klassische Typ dominiert bis 1970, der Zweidritteltrailer seit 1981. Zwischen 1971 und 1980 halten sich die drei Haupttypen mit je rund 30 Prozent der erfassten Beispiele die Waage (vgl. Tabelle 13). Die Formgeschichte des Trailers lässt sich also fürs erste so zusammenfassen: In den
Jahren nach 1923 bildet sich der klassische Grundtyp heraus, der in den
frühen Dreißigerjahren dominant wird. In den Sechzigern wird er von
einer Mischform abgelöst, die schließlich von einem weiteren dominanten Grundtyp überlagert wird: dem Zweidritteltrailer.
Erwähnenswert ist ferner, dass diese Entwicklung in einem festen
Rahmen verläuft und die durchschnittliche Länge der Trailer sich kaum
verändert. Für die Jahre vor 1960 liegt sie bei 144 Sekunden. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf den Standardkontrakt des Trailerherstellers National Screen Service mit Studios und Produzenten, der die
Standardlänge auf 225 ft. festlegte, also auf zweieinhalb Minuten.18 Zusätzliches Filmmaterial wurde gesondert verrechnet; bei kürzeren Trailern blieb der Preis gleich, zum Vorteil von National Screen. In den letzten zwanzig Jahren liegt die Länge etwas tiefer, bei rund 120 Sekunden,
was wiederum mit den Vorgaben der Produzentenvereinigung MPAA
zu tun hat. Diese dienen dazu, das Vorprogramm kurz zu halten, damit
die Kinobesitzer möglichst viele Vorstellungen an einem Tag programmieren können. Die Richtlänge legen sie auf minimal 90, maximal 120
Sekunden fest. Für den internationalen Markt gelten sie nicht, weshalb
Trailer für den Export oft etwas länger sind.19
18 Brief von Ben Ashe an Herman Robbins, 17. Januar 1958. WBUSC, Vol. 1192 Page
387.136.
47
...Ausschnitt aus dem Trailer zu Babes in Toyland (MGM 1934).
1.4.4 Konstellationen von Struktur und Form: Die beiden
dominanten Modi des Trailers
Nicht nur die klassische Struktur und die vier Grundtypen werden in
Trailern rekursiv verwendet, sondern auch bestimmte formale Mittel.
Eine stabile, rekursiv verwendete Konstellation von strukturellen und
formalen Parametern kann man als Modus bezeichnen, als «historically
distinct set of norms of narrational construction and comprehension»
(Bordwell 1985, 150). Für Zeiträume, in denen eine Mehrzahl der produzierten Beispiele einen bestimmten Modus repräsentieren, stellt dieser
eine Dominante im Sinn Tynjanovs dar (Tynjanov 1978).
Es lassen sich im bisherigen Verlauf der Kinogeschichte zwei solche
dominanten Modi des Trailers beobachten. Der erste Modus bestimmt
die Produktion von 1933 bis Mitte der Sechzigerjahre, weshalb es auch
naheliegt, ihn als klassischen Modus zu bezeichnen. Der zweite Modus
dominiert seit Beginn der Achtziger. Beschreiben lassen sich diese Modi
am besten durch eine Bezeichnung des Grundtyps und durch eine skalierte Auflistung der Erwartbarkeiten bestimmter formaler Parameter
(detaillierte Angaben vgl. Tabellen 21–23). So verwendet ein klassischer
Trailer typischerweise Texteinblendungen über Bildmaterialien (93,2
Prozent aller Beispiele; Abb. 8) und, etwas weniger häufig, Sprecherstimmen (68,6 Prozent). Ein neuerer Trailer hingegen wird fast immer eine
anonyme Sprecherstimme einsetzen (82,3 Prozent). Texteinblendungen
über Bildmaterialien, das primäre ästhetische Merkmal klassischer Trailer, kommen nicht mehr vor; wohl aber Zwischentitel, meist mit Texten,
die auch von der Sprecherstimme gesprochen werden könnten (53,4 Pro-
19 MPAA Advertising Handbook, S. 16. Interview mit Andrew Kuehn, 7. Dezember 1997.
48
zent). Häufig treten in klassischen Trailern auch Listen (52,1 Prozent) oder
Trickblenden auf (45,1 Prozent; Abb. 8), Stilmittel, die in zeitgenössischen
Trailern nicht mehr vorkommen. Ferner werden Starnamen im klassischen Modus entweder im Intro oder zu Beginn der Durchführung genannt, also spätestens nach 30 Sekunden. Zum zweiten Modus hingegen
gehört es, dass Starnamen meist erst gegen Ende des Trailers vorkommen, ebenso wie der Titel des Films. Nur im zweiten Modus treten Montageformen auf, die auf einer vollständigen Entkoppelung von Ton und
Bild beruhen (60,7 Prozent), sowie der sogenannte «button» (21,6 Prozent). Es handelt sich dabei um eine einzelne Szene kurz vor oder nach
der Titeleinblendung am Ende, die eine letzte Pointe liefert.20
Gewisse rhetorische Parameter werden in beiden Modi verwendet,
wenn auch in unterschiedlicher Häufigkeit. Beispiele sind der Verweis
auf die literarische Vorlage und der Verweis auf vorgängige Erfolge.
Verweise auf Vorlagen gehören mindestens seit 1903 zum Repertoire der
Filmwerbung (Bordwell/Staiger/Thompson 1985, 100), ihre Zugkraft
scheint aber im Übergang zum zweiten Modus nachzulassen: Von 15,9
Prozent der Beispiele geht ihr Anteil auf 2,95 Prozent zurück. Man kann
dies als Hinweis darauf sehen, dass die Filmwerbung in der klassischen
Periode noch eine kulturelle Legitimationsfunktion zu erfüllen hatte, die
später wegfällt; es handelt sich dabei um eine Spielart der von Janet Staiger geschilderten Kommunikation von Qualitätsansprüchen. Generell
lässt sich sagen, dass der klassische Modus über ein ungleich größeres
Repertoire an rhetorischen Parametern verfügt als der aktuelle. Elemente
wie «endorsements», also Auftritte von Stars mit direkter Ansprache an
das Publikum, Listen von Attraktionen, Formulierungen, die die Erinnerung an den Film vorwegnehmen, und Verweise auf die Schauplätze
und die Dreharbeiten sind heute in Trailern kaum mehr anzutreffen.
Diese Ausdünnung des rhetorischen Repertoires rührt daher, dass
die Strategie des Trailers sich im Übergang vom klassischen zum zeitgenössischen Modus grundlegend verändert. Klassische Trailer zeichnen
sich insbesondere durch den regelmäßigen Gebrauch eines Stilmittels
aus, das im Erzählkino sonst kaum vorkommt: die parasoziale Interaktion zwischen einer extra- oder perifiktionalen Erzählinstanz und einem
historischen Publikum.21 Zwischen der anonymen Sprecherstimme oder
20 Branchensprachliche Termini etablieren sich selten von ungefähr. Die Bezeichnung
lässt sich vor dem Hintergrund meiner eigenen Seherfahrung auf zwei Arten deuten:
Einerseits dient der «button» dazu, die Werbemitteilung im Gedächtnis der Zuschauer festzumachen, andererseits dient er als Auslöser(-Knopf), gibt er doch oft den Ausschlag dafür, dass man sich entschliesst, den Film anzuschauen.
21 Zu diesen Begriffen vgl. Branigan (1992, 87).
49
Abb. 9 Pseudojournalismus: Bob Hope im Intro des Trailers zu The Big Broadcast
of 1938 (Paramount 1938). Die Neuigkeit betrifft den Sprecher selbst: Der Radiokomiker meldet aus Hollywood, dass er fortan auch Filme dreht.
den Texteinblendungen und den Zuschauern kommt es zu einem virtuellen Dialog mit direkter Ansprache ans Publikum, wie er sonst nur in
der Fernseh- und Radiorezeption üblich ist (Wulff 1992; Hippel 1993). In
diesem virtuellen Dialog äußern sich die extrafiktionalen Instanzen über
den Film zudem auf eine Weise, die nicht nur eine umfassende Kenntnis
der erzählten Welt voraussetzt, sondern auch zusätzliches Wissen miteinbezieht. Die häufigen Rückbezüge auf vorangehende Filme desselben
Stars oder Regisseurs unterstellen den Zuschauern die Zugehörigkeit zu
einer historischen Rezeptionsgemeinschaft und implizieren, dass der
Kenntnishorizont der Narration mit dem supponierten Kenntnishorizont
dieser Gemeinschaft übereinstimmt. Mit einer Begriffstriade, die Bordwell zur Charakterisierung filmischer Narration vorschlägt, könnte man
sagen, dass klassische Trailer eine hohe «knowledgeability» aufweisen,
eine umfassende Kenntnis der fiktionalen Welt (und der Welt darüber
hinaus), ferner einen hohen Grad an «self-consciousness», also ein deutlich annonciertes Bewusstsein ihrer Adressiertheit, verbunden mit einer
50
tiefen «communicativeness», einer eingeschränkten Mitteilungsbereitschaft (Bordwell 1985, 57f.). Im Übergang zum zweiten Modus verschieben sich diese Parameter. Der Kenntnisstand der Narration bleibt zwar
gleich. Das Dispositiv des Diskurses über den Film hingegen fällt fast
vollständig weg, die Adressierungen gehen zurück, und die Mitteilungsbereitschaft steigt signifikant an. Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass klassische Trailer einen Diskurs über den Film führen. Ihre Strategie
der Informationsvergabe ist eine des «showing as announcing», des Zeigens von Szenen zum Zweck der Ankündigung, und sie betonen vorab
die Neuheit des Films; daher auch die Häufigkeit pseudojournalistischer
Elemente (10,5 Prozent vor 1960; in den Achtziger- und Neunzigerjahren
beträgt dieser Anteil noch 1,9 Prozent; Abb. 9). Neuere Trailer hingegen
führen einen Diskurs durch den Film. Sie transponieren die Ausschnitte
in den narrativen Kontext des Spannungsplots und präsentieren die Story des Films als «story of choice and value». Sie verwenden mit anderen
Worten eine Informations-Strategie des «storytelling as selling».
Für das Auftauchen und Verschwinden bestimmter formaler Parameter gibt es oft historische Gründe, auf die ich in den folgenden Kapiteln an gegebenem Ort eingehen werde. Texteinblendungen etwa treten
ab 1933 auf, was mit der Entwicklung eines neuen Typs von optischem
Printer zusammenhängt, und sie verschwinden zu Beginn der Sechzigerjahre, was sich auf den Einfluss neuer Formen der Produktewerbung auf
die Filmwerbung zurückführen lässt. In direktem Zusammenhang mit
der narrativen Wende und dem Aufkommen des «storytelling as selling» steht aber die Entwicklung der Montage.
1.4.5 Rechenmontage, polyphone Montage und der Trailer als
Modell des Films
Die durchschnittliche Einstellungslänge von Trailern liegt über den ganzen erfassten Zeitraum hinweg erheblich unter derjenigen von Filmen
(Tabelle 8). Die durchschnittliche Einstellungslänge beträgt in der Stummfilmzeit 4,8 Sekunden, während der Tonfilmära, also von 1928 bis 1960, 4
Sekunden. In den Sechzigerjahren geht sie auf 2,635 Sekunden zurück,
um sich in den Siebzigern und Achtzigern bei rund 2 Sekunden einzupendeln. Mit der Einführung des computergestützten Filmschnitts in
den frühen Neunzigerjahren, der den Zeitaufwand für einen einzelnen
Schnitt erheblich herabsetzte, sank sie auf 1,266 Sekunden (Vachon, 189;
Allen 1998, 122). In der Stummfilmzeit sind Trailer 1,35 mal schneller geschnitten als Filme. Während der klassischen Tonfilmära und noch bis
51
Ende der Sechzigerjahre liegt dieses Verhältnis bei 2:1. In den Siebzigerjahren steigt es auf 2,93:1. In den Achtzigerjahren geht es auf 2.61:1 zurück, um zu Beginn der Neunziger wieder auf 2,76:1 anzusteigen. Von
1933 bis 1960 sind Trailer also rund doppelt so schnell geschnitten wie die
zugehörigen Filme; seit den Siebzigerjahren nahezu dreimal so schnell.22
Diese Tempoverschärfung ist unter anderem auf die Entwicklung
eines neuen Montagetyps zurückzuführen. Trailer des klassischen Modus verwenden Ausschnitte meist integral, wenn auch die einzelnen Einstellungen oft gekürzt werden. Trailer des zweiten Modus hingegen lösen die Szenen auf und koppeln Ton und Bild weitgehend voneinander
ab, um sie einander im Rahmen des Spannungsplots neu zuzuordnen.
Der Montagetyp, der so entsteht, unterscheidet sich wesentlich vom traditionellen Ton- und Bildschnitt des Hollywood-Kinos. Bei diesem wirken Ton und Bild zusammen, um eine erfahrungsnahe Raumillusion zu
schaffen; der Ton wird dabei in der Regel dem Bild untergeordnet. In
der Montage neuerer Trailer hingegen verkehrt sich die Hierarchie von
Ton und Bild. Dialogauszüge und Sprecherstimme fügen sich zum Story-Verlauf, und die visuellen Anteile werden dem Ton zur Illustration
zugeordnet. Diese Umkehrung zeigt sich nicht zuletzt in der Filmanalyse: Bei aktuellen Trailern ist die Frage nicht mehr, ob der Ton diegetisch
ist, sondern ob das Bild diegetisch ist in Beziehung zum Ton.
Die Kontinuität auf der visuellen Ebene geht allerdings nicht ganz
verloren; sie ist nur, soweit vorhanden, anderer Art. Sie wird gestiftet
über falsche Bewegungsanschlüsse, die eine Aktionskontinuität unabhängig von Erzählraum und Erzählzeit suggerieren. Verwandt ist diese
Technik einem Trick aus Alain Resnais’ L’année dernière à Marienbad: Delphine Seyrig dreht sich in einer Szene zu Beginn um ihre eigene Achse.
Am Anfang der Bewegung befindet sie sich in einem Ballsaal, am Ende
in einer Bar. Der Raumsprung bleibt unmerklich, weil der Bewegungsanschluss echt ist, also auf Gegenstandskontinuität aufbaut: Haltung
und Kostümierung der Figur bleiben gleich, ihre Bewegung wird nicht
unterbrochen. In Trailern hingegen entsteht die Kontinuität nicht aus
dem Verharren des Objekts, sondern aus der assoziativen Verbindung
zweier verwandter Objektbewebungen, also aus einem falschen Anschluss. Im Trailer zu Hal Ashbys Rolling Stones-Konzertfilm Let’s Spend
the Night Together (Embassy 1982) lässt Mick Jagger auf der Bühne seinen
Arm mit dem Mikrofon in der Hand kreisen. In der nächsten Einstellung
beschreibt ein Feuerwerksrad dieselbe Bewegung mit demselben Radius.
22 Die Werte für Trailer basieren auf eigenen Messungen. Die Werte für Filme basieren
auf den Angaben von Salt (1981) und Bordwell (1985).
52
Dem gleichen Muster folgen auch die häufigen Schnittfolgen, in denen
Kopfbewegungen eines Schauspielers von einer vergleichbaren Bewegung eines anderen zu Ende geführt werden.
Mitunter wird die Kontinuität auch über Diskontinuität aufgebaut:
über die Reihung ähnlicher, aber in jeder Einstellung neu angesetzter Bewegungsabläufe. Dieses Muster der Wiederholung ohne Bewegungsanschluss verweist zugleich auf eine andere Form der Kontinuität. Das StoryStereotyp verleiht der Montage eine chronologische Ordnung, innerhalb
derer die Zeitverhältnisse sich beliebig plastisch gestalten lassen. Besonders anschaulich wird dies bei einem Schnittpattern, das im Branchenjargon «grid» heißt und das ich auf deutsch als Rechenmontage bezeichnen
möchte: Eine Szene wird in Einzelbilder zerlegt, und diese werden im
Wechsel mit Material aus diversen anderen Stellen gezeigt. Die Tonspur
des Dialogs und das Bildmaterial der Szene bilden dabei so etwas wie einen Rechen, in dessen Lücken die anderen Ausschnitte hineinmontiert
werden. Während die Parallelmontage die Gleichzeitigkeit zweier oder
mehrerer Ereignisse suggeriert und diese gleichwertig und ohne Hierarchieverhältnis behandelt, unterscheidet die Rechenmontage stets zwischen einer dominanten und einer zugeordneten Ebene. Das erlaubt ihr,
einen ganzen Fächer von temporalen Beziehungen zwischen Ereignissen
darzustellen. Sie kann analytisch vorgehen, in dem Sinn, in welchem
Szondi (1963, 24) diesen Begriff verwendet hat, um die Dramentechnik
Ibsens zu charakterisieren: Auf der dominanten Ebene wird ein Zustand
geschildert, auf der zugeordneten Ebene die Ereignisse, die zu diesem
Zustand führten. Sie kann antizipatorisch vorgehen: Auf der dominanten
Ebene wird ein Ereignis geschildert, auf der zugeordneten Ebene seine
Konsequenzen. Oder sie kann, um nur eine weitere, aber besonders häufige Option zu nennen, illustrativ vorgehen: Ausschnitte auf der zugeordneten Ebene illustrieren einen Vorgang auf der dominanten Ebene,
zu dem sie in keinem definierten und relevanten Zeitverhältnis stehen.
Die Bezüge zwischen Ton und Bild in neueren Trailern sind primär
semantischer Natur. In der Rechenmontage etwa ergänzt und illustriert
die untergeordnete Bildebene, was auf der dominanten Ebene und der
Tonspur mitgeteilt wird. Es gibt aber auch eine Dimension der rein formalen Beziehungen, wie Eisenstein sie mit seinem Konzept der vertikalen Montage beschreibt. Dort geht es darum, welche Analogien und
Kontraste sich zwischen Bild und Ton ergeben und für die Formwirkung
nutzen lassen. Töne und visuelle Elemente können einander nach vier
formalen Kriterien zugeordnet werden: Wie lange dauert die Einstellung? Weist das Gezeigte einen inhärenten Rhythmus auf, den die Musik
aufnehmen könnte? Weist es grafische Muster auf, die sich mit Melodien
53
in Verbindung bringen lassen? Und lassen sich Verbindungen zwischen
Lichtwerten und Tonwerten herstellen? Je nach Verbindungsmöglichkeit
spricht Eisenstein von metrischen, rhythmischen, melodischen und tonalen Varianten der vertikalen Montage. In neueren Trailern finden vor allem die ersten drei Möglichkeiten der vertikalen Montage Verwendung.
Einstellungen werden auf die Länge von Tonereignissen zurückgeschnitten, Gegenstandsbewegung und Musik zueinander in Bezug gesetzt,
und akustische Akzente werden mit Lichtwerten in Verbindung gebracht – am deutlichsten bei der besonders häufigen Kombination von
blitzlichtartigen Weißblenden und Tutti-Akkorden, die zur Suggestion
von Intensität und Aktualität dienen.
Den Montagetyp der neueren Trailer kann man auch als polyphone
Montage bezeichnen. Unter Kontrapunkt oder Polyphonie versteht man
in der Musik eine «Kompositionstechnik, der das Ziel gesetzt ist, dass
die Stimmen eines mehrstimmigen Satzes mit melodisch gleichen oder
fast gleichen Rechten zusammenwirken» (Stephan 1957, 143). In ähnlicher Weise behandelt die polyphone Montage Ton und Bild als gleichberechtigte Parameter. Die Kontinuität des erzählerischen Raumes löst sich
auf und wird im freien Zusammenspiel von Bild- und Tonelementen
durch andere Formen ersetzt: Durch die Kontinuität des Story-Stereotyps,
der Tonspur und der assoziativen Bewegungsanschlüsse, sowie durch die
vielfältigen kompositorischen Verknüpfungen der vertikalen Montage.
Mit der Herausbildung der polyphonen Montage geht auch ein
Wandel der Art und Weise einher, wie Trailer sich zum Film verhalten.
Ausschnitte in klassischen Trailern funktionieren weitgehend als visuelle Tropen. Sie signalisieren die Möglichkeit ihrer Wiederholung in einem
anderen Kontext und exemplifizieren diesen Kontext: als Synekdochen,
als Pars-pro-toto seiner Beschaffenheit, oder als Metaphern, indem sie
Qualitäten zum Ausdruck bringen, die über die Denotationsbeziehung
dem Film zugeschrieben werden. Ausschnitte in neueren Trailern hingegen veranschaulichen nicht mehr nur Qualitäten des Films, obwohl das
zwangsläufig auch geschieht. Zeitgenössische Trailer bilden den Film
nach, sie ordnen die Ausschnitte zu einer Simulation des Kontextes ihrer
möglichen Wiederholung. Darin liegt auch der Nutzen der polyphonen
Montage: Erst die freie Zuordnung von Ton- und Bildelementen erlaubt
es, unter der Klammer des Spannungsplots in 90 bis 120 Sekunden den
ganzen Film zu simulieren.23 Zweidritteltrailer verhalten sich zum Film
23 Trailermacher der jüngeren Generation – meist Filmschulabgänger und nicht, wie ihre
Vorgänger, ehemalige Werbetexter oder Journalisten – nehmen für sich in Anspruch,
«mini movies» herzustellen.
54
entsprechend nicht mehr nur als Muster. Sie liefern vielmehr ein – vor
allem in seiner zeitlichen Ausdehnung verkürztes – Modell für den Film
und sein Erlebnis, sie sind eine vorgezogene Nachbildung des medialen
Ereignisses, auf das sie sich beziehen.24
Verdeutlichen kann man dies auch anhand der Verwendung der
Musik. Die Musik hat in Trailern im wesentlichen zwei Aspekte: einen
rhetorischen und einen narrativen. Im klassischen Modus tritt sie zumeist als akustisches Äquivalent der klassischen Struktur auf. Den Endtitel etwa begleitet immer eine Auflösung zu einem Dominant-Dur-Akkord. Diegetisches Material begleitet sie zumeist als extradiegetische
Musik, wobei sie in erster Linie dazu genutzt wird, den erzählerischen
Gehalt einer Szene zu verdeutlichen. Im zweiten Modus fallen erzählerische und rhetorische Funktion größtenteils zusammen. Der Trailer zu
John Frankenheimers Thriller Pacific Heights (1990) setzt in der Exposition Musik ein, die suggeriert, dass es sich um eine romantische Komödie
handelt. Im Moment des auslösenden Ereignisses – der Bösewicht taucht
auf; er wird das eben skizzierte junge Glück zerstören – ändert der Tonfall: Musik, Schnittfrequenz und Sprecherstimme verdeutlichen im Zusammenspiel, dass es sich um einen Thriller handelt. Die Musik etabliert
also in der Exposition eine intrinsische Norm – es handelt sich um einen
leichten Stoff; der Fortgang der Geschichte sollte nach dem Muster der
Komödie verlaufen –, bricht diese aber zum Auftakt des Konflikts. Der
Bruch dieser Norm hat in gleicher Weise narrative wie rhetorische Funktion. Er veranschaulicht den Story-Verlauf und verfeinert zugleich die
Vorstellung des Publikums von der Art des Film: einer, in dem die
Hauptfiguren sadistischer Grausamkeit ausgesetzt sind und mit ihnen,
wie die vorläufige Irreführung durch den Trailer erahnen lässt, auch die
Zuschauer. Auch auf der Ebene der Musik also nähern sich im Übergang
vom ersten Modus zum zweiten der Kontext des Zeigens und derjenige
der Wiederholung an.
1.4.6 Der Trailer als narratives System und die Absenz von
Studiostilen
Zusammenfassend lassen sich die beiden dominanten Modis des Trailer
anhand folgender Merkmale charakterisieren:
24 Ein Trailer dauert zwischen 90 und 120 Sekunden, ein Film zwischen 90 und 120 Minuten. Der Vorfilm modelliert den Film also im zeitlichen Massstab 1:60. Dass Trailer
auch Simulationen im Sinne Baudrillards sein können, also mediale Ereignisse ohne
Referenten, habe ich oben (Anm. 10) dargelegt.
55
Erster Modus (circa 1933–1966)
Zweiter Modus (seit circa 1981)
klassische Struktur
Rätselplot
Zweidrittelstruktur
Spannungsplot
Stilmittelpräferenz:
Stilmittelpräferenz:
1. Texteinblendungen
2. Narration
3. Trickblenden
1. Narration
2. Titel, Star am Ende
3. Texteinblendungen
visuelle Tropen
polyphone Montage
Musik: narrative und
rhetorische Funktion getrennt
Musik: narrative und
rhetorische Funktion verbunden
Muster
Zeigen von Szenen
«showing as announcing»
Modell
Simulation des Films
«storytelling as selling»
Für Zeitraum von Mitte der Sechziger bis Mitter der Achtziger lässt sich
ein Mischmodus ausmachen. Dieser basiert auf der Mischform der
Struktur/Plot-Konfiguration, er weist also sowohl eine klassische Struktur auf als auch einen Spannungsplot. In der Verteilung der formalen Parameter ähnelt dieser Mischmodus dem zweiten Modus (vgl. Tabelle A
22). Dieser Modus erreicht nie die Schwelle der Dominanz, sein höchster
Anteil liegt bei 28,5 Prozent in den Siebzigerjahren. Da er einen Spannungsplot aufweist, lässt er sich ebenfalls durch die Formel «storytelling
as selling» charakterisieren.
Man könnte nun versucht sein, die Formgeschichte des Trailers als
zielgerichtete Entwicklung, als Evolution und Prozess der stetigen Verbesserung zu sehen. Tatsächlich aber handelt es sich um einen Prozess
der Schwerpunktverlagerung und Dominantenbildung innerhalb eines
narrativen Systems. Der Trailer besteht aus einer Reihe von formalen
und strukturellen Merkmalen, die rekursiv verwendet werden. Diese
Merkmale stellen ein Paradigma von Optionen dar, von denen je nach
ökonomischem und kulturellem Kontext bestimmte Sets anderen vorgezogen werden. Zur Verfügung stehen allerdings immer mehrere solcher
Sets. Der Trailer zu Boys’ Town (MGM 1938) ist ein Beispiel mit protagonistenzentrierter Zweidrittelstruktur mit Exposition, auslösendem Ereignis, Konfrontation und Cliffhanger. Produziert wurde er aber während
der Dominanz des klassischen Modus, der den Spannungsplot ausschließt. Die Option war bekannt, sie wurde nur nicht genutzt. Der amerikanische Trailer zu Carne Tremula (Polygram 1996) dagegen stammt
56
aus dem Jahr 1998, repräsentiert aber den klassischen Typ. Erklären lässt
sich dieser Rückgriff damit, dass die Art des Films die Verwendung von
Spannungsplot und polyphoner Montage nicht zuließ: Die Story ist so
komplex, dass sie sich nicht in werbewirksamer Weise auf das Zweidrittelschema reduzieren lässt. Zudem ist der Film in Spanisch gedreht, was
die Verwendung von Filmausschnitten mit Originalton auf dem USMarkt verunmöglicht.25
Trailer reproduzieren außerdem grundsätzlich keine bestimmten
Studiostile. Beispiele aus der Produktion von Warner Bros. setzen zwar
geringfügig mehr Titelwiederholungen ein als andere Trailer, und gewisse Unterschiede zeigen sich zudem in der Typografie der Titel. Da
aber nur Warner Bros. und Disney ihre eigenen Titel herstellten – alle
übrigen stammen von der Spezialfirma Pacific Title –, sind die Differenzen auch in diesem Bereich minim. Vor 1960 verwenden alle großen Studios ungefähr den gleichen Anteil an Trailern des klassischen und des
abweichenden Typs. Unter den Warner Bros.-Trailern findet sich ein geringfügig höherer Anteil an klassischen Beispielen mit Variation sowie
an abweichenden Beispielen, doch ist der Unterschied nicht signifikant.
Vergleichsweise heterogen präsentiert sich das Bild in der Umbruchphase der Sechziger- und Siebzigerjahre. Warner Bros., MGM und Columbia
verwenden in dieser Zeit häufiger den klassischen Typ als andere Studios. Seit 1981 bietet sich wieder ein homogenes Bild, wobei Paramount einen besonders hohen Anteil an Zweidritteltrailern aufweist, was zufällig
scheint. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Studios bestimmte Optionensets jeweils in nahezu identischer Weise verwenden (Tabelle 14).
Diese Stilhomogenität hat ihren spezifischen Sinn. Zum einen dient
sie dazu, das mediale Subsystem des Trailers von seiner Umgebung abzusetzen und seine Mitteilungshandlung gegenüber anderen medialen
Kommunikationen auszudifferenzieren. Zum anderen hat sie aber auch
einen werbestrategischen Nutzen. Die Standardisierung der Werbeformate vermittelt nicht nur ein Standardisierungsversprechen für einzelne
Filme. Sie schafft auch ein industrieübergreifendes Äquivalent zur «corporate identity», eine «industry identity». Diese «industry identity» besteht in einem allgemeinen Qualitätsversprechen: Viele Produzenten, eine Industrie, ein Produkt von gleichbleibendem Standard. Studiolabels in
Trailern und Formulierungen wie «from Universal pictures comes a new
adventure…», sollen weniger Markenidentitäten schaffen, als vielmehr
die Zugehörigkeit des jeweiligen Studios zur Industrie annoncieren.
25 Aus diesem Grund vermeidet etwa der Trailer für Hitchcocks Frenzy (Universal 1970)
selbst Dialog mit englischem Akzent. Interview mit Robert Faber, 28. November 1994.
57
1.5 Formgeschichte des Trailers und
Werbegeschichte des Films
Die nachfolgenden fünf Kapitel situieren das Subsystem des Trailers im
Kontext des medialen Systems Kino und behandeln die Entstehung und
Entwicklung des Trailers in ihren ökonomischen und kulturellen Zusammenhängen. Ihre Darstellung knüpft an die Überlegungen Janet Staigers an. Sie unterteilt die Geschichte der Kinoreklame in eine Abfolge
von sechs Innovationen (Staiger 1990):
1) Produktedifferenzierung oder die Entwicklung von Merkmalen, die
es den Zuschauern erleichtern, bestimmte Filme zu identifizieren.
Solche Merkmale sind Markenzeichen, Stars, Stories und Genres.
Die Entwicklung dieser Merkmale ist in ihren Grundzügen 1915 abgeschlossen.
2) Entwicklung von Reklame, die sich direkt an die Zuschauer richtet.
Diese umfasst ein Repertoire an Werbemitteln wie Plakate, Standfotos, Zeitungsinserate, aber auch die Verwendung bestimmter Verkaufsargumente wie Stars, «production values», Realismus oder
Verweis auf die Vorlage. Auch diese Methoden sind 1915 mehr
oder weniger fertig entwickelt; wenn später noch der Trailer sowie
Radio- und TV-Spots zum Repertoire der Filmwerbemittel hinzukommen, so handelt es sich bloß um Ergänzungen.
3) Entwicklung von Methoden der indirekten Werbung. Gemeint sind
damit Platzierung filmbezogener Artikel in Magazinen und Zeitungen und fabrizierte Ereignisse wie «publicity stunts» oder öffentliche Auftritte von Stars, welche Medienaufmerksamkeit generieren,
aber keine Werbeausgaben bedingen. Auch diese Methoden gehören bereits 1915 zum Repertoire.
4) Entwicklung von nationalen Werbekampagnen, also von kapitalintensiven Reklameformen, die den ganzen Markt abdecken. Das betrifft Kampagnen in nationalen Publikationen wie der Saturday Evening Post und später Radio- und TV-Werbung. Diese Entwicklung
beginnt in den Zehnerjahren, kommt aber, aus verschiedenen Gründen erst in den Dreißigern zum Abschluss.
5) Standardisierung von Form wie Inhalt der Filmwerbung. Dies geschieht, nicht zuletzt unter dem Druck der Zensurdrohung, Mitte
der Dreißigerjahre.
6) Übergang von der «breiten» Filmwerbung zur sogenannten Nischenvermarktung in den Fünfzigerjahren.
58
Wie Staiger werde ich auf die Zusammenhänge von Film- und Produktewerbung eingehen, die ökonomischen Bedingungen der amerikanischen
Filmindustrie berücksichtigen und daneben auch Faktoren wie den Einfluss politischer Interessenverbände oder das Aufkommen der Marktforschung einbeziehen. Meine Vorgehensweise unterscheidet sich von der
ihren in erster Linie dadurch, dass ich die filmische Gattung Trailer zum
Ausgangspunkt der Untersuchung mache. Dieser Ansatz führt mich zu
den wichtigen Befunden, dass in der klassischen Periode Storyinformation in der Filmwerbung weitgehend zurückgehalten wurde, und dass es
in den Siebzigerjahren zu einer narrativen Wende kam. Diese stellt an
sich keine weitere Innovation dar; sie ist aber Ausdruck eines Funktionswandels des Trailers und damit der Werbung. Dienten klassische Trailer
noch allein dazu, die Leute ins Kino zu locken, so haben neuere – die
sich an ein stärker ausdifferenziertes Publikum mit spezifischeren Bedürfnissen richten – die zusätzliche Funktion, jene Publikumssegmente,
für die der Film nicht gedacht ist, vom Kino fernzuhalten.26 Die narrative
Wende ist also Teil von Staigers sechster Innovation: des Übergangs von
der Massen- zur Nischenvermarktung. Interessant ist allerdings die Frage, weshalb sie sich erst in den Siebzigerjahren vollzog und nicht schon,
wie eigentlich zu erwarten, in den Fünfzigern. Sucht man eine Antwort,
so stößt man auf einen zweiten grundlegenden Umbruch des Konsumverhaltens: Begann das Publikum in den Fünfzigerjahren Filme verstärkt
als ausdifferenzierte Einzelprodukte wahrzunehmen, so entwickelte es
in den Siebzigerjahren ein Verhalten des wiederholten Konsums. Damit
änderte sich auch die implizite Konzeption des Textes und der Produktecharakter der Story. Zu einer Verschiebung kommt es insbesondere im
Verhältnis von Plot und Performance, beziehungsweise von Story und
Umsetzung. In der klassischen Ära verhalten sich die Produzenten – und
auf ihre Anweisung die Filmwerber – so, als wäre die Story etwas, was
von Film zu Film neu erfunden werden muss. Entsprechend gilt, dass
ein Film nicht mehr von Interesse ist, wenn man die Story erst einmal erzählt hat. Der Umsetzung hingegen eignet ein Moment von Routine:
Man sieht die gewohnten Stars und die erwarteten Schauwerte, nur einfach jeweils in neuen Geschichten. Von der neueren Filmwerbung hingegen wird die Story in einer standardisierten Form vorausgesetzt: Der
Standardplot ist Teil der bekannten Tradition. Stärker hervorgehoben
wird dagegen vor dem Hintergrund des Standardplots die Originalität
der Umsetzung. Man könnte in diesem Zusammenhang von einer Art
Re-Folklorisierung des populären Films sprechen, von einer Rückkehr
26 Interview mit Andrew Kuehn, 7. Dezember 1997.
59
zu einer vormodernen Konzeption von Text (vgl. dazu auch Kapitel 6).
Die Film-Story hört jedenfalls in der Wahrnehmung der Produzenten in
den Siebzigerjahren auf, ein verderbliches Produkt zu sein, und wer Story-Information in der Werbung preisgab, verschenkt seither nicht mehr
das Produkt.
Nicht zuletzt um diese Umbrüche und Veränderungen wird es in
der Folge gehen. Eine Geschichte der Filmwerbung ist ohnehin immer
eine Geschichte des Films als Ware. Was unter einem Film jeweils zu
verstehen ist, lässt sich an der Werbung besonders gut ablesen: Denn
jede formale Lösung entspricht einer bestimmten Strategie der Informationsvergabe, und diese geht immer aus von einer impliziten Theorie des
Textes und einer bestimmten Definition des Produktes.
61
Kapitel 2
Der Film als Werbediskurs und Produkt:
Die ersten Trailer, 1912–1919
«Trailer» bedeutet ursprünglich «Anhängsel». Der Begriff diente zunächst als Bezeichnung für ein Stück Schwarzfilm, das zum Schutz der
Kopie an ihrem Ende angehängt wurde. In ähnlicher Bedeutung wird er
heute noch in der Genetik verwendet: Der «Trailer» ist das Endstück der
DNS-Sequenz, das selbst keine Information enthält und nur dem Schutz
der Kette dient. Zum Informationsträger – und damit zum Werbemedium – wird der Trailer im Kino um 1912. Edison lanciert in diesem Jahr
seinen Fortsetzungsfilm What Happened to Mary?, eine Produktion in
mehreren Episoden. In den erhaltenen Kopien verweist jeweils eine
Schrifttafel am Ende auf die Episode der nächsten Woche.
Wie der Trailer zum Werbemittel wurde, ist das Thema dieses Kapitels. Lou Harris, der langjährige Leiter der Trailer-Abteilung von Paramount, glaubt, dass der Werbetrailer die Erfindung eines Kinobetreibers
sei. In Rye Beach, New York, einem Vergnügungspark im Stil von Coney
Island, soll dieser Mann 1912 eine Episode aus dem Fortsetzungsfilm The
Adventures of Kathlyn gezeigt haben. Dabei kam er auf die Idee, am Ende
der Episode mit einem Filmstreifen auf die nächste zu verweisen. Statt
mit einem Cliffhanger – die Heldin in der Löwengrube – und «The End»
schließt die Episode nun mit «Does she escape the lion’s pit? See next
week’s thrilling chapter!».1
Nun wurden The Adventures of Kathlyn erst Ende 1913 gedreht; Harris müsste mit dem Versuch, für seinen Berufsstand eine Ahnengalerie
zu schaffen, also schon bei What Happened to Mary? ansetzen. Die Trailer
in diesen Filmen tragen aber das Markenzeichen von Edison und wurden mit der Kopie geliefert. Der Kinobetreiber kommt als Erfinder des
Trailers also nicht in Betracht. Eher noch gebührt die Ehre dem Journalisten Edward MacManus, in jenen Jahren Chefredaktor des Frauenmagazins McClure’s Ladies’ World. MacManus hatte die Idee zu What Happened to Mary? an Edison herangetragen und publizierte die Fortsetzungsgeschichte zeitgleich in seinem Heft.2 Den Trailer selbst erfand er zwar
nicht, wohl aber trug er dazu bei, die Bedingungen zu schaffen, unter
1 Kevin Thomas: «Movie Trailers Have Long Run». In: LAT, 25. Oktober 1966.
2 «Boosting Pathé Pictures». In: MPW, Vol. 19, No. 11, 14 März 1914, S. 1392.
62
denen er entstand. Davon ist allerdings nie die Rede, wenn MacManus
heute noch irgendwo erwähnt wird (in einem Nebensatz in Mitrys Geschichte des Films etwa). Und so geht es dem Trailer nicht anders als
Brille, Kompass und Papier: Seinen Erfinder kennt niemand mehr.
Man könnte nun an Benjamin Franklin anknüpfen und dessen Klage über die Vaterlosigkeit großer Erfindungen auch auf den Trailer ausdehnen. Man kann dessen Erfindung aber auch dem Genie des Systems
zuschreiben und sich auf eine Schilderung der Bedingungen konzentrieren, unter denen er entstand. Die Serienform war aus Europa schon bekannt, und auch amerikanische Produzenten hatten sich an dem Format
bereits früher versucht. Victorin Jasset drehte 1908 in Frankreich den
Fortsetzungsfilm Nick Carter, eine Krimiserie, bestehend aus abgeschlossenen Einzelepisoden. Seine Nachfolgeprodukte, darunter die Fantomas-Serie, wurden teilweise auch in die USA importiert. Amerikanische Firmen
übernahmen das Format ebenfalls: Kalem drehte 1909 eine Serie unter
dem Titel Girl Spy, Biograph im selben Jahr Mr. and Mrs. Jones, und Yankee zog 1910 mit Girl Detective nach (Katz 1990, 1014ff.). In den Zehnerjahren setzte sich die Serienform in den USA schließlich durch, weil sie
in einem Kräftefeld widerstrebender ökonomischer und kultureller Interessen vorübergehend eine gebündelte Lösung für eine Reihe von Problemen darstellte. Einerseits versuchte man, mit den Serienfilmen eigentlich schon überholtes Verleihsystem zu retten; sie waren also ein
Instrument der Marktkontrolle und der Sicherung des Status quo. Andererseits stellten sie eine äußerst innovative Form der Vermarktung dar.
Die Kooperation mit Zeitungsverlagen erschloss der Filmindustrie ein
neues Marktsegment: den kaufkräftigen Mittelstand. Zudem stellte die
doppelte Verschränkung von Werbediskurs und Produkt im Serienformat – jeder Film dient zugleich als Werbespot für den nächsten, der Zeitungsabdruck wirbt für die Filme und umgekehrt – eine erste effiziente
Methode dar, Filme gezielt als Einzelprodukte anzubieten und zu verkaufen. In ihrem Kontext situiert lässt sich eine Produktion wie What
Happened to Mary? also als Ausdruck einer widersprüchlichen Strategie
lesen: konservativ auf der Ebene der Produktion und des Verleihs, innovativ auf der Ebene der Werbung.
2.1 Festhalten am Kurzfilm: Die Serienform und der
Verleihmarkt um 1912
Das Verleihsystem, dessen Fortbestand die Serienfilme anfänglich sichern sollten, hatte sich in den Jahren 1908 bis 1911 herausgebildet. Im
63
Dezember 1908 schlossen sich die vier Produktionsfirmen Edison, Biograph, Armat und Vitagraph zur Patents Company zusammen. Die neue
Firma hatte die Struktur eines Trusts, diente also der koordinierten Wahrung von Einzelinteressen. Sie ging aus langjährigen Rechtsstreiten um
Patente für Film-Equipment hervor, ausgetragen vorab zwischen Edison
und Biograph. 1906 vergab ein Gericht ein Kamerapatent an Biograph.
1907 wurde das Urteil kassiert und zugunsten von Edison revidiert. Anstatt weiterzuprozessieren, entschieden sich die Kontrahenten, ihre Patente gemeinsam auszuwerten, und sie schlossen sich mit Armat und Vitagraph zum Trust zusammen. Diese vier Firmen verfügten fortan über
ein Monopol auf Film-Equipment und verdienten an der Produktion der
meisten amerikanischen Filme mit. In einem nächsten Schritt brachten
sie auch den Vertrieb und die Auswertung unter ihre Kontrolle. Von den
125 bis 150 regionalen Verleihern, die sich bis 1907 in den USA etabliert
hatten, band der Trust rund 100 an sich. Zahlreiche Kinobetreiber wurden zudem direkt unter Vertrag genommen, womit eine Vorform der
vertikalen Integration von Produktion, Distribution und Konsum entstand. Das bilaterale Vertragsmodell erwies sich aber als ineffizient, weshalb der Trust 1909 eine nominell unabhängige Tochtergesellschaft für
den Vertrieb seiner Filme gründete: die General Film. Mit einem Netz
von 42 regionalen Niederlassungen standardisierte die General Film in
kurzer Zeit die Abläufe des Verleihs und sorgte für einen besseren Rückfluss der Erträge an die Produzenten.
Die verbliebenen unabhängigen Produzenten schlossen sich im Januar 1909 zur Independent Film Protective Association zusammen. Diese lose Vereinigung ging Ende 1909 in die National Independent Moving
Picture Alliance über, die in erster Linie dem Zweck diente, für die Partnerfirmen mit dem Trust Rechtsstreite um technische Patente auszutragen. Im Dezember 1909 gründeten einige ihrer Mitglieder gemeinsam
die Motion Picture Distributing and Sales Co., eine Verleihfirma, die ihren Betrieb im Mai 1910 aufnahm. Sie bediente 47 Verleihfirmen in 27
Städten. Anders als die drei Wochen früher gegründete General Film
kaufte sie diese Firmen aber nicht auf. Damit beherrschten ab 1911 zwei
große Firmenverbände den amerikanischen Markt: der Trust und der
Zusammenschluss der Unabhängigen. Die Unabhängigen zerstritten sich
bald wieder, und Ende 1912 teilten sich schließlich vier Firmen den Verleihmarkt: General Film, Mutual, Film Supply und Universal. Mit 60
Prozent hielt General Film nach wie vor den größten Anteil (Staiger
1983; Donahue 1985; Bowser 1990).
Damit verfestigte sich ein strikt reguliertes Verleihsystem. Filme
wurden in fixer Länge von zehn Minuten vermarktet, und das nicht als
64
Einzelfilme, sondern in der Regel zum Meterpreis. Neue Filme kamen
im Wochentakt ins Angebot, und Preisunterschiede gab es allenfalls zwischen einzelnen Firmen; Biograph zum Beispiel genoss ein besonders
gutes Renommee. Für die Firmen des Trusts hatte dieses Verleihsystem
den Vorteil, dass sie sich auf die Produktion vergleichsweise günstiger
Kurzfilme konzentrieren konnten und für einzelne Filme keine Werbung
zu machen brauchten. Die Systematisierung des Verleihs nach 1909 diente ferner auch dem Ziel, den Import und den Vertrieb ungleich aufwendigerer europäischer Langspielfilme unter Kontrolle zu halten. Diese
wurden, falls überhaupt, in Einzelrollen vermarktet, nicht zuletzt in der
Absicht, eine Nachfrage nach teuren Langspielfilmen heimischer Produktion gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Kaum allerdings war das Verleihsystem fest etabliert, geriet es auch
schon unter Druck, zum Teil aus den eigenen Reihen. 1912 hatte sich die
General Film geweigert, die italienische 9-Rollen-Produktion Quo Vadis?
zu vertreiben. George Kleine, der Importeur und einer der Gründer des
Trust, umging den Verleih und gab den Film direkt an Kinobetreiber ab.
Teilweise mietete er die Kinos selbst und begründete damit eine Vermarktungstechnik, die man später als «road show» bezeichnete. Auch die
Unabhängigen vertrieben mehr und mehr lange Filme, weil sie höhere
Mieten brachten und länger liefen. Sie trugen damit der Tatsache Rechnung, dass in den frühen Zehnerjahren eine Kinolandschaft entstand, für
die der Kurzfilm auf Dauer kein hinreichendes Angebot darstellen konnte. Vor 1907 wurden Filme entweder in Vergnügungsparks gezeigt, von
fahrenden Vorführern in gemieteten Sälen und unter freiem Himmel
projiziert, oder sie waren Teil von Unterhaltungsprogrammen in Varieté-Theatern, von sogenannten «vaudeville shows» (Musser 1990; Musser/Nelson 1991). Im Jahr 1904 machten die Vorführungen in solchen
Theatern den größten Teil der Vermarktung aus (Gomery 1992, 22).
Von 1907 bis 1908 entwickelte sich der Film rasch von der VarietéAttraktion zur eigenständigen Unterhaltungsform und zum Geschäft
mit Millionenumsätzen. In allen größeren Städten wurden die sogenannten «Nickelodeons» eröffnet. Diese Kinos waren oft in umgebauten Ladenlokalen untergebracht und boten ihrem Publikum in Vergnügungsvierteln und in Immigrantenquartieren Mischprogramme aus zehnminütigen Spielfilmen, Musikdarbietungen, lehrreichen Dokumentarfilmen
und Mitsingprogrammen. 1907 gab es in New York rund 100 solcher Kinos. Ein Jahr später waren es über 400, 1909 bereits rund 6000. Außerdem begannen auch die Mittelschichten die Kinos zu frequentieren, und
der Scientific American schätzte 1910, dass allein in den Großstädten im
Nordosten der USA insgesamt rund 20 000 Filmtheater in Betrieb waren;
65
während der klassischen Studioperiode gab es zum Vergleich im ganzen
Land nur rund 18 000 Kinos. Für diese meist von selbständigen Unternehmern betriebenen Kleinkinos stellte der Kurzfilm das richtige Format
dar. Bereits in den frühen Zehnerjahren allerdings erhielten die Nickelodeons Konkurrenz von Kinoketten wie Loew’s in New York oder Balaban & Katz in Chicago. Loew’s, die spätere Mutterfirma von MGM, unterhielt 1911 in New York 42 Vaudeville-Theater, die Mischprogramme
aus Varieté-Nummern und Filmen zeigten. Sie lagen an strategisch
günstigen Orten in Manhattan und Brooklyn, in Liegenschaften im Firmenbesitz. Nach dem Muster von Loew’s organisierten sich in den Zehnerjahren im ganzen Land Kinoketten, die nach verschiedenen Zusammenschlüssen bis zum Ende der Studioperiode das Rückgrat der
US-Filmindustrie bilden sollten (Gomery 1992, 23, 37). Von diesen Vaudeville-Theatern war es nur noch ein kleiner Schritt zu den Filmpalästen,
deren erster, das Strand, 1914 am Broadway eröffnet wurde und in denen der Langspielfilm im Zentrum des Programms stehen sollte.
In dieser Umbruchphase stellte das Serienformat für die etablierten
Verleiher ein Mittel dar, an den neuen Entwicklungen teilzuhaben und
zugleich an der von ihnen aufgebauten Marktordnung festzuhalten.
«Only after considerable persuasion» habe Edison seinem Vorschlag zugestimmt, erinnerte sich Edward MacManus später, doch die Firma erkannte die Vorteile des Konzepts offenbar sofort.3 Hinsichtlich des Produktionsaufwands waren die Serienfilme den gängigen Kurzfilmen
vergleichbar; sie kosteten auf jeden Fall erheblich weniger als Langspielfilme. Zugleich aber boten sie im Verleih Vorteile, die sonst Großproduktionen vorbehalten waren: erhöhte Einnahmen, stärkere Bindung des
Publikums an bestimmte Produkte, stärkere Kontrolle des Kinomarktes
durch die Verleiher. Als Buchungsanreiz für What Happened to Mary? offerierte Edison beispielsweise allen Kinos, die den Film als «first run»
spielten, ein Exklusivrecht auf die nachfolgenden Episoden (Bowser
1990, 206). Dass dieses Konzept den Zugriff auf Publikum und attraktive
Spielstätten erleichterte, leuchtete auch den Konkurrenten von Edison
ein. Selig lancierte Ende 1913 in Zusammenarbeit mit der Chicago Tribune
den Fortsetzungsfilm The Adventures of Kathlyn, der im Unterschied zu
What Happened to Mary? ein eigentliches Serial war, also nicht aus abgeschlossenen Episoden bestand, sondern seine Einzelfolgen jeweils mit einem Cliffhanger enden ließ. Im März 1914 zog Pathé nach und brachte
gemeinsam mit der Hearst-Presse The Perils of Pauline auf den Markt.
Universal wiederum ging im April 1914 mit einem Syndikat von 40 loka3
«Facts and Comments». In: MPW, Vol. 11, No. 11, 16. März 1912, S. 940.
66
len und regionalen Tageszeitungen einen Vertrag über den Abdruck von
Textfassungen des Serials Lucille Love, Girl of Mystery ein,4 und Kalem
lancierte ebenfalls 1914 das Eisenbahnabenteuer The Hazards of Helen, das
langlebigste aller Serials, dessen 119 Folgen bis 1917 liefen.
Die kombinierte Vermarktungsstrategie nützte in erster Linie den
Verleihern und wurde von den Kinobetreibern bald als Zwang empfunden. Zwar profitierten sie ebenfalls vom Effekt der Publikumsbindung.
Nicht von ungefähr aber verglich ein Branchenjournalist die Verleiher
1914, im Boomjahr der Serials, mit Drogenhändlern und die Kinobetreiber mit Opiumsüchtigen. Diese hatten keine andere Wahl, als die Serials
zu buchen, wenn sie von der Gratiswerbung in den Zeitungen profitieren wollten, und das empfahl sich wohl, denn Werbung in diesem Ausmaß hatte es für Filme überhaupt noch nie gegeben.5
Die Zusammenarbeit mit den Zeitungsverlagen erschloss der Filmindustrie zudem neue Kundenkreise. Ben Singer weist darauf hin, dass
es 1915 in den USA 60 verschiedene Magazine, Zeitungen und Zeitschriften gab, die Kurzgeschichten und Fortsetzungsromane publizierten. Diese erreichten zusammen eine Auflage von 80 Millionen Exemplaren pro Monat; die Gesamtbevölkerung der USA betrug damals 100 Millionen (Singer 1993, 491). Über die Serials fand die Filmindustrie Zugang
zu diesem Markt. Die Verbindung mit dem etablierten Medium Tageszeitung verlieh dem Kino einen ersten Anflug bürgerlicher Respektabilität und trug dazu bei, die Mittelschicht als zusätzliche Konsumentengruppe zu gewinnen – einen vergleichsweise finanzkräftigen und konsumfreudigen Teil der Bevölkerung. «The scheme is bringing to the
picture theaters a new clientele», kommentierte der Verleihchef von Pathé den Erfolg des Serials The Perils of Pauline, «a fresh class of people is
becoming interested.»6
Diese «fresh class of people» legte auch ein neues Konsumverhalten
an den Tag. Um The Adventures of Kathlyn etwa entstand eine Fankultur,
die mit eigens produzierten Nachfolgeprodukten alimentiert wurde. Ein
Musikverlag publizierte einen Kathlyn-Walzer, der sich in Tanzlokalen
großer Beliebtheit erfreute (Abb. 10), in Bars wurden Kathlyn-Drinks gereicht, und es begannen Postkarten mit Motiven aus dem Film zu kursieren.7 Die Chicago Tribune führte Ende Januar 1914, einen Monat nach
dem Start von The Adventures of Kathlyn, eine Rubrik ein, die nicht nur
4 «Universal Syndicate Series». In: MPW, Vol. 20, No. 1, 4. April 1914,
5 «Advertising for Exhibitors. Serials». In: MPW, Vol. 21, No. 2, 11. Juli 1914, S. 246.
6 Wie oben, Anm. 3.
7 James S. McQuade: «Kathlyn Vogue becomes a Craze». In: MPW, Vol. 19, No. 11, 14.
März 1914, S. 1388.
67
Abb. 10 Das Serial-Phänomen und
seine Folgeprodukte: Notenheft mit
Star-Porträt von Kathlyn Williams
zum Serial The Adventures of Kathlyn
(Selig 1913).
die Spielorte der neuen Episoden auflistete, sondern auch die Kinos, in
denen alte Episoden wiederholt wurden, und zwar auf ausdrücklichen
Wunsch von Fans, die eine Folge verpasst hatten.8 Man kann dies als
Promotionstrick werten: Die Zeitung, die durch den Abdruck am Serienphänomen mitverdient, suggeriert den Konsumenten ein bestimmtes
Rezeptionsverhalten, indem sie dieses als faktisch schon vorhanden darstellt. Doch selbst wenn es sich um einen Versuch handeln sollte, das
Publikum zu erziehen, so ist doch bedeutsam, wozu es erzogen werden
soll: nämlich dazu, nicht mehr nur wie die Nickelodeon-Besucher gemischte Unterhaltungsprogramme zu konsumieren, sondern bestimmte
einzelne Filme oder, in diesem speziellen Fall, eine Serie.
Dass der Erfolg der Serials in den Jahren 1913 bis 1915 die Ausmaße
eines kulturellen Phänomens annahm, lässt sich nicht zuletzt aus ihrer
Motivik erklären. Die Filme erzählen Geschichten von unabhängigen, zu
allen Abenteuern bereiten und gerüsteten jungen Frauen, die zudem
über eigene finanzielle Mittel verfügten. Es handle sich um Figuren, die
sich nicht mehr über ihre häuslichen Aufgaben, sondern über ihren Lebensstil und ihr Konsumverhalten definierten, ein Verständnis der sozialen Rolle der Frau, wie es in den Zehnerjahren mehr und mehr geläufig
wurde (Higashi 1994, 92). Der Erfolg hat seine Gründe aber auch in der
Entwicklung neuer Werbetechniken.
8
James S. McQuade: «Chicago Letter. Remarkable Vogue of ‹Kathlyn› Pictures». In:
MPW, Vol. 19, No. 5, 31. Januar 1914, S. 55.
68
2.2 Von der Attraktion zur Erzählung:
Filmwerbung um 1912
In einer Studie über die Auswirkung des Radios auf den Konsum von
Konkurrenzmedien kam Leo Handel in den Vierzigerjahren zum Schluss,
dass die Kommunikationsmedien einander die Aufmerksamkeit des
Publikums nicht streitig machen, sondern sich gegenseitig unterstützen:
«Communications media actually stimulate interest in each other» (Handel 1950, 155ff.). Leute, die Radio hören, kaufen sich Zeitungen, um Genaueres über einen Vorfall zu lesen, oder sie schauen sich Filme an, von
denen sie am Radio gehört haben. Bereits zeitgenössischen Beobachtern
fiel auf, dass auch die Serien und Serials der frühen Zehnerjahre von einem solchen intermedialen Rückkoppelungseffekt profitierten: Der Zeitungsabdruck verwies auf den Film und umgekehrt.9 Damit rückte zugleich
auch der einzelne Film in einem Ausmaß ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wie dies in der Filmwerbung bislang nicht üblich gewesen war.
Zwischen 1908 und 1912 gab es im wesentlichen zwei Formen der
Kinoreklame: Branchenwerbung, also «business to business»-Reklame,
die von Produzenten an Kinobetreiber gerichtet war, und Kundenwerbung, von den Kinobetreibern an ihr Publikum adressiert. Vor 1909 inserierten die Produzenten ihr Filmangebot in Branchenzeitungen, und die
Verleihe gaben daraufhin Bestellungen auf. Nachdem der Trust 1909 die
wichtigsten Verleiher aufgekauft hatte, richteten sich die Inserate direkt
an die Kinos (Midkiff Debauche 1985, 117). Das Repertoire der Kundenwerbung war vielfältiger. Die Kinobetreiber setzten Plakate, Werbedias
und in den Jahren nach 1913 auch Inserate in Tageszeitungen ein, und
sie warben nicht zuletzt auch mit der Ausstattung ihrer Hausfassade. Ab
1909 stellten die Produzenten den Kinobetreibern gegen Miete auch Plakate und Stills zu Verfügung. Weder die Branchen- noch die Kundenwerbung konzentrierte sich vor 1911 auf den einzelnen Film. Filme, oder
vielmehr ihre Sujets, waren nur ein Verkaufsargument unter anderen.
Die übrigen waren Markenzeichen, das Kino selbst, das Programm und
die Darsteller.
Die Konsumgüterindustrie benutzte Markenzeichen seit der Jahrhundertwende, und in den Jahren vor 1910 waren Trademarks auch für
die Filmproduzenten das bevorzugte Mittel der Produktedifferenzierung. D.W. Griffiths Arbeitgeber Biograph beispielsweise etablierte das
B im Kreis um 1909 als Signal und Garant qualitativ hochstehender Pro-
9
«Much Publicity for Selig's Big Series». In: MPW, Vol. 19, No. 6, 7. Februar 1914, S. 687.
69
duktionen. Markenzeichen wurden in Branchen- und Kundenwerbung
gleichermassen eingesetzt (Bowser 1990, 105). Auf die Kundenwerbung
beschränkte sich die Werbefunktion des Kinos selbst. Komfort boten die
Nickelodeons zwar noch nicht, sie erregten aber durch fantasievolle Fassadengestaltung Aufmerksamkeit. Das konnte überlebenswichtig sein,
solange der Verleih noch so wenig reguliert war, dass oft zwei benachbarte Kinos dasselbe Programm spielten. Der Komfort der Häuser verbesserte sich mit wachsender Größe und wurde ebenfalls zum Verkaufsargument. Nickelodeons zeigten zudem Mischprogramme, Varietés
verbanden Film und Bühnenunterhaltung, und in jedem Fall spielte die
Musik eine wichtige Rolle (Altman 1996). Jedes Kino beschäftigte mindestens einen Pianisten, welcher die Filme begleitete; größere Häuser verfügten schon in den Zehnerjahren über Orchester. Zu den Attraktionen
des Nickelodeons gehörten die song slides, Dias mit Liedern, die von
Sängern und Sängerinnen vorgetragen und vom Publikum mitgesungen
wurden. Entsprechend wurden in der Reklame ganze Programme angekündigt und nicht einzelne Filme; diese stellten nur eine Attraktion unter vielen dar (Musser 1990, 125).
Noch vor 1910 tauchen erste Formen der darstellerzentrierten Werbung auf. Um 1909 erschienen die ersten Artikel über Filmschauspieler
in Branchenblättern, und im Januar 1910 bot Kalem den Kinos Standfotos von Darstellern mit deren Namen zum Aushang in der Lobby an (De
Cordova 1991, 24; Staiger 1991, 6). Carl Laemmle brach also kein Tabu
mehr, als er am 12. März 1910 in einer Branchenzeitung den Namen seiner neu unter Vertrag genommenen Hauptdarstellerin Florence Lawrence
annoncierte (Jacobs 1969, 86–89). Es traf aber auch nicht zu, wie der Chef
von Universal später behauptete, dass die ganze Industrie seinem Beispiel folgte. «The business now demands the personal feature», schreibt
die Moving Picture World noch im Februar 1912 und beklagt, dass bislang
nur Edison, Vitagraph, Selig und Tanhouser die Namen ihrer Darsteller
bekannt geben. Dies sei um so bedauerlicher, als das Publikum die Kinos
doch schon längst nach den Namen der annoncierten Darsteller aussuche. «There are hundreds of live exhibitors who want the names, and
who give preference to those companies which furnish them.»10
Für die direkte Kundenwerbung stand den Kinobetreibern um
1912 bereits ein umfangreiches Repertoire an Mitteln zur Verfügung, die
allerdings nur zum Teil von den Produzenten hergestellt wurden. Neben
Standfotos setzten die Kinobetreiber auch Diapositive ein, die sie selbst
10 Epes Winthrop Sargent: «Advertising for Exhibitors. Names Are Needed». In: MPW,
Vol. 11, No. 5, 3. Februar 1912, S. 381.
70
anfertigten oder Spezialfirmen in Auftrag gaben.11 Diese überbrückten
vor 1915 die Rollenwechsel, die je nach Abspielgeschwindigkeit alle sieben bis zehn Minuten fällig waren. Das wichtigste Werbemittel in den
Jahren vor 1912 war allerdings das Filmplakat, und hier wird auch das
Problem der Informationsvergabe zum ersten Mal virulent. Vor 1909 bestand zwischen Plakat und Film kaum ein Zusammenhang. Gezeigt
wurden allgemeine Sujets erotischen Inhalts oder Gewaltszenen. 1909 offerierte Edison erstmals Plakate, die auf bestimmten Filmszenen basierten; 1910 schloss General Film mit dem Litografieunternehmen A. N. See
Company in Cleveland einen Vertrag über die Herstellung von sujetgetreuen Plakaten für jeden Film im Verleihprogramm (Staiger 1990, 7;
Midkiff DeBauche 1985, 117). Die Koordination zwischen Film und Plakat erwies sich aber weiterhin als problematisch. Die Hersteller gingen
nach dem Prinzip vor, dass auch das Plakat besser sein musste als der
Film, und wählten stets Szenen mit ausgeprägter Schockwirkung aus.
Damit bereiteten sie den Kinobetreibern einige Schwierigkeiten.12 Zum
einen führten solche Plakate das Publikum in die Irre. Zum andern zogen sie die Aufmerksamkeit lokaler Sittenwächter auf sich, die den Aushang zum Anlass nahmen, gegen das Kino als Institution ins Feld zu ziehen.13 Während die Kinobetreiber insistierten, dass Plakate des Trusts
diese Mängel ebenso aufwiesen wie jene von unabhängigen Produktionen, schoben die Produzenten das Problem auf nichtlizenzierte Plakatanbieter ab. Da diese Hersteller die Filme gar nicht kennten, müssten
ihre Plakate ein falsches Bild vermitteln, warnte Eclectic 1913 die Kinobetreiber vor der Verwendung solcher Poster.14 Ein einleuchtendes Argument, bei dem es aber letztlich um etwas anderes geht: Die Produzenten
vermieteten ihre Plakate, und durch die Konkurrenz der nichtlizenzierten Anbieter entgingen ihnen Einnahmen.
Die Diskussionen um die Anbindung des Plakats an den Film fallen
nicht von ungefähr zusammen mit einer Entwicklung, die Gunning als
narrative Integration des Kinos bezeichnet. Maß nehmend an Griffiths
Biograph-Produktionen aus den Jahren nach 1909, drehten auch andere
Regisseure und Produzenten in den frühen Zehnerjahren vermehrt Filme, die sich durch eine räumliche, kausale und moralische Geschlossenheit der erzählten Welt auszeichneten (Gunning 1991, 28). Der Film wur11 Inserat «The Slide of Refinement». In: ETR, 9. Dezember 1916.
12 «Facts and Comments». In: MPW, Vol. 11, No. 11, 16 März 1912, S. 940.
13 «Facts and Comments. The Question of Posters». In: MPW, Vol. 12, No. 3, 20. April
1912, S. 205.
14 «Authentic Posters and Lithographs». In: MPW, Vol. 18, No. 6, 8. November 1913, S.
598.
71
de zum Spielfilm, die Story zum Kriterium, Filme voneinander zu
unterscheiden, und das Plakat etablierte sich als Träger des narrativen
Image in dem Maß, in dem sich dessen Referenz verfestigte: die Erzählung als Produkt.
2.3 Self-Promoting Story Events: Die Serienform und
die Erfindung des Trailers
Die Serienfilme stellen in dieser Entwicklung eine entscheidende Etappe
dar. «The ‹stories of the films› have now in the Pathe Studio a new meaning», hielt Pathé-Chef L.P. Bonvillain im März 1914 anlässlich des Starts
von The Perils of Pauline fest. «We certainly will try to make them as interesting as we endeavor to make our pictures entertaining.»15 Neben
dem Unterhaltungswert eines Kinos der Attraktionen offerieren die Serials die zusätzliche Attraktion einer fortgesetzten, zusammenhängenden
Geschichte. Insofern unterscheiden sich die Serials nicht von den kurze
Zeit später eingeführten Langspielfilmen. Im Unterschied zu diesen sind
bei den Serials Werbediskurs und die Erzählung als Produkt aber noch
nicht klar getrennt. Ihre Besonderheit liegt vielmehr gerade darin, dass
ihr Erfolg auf einer weitgehenden Identifizierung von Werbediskurs und
Produkt basiert. Für die Werbung zu den Serials wurden zwar auch die
gängigen Werbemittel wie Plakat, Stills und Slides verwendet (Abb. 11).
Den wichtigsten Promotionseffekt, sieht man ab von Zusatzanreizen wie
Preisausschreiben, die oft im Zusammenhang mit Serials veranstaltet
wurden, hatten aber die Aufführung der Filme und der Abdruck der
Stories selbst. Man könnte die einzelnen Episoden in Abwandlung eines
Begriffs aus der Werbesprache als «self promoting story events» bezeichnen, und zwar in einem doppelten Sinn: Einerseits bewerben die einzelnen Episoden einander über den intermedialen Rückkoppelungseffekt,
andererseits wirbt das Serienformat für das Medium, in dem es eingesetzt wird, indem die Episoden verknüpft sind und eine immer auf die
nächste verweist.16
Das Serial-Phänomen stellt mit anderen Worten ein Beispiel für die
Strategie der Informationsvergabe dar, die ich «storytelling as selling»
15 Wie oben, Anm. 3.
16 Der erste Fortsetzungsroman erschien 1836 in der französischen Zeitung La Presse des
Verlegers Emile de Girardin. Girardin verkaufte sein Blatt für die Hälfte des damals
üblichen Verkaufspreises und zielte dafür mit dem Serienformat und anderen Leserbindung stiftenden Inhalten eine höhere Auflage an (Hagedorn 1988, 5).
72
Abb. 11 Verschränkung von Werbediskurs und Produkt: Plakat für The Perils of Pauline (Pathé 1914).
nenne. Man könnte nun spekulieren und behaupten, in den frühen Zehnerjahren sei noch ein intuitives Bewusstsein dafür vorhanden gewesen,
dass eine spannende Story nicht unbedingt an Reiz einbüßt, wenn man
sie schon kennt (Brewer 1996, 124) – eine Einsicht, die in der klassischen
Periode offenbar verlorenging, und die erst das Kultfilmphänomen der
Siebzigerjahre und der Boom des Heimvideo wieder reifen ließ. Im zeitgenössischen Kontext betrachtet, ist das Serienkonzept aber so ungewöhnlich nicht. Gerade in der Phase der narrativen Integration gehörte
die Verbreitung von Story-Information durchaus zum Repertoire der
73
Filmwerbung. Die Kinobetreiber verteilten oft auf Handzettel gedruckte
Programme zur jeweiligen Vorführung oder auch zu kommenden Attraktionen. Diese Handzettel, eine Vorform der späteren Kinopalast-Programme, enthielten meist Inhaltszusammenfassungen, die unter anderem dazu beitragen sollten, die Verständlichkeit des Films zu verbessern. Die Konventionen des narrativ integrierten Spielfilms waren noch
nicht fest etabliert, weder auf Produzenten- noch auf Publikumsseite.
Vor allem bei literarischen und klassischen Stoffen, wie sie nach 1912 im
Bestreben um die Respektabilität des Kinos vermehrt realisiert wurden,
fehlte es der Filmfassung mitunter an Nachvollziehbarkeit. So rät der Rezensent der Moving Picture World Anfang 1913 Kinobetreibern, die eine
Verfilmung von Oedipus Rex buchten, zwei Tage im voraus Inhaltszusammenfassungen an die Zuschauer abzugeben, damit diese sich schon
einmal ein Bild vom Geschehen machen konnten.17 Diesen Zweck erfüllte unter anderem auch der Zeitungsabdruck von Serial-Episoden; die
Textversion diente dazu, die Filmfassung verständlich zu machen und
deren erzählerische Möglichkeiten zu erweitern. «We can do fully what
the sub-titles try to do», so ein Mitarbeiter von Pathé über The Perils of
Pauline im März 1914, «we can make more intelligible all the happenings
of the play; we can analyze character, explain motives — we can, if you
will, amplify the action and set forth those things which cannot be
shown on the screen.»18
Andererseits entwickelt sich zu dieser Zeit sehr rasch ein Verständnis dafür, dass man die Story nicht einfach preisgeben kann, sondern auf
bestimmte Art mit Story-Informationen verfahren muss, damit sie werbewirksam werden. In einem Artikel aus dem Frühjahr 1912 erteilt Epes
Winthrop Sargent, der Werbespezialist der Moving Picture World, den Kinobetreibern Ratschläge, wie man eine reklametaugliche Zusammenfassung schreibt. Er zitiert ein misslungenes Beispiel:
«CHOLERA IN THE PLAINS»
The story of a settler and his family who have cholera. They continue to
trade with the Indians with the result that the tribe contracts the dreaded
disease and is forced to seek a new home for the camp. After the scourge
has spent its force they find the settler and his family all sick.
Eine solche Zusammenfassung, so Sargent, sei das Geld nicht wert, das
man für den Druck der Handzettel ausgebe. Er rät den Kinobetreibern,
17 Stephen W. Busch: «Oedipus Rex. Four Reels (Hecla Films). Review». In: MPW, Vol.
15, No. 4, 25. Januar 1913, S. 346.
18 Wie oben, Anm. 3.
74
Abb. 12 Der Trailer wird zum Werbeträger: Episode 8 von What Happened to
Mary? (Edison 1912)...
im Notfall einen Werbetexter anzustellen, und schlägt, in einem neuen
Abschnitt unter dem Titel What Advertising Is, folgendes Beispiel vor:
Cholera attacks the settlers and is communicated to the Indians. The settlers’ child is alone unaffected and by them is given to the care of an Indian
boy. Her life in camp – and after – makes this a vivid and gripping photoplay, starting from this dramatic incident.
Sargent rät mit anderen Worten, die Story auf die Form der protagonistenzentrierten Zweidrittelstruktur zu bringen. «You are supposed to tell
enough of a story to make people want to hear the rest», so Sargent.
«You rouse curiosity and leave it unsatisfied.» Er führt Exposition und
auslösendes Ereignis ein, bricht nach der Komplikation ab und lässt die
Frage im Raum stehen, was nun aus dem Mädchen werden wird. «Every
advertisement should be a sort of ‹Continued in our next›, the ‹next› in
this case being the showing of the film on the screen.»19 Der Unterschied
zur Serienform besteht letztlich nur darin, dass diese den Film selbst
zum «advertisement» macht. Ähnlich wie das Handzettelresümee entwickelt die Serialepisode ihre Werbewirkung dann am stärksten, wenn sie
präzise formulierbare Fragen offen lässt. Daher rührt auch, dass What
Happened to Mary? die einzige Serie im eigentlichen Sinn blieb, also ein
Fortsetzungsfilm mit bis auf wenige Ausnahmen in sich geschlossenen
Episoden. Schon bei The Adventures of Kathlyn wurden die Folgen konsequent miteinander verknüpft. Weil nicht davon ausgegangen werden
konnte, dass die Kinobesucher alle vorgängigen Episoden gesehen hatten, verfeinerte Pathé die Cliffhanger-Struktur weiter und kombinierte
19 Epes Winthrop Sargent: «Advertising for Exhibitors». In: MPW, Vol. 12, No. 11, 15. Juni 1912, S. 1023.
75
...Mary (Mary Fuller) heuert als Schreibkraft in einer Anwaltskanzlei an, erhält
den Auftrag...
bei The Perils of Pauline die Merkmale der Serie mit denen des Serial. Die
Episoden waren weitgehend selbsttragend, ließen aber jeweils ein überleitendes Problem fortbestehen. «…has ist beginning of interest and ist
climax which clears up all the questions involved except that the villain,
though badly defeated again, is still out of prison», beschreibt ein Rezensent die 14. Folge.20
An diesem Punkt, an dem Werbediskurs und Produkt sich gegenseitig durchdringen und das Medium insistent auf sich selbst verweist,
wandelt sich der Schutzfilmstreifen zum Informationsträger, und die
ersten Werbetrailer tauchen auf. Sie bestehen bald aus einer einfachen
Texteinblendung mit der Aufforderung «watch for other episodes»,21
bald aus Titeln wie «Who is the Laughing Mask?», einer Frage, die sich
auf das Rätsel bezog, das die Folgen des Pathé-Serials The Iron Claw miteinander verband.22 Das rhetorische und stilistische Repertoire dieser
Trailer ist demjenigen klassischer Beispiele durchaus schon vergleichbar.
Die 8. Episode von What Happened to Mary? wird mit folgender Texteinblendung abgeschlossen (Vgl. auch Abb. 12):
The next incident in the series of «What happened to Mary» will be shown
a week from now.
Eine extrafiktionale Intervention, die auf den Rezeptionskontext referiert: Eine größere Kenntnis der fiktionalen Welt und des Rezeptionskontextes weisen auch klassische Trailer nicht auf. Auch die Erzählerposition, wie sie in späteren Trailern Sprecherstimme und Texteinblendungen
20 Harold C. Reeves: «The Perils of Pauline. Review». In: MPW, Vol. 22, No. 1, 3. Oktober
1914, S. 43.
21 The Perils of Pauline, Pathé. Folge 8 «The Great Race». UCLA VHS VA 9645.
22 The Iron Claw, Pathé. Folge 7, «The Hooded Helper». UCLA VHS.
76
...von einem reichen Herrn, der bald sterben wird, ein Testament signieren zu
lassen, und liefert dessen erbschleichendem Neffen einen packenden Zweikampf.
übernehmen, ist schon gegeben. Episode drei von What Happened to
Mary?, die mit Episode 4 verbunden war, endet mit einem Cliffhanger
und einer Story-bezogenen Frage, wie sie in dieser Form auch einen
Ausschnitt in einem klassischen Trailer begleiten könnte:
Which way will she choose?
In einigen Fällen enthielten Trailer auch Filmaufnahmen. Am Ende der
14. Episode der Pathé-Produktion The Exploits of Elaine mit Pearl White
stellt sich der Schauspieler Edwin Arden vor, der in der folgenden Episode einen bösen Chinesen spielen wird. Arden verbeugt sich und wird
zugleich überblendet in eine Aufnahme, die ihn im Kostüm seiner Rolle
zeigt.23 Perifiktionale Auftritte dieser Art kommen später im Vorspann
zu Stummfilmen häufig vor, und in Trailern sind sie bis in die Fünfzigerjahre gebräuchlich. Das narrative System des Trailers ist mit anderen
Worten in seinen Grundzügen schon in dem Moment gegeben, in dem
aus simplen Schwarzfilmstreifen Informationsträger werden. Von klassischen Trailern unterscheiden sich diese Anhängsel in erster Linie dadurch, dass sie an den Film gebunden bleiben, weil in den Serials Werbediskurs und Produkt noch zusammenfallen. Ihre primäre Funktion
aber, kommende Filme anzukündigen und das Medium Kino auf sich
selbst verweisen zu lassen, wird bei späteren Trailern keine andere sein.
23 Margaret I. MacDonald: «Exploits of Elaine. Episode 14». In: MPW, Vol. 24, No. 2, 10.
April 1915, S. 246.
77
Im Zug der Auseinandersetzung wird ein Brand entfacht (Abb. 12/7), die Feuerwehr greift ein (Abb. 12/8)...
2.4 Stars als Mittel der Marktkontrolle:
Filmwerbung nach dem Serial-Phänomen
Serials wurden noch bis in die Fünfzigerjahre als Programmteile im Kino
eingesetzt.24 Ihre Funktion, die bestehende Verleihordnung zu erhalten,
erfüllte die Serienform allerdings nur kurze Zeit. In den Jahren nach
1913 zerfiel das System des Trusts, und der Langspielfilm wurde zum
Standardformat von Produktion und Verleih. 1913 versuchte General
Film noch einmal seine Marktposition zu retten, indem die Firma Einund Zweirollenfilme zu Sonderbedingungen anbot, doch die Aktion
blieb ohne großes Echo (Staiger 1983, 60). George Kleine war bereits 1912
erstmals ausgeschert, und 1914 verließ ein weiterer Partner den Trust,
der Verleiher W. W. Hodkinson aus San Francisco. Er verband fünf regionale Anbieter zu einem nationalen Verleih für Langspielfilme und
nannte die Firma Paramount. Hodkinson schloss Verleihverträge mit
Adolph Zukors Famous Players und mit Jesse Lasky. Er bezahlte den
Produzenten 20 000 bis 25 000 Dollar Vorschuss für jedes 5-RollenNegativ und übernahm auch die Werbekosten. Während General Film
für ein Wochenprogramm von täglich wechselnden Filmen 100 bis 150
Dollar verlangte, vermietete Paramount längere Spielfilme wochenweise
für 500 bis 700 Dollar an große Kinos, für 100 bis 300 an zweitklassige
24 In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wichen die Heldinnen sukzessive männlichen Protagonisten; der Erfolg der Serials hielt aber noch bis Mitte der Zwanzigerjahre
fast ungebrochen an. In den Dreissigern belebten Universal und Columbia das Format
neu und produzierten Fortsetzungsfilme im Abenteuer-, Western- und Sciencefiction-Genre, die sich vor allem an ein junges männliches Publikum richteten. Mitte
der Fünfzigerjahre wurden diese von Fernsehserien der gleichen Genres abgelöst. Das
letzte Serial, Blazing the Overland Trail, kam 1956 in die Kinos.
78
...am Sterbebett des zu Beerbenden wird der Showdown ausgetragen (Abb.
12/9), und ein diegetisches Publikum verfolgt den dramatischen Kampf von der
Strasse aus (Abb. 12/10)...
und schließlich, nach Ablauf von Sperrfristen, noch einmal für 5 Dollar
an kleine und alte Theater (Donahue 1985, 14). Im Juli 1915 gründeten
Mack Sennett, Thomas Ince und D. W. Griffith Triangle, eine nationale
Verleihkette für ihre Produktion, und im Dezember 1915 stellte auch
Edison sich auf die neuen Bedingungen ein, verließ den Trust und kündigte an, nur noch 5-Rollen-Filme herzustellen. Im September 1916 kauften die Vitagraph-Studios die Verleihorganisation V-L-S-E, die sie gemeinsam mit Lubin, Selig und Essanay unterhalten hatten, und
etablierten sich als vertikal integrierter Produzent und Verleiher von
Langspielfilmen. Im Sommer 1916 fusionierten Adolph Zukor und Jesse
Lasky zu Famous Players-Lasky und übernahmen von Hodkinson auch
noch dessen Anteile an Paramount. Damit etablierte sich eine neue Branchenordnung, in der einige wenige gut kapitalisierte Produzenten aufwendige und publikumsträchtige Großproduktionen mit Starbeteiligung
herstellten und diese auch selbst vertrieben.
Ihre Investitionen amortisierten sie in erster Linie über die Ertragsmöglichkeiten, die die neuen Großkinos boten. Statt 10 Cents wie im
Quartierkino betrug der Eintritt in den Filmpalästen wie dem 1914 eröffneten Strand einen Dollar oder mehr. Das primäre Mittel der Produzenten, sich den Zugriff auf diesen neuen Kinomarkt zu sichern, war bis
Ende der Zehnerjahre das Starsystem. Paramount hatte 1915 die sechs
beliebtesten Stars unter Vertrag: Mary Pickford, Marguerite Clark, Douglas Fairbanks, Harold Lockwood, William S. Hart und Wallace Reid.
Gestützt darauf, führte das Studio 1916 das System des «block booking»
ein, das bis 1948 den Industriestandard im Verleih bilden sollte: Wollte
ein Kinobetreiber Filme mit diesen Stars spielen, so musste er zugleich
eine Reihe weiterer, weniger attraktiver Filme buchen (Kozarski 1992,
71). Neben diesen Verleihstrategien trug aber auch die Werbung dazu
79
...Nach Marys Schlussbesprechung mit dem Arbeitgeber (Abb. 12/11) folgt der
Trailer (Abb. 12/12).
bei, die Marktkontrolle der Produzenten und ihrer Verleihorganisationen auszubauen. Die Filmwerbung der Zehnerjahre unterschied sich in
ihrem Tonfall merklich von der Produktewerbung. Diese stellte das Produkt und seinen Nutzen in den Vordergrund. Die Inserate waren darauf
angelegt, einen Eindruck von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu erwecken, nicht zuletzt, weil man sich vom Jahrmarkt-Image lossagen wollte,
das ihr noch aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts anhaftete (Marchand 1985, 10). Filmwerbung dagegen war bunt und reißerisch, machte
insbesondere exzessiven Gebrauch von Adjektiven und bot weiterhin
Anlass für Kontroversen.25 In ihren Techniken allerdings entfernte sie
sich Mitte der Zehnerjahre rasch von den traditionellen Mustern der Zirkus- und Wandertheaterwerbung.
1915 begannen die Produzenten und Verleiher, in großem Umfang
bezahlte Kundenwerbung zu betreiben. Die erste nationale Kampagne
eines großen Verleihers hatte Universal im Oktober 1913 lanciert. Die
Chicagoer Agentur Witt K. Cochrane wurde beauftragt, für einen Betrag
von 250 000 Dollar Inserate für Universal-Filme in Magazinen und Zeitungen zu akquirieren und Werbeflächen in Straßenbahnen und anderen
öffentlichen Räumen anzubringen.26 Im Sommer 1914 startete Tannhouser eine Kampagne ähnlichen Umfangs für sein Serial The Million Dollar
Mystery, und im September kündigte die neu gegründete Paramount
eine nationale Werbekampagne an. Inserate in angesehenen Publikationen wie der Saturday Evening Post sollten das Markenzeichen der Firma
einem breiten Publikum bekannt machen und die aktuellen Produktio25 Walter K. Hill: «Adjectives Are Necessary». In: MPW, Vol. 39, No. 4, 25. Januar, 1919,
S. 461.
26 «Big Advertising Melon to Be Cut». In: MPW, Vol. 18, No. 7, 15. November, 1913, S.
720.
80
nen ankündigen.27 Paramount wollte so unter anderem einen Anreiz für
Kinobesitzer schaffen, die Markenidentität der Firma zu übernehmen
und ihre Kinos zu Paramount Houses zu machen.28 Dieser Plan funktionierte unter anderem deshalb nicht, weil sich schon bald abzeichnete,
dass Stars und Story ungleich stärkere Verkaufsargumente abgaben als
Markenzeichen.29 Er zeigt aber an, wie sehr die Werbung dem Ziel diente, den Zugriff der Produzenten auf den Kinomarkt auszubauen.
Von den Kinobetreibern erwarteten die Studios, dass sie zur Unterstützung der nationalen Kampagnen ihrerseits ihre Werbebemühungen
intensivieren würden. «The great daily paper campaign», so ein Vertreter
von Tannhouser, «can only be of use to us if the exhibitor is enterprising
enough to support us in our bold step in endeavouring to help him sell
the seats in his theatre».30 Kinopaläste wie das Strand in New York oder
das Majestic in Detroit hatten zwar ihre hauseigenen Reklameleute.31 Um
die Versorgung der übrigen Kinos mit Werbematerialien sicherzustellen,
richteten die Studios aber auch eigene Werbeabteilungen ein. Die Plakatabteilung von Mutual nahm beispielsweise im Herbst 1914 ihren Betrieb
auf.32 In den ersten Jahren beschäftigte sie bisweilen bekannte Künstler,
um den ästhetischen Anspruch ihrer Produktionen hervorzuheben; deren Entwürfe erwiesen sich allerdings zumeist als wenig zugkräftig (Kozarski 1992, 36). Equitable setzte im September 1915 erstmals – wenn
auch nur punktuell – Promotionsleute ein, die den Kinos halfen, Werbeaktionen durchzuführen.33 Im Spätherbst 1915 brachte Universal das erste
«pressbook» heraus, eine Publikation für Kinobetreiber, die Vorschläge
für die Inserategestaltung, für Werbeslogans und für mögliche Werbeaktionen enthielt.34 Auch der Bereich der kooperativen Werbung entwickelte sich. Pathé produzierte 1916 in Zusammenarbeit mit Warenhäusern und Textilfirmen einen Kurzfilm über neue Kleidermoden, und die
27 Doppelseitiges Inserat von Paramount. In: MPW, Vol. 21, No. 10, 5. September 1914, S.
1318f.
28 Wie oben, Anm. 27.
29 Justin Fair: «What Most Interests Movie Fans?» In: MPW, Vol. 36, No. 4, 27. April 1918,
S. 550. «Globe Theatre, New Orleans, Finds that ‹Plot Advertising› Beats Label Variety». In: MPW, Vol. 41, No. 2, 12. Juli 1919, S. 210.
30 Charles J. Hite: «Advertising for the Exhibitor». In: MPW, Vol. 21, No. 2, 11. Juli 1914,
S. 187.
31 «Progressive Advertising». In: New Vol. 25, No. 7, 14. August 1915, S. 1185.
32 «Mutual to Centralize Advertising». In: MPW, Vol. 22, No. 8, 21. November 1914,
S. 1053. «Universal’s New Ad Plan». In: MPW, Vol. 23, No. 5, 30. Januar 1915, S.
650.
33 «Equitable's Novel Advertising Plan». In: MPW, Vol. 25, No. 10, 4. September 1915, S.
1655.
34 «Striking Example of Film Advertising». In: MPW, Vol. 26, No. 13, 18. Dezember 1915,
S. 2150.
81
Werbepartner brachten die gezeigten Modelle zeitgleich mit dem Kinostart in den Verkauf.35 Den Nutzen der Standardisierung hatte man
ebenfalls erkannt. Die Studios legten besonderen Wert auf die Qualität
ihrer Plakate, weil diese den Eindruck einer gleichbleibend hohen Qualität der Filme vermitteln sollten.36 Im Frühjahr 1916 waren damit vier von
den sechs Innovationen erreicht, die Janet Staiger nennt: Produktedifferenzierung über Mittel der direkten Werbung wie Inserate, Plakate,
Standfotos für die Lobby, Dias, Handzettel oder Werbepublikationen
und Verkaufsargumente wie Stars, Genre, Realismus und Story; Strategien der indirekten Werbung und nationale Werbekampagnen. Nationale Kampagnen lohnten sich vor allem dann, wenn Filme in mehreren Kinos und in mehreren Städten gleichzeitig starteten. Chaplins Filme für
Essanay beispielsweise wurden in New York immer in mehreren «first
run»-Häusern gleichzeitig gezeigt.37 Durchliefen die Filme aber eine gestaffelte Auswertung, so nützten die Inserate letztlich nur den Premierenkinos, ein Problem, das erst mit der Einführung der Massenstarts in
den Siebzigerjahren wirklich gelöst wurde.
1915 erhielten die Werbeabteilungen der Studios zudem jene Struktur, die sie im wesentlichen noch heute aufweisen (auch wenn die Bereichsbezeichnungen gewechselt haben). Paramount richtete als erste
Firma eine Reklameabteilung mit drei Branchen ein: «advertising» (direkte, bezahlte Werbung), «exploitation» (indirekte Werbung über Kooperation mit anderen Branchen und die Veranstaltung von Anlässen
und Ereignissen im Zusammenhang mit Filmen) und «publicity» (indirekte, unbezahlte Werbung via Presse).38 Während advertising und exploitation die bisherigen Formen der Reklame abdeckten, stellte die Abteilung für publicity eine Neuerung dar. Ihre Funktion bestand
hauptsächlich darin, das Starphänomen zu alimentieren und im Sinne
der Studios zu nutzen. Um 1914 erwachte das Interesse des Publikums
am Privatleben der Darsteller, und Zeitungen und Magazine begannen,
dieses öffentlich zu verhandeln. Die Presseagenten der Publicity-Abteilung hatten die Aufgabe, die Medien mit entsprechenden Informationen
und Geschichten zu versorgen. Paramount richtete eine solche Abteilung
1915 ein, Vitagraph zog im April 1916 nach, und im Sommer desselben
35 «Pathe Fashion Film to Have Wide Publicity». In: MPW, Vol. 29, No. 4, 22. Juni 1916, S.
640.
36 «Facts and Comments». In: MPW, Vol. 26, No. 13, 18. Dezember 1915, S. 2151.
37 Brief von David O. Selznick an Gradwell Sears, 9. November 1943. SC 201 6 Selznick
Archive.
38 «Paramount's New Press Manager». In: MPW, Vol. 27, No. 12, 25. März 1916, S. 2016.
82
Jahres gelang es Paramount erstmals, Artikel in Zeitungen auch außerhalb der Filmberichterstattung unterzubringen.39
Im Zusammenspiel mit der direkten Kundenwerbung diente die
Arbeit der Presseabteilungen dazu, Stars zum zentralen Verkaufsargument für Filme aufzubauen und damit nicht zuletzt das System des
«block booking» zu stützen. «Every star is unknown until advertised»,
erläutert Robert K. Cochrane, der Werbechef von Universal, Ende der
Zehnerjahre diesen Zusammenhang: «Our own stars were good players
before we started to advertise them, but advertising has created the demand for them that exhibitors are expressing.»40 Werbung trieb die Kinos mit anderen Worten in die Abhängigkeit von den Studios, und es ist
ein Ausdruck dieser Not, wenn ein unabhängiger Kinobetreiber in einer
Zuschrift an eine Branchenzeitung aus dem Jahr 1917 seinen Kollegen
rät, in ihrem eigenen Interesse weder Markenzeichen noch Stars in der
Reklame hervorzuheben.41
Ebenfalls 1916 taucht, als letztes Werbemittel des klassischen Repertoires, der Spielfilmtrailer auf. Wiederum war es Paramount, das die
Neuerung einleitete. Im September 1916 kündigte das Studio für die Famous-Players-Produktion The Quest of Life neben den üblichen Werbemitteln auch einen «advance strip of film» an. Dieser zeigte die Tänzer
Maurice und Florence Walton, die ihr Leinwanddebüt gaben, ein perifiktionaler Auftritt in der Art der Schauspielerpräsentation am Ende der 14.
Episode von The Exploits of Elaine, nur eben bezogen auf einen Langspielfilm.42 Zum Standardangebot an Werbemitteln gehören Trailer aber erst
ab 1919. Branchenzeitungen wie Exhibitor’s Trade Review oder Moving
Picture World druckten Listen mit Werbematerialen zu verfügbaren Produktionen ab. Dias, Plakate und Standfotos gehören dazu, vor 1919 aber
nur selten auch Trailer. Das Format war zwar bekannt und wurde auch
genutzt; erst die Entwicklungen der Jahre 1919 und 1920 schufen aber
jene Bedingungen, die den Filmtrailer von einer Kuriosität, einer bloßen
«novelty», zu einem der wichtigsten Werbemittel werden ließen.
39 «Vitagraph’s New Publicity Staff». In: MPW, Vol. 28, No. 1, 1. April 1916, S. 59. «Developing Paramount Publicity». In: MPW, Vol. 28, No. 11, 10. Juni 1916, S. 1869.
40 Wie oben, Anm. 38.
41 Leserbrief: „Don’t Exploit Stars and Producers’ Trade Marks,“ Says Fait to Exhibitors;
„Boost Your Theatre and Your Personality.“ In: ETR, Vol. 1, Number 8, 27. Januar
1917.
42 «Famous Players Issue Advance Film». In: MPW, Vol. 29, No. 13, 30. September 1916,
S. 2094.
83
Kapitel 3
Gefilmtes Inserat, bewegtes Plakat:
Der Stummfilmtrailer und die Anfänge der
standardisierten Filmwerbung, 1919–1928
Selling film to the exhibitor and the public is even
harder than selling articles of commerce.
Robert K. Cochrane, Werbechef von Universal, 1919
Standardization has many and valuable uses, but it
does not excite the comment of the masses.
Exhibitor’s Herald, 27. November 1920
Der Spielfilmtrailer sollte ursprünglich gar nicht Trailer heissen. Als «advance strip of film» bezeichnete ihn die Werbeabteilung von Paramount
1916. «Animated herald», bewegtes Plakat, nannte ihn das Studio 1919,
als es bekanntgab, fortan zu jedem Film einen Trailer anzubieten. Von
«screen announcements» wiederum, von Leinwandinseraten, sprach die
New Yorker Trailer-Firma National Screen Service im Januar 1920. Diese
Benennungsversuche sind nicht zuletzt Ausdruck eines Bemühens um
Genauigkeit. Ein Trailer war ja ein Anhängsel an den Film, das einfach
nur die Fortsetzung ankündigte. Das neue Werbemittel hingegen stellte
eine eigenständige Untergattung dar, zusammengesetzt aus Filmausschnitten, die auf die Möglichkeit ihrer Wiederholung in einem anderen
Kontext verwiesen. Die Bezugnahmen auf Plakat und Inserat kommen
dabei nicht von ungefähr. Die ersten Spielfilmtrailer waren aus denselben Elementen aufgebaut, aus denen auch Plakate und Inserate bestanden: Filmtitel, Star-Namen, Bild und Slogan (Abb. 13). Gegen den
Sprachgebrauch allerdings konnten sich die Benennungsversuche der
Hersteller nicht durchsetzen: Schon in den frühen Zwanzigerjahren hießen Vorschauen allgemein Trailer. Der Begriff hatte sich von seinem
konkreten Gegenstandsbezug gelöst und behauptete sich als Funktionsbezeichnung für alle Arten von Film, die sich auf andere Filme und das
Medium selbst bezogen.
Die Neuerung, die Paramount und National Screen 1919 ankündigten, war folglich weniger eine der Form und der Funktion als vielmehr
eine der Produktion und des Vertriebs. Plakate stellten die Studios seit
84
Abb. 13 Bewegtes Plakat, gefilmtes Inserat: Früher Spielfilm-Trailer zu Eye for
an Eye (Metro 1918)...
Beginn der Zehnerjahre selbst her und vertrieben sie auch; Inserate richteten sie seit 1913 in großem Umfang direkt ans Publikum. 1919 nun begann die Serienproduktion und der flächendeckende Vertrieb von Trailern. Paramount plante, die Vorschauen jeweils eine Woche vor dem
Filmstart auf die Kinos zu verteilen und eine kleine Miete zu erheben.1
Die Spezialfirma National Screen Service setzte diesen Plan konsequent
in die Tat um. Sie schloss mit allen Studios Exklusivverträge über die
Verwendung ihres Filmmaterials und bot ab Januar 1920 Vorschauen zu
allen Produktionen im Abonnement an.2 Mit dieser Strategie sicherte
sich National Screen bald ein Monopol, das bis in die Sechzigerjahre
weitgehend unangetastet blieb.
Die Standardisierung von Produktion und Vertrieb von Trailern
um 1919/20 erklärt sich zum einen aus dem Bemühen der Studios, die
Vermarktung stärker zu regulieren. Sie ist aber auch Ausdruck des Versuchs, den Fokus der Werbung von den Stars weg auf die Filme zu verschieben. Den Hintergrund für diese Entwicklung bildete die fortschreitende Konsolidierung der Filmwirtschaft: Die Studios und ihre Verleihorganisationen verbanden sich 1919 mit grossen Kinoketten zu vertikal
integrierten Konzernen.
«Paramount’s New Trailer Idea». In: EH, Vol. IX, No. 6, 3. August 1919, S. 35. «Novel
Trailer Prepared for Carmen Burlesque». In: MPW, Vol. 42, No. 8, 20. Dezember 1919,
S. 995.
2 «Artistic Screen Novelty Permits Audience to Enjoy Announcements». In: MPW, Vol.
43, No. 6, 31. Januar 1920, S. 764.
1
85
...bestehend aus einer Titelkarte und einer Szene aus dem Film.
3.1 Vertikale Integration und Standardisierung:
Filmverleih und Filmwerbung in den
Zwanzigerjahren
In der zweiten Hälfte der Zehnerjahre stützten die Studios ihre Kontrolle
des Kinomarktes vorwiegend auf die Zugkraft der Stars ab. Diese Strategie ging auf, barg aber auch Risiken. Der Ruhm der Stars konnte verblassen, und solange er anhielt, lockte die Konkurrenz die Publikumsidole
mit höheren Lohnangeboten. Die Stargagenpolitik, die so in Gang gebracht wurde, minimierte die Margen der Studios, und es zeigte sich
bald, dass auf die Dauer nur die Kontrolle der Kinos selbst eine stabile
Ertragslage mit garantierten Gewinnen sichern konnte.3
Die ersten Bestrebungen zur vertikalen Integration gingen allerdings von den Kinoketten aus. First National, Betreiber von mehr als 600
großen Theatern, war 1917 in die Filmproduktion eingestiegen, um von
den Produzenten nicht mehr so stark abhängig zu sein. Die Firma nahm
Charlie Chaplin unter Vertrag und unterbreitete auch Mary Pickford ein
Angebot, dem zugkräftigsten Star von Paramount. 1919 schließlich leitete First National die Fusion mit den Vitagraph-Studios ein (Donahue
1985, 18). Bevor es aber dazu kam, übernahm Paramount am 1. August
1919 die Kinokette Stanley Corporation of America, die in Pennsylvania
ein faktisches Monopol besass, und leitete damit die letzte Etappe der
vertikalen Integration der amerikanischen Filmwirtschaft ein. In den folgenden Monaten setzte das Studio seinen Expansionskurs fort und übernahm am 27. Januar 1920 eine Mehrheitsbeteiligung an der Kinokette
3
Stephen W. Bush: «Gouging Stars». In: MPW, Vol. 29, No. 6, 5. August 1916, S. 911.
86
Black-Gray-Gordon, die in Neuengland operierte. Am 22. Juni 1920 absorbierte Paramount schließlich auch Saenger Amusement, den Marktführer in Louisiana (Kozarski 1992, 75). Die Filmfirma Paramount umfasste fortan ein Studio in Hollywood, eine nationale Vertriebsorganisation, die von New York aus operierte, und bald auch mehrere hundert
Kinos, viele davon «first run»-Theater an bester Lage und mit bester
Ausstattung.
New York selbst war das Territorium von Marcus Loew, der im
größten Kinomarkt der Welt 56 Häuser kontrollierte und an weiteren beteiligt war. Diese Beteiligungen brachte Loew Ende 1919 ganz unter seine Kontrolle und schuf sich damit eine Plattform, um im Januar 1920 die
von Louis B. Mayer geführten Metro-Studios zu übernehmen und Loew’s
zum dritten vertikal integrierten Filmkonzern auszubauen (Kozarski
1992, 80). Die Reorganisation der Filmindustrie war damit aber noch
nicht abgeschlossen. 1924 fusionierte Loew’s Metro mit Goldwyn zu
MGM. 1925 verbanden sich Paramount und die größte Kinokette, Balaban & Katz aus Chicago, zu Paramount-Publix. Ebenfalls 1925 übernahm
Warner Bros. im Hinblick auf die Vermarktung seiner ersten Tonfilme
die Mehrheit an First National. William Fox, Kinobetreiber und Produzent aus New York, übernahm zeitgleich West Coast Theaters und
machte die Kette zum Kernstück eines weiteren nationalen Konzerns.
Mitte der Zwanzigerjahre gründete der Technologiekonzern RCA
schließlich seine Kinofiliale RKO, die ebenfalls als vertikal integriertes
Unternehmen mit einem Studio an der Westküste, einem Verleih und einer nationalen Kinokette operierte (Gomery 1992, 34ff.).
Innerhalb von wenigen Jahren entstanden so die fünf «major companies» Paramount, MGM/Loew’s, Warner Bros., Fox und RKO. Universal, das Studio von Carl Laemmle, und United Artists, die 1919 gegründete Verleihorganisation von Charlie Chaplin, Mary Pickford, Douglas
Fairbanks und D. W. Griffith, kontrollierten selbst keine Kinos, ebensowenig wie die 1925 von Harry Cohn gegründeten Columbia-Studios. Sie
teilten sich aber durch Absprachen mit den fünf Großen den amerikanischen Markt, zumindest bis zum Paramount-Entscheid des Obersten Gerichtshofs von 1948.4 Den großen Studios reichte der Besitz von 15 Prozent
der Kinos in den USA aus, um den Markt vollständig zu kontrollieren.
1933 beispielsweise waren nur gerade 2266 von 19 311 oder 11,73 Prozent der Kinos in den Händen der Majors. In diesen spielten sie ihre Premieren, bevor sie die Filme zu den Bedingungen des «block booking» und
4
Für einen Abdruck der Anklageschrift vgl. «The Complete Text of the U.S. Bill of
Complaint». In: MPH, 30. Juli 1938, S. 47–62.
87
des «zoning» an die kleineren Kinos weitergaben, also im Verbund mit
weniger lukrativen Produktionen, und unter Berücksichtigung eines fein
ausgeklügelten Systems von geographischer Auswertungszonen.
Mit dem Zusammengehen von großen Kinoketten und Studios verschob sich auch der Fokus der Filmwerbung: weg von den Stars, hin zu
den Filmen in der Vielfalt ihrer Aspekte. Im Sommer 1919 kündigte Paramount an, Filme inskünftig nicht mehr in Blöcken und nach der Besetzung zu vermarkten; vielmehr sollte jeder Film so produziert und vermarktet werden, als handle es sich um den einzigen, den das Studio im Angebot habe.5 Die Werbeabteilung wurde ausgebaut und erhielt eine neue,
vierteilige Struktur: «administration», «publications», «publicity» und «field
force». An der herkömmlichen Dreiteilung der Werbeaktivitäten – bezahlte Werbung, «publicity» und «exploitation» – änderte sich nichts; die
Abteilung für Administration diente einzig als Relais zwischen Produktion, Verleih und Werbeabteilung. Neu war hingegen das Ausmaß der
Aktivitäten, vor allem im Bereich der Werbemittel und der Werbestunts.
Paramount bot den Kinobetreibern zu jeder Produktion ein Sortiment
von Werbemitteln an und platzierte in jeder Verleihniederlassung einen
«field agent», einen Spezialisten für Verbund- und Ereigniswerbung, der
den Kinos beratend zur Seite stehen sollte.6 Bis Ende 1920 bauten auch
die anderen Studios ihre Werbeabteilungen nach diesem Muster aus.7
Laut Al Lichtman, dem damaligen Verleihchef von Paramount, ließen sich mit der Werbeoffensive die Einkünfte pro Film vervierfachen,
vor allem dank der Arbeit der «field agents». Lichtman übertrieb wohl
mit dieser Einschätzung; die Aussage zeigt aber an, worum es den Studi«Famous Players-Lasky Chiefs Give Outlines of Next Season’s Plans». In: MPW, Vol.
40, No. 13, 28.Juni 1919, S. 1919.
6 «Claud Saunders. Originator of Paramount's Exploitation Department». In: EH, Vol.
14, No. 12, 18. März 1922, S. 44. «Advertising Accessories in F. P.-L.'s Special Department». In: MPW, Vol. 45, No. 2, 10. Juli 1920, S. 190.
7 Im April eröffnete Metro eine Abteilung für Plakate und andere Werbematerialien.
Universal gründete im Mai ebenfalls eine Abteilung, die sich der Herstellung und
dem Vertrieb filmbezogener Poster widmete und im Herbst mit den Abteilungen für
bezahlte Werbung und «publicity» zum «exploitation department» fusionierte. Kleinere Produzenten wie Fine Arts oder Special Pictures folgten dem Beispiel der grossen
und intensivierten ihre Werbeaktivitäten. Gleichzeitig begannen auch die unabhängigen Plakathersteller und -verleiher, sich zu größeren Unternehmen zusammenzuschliessen. Vgl. «New Metro Department to Furnish Exploitation Service to Exhibitors». In: EH, Vol. 10, No. 17, 24. April 1920, S. 82. «Universal's New Poster Service».
In: MPW, Vol. 44, No. 6, 15. Mai 1920, S. 968. «Reorganize U Exploitation Department». In: EH, Vol. 11, No. 16, 16. Oktober 1920, S. 75f.. «Fine Arts Opening Service
Bureau». In: EH, Vol. 11, No. 12, 18. September 1920, S. 78. «Special Picture Opens Exploitation Bureau for Publicity Campaign Work». In: EH, Vol. 11, No. 17, 23. Oktober
1920, S. 66. «New Poster Rental Exchange Is Planned for Minneapolis». In: MPW, Vol.
43, No. 11, 6. März 1920, S. 1603.
5
88
os eigentlich ging: um eine Maximierung des Profits pro Film. In den
späten Zehnerjahren wechselte das Kinoprogramm meist nach wenigen
Tagen, und die Fokussierung der Werbung auf Einzelfilme sollte unter
anderem einen Anreiz für längere Laufzeiten schaffen.8 Zudem ging es
auch darum, den Einfluss der Stars zurückzubinden. Rosen definiert das
Starphänomen als eines, «wherein relatively small numbers of people
earn enormous amounts of money and dominate the activities in which
they engage» (Rosen 1981, 845). Solange die Studios noch nicht im Besitz
der Kinos waren, dominierten die Stars das Filmgeschäft. Nach 1919 hingegen konnten es sich die Studios leisten, andere, kostengünstigere oder
leichter zu kontrollierende, Aspekte in der Werbung hervorzuheben:
Genre, Story und «production values». Nicht von ungefähr rät Lichtman
in dem zitierten Interview, nicht mehr ausschließlich die Stars in den
Vordergrund zu stellen: «The wise exhibitor no longer contents himself
with merely giving the name of the star and the name of the picture. He
plays up, in his advertising and publicity, the strongest features in the
story, as well as the name of the star.» Diplomat genug, den hochbezahlten Hauptdarstellern nicht offen den Kampf anzusagen, fügt Lichtman
noch an, die neue Form der Werbung sei «of benefit to the star because it
makes each of his pictures distinctive, shows his versatility and brings
new admirers to his following.»9
Die Neuausrichtung der Werbung stand zwar in Zusammenhang
mit der Reorganisation und Straffung von Filmproduktion und Vermarktung. Von einer durchgängigen Standardisierung der Werbeformate und -praktiken konnte zu Beginn der Zwanzigerjahre aber noch nicht
die Rede sein. Das lag auch an der mangelnden Qualität der Filme. Die
großen Studios kontrollierten den amerikanischen Markt vollständig
und hatten ihn gegen Importe so gründlich abgeschottet, dass sie keinem
realen Konkurrenzdruck mehr ausgesetzt waren (Izod 1988, 62). «Exceptional photoplays cannot be expected regularly», beschreibt ein Werbehandbuch aus den Zwanzigerjahren die Folgewirkung dieser Situation
(Barry/Sargent 1927, 22). Wenn Qualitätsversprechen nicht eingehalten
werden können, dann ist es auch nicht sinnvoll, homogene Formen der
Werbung zu entwickeln, die solche Standards kommunizieren. Unter
solchen Bedingungen ist das wirkungsvollste rhetorische Mittel nicht die
gute Mischung von Wiederholung und Variation standardisierter Reklameformate, sondern der Exzess. Entsprechend vielgestaltig und chao8
9
Die Werbeabteilung von Metro beispielsweise sollte den Kinobetreibern helfen «in
putting over Metro-Loew special productions for their full box-office value». Wie
oben, Anm. 5.
«Showbusiness Is Prospering». In: EH, Vol. 10, No. 12, 20. März 1920, S. 43.
89
tisch präsentiert sich in den frühen Zwanzigerjahren auch die Filmwerbung. Die Werbestunts nahmen bizarre Formen und Ausmaße an, Plakate wurden in allen Größen und Farben gedruckt, und mitunter gab es für
einzelne Kampagnen verschiedenste Plakatmotive.
3.1.1 Filmwerbung und Kinowerbung: Konkurrenz der
Verkaufsargumente
Mit ihren Exzessen versuchte sich die Reklame nicht zuletzt gegen die
Konkurrenz von Nebenattraktionen zu behaupten, mit denen der Film in
den Kinoprogrammen der Zwanzigerjahre die Aufmerksamkeit des
Publikums teilen musste. «There must be known values to attract patronage when the program is inferior», so das bereits zitierte Werbehandbuch (Barry/Sargent 1927, 22). Weil auf die Qualität der Filme kein Verlass war, musste man andere Attraktionen anbieten, darunter zum einen
die Musik. Laut einer Umfrage von 1922 setzten 29,47 Prozent aller Kinos in den USA ein Orchester ein; 45,95 Prozent verfügten über eine
Hausorgel, die meist auch als eigenständiger Programmteil fungierte,
und nur gerade 24,58 Prozent – durchwegs Land- und Quartierkinos –
begnügten sich mit Klavierbegleitung. Behaupten musste sich der Film
aber vor allem gegen das Bühnenspektakel, die Show. Die großen Theater unterhielten ganze Abteilungen, die sich der Inszenierung dieser Zusatzattraktionen widmeten. Die Paramount-Publix-Kette etwa beschäftigte Mitte der Zwanzigerjahre mehr Musiker als jeder andere
Arbeitgeber der Welt und unterhielt ein Netz von «talent scouts», die
nach Bühnennachwuchs Ausschau hielten. Die großen Theater verfügten
über einen entsprechenden Stab an von Kulissenmalern, Kostümschneidern und -designern, Textern, Choreografen, Komponisten und diversen
Produktionsassistenten. Die Bühnenshows in Publix-Häusern kosteten
zwischen 20 000 und 50 000 Dollar10 und dauerten bis zu 75 Minuten; bisweilen wurde der Film schneller projiziert oder gekürzt, um Zeit für die
Live-Darbietung zu gewinnen.11 Die Shows trugen thematische Titel wie
Opera vs. Jazz oder Take A Chance A Week und umfassten Auftritte bekannter Bandleader wie Jimmy Ellard oder Varieté-Stars wie Will Rogers.12 Über die Shows versuchten die Kinoketten außerdem, Markenidentitäten aufzubauen. «You don’t need to know what’s playing at a
10 Frank Cambria: «Evolution of Presentation In Motion Pictures». In: MPW, 26. März
1927, S. 321.
11 «Pictures and People». In: MPN, 7. Januar 1928.
12 «Presentation ‹With› or ‹Without› Vaudeville Still Hopes for a Majority Vote». In:
MPN, 7. Januar 1928.
90
Publix House. It’s bound to be the best show in town» (Gomery 1992,
58), lautete der Slogan der Publix-Kette.
Die Bühnenshow war oft überhaupt wichtiger als der Film. Eine
Umfrage unter Kinobetreibern im Jahr 1922 ergab, dass der Hauptspielfilm im Durchschnitt nur gerade 68 Prozent des Programms ausmachte
(Kozarski 1992, 8), und noch 1928 sah sich Jesse Lasky zur Forderung
veranlasst, dass alle Programmteile um den Hauptfilm gruppiert sein
müssten. Bei einer durchschnittlichen Aufführungsdauer von 2 Stunden
und 10 Minuten dürfe der Hauptfilm nicht kürzer sein als fünfundsiebzig Minuten, und die Bühnendarbietungen müssten dem Filmprogramm
thematisch entsprechen. «Above all, the stage entertainment should not
be of such length and nature as to leave the patrons weary when the feature picture is thrown upon the screen», so Lasky. «It is the feature picture that the patrons have come into the house to see. If this be not true,
then the whole motion picture business is not true.»13
Show und Film allein reichten – in welchem Mischverhältnis auch
immer – aus der Sicht der Kinobetreiber aber noch nicht aus. «It is now
generally realized that if patronage is built on the program only, when
the program changes, little remains as the result of the advertising expenditure», so das zitierte Werbehandbuch (Barry/Sargent 1927, 22).
Schon seit den Zehnerjahren versuchten die Kinobetreiber deshalb, das
Publikum über die dauerhaftere Attraktion der Architektur an ihr Haus
zu binden. Im April 1914 wurde in New York das Strand Theatre am
Broadway eröffnet, der erste eigentliche Kinopalast. Das Strand übertraf
an Luxus und Aufwand die meisten Broadway-Theater, ein sicheres Anzeichen dafür, dass das Kino auf dem besten Weg war, ein respektabler
Zeitvertreib und eine Konkurrenz für das Sprechtheater zu werden. Die
Architektur der Filmpaläste markierte Status und war zugleich eine Architektur des Ereignisses und des Erlebnisses. «The architect has mastered the psychology of the theatre-goer», so das zitierte Werbehandbuch
über die Wirkung dieser Bauten. «He understands the patrons’ love of
adventure and the craving for the beautiful and the luxurious, and with
deft touches excites the spirit of romance by the very structure and decoration of the theatre.» Der Kinopalast war «itself an entertainment», eine
Art Disneyland für Erwachsene, das von Abenteuer, Schönheit und Luxus erzählte (Barry und Sargent 1927, 12). Neben den psychologischen
offerierten die Kinopaläste auch andere Gratifikationen. Balaban & Katz
verlegten ihre großen Kinos in den frühen Zwanzigerjahren in die Außenquartiere von Chicago, in denen kaufkräftige Angestellte wohnten,
13 «Picture Must Dominate». In: MPN, 7. Januar 1928.
91
und statteten sie mit Verpflegungsständen und einem Kinderhütedienst
aus. Bereits 1917 hatte die Firma das erste Kino mit einem Luftkühlsystem eröffnet. Die Technologie konnte in Chicago, der Welthauptstadt der
Fleischverarbeitung, direkt von den Industriekühlhäusern übernommen
werden und erlaubte es, die Kinos auch in den heißen Sommermonaten
geöffnet zu halten (Gomery 1992, 53).
Wie stark die Kinobetreiber ihre Reklame auf die Nebenattraktionen abstützten, belegt eine Zuschrift an eine Branchenzeitung aus einer
Kleinstadt in Indiana. Der Scheiber findet es im Jahr 1920 erwähnenswert, dass er volle 50 Prozent seines Werbeetats darauf verwendet, kommende Filme anzukündigen.14 Bei seinen Konkurrenten lag dieser Anteil
oft noch tiefer. Ein halbseitiges Zeitungsinserat für das Strand in Milwaukee aus dem Jahr 1920 führt fünf verschiedene Verkaufsargumente
an. Neben einem Signet mit dem Namen des Kinos umfasst es einen
Kasten, der ein Drittel des gesamten Platzes einnimmt und den Orchesterleiter und die beiden Organisten zeigt. Eine fettgedruckte Textzeile
am unteren Rand verweist auf die Show: ein Programm unter dem Titel
Tuneful Turkey Tableau wird angekündigt. Den Rest des Inserats nimmt
die Werbung für den Film ein: ein Starporträt von Norma Talmadge, nur
geringfügig größer als das Porträt des Orchesterleiters, daneben der
Starname und, deutlich kleiner gesetzt, der Titel des Films, Dangerous
Business (Kozarski 1992, 48).
Ein Inserat für Charlie Chaplins City Lights (UA 1931) illustriert, zu
dem bestimmte Programmschienen oft wichtiger waren waren als der
Film selbst. Es enthält neben Starpräsentation, Filmtitel und Slogan einen
Kastentext:
SPECIAL NOTICE
Owing to the nature of the contract made for this picture there will be no
Special Ladies’ Guest Matinees at the Princess and no Bargain Nights at the
Columbia during run of this picture. NO FREE LIST. (Sweeney 1973, 171).
Es brauchte schon einen Chaplin, um die Hierarchie von Programmrastern und Film umzukehren. Mit der Einführung des Filmtons verloren
die Bühnenshows an Bedeutung, und nach 1928 rückte der Film zur
Hauptattraktion auf. Mischprogramme mit Varieté-Nummern und Filmvorführungen gab es mancherorts noch bis Mitte der Vierzigerjahre,15
14 «Bases ‹Ads› on Future Films». In: EH, Vol. 10, No. 15, 10. April 1920, S. 78.
15 «Vaudeville Bookings for Season Seen Holding at Last Year's Level». In: MPH, Vol.
140, No. 11, 14. September 1940, S. 14. «Three Houses Take on Vaudeville». In: MPH,
Vol. 142, No. 5, 1. Februar 1941, S. 54. «More Houses Turn to Stage Shows with Film».
92
und ein «habit», ein gewohnheitsmäßiges Konsumverhalten, das nur bedingt bestimmten Filmen galt, blieb der Kinobesuch noch bis Ende der
Vierzigerjahre.
Die Konkurrenz der Filmwerbung mit der Werbung für Nebenattraktionen hielt bis in die frühen Dreißigerjahre an. In der zweiten Hälfte
der Zwanziger durchlief die Werbung ebenso wie die Produktion aber
einen Standardisierungsprozess. Ein freischaffender Reklamespezialist,
der regelmäßig als «field agent» für große Produktionsfirmen gearbeitet
hatte, erinnert sich in einem Branchenzeitungsartikel von 1927 an die
«good old days», die Jahre um und nach 1920. Er beklagt, dass die Zeit der
regellosen, chaotischen Ereigniswerbung vorbei sei und die Reklame alle
Farbigkeit und Originalität verloren habe: «Stereotyped publicity campaigns on too many pictures, lack of the big punch stunts of other days.»
Der Entwicklung der Reklame entspricht die der Filme: «Stereotyped product in many cases, the loss of individualism felt here, too.»16 Ablesen
lässt sich diese Entwicklung von der Rhetorik des Exzesses hin zur Standardisierung der Werbeformate nicht zuletzt an der Form der Trailer.
3.2 Zur Formgeschichte der Stummfilmtrailer
Das Zeigen von Ausschnitten, um die Möglichkeit ihrer Wiederholung
in einem anderen Kontext zu signalisieren, etablierte sich in den frühen
Zwanzigerjahren rasch als wichtige Reklametechnik. «That the good
trailer is a positive box office attractor and a sound investment is not disputed», schrieb eine Branchenzeitung im Jahr 1923.17 Anhaltende Probleme bereitete allerdings die Rahmung dieser Geste, die Struktur der Trailer. Ein typisches Beispiel bestand aus «half a dozen insanely assorted
and wholly unconnected scenes from the picture flashed in succession,
without subtitle or sales copy of any sort.» Zudem waren die Trailer
auch zu lang: «manufacturers of announcement film have induced exhibitors in most cases to use so much footage as to nullify the obvious improvement in form.»18 Unabhängige Trailer-Produzenten berechneten in
den frühen Zwanzigerjahren den Preis ihrer Produkte nach der Länge,
In: MPH, Vol. 142, No. 10, 8. März 1941, S. 56. Telegramm von David O. Selznick an
Neil Agnew, 5. Juni 1944. SC Box 197 Folder 12.
16 «Confessions of a Movie Publicist». In: MPW, 27. März 1927.
17 «How Many Trailers Are Enough?» In: EH, Vol. 17, No. 8, 18. August 1923, S. 45.
18 «Albright's Series Announcement Slides Combine Entertainment With Information».
In: EH, Vol. 11, No. 2, 10. Juli 1920, S. 53.
93
und sie dehnten die Trailer oft so stark aus, dass das Format schließlich
nutzlos erschien.19
Mit seinem Vertriebssystem fand National Screen eine Lösung für
das Problem: Trailer wurden nicht mehr nach Länge vermietet, sondern
im Abonnement, und National Screen hatte ein Interesse daran, sie kurz
zu halten, um Material zu sparen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, senkten die übrigen Trailer-Produzenten unter anderem die Preise pro Fuß
Filmmaterial, und fuhren fort, ihre Trailer weiter in die Länge zu ziehen,
was National Screen zusätzlich bevorteilte.20 Bezüglich Struktur und
Dramaturgie versuchten auch die Kinobetreiber Lösungen zu finden.
Der Geschäftsführer des New Yorker Strand regte im Januar 1918 Folgendes an: Anstatt nur eine Texteinblendung mit dem Filmtitel zu zeigen und daran einige Szenen anzuschließen, beginnt er seine Ankündigungen mit der Texteinblendung «Next week the Strand will present».
Darauf folgt eine Szene aus dem Film der nächsten Woche, mit dem
Star in Aktion. «Immediately the audience will be heard guessing who
the star is and what the name of the production will be», so der Autor.
«Thus more interest is created in the announcement of the next attraction
than by merely making the complete announcement, after which the audience has little to think about.»21 Ähnliche Überlegungen wurden zeitgleich auch zu den Dias angestellt, einem Werbeformat, das in den
Zwanzigerjahren mehr und mehr vom Trailer verdrängt wurde. Dias
waren gleich strukturiert wie Zeitungsinserate: als Kombinationen von
Starporträt, Starname und Filmtitel.22 Bereits in den Zehnerjahren allerdings rieten Werbehandbücher den Kinobetreibern, solche Dias nicht
unbearbeitet zu zeigen. Eine nüchterne Mitteilung der Art «The Smugglers. A big Three Reel Lupex. Shown here Saturday» sollte durch eine an
sich schon unterhaltsame Abfolge von Dias ersetzt werden: «10 000 000
in diamonds/ And not a cent of duty paid, but/Inspector Davids (Played
19 Wie Anm. 18.
20 Filmack reagierte auf die Eröffnung der National-Screen-Filiale in Chicago mit einer
Preissenkung auf 6 Cent pro Fuss Filmmaterial. «Irving Mack Company Makes New
Prize Cut On Filmack Trailers». In: EH, Vol. 14, No. 22, 27. Mai 1922, S. 86.
21 Harold Edel: «How It Is Done at the Strand». In: MPW, Vol. 35, No. 1, 5. Januar 1918, S.
69.
22 Ein Dia zu Just Tony mit Tom Mix zeigt den Cowboy-Helden, sein Pferd und eine junge Frau, die das Pferd streichelt. Den Hintergrund bildet ein weisser Vollmond über
der Prärie; der Slogan lautet «A story of Tom Mix’ Horse». Für Way Down East (D. W.
Griffith 1920) warb ein Dia, das den Regisseur im frontalen Porträt vor dem Hintergrund einer Winterlandschaft mit zwei Figuren, von denen eine die andere in den Armen trägt. Griffith war zusammen mit Cecil B. DeMille der einzige Regisseur der
Stummfilmzeit, dessen Name in der Werbung durchgängig eingesetzt wurde, und
zwar mindestens so prominent wie die Namen der Stars bei anderen Filmen. Vgl.
auch Sweeney (1973, 41, 51, 70) und Hediger (2001a).
94
by Cecil Cayley)/Ran the Swindlers down./The Smugglers – here
Thursday» (Sargent 1915, 54).
Die Trailer-Produzenten der frühen Zwanzigerjahre lösten das Problem der Dramaturgie wie erwähnt durch intermediale Formatierung:
Durch Anlehnung an die etablierten Formate von Plakat und Inserat. Die
ersten Trailer von Paramount, National Screen und anderen Studios wie
Essanay setzten sich aus Elementen wie Filmtitel, Close-ups der Stars
mit Einführung der Figuren, Szenen und Slogans zusammen.23 Auf die
Dauer aber war dies so einförmig und uninteressant wie das bloße Zeigen von Ausschnitten, über das schon der Manager des Strand hinauszukommen versuchte. Es ging mit anderen Worten darum, eine Dramaturgie der Informationsvermittlung zu finden, die das Inserate- und
Plakatformat in einen interessanten Plot umwandelte. Das rhetorische
und stilistische Repertoire der klassischen Trailer war schon mit den ersten Serial-Anhängseln in seinen Grundzügen gegeben. Inzwischen aber
hatten sich Werbediskurs und Produkt voneinander gelöst, und Story
und Plot waren zum Produkt geworden, das vom Werbediskurs nicht
preisgegeben werden durfte. Vitagraph offerierte im Sommer 1921 kostenlos Trailer und versprach, diese zeigten «just enough of the highlights
of the pictures to create advance interest but not sufficient to make their
showing anti-climactic and expose the plot.»24 Wie man aber einen Trailer interessant gestaltete, ohne den Plot preiszugeben, dafür gab es zu
Beginn verschiedenste Lösungen (Abb. 14), und verbindliche Regeln bildeten sich erst mit der Zeit heraus. Vorformen der klassischen Struktur
lassen sich erstmals um 1923 feststellen (vgl. auch Abb. 7, Kap. 1). Der
Trailer zu The Phantom of the Opera (Universal 1925) verwendet etwa als
Intro einen perifiktionalen Vorspann, der den Produzenten Carl Laemmle in seinem Büro zeigt. Gegen Ende der Zwanzigerjahre wird die klassische Struktur zum Standard, doch zuvor kommen noch eine ganze Reihe
weiterer dramaturgischer Muster zum Einsatz.
Die amerikanische Filmindustrie produzierte zwischen 1912 und
1929 schätzungsweise 10 000 Filme; die meisten davon sind verloren
(Sklar 1976, 86). Für mehrere Tausend dürften National Screen, Warner
Bros. und andere Anbieter Trailer hergestellt haben. Greifbar davon sind
etwas mehr als 100. Repräsentativ ist diese Auswahl gleichwohl. Natio23 Essanay bot 1919 einen Trailer an, der folgende Elemente enthalten sollte: «a replica of
the main title of the film, the introduction of the various characters and three extracts
of the biggest scenes.» Vgl. «Novel Trailer Prepared for Carmen Burlesque». In: MPW,
Vol. 42, No. 8, 20. Dezember 1919, S. 995.
24 «Vitagraph Has Trailers For Coming Publications». In: EH, Vol. 13, No. 3, 16. Juli,
1921, S. 62.
95
Abb. 14 Der Trailer als unvollständige Fassung des
Films: Ausschnitte
aus der Vorschau
zu King Vidors
Love Never Dies
(Ince 1921).
96
nal Screen Service verfügte schon in den frühen Zwanzigern über ein
faktisches Monopol und offerierte drei Standardformen von Trailern:
Deluxe, Regular und Short, wobei Deluxe- und Regular-Trailer Ausschnitte verwendeten und Short-Trailer nur aus Standfotos und Zwischentiteln bestanden. Man darf also davon ausgehen, dass die verfügbaren Beispiele einem Querschnitt der Produktion entsprechen.
3.2.1 Standfototrailer
Kleinere Kinos verwendeten zu Beginn der Zwanzigerjahre noch Dias,
um den kommenden Film anzukündigen. Diese wurden schließlich
durch Standfoto-Trailer ersetzt, die sogenannten «short trailers» des National Screen Service, die billiger waren als eigentliche Filmtrailer.25 Die
erhaltenen Standfoto-Vorschauen stammen aus den späten Zwanzigerjahren. Sie bestehen aus drei Ebenen. Die erste bilden Hintergrundgrafiken, die eine in der Atmosphäre dem Genre des Films entsprechende
Kulisse zeigen und mandel-, kreis- oder herzförmige Aussparungen enthielten. Diese Aussparungen dienten als Rahmen für Abfolgen von
Standfotos. Über diesen Grundraster aus Grafiken und Standfotos legten
sich Texteinblendungen mit Starnamen, Plot-Charakterisierungen und
erlebnisbeschreibenden Adjektiven. Seit 1924 wurden optische Printer
verwendet, die solche Einblendungen in Form von Ausrolltiteln ermöglichten (Salt 1983, 168). In Trailern mit Filmmaterial wurden grafische Effekte vor allem in den Einleitungs- und Endtitel-Partien verwendet
(Abb. 15). In den Standfoto-Trailern hingegen bildeten die grafischen
Elemente mit der Abfolge der Fotos ein rhythmisches Wechselspiel. Beliebt waren auch expressive Typografien. Im Trailer zu einem Abenteuerfilm über eine Nordpolexpedition war ein Titel mit dem Wortlaut
«THRILLS!» zu sehen, der vom oberen Bildrand gewissermassen hereingeschneit wird – Flocke um Flocke –, um schließlich einen Moment lang
in einem Schriftbild zu erstarren, das an Eiszapfen erinnert.26 Dramaturgisch folgen die Standfototrailer in den späten Zwanzigerjahren noch
dem Muster von Plakat und Inserat; sie werden aber in den frühen Dreißigerjahren zu einer Form weiterentwickelt, die neben Texteinblendungen auch Musik und Sprecherstimmen einsetzt und auf der klassischen
Struktur basiert.
25 Noch in seiner Ausgabe von 1924 mahnt das Branchenhandbuch Film Daily Yearbook
die Kinobetreiber zum Einsatz von Trailern: «The exhibitor who still resorts to slides is
overlooking the unusual advertising value of his own screen.» In: Film Daily Yearbook,
New York 1924, S. 483.
26 UCLA VHS.
97
Abb. 15 Bewegte Typografien: EndtitelPassage aus dem Trailer zu Keeper of the Bees
(FBO 1925).
98
3.2.2 Filmtrailer
Stummfilmtrailer bestehen im Minimum aus einem Filmtitel und einigen
Ausschnitten (Vgl. auch Abb. 13). Der Trailer für Cindirella’s Twin (Metro
1920)27 beginnt mit einem Titel:
Metro-Screen Classics
present
Lola Dana
in
Cindirella’s Twin
Copyright 1920
Metro Screen Pictures Corporation
Controlled by Loew’s Incorporated
Darauf folgt eine Reihe von Szenen: Star Lola Dana hantiert an einem
Speisenlift in einer Großküche und rennt dann plötzlich zur Tür hinaus.
Lola Dana klettert eine Feuerleiter hinunter; die letzte Sprosse ist weit
vom Boden entfernt; sie lässt sich hängen und stürzt. Lola Dana spaziert
auf dem Gehsteig im Menschengetümmel und stellt sich an einer Straßenecke auf; neben ihr ein Polizist; sie bemerkt ihn und flüchtet. Lola Dana
sitzt neben einem männlichen Begleiter in der Achterbahn-Lore, wird
durchgeschüttelt und verzieht das Gesicht zu Grimassen. Dieser Trailer
dauert 50 Sekunden, und die Ausschnitte erscheinen auf den ersten Blick
als «insanely assorted and wholly unconnected». Betrachtet man sie aber
im Zusammenhang mit dem Titel, dann ergibt sich ein anderes Bild. Der
Titel Cindirella’s Twin baut eine Erwartung bezüglich der Hauptfigur auf,
die vom ersten Ausschnitt eingelöst wird: der Star bei der Küchenarbeit.
Weil das offenkundig unzumutbar ist, wagt Lola ein «auslösendes Ereignis», den Ausbruch. Eine abenteuerliche Flucht folgt, eine Konfrontation
mit einem Polizisten und als Belohnung die Achterbahnfahrt mit dem
Märchenprinzen. Man könnte bei diesem Beispiel von einer rudimentären Zweidrittelstruktur sprechen, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass in
kleineren Kinos ein Filmerklärer zugegen war. Dieser konnte das Geschehene für die Zuschauer nach einem ähnlichen narrativen Muster
entziffern, wie dies für Dias oder die im letzten Kapitel erwähnten
Handzettel schon gebräuchlich war.
Eine andere Lösung für das Problem der Informationsvergabe stellen kurze Trailer aus den späten Zwanzigerjahren dar, die sich aufs Zeigen einzelner Szenen beschränken und diese mit Grafikelementen anrei27 UCLA VHS.
99
chern. Der Trailer für Hot Heels (Universal 1928)28 dauert 47 Sekunden
und besteht aus acht Einstellungen und zwei Titeln. Er beginnt mit einer
Texteinblendung mit Filmtitel, Star-Namen und Studiolabel. Wir sehen
ein Paar – die beiden Stars des Films, Patsy Ruth Miller und Glenn Tyron – frenetisch tanzend inmitten einer Abendgesellschaft. Tyron umarmt und küsst Miller, worauf sie ihn ohrfeigt und aus dem Raum rennt.
Tyron stürzt ihr hinterher und reißt sie am Arm zurück. Miller wirbelt
herum, fällt hin und landet auf dem Hintern, stützt die Arme ein und
markiert Empörung. Schnitt auf die erheiterte Gesellschaft. Tyron tanzt,
die Hände in den Jackentaschen, allein weiter. Über einer Grafik mit Silhouetten von Wolkenkratzern und einem tanzenden Paar werden Textzeilen ausgerollt:
A boy’s mad race for romance
against an actress who travels
at her fastest!
in «Hot Heels»!
Wie die Standfototrailer hat auch dieses Beispiel letztlich die Struktur eines animierten Plakats. Die Formel erweist sich aber als äußerst variabel.
Der Trailer zu Fred Niblos Spionageromanze The Mysterious Lady (MGM
1928)29 mit Greta Garbo und Conrad Nagel weist dieselbe Struktur auf,
nur montiert er Material aus vier Szenen zusammen. Die erste Einstellung zeigt Nagel in einem dunklen Innenraum links. Rechts davon,
leicht erhöht, Garbo. Sie zündet eine Fackel an, und ein fahler Lichtschein fällt auf ihr Gesicht und ihren Körper, den ein leichtes Kleid bedeckt. Die zweite Einstellung zeigt die beiden bei einem innigen Kuss.
Schnitt auf eine Einstellung von Nagel in Offiziersornat in einem Bahnabteil. Eine Tür öffnet sich, eine Frauenhand in schwarzem Handschuh
winkt lockend; Nagel steht auf und geht nach links durch die Tür.
Schnitt auf eine Einstellung, in der er von rechts in dunklem Anzug einen Raum betritt. Garbo wartet auf ihn am linken Bildrand; sie öffnet
eine Geheimtür in der Wand. Nagel küsst innig ihre Hand und verschwindet durch diese Tür. Im Zusammenspiel mit dem Titel und der
Textkarte «Russia’s Most Famous Woman Spy» lotet diese Montage drei
Aspekte von Garbos Starimage aus und gibt zugleich eine vage Vorstellung einer Storyline: In der ersten Einstellung sehen wir Garbo die Göttliche, die sich anbeten lässt. In der zweiten sehen wir Garbo als Liebhaberin. In der dritten sehen wir sie – repräsentiert durch ihre Hand – als
28 LC, safety reference print No. 0086790200.
29 LC, saftey reference print No. 0086820300.
100
Abb. 16 Das Star-Image als narratives Image...
Agentin in Aktion. In der vierten schließlich kommen der Aspekt der
Geliebten und der Agentin zusammen. Während der Trailer für Hot
Heels die Szene mit dem tanzenden Paar zur Synekdoche für den Film
macht, arbeitet der Trailer zu The Mysterious Lady stärker assoziativ, und
seine Ausschnitte exemplifizieren weniger die Qualitäten des Films als
jene der Figur und des Stars: Das Star-Image wird zum narrativen Image
(Abb. 16).
Vergleichsweise unstrukturiert wirken dagegen manche längeren
Trailer aus der Mitte der Zwanzigerjahre, die Szenen durch Zwischentitel mit extrafiktionaler Narration verbinden. Der Trailer zu Thief in Paradise (Goldwyn/First National 1924)30 mit Doris Kenyon und Ronald Colman besteht aus einer Liste von Attraktionen, gefolgt von Andeutungen
zu Protagonisten, Schauplatz und Konflikt. Er dauert 125 Sekunden und
zählt 16 Einstellungen im Wechsel mit Zwischentiteln:
The fight below China waters –
A polo match – blondes vs. brunettes in bathing suits
Another thrill to set you atingle
An undersea dance – a society revel of beauteous luxury and luxurious beauties
San Francisco’s Bohemian quarter where the thief has a rendezvous –
The thief holds the key to any heart — no wonder women love him –
He steals kisses and hearts – he knows how – A Thief in Paradise
The most colorful pageant of thrilling entertainment the screen has ever
pictured — asparkle with the wine of life — soul-searching in drama
Für die Stummfilmzeit charakteristisch, trennt dieser Trailer die Auflistung der Schauwerte von der Präsentation der Stars, zwei Stränge, die
30 UCLA, VHS Trailer Collection No. 1247, Item 1.
101
...Trailer zu The Mysterious Lady (MGM 1928).
sich in späteren Trailern miteinander verbinden. Klassisch ist hingegen
seine Strategie der Informationsvergabe. Er zeigt die attraktiven Szenen:
gibt aber den Plot nicht preis. Formulierungen wie «another thrill to set
you atingle» und «the most colorful pageant the screen has ever pictured»
werden überdies auch in den Fünfzigerjahren noch gängig sein.
Vollständig ausdifferenziert sind die Argumentationsstrategien.
Der Trailer zu Thief in Paradise verkauft den Film über Schauwerte, Romanze und Abenteuer. Der Trailer zu Frank Borzages The Lady (Joseph
M. Schenk, First National 1924)31 setzt auf die schauspielerische Leistung
von Hauptdarstellerin Norma Talmadge. Er dauert 112 Sekunden und
besteht aus 12 Einstellungen und 9 Texteinblendungen:
When New Yorkers saw A. H. Wood’s great play The Lady on the stage, they acclaimed it the greatest drama of the day.
Now Norma Talmadge brings it to the screen with all the charm and appeal of
her glorious personality.
31 UCLA, VHS Trailer Collection No. 1247, Item 6.
102
Abb. 17 Production Values: Texteinblendung im Trailer zu Ben Hur (MGM 1925).
Daringly, dramatically, wonderfully it pictures the story of a girl misled in love.
Only Norma Talmadge could rise to such heights of emotion as these scenes
show –
(7 Einstellungen von Talmadge in Konflikten mit verschiedenen Partnern, wobei
ein Herr im Zylinder als «love interest» identifizierbar wird)
It is far above her best previous pictures – yes, it surpasses «Smilin’
Through» and «Secrets».
It is the story of a woman’s heart that will live in your heart unforgettably.
Analysiert man diesen Trailer nach der breiter gefassten Formel der klassischen Struktur – (Intro + Titel)/Durchführung/Endtitel –, so lässt er
sich bereits als Beispiel für den klassischen Modus beschreiben. Er führt
einen Diskurs über den Film, belässt es bei Andeutungen über die Story
und verwendet extrafiktionale Narration mit typischen Formulierungen
wie «now, yes», Antizipation der Erinnerung und Verweis auf die Vorlage.
Noch näher am klassischen Modus ist der Trailer zu Ben Hur (MGM
1925; Abb. 17):32
32 LC, saftey reference print.
103
The Mind of Man Has Never Pictured A More Marvelous Production!
The Eye of Man Has Never Seen Ist Equal!
Nothing Like it Before – Perhaps Never Again!
Metro-Goldwyn-Mayer presents
BEN-HUR A Tale of the Christ By General Lew Wallace
The Most Amazing Attraction in Motion Pictures – Three Years in the Making – One Hundred and Fifty Thousand People in the Cast!
Darauf folgen diverse spektakuläre Szenen, unter anderem natürlich das
Wagenrennen. Der Trailer verwendet also das Muster Intro/Titel/Durchführung/Endtitel. Dominant ist die klassische Struktur aber
auch am Ende der Stummfilmära noch nicht. Vielmehr bringt das Bemühen um Standardisierung zunächst mehrere Grundmuster hervor, zu denen neben der klassischen Struktur auch die Formel der Hot Heels- und
The Mysterious Lady-Trailer zählt.
3.2.3 Spezialfälle
Der Trailer zum Mantel-und-Degen-Film Bardelys the Magnificent (MGM
1926) mit John Gilbert zeigt, wenn auch in anekdotischer Manier, dass
auch die Simulation des Films schon zu den Optionen des Stummfilmtrailers gehörte. Er dauert rund 285 Sekunden und beginnt mit StudioLabel, Titel, Star-Namen und Nennung des Regisseurs. Danach folgt
eine Cast-Liste, wie sie im Vorspann von Spielfilmen bis Anfang der
Fünfzigerjahre üblich war. Daran schließt eine lineare Schilderung von
Bardelys’ Liebesabenteuer und seinen Auseinandersetzungen mit intriganten Rivalen an, denen er in mehreren Fechtduellen gegenübertritt.
Eine Parallelmontage zeigt die Bösewichte bei konspirativen Handlungen, während der romantische Held seine Geliebte über einen Teich mit
Schwänen rudert. Das Finale bildet eine Schloßhofszene: Der Held soll
enthauptet werden, doch er entkommt im allgemeinen Getümmel. Die
letzte Einstellung zeigt, wie er von einer Zinne in die Tiefe springt. Es
folgt die Texteinblendung «THE END»: eine Simulation des Films mit
Cliffhanger, wie sie im zweiten Modus gebräuchlich wird.
Trailer wurden zudem schon in den frühen Zwanzigerjahren als
Mittel der «business to business»-Reklame eingesetzt. Im Zug der Strategie, die Werbung auf einzelne Filme zu fokussieren, entwickelten die
Studios sogenannten «product reels». Die Kinobetreiber buchten meist
blind, aufgrund von Titeln oder Kurzresumés, und dass sie den Inhalt
nicht kannten, hinderte sie, die Filme gezielt zu bewerben. Hodkinson
setzte deshalb 1922 erstmals längere Trailer ein, die den Film zusammen-
104
fassten und den Kinobetreibern darlegten, welche Aspekte der Produktion sich besonders gut vermarkten ließen.33 Ab 1923 verwendete auch Paramount dieses Format, und es ist, wenn auch mit etwas anderer Funktion, nach wie vor in Gebrauch. Bei den Jahreskongressen der National
Association of Theatre Owners in Las Vegas und Atlantic City zeigen die
Studios jeweils «product reels» ihrer Hauptattraktionen und führen auf
der Basis des Gezeigten Vertragsverhandlungen mit den Kinobetreibern.
Von Joseph Kennedys Film Booking Office (FBO)34 sind zudem zwei
Trailer erhalten, die Stars vorstellen und aus Probeaufnahmen zweier
junger Western-Darsteller bestehen. Es ist vorstellbar, dass diese Trailer
sowohl in der brancheninternen Reklame als auch in der Publikumswerbung eingesetzt wurden.
Ebenfalls weit verbreitet waren in der Stummfilmzeit Trailer für
Bühnenattraktionen. Im Archiv der UCLA ist ein Trailer für Will Rogers
erhalten, der rund vierzig Sekunden dauert und aus einer Titelkarte besteht mit der Aufschrift «coming to this theatre soon» sowie zwei längeren Einstellungen.35 Rogers, ein Häuptlingssohn aus Oklahoma, wurde
1879 geboren und begann seine Karriere als Reiter in Westernshows, bevor er zum Vaudeville-Star avancierte und in den Zwanzigerjahren auch
als politischer Kolumnist und Radiokommentator Berühmtheit erlangte.
Der Trailer für seinen Auftritt dürfte aus den Jahren 1921/22 stammen,
als Vaudeville-Impresario Ziegfeld seine Revue mit Will Rogers auf landesweite Tournee schickte (Yagoda 1993, 187). Er zeigt Rogers im Cowboy-Outfit vor dunklem Hintergrund, wie er mit einem Lasso Tricks
vorführt. Das weiße Seil wirkt, als würde man im Dunkeln ein bengalisches Zündholz kreisen lassen.
Auch in der Tonfilmzeit warben Trailer noch für Auftritte von Bühnenkünstlern. Als Duke Ellington im Frühjahr 1931 mit seiner Showband
in einem Kino in Omaha, Nebraska, auftrat, ließ der Veranstalter einen
Kurzfilm mit einer Konzertaufnahme laufen und spielte zugleich mit
dem zweiten Projektor einen Trailer mit Titeleinblendungen, den er eigens hatte anfertigen lassen.36 Solange die Kombination von Vaudeville
und Kinoprogramm noch gepflegt wurde, ließen bekannte Künstler oft
auch auf eigene Rechnung Trailer herstellen.37
33 «Trailers to Be Issued On All Hodkinson Films For Exhibitor Preview». In: EH, Vol. 16,
No. 1, 30. Dezember 1922, S. 49. «Visual Sales Plan Is Accomplished». In: EH, Vol. 16,
No. 2, 6. Januar 1923, S. 29.
34 UCLA, Trailer Collection No. 1247, Items No. 6, 7.
35 UCLA, Trailer Collection No. 1247, Item No. 11.
36 «Ballyhoo Helps Name Shows in Small Key Spots». In: MPH, 23. Mai 1931.
37 «…when big time vaudeville contemplated its last come-back, the importance of talking trailers was stressed by executives […] big acts made talking trailers at their own
105
3.3 When the Trailer Comes Alive:
Fragen zur Aufführungsdramaturgie
Zu den Nebenattraktionen in Kinos der späten Zehner- und frühen
Zwanzigerjahre gehörte oft auch ein Prolog, eine Bühneninszenierung
von Motiven aus dem Film, die der Vorführung unmittelbar voranging.
Das Circle Theatre in Indianapolis zeigte im Herbst 1916 vor dem Epos
Less Than the Dust mit Mary Pickford eine aufwendige Tanznummer, für
die eigens eine Revuebühne mit Freitreppen und Plattformen errichtet
wurde. Ein gedrucktes Programm informierte das Publikum, dass die
Handlung in Indien spielte und die Primaballerina Beulah Skallerup,
eine Engländerin, ihre Jugend dort verbracht hatte. «[The prologue] was
successful in the highest degree in putting the spectators in a receptive
mood for the tale of India which followed», so der Manager des Theaters.38 Die Prologe erfüllten eine ähnliche Funktion wie die Filmvorspanne. Griffith drehte aufwendige szenische Vorspiele für Intolerance (1916)
und Broken Blossoms (1919),39 während Jack London persönlich im Vorspann einer Filmversion von The Sea Wolf zu sehen war (Bowser 1990,
256). Die szenischen Prologe entwickelten sich indes bald zur eigenständigen Attraktion. So investierte Kino-Impresario Sid Grauman aus Los
Angeles große Summen in Prologe, die er dann auch auf Tournee schickte, und in den großen Häusern gehörten sie bis zum Ende der Stummfilmzeit zum Repertoire.40 In den frühen Zwanzigerjahren spezialisierten
sich mehrere Regisseure auf die Verfilmung dieser Vorspiele, und auf
dem Höhepunkt ihrer Popularität wurden Prologe eigens rezensiert.41
Prologe funktionierten an sich schon als Werbemittel und als Mittel
der Produktedifferenzierung, erlaubten sie doch den Kinos, sich von
38
39
40
41
expense because by seeing and hearing them a week in advance, greater enthusiasm
was created and better business was sure to result.» «YOU CAN’T SELL GOLD WITH
APPEAL OF BRASS.» Artikelauszug aus einem Inserat von National Screen Service
In: MPH, 23. September 1933.
«Striking Symbolic Scene Prologue to Pickford at Circle, Indianapolis». In: ETR, 16.
Dezember 1916.
Pat Kirkham: «Looking for the Simple Idea». In: Sight & Sound, Februar 1994, S. 16.
«A Good Prologue». In: MPW, 5. September 1925. Vgl. dazu auch Crafton (1997,
250ff.).
«Original Prologue To Cannibals Film Wins Much Praise». In: EH, Vol. 8, No. 8, 15. Februar 1919, S. 23. «Grauman's Baseball Prologue a Winner». In: EH, Vol. IX, No. 8, 16.
August 1919, S. 61. «Grauman's North Woods Prologue Effective for Behold My Wife».
In: EH, Vol. 11, No. 19, 6. November 1920, S. 64. «Grauman's Prologues Effective». In:
EH, Vol. 15, No. 1, 1. Juli 1922, S. 41. «Calicott's Prologue Circuit. To Circuit Prologues
Among Coast Theatres». In: EH, Vol. 10, No. 23, 5. Juni 1920, S. 51f. «The Prologue Review». In: EH, Vol. 13, No. 12, 17. September 1921, S. 49.
106
Konkurrenzhäusern abzuheben (Crafton 1997, 250).42 Ihre Gestaltungsmittel wurden aber auch verwendet, um den Trailer zu ergänzen oder
zu ersetzen. Weil der Werbemann des Lincoln Theatre in Union Hill, New
Jersey, 1920 für die Fox-Produktion The Face at Your Window keinen passenden Trailer finden konnte, inszenierte er einen «advance prologue».
Dieser bestand aus einer «melodramatic pantomime working up to a rapid climax»: Der Vorhang geht hoch, man sieht ein Wohnzimmer und
hört sanfte Musik. Es ist Abend. Eine Frau liest einem kleinen Kind vor
und schaut immer wieder nervös aus dem Fenster. Eine Glocke ertönt.
Aufgeregte Menschen stürmen das Wohnzimmer und diskutieren mit
der Frau, lautlos versteht sich, es handelt sich ja um eine Pantomime.
Schließlich betritt ein Mann das Zimmer. Er küsst die Frau, umarmt das
Kind. Sie setzt sich ans Klavier und singt ein Lied. Am Ende des Lieds
wird ein grüner Spot auf das Fenster gerichtet. Man sieht eine weiße
Hand und schließlich das grimmige Gesicht eines Mannes. Die Frauen
schreien, der Mann greift nach seinem Revolver, doch bevor er zielen
kann, fallen drei Schüsse. Das Licht geht aus. Eine elektrische Leuchtschrift wird über der Bühne sichtbar: «The Face at Your Window. All Next
Week.»43
In solchen Inszenierungen verwischen sich die Grenzen zwischen
filmischer Fiktion, theatralischer Repräsentation und Werbung. Sie bewirken eine Einbindung der Werbung ins synästhetische Spektakel des
Filmpalastes und verweisen auf eine Affinität, die zwischen Unterhaltung und Werbung ohnehin besteht. Der Filmpalast war «[a] shrine of
democracy where there are no privileged consumers» (Barry/Sargent
1927, 13), ein Tempel des demokratisierten Konsums, in dem das Konsumritual zugleich die Demokratie bekräftigte. Individualität und Egalität versöhnten sich im Filmpalast in einem Kontinuum des Konsums.
«There are no privileged consumers», und doch war jeder Kunde ein König; schließlich befand man sich in einem Palast. Das Grosskino diente
mithin als Vollzugsanstalt jener «democracy of goods», die die Werbung
Ende der Zwanzigerjahre propagierte (Marchand 1985, 217ff.): Im Filmpalast verwirklichte sich das Ideal einer Gleichberechtigung, die in der
gleichmäßigen Verteilung von Kaufkraft und der gerechten Zuweisung
42 «By Word of Mouth». In: EH, Vol. 11, No. 22, 27. November 1920, S. 51. Von diesem Effekt versuchten manche Kinobetreiber zusätzlich zu profitieren, indem sie die Trailer
unmittelbar nach dem Prolog und vor dem Film zeigten. Charles E. Carey: «Money
Making Ideas». In: EH, Vol. 12, No. 26, 25. Juni 1921, S. 48.
43 «Advance Prologue Replaces Film Trailer for Fox Film». In: EH, Vol. 12, No. 6, 5. Februar 1921, S. 58.
107
von Chancen besteht, sich als Individuum über das Konsumverhalten zu
definieren.
Trat man in den Filmpalast ein, fand eine Verwandlung statt: «All
the decorative details are elements that make up the atmosphere of a palace, to stimulate the imagination of tired minds and re-create the
strength of weary hearts» (Barry/Sargent 1927, 12). Der Filmpalast ein
«land of romance», Ort einer inneren und äußeren Metamorphose. «It is
good and soothing and pleasing to the public to come into a theatre that
has been transformed into a piece of the Orient», rechtfertigte Theaterproduzent Morris Gest einen exzessiven Prolog aus dem Jahr 1928, als
die Vorspiele wegen ihrer Kosten ins Kreuzfeuer der Kritik gerieten.44
«Eskapistisch» waren mithin nicht nur die Filme, sondern die ganze Umgebung ihrer Präsentation. Das «land of romance» begann schon in der
Lobby und ging in den Bühneninszenierungen fliessend in die filmische
Fiktion über. Die Prologe markierten in diesem Sinn eine Schwelle, die in
anderer Weise auch heute noch dem Filmkonsum vorgeschaltet wird. In
den USA befinden sich die meisten Kinos in Malls. Diese großen Shopping-Center werden so konzipiert, dass sie von außen nicht zu überblicken sind; sie haben keine eigentliche Fassade. Sie bestehen zudem aus
Innenräumen, die kein Außen kennen und bedachtsam auf diesen Effekt
der Abgeschlossenheit hin inszeniert werden. Sie stellen «intensive, image-filled places» dar, «designed to attract consumers and sell products
and service to them» (Severini Kowinski 1983, 56). Die Mall-Architektur
schafft mit anderen Worten eine abgeschlossene Welt des Genusses, eine
Erlebniswelt des Konsums, in der die Filme, ähnlich wie schon in den
Filmpalästen, nur ein Angebot unter vielen darstellen.
Malls wie Filmpaläste inszenieren den Konsum als Erlebnis, ein
Thema, das seit den frühen Zwanzigerjahren auch in der Produktewerbung im Vordergrund steht. In den Zehnerjahren beschrieben Inserate
noch das Produkt und seine Eigenschaften, in den Zwanzigern hingegen
rückten die Konsumenten und ihre psychologischen Gratifikationen ins
Zentrum, «the psychic byproducts of owning the product» (Marchand
1985, 10). Im Kino ist das Erlebnis nicht Begleitprodukt, sondern das
Produkt selbst, oder zumindest ein wesentlicher Aspekt davon. Filmwerbung beschreibt denn auch weniger das Erlebnis, das der Konsum
des Produktes gewährt, sondern sie beschreibt das Erlebnis als Produkt.
Im Filmpalast gehören dazu neben Filmen auch Bühneninszenierungen
gehören, und es erstaunt nicht, dass Mischformen von Trailern und Bühneninszenierungen vorkommen, solange theatralische Elemente zu den
44 «Pictures and People». In: MPN, 28. Januar 1928.
108
Attraktionen des Kinoprogramms gehören, also bis in die Dreißigerjahre. In diesen Schwelleninszenierungen stellt das Produkt Unterhaltung,
wie die Filmpaläste es anboten, sich dar.
Im Frühjahr 1927 warb das State Theatre in Los Angeles für The
Show (MGM) mit einer Kombination aus Film und Vaudeville.45 Der
Trailer wurde vor dem Hauptfilm angespielt, bis zu einer Szene mit einem Zauberer. Die Projektion stoppte, und ein Magier trat auf die Bühne, angestrahlt von einem grünen Verfolgerscheinwerfer. Er zersägte
eine Frau und befreite sich aus Ketten; darauf wurde der Rest des Trailers gespielt.46 Noch in der frühen Tonfilmära waren Stunts beliebt. Im
York Theatre in Athol, Massachusetts, schloss 1931 beim Trailer zu Dracula (Universal 1931) der Vorhang, als der Titel «Out of the night came
Dracula» aufleuchtete. Im Orchestergraben blitzten Lichter, die Saalbeleuchtung begann zu flackern, und gebückt und in Hut und Schärpe
rannte ein Dracula-Double über die Bühne. Er lachte furchterregend und
schrie: «It’s Dracula». Der Rest des Trailers folgte, zunächst mit einer
jungen Frau, die sich aus einem Sarg erhebt.47 «A blaze of old-fashioned
showmanship», kommentierte bereits 1935 eine Branchenzeitschrift, als
das Paramount Theatre in Nashville, Tennessee, vor dem Trailer für das
Südstaaten-Melodrama So Red The Rose einen szenischen Prolog mit konföderierten Soldaten und einem Mädchen mit Blumenkranz zeigte.48
Bühneninszenierungen sah man zwar noch bis in die Vierzigerjahre im
Kino, aber sie waren selten geworden. Die Techniken der Produktedifferenzierung durch Werbung waren zudem Mitte der Dreißigerjahre
schon so weit standardisiert und verfeinert, dass die kreativen Exzesse
der Zwanzigerjahre obsolet erschienen.
45 «Made a Vaudeville Act Trailer For The Show». In: MPW, 12. März 1927, S. 130.
46 «Trailer Now Take Applause». In: LAT, 17. August 1928.
47 «Manager's Round Table Club: Hesse Uses Trailer To Good Advantage On Dracula
Film». In: MPH, 27. Juni 1931.
48 «Manager's Round Table Club: So Red The Rose Openings». In: MPH, 23. November
1935.
109
Kapitel 4
Make Them as Entertainment, Foster the
Habit: Trailer und Filmwerbung in der Ära
des klassischen Tonfilms, 1928–1948
Tell them pictures have a private grammar like politics or automobile production, and watch the
blank look come into their faces.
F. Scott Fitzgerald, The Last Tycoon, 1941
Im Frühjahr 1934 kündigte MGM den Vertrag mit National Screen Service
und eröffnete auf dem Studiogelände in Culver City eine eigene TrailerAbteilung. Warner Bros. hatte seit 1928 seine eigenen Vorschauen gefertigt, unter anderem, weil National Screen nicht auf Tonfilm eingestellt
war. Das Ausscheren von MGM leitete einen grundlegenden Wandel
von Produktion und Vertrieb ein. In den folgenden Jahren verlegte National Screen seine Produktion an die Westküste und verteilte die Trailer-Produzenten, die bislang in New York gearbeitet hatten, auf die Studios.1 Sieht man davon ab, dass Paramount 1939 ebenfalls eine eigene
Trailer-Abteilung einrichtete (wobei der Vertrieb weiterhin National
Screen überlassen blieb), so hatte diese Lösung bis in die Sechzigerjahre
Bestand.2 Sie gehört mithin zur Signatur der Industrie in der klassischen
Tonfilm-Ära.
MGM eröffnet seine Trailer-Abteilung an einem Wendepunkt in
der Entwicklung der Kinoreklame. «Trumpet blowing of adjectives will
give way to a trailer which in itself will have sufficient entertainment to
create a desire to witness the feature performance which it represents»,
hieß es in der Pressemitteilung.3 Die Vorschauen sollten im Tonfall zurückhaltender und in der Rhetorik effizienter werden: Absichtserklärungen dieser Art waren an sich nicht neu. Trailer mit Unterhaltungswert
versprach National Screen schon 1919, und der exzessive Gebrauch von
Adjektiven und Reizbildern in der Filmwerbung hatte immer schon für
1 «National Screen Unit Plan». In: MPH, Vol. 126, No. 12, 20. März 1937, S. 36.
h
2 «Paramount Trailers To Start January 5t ». In: MPH, Vol. 136, No. 12, 16. September
1939, S. 74. «Paramount Signs With Accessories». In: MPH, Vol. 137, No. 9, 2. Dezember 1939, S. 14.
3 «MGM Has 3000 Houses Lined Up For Trailers». In: MPH, 14. Juli 1934.
110
Kontroversen gesorgt. In den frühen Dreißigerjahren allerdings befand
sich die Filmindustrie in einer Situation, die eine Reform der Werbung
besonders dringlich erscheinen ließ.
Die Wirtschaftskrise hatte das Geschäft hart getroffen. Allein 1933
schloss ein Drittel aller Kinos; RKO und Paramount standen kurzzeitig
unter Konkursverwaltung, und mit Ausnahme von MGM mussten alle
Studios Verluste hinnehmen. Erstmals seit dem Publikumsschwund zwischen 1920 und 1922 sah man sich mit der Aufgabe konfrontiert, das
Publikum zum Kinobesuch überreden zu müssen. «The buying habits of
the motion picture public have changed», so MGM-Chef Louis B. Mayer.
«Whether we like it or not we know that no longer do people just go to
the movies. They go out seeking attractions now, and only attractions.»4
Neue und verbesserte Formen der Werbung sollten gezielt auf diese Attraktionen hinweisen. Die Verlagerung der Trailer-Produktion an die
Westküste schuf dafür eine Grundlage, erlaubte sie es doch, Werbemittel
und Filme besser aufeinander abzustimmen (abgesehen davon, dass die
Trailer zusätzliche Einnahmen brachten).5
Zudem stand die Industrie auch politisch unter Druck. Katholische
Interessenverbände setzten 1934 die Anwendung des Production Code
durch, eines Reglements für die Selbstzensur der Filmproduktion. 1930
formuliert vom Branchenzeitungsverleger Martin Quigley und dem Jesuitenpater Daniel A. Lord, enthielt der Code auch Vorschriften für die
Werbung. Die wirtschaftliche und politische Zwangslage der Dreißigerjahre führte mithin zu einer Standardisierung der Kinoreklame auf allen
Ebenen – Inhalt, Produktion und Vertrieb. Angekündigt hatte sich diese
Standardisierung schon in den Zwanzigerjahren, sie war aber weit gehend Postulat geblieben. Teil dieses Standardisierungsprozesses, Staigers fünfter Innovation, ist unter anderem die Verfestigung des klassischen Modus des Trailers.
4.1 «I am privileged to say a few words»:
Frühe Tonfilmtrailer
Eine Titelkarte: «John Miljan/Vitaphone Trailer Announcement/‹The
Jazz Singer›». Schnitt auf einen Bühnenvorhang. Ein Herr im Frack, in
4
5
Terry Ramsaye: «Hollywood Is Looking To New Business Order With Fewer Pictures». In: MPH, 6. Januar 1934, S. 9–12.
David O. Selznick schätzte, dass MGM mit den Trailern zu Gone With the Wind allein
50 000 Dollar einnehmen würde. Memo von Selznick an Ginsberg, 12. Dezember 1938,
SC Box 190 Folder 6.
111
der einen Hand einen Stock, in der anderen ein Blatt Papier, tritt auf,
räuspert sich und sagt:
Ladies and Gentlemen, I am privileged to say a few words to you in this
most modern and novel manner. Privileged because it’s the first living Vitaphone announcement ever made announcing the coming of one of the
year’s outstanding pictures.
Der erste Tonfilm-Trailer, ein kurzer Film, der sich als Bühneninszenierung ausgibt.6 Er weist eine klassische Struktur auf:
What is the picture? Well, of course you guess that I am referring to Warner
Brothers’ supreme triumph … Al Jolson in The Jazz Singer with Mae McAvoy
and Warner Oland and a superb cast directed by Alan Crosland and it was
taken from the play written by Samson Rafelson.
Nach dem Intro die Titelnennung, der Cast, der Regisseur und ein Verweis auf die Vorlage. Charakteristisch für einen klassischen Trailer ist
auch, was folgt – ein Premierenbericht.
Now this picture was Vitaphone accompanied and Al Jolson singing many
of his songs in his own inimitable manner is a big hit in New York to such
an extent that Warner Brothers’ theatre in New York where The Jazz Singer
is now playing is sold out for many weeks in advance. Now I’m going to
show you how they were trying to get in to see the opening performance of
The Jazz Singer in New York City.
Prominenz wie Jesse Lasky, Joe Schenck, Irving Berlin, Al Jolson persönlich und einige andere werden gezeigt. Trailer dieser Art, die Footage
von der Premiere enthalten, wurden noch bis in die späten Vierzigerjahre eingesetzt, um die Premieren in Städten außerhalb New Yorks anzukündigen.
Well… tremendous opening, wasn’t it? Now, I’m going to show you a few
scenes of what the crowd saw on the inside of the theatre.
Der Trailer versetzt uns also gleichsam nachträglich in die Position der
Premierenbesucher. Gezeigt wird vorerst nur eine Szene, ohne Ton. Darauf Miljan:
Well, how do you like that? (verfällt in einen Singsang) Well, you ain’t seen
nothin’ yet, brothers and sisters, as Al himself would put it.
6
Trailer The Jazz Singer, Warner Bros. 1927. WCFTR AB 820.
112
Abb. 18 Übertragung von kulturellem Prestige auf den Film...
Weitere Szenen folgen, wieder ohne Direktton. Hauptattraktion der frühen Tonfilme war der Dialog. Die Leute kamen, um ihre Lieblinge sprechen zu hören, und ähnlich wie klassische Trailer meist die Story unterschlagen, zeigt der Trailer zu The Jazz Singer zwar Ausschnitte, lässt aber
keine Dialoge hören.7 Schon im Trailer zu Michael Curtiz’ Tenderloin, der
im März 1928 Premiere hatte, sollte dies anders sein. Er zeigte den größten Teil der 15 Tonminuten des Films (Walker 1979, 76). Zum Abschluss
des Jazz Singer-Vorfilms spricht Miljan noch ein paar Worte und wünscht
den Damen und Herren eine gute Nacht. Dann verbeugt er sich und tritt
ab.
Der Trailer, so scheint es, ist ein parasitäres Format. Jede seiner
Neuerungen lehnt sich an bereits etablierte Formate an. Waren die ersten
Vorfilme animierte Plakate und gefilmte Inserate, so beziehen sich die
ersten Tonfilm-Trailer auf Vaudeville, Sprechbühne und Radioshow.8
Miljans Auftritt in der Conférencier-Rolle aus dem Vaudeville-Programm
reflektiert die enge Verbindung zwischen Film- und Bühnenunterhaltung, die sich einerseits in Genres wie dem Musical oder der Komödie
im Stil der Marx Brothers zeigte, andererseits aber auch in den Aufführungsdramaturgien, die noch bis in die Dreißigerjahre Film und Vaudeville verbanden. Auftritte dieser Art waren in Trailern aber auch noch
gängig, als sich diese Verbindung längst gelöst hatte. Sie lassen sich bis
zum Ende der klassischen Ära in rund 10 Prozent der Beispiele feststellen, und schon in den Zwanzigerjahren wird das Muster der direkten
7
8
E. M. Orowitz: «You Can’t Sell Gold With Appeal of Brass». In: MPH, 23. September
1933.
Lisa Kernan unterscheidet im Zusammenhang mit klassischen Trailern einen Vaudeville- und eine Zirkusmodus der Präsentation und führt insbesondere die direkte Ansprache auf das Vaudeville-Format zurück (Kernan 2000, Einleitung). Den Bezug zur
Radioshow stellt Donald Crafton heraus (1997, 126).
113
...Intro des Trailers von The Philadelphia Story (MGM 1941).
Ansprache über die Bühnensituation hinaus verwendet. Das Intro zu einem Trailer für einen Film mit Jack Colbanks von 1929 zeigt den Star,
wie er mit einem Flugzeug landet, beim Aussteigen über den Film erzählt und dann fragt: «Wouldn’t you like to see a few scenes?»9 Im Trailer für Dangerous Woman (Paramount 1929)10 sitzt Star Clive Brook im
Tropen-Outfit auf einer Dschungelterrasse. Der Film basiere auf seinem
Lieblingsbuch, so Brook, und gerade, als er Paramount vorschlagen
wollte, den Stoff zu verfilmen, habe das Studio ihm die Hauptrolle angeboten.
Meist waren es Nebendarsteller, die in direkter Ansprache ans Publikum oder in der Conferencier-Rolle auftraten. In seltenen Fällen konnte
es auch der Regisseur sein. Cecil B. DeMille agierte schon in seinen
Stummfilm-Trailern; Alfred Hitchcock war ab 1959 in den meisten seiner
Ankündigungen zu sehen. Große Stars allerdings verdingten sich als
Sprecher erst in den frühen Vierzigerjahren und wurden auch dann nur
zurückhaltend eingesetzt. Oft entschuldigen sie sich für ihren Auftritt; so
etwa Henry Fonda im Trailer zu The Oxbow Incident (TCF 1943). Stars
galten als kostbares Gut, und dieser Form der Selbstpromotion standen
die Studios offenkundig ebenso ambivalent gegenüber wie Starauftritten
in Radioshows (vgl. dazu Jewell 1984 und Gaines 1990).
Die Bühnensituation im Trailer zu The Jazz Singer schafft auch einen
Bezug zur Sprechbühne und verleiht dem Film eine Aura von Prestige –
ein rhetorischer Kniff, der in verschiedener Weise noch bis Ende der
Vierzigerjahre häufig verwendet wurde. Das Intro zum Trailer von The
Philadelphia Story (MGM 1941) besteht aus Texteinblendungen, die einer
Broadway-Leuchtreklame nachempfunden sind (Abb. 18):
9 Mordaunt Hall: «Those Exuberant Screen Barkers». In: NYT, 28. Juli 1929.
10 wie Anm. 6.
114
METRO-GOLDWYN-MAYER INAUGURATES A NEW SHOW SEASON
BY BRINGING YOU THE STAR-PACKED LAUGH-LADEN ROMANTIC
SMASH WHICH HAD BLASÉ BROADWAY ROARING FOR A SOLID
YEAR … AT $4.40 PER SEAT!
Ein Ticket in einem großen Kino kostete damals rund 1 Dollar. Die Nennung des Eintrittspreises suggeriert mithin eine Demokratisierung des
kulturellen Prestiges: Wir bieten das gleiche Spektakel, für ein Viertel
des Preises.
Die Bezugnahme auf die Radioshow schließlich nimmt noch einen
anderen Strang auf: den Pseudojournalismus, der die klassische Filmwerbung wesentlich prägt. Spätestens seit 1915 betrieben die Studios
Publicity in der Absicht, Filme zu medialen Ereignissen zu stilisieren, zu
Vorkommnissen, die bedeutsam genug waren, Gegenstand journalistischer Berichterstattung zu werden. «I want it to be like a big news break»,
instruierte beispielsweise Darryl F. Zanuck im November 1932 die Werbeleute von Warner Bros. bezüglich der Werbekampagne für Gold Diggers of 1933 (Haralovitch 1984, 51). Gemäß dieser Logik wurden auch
schon die Werbemittel gestaltet. Die Sprecherstimme in Trailern hieß anfänglich nicht von ungefähr «broadcast voice», und während der ganzen
klassischen Tonfilm-Ära imitierten Intros immer wieder journalistische
Formate.11
Die Bezugnahme auf andere Unterhaltungsformate und vor allem
auch das Angebot zur parasozialen Interaktion wurden vom Publikum
durchaus angenommen. «Previous to the advent of the talking-picture»,
so die L.A. Times im August 1928, «an advance trailer on the coming picture … was generally the signal for the audience to relax and rustle pro11 Der Trailer zu The Grapes of Wrath (TCF 1940) ist nach dem Muster eines Newsreel gestaltet. Ein weiteres Beispiel ist das Intro des Trailerscripts zu A Night in Casablanca
(Universal 1946):
Bild
1. MS von Fernschreibern
in Aktion
2. Totale von Radiosendeturm
3. Nahaufnahme von Hand, die Telegrafensignal bedient, mit entsprechendem
Toneffekt
4. Nahaufnahme von Signet: ON THE AIR
5.
americaine von Radiosprecher im
Schattenriss
6.
3 Shot der Marx Brothers
Titel
F-L-A-S-H
CLEAR ALL NEWS WIRES
ALERT THE NETWORKS
HERE IS NEWS
Voice-over
A bulletin has just been handed to
me. Ladies and Gentlemen,
… if you are standing, sit down, if
sitting, lie down … we cannot be responsible for the effect of this announcement
… are you ready? Here it is:
THE MARX BROTHERS ARE BACK!
115
grams. Now it’s far different.» Im Warner Bros. Theatre in Los Angeles
spendete das Publikum nach jeder Vorführung des Trailers zu Lights of
New York Beifall. Conrad Nagel gab darin den Conferencier. Man hatte
ihn für 30 000 Dollar von MGM ausgeliehen, weil er über eine geeignete
Stimme verfügte. Auch Nagel sprach vor einem Bühnenvorhang und
verbeugte sich. Das Dispositiv von Vorhang und Ansprache fand ohnehin in den meisten frühen Tonfilm-Trailern Verwendung. Im Frühjahr
1928 produzierte William Fox für 2 500 Dollar einen Trailer, in dem
Schauspieler und Stars die Vorzüge des Movietone-Systems priesen. Sie
traten ebenso vor einem Theatervorhang auf wie John Gilbert, als er im
Frühjahr 1929 dem britischen Publikum die Neuheit des Tonfilms in einem Trailer von MGM näher brachte (Walker 1979, 68).
Von einer durchgängigen Standardisierung war man aber immer
noch entfernt, und es wurden in den frühen Dreißigerjahren Diskussionen um die Wirkung von Trailern geführt, die an jene zehn Jahre zuvor
erinnerten. «Screen trailers, in the last three years, have become one of
the most potent forms of theatre advertising», stellte ein Kinomanager
1931 fest, doch nicht alle seiner Kollegen teilten diese Meinung.12 Viele
empfanden die Trailer als langweilig und zweifelten ihre Werbewirkung
an.13 Dieser Eindruck rührte sicher auch von den limitierten technischen
Mitteln her. Die Möglichkeiten der Tonaufnahme und Mischung waren
beschränkt; so konnte man Filmszenen nicht mit derselben Musik unterlegen wie die Zwischentitel. Die Trailer für What a Widow (FBO 1930)14
und Ernst Lubitschs Monte Carlo (Paramount 1930)15 bestanden aus Texteinblendungen mit Musikbegleitung und Szenen, die nur Dialog enthielten; die Übergänge bildeten harte Tonschnitte. Strukturell erinnerten frühe Tonfilm-Trailer so oft an die ersten Stummfilm-Trailer. Ein Vorfilm
zu The Cohens and the Kellys in Scotland (Universal 1930) zeigt den Filmtitel, einige Szenen und einen Endtitel – ein Rückschritt im Vergleich mit
Trailern aus der Mitte der Zwanzigerjahre, die auch schon Texteinblendungen über Filmmaterial enthielten.
4.2 Trailer, Zensur und Standardisierung
Am 17. November 1933 rief das Exekutivkomitee der Produzentenvereinigung Motion Picture Producers and Distributors Association, beste12
13
14
15
Jack O’Conell: «Whaddaya Mean, ‹Best Fresh Eggs›?» In: MPH, 18. Juli 1931.
«Fox Trailer Reports Differ Widely On the Value of Ads». In: MPH, 23. Mai 1931.
LC, safety reference print No. 0170070400.
LC, safety reference print No. 0154350400.
116
hend aus Will Hays und den Firmenchefs der großen Studios, das Advertising Advisory Council (AAC) ins Leben.16 Das AAC war eine Abteilung der Production Code Administration. Seine Aufgabe bestand darin,
die Einhaltung des Advertising Code zu überwachen. Versuche, die Reklame zu domestizieren, hatte es schon früher gegeben. 1914 tat man
sich ein erstes Mal zusammen und verabschiedete einen Katalog von Gestaltungsregeln. Mit dieser freiwilligen Selbstkontrolle wollte die Industrie ihren Kritikern zuvorkommen, die sich über exzessiver Werbung
aufhielten. 1916 wurde zudem der Berufsverband der Associated Motion
Picture Advertisers gegründet, der sich unter anderem zum Ziel setzte,
das Niveau der Werbung anzuheben (Staiger 1990, 15). Die Selbstregulierung der Produktion nahm 1923 konkrete Formen an. Im Gefolge des
Skandals um Fatty Arbuckle berief der Produzentenverband den ehemaligen Postminister Will Hays zu seinem Cheflobbyisten.17 Eine von Hays’
ersten Amtshandlungen war die Ausarbeitung eines Gentlemen’s Agreement, einer Erklärung, mit der sich die Studios bei der Auswahl von
Stoffen und ihrer Umsetzung zu Sitte und Anstand verpflichteten. Punkt
13 untersagte Anzüglichkeiten in der Reklame (Kozarski 1992, 207). Besonders ernst nahm die Filmindustrie diese Erklärungen allerdings nicht,
und Anfang der Dreißigerjahre kam sie erneut unter Beschuss, vorab
von katholischen Interessenverbänden. Martin Quigley und Peter Lord
formulierten das Gentlemen’s Agreement aus zum Production Code. Dieser enthielt auch einen Advertising Code, dessen Durchsetzung der International Motion Picture Advertising Association übertragen wurde.
Auch diesen Zensurvorschriften schenkte man vorerst wenig Beachtung.
Als die Industrie aber die Folgen der Wirtschaftskrise zu spüren bekam,
witterten ihre Kritiker Morgenluft. Quigley forderte in seinen Editorials
im Motion Picture Herald 1933 immer dringlicher die Durchsetzung des
Dokuments,18 und die Legion of Decency setzte die Industrie mit Boykottdrohungen unter Druck. Die Studios fügten sich schließlich und be16 James P. Cunningham: «Industry Winning Its Own Fight to Prevent Objectionable Copy». In: MPH, Vol. 113, No. 6, 16. Dezember 1933, S. 17.
17 Der Filmkomiker Roscoe «Fatty» Arbuckle wurde 1922 in San Francisco des Mordes
an der jungen Schauspielerin Virginia Rappe angeklagt, die bei einer Party brutal vergewaltigt worden war. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos, Arbuckles Karriere allerdings war ruiniert (Kozarski 1992, 206). Kurz nach dem Publikwerden des Vorfalls
forderte die Purity League in Thermopolis, Texas, den Besitzer des örtlichen Kinos
auf, einen Film von Arbuckle abzusetzen. Der Kinobesitzer weigerte sich. Noch am
gleichen Tag stürmte ein Mob von 150 Cowboys das Kino, schoss die Leinwand in Fetzen und verbrannte die Kopie auf der Hauptstrasse des Städtchens. «Texas Cowboys
Seize Arbuckle Film After Shooting Up Screen». In: EH, Vol. 13, No. 15, 8. Oktober
1921, S. 44.
18 «Give Advertising Code Meaning, Says Quigley». In: MPH, 28. Oktober 1933.
117
schlossen, dem Code Nachachtung zu verleihen (Sklar 1975, 173; Doherty 1999, 95).19
Das Advertising Advisory Council wurde anfangs von J. J. McCarthy geführt, einem ehemaligen Presseagenten von Griffith. McCarthy unterstand direkt Joseph I. Breen, einem Gewährsmann von Martin Quigley,
der am 1. Juli 1934 zum Leiter der Production Code Administration ernannt
wurde (Miller 1994, 82). Dem Council mussten alle Plakate und Werbefotos zur Begutachtung unterbreitet werden. Eine Grundlage für die
Durchsetzung der Werbeaufsicht bildete der NRA, der National Recovery Act, ein Gesetz, das 1933 von der Administration Roosevelt eingeführt wurde, um Preise und Löhne zu regulieren. Die Produzentenvereinigung bemühte sich aktiv, die Filmindustrie dem National Recovery Act zu
unterstellen, hatten sich doch unter dem NRA alle Filmfirmen an die
Weisungen der Produzentenvereinigung zu halten (Haralovitch 1984a, 56).
Der NRA 1935 wurde zwar für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Das Advertising Advisory Council blieb aber bestehen, und die Regeln
des Advertising Code wurden mindestens bis 1940 strikt angewendet.
Damit trug die Industrie zum einen dem Druck von außen Rechnung; zum
andern aber bewährte sich die Werbezensur auch als Mittel der Marktkontrolle.
Filme, deren Werbung nicht von McCarthys Büro gebilligt wurde,
durften nicht in Kinos laufen, die MPPDA-Mitgliederfirmen gehörten.
Ab März 1935 mussten Firmen, die gegen den Advertising Code verstießen, zudem eine Busse von 5000 Dollar bezahlen. Kleinere Produzenten,
welche die qualitativen Mängel ihrer Filme durch reißerische Werbung
wettzumachen suchten, wurden dadurch benachteiligt. Die Werbezensur erlaubte den Studios zudem, gegen unabhängige Anbieter von Werbematerialien vorzugehen. In den späten Dreißiger- und frühen Vierzigerjahrejahren übernahm National Screen für die meisten Studios auch
Produktion und Vertrieb von Werbematerialien wie Plakaten und Lobbycards.20 Hatte es also zu Beginn noch so ausgesehen, als würde die
Trailer-Firma zu den Verlierern des Standardisierungsprozesses zählen,
19 Dass die katholischen Interessenverbände ihren Zensurdruck gerade in den Depressionsjahren verstärkten, hat vielleicht nicht nur mit der Verwundbarkeit der Filmindustrie zu tun. Ludwig Marcuse schreibt in seinem Buch über das Obszöne in der Literatur folgendes über Zensurbestrebungen, die in der Zeit der Aufklärung einsetzten:
«Solange die Autoritäten, die äusseren und die inneren, selbstverständlich funktionierten, war die Angst vor der Anarchie nicht zu mächtig. Die Entrüstung über das
Obszöne wurde um so grösser, je mehr man sich vom sexuellen Chaos bedroht fühlte:
der Ursprung aller Unordnung» (Marcuse 1984, 49). Man könnte an diese Überlegung
anschliessen und die These aufstellen, dass die Autoren des Code und ihre Parteigänger zwar die sexuelle Zügellosigkeit bekämpften, eigentlich aber die ökonomische
Anarchie der Depressionszeit meinten. Vgl. dazu auch (Maltby 1986).
118
war sie nun stärker ins Vermarktungssystem der Studios eingebunden
als je zuvor. Der Standardverleihvertrag verpflichtete die Kinobetreiber
im Prinzip schon Ende der Zwanzigerjahre, von den Filmfirmen «press
books·, Plakate und Standfotos zu übernehmen. Umsatzschwächere
Häuser bezogen ihr Material aber oft bei lokalen Firmen, die gebrauchte
Plakate und Standfotos anboten oder Plakate selbst herstellten. Die Tätigkeit des AAC schränkte den Spielraum dieser Anbieter erheblich ein
und diente damit nicht zuletzt den ökonomischen Interessen der Studios. An den Werbemitteln, die sie über National Screen vertreiben ließen,
verdienten sie mit, und durch die Tätigkeit der Unabhängigen gingen ihnen Einnahmen verloren. «They have no business being in the business»,
meinte 1936 ein Sprecher von Paramount über die Unabhängigen.21
Trailerscripts mussten dem AAC erst ab 1936 vorgelegt werden.
Auslöser für diese Zusatzmaßnahme war ein Trailer, den die New Yorker Werbeabteilung von Paramount für Frank Borzages Desire mit Marlene Dietrich und Gary Cooper hergestellt hatte, ohne den fertigen Film
gesehen zu haben. «It declared that at last sex had returned to the screen
and it went on in the old and lurid manner of three years ago», so die
New York Times.22 Dies mißfiel einer Zuschauerin aus Massachusetts. Sie
beschwerte sich bei Joseph I. Breen, der verfügte, dass künftig auch Trailerscripts dem AAC vorzulegen seien. Hinsichtlich Stil und Gestaltung
hatte der Trailer den klassischen Grad der Standardisierung allerdings
schon früher erreicht.
4.3 Produktedifferenzierung und Industry Identity:
Der klassische Modus des Trailers
Die extrafiktionale Narration mit direkter Adressierung des Publikums
war in ihren Grundzügen schon in den Zehnerjahren gegeben. Die klassische Struktur bildete sich im Verlauf der Zwanzigerjahre heraus, die
rhetorischen Parameter komplettierten sich zu Beginn der Tonfilm-Ära.
Was zum klassischen Modus in den frühen Dreißigerjahren noch fehlte,
waren seine drei prägnantesten formalen Merkmale: Texteinblendungen,
Trickblenden und Sprecherstimme. Texteinblendungen und Trickblen20 «Accessories». In: MPH, Vol. 122, No. 13, 28. März 1936, S. 9. «National Screen Plans
Ten Additional Branches». In: MPH, Vol. 125, No. 1, 3. Oktober 1936, S. 66.
21 «Paramount Offers Sale or Rental as Alternative on Accessories». In: MPH, Vol. 123,
No. 8, 23. Mai 1936, S. 14.
22 In: NYT, 10. Mai 1936.
119
den setzen leistungsfähige optische Printer voraus, die ein kostengünstiges Eindrucken von Schriftzügen und Überblendungen erlauben. Für die
Sprecherstimme bedarf es eines Mischverfahrens, mit dem sich der Tonspur Musik und Geräusche beimischen lassen. Um 1933 waren diese beiden Voraussetzungen gegeben, und sie wurden genutzt. Texteinblendungen kommen in 93,2 Prozent aller klassischen Trailer vor, Sprecherstimmen in 68,6 Prozent und Trickblenden immerhin in 45,1 Prozent
Optische Printer wurden schon in den Zwanzigerjahren eingesetzt.
Standfototrailer und die Grafikpartien von Filmtrailern enthielten nach
1924 oft Printer-Effekte. Die Technologie war aber teuer und umständlich. Texteinblendungen über Filmmaterial sind aus diesem Grund in
den Jahren vor 1930 nur in Trailern für Prestigeproduktionen wie King
Vidors The Big Parade (MGM 1925) anzutreffen.23 Um 1930 kamen seriengefertigte optische Printer auf den Markt, und die Studios richteten eigene Abteilungen für Printing ein (Salt 1983, 210). In Trailern tauchen die
ersten mit Filmmaterial kombinierten Grafikeffekte kurz danach auf. Der
Trailer zu Monte Carlo zeigt zu Beginn eine Lokomotive, darüber Titel
wie «A new kind of picture is on ist way here». 1932 brachte Bell & Howell mit dem Modell E den ersten Mehrkopf-Printer auf den Markt, der
das Aufdrucken von Texteinblendungen weiter erleichterte (Fielding
1967, 162). Dieses Gerät verfügte über zwei getrennte Köpfe für Bild und
Ton. Sie konnten in einem Arbeitsschritt aufbelichtet werden, das Bild
im «frame by frame»-Verfahren, der Ton im «continuous printing»-Verfahren. Das Bell & Howell-Modell E arbeitete noch nicht mit optischer,
sondern mit Kontaktkopierung. Die Texteinblendungen und Trickblenden wurden nicht, wie später üblich, an einem Internegativ ausgeführt,
sondern an einer Kontaktkopie. Das führte zu Qualitätseinbußen, die
sich allerdings im Rahmen hielten, standen doch seit Anfang der Dreißigerjahre Filmmaterialien mit verfeinertem Korn zur Verfügung.
Etwas länger dauerte die Entwicklung einer Tonmischtechnik, die
Sprecherstimme und Soundtrack zu kombinieren erlaubte. Um 1930 hatte sich das Movietone-Lichttonsystem von Fox durchgesetzt. Noch bis
1932 war es allerdings nicht möglich, Ton und Musik nachträglich zu
mischen; erst ab 1933 konnten Originaldialog und Musikpartien ohne
Qualitätsverlust kombiniert werden. Einen Durchbruch stellte 1935 das
«push-pull»-Doppelsoundtrack-Verfahren dar. Es ermöglichte mehrere
Generationen von Überspielungen und verschiedene Manipulationen
des Soundtracks (Salt 1983, 213). Trailer mit Sprecherstimmen sind aber
schon früher gebräuchlich; sie wurden bereits ab 1932 verwendet. Ein
23 LC, saftey reference print.
120
Abb. 19: Das Blut trieft aus dem optischen Printer: Aus dem Standfoto-Trailer für
Scarface (UA 1932).
Trailer zu Scarface (UA 1932)24 verbindet Grafikelemente, Standfotos,
Texteinblendungen mit einer Sprecherstimme. Das Intro besteht aus den
Texteinblendungen «Howard Hughes’ Thrilling Production/A White
Thunderbolt of Drama». Danach folgt eine Cast-Sektion mit Stills und
Kommentar, eine Abfolge von Szenenfotos sowie der Endtitel (Abb. 19).
National Screen bot solche Trailer 1932 als kostengünstige Alternative zu
den Modellen mit Filmausschnitten an.25 In ihrer Verschränkung der verschiedenen Parameter nehmen sie den klassischen Modus vorweg, und
in ihrer Ereignisdichte offerieren sie schon eine Lösung für das Problem
des Unterhaltungswerts: Aufmerksamkeit erregen Trailer spätestens seit
den frühen Dreißigerjahren mit einer Reizattacke.
24 LC, safety reference print No. 0141420500.
25 «Producers and Distributors of Trailers». In: Film Daily Yearbook 1933, New York:
Quigley 1932.
121
In den Jahren nach 1933 wird zudem die klassische Struktur dominant. In einer Gruppe von 20 Trailern für Fox-Produktionen aus den Jahren 1935 bis 1942 verfügen alle Beispiele über eine solche Struktur in reiner Form, unabhängig von Genre und Produktionsaufwand des Films.26
Ab Mitte der Dreißigerjahre wird somit ein Grundbestand an strukturellen, rhetorischen und stilistischen Parametern rekursiv verwendet. Trailer kommunizieren nun auch in verlässlicher Manier Qualitätsstandards
und eine «industry identity», übertragen sich doch dank der Homogenität der Werbeformate Qualitätserwartungen von einem Film auf den
nächsten, ohne Rücksicht auf die Studioherkunft.
Innerhalb dieses formalen Rahmens etabliert sich außerdem eine
Hierarchie von Verkaufsargumenten. Genrezugehörigkeit wird über kodierte Signale kommuniziert. So sind in Horror- und Thrillertrailern der
Dreißiger Frauenschreie mitunter auch dann anzutreffen, wenn die Szene keinen entsprechenden Anlass bietet. Ausdrückliche Genrebezeichnungen werden nur in Serialtrailern verwendet; diese enthalten Formulierungen wie «a twelve chapter serial». Serial-Trailer von Universal aus
den Dreißigern sind zudem schneller geschnitten als Spielfilmtrailer
(2,92 Sek. ASL im Vergleich mit 4,23 Sek.), was sich als sensuelles Korrelat des Genremerkmals «Action» lesen lässt. Hinsichtlich der übrigen
Verkaufsargumente stellt Janet Staiger die These auf, «Film advertisers of
the 1930s and 1940s emphasized plot over other aspects of a film» (Staiger 1990, 9). Meiner Analyse zufolge steht die Story indes nur dann im
Vordergrund, wenn sich sonst keine zugkräftigen Aspekte anbieten. In
klassischen Trailern gilt zunächst die Informationsvergabe-Strategie des
«showing as announcing». Man zeigt die besten Szenen, gibt aber die
Story nicht preis. Innerhalb dieser Vorgabe stellt man nach Möglichkeit
die Stars heraus, gefolgt von Schauwerten. Der Trailer zu Zinnemanns
The Seventh Cross (MGM 1944) erwähnt Anna Seghers’ literarische Vorlage nur am Rand und konzentriert sich auf Spencer Tracy und dessen
Karriere. Solche Gewichtungen entspringen einer komplexen, latent widersprüchlichen Haltung. Einerseits will man die Story nicht preisgeben,
weil sie das Produkt ausmacht; andererseits rückt man die Stars in den
Vordergrund, weil man davon ausgeht, dass das Publikum mit ihnen
mehr anfangen kann. «People remember people better than they remember plays», schrieb der Branchenjournalist und Filmhistoriker Terry
Ramsaye 1946. «Now, and forever, the first question is: ‹Who’s in it?›»27
Rückt in klassischen Trailern die Story in den Vordergrund, dann wer26 Privatkollektion von William K. Everson, New York.
27 «Star System». In: MPH, Vol. 167, No. 11, 14. Juni 1947, S. 7.
122
Abb. 20 Willkommen im abenteuerlichen Ausland. ...Intro des Trailers von Casablanca (Warner Bros. 1942).
den nicht zuletzt auch aus diesem Grund Figuren und Schauplätze dargestellt und nicht Story-Verläufe, wie das Beispiel von Casablanca zeigt.
4.3.1 Der klassische Storytrailer: Casablanca
In einem Zweidritteltrailer würde Casablanca (Warner Bros., 1942) ungefähr so zusammengefasst: Casablanca, 1941, die letzte Anlaufstelle für
Europäer auf der Flucht vor den Nazis. Hierher hat sich der Amerikaner
Rick zurückgezogen. Am Tag, als Paris fiel, verließ ihn die Liebe seines
Lebens. Zynisch geworden, führt er ein Café und pflegt Kontakte zu Polizei und Unterwelt. Just in sein Lokal verschlägt es eines Tages die Frau,
die ihn einst sitzen ließ. Sie ist mit ihrem Mann, einem Widerstandskämpfer, auf der Flucht. Rick besitzt die letzten zwei Visa für eine Überfahrt nach Amerika. Wem wird er sie geben?
Ein Zweidritteltrailer vermag all das durchaus mitzuteilen. Der
Vorfilm zu Braveheart (vgl. Kapitel 6) verfügt über eine ähnliche Erzähltiefe wie diese hypothetische Zusammenfassung, und er erreicht den
Punkt der offenen Frage nach 88 Sekunden. Der Trailer zu Casablanca28
hingegen dauert 132 Sekunden. In dieser Frist fasst er die Story nicht zusammen, sondern stellt sie anhand von zwei Teilaspekten indirekt dar:
Schauplatz und Personal. Der Trailer weist eine klassische Struktur auf,
und den Schauplatz führt das Intro ein (Abb. 20). Eine Iris-Aufblende
gibt den Blick auf eine Basarszene frei. Ein Mann flieht, ein Schrei ertönt:
28 Casablanca. Warner Bros. 1942. Regie: Michael Curtiz. Besetzung: Humphrey Bogart,
Ingrid Bergman, Paul Henreid, Sidney Greenstreet, Peter Lorre, Conrad Veidt. Länge
des Trailers: 132 Sekunden. Durchschnittliche Einstellungslänge: 3,46 Sekunden. Einblendtitel, Voice-over und Trickblenden. Produziert vom Trailerdepartment von Warner Bros. Visioniert auf Laserdisc. Textbasis: Transkript.
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«Hold!» Schnitt auf eine Totale: Polizisten zielen und erschießen den
Mann. Eine Texteinblendung wird aufgezogen:
IF YOU
ARE LOOKING FOR
ADVENTURE…
Leicht verzögert folgt die Ergänzung:
YOU WILL
FIND IT
Eine Wischblende gibt den Blick frei auf eine Totale des Basars. Darüber
eine Texteinblendung:
IN
«CASABLANCA»
Eine reizstarke Szene, verbunden mit einer direkten Adressierung, die
dem Publikum ein Bedürfnis nach mehr Aufregung dieser Art suggeriert
(«you are looking for adventure»), ergänzt um das Versprechen, dieses
Bedürfnis zu stillen. Filmtitel und Schauplatz werden, wie schon in Kapitel 1 angesprochen, mit Abenteuer in Verbindung gebracht. Zugleich
124
Abb. 21 Gefährliche Stadt, gefährlicher Mann. ...Die Stars werden erst gegen
Ende des Trailers eingeführt.
wird dem Film ein Mangel eingeschrieben. Euch fehlt etwas, teilt der
Trailer mit: Wir haben, was ihr braucht, und von dieser Art wird es sein.
Nach der Titelnennung setzt die Sprecherstimme ein und beginnt
die Durchführung; ein charakteristisches Beispiel für ein klassisches Voiceover, das oft als Statthalterin der Texteinblendungen auftritt. Acht Action-Szenen kommentierend, die alle mit Wischblenden verbunden sind,
gibt die Sprecherstimme eine nähere Beschreibung des Schauplatzes:
Casablanca. City of hope and despair, located in French Morocco in North
Africa. The meeting place of adventurers, fugitives, criminals, refugees lured
into this danger-swept oasis by the hope of escape to the Americas. But
they’ re all trapped for there is no escape.
Es folgt ein grober Umriss der Story, vorgetragen von der Sprecherstimme über sechs Einstellungen, welche die Nazis, Ingrid Bergman, Paul
Henreid und Sidney Greenstreet einführen sowie, in der 17. von insgesamt 39 Einstellungen, Humphrey Bogart.
Against this fascinating background is woven the story of an imperishable
love and the enthralling saga of six desperate people each in Casablanca to
keep an appointment with destiny.
Sechs Leute, mutmaßlich alle auf der Flucht vor den Nazis, Liebe,
Schicksal: soviel weiß man nach knapp der Hälfte des Vorfilms über die
Handlung. Die Passage über «imperishable love» wird zudem von einer
Einstellung begleitet, die Bergman und Henreid zeigt. Man hat also auch
eine erste Vorstellung davon, wer wen liebt.
Den nächsten Abschnitt bildet eine Cast-Sektion von 13 Einstellungen (Abb. 21). Die vier wichtigsten Figuren werden identifiziert und mit
Darstellernamen eingeführt, Bogart und Bergman zudem mit Rollenbe-
125
schrieb. Zu Beginn dieser Sektion sehen wir Bogart am Flughafen mit
Conrad Veidt. Die erste Einstellung ist eine Nahaufnahme mit Dialog: «I
was willing to shoot Captain Renauld, and I’ m willing to shoot you.»
Schnitt auf eine Einstellung über die Schulter von Conrad Veidt; Bogart
schiesst. Schnitt auf eine Nahaufnahme von Bogart in weissem Smoking:
HUMPHREY BOGART
Er rennt durch das leere Café und packt einen renitenten Gast beim Wickel:
THE MOST DANGEROUS MAN
IN THE WORLD’S MOST DANGEROUS CITY
Close-up von Ingrid Bergman; sie wirkt leicht verheult:
INGRID BERGMAN
Einstellung von Bergman, an Bogarts Rücken vorbei, aus der Szene in
Bogarts Zimmer:
FIGHTING THE STRANGE FASCINATION
THAT DRAWS HER CLOSER AND CLOSER TO HIM!
126
Schnitt auf einen lateralen 2-shot von Bogart und Bergman. Sie gesteht,
«you knew how much I love you … how much I still love you…», und
küsst Bogart. Wir wissen nun, dass es sich um ein Dreiecksverhältnis
handelt.
Paul Henreid und Sidney Greenstreet werden vorgestellt. Henreid
im Dialog mit Bogart; es handelt sich um ein «outtake», eine Einstellung,
die aus diesem Blickwinkel im Film nicht vorkommt. Henreid lässt erkennen, dass er von Bogart und Bergman weiss: «It’s perhaps a strange
circumstance that we should both love the same woman.» Die Szene mit
Greenstreet kommt im Film in dieser Form ebenfalls nicht vor. Sie zeigt
ihn im Gespräch mit Bogart; man erfährt, dass dieser Casablanca zu verlassen gedenkt. Die letzte ausgespielte Szene des Trailers ist ein Cliffhanger. Bergman bedroht Bogart mit dem Revolver; sie will die Herausgabe
der Visa erzwingen, die sie allerdings als «letters» bezeichnet. Im Vorfilm endet die Szene mit einer amerikanischen Einstellung von Bogart,
der sich auf die Kamera, das heisst auf Bergman und den Revolver, zubewegt. Man weiss nun, dass Bogart, Bergman und Henreid in einem
Dreiecksverhältnis stehen, dass Bogart Casablanca verlassen will und
Bergman offenbar nicht einverstanden ist.
Eine konkrete Storyline liefert auch die Cast-Sektion nicht, und die
Personenkonstellation des Films gibt sie in irreführender Weise wieder.
Bogart erscheint als hartgesottener Macho, Bergman als Frau, die ihm
verfallen ist. Man erfährt über ihn, dass er auf dem Absprung ist, und
über sie, dass sie Anlass hat, ihn mit einem Revolver zu bedrohen. Bergman als verzweifelte Geliebte: Nicht Bogart leidet an Bergmans Untreue
(wie im Film der Fall), sondern Bergman an derjenigen Bogarts. Aber
auch diese Lesart ist nicht zwingend. Denn was steht in den Briefen, deren Herausgabe Bergman verlangt? Sind es Liebesbriefe, die sie an Bogart geschrieben hat und die sie kompromittieren, falls sie beispielsweise
Henreid in die Hände fallen? Der Trailer wirft letztlich ein Bündel von
offenen Fragen bezüglich des Plots auf. «…tell them nothing about the
film, but make sure that everyone can imagine something that will bring
them to the theater», umschreibt Rick Altman diese Strategie der Kinoreklame in der klassischen Periode (Altman 1998, 11).
Den Abschluss bildet eine Sektion von fünf Einstellungen mit Texteinblendungen. Sie insistieren zunächst auf dem Komplex von Titel,
Schauplatz und Erlebnisqualität:
«CASABLANCA»
WHERE EVERY BURNING MOMENT BRINGS A NEW DANGER!
WHERE EVERY KISS MAY BE THE LAST!
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Dann wird der Cast wiederholt, und es folgt die abschließende Titelnennung. Eine Chronologie der Story lässt der Vorfilm nicht erkennen, und ein auslösendes Ereignis wird nicht markiert. Charakterisieren
kann man sein Verfahren in Analogie zu einem Spiel. Man erlebt keine
Kurzfassung, und auch die Spielregeln werden nur zum Teil erklärt; dafür bekommt man das Feld geschildert, die Figuren werden vorgestellt,
und man sieht einige, wenn auch aus dem Zusammenhang gerissene
Spielzüge.
Für diesen fragmentierten Spielbericht nutzt der Trailer zu Casablanca das ganze formale Repertoire des klassischen Modus. Er arbeitet
mit Texteinblendungen und Sprecherstimme, und er zählt 26 verschiedene Trickblenden. Zur vollen Entfaltung kommt dieses Erscheinungsbild
ungefähr 1935. Das früheste Beispiel in meinem Korpus, das alle Parameter des klassischen Modus einsetzt, ist der Trailer zu Hal Roachs Musical-Komödie Babes in Toyland (MGM 1934; Abb. 8, Kap. 1)29 mit Laurel
und Hardy. Er dauert drei Minuten und 26 Sekunden und weist eine
klassische Struktur auf. Er verwendet Texteinblendungen, die in alle
Richtungen ein- und ausgerollt werden, eine Sprecherstimme und 17
verschiedene Trickblenden. Dem Genre besonders angemessen ist eine
Trickblende in Form einer Achtelnote, die in der Bildmitte auftaucht und
durch den sich aufblasenden Notenkopf den Blick auf die nächste Einstellung freigibt. Differenziert ist auch die Musikdramaturgie. Im Intro
ertönt ein Marschmotiv, das in Verbindung mit dem gesprochenen Text
ein patriotisches Sujet suggeriert. Auf den Titel folgt eine Einstellung
von Laurel und Hardy, die friedlich schlafen, unterlegt mit einem lyrischen Streichermotiv. Die Castsektion wird wieder von flotter Orchestermusik begleitet. Die Passage, die auf die Musicalvorlage Bezug nimmt,
hat die Form eines Medleys, und beim Endtitel kehrt die Musik zurück
zum Marschmotiv. Überaus sorgfältig produziert, stammt dieser Vorfilm aus dem Trailerdepartment von MGM, das seine Arbeit im Februar
1934 aufgenommen hatte.
4.3.2 Gone With the Wind und After Office Hours:
Das Trailerdepartment von MGM bei der Arbeit
Für eine Mäßigung im Tonfall der Filmwerbung hatte Frank Whitbeck
(1882–1963), der Leiter der Trailer-Abteilung von MGM von 1934 bis
1957, sich schon stark gemacht, als der Production Code noch ein bloßes
Stück Papier war. 1931 kritisierte er, damals noch als Werbechef der Ki29 LC, safety reference print No. 0015100300.
128
nokette Fox West Coast Theaters, Carl Laemmle, als dieser Filmwerbung
im Stil der alten Zirkuswerbung als probates Mittel gegen den Publikumsschwund forderte.30 Whitbecks Stellungnahme mag erstaunen,
wenn man bedenkt, dass seine eigenen Wurzeln im Zirkus lagen. Seine
Karriere hatte er 1898 als Ausrufer bei Barnum & Bailey begonnen, und
seine dort entwickelten stimmlichen Talente nutzte er noch bis in die
Fünfzigerjahre als Sprecher in MGM-Trailern (für die er auch die meisten Scripts schrieb). Whitbecks Kritik war jedoch nicht ideologisch motiviert. Er sprach nicht als Alliierter der Kritiker der Industrie, sondern als
stilbewusster Filmwerber, und als solcher wurde er auch wahrgenommen. «Whitbeck has always been years ahead of the rest of the business
in his conception and production of trailers», urteilte David O. Selznick
1943 im Rückblick auf die Werbekampagne für Gone With the Wind.31 Gemeinsam mit Howard Strickling, der von 1919 bis 1969 Publicity-Chef
war, und Howard Dietz, dem Werbeleiter in New York, prägte Whitbeck
während der klassischen Ära von MGM die Reklame des Studios. Seine
Arbeit kann zudem als wegleitend für die Trailer-Produktion der Jahre
nach 1934 gelten.
Es war Whitbecks Idee gewesen, im Vorfilm zu Gone With the Wind
keine Filmausschnitte zu verwenden. Selznick, Dietz und Whitbeck hatten zunächst eine Kampagne in Erwägung gezogen, die den Film als
Kulminationspunkt der Hollywood-Geschichte darstellen sollte. Von
Dietz kam schließlich der Vorschlag, den Film nicht zu verkaufen, sondern nur anzukündigen: «no ballyhoo, no sales talk – on the assumption
that we do not have to sell Gone With the Wind, we simply have to let
people know it is coming».32 Whitbeck schlug sieben verschiedene Trailer vor, realisiert wurden schließlich drei: ein einfacher Ankündigungstrailer, ein Vorfilm mit Kritikerzitaten, der nach der Premiere produziert
wurde, und ein Zehnminüter mit Hintergrund-Informationen.33 Die
Funktion des Vorfilms bestand nur darin, «that everyone who is interested in Gone With The Wind (and everyone obviously is) is completely informed as to when and where he can see this attraction.»34 In keinem
der Trailer waren deshalb Ausschnitte zu sehen. «Never, under any circumstances, will we show one frame of film from the picture in any trai30 «Laemmle Answers Whitbeck’s Jabs In Strong Terms». In: MPH, 7. März 1931.
31 Inter-Office Memo von David O. Selznick, 6. November 1943. WSHS US Mss 99AN Series 4D Box 3 Folder 2.
32 Brief von David O. Selznick an Frank Whitbeck, 11. Juli 1939. SC Box 190 Folder 6.
33 Memo von David O. Selznick an Lowell Calvert, 10. Oktober 1939. Brief von Frank
Whitbeck an W. D. Kelly, 21. November 1939. Wie Anm. 32.
34 Memo «Trailer Campaign for Gone With the Wind» von Frank Whitbeck, 5. Oktober
1939. Wie oben, Anm. 32.
129
Abb. 22 Abweichung innerhalb der Konventionen: Der Trailer zu Gone With the
Wind (MGM 1939) besteht aus einer einzigen Einstellung und enthält keine Filmausschnitte, weist aber eine klassische Struktur auf. Buchform, Ledereinband
und Kunstmalerei bezwecken zudem eine Übertragung von kulturellem Prestige
auf den Film, wie er auch sonst aus der klassischen Werbung geläufig ist.
ler.»35 Diese Politik wurde auch bei allen Wiederaufführungen befolgt,
und erst als das Studio 1954 in Geldnöte geriet und mit einer Neulancierung seine Bilanz auszugleichen versuchte, setzte man in den Trailern
Filmmaterial ein.
Für den Haupttrailer gab Whitbeck beim Historiker und Kunstmaler Wilbur Kurtz eine Serie von Aquarellen in Auftrag (Abb. 22).36 Der
Trailer beginnt mit der Einstellung eines ledernen Buchdeckels, der die
goldgeprägte Aufschrift «Announcement Extraordinary» trägt. Eine
Hand schlägt das Buch auf und blättert die Seiten um. Sie zeigen eine
Abfolge von Texten vor dem Hintergrund von Kurtz’ Aquarellen mit
Motiven aus dem Film. Gruppiert sind diese Texte nach dem Muster der
klassischen Struktur: Nach dem Intro folgt eine Cast-Liste, ein Verweis
35 Brief von Frank Whitbeck an Howard Dietz, 5. Oktober 1939. Wie oben, Anm. 32.
36 Brief von Frank Whitbeck an David O. Selznick, 5. Juli 1939. Wie oben, Anm. 32.
130
auf die Vorlage, der Produzentenname und der Endtitel. Auf die Auswahl der Starnamen und die Typografie verwendeten Whitbeck und
Selznick dabei besondere Sorgfalt.37
Das Buch mit den Aquarellen von Kurtz überreichte Whitbeck aus
Anlass der Premiere als Geschenk der Atlanta Historical Society, womit
es als wohl einziger Ausstattungsgegenstand aus einem Trailer zum Exponat in einem historischen Museum avancierte.38 Bei aller Kühnheit des
Entschlusses, kein Filmmaterial zu zeigen, war der Trailer zu Gone With
the Wind aber so außergewöhnlich nicht. Er zeigte vielmehr in beispielhafter Weise auf, welche Möglichkeiten der Produktedifferenzierung eine standardisierte Werberhetorik bietet. Er erfüllt eine bestimmte Erwartung von Strukturprägnanz, insofern er die klassische Struktur verwendet. Zugleich bricht er mit der Erwartung, Ausschnitte zu sehen, und er
schafft damit jenen Wechsel von Bekräftigung und Irritation, welche die
rekursive Verwendung bestimmter Stilmuster für Werbezwecke produktiv macht.
Das Trailerdepartment hatte MGM einerseits eröffnet, um die Einnahmen aus dem Vorschau-Verleih einbehalten zu können, andererseits
aber, um die Ressourcen des Studios für die Werbung besser nutzen und
Reklame und Film besser aufeinander abstimmen zu können. MGMTrailer der Jahre 1934 bis 1948 enthalten denn auch häufig «special
shots» (21,4 Prozent), Spezialaufnahmen, die eigens dafür gedreht wurden. Der Trailer für Broadway Melody of 1938 zeigt Robert Taylor, wie er
beim Filmredaktor einer Tageszeitung vorspricht. Er sei so begeistert
von seinem neuen Film, so Taylor, dass er das Studio um die Erlaubnis
gebeten habe, die wichtigen Journalisten persönlich von dessen Qualitäten zu überzeugen – eine Kombination von Conférencier-Rolle und
pseudojournalistischem Motiv (vgl. dazu auch Abb. 8, Kap. 1).
Whitbeck koordinierte seine Arbeit immer mit der Werbezentrale in
New York. Oft durchliefen seine Entwürfe mehrere Überarbeitungsphasen, wie eine Folge von drei Trailerscripts für After Office Hour (MGM
1935) zeigt.39 Clark Gable spielt in dem Film einen Reporter, der einen
Eifersuchtsmord aufklärt und sich mit einer Kollegin auf eine Romanze
einlässt. Ein erstes Script ist auf den 23. November 1934 datiert, noch unter dem Arbeitstitel Anything Can Happen; es wurde also noch während
der Dreharbeiten geschrieben. Den Einstieg bildete eine Aufnahme von
Nebendarsteller Stuart Erwin, der einen Fotoreporter spielte. Erwin soll37 Brief von David O. Selznick an Frank Whitbeck, 14. Oktober 1939. Wie oben, Anm. 32.
38 Brief von Frank Whitbeck an Frank Boland, 9. Dezember 1939. Wie oben, Anm. 32.
39 MGM Script Collection, AMPAS.
131
te aufgeregt ins Telefon sprechen, in der rechten Hand einen Fotoapparat: «It’s the biggest story since the Armistice… Sure I got the pictures. I
got a shot of Branch that’s so good you can almost see him come to life.»
Zur Illustration eine Großaufnahme von Gable in Doppelbelichtung über
dem telefonierenden Erwin. «And I got the girl too.» Einblendung einer
Großaufnahme von Bennett. «Branch takes her to the River Club and the
moon gets him or something. After that, anything could happen.» Danach eine Szene aus dem Film, in der Gable Bennett auf einem Holzsteg
so anschubst, dass sie die Wahl hat, ins Wasser zu fallen oder ihn zu
umarmen. Weitere aktionsbetonte Ausschnitte folgen. Danach wieder
Erwin: «Don’t hang up on me ’till I finish …» Die Verbindung bricht ab.
Erwin schüttelt das Telefon. Eine Reihe von Texteinblendungen und
Stills folgen: «Anything Can Happen and it does…», die Starnamen, eine
Reihe von Close-ups der Stars. Ein klassischer Trailer, der Story-Information weitgehend ausblendet und zudem eine interessante Spielart des
pseudojournalistischen Motivs vorschlägt: Er simuliert nicht den «news
break», sondern die privilegierte Position, von den «news» zu erfahren,
noch bevor sie publik werden.
Vier Tage später, am 27. November, legt Whitbeck ein neues Script
vor. Der Arbeitstitel lautet nun Town Talk. Variety sollte in seiner Besprechung des fertigen Films After Office Hours ein gemischtes Fazit ziehen:
«Mildly satisfactory entertainment … story deficiencies are surprising …
Gable and Bennett will have to carry this one.» In Vorwegnahme dieser
Einschätzung setzte das zweite Script vorab auf den Star. Den Anfang
macht «an extremely beautiful title card … an important card for an important production» mit dem Text «THEY ALL DO IT!» Wer tut was?
Frauen küssen Clark Gable. Wir sehen eine hübsche junge Frau, deren
Schlafzimmerwände mit Konterfeis des Stars bedeckt sind. Vor dem Zubettgehen küsst sie hingebungsvoll eine dieser Fotografien und seufzt:
«Good night, my sweet.» In der nächsten Einstellung kniet eine ältere
Frau an ihrem Bett zum Abendgebet nieder, ein Foto von Gable in den
gefalteten Händen. Eine kleine Soziologie der Fan-Kultur also, die sich
um das Thema der imaginären Promiskuität von Stars dreht, wie auch
die nächste Einstellung von Gable und Bennett illustriert: «Clark Gable
Has A New Sweetheart – Constance Bennett.» Constance Bennett ist Star
des Films, der Trailer setzt mit ihr aber auch die Reihe der Fans fort und
macht sie zugleich zu deren Genussvorbild und Rivalin. Im übrigen zelebriert das Script Gable mit Formulierungen wie «everyone’s favorite»
und «the man’s man», die den Film auch einem männlichen Publikum
nahelegen. Für die Durchführung waren Filmausschnitte vorgesehen,
Standfotos und «special shots» überwiegen aber auch in diesem Entwurf.
132
Die «trailer continuity» zu After Office Hours schließlich ist auf den
24. Januar 1935 datiert. Die Änderungen im Vergleich zum zweiten Entwurf sind minim. Das Intro zeigt die beiden fotoverliebten Frauen und
eine Szene aus dem Film mit Clark Gable und Constance Bennett bei einem innigen Kuss. Darüber die Texteinblendung «They all do it!», gefolgt von Filmtitel und Durchführung. Der Übergang von pseudodokumentarischem zu fiktionalem Bildmaterial wird eleganter vollzogen als
im Entwurf vorgesehen. Der Trailer enthält auch mehr narrative Information, so eine Szene mit dem Ehestreit, der zur Bluttat führt. Von einer
Storyline kann aber nach wie vor keine Rede sein.
Whitbeck versah seine Scripts immer auch mit einem kleinen Strategiepapier, dem «blurb», der die Wahl des Verkaufsargumentes erläuterte.40 Der «blurb» für den bereits erwähnten Trailer zu The Seventh Cross
begann mit der Feststellung: «For The Seventh Cross we’re selling Tracy!».
Die literarische Vorlage wurde zwar am Rand erwähnt – «the most powerful story of our time» –, doch die politische Thematik wollte Whitbeck vollständig ausblenden: «After all, in a trailer, you must illustrate
what you say and we’re not saying anything about Germany, Nazi, Gestapo, concentration camps or ‹world situation›.» Whitbeck stützte sich
früh schon auf Ergebnisse von Marktforschungen. George Gallups Audience Research, Inc. arbeitete seit Anfang der Vierzigerjahre für verschiedene Studios und Produzenten, zunächst vor allem für David O.
Selznick, später aber auch für die meisten anderen Studios und Produzenten,41 MGM verließ sich seit 1942 vor allem auf die Dienste von Leo
Handels Motion Picture Research, und Whitbeck zog Handels Auskünfte unter anderem für den Trailer zu Fred Zinnemanns Kid Glove Killer
(MGM 1942) bei. Aus Auflagenzahlen von «crime story»-Magazinen
rechnete er hoch, dass für Kriminalgeschichten in den USA ein potenzieller Markt von 16 Millionen vorhanden sei. «We’ll build our trailer for
the people who like detective stories and hope we’ll catch enough of the
others who like something softer and warmer, shall we say?» Das Intro
zeigte eine Montage der Titelblätter von «crime story»-Zeitschriften und
Statistiken des Inhalts, dass einer von sechs Amerikanern Detektivgeschichten liest – eine frühe Form von Nischenmarketing.
40 Interview mit Jack Atlas, 26. Oktober 1996.
41 William R. Weaver: «Audience Research Has Hollywood Renaissance». In: MPH, Vol.
175, No. 6, 7. Mai 1949. Ferner Thomson (1992, 401), Ohmer (1991) sowie die umfangreiche Dokumentation im Selznick-Archiv in Austin. Demnächst erscheint Suzanne
Ohmers historische Studie zu den Anfängen der Marktforschung in Hollywood, die
sich ebenfalls mit Selznick befasst.
133
Einen Beitrag leistete Whitbeck auch zur Perfektionierung des «making of»-Trailers, eines Werbeformats, das spätestens seit den frühen
Dreißigerjahren zum Standardrepertoire der Filmreklame gehört.
4.3.3 Filmwerbung und Selbstdarstellung der Industrie:
Der «making of»-Trailer
Haralovitch bezeichnet die Jahre zwischen 1933 und 1940 als eine «period
of conservatism in film advertising» (Haralovitch 1984, 50). Das mag in
ideologischer und inhaltlicher Hinsicht zutreffen. Gerade der politische
Druck schlug sich aber auch in Innovationen nieder, zu denen der «making of»-Trailer zählt. Er ist zum einen ein Instrument der Profitmaximierung. Er verstärkt die Fokussierung auf den einzelnen Film und wird zudem als Kurzfilm verliehen, bringt also zusätzliche Einnahmen. Zum
andern aber stellt er eine geschickte Lösung für das Problem dar, wie
man wirksam für Filme wirbt, ohne mit den Moralvorstellungen der Kritiker der Industrie in Konflikt zu geraten.
Der Begriff «making of» bürgerte sich in den Siebzigerjahren ein.
Anfänglich wurde das Format «special trailer» genannt, und von den
Vierziger- bis in die Siebzigerjahre verwandte man den Begriff «featurette»,
der in den späten Zehnerjahren erstmals aufgetaucht war – damals noch
als Begriff für aufwendige Kurzspielfilme.42 Einer der ersten «making
of»-Trailer hieß Happy Days Are Here Again. Er dauerte 5 Minuten und 46
Sekunden und erzählte von den Dreharbeiten zu Lubitschs The Merry
Widow (MGM 1934).43 Der Einstieg rekapituliert die Erfolge des Studios,
von Ben Hur über The Big Parade und Broadway Melody bis zu Grand Hotel.
Eine Luftaufnahme zeigt das Studiogelände in Culver City. Der Voiceover-Kommentar, gesprochen von John Hale, bezeichnet MGM als «the
foremost creator of screen personalities and distinguished pictures» und
schlägt vor: «Let’s drop and see just how pictures are made!» Der Produktionsvorgang wird geschildert, unter besonderer Berücksichtigung
seiner Intensität und seines arbeitsteiligen Charakters: «In making The
Merry Widow, five months were spent here by research workers to insure
authentic details.» Ebenfalls zu sehen bekommen wir Ernst Lubitsch,
Franz Léhar und Maurice Chevalier, den Star des Films.
MGM war nicht das einzige Studio, das im Jahr 1934 den Nutzen
dieses Formats entdeckte. Die Kurzfilmabteilung von Paramount drehte
einen Zehnminüter für Cecil B. DeMilles Cleopatra (Paramount 1934) mit
42 «Mutual Shorts Now Featurettes». In: ETR, Vol. 1, No. 6, 13. Januar 1917.
43 MGM Script Collection, AMPAS.
134
dem Titel The Hollywood You Never See. Vitaphone, die Kurzfilmabteilung
von Warner Bros. offerierte A Trip Through a Hollywood Studio.44 Mit einer
Serie von Luftaufnahmen aller großen Studios gab dieser Trailer eine
Vorstellung von der Größe und Wichtigkeit der Industrie im Ganzen
und erläuterte danach anhand der Komödie The Sultan’s Harem (Warner
Bros. 1934) die technischen Aspekte des Tonfilmverfahrens. MGM, Paramount und Warner Bros. drehten für die meisten ihrer Prestigeproduktionen der folgenden Jahre solche Kurzfilme, während andere Studios
sie mitunter auch bei National Screen in Auftrag gaben. So produzierte
eine Equipe der New Yorker Firma für die Fox-Produktion Brigham
Young (TCF 1940) einen «making of» mit dem Titel The Mormon Trail.45
Ähnlich wie die standardisierten Trailer der Dreißigerjahre stellten
diese Werbekurzfilme die Perfektionierung eines längst bekannten Formats dar. Edison lancierte 1912 einen «one reeler» mit dem Titel How
Motion Pictures are Made and Shown. Er schilderte Produktion und Aufführung eines Films und wurde gegen Bezahlung verliehen.46 Trailer der
Zehnerjahre enthielten mitunter Ausschnitte von Dreharbeiten. So kündigte Selznick 1917 einen neuen Typus unter dem Namen «Little Journeys» an: «Instead of merely flashing a few scenes to stimulate curiosity
in a coming production, the Little Journeys show the pictures being
made, the director, personal glimpses of stars, and other little touches of
studio life.»47 Blicke hinter die Kulissen waren auch in der Publicity üblich. Thomas H. Ince platzierte beispielsweise im Frühjahr 1920 eine Serie von sieben Artikeln über verschiedene Aspekte der Produktion in
über zwanzig Tageszeitungen.48
Der Nutzen solcher Werbung war allerdings schon in den Zwanzigerjahren umstritten. William C. DeMille, der Bruder von Cecil B.,
stoppte 1923 in seiner Funktion als Produzent für Paramount alle Hintergrundpublizität. Zwei Fans hatten ihm Briefe geschickt und sich beklagt,
44 WCFTR AB 541.
45 «Making Little Ones Out Of Big Ones». In: NYT, 5. Juni 1941.
46 Epes Winthrop Sargent: «Boom the Making of Pictures». In: MPW, Vol. 11, No. 12, 23.
März 1912, S. 1058. Im gleichen Jahr erscheint auch Moving Pictures. How They Are Made
and Worked, ein populärwissenschaftliches Werk des Bestsellerautors Frederick A. Talbot, der zuvor schon Bücher über die Entwicklung der Eisenbahn und der Dampfschifffahrt geschrieben hatte. Der Band enthält auf der Umschlaginnenseite ein Foto,
das eine Filmequipe beim Vorbereiten einer Trickaufnahme eines Autounfalls zeigt.
Die Anfangskapitel behandeln die Technikgeschichte des Kinos, während die Kapitel
18 bis 23, rund ein Viertel des Buches, der Erklärung von Trickaufnahmen gewidmet
sind (Talbot 1912, 197–263).
47 «Selznick Has Clever Trailer». In: MPW, Vol. 33. No. 4, 28. Juli 1917, S. 663.
48 «Thomas H. Ince Publicity Department Launches Important National Campaign». In:
MPW, Vol. 44, No. 2, 10. April 1920, S. 282.
135
der Blick hinter die Kulissen zerstöre die Illusion und schmälere den Genuss. «…realism is one of the greatest factors in motion pictures as entertainment», begründete DeMille seine Verfügung.49 Eine ähnliche Position
vertrat im Frühjahr 1928 ein Kinobesitzer aus Florida, der seine missliche
wirtschaftliche Lage der Preisgabe von Produktionsgeheimnissen anlastete: «I believe that the studios should stop showing the secrets of moving picture productions. It surely did not exploit the picture to tell that
the Sahara Desert scenes in this or that picture were made out in Arizona.»50 Dass er überhaupt Anlass zur Klage fand, zeigt aber auch, dass die
meisten Produzenten DeMilles Einschätzung nicht teilten und Hintergrundinformation weiterhin preisgaben.
Das lässt sich nicht zuletzt als Anzeichen dafür lesen, dass die
Preisgabe solcher Informationen einen integralen Bestandteil des medialen Systems des Kinos darstellt. Massenmedien referieren permanent
auf lebensweltliche Bestände: die Nachrichten auf das politische Geschehen, die Wettersendungen auf das klimatische. Zugleich aber stellen sie
immer auch sich selbst in den Vordergrund: durch Verweise auf nachfolgende Sendeformate oder durch Werbeunterbrechungen. Die Funktion
der Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz besteht nach Luhmann darin, «dass damit die operativ produzierte Grenze des Systems,
die Differenz von System und Umwelt, in das System hineincopiert
wird» (Luhmann 1996, 24). Was Luhmann für die journalistischen Medien vertritt, gilt ebenso fürs Massenmedium Kino. Gerade aufgrund seiner Realitätseffekte ist auch das Kino darauf angewiesen, sich die Unterscheidung von System und Umwelt einzuschreiben, und der
Zehnminüter von Edison aus dem Jahr 1912 signalisiert unter anderem,
dass die Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz spätestens in
der Phase der narrativen Integration zum Thema wird. Spielfilme referieren zwar nicht auf die Welt der Fakten wie die journalistischen Massenmedien. Dennoch sind sie der Art ihrer Referenz nach vergleichbar.
Zum einen «folgen die Massenmedien nicht dem Code wahr/unwahr,
sondern selbst in ihrem kognitiven Programmbereich dem Code Information/Nichtinformation» (Luhmann 1996, 73). Obwohl die Wahrheitsvermutung für journalistische Berichte unerlässlich ist, gilt für sie in den
allermeisten Fällen, dass sie dem gleichen, «was Platon über Atlantis
weiß: Man hat davon gehört» (Luhmann 1996, 9). Wie bei Spielfilmen besteht ihre Referenz zu einem guten Teil in den Informationsrestanzen,
49 «Halts Publicity on How Films Are Made». In: EH, Vol. 17, No. 7, 11. August 1923, S.
32.
50 «Pictures and People». In: MPN, 10. März 1928.
136
die sie bei ihren Adressaten hinterlassen; bei Spielfilmen ist dies ein
«postfilmic event in which patterns are discovered through active perceiving that affects the overall structure of our knowledge» (Branigan 1992,
200).
Indem sie die Grenze des Films markieren, trägt ein «making of»
zur Ausdifferenzierung des medialen Systems Kino bei; es entfalten aber
auch eine spezifische Werbewirkung. «An image … becomes all the
more interesting with our every effort to debunk it», beschreibt Daniel J.
Boorstin den paradoxen Effekt von Enthüllungen, welche die Mechanik
der Illusion bloßlegen (Boorstin 1992, 194). Die Demaskierung scheitert
zum einen daran, dass das Medium unhintergehbar ist: «Das System
setzt sich selbst, ohne durch die eigenen Operationen erreichbar zu sein,
als selbsterzeugte Irritation voraus» (Luhmann 1996, 27). Vom Blick hinter die Kulissen geht aber auch eine eigentümliche Faszination aus. Man
erinnert sich an den Schluss von The Wizard of Oz (MGM 1939): Die Enthüllung der Maschinerie hinter der Dämonenerscheinung löst bei Dorothy und ihren Gefährten nicht Enttäuschung aus, sondern Heiterkeit.
Von dieser Art sind auch die psychologischen Gratifikationen der «making of»: Sie geben uns die beruhigende Gewissheit, dass die wunderbaren Befriedigungserlebnisse der Filmunterhaltung keine eigentlichen
Wunder sind. Vielmehr erweisen sie das quasi-utopische «land of romance» als industriell fabrizierten Effekt, der sich kraft der Operationen
des medialen Systems unendlich aus sich selbst heraus reproduzieren
kann.51 Als wollten sie diesen Effekt verdoppeln, produzierten Warner
Bros. in den Vierzigerjahren unter den Titeln Musical Movieland (1944),
Movieland Magic (1945) und Hollywood Wonderland (1946) eine Reihe von
Spezialtrailern in Form von zehnminütigen Kurzmusicals, dem Unterhaltungsgenre schlechthin. Zwei singende «guides» führen in diesen seriell gefertigten, dass gleiche Script variierenden Filmen eine Touristengruppe über das Studiogelände.52
51 Einen psychoanalytischen Erklärungsversuch der Faszination, die das Zeigen des Produktionsprozesses ausübt, gibt Kaja Silverman: «[…] the more the operations of enunciation are revealed to the viewing subject, the more tenacious is its desire for the comfort and closure of narrative – the more anxious it will be to seek refuge within the
film’s fiction» (Silverman 1986, 227). Das Zeigen des Dispositivs funktioniert demnach
als Verlustandrohung und treibt das Subjekt zur Flucht in die Fülle der Fiktion. Ähnlich gelagert aber näher bei meiner Lesart ist der Erklärungsversuch von SlavoJ Zizek:
«[…] the production process, far from being the secret locus of the prohibited, of what
cannot be shown, of what is concealed by the fetish, serves as the fetish, which fascinates with its presence» (Zizek 1999, 100). Das «making of» verdankt seine Faszination
demnach einer Fetischstruktur: Es thematisiert den Mangel, in dem es die Maschinerie
seiner Bewältigung zelebriert.
52 WCFTR CA 247, 241 und 169.
137
Es waren vorwiegend ökonomische Gründe, welche die Studios
1934 veranlassten, die Werbewirkung der Hintergrundinformation in
der geregelten Form der «featurettes» zu nutzen. Zupass kam ihnen das
Format aber auch aus politischen Gründen. Mit seinem lehrhaften Gestus entsprach es der Forderung nach sittsamer Werbung, und es bot
eine ideale Plattform zur Selbstdarstellung der Industrie. In 1925 Studio
Tour, einem zehnminütigen Vorläufer der «making of» der Dreißigerjahre, lud MGM das Publikum ein, «Let us go behind the motion picture
screen, into the shadowland of Make Believe, to meet the men and women who created our photoplays.» Gezeigt werden alle Abteilungen des
Studios, zunächst mit Gruppenaufnahmen der Angestellten, danach mit
Einstellungen der gleichen Leute bei der Arbeit. Besondere Aufmerksamkeit wird auch dem technischen Gerät und dem Maschinenpark des
Studios gewidmet.53 Weit entfernt von der schwerfälligen Listendramaturgie dieses Vorläufers betonen auch die «making of» der Dreißigerjahre den arbeitsteiligen und industriellen Charakter der Produktion, und
selten fehlt der Hinweis, wie hart in Hollywood gearbeitet wird. Frank
Whitbeck produzierte 1938 eine Serie von Kurzfilmen über die Filmproduktion im allgemeinen. Diese trugen Titel wie The Romance of Celluloid
oder Metro Makes A Movie und wurden für einmal gratis an 8000 Kinos
in den USA abgegeben sowie in zwölf Synchronversionen auf dem europäischen Markt ausgewertet.54 Gretchen Comes Across wiederum, der
«making of» zu Cecil B. DeMilles The Buccaneer (Paramount 1938), zeigt
den Regisseur, wie er in einer teuren Limousine vor seiner Villa vorfährt.
Nach zwölf Stunden im Studio, so die Sprecherstimme, kommt Hollywoods erfolgreichster Produzent nach Hause, doch sein Arbeitstag ist
nicht zu Ende, denn nun schaut sich DeMille – auf der Suche nach neuen
Talenten – ausländische Filme an. «Featurettes» demonstrieren so, dass
die Filmindustrie in erster Linie eine Industrie ist und ihre Vertreter genauso der protestantischen Arbeitsethik verpflichtet sind wie ihre Landsleute. Ein Motiv von bleibendem Kurswert übrigens: Die politische Taktik der aktuellen «making of» ist zwar nicht mehr dieselbe wie in den
Dreißigerjahren; auch in ihnen hat sich aber das Thema erhalten, dass
Filmemachen harte Arbeit sei (Kernan 1991, 30f.).
53 WCFTR DC 878.
54 Douglas W. Churchill: «Shooting Stars In Hollywood». In: NYT, 8. Mai 1938.
138
4.4 The Habit of Stardom: Filmvermarktung, Filmund Radiowerbung 1928–1948
Seit den späten Zehnerjahren forcierten die Studios zum Zweck der
Profitmaximierung die Werbung für einzelne Filme. Gegen den Fächer
von Verkaufsargumenten der Kinoreklame in der Stummfilmzeit setzte
sich diese Strategie allerdings nur in Ausnahmefällen durch. Solange die
Kinos voll waren, stellte dies auch kein Problem dar. Ob die Leute nun
wegen des Films oder der Nebenattraktionen kamen, spielte letztlich
keine Rolle, besonders dann nicht, wenn der Film in einem studioeigenen Kino gezeigt wurde. Angesichts des Publikumsschwunds in den
frühen Dreißigerjahren erhielt die einzelfilmzentrierte Werbung aber
wieder Auftrieb.
Werbung, welche die Filme systematisch und durchgängig zu individuellen Konsumprodukten ausdifferenziert, gehört dennoch nicht zu
den Errungenschaften der Dreißigerjahre; dazu sollte es erst in den Fünfzigern kommen. Wohl erreichte die direkte Kundenwerbung mit dem
Aufbau eines zentralisierten Vertriebssystems für Werbematerialien durch
National Screen in den späten Dreißiger- und frühen Vierzigerjahren ein
neues Niveau der Standardisierung. Die Werbemittel blieben aber paradoxerweise gleichzeitig zu uneinheitlich und zu einheitlich, um den Filmen eine differenzierte Produkteidentität zu verleihen. Zu einheitlich
waren sie, insofern sie die Filme über die Standardisierung der Formate
und der Motive einander konsequent anglichen; zu uneinheitlich, insofern Trailer und Filmplakat für denselben Film oft voneinander abwichen, namentlich in der Typografie der Titel. Als David O. Selznick 1939
anregte, für alle grafischen Materialien zu Gone With the Wind «a trade
mark color and type face» zu verwenden, leuchtete dieser Einfall MGMWerbechef Dietz zwar ein, er war aber durchaus ungewohnt.55 Der Freiraum der Kinobetreiber war zudem immer noch groß, und sie hielten
sich in ihren Kampagnen nur bedingt an die Vorgaben der Studiowerbeabteilungen, wie sie etwa in den «press books» kommuniziert wurden.
Einige Kinoketten hatten in der Depressionszeit noch Einzelfilmwerbung favorisiert. Als das Publikum Mitte der Dreißigerjahre zurückkehrte, gaben sie diese «kostspieligen Experimente» aber bald wieder auf.56
Sie trugen damit letztlich nur der Marktsituation und dem Konsumverhalten des Publikums Rechnung. In den frühen Vierzigerjahren
55 Memo von David O. Selznick an John Hay Withney, 28. Juni 1939. SC, Box 3562, Folder 1.
56 «Ending Expensive Experiments for Old Methods in Showmanship». In: MPH, Vol. 124,
No. 8, 22. August 1936, S. 61f.
139
spielten die großen Kinos die Filme zwar oft mehrere Wochen, und der
Erfolg von Prestigeproduktionen wurde mehr und mehr danach bemessen, welche Laufzeit in großen New Yorker Premierenkinos sie erzielten.57 Sechs Wochen in der Radio City Music Hall galten als exzellentes
Ergebnis, und in diesem Zusammenhang wurden auch erstmals Einspielergebnisse für Werbezwecke publiziert.58 Die meisten Kinos wechselten das Programm aber weiterhin jede Woche, und noch bis Ende der
Vierzigerjahre war der Kinobesuch ein «habit», eine «Ventilsitte», wie
Prokop im Anschluss an Talcott Parsons formuliert (Prokop 1970, 109ff.):
ein Gewohnheitsverhalten, das nicht bestimmten Filmen galt, sondern
dem Kino als Vergnügungsangebot.
In gewisser Hinsicht war dieses Vermarktungssystem eher ineffizient. Die skalierte Auswertung mit relativ fixen Verleihfristen erlaubte
es nicht, den Film auszuspielen, und falls der Start von einer nationalen
Werbekampagne begleitet war, so war diese zeitlich auf die Premiere abgestimmt und hatte ihren Nutzen verloren, wenn der Film in kleineren
Kinos ankam. Man schätzte deshalb, dass ein Film im Durchschnitt nur
ein Viertel seines potenziellen Einspielergebnisses erzielte.59 Reprisen kamen vor, beschränkten sich aber meist auf kleine Kinos. Laut einer Gallup-Studie galt es beim Publikum der Vierzigerjahre zudem als unschicklich, sich einen Film mehr als einmal anzusehen. 60
In einer anderen Hinsicht allerdings zeichnete sich das klassische
Vermarktungssystem durch große Effizienz aus. Weil die Studios die
großen Kinos kontrollierten und die Abnahme der Filme garantiert war,
konnten sie es sich leisten, auf kostspielige Kampagnen für alle Stufen
der Auswertung zu verzichten. Zudem brauchte die Filmwerbung die
Nachfrage nicht erst zu schaffen, weil das Publikum ohnehin gewohnheitsmäßig ins Kino kam. Sie konnte sich, um eine Unterscheidung aus
der Werbepsychologie aufzugreifen, auf eine Rhetorik des «motivating»
beschränken. «Persuading», eine Adressierung des Publikums, die auf
einen Sinneswandel abzielt, war nicht nötig (Britt 1978, 309ff. und 423ff.).
«…the choice of seeing a movie rarely involved an attitude change»,
schreibt Balio über die Filmwerbung der späten Dreißigerjahre, «a simple
message with appealing language, content and form was deemed sufficient to kindle interest in a picture» (Balio 1993, 175).
57 «Fewer and Bigger Policy Brings More Selling». In: MPH, Vol. 152, No. 1, 3. Juli 1943, S.
13.
58 Vgl. etwa «$538 000 for Miniver». In: MPH, Vol. 148, No. 2, 11. Juli 1942, S. 8.
59 «How Many Pictures Should A Star Make Every Year?» Gallup Report, April 1942. SC,
Box 3562, Folder 2.
60 Memo von David O. Selznick an Lowell Calvert, 31. März 1942. SC Box 177 Folder 6.
140
Die Aufwendungen für Werbung waren enstprechend gering. Während sie heute oft 50 Prozent und mehr der Nettoproduktionskosten betragen, belief sich die Reklame in der klassischen Periode selbst für Prestigefilme nie auf mehr als ein Fünftel.61 Die Rekordmarken setzte David
O. Selznick, der – stets die Ausnahme, welche die Regel bestätigt – seine
Filme konsequent als Einzelprodukte zu vermarkten versuchte. Bei Duel
in the Sun (SRO 1946), einer 5-Millionen-Produktion, budgetierte er 1
Million für Reklame (Schatz 1988, 392). Ganz anders die Verhältnisse bei
typischen Stummfilmen. The Road to Mandalay (MGM 1926) mit Lon Chaney, einem Star der ersten Kategorie, kostete 174 728 Dollar; für Werbung waren 1 750 Dollar budgetiert, also knapp 1 Prozent. Victor Sjostroms The Scarlet Letter von 1926 mit Lilian Gish kostete 430 290 Dollar,
die Werbung 5 015 Dollar, immerhin 1,16 Prozent des Budgets (Schatz
1988, 41). Während der ganzen klassischen Ära gab MGM von allen Studios am meisten für Werbung aus. 1939 führte es ein neues System der
Abrechnung ein, bei dem die prozentuale Aufteilung des Gewinns zwischen Studio und Kinos für jeden Film individuell ausgehandelt werden
sollte. Der Anreiz für das Studio, intensive Werbekampagnen zu veranstalten, stieg damit zusätzlich, und MGM erhöhte seinen Etat für nationale Werbekampagnen auf 2,5 Millionen. Das waren aber noch immer nur
knapp 7 Prozent des Produktionsbudgets.62 Selbst in den Boomjahren
des Krieges, als alle Studios ihre Ausgaben für direkte Kundenwerbung
erhöhten, gab Universal nur 1 Million Dollar pro Jahr für bezahlte Werbung, Exploitation und Publicity aus — 2,8 Prozent seines Produktionsbudgets von 35 Millionen.63 Die Filmindustrie blieb durchaus im Trend
der gesamten US-amerikanischen Wirtschaft und hob in den späten
Dreißiger- und frühen Vierzigerjahren ihre Ausgaben für Reklame merklich an. Zwischen 1932 und 1942 verdreifachten sich die Ausgaben für
nationale Werbung, und eine Branchenzeitung stellte fest, dass Filme
nun ähnlich vermarktet würden wie Autos und Seife.64 Die Unterschiede
zur Konsumgüterindustrie waren aber immer noch beträchtlich. Allein
General Motors gab 1937 5,85 Millionen für nationale Werbung aus. Alle
Filmstudios zusammen kamen im gleichen Jahr auf 943 273 Dollar. 1939
th
61 Christopher Grove: «Marketing Mania». In: Variety Supplement, Columbia Pictures 75
Anniversary, Januar 1999, S. 66.
62 Vgl. Zusammenstellung durchschnittlicher Jahresbudgets bei MGM. WSHSH U.S.
Mss 37 AN Box 9 S Dore Schary Papers. «MGM Announces Its Own Trade Practice
Program». In: MPH, Vol. 134, No. 12, 25. März 1939, S. 13–31.
63 «Film Advertising Aiming at Record Expenditure». In: MPH, Vol. 152, No. 12, 18. September, 1943, S. 25.
64 Die Entwicklung der Ausgaben für «consumer advertising», für direkte Kundenwerbung
in nationalen Medien, zeigt die folgende Statistik des Publishers’ Information Bureau:
141
investierte die US-Industrie 1,5 Milliarden in nationale Inseratekampagnen, während die gesamte Filmindustrie für alle Werbeanstrengungen
inklusive «accessories» gerade einmal 100 Millionen aufwendete. Ihr Anteil an den Gesamtwerbeausgaben der amerikanischen Wirtschaft belief
sich auf nur etwas mehr als 0,5 Prozent; bis 1997 stieg dieser Anteil immerhin auf 2 Prozent.65
Die Industrie konnte die Werbekosten tief halten, weil sie nicht alle
Filme einzeln vermarkten musste. Ihre Produkte wiesen aber auch Merkmale auf, die an sich schon das Interesse von Publikum und Medien banden, namentlich die Stars. Stars verliehen ihren Filmen kraft ihres Namens eine Produktidentität und generierten Gratiswerbung in einem
Umfang, von dem Konsumproduktehersteller nur träumen konnten. Das
Interesse der Medien an Filmangelegenheiten war bereits 1927 so ausgeprägt, dass nationale Nachrichtenagenturen filmbezogene Meldungen in
ihr Angebot aufnahmen (Gaines 1990, 40). In den Jahren nach 1935, als
die amerikanische Wirtschaft sich erholte und die Leute wieder ins Kino
gingen, nahm das Medieninteresse neue Dimensionen an. 1935 räumten
Tageszeitungen und Magazine der Filmberichterstattung doppelt so viel
Platz ein wie im Jahr zuvor.66 1937 gab es in den USA 900 spezialisierte
Journalisten und 30 Radiokommentatoren, die sich nur mit Filmthemen
befassten. Der Zuwachs war auch qualitativer Natur: 1936 schlugen 66,1
Prozent aller Artikel über Film einen positiven Grundton an, 1937 waren
es 73,5 Prozent, nur 18 Prozent übten Kritik.67 1937 wiederum war ein
1932
1937
1942
Columbia
$ 6,077
$ 69,605
$ 117,526
Goldwyn
–
–
$ 35,255
MGM
$ 143,540
$ 238,433
$ 559,035
Paramount
$ 72,340
$ 212,530
$ 366,824
RKO Radio
$ 18,620
$ 26,537
$ 97,562
–
$ 10,347
$ 28,263
–
$ 100,611
$ 243,419
Republic
th
20 Century Fox
United Artists
$ 2,700
$ 104,957
$ 124,208
Universal
$ 113,740
$ 58,560
$ 51,260
Warner Bros.
$ 40,590
$ 113,661
$ 247,651
Summe
$ 515,412
$ 943,273
$ 1,871,103
65 «Advertising Outlay». In: MPH, Vol. 135, No. 5, 6. Mai 1939, S. 8.
66 «The Hollywood Scene: The Press». In: MPH, Vol. 124, No. 5, 1. August 1936, S. 39.
67 «900 Film Critics Now; 30 Radio Commentators». In: MPH, Vol. 130, No. 9, 26. Februar
1938, S. 62.
142
Wachstumsjahr für die Werbeindustrie. Die 49 wichtigsten Produzenten
von Konsumgütern erhöhten ihre Werbeausgaben für Kampagnen in nationalen Medien um 18,8 Prozent. Die Studios zogen nach, stockten aber
vor allem das Personal ihrer Publicity-Abteilungen um durchschnittlich
40 Prozent auf.68
Intensiv genutzt wurde in den Dreißigerjahren auch die Option der
Verbundwerbung. 1928 lancierte die Agentur J. Walter Thompson eine
Kampagne für Lux Soap mit dem Slogan «more Lux soap is being used
in Hollywood than any other soap». Sie erwies sich als äußerst erfolgreich und diente als Modell für eine Vielzahl weiterer «product endorsements» (Gaines 1990, 40). Eine andere Option der Gratiswerbung blieb
hingegen bis Mitte der Dreißigerjahre weitgehend ungenutzt: die Radioshow. Die Studios interessierten sich schon in den Zwanzigerjahren fürs
Radio, und zwar sowohl als Expansionsfeld wie als Werbemedium.
Warner Bros. unterhielt seit 1925 eine Radiostation in Hollywood und
versuchte in den Dreißigerjahren erfolglos, ein drittes nationales Network neben NBC und CBS aufzubauen (Anderson 1994, 22ff.). RKO wiederum war 1928 vom Technologiekonzern RCA gegründet worden, weil
dessen Präsident David Sarnoff in Hollywood einen Brückenkopf aufbauen wollte, um das Quasimonopol von Western Electric auf Filmton
angreifen zu können. RCA besaß aber auch NBC, und RKO und die
größte nationale Radiokette arbeiteten schon in den Zwanzigerjahren intensiv zusammen. So lancierte NBC wenige Monate nach der Gründung
des Studios eine «RKO Hour», ein wöchentliches Radioprogramm mit
Auftritten von Stars und Hinweisen auf kommende Filme. Paramount
schließlich übernahm 1929 49 Prozent von CBS und warb in den frühen
Dreißigerjahren mit der «Paramount-Publix Hour» für seine Filme (Jewell 1984, 126).
Nach 1932 allerdings zogen sich die Studios vom Radio weitgehend
wieder zurück, vor allem aufgrund des Widerstands der Kinobetreiber.
Zwar hatten einzelne von ihnen das Radio schon bei seiner Einführung
1922 für Werbestunts genutzt, doch sahen die meisten im neuen Medium eine Bedrohung ihrer Existenz.69 Kinos im Staat New York führten
1923 einen spürbaren Publikumsrückgang auf den gestiegenen Radio-
68 «49 Spend 19% More for Ads In Three Media». In: MPH, Vol. 128, No. 7, 14. August
1937, S. 70. «Studio Publicity Personnel Up to Cope With Quickened Demand». In:
MPH, Vol. 128, No. 10, 4. September 1937, S. 31.
69 «Exploits Picture in Talk Via Radiophone». In: EH, Vol. 15, No. 10, 2. September 1922,
S. 47. «Radio Station Broadcasts Ad For Kinograms». In: EH, Vol. 18, No. 7, 9. Februar
1924, S. 51. «Radio Aids McVickers’ Box Office». In: EH, Vol. 18, No. 12, 15. März 1924,
S. 45. «Another Radio Possibility». In: EH, Vol. 18, No. 12, 15. März 1924, S. 50.
143
Abb. 23 Ein Monumentalfilmer als
Talk-Show-Gastgeber: Cecil B. DeMille auf einem Werbefoto für die Radiosendung Lux Radio Theatre, die er
von 1936 bis 1944 moderierte und die
den bekanntesten Regisseur Hollywoods zum Repräsentanten der Industrie und Vertrauten der Fans
schlechthin machte. «Not a name filtered through the wordage of imaginative press agents, but a person whom
they know», wie DeMille es in seiner
Autobiografie formulierte.
konsum zurück.70 Ein nationaler «Big Broadcast» der Senderkette WEAF
am 15. November 1926 wurde für Umsatzeinbußen von 20 bis 30 Prozent
verantwortlich gemacht (Walker 1979, 20). Handels Prinzip der intermedialen Rückkoppelung war den Kinobetreibern offenkundig nicht geläufig, und schließlich fügten sich die Studios ihrem Druck. Noch 1934 verboten Fox, MGM und 20th Century Pictures ihren Stars jeden
Radioauftritt.71 MGM und Fox hatten sich zuvor schon zurückgehalten,
weil sie fürchteten, dass Auftritte im Gratismedium Radio den Marktwert ihrer Stars schmälerten. Paramount und Columbia erlaubten ihren
Stars nur noch Werbeauftritte. Weniger Vorbehalte hatten RKO und
Warner Bros.
Im Herbst 1935 allerdings änderten die Filmfirmen ihre Politik erneut, nicht zuletzt aufgrund einer Marktstudie von NBC. Diese hatte gezeigt, dass in amerikanischen Haushalten tagsüber 16 Millionen Radioapparate regelmäßig liefen. Nationale Rundfunkprogramme konnten
eine Hörerschaft von bis zu 40,3 Millionen erreichen, die meisten davon
Frauen und Kinder, also häufige Kinobesucher. MGM und Fox erlaubten
ihren Stars wieder Radioauftritte, und Warner Bros. schlossen für Dick
Powell im Sommer 1935 einen langfristigen Vertrag mit Campbell Soup.
Powell sollte jeden Freitagabend auf CBS ein von Campbell Soup ge70 «Radio Cuts Attendance at Eastern Playhouses». In: EH, Vol. 16, No. 11, 10. März 1923,
S. 37.
71 «Hollywood Alert To Influence of Star Broadcasts on Box Office». In: MPH, 9. Januar
1934, S. 11–29.
144
sponsertes Radioprogramm bestreiten und für Warner-Produktionen
werben.72 Der Durchbruch für die indirekte Filmwerbung kam schließlich mit dem «Lux Radio Theatre» im Jahr 1936. Ursprünglich konzipiert
als Radioshow für Kurzadaptionen von Broadway-Stücken, wandelte
die J. Walter Thompson Agency das Programm zu einem Reklamevehikel für Filme um. Der Telefonmonopolist AT&T hatte für die Übertragung von Radiosignalen vom Studio zum Sender bis 1936 noch Ferngesprächstarife erhoben. Mit der Aufhebung dieser Gebühren wurde es
möglich, in größerem Umfang Programme direkt aus Hollywood zu
übertragen. Thompson engagierte Cecil B. DeMille als Conférencier und
ließ ihn allwöchentlich ein Programm aus Star-Interviews, Hintergrundberichten und Kurzfassungen kommender und bereits ausgewerteter Filme in Hörspielform moderieren (Hilmes 1990, 67, 79f.; Abb. 23).73
Nach einigen Startschwierigkeiten entwickelte sich das Programm
zum Erfolg und zur wichtigen Werbeplattform für die Industrie. Gleichwohl ging die Kontroverse um den Nutzen und Nachteil von Radioauftritten weiter. DeMille musste sich vorwerfen lassen, er betreibe mit dem
«Lux Radio Theatre» den Ausverkauf der Filmindustrie.74 Der Vorwurf
ließ sich leicht ertragen, denn DeMille wurde für seine Auftritte fürstlich
entlöhnt. So budgetierten die Radio-Networks in der Saison 1936/37 allein 51 Millionen Dollar für Stargagen, also mehr als das Fünffache dessen, was die Studios im gleichen Jahr für nationale Werbekampagnen
ausgaben.75 Von diesem Geldsegen konnte auf die Dauer aber nur profitieren, wer so unabhängig war wie DeMille. MGM und 20th Century-Fox
1939 zogen die Stars, die bei ihnen unter Vertrag waren, wieder aus den
Radioprogrammen zurück, und zwar ausdrücklich aus Rücksichtnahme
auf die Kinos.76
Stellte die indirekte Radiowerbung schon Mitte der Dreißigerjahre
ein wichtiges, wenn auch kontroverses Mittel der Filmvermarktung dar,
72 «Campbell Soup Program to Push Warner Films». In: MPH, 28. September 1935.
73 Ähnlich wie bei den Trailern beharrten die Produzenten darauf, dass in den Kurzhörspielen nicht zu viel Storyinformation vermittelt wurde. Das zeigt unter anderem der
Kommentar eines Werbespezialisten, der für David O. Selznick eine Reihe von Werbespots für Since You Went Away schrieb: «I would not be too concerned about it revealing too much because each will be heard as an isolated scene and none of the them in
chronological sequence in [sic] any given time.» Memo von David O. Selznick an
Louis Calvert, 11. Oktober 1939. SC Box 174 Folder 9. Memo von Axel Gruenberg an
David O. Selznick, 23. November 1943. SC Box 201 Folder 4.
74 «DeMille Urges Lasting Peace in Exhibitor’s Feud With Radio». In: MPH, Vol. 125, No.
10, 5. Dezember 1936, S. 18.
75 «51 Mio. for Talent Is Radio Reply to Theatre». In: MPH, Vol. 124, No. 10, 5. September
1936, S. 13–74.
76 «MGM Follows Zanuck off the Air; FCC Reorganisation Bill Is Filed». In: MPH, Vol.
134, No. 7, 18. Februar 1939, S. 16.
145
so blieb die direkte Kundenwerbung am Radio bis 1942 gänzlich marginal. 1940 gaben Werbekunden in den USA für Rundfunkwerbung 93 019 074
Dollar aus. Paramount gehörte als einziges Studio dazu und wendete gerade einmal 14 189 Dollar auf.77 Die Studios überließen es weitgehend
den Kinobetreibern, das Radio als Werbemedium zu nutzen. Sie stellten
ihnen Scripte für «air trailers» zur Verfügung, kurze Szenenfolgen mit
Dialogen aus dem Film, die von lokalen Schauspielern gesprochen werden konnten.78 Im Frühjahr 1935 erreichte die Tonaufnahme- und Reproduktionstechnik einen Standard, der es erlaubte, vorproduziertes Tonmaterial ohne merklichen Qualitätsverlust am Radio auszustrahlen,
worauf Paramount interessierten Kinobetreibern auch Tonaufnahmen
aus Filmen und die Tonspur der Trailer zu Werbezwecken zur Verfügung stellte.79
Die Wende in der direkten Radiowerbung kam mit dem Krieg. Das
Zeitungspapier wurde rationiert, der Platz für Werbung eingeschränkt,
und den Studios blieb nichts anderes übrig, als auf Radio umzustellen.80
Fox kaufte in der Saison 1942/43 erstmals in größerem Rahmen Spots
bei regionalen Radiostationen und wälzte die Kosten dafür hälftig auf
die Kinos ab. Paramount sicherte sich Werbezeit bei 36 großen Stationen
in urbanen Märkten und bediente zugleich rund 300 Stationen mit Tonaufnahmen von Filmausschnitten, Songs und Interviews. MGM kaufte
ebenfalls Sendezeit für Spots und strahlte in Chicago und anderen großen Kinomärkten jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag «The Lion’s
Roar» aus, ein viertelstündiges Programm mit Studioklatsch und Informationen über neue Filme. Mitte der Vierzigerjahre gehörte die Radiowerbung zum Grundrepertoire. In der Saison 1945/46 hoben alle Studios ihre Werbebudgets deutlich an und merkten große Beträge für Radiowerbung vor, RKO sogar rund ein Viertel des Gesamtbudgets.81
Mit den Einnahmen aus den Boomjahren des Zweiten Weltkriegs
probierten die Studios mitunter auch neue Formen der einzelfilmzentrierten Werbung aus. Zum Zug kamen vorab Filme, die für eine Publicity-Kampagne nicht prominent genug besetzt oder hinreichend aufwendig produziert waren.82 Ein solcher Film war Hitler’s Children (RKO
1943), die Geschichte einer Familie in Nazi-Deutschland, deren Kinder
77 «$1,223,573 for Magazine Ads». In: MPH, Vol. 142, No. 7, 15. Februar 1941, S. 30.
78 Ira Glucksman: «How to Nail Profitable Radio Tie-Ups to the Box Office». In: MPH, 21.
Januar 1933.
79 «Exhibitors Using Transcriptions Over Radio to Boost Attendance». In: MPH, 9. März
1935.
80 «Companies Expand Use of Radio». In: MPH, Vol. 154, No. 13, 25. März 1944, S. 17.
81 «All Companies to Increase Advertising Space Budgets». In: MPH, Vol. 161, No. 2, 13.
Oktober 1945, S. 23.
146
sich weigern, bei der Hitlerjugend mitzutun. Namhafte Stars spielten
nicht mit, doch das Thema war aktuell. Hitler’s Children wurde Mitte Januar 1943 simultan in fünfzig Städten im mittleren Westen herausgebracht. Im Februar kamen vierzig weitere wichtige Städte hinzu, darunter St. Louis, Chicago, Cleveland, Detroit, Dallas und Philadelphia. Dem
Start ging jeweils eine intensive Radiokampagne auf allen Sendern der
betreffenden Städte voraus, bestehend aus kurzen Spots und 15-minütigen Zusammenfassungen. Die großen Stationen brachten im Gegenzug
halbstündige redaktionelle Programme mit den Hauptdarstellern Bonita
Granville und H. B. Warner. Der Erfolg war überwältigend; die beteiligten Kinos konnten ihren Umsatz im Schnitt verdoppeln.83
Mit der Kombination von Massenstart und intensiver Radiowerbung hatte RKO eine Lösung für das Problem der nationalen Werbung
vorgezeichnet. Die Schwierigkeit bestand darin, dass im gängigen skalierten Verleihsystem nur die «first runs» von nationalen Werbekampagnen profitierten, ein Problem, mit dem sich namentlich David O. Selznick schon seit Ende der Dreißigerjahre beschäftigte. Er hatte erwogen,
Gone With the Wind mit mehreren Dutzend, eventuell sogar mehreren
hundert Kopien simultan zu starten.84 Beeindruckt vom Erfolg von Hitler’s Children schlug er United Artists vor, Since You Went Away (UA
1943) nach dem gleichen Muster zu lancieren. Der Verleih lehnte ab; die
Strategie eigne sich nur für «sensational blood-and-thunder exploitation
pictures», und RKO sei bekanntlich mit dem Versuch kläglich gescheitert, Jean Renoirs This Land Is Mine (RKO 1943) ähnlich zu lancieren.85
Ein gewisser Dünkel gegenüber der reißerischen Art dieser Vermarktungstechnik mag mitgespielt haben, und auch etwas Unwillen, kleineren, unabhängigen Kinos zu Mehreinnahmen zu verhelfen.86
Tatsächlich aber lagen die Gründe für die Ablehnung anderswo. Einerseits hätte eine Radiokampagne auf nationalem Niveau immense
Kosten verursacht; andererseits stellten die Eintrittspreise ein Problem
dar. Der Massenstart basiert auf dem Prinzip, dass alle Kunden zur gleichen Zeit das gleiche Produkt zum gleichen Preis kaufen können. Für
82 «Distributors Go to Radio With More Ad Money». In: MPH, Vol. 150, No. 6, 6. Februar
1943, S. 17.
83 Wie oben, Anm. 81. «Fewer and Bigger Policy Brings More Selling». In: MPH, Vol. 152,
No. 1, 3. Juli 1943, S. 13.
84 Brief von David O. Selznick an Gradwell Sears, 9. November 1943. SC Box 201 Folder
6.
85 Brief von Paul N. Lazarus an David O. Selznick, 7. Dezember 1943. WSHS US Mss
99AN Series 4D Box 3 Folder 2.
86 «One Punch Openings Aid Theaters Is Claim». In: MPH, Vol. 176, No. 6, 6. August
1949, S. 13.
147
eine Prestigeproduktion ließ sich dieses Prinzip in einer Kinolandschaft
mit mehreren Auswertungs- und Preisstufen nur unter größten Schwierigkeiten umsetzen. Selznick machte diese Erfahrung, als er sich 1946
von United Artists löste und Duel In the Sun auf eigene Faust mit 300 Kopien herausbrachte.87 Aus diesem Grund wurden in den Vierziger- und
Fünfzigerjahren nur billige Western und Horrorfilme mit Massenstarts
lanciert, meist in Autokinos. Selznick bemühte sich zwar auch noch für
seinen letzten Film A Farewell to Arms, den er 1957 für Fox produzierte,
um einen Massenstart,88 und United Artists wagte 1960 einen Versuch
bei der Premiere von The Magnificent Seven.89 Es sollte aber noch bis in
die Siebzigerjahre dauern, bis sich das Modell des Massenstarts für
Großproduktionen durchsetzte und das Problem der nationalen Werbung nachhaltig gelöst wurde.
87 Telegramm von David O. Selznick an Neil Agnew, 2. Dezember 1946. SC Box 1523 Folder 1. Memo von David O. Selznick an Neil Agnew u. a., 28. April 1947. SC Box 3369
Folder 5.
88 Memo von David O. Selznick an Alex Harrison, 30. Dezember 1957. SC Box 2270 Folder 12.
89 «UA’s Saturation on Seven a La Exploitation Pix». In: Variety, Vol. 220, No. 1, 31. August 1960, S. 7–62.
149
Kapitel 5
A Period of Adjustment:
Der Umbruch der Industrie und
die Krise des klassischen Modus, 1948–1970
Our motion picture audience today is not so much
a mass as it is a complex of masses. With the exception of certain special attractions we shall design
pictures for these mass segments and seek every
possible method of reaching them more effectively
and efficiently.
Robert O’Brien, Direktor von MGM,
Motion Picture Herald, 15. Mai 1963
TO THE EDITOR:
On my mind is a need for better trailers that show
action for a small town. Also paper that looks good
to a farmer instead of the long hair boys. – JUNIOR
CLARK, Midwest Theatre, Ridgeway, Mo.
Motion Picture Herald, 15. Juli 1950
«THE ERA from the end of World War II to 1960 has been one marked
with more changes in distribution and merchandising than at any time
in the entire history of the motion picture», schreibt der Branchenjournalist Martin Quigley Jun. zu Beginn der Sechzigerjahre. Vier Entwicklungen hatten die Filmwirtschaft, die Produktion, die Distribution und den
Konsum von Filmen von Grund auf verändert: 1) der Entscheid des
Obersten Gerichtshofes im Paramount-Fall von 1948, der die großen
Filmfirmen zwang, ihre Kinoketten abzustoßen, und das System des
«block booking» für illegal erklärte, 2) eine signifikante Erhöhung der
Einkommenssteuer auf hohe Gehälter, welche die Stars veranlasste, sich
als selbstständige Unternehmer und als Produzenten ihrer eigenen Filme
zu etablieren, 3) das Aufkommen des Fernsehens sowie 4) die Suburbanisierung, das heißt die Übersiedelung eines wichtigen Teils der Bevölkerung aus den Innenstädten in die während und nach dem Krieg gebauten Vorstädte.
Die offenkundigsten Folgen dieser Entwicklung waren ein massiver
Publikumsschwund und ein Rückgang der Anzahl produzierter Filme.
150
Verkauften US-amerikanische Kinos Ende der Vierzigerjahre noch 80
Millionen Eintritte pro Woche, so ging der Publikumszuspruch in den
nächsten zwanzig Jahren kontinuierlich auf 14 Millionen zurück.1 Die
Zahl der produzierten Filme sank von 503 im Jahr 1935 auf 397 im Jahr
1946 und schließlich auf 232 im Jahr 1954.2 Zurückzuführen ist der Publikumsschwund einerseits auf die Abwanderung der Städter in die Vorstädte. Die Kinos verblieben in den Innenstädten, und für die meisten
Leute wurden die Anfahrtswege zu lang. Andererseits ließ der neuerworbene Wohlstand der Nachkriegsjahre andere Arten der Freizeitbeschäftigung zu: Man schaute fern, fuhr Wasserski, trieb Sport und hatte
fürs Kino keine Zeit mehr. Der Rückgang der Produktion um ein Fünftel
zwischen 1935 und 1946 erklärt sich noch weitgehend durch veränderte
Auswertungsstrategien, insbesondere die Einführung längerer Laufzeiten für einzelne Filme. Der Rückgang um 42 Prozent zwischen 1946 und
1954 hingegen zeugt von einem grundlegenden Wandel.
Die Vervielfältigung der Medien- und Freizeitangebote führte dazu,
dass das Publikum bei der Auswahl der Filme selektiver vorging. Der
Bedarf nach den serienproduzierten Unterhaltungsfilmen mittlerer Größenordnung, die den Hauptteil der Produktion in der klassischen Ära
ausmachten, ging zurück. Gefragt waren statt dessen ausdifferenzierte
Einzelprodukte, vermarktet als Freizeitangebote mit spezifischem Attraktionswert, die geeignet waren, sich auf einem gesättigten Markt
durchzusetzen (Belton 1992, 69ff.). Man führte neue technische Formate
wie Breitleinwand, 3-D, 65 mm und 70 mm ein und verlagerte die Produktion an Originalschauplätze. Angeleitet von Marktforschungsergebnissen3 wertete man zudem etablierte Formeln der Serienproduktion wie
Western oder Musical auf und benutzte sie als Grundlage für aufwendige Großproduktionen (Sklar 1975, 289). Filme dieser Art erleichterten
den Studios nach dem «Paramount decree» auch den Vertrieb. Da sie die
Kinos nicht mehr kontrollierten, mussten sie für jeden Film einzelne Verträge abschließen, und für Filme mittlerer Größenordnung und Qualität
gab es unter diesen Umständen keine garantierte Abnahme mehr.
Der Werbung stellte sich damit eine neue Aufgabe. Es reichte nicht
mehr, den Film nur anzukündigen; man musste ihn vielmehr als ausdifferenziertes Einzelprodukt in einem heterogen gewordenen Markt posiRichard Moses: «The Rise, Fall and Second Coming of Four-Walling». In: Variety, Vol.
277, No. 9, 8. Januar 1975, S. 22–80.
2 «More Product». In: MPH, Vol. 166, No. 1, 15. März 1947, S. 8. «Production Trend to
Fewer Films». In: MPH, Vol. 201, No. 4, 22. Oktober 1955, S. 13.
3 «Research Boom». In: MPH, Vol. 167, No. 3, 19. April 1947, S. 8. William R. Weaver: «Audience Research Has Hollywood Renaissance». In: MPH, Vol. 175, No. 6, 7. Mai 1949.
1
151
tionieren. Hatte die ökonomische und politische Situation der Dreißigerjahre der alten Forderung nach einer Standardisierung der Werbepraxis
neue Dringlichkeit verliehen, so führte der Umbruch der Fünfzigerjahre
zur Verfeinerung der Techniken der einzelfilmzentrierten Vermarktung,
und zwar sowohl auf der Ebene des Verleihs und der Werbestrategien
wie auf der Ebene der Werbeformate.
5.1 Saturation, Road Show, Art House:
Filmverleih 1948–1970
Im Oktober 1948 verfügte das Oberste Gericht der USA, dass die fünf
vertikal integrierten Filmfirmen ihre Kinoketten und ihre Produktion
voneinander trennen mussten.4 Die Studios entschieden sich, Verleih
und Produktion zu behalten, und stießen bis Anfang der Fünfzigerjahre
ihre Kinos ab. Damit wurde auch das klassische Modell der Marktkontrolle obsolet. An die Stelle des Verkaufs von Filmen unterschiedlicher
Qualität in Blöcken trat nun die Einzelvermarktung. Weil die Produktionen einzeln amortisiert werden mussten, wurden mehr Kopien in Umlauf gebracht. Selznick hatte mit Duel in the Sun (SRO 1946) die Richtung
angezeigt; der Film startete mit 300 Kopien und spielte innerhalb von
drei Monaten 10 Millionen Dollar ein.5 Fox lancierte 1952 With a Song in
My Heart (TCF 1952) mit 325 Kopien, und 1957 plante das gleiche Studio
für die Hemingway-Verfilmung The Sun Also Rises eine Premiere mit 500
Spieldaten in kurzer Folge.6 MGM wiederum brachte 1958 Cat On a Hot
Tin Roof simultan mit 100 Kopien heraus.7
Auch für Billigproduktionen wurden neue Vermarktungsstrategien
entwickelt. Bereits in den frühen Dreißigerjahren waren die ersten Autokinos eröffnet worden (Gomery 1992, 83ff.). Im Sommer 1941 gab es in
den USA 65 Autokinos, 50 weitere waren im Bau.8 In den Fünfzigerjahren kam es zu einem eigentlichen Boom, und 1966 waren bereits 4 122
4
5
6
7
8
«U.S. Demands 5 Majors Drop 1 400 Theaters». In: MPH, Vol. 173, No. 2, 9. Oktober
1948, S. 12.
«Duel in the Sun to Open in 300 Cities in May». In: MPH, Vol. 167, No. 3, 19. April 1947,
S. 14. «Duel $10 000 000 Gross Reported By Kusell». In: MPH, Vol. 168, No. 4, 26. Juli
1947, S. 50.
«325 Opening for Song». In: MPH, Vol. 187, No. 1, 5. April 1952, S. 24. «Big Campagin
Scheduled on Sun Rises». In: MPH, Vol. 208, No. 8, 24. August 1957, S. 25.
«MGM Selling Maggie the Cat in Big Time Campaign for Film». In: MPH, Vol. 212, No.
8, 23. August 1958, S. 10.
«Drive-Ins Becoming Multi-Million Dollar Branch Of U.S. Exhibition». In: MPH, Vol.
145, No. 1, 4. Oktober 1941, S. 43.
152
von 14 743 Kinos in den USA «drive-ins».9 Zudem wanderten immer
mehr Kinos in die Vorstädte ab. Betrug der Anteil der Vorstadtkinos am
Gesamtumsatz der Industrie 1940 noch geschätzte 25 Prozent, so stieg er
in den Fünfziger- und Sechzigerjahren auf über die Hälfte an, und die
innerstädtischen «first runs» verloren zusehends an Bedeutung.10 Damit
bildete sich eine neue, hinsichtlich des Preisniveaus homogenere Kinolandschaft heraus. Sie bereitete dass Terrain für die Ausweitung jener
Verleihpraxis, die RKO in den Vierzigerjahren entwickelt hatte: Nach
1948 wurden «saturation releases» gängig, regionale Massenstarts, begleitet von intensiven Werbekampagnen.
Angewandt wurde das Muster vorab auf Billigproduktionen. «Circus pictures and films making use of newspaper headlines and topical
subjects are the kind that provide the best material for mass opening», so
RKO-Werbechef Terry Turner.11 Zum Zug kamen vor allem RoutineWestern wie Calamity Jane and Sam Bass (Universal-International 1949),
der in der Region Dallas mit 600 Kopien startete, und die Science-fictionund Horrorfilme der Fünfzigerjahre. Them! (Warner Bros. 1954), ein Film
über die Folgen eines nuklearen Holocaust, wurde im Südwesten der
USA mit 2 000 Kopien lanciert.12 Die Massenstarts brachten große Einnahmen in kurzer Zeit. Oft lagen die Kinos, die den Film spielten, aber
zu nahe beieinander.13 Ende der Fünfzigerjahre reduzierten die Verleiher
deshalb die Zahl der in einem Gebiet jeweils bespielten Häuser. Für New
York City etwa beschränkte man sie auf rund 80, erzielte damit aber eine
Umsatzsteigerung pro Kopie von bis zu 50 Prozent.14
9
10
11
12
13
14
«Just How Many Film Sites Are There? U.S. Chain Execus Invariably Evasive». In: Variety, Vol. 277, No. 9, 9. Januar 1975, S. 7.
«New Suburban Markets Taking As Much as 25% Of City Business». In: MPH, Vol.
140, No. 9, 31. August 1940, S. 39. «The City is Moving Out to the Neighborhoods». In:
MPH, Vol. 194, No. 13, 27. März 1954, S. 37. James M. Jerauld: «Big Film Theaters in the
Suburbs Seen Pattern of the Future». In: MPH, Vol. 206, No. 10, 9. März 1957, S. 17.
Vgl. auch Gomery (1992, 84).
«One Punch Openings Aid Theaters Is Claim». In: MPH, Vol. 176, No. 6, 6. August 1949, S. 13.
«Radio-TV Aid Them! in Record 2 000 Bookings». In: MPH, Vol. 195, No. 10, 5. Juni
1954, S. 32. «Nationwide TV, Radio Campaign for Beast». In: MPH, Vol. 191, No. 5, 2.
Mai 1953, S. 42. «1 422 Beast Dates Set». In: MPH, Vol. 191, No. 12, 20. Juni 1953, S. 31.
«Schedule TV, Radio Spots for Mister Scoutmaster». In: MPH, Vol. 192, No. 7, 15. August 1953, S. 24. «Television Helps Opening of George Pal’s War». In: MPH, Vol. 193,
No. 10, 5. Dezember 1953, S. 31. «Universal Sets 17 Saturation Openings for 3-D Lagoon». In: MPH, Vol 194, No. 10, 6. März 1954, S. 18
«Increasing Grosses With Exploitation». In: MPH, Vol. 199, No. 12, 18. Juni 1955, S. 20.
James M. Jerauld: «Mass Territorial Premieres Setting New Pattern of Distribution».
In: MPH, Vol. 208, No. 1, 6. Juli 1957, S. 14. «Multiple Run Working Well in New
York». In: MPH, Vol. 208, No. 3, 20. Juli 1957, S. 14. «Multiple Run Successful in Chicago». In: MPH, Vol. 208, No. 4, 27. Juli 1957, S. 19.
153
Mitte der Fünfzigerjahre entwickelten die Studios außerdem eine
Vermarktungstechnik, die es ihnen erlaubte, auch bei Prestigeproduktionen ihren Einnahmenanteil wieder aufs Niveau der klassischen Studio-Ära zu heben: die «road show». In den Zehner- und Zwanzigerjahren sprach man von «road show», wenn die Verleiher die Kinos mieteten
und auf eigene Rechnung betrieben. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren verstand man darunter hingegen einen zeitlich limitierten «first run»
mit erhöhten Eintrittspreisen und nummerierten Plätzen, bei dem die
Verleiher einen höheren Anteil am Einspielergebnis einbehielten als bei
herkömmlichen Premierenengagements (Sklar 1988, 116). Neu an diesem
Modell war nicht zuletzt, dass die Filme zu bestimmten Zeiten anfingen.
Bis in die Sechzigerjahre war es gebräuchlich, mitten in der Vorstellung
zu kommen und wieder zu gehen, sobald man den ganzen Film gesehen
hatte. Die RKO-Kinokette in New York annoncierte zum Beispiel vor
1956 keine Anfangszeiten der Vorstellungen.15 Die «road show»s hingegen funktionierten nach dem Muster von Theatervorstellungen und begannen zu festgesetzten Uhrzeiten. Den Anfang der «road show»-Ära in
diesem Sinn machte Cecil B. DeMilles zweite Verfilmung von The Ten
Commandments (Paramount 1956), der erste Film, der über 100 Millionen
Dollar an der Kinokasse einspielen sollte,16 und bis Ende der Sechziger
wurden die meisten Großproduktionen auf diese Weise lanciert, von
Spartacus (Universal 1960) über The Sound of Music (TCF 1965) bis zu
2001 – A Space Odyssey (MGM 1969).17
Um die Einkünfte weiter zu steigern und die gestiegenen Produktionskosten zu kompensieren, kombinierten die Verleiher die «road
show» bald auch mit dem Massenstart. United Artists startete 1955 Robert Rossens Alexander the Great (UA 1956) in 21 Grosskinos. Ein halbes
Jahr später folgte die zweite Stufe der Auswertung, eine Kampagne mit
300 Spielorten.18 The Ten Commandments wiederum lief zunächst drei Jahre als «road show» und als «first run» zu normalen Preisen. Ab Frühjahr
1960 wertete Paramount das Bibelepos zusätzlich mit regionalen Massenstarts aus.19
Im Januar 1960 forderte der Filmwerber Terry Turner, die Studios
sollten die Konsequenz aus ihren Erfahrungen ziehen, einen Schritt wei15 «RKO Theatres Advertise Starting Time of Shows». In: MPH, Vol. 202, No. 1, 7. Januar
1956, S. 17.
16 «Ten Commandments Sets a New Pattern». In: MPH, Vol. 206, No. 5, 2. Februar 1957, S. 18.
17 Vgl dazu auch Balio (1976, 422–33), Belton (1992, 174–182).
18 «U.A. Sets Big Campaign For Alexander the Great». In: MPH, Vol. 201, No. 8, 19. November 1955, S. 18. «Alexander Set for May Saturation Dates». In: MPH, Vol. 203, No. 4,
28. April 1956, S. 38.
19 «Saturation Bookings for Commandments». In: MPH, Vol. 219, No. 3, 23. April 1960, S. 11.
154
ter gehen und ihre Großproduktionen mit nationalen Massenstarts lancieren.20 Einen ersten Versuch dieser Art wagte United Artists im Spätsommer 1960. John Sturges’ The Magnificent Seven (UA 1960) kam
landesweit simultan in 250 Kinos heraus, begleitet von einer intensiven
Werbekampagne mit Inseraten, TV- und Radiospots.21 Die Zeit der skalierten Kinoauswertung sei abgelaufen und die Zukunft gehöre den
Massenstarts, kommentierte Variety damals, wenn auch noch etwas verfrüht.22 Mitte der Sechziger gingen die Verleiher aber immerhin zu einem «multiple run»-System in den Großstädten über und starteten jeweils mit mehreren Kopien.23
Eine weitere Verleihoption war die «art house»-Premiere. Bereits
Ende der Dreißigerjahre spezialisierten sich einige exklusiv ausgestattete
Kinos in den großen Städten auf hochwertige ausländische Filme (Gomery 1992, 183ff.). In den Vierzigern erfreuten sich die «art houses»
wachsenden Zuspruchs, und in den frühen Fünfzigern begannen die
Studios, diese Kinos auch für die Auswertung anspruchsvollerer Filme
aus amerikanischer Produktion zu nutzen (Vgl. dazu Wilinsky 2001). So
wurde John Hustons The Red Badge of Courage (MGM 1953) in New York
im Walter Reade Theater gezeigt.24 Ende der Sechziger verfeinerten die
Studios die «art house»-Premiere zu einem Muster, das mittlerweile unter der Bezeichnung «platforming» bekannt ist: Prestigeträchtige Filme
werden in einem oder zwei Kinos in New York gestartet und von positiven Kritiken und Mundpropaganda in weitere Kinos und kleinere Städte
weitergetragen. Auf diese Weise vermarktete etwa United Artists John
Schlesingers Midnight Cowboy (UA 1969). Einige Wochen vor der Premiere wurde der Film wichtigen Kritikern vorgeführt, und die Reaktionen
fielen positiv aus. Um ihm eine zusätzliche Aura der Exklusivität zu verleihen, startete UA den Film dennoch nur mit einer einzigen Kopie (Balio 1987, 29f.; Abb. 24).
Das Muster der «road show» wurde Ende der Sechzigerjahre nach
einigen teuren Flops abrupt aufgegeben,25 unter anderem, weil die Filmwirtschaft in eine akute Krise geraten war. Die Produktionsbudgets es20 Terry Turner: «Tele-Sell Potential Shorted When Exhibs Buy the Campaign And Never
Mind Films’ Merits». In: Variety, Vol. 217, No. 7, 3. Januar 1960, S. 3–18.
21 «UA’s Saturation On Seven a La Exploitation Pix». In: Variety, Vol. 220, No. 1, 31. August 1960, S. 7–62.
22 «Marketing Revolution Foreshadowed». In: Variety, Vol. 220, No. 4, 21. September
1960, S. 3–19.
23 «N.Y. Release Pattern Changing». In: MPH, Vol. 233, No. 10, 12. Mai 1965, S. 6.
24 «Art Houses Bloom in New York’s Midtown». In: MPH, Vol. 180, No. 3, 15. Juli 1950, S.
22. Mandel Herbstman: «Majors Turn to Art Houses For Specials». In: MPH, Vol. 192,
No. 9, 23. August 1953, S. 23.
25 «Are Roadshows On the Way Out?» In: MPH, Vol. 240, No. 10, 11. März 1970, S. 5.
155
Abb. 24: Platforming und abgestufte Werbung: Der Premieren-Trailer für Midnight Cowboy (UA 1969) bestand aus Filmausschnitten und einer Reihe von eingeblendeten Kritikerzitaten. Der Trailer für die breite Lancierung verband im
Verweis auf den Oscar und das X-Rating einen Appell an kulturelle Distinktionsbedürfnisse mit einem an Schau- und Sensationslust.
kalierten, die Stars wurden immer teurer, garantierten aber keinen Erfolg mehr; und während manche Regisseure mittlerweile Autoren- und
Prominentenstatus erlangt hatten, so blieb ihr Renommé in den meisten
Fällen doch ohne Einfluss aufs Einspielergebnis.26 Ein Studio ums andere
ging Ende der Sechziger in den Besitz großer Konzerne über. Der Versicherungsriese Transamerica kaufte 1967 United Artists auf (Balio 1987,
302), MGM wurde 1969 vom Hotelmagnaten Kirk Kerkorian übernommen (Bart 1990, 29ff.), und Paramount ging im gleichen Jahr an den
Mischkonzern Gulf & Western. Die neuen Muttergesellschaften rationalisierten Produktion und Vermarktung, und ihren Sparbemühungen fiel
auch die aufwendige «road show» zum Opfer.
5.2 Intensität der Werbung und Produktidentität:
Filmwerbung 1948–1970
Weil in den Fünfzigerjahren das Produktionsvolumen zurückging und
der Markt immer mehr in spezifische Untergruppen zerfiel, sah sich die
Werbung mehr denn je mit dem Problem konfrontiert, wie man einen
Film als ausdifferenziertes Einzelprodukt vermarktet. Zum einen intensivierte man zu diesem Zweck den Werbeaufwand für den einzelnen
Film und bemühte sich, in den Kampagnen mehr «angles», mehr verschiedene Aspekte des Produktes herauszustellen. Zum anderen entwi26 «Panic In Hollywood». In: MPH, Vol. 240, No. 6, 11. Februar 1970, S. 5. «Few Superstar
Directors; Unreliable As Most Players». In: Variety, 9. August 1972, S. 3–26.
156
ckelte man Methoden, dem einzelnen Film eine stärker konturierte Produkteidentität zu verleihen.
5.2.1 Budget, Nischen, Fristen: Aspekte der Intensivierung
Nach 1945 durchlief die Konsumproduktewerbung eine rasche Expansion. Die Gesamtausgaben stiegen bis 1950 von 2,9 auf 5,7 Milliarden Dollar pro Jahr. Der Anteil der Werbeausgaben am Gesamtumsatz der Konsumgüterindustrie betrug zunächst noch 2,9 Prozent, wuchs aber
bedeutend schneller als das Pro-Kopf-Einkommen oder das Bruttosozialprodukt (Fox 1984, 172f.). Mit etwas Verzögerung folgte auch die Filmindustrie diesem Trend. In den Fünfzigerjahren stockten die Verleiher ihre
Budgets kontinuierlich auf und bauten außerdem ihre Werbeabteilungen
aus.27 Für die Jahre 1959/60 erweiterte Fox seinen Reklame-Etat um 33
Prozent und investierte große Summen in nationale und regionale Fernsehkampagnen, während Columbia für 1960 ein Werbebudget von 10
Millionen Dollar ankündigte.28 Auch millionenteure Einzelkampagnen
wurden zur Regel.29 Als David O. Selznick 1946 1 Million Dollar für die
Werbung zu Duel In the Sun ausgab, erschien dies noch als exzessive
Summe. 1958 hingegen budgetierte man für die Lancierung von William
Wylers The Big Country (UA 1958) ohne Umschweife 2 Millionen.30
Den Publikumsschwund in den frühen Fünfzigerjahren führten
manche Vertreter der Industrie darauf zurück, dass die Werbung zuviel
Information über den Film und seine Produktionshintergründe preisgab
– ein Argument, das auch schon in Reaktion auf den Zuschauerschwund
der frühen Zwanzigerjahren aufgetaucht war.31 Die Werbeabteilung von
Fox etwa versuchte 1950, die «lost audience» mit Reklame zurückgewinnen, die weniger über Film und Story verriet.32 Die allgemeine Tendenz
27 «2 000 000 Set for Ads». In: MPH, Vol. 180, No. 6, 5. August 1950. «U-I to Raise Ad Budget by $1 000 000». In: MPH, Vol 199, No. 6, 7. Mai 1955, S. 32. «United Artists Will Have Fifty Exploitation Men». In: MPH, Vol. 202, No. 10, 10. März 1956, S. 33.
28 «20th-Fox Promotion Budget Increased 33%». In: MPH, Vol. 214, No. 4, 31. Januar 1959,
th’
S. 33. «1960 As 20 s Test Year For TV Ads; Medium Heretofore Spottily Probed». In:
Variety. Vol. 218, No. 7, 13. April 1960, S. 24. «$10 000 000 Budget is Set for Columbia
Promotion». In: MPH, Vol. 217, No. 5, 7. November 1959, S. 7. «What’ll TV Spots Do
for Esther?» In: Variety, Vol. 220, No. 12, 16. November 1960, S. 7.
29 Vgl. etwa «El Cid Publicity Costing Allied Artist $1 250 000». In: MPH, Vol. 222, No. 5,
18. Februar 1961, S. 13.
30 «UA Plans $2,000,000 Campaign to Match Title, Size of Big Country». In: MPH, Vol.
212, No. 5, 2. August 1958, S. 18.
31 William R. Weaver: «Telling Studio Secrets Called Trade Mistake». In: MPH, Vol. 182, No.
3, 13. Januar 1951, S. 35. «Screen Illusion». In: MPH, Vol. 185, No. 2, 13. Oktober 1951, S. 7.
32 «20th-Fox Clinic Writes Showman’s Prescription». In: MPH, Vol. 178, No. 5, 4. Februar
1950, S. 16.
157
ging indes in die entgegengesetzte Richtung. In den Fünfzigerjahren
wurden mehr «featurettes» produziert als je zuvor, und man ging dazu
über, ganze Sets von Trailern herzustellen. 1953 warben für The Knights
of the Round Table (MGM 1953) achtzehn Trailern, die jeweils verschiedene Aspekte der Story behandelten.33 Otto Premingers Saint Joan (Paramount 1957) wurde mit einer Reihe von sechs zehnminütigen Trailern
lanciert, die verschiedene Episoden aus der Produktionsgeschichte angingen, von Jean Sebergs Casting über die Dreharbeiten in England bis
zu den technischen Details der Scheiterhaufenszene.34 Ähnliche Entwicklungen ließen sich auch bei den neu aufkommenden Fernsehspots beobachten. Zum Kriegsdrama Battle Hymn (Universal 1956) mit Rock Hudson stellte Universal Spots her, die jeweils auf ein weibliches und ein
männliches Publikum abgestimmt wurden. Im «woman’s approach»Spot stand die Story im Vordergrund, beim Männer-Spot die «action».35
Spätestens seit den frühen Sechzigerjahren versuchten die Studios ferner, Kinotrailer auf spezielle Zielgruppen auszurichten.36
Mit diesen neuen Strategien der Produktedifferenzierung trugen
die Studios auch den Forderungen der Kinobesitzer Rechnung. Landund Quartierkinobesitzer verlangten in Leserbriefen – die sie in den späten Vierzigerjahren an den Motion Picture Herald richteten – immer wieder Trailer und Plakate, die den Bedürfnissen ihres Publikums besser
entsprächen als jene, die National Screen Service für die «first run»-Kinos produzierte.37 MGM hatte, der Zeit immer ein wenig voraus, schon
in den Dreißigern für einzelne Filme verschiedene Trailer hergestellt,
etwa für Romeo and Juliet (MGM 1936).38 Die Filmwerbung der klassischen Tonfilm-Ära konzentrierte sich aber auf den Markt der großen
Häuser. Balaban & Katz in Chicago ließ in den Dreißigerjahren die Trailer zwar mitunter auf die Publikumsbedürfnisse der jeweiligen Quartiere abstimmen;39 die Ansprüche der ökonomisch marginalen Zweitaus33 «Schedule 18 Trailer For Knights Campaign». In: MPH, Vol. 193, No. 10, 5. Dezember
1953, S. 31.
34 «Six Trailers Sell Joan». In: MPH, Vol. 207, No. 7, 18. Mai 1957, S. 24.
35 Trailerscripts für Battle Hymn, AMPAS.
36 «MGM Set Up New Integrated Marketing». In: MPH, Vol. 227, No. 10, 15. Mai 1963, S.
30–32. «Tailoring a Campaign To a Specific Market». In: MPH, Vol. 238, No. 47, 20. November 1968, S. 11.
37 «To the Editor: Trailers». In: MPH, Vol. 174, No. 7, 12. Februar 1949, S. 8. «To the Editor: Two Trailers». In: MPH, Vol. 178, No. 5, 4. Februar 1950, S. 8. «To the Editor: Better
Trailers». In: MPH, Vol. 180, No. 3, 15. Juli 1950, S. 8. «To the Editor: Trailer Needs». In:
MPH, Vol. 191, No. 6, 9. Mai 1953, S. 8. «To the Editor: Trailers». In: MPH, Vol. 193, No.
8, 21. November 1953, S. 8.
38 Trailercontinuities für Romeo and Juliet, AMPAS.
39 «B&K.’s Trailer Gag Bolsters Grosses And Saves Many Flops from a Washout». In:
MPH, 17. Januar 1931.
158
wertungskinos aber wurden vernachlässigt. Erst der Publikumsschwund
der Fünfzigerjahre zwang die Studios zum Umdenken. So bot Paramount 1951 für die Literaturverfilmung Encore (Paramount 1951) nach
William Somerset Maugham zwei verschiedene Trailer für «first runs»
und «subsequent runs» an.40
Mit dem Volumen und der strategischen Ausrichtung veränderten
sich auch die Fristen der Werbekampagnen. In der klassischen Studioära
wechselten die Programme oft wöchentlich, und langfristige Kampagnen veranstaltete man nur für Großproduktionen wie die erste Fassung
von The Ten Commandments (Paramount 1923) oder Gone With the Wind
(MGM 1939). In den Vierzigerjahren verlängerten sich die Laufzeiten,
und die Arbeit der Publicity-Abteilungen, die zuvor meist der Imagepflege von Stars diente, wurde stärker auf einzelne Filme fokussiert. Im
Auftrag von David O. Selznick entwickelte Gallup zudem Techniken,
den Kenntnisstand des Publikums über kommende Produktionen zu
messen (Vgl. dazu auch Ohmer 1991). Während der Dreharbeiten zu Since
You Went Away (UA 1943) ließ Selznick laufend den Grad der sogenannten «publicity penetration» bestimmen und forderte den Verleiher umgehend auf, mehr Aufwand zu betreiben, wenn die Werte nicht zu seiner
Zufriedenheit ausfielen.41 Nach diesem Vorbild wurde nun die ganze
Werbepraxis reorganisiert. Columbia etwa stellte 1959 eine neue Reklamestrategie unter dem Slogan «From the Cradle to the Box Office» vor.
Die Zeit des «last minute selling» sei vorbei und die Werbekampagne
beginne fortan im Moment, in dem der Film in Produktion gehe.42
Zu einem der wichtigsten Instrumente der Reklame wurde im Zug
dieser Entwicklung der Teaser Trailer. Seine Funktion besteht darin, im
Gedächtnis der Zuschauer einen ersten Eindruck vom Film zu hinterlassen und auf sein Kommen hinzuweisen (Evans 1983). MGM hatte solche
kurzen Trailer schon in den Dreißigerjahren produziert und sie einige
Wochen vor dem Haupttrailer auf die Kinos verteilt. Für Ziegfeld Girl
(MGM 1941) stellte Frank Whitbeck fünf verschiedene Teaser her, die je
einen der Stars des Musicals mit einer Songnummer zeigten. Das Format
wurde aber erst in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren
durchgängig eingesetzt. Im Unterschied zu den regulären Trailern wur-
40 «Two Trailer Types to Be Used for Encore». In: MPH, Vol. 187, No. 4, 26. April 1952, S.
41.
41 Memo «Marquee Value». WSHS US Mss 99AN Series 4D, Box 3, Folder 2.
42 «Promotion». In: MPH, Vol. 215, No. 3, 25. April 1959, S. 21. «The New Look in Columbia Advertising and Promotion». In: MPH, Vol. 215, No. 4, 2. Mai 1959, S. 22. Columbia’s 4-C-Concept aid Big C Program: Lazarus». In: MPH, Vol. 219, No. 4, 30. April
1960, S. 10.
159
den Teaser dabei kostenlos an die Kinos abgegeben.43 Der Motion Picture
Herald führte zudem ab 1961 vorübergehend Listen aller verfügbaren
Teaser, und National Screen propagierte gezielt ihre Verwendung.44 Die
Trailer-Firma hoffte, mit den Einnahmen aus der Teaser-Herstellung den
schleichenden Umsatzverlust zu kompensieren, den sie aufgrund des
allgemeinen Rückgangs des Produktionsvolumens seit den Fünfzigerjahren hinnehmen musste. Die Studios hingegen setzten auf Teaser und
verlängerte Kampagnen, um ihre gestiegenen Investitionen besser abzusichern. Universal brachte 1960 den ersten Teaser für Stanley Kubricks
Spartacus (Universal 1960) schon sechs Monate vor der Premiere heraus.
Eine solche Frist galt damals als lang und wurde als Zeichen gedeutet,
dass man die 12 Millionen Dollar teure Produktion als besonders risikobehaftet einstufte.45 Die Zeitspanne von sechs Monaten etablierte sich
aber bald darauf als Richtlänge für große Werbekampagnen.
Während die Kampagnen länger wurden, verkürzten sich die Produktionsfristen für die Werbematerialien. In den frühen Fünfzigerjahren
begann die Trailer-Abteilung von Warner Bros. mit der Arbeit erst,
wenn der Film fertig geschnitten war. Die Herstellung eines Trailers
dauerte mindestens zwei Wochen: Sieben Tage nahm das Script in Anspruch, fünf die technische Herstellung und weitere zwei die Abnahme
durch Studiochef Jack Warner, der alle Trailer persönlich begutachtete.
Verlangte Warner Korrekturen, so verlängerte sich die Produktionszeit
um eine weitere Woche. Im Januar 1954 verfügte Warner, dass die Produktion des Trailers schon beginnen sollte, wenn der Film noch im
Schneideraum war; er sollte zeitgleich mit dem Film fertig sein und in
die Kinos gelangen, sobald die Testvorführungen vorüber waren. Die
Trailer sollten auf diese Weise die Mundpropaganda unterstützen, die
von den Testscreenings und Vorpremieren ausgelöst wurde.46
43 «Field Men, Teaser Set Campaign for Hot». In: MPH, Vol. 214, No. 11, 21. März 1959, S.
12. Inserat «Presold». In: MPH, Vol. 215, No. 6, 16. Mai 1959, S. 8–9.
44 «Teaser Trailers». In: MPH, Vol. 225, No. 9, 29. November 1961, Product Digest Section, S. 365. «NSS Stresses Availability In Teaser Trailer Drive». In: MPH, Vol. 225, No.
12, 20. Dezember 1961, S. 17f.
45 «Run Spartacus Trailers Six Months in Advance». In: MPH, Vol. 220, No. 8, 20. August
1960, S. 15.
46 Memo von Jack Warner an Art Silver, 7. Januar 1954. Memo von Jack Warner an Art
Silver, 30. September 1954. Memo von Art Silver an Hal Shaw, 4. Oktober 1954. Memo
von Art Silver an Bill Schaffer, 4. Oktober 1954. WBUSC.
160
5.2.2 The Best Ticket Selling Medium:
Die Anfänge der Fernsehwerbung
Zur Intensivierung der Reklame in den Fünfzigerjahren gehörte auch
der Einsatz des Fernsehens als Werbemedium. Die Entwicklung des
Fernsehens hatten die Studios schon in den Zwanziger- und Dreißigerjahren mit Interesse und finanziellem Engagement verfolgt. Als Teilhaber von CBS beteiligte sich Paramount auch an den ersten Fernsehexperimenten des Radio-Networks (Boddy 1991, 174f.). In den
Vierzigerjahren investierten Paramount und Fox in Firmen, die Fernsehgeräte entwickelten, und auch MGM und Warner Bros. erwogen vorübergehend ein solches Engagement.47 RKO war als Tochtergesellschaft
von RCA ohnehin Teil eines Medienmischkonzerns, der auch Fernsehgeräte herstellen sollte. Fox versuchte zudem 1948 ABC aufzukaufen, das
kleinste der drei nationalen Networks.48 Das «consent decree» verbot den
Studios allerdings, sich an den nationalen Senderketten zu beteiligen,
was nicht wenig zu den späteren finanziellen Schwierigkeiten der Filmindustrie beitrug (Anderson 1994, 22ff.).
Als Werbemedium benutzten die Studios das Fernsehen schon seit
seinen Anfängen. Bei den ersten Fernsehexperimenten stellten Kinotrailer einen wichtigen Programmteil dar. NBC strahlte anlässlich der Weltausstellung in Queens 1939 erste Testprogramme aus. RKO, wie NBC
eine Tochtergesellschaft von RCA, stellte zu diesem Zweck Spezialtrailer
über die neusten Filme des Studios her.49 Gezeigt wurde etwa eine zehnminütige Kurzfassung von George Stevens’ Gunga Din (RKO 1939). NBC
lud auch die anderen Studios ein, solche Trailer beizusteuern, doch nur
Paramount machte von dem Angebot Gebrauch und steuerte Werbefilme für DeMilles Union Pacific (Paramount 1939) und die Screwball Comedy Midnight (Paramount 1939) bei.50
Die Trailer mussten anfänglich noch auf Material mit Sepia-Tönung
gezogen werden, weil das übliche Schwarzweißmaterial am Fernsehgerät nicht die nötigen Kontrastwirkungen ergab.51 1946 lancierte RCA sein
Model 630-TS für einen Kaufpreis von 385 Dollar: das erste kommerziel47 «Majors Bolster Stake in Postwar Television». In: MPH, Vol. 151, No. 10, 5. Juni 1943, S. 31.
th
48 «20 -Fox Seeks to Purchase American Broadcasting Net». In: MPH, Vol. 173, No. 9, 27.
November 1948, S. 9. «Report ABC — 20th-Fox Talks Continuing». In: MPH, Vol. 173,
No. 12, 18. Dezember 1948, S. 38.
49 «Films Have Nothing to Fear of Television, Says Lohr of NBC». In: MPH, Vol. 135, No.
6, 13. Mai 1939, S. 29.
50 «Television Flickers». In: MPH, Vol. 134, No. 10, 11. März 1939, S. 8. «First Regular
Daily Broadcasts of Television Few Weeks Away». In: MPH, Vol. 134, No. 10, 11. März
1939, S. 35.
51 «Television Trailers». In: MPH, Vol. 134, No. 9, 4. März 1939, S. 8.
161
le Fernsehgerät. Es verfügte über eine Bildauflösung von 525 statt der
bisherigen 441 Bildzeilen, womit auch herkömmliches Filmmaterial
übertragen werden konnte (Fisher/Fisher 1996, 364). Mehr Kopfzerbrechen bereitete den Filmwerbern in den Anfangsjahren die Form der
Spots. Paramount griff zunächst auf die Formel der «featurette» zurück.
Im Sommer 1946 strahlte die studioeigene Fernsehstation W6XYZ in Los
Angeles eine Reihe kurzer Werbefilme aus, die bestimmte Aspekte der
Filmproduktion behandelten und jeweils einen neuen Film des Studios
ins Zentrum stellten. Den Auftakt machte eine Episode mit dem Titel
Costumes for the Stars am 26. Juli 1946.52 Die ersten Spots mit Filmausschnitten stellte Universal her. Für Nunnally Johnsons Politsatire The Senator Was Indiscreet (Universal 1947) warb in den zwei Wochen vor der
New Yorker Premiere im Januar 1948 ein fünfminütiger Spot, der auf
NBC und CBS ausgestrahlt wurde. Wie ein Kinotrailer wies er eine klassische Struktur auf, mit einem pseudojournalistischen Intro, das den Star
William Powell bei einer Wahlrede zeigt. Universal führte den Trailer
auf NBC achtmal vor und bezahlte pro Aufführung 175 Dollar. Das Studio stufte den Versuch als Erfolg ein, hielt aber fest, dass man die richtige Form für den Fernsehtrailer noch nicht gefunden habe; insbesondere
die Auswahl der Szenen könne offenbar nicht nach den gleichen Kriterien erfolgen wie beim Kinotrailer.53 Dennoch blieb der Kinotrailer vorläufig das Paradigma für die TV-Spots. Anfang 1950 bot Paramount den
Kinobetreibern die ersten Spots an, die eigens fürs Fernsehen produziert
wurden.54 Fernsehspezifisch war daran vorerst nur die Länge. Es handelte sich um Derivate des Kinotrailers, der in Abschnitte von 10, 15, 30 und
60 Sekunden zerlegt wurde. Gedreht waren sie in Schwarzweiß und einem Format von 1:1.33, was ihre Wirkung besonders dann schmälerte,
wenn sie für Cinemascope-Farbfilme warben.55
Universal kompensierte solche Mängel, indem es oft Stars auftreten
ließ: Die Spots für Anthony Manns The Glenn Miller Story (Universal 1953)
zeigen die Hauptdarsteller James Stewart und June Allyson und die
Jazzmusiker Louis Armstrong und Gene Krupa in direkter Ansprache
ans Publikum. Louis Armstrong erzählt von seinen Erlebnissen mit Glenn
Miller, James Stewart davon, welche Ehre es für ihn sei, diesen amerika52 «Television Trailers Set for Paramount Pictures». In: MPH, Vol. 164, No. 4, 27. Juli
1946, S. 25.
53 «Video Trailer». In: MPH, Vol. 169, No. 12, 20. Dezember 1947, S. 8. Script für «television trailer» für The Senator Was Indiscreet, AMPAS.
54 «Video to Promote Film». In: MPH, Vol. 177, No. 13, 24. Dezember 1949, S. 20. «TOA
Urges Trailers for Video Use». In: MPH, Vol. 175, No. 1, 2. April 1949, S. 32. «TOA Urges TV Trailers to Sell Films». In: MPH, Vol. 175, No. 9, 28. Mai 1949, S. 35.
55 «Uses of Television». In: MPH, Vol. 203, No. 2, 14. April 1956, S. 7.
162
nischen Visionär verkörpern zu dürfen. In einem 20-Sekunden-Fernsehspot für Douglas Sirks The Magnificent Obsession (Universal 1954) verknüpft Jane Wyman Starpersona und Rolle mit der Formulierung «The
full power of love is something wonderful. As Helen Phillips in Magnificent Obsession, I find it with a man who almost wrecked my life.»56
Ungeachtet aller Formprobleme erwies sich Fernsehwerbung auf
Anhieb als erfolgreich. Columbia investierte im Sommer 1950 vor der
Premiere von No Sad Songs for Me (Columbia 1950) in der Radio City
Music Hall in New York 10 000 Dollar in Fernsehwerbung. Einen großen
Teil des Einspielergebnisses von 130000 Dollar in der ersten Woche führten die Werbeleute auf die TV-Spots zurück.57 Fox testete die Wirksamkeit von Fernsehwerbung im Sommer 1950 mit einer Kampagne für das
Dokudrama The Big Lift (TCF 1950), die neben Zeitungsinseraten und
Radiospots auch Fernsehwerbung umfasste. 25 Prozent der befragten
Zuschauer gaben an, sich den Film aufgrund der TV-Spots angeschaut
zu haben.58 Dennoch zögerte die Industrie, voll auf die Karte der Fernsehwerbung zu setzen.59
Der Grund dafür lag unter anderem bei der Finanzierung. Die Studios konnten sich mit den Kinos nicht einigen, wer die Rechnung bezahlen sollte. Die Studios stellten TV-Spots zwar gerne zur Verfügung.60 Ihren Einsatz überließ man aber lieber den Kinos, und nur bei Großproduktionen wie Cecil B. DeMilles The Greatest Show on Earth (Paramount
1952) bezahlte das Studio die Fernsehkampagne aus eigener Tasche.61
Unabhängige Kinobesitzer konnten sich Fernsehwerbung oft nicht leisten. Ein 20-Sekunden-Spot zur besten Sendezeit kostete 1952 auf NBC im
Großraum New York 775 Dollar. Die großen Ketten wiederum erwarteten, dass die an ihrem Umsatz beteiligten Studios die Kosten für die
Fernsehwerbung übernahmen.62 RKO suchte 1952 einen Ausweg aus
diesem Patt, indem das Studio die Kosten der «saturation»-Kampagne
für Raoul Walshs Blackbeard the Pirate (RKO 1952) weitgehend auf die Kinobetreiber abwälzte, diesen aber einen größeren Anteil am Einspieler56 Trailerscripts für The Glenn Miller Story und Magnificent Obsession, AMPAS.
57 «TV Ads Used By Columbia». In: MPH, Vol. 180, No. 5, 29. Juli 1950, S. 39. «If You
Can’t Lick’em, Jine’em: Films Use TV». In: MPH, Vol. 179, No. 10, 3. Juni 1950, S. 13.
58 Martin Quigley, Jun.: «Optimism With an If Is the Forecast for 1951». In: MPH, Vol.
182, NO. 1, 6. Januar 1951, S. 13ff.
59 Wie oben, Anm. 40.
60 «14 Paramount Trailers Are Available for TV». In: MPH, Vol. 182, No. 13, 31. März
1951, S. 20.
61 «DeMille’s Show Gets Big Radio, TV Promotion». In: MPH, Vol. 186, No. 10, 8. März
1952, S. 59.
62 «To the Editor: TV Advertising Cost». In: MPH, Vol. 182, No. 3, 13. Januar 1951, S. 8.
«To the Editor: Regional TV Selling». In: MPH, Vol. 189, No. 3, 18. Oktober 1952, S. 8.
163
gebnis überließ.63 Dieses Modell setzte sich allerdings ebensowenig
durch wie acht Jahre später der Vorschlag von Fox-Verleihchef Charles
Einfeld, die Kinos sollten die Kosten für lokale und die Studios jene für
nationale Fernsehwerbung übernehmen.64 TV-Reklame in großem Umfang wurde bis Ende der Fünfzigerjahre fast nur im Rahmen von «saturation»-Kampagnen betrieben.65 Fernsehwerbung blieb damit ein saisonales Phänomen. Die entsprechenden Filme liefen meist in Autokinos, und
ihre Auswertung beschränkte sich vorwiegend auf die Sommermonate.66
Werbekampagnen mit TV-Spots in den nationalen Networks hätten
ohnehin erheblich mehr gekostet, als die Studios für Werbung auszulegen gewohnt waren. Die Budgets wurden zwar laufend aufgestockt,
doch die Kinoreklame entwickelte sich im Unterschied zur Konsumproduktewerbung nur langsam über das Volumen hinaus, das sie in den
Kriegsjahren erreicht hatte.67 1963 beispielsweise gab die Kosmetikindustrie 13 Prozent ihres Umsatzes für Werbung aus. Bei den Kinos betrug
der Anteil 6 Prozent, bei den Studios nur 3,16 Prozent.68 Den Rahmen
sprengte zu diesem Zeitpunkt nur der Kinobetreiber Joseph E. Levine,
der spätere Gründer und Chef von Embassy Pictures. Levine kaufte 1959
in Italien für 120 000 Dollar den Peplum-Film Le Fatiche di Ercole, ein
Starke-Männer-Epos mit dem amerikanischen Bodybuilder Steve Reeves
in der Hauptrolle. Levine gab dem Film den amerikanischen Verleihtitel
Hercules, ließ ihn synchronisieren und investierte 40 000 Dollar für eine
Präsentation im New Yorker Waldorf Astoria, bei der er die wichtigsten
Kinobetreiber des Landes in seine Vermarktungspläne einweihte. Weitere 600 000 Dollar investierte Levine in eine nationale Fernseh- und Zeitungskampagne und 375 000 Dollar in 600 Farbkopien.69 Hercules startete
im Juli 1959 und spielte in kürzester Zeit 15 Millionen Dollar ein.70
63 «Television Promotion Plan Developed by Turner». In: MPH, Vol. 189, No. 11, 13. Dezember 1952, S. 18. «Four-Day TV Campaign Launches RKO’s Blackbeard». In: MPH,
Vol. 190, No. 1, 3. Januar 1952, S. 22. «RKO Circuit Signs Again For Radio and TV
Spots». In: MPH, Vol. 190, No. 1, 3. Januar 1953, S. 34.
64 «Let Exhibs Advertise Locally, Distribs Carry National Sell, Drop Co-Op Budgets – Einfeld».
In: Variety, Vol. 220, No. 6, 5. Oktober 1960, S. 3–20.
65 «TV, Harnessed By Film, May Be Ace Promoter». In: MPH, Vol. 188, No. 10, 6. September 1952, S. 13f.
66 «Air Plugs Seasonal Only; Press Still Films First Line». In: Variety, Vol. 217, No. 4, 23.
Dezember 1959, S. 20.
67 «Double Standard». In: MPH, Vol. 214, No. 3, 24. Januar 1959, S. 7.
68 «Food-For-Thought». In: MPH, Vol. 232, No. 2, 22. Juli 1964, S. 5.
69 Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben der amerikanischen Wirtschaft für TV-Werbung
betrugen 1961 1,615 Mia. Dollar (Sandage und Fryburger 1963, 453).
70 «The New York Times Reports On Hard Sell». In: MPH; Vol. 219, No. 10, 11. Juni 1960,
S. 56–62.
164
Unter dem Eindruck dieses Erfolgs zogen auch die Studios nach.71
United Artists lancierte 1961 The Magnificent Seven mit einer nationalen
Fernsehkampagne, Columbia folgte 1962 mit Blake Edwards’ Experiment
in Terror (Columbia 1962).72 Hercules ließ bei den großen Studios die Einsicht reifen, dass in der veränderten Verleih- und Mediensituation Filmvermarktung einen höheren Preis hatte. «It can’t be done cheaply», stellte der Werbechef von Columbia 1963 fest.73 Im Verlauf der
Sechzigerjahre wurde TV-Reklame zum festen Bestandteil jeder Kampagne und löste schließlich die Zeitungswerbung als aufwandintensivstes
Medium ab.74 Erst Mitte der Siebzigerjahre gingen die Studios allerdings
so weit, die Hauptlast der Werbekosten zu übernehmen und Millionenbeträge in nationale Fernsehwerbekampagnen zu investieren.
Die Möglichkeiten der indirekten Fernsehwerbung hingegen wurden schon seit den frühen Fünfzigerjahren intensiv genutzt. Als wirkungsvolle Lancierungsplattform erwies sich namentlich Ed Sullivans
Talkshow Toast of the Town auf CBS. Der ehemalige Zeitungskolumnist
Sullivan moderierte die Show seit 1947. Für Starauftritte fehlte ihm anfänglich das nötige Budget, und die Studios verboten ihren Stars auch in
den meisten Fällen jeden Fernsehauftritt. Dass Lena Horne in dieser Anfangsphase für eine Gage von 120 Dollar bei Sullivan auftrat, sagt viel
aus über den Status der schwarzen Sängerin und Schauspielerin innerhalb der Unterhaltungsindustrie. Außerdem stellten die Studios kein
Filmmaterial zur Verfügung. 1948 ergab eine Umfrage in Long Island,
dass Besitzer von Fernsehgeräten rund ein Fünftel weniger ins Kino gingen. 1950 eruierte eine Marktstudie bei 40 Familien im Großraum Washington gar einen Rückgang von 72 Prozent, und die Studios gingen
davon aus, dass Filmausschnitte am Fernsehen die Attraktivität des Kinos weiter schmälern würden.75 Entsprechend durfte Luise Rainer am 6.
Februar 1949 zwar bei Sullivan auftreten; ihr Beitrag zum Unterhaltungsteil beschränkte sich aber auf eine nachgespielte Szene aus The
Great Ziegfeld (MGM 1936), einem 13 Jahre alten Film. Paramount
schickte 1950 den Schauspieler Wendell Corey auf Tournee durch ver71 «Selling-the-Sell Continues Salient». In: Variety, Vol. 219, No. 11, 10. August 1960, S. 7.
72 «Columbia Pushing Terror With Record TV Time Buy». In: MPH, Vol. 227, No. 1, 11.
April 1962, S. 21f.
73 «Columbia Introduces Package Merchandising». In: MPH, Vol. 230, No. 5, 7. August,
1963, S. 36.
74 «Big Sell Dominates U.S. Films». In: Variety, Vol. 224, No. 6, 4. Oktober 1961, S. 7. «U.A.
Plans $1 000 000 Campaign for Hot». In: MPH, Vol. 214, No. 9, 7. März 1959, S. 16–17.
«TV Ad Coin a Press Reprisal». In: Variety, Vol. 224, No. 1, 30. August 1961, S. 5–20.
75 «TV vs. Films». In: MPH, Vol. 172, No. 8, 21. August 1948, S. 8. «Video Hurts, Survey
Says». In: MPH, Vol. 178, No. 6, 11. Februar 1950, S. 22.
165
Abb. 25 Starauftritte im Fernsehen...
schiedene regionale TV-Stationen, wo er – ebenfalls nur über Interviews
– Robert Siodmaks The File on Thelma Jordon (Paramount 1950) vorstellte.76 1951 konnte Sullivan immerhin erstmals Ausschnitte aus alten Filmen zeigen. Für eine Sendung über den Drehbuchautor Robert Sherwood überließ ihm Samuel Goldwyn eine Szene aus The Best Years of Our
Lives (Samuel Goldwyn 1946).77
Sullivan konnte die Industrie schließlich zur Kooperation bewegen,
indem er sich die Kardinalregel der klassischen Filmwerbung zu eigen
machte: Es könne nichts schaden, für Filme am Fernsehen zu werben, solange man nur die Story nicht preisgebe, argumentierte er gegenüber
Studiochefs wie Nicholas Schenck von MGM.78 Für die Zwecke seiner
Sendung waren Starauftritte ohnehin interessanter als Filmausschnitte,
und so etablierte sich die indirekte Fernsehwerbung schließlich als Fortsetzung der herkömmlichen Kinoreklame, nach den gleichen Regeln
(Star vor Story; Story wird zurückgehalten), aber in einem anderen Medium (Abb. 25). Ein Jahr später waren Starauftritte im Fernsehen bereits
üblich. Gary Cooper war 1952 anlässlich von High Noon (UA 1952) bei
Sullivan zu Gast, und angesichts der Ergebnisse reihte der Werbechef
von United Artists, das Fernsehen umgehend unter die «best ticket selling mediums» ein. Im Februar 1953 gab schließlich auch MGM, in dieser Hinsicht das konservativste der großen Studios, seine Vorbehalte gegen Starauftritte auf. Die verbesserten Beziehungen zur Industrie
dokumentierten ein Auftritt von Walt Disney 1953 sowie eine Spezialsendung, die Sullivan MGM im Februar 1954 zum 30. Firmenjubiläum
widmete. Am 12. September 1954 feierte er Darryl F. Zanuck – ebenfalls
in einer einstündigen Sendung. Ein ähnlicher Tribut an David O. Selz76 «Paramount Will Test Television Effectiveness». In: MPH, Vol. 178, No. 3, 21. Januar
1950, S. 35.
77 «TV Trailers Promote Frogmen in New York». In: MPH, Vol. 183, No. 12, 23. Juni 1951, S. 51.
78 Floyd E. Stone: «Ed Sullivan, television ambassador and friend of the motion picture
industry». In: MPH, Vol. 203, No. 12, 23. Juni 1956, S. 19.
166
...Henry Fonda, James Cagney und Jack Lemmon stellen in Toast of the Town...
nick drei Jahre später kam nicht zustande, weil sich der Produzent von
Gone With the Wind partout nicht mit einer einstündigen Sendung begnügen konnte; es hätten schon zwei sein müssen, und Selznick wollte die
Show auch selbst produzieren.79 Sullivan war zu diesem Zeitpunkt
längst mächtig genug, um auf Selznicks Konditionen nicht eingehen zu
müssen. Seine Show erreichte schon Mitte der Fünfzigerjahre allwöchentlich ein Publikum von 50 Millionen Zuschauern, und die Stars bemühten sich mittlerweile selbst um Einladungen.80 Im November 1956
absolvierte sogar Clark Gable seinen ersten Auftritt, nachdem er sich zuvor immer geziert hatte.81 Starauftritte am Fernsehen lösten in den Sechzigerjahren mehr und mehr auch die klassische Publicity ab, die indirekte Werbung über Zeitungs- und Magazinartikel, die bis Anfang der
Siebzigerjahre fast zum Erliegen gekommen war (Balio 1987, 220).82 Toast
of the Town wurde zwar nach Sullivans Tod eingestellt, Johnny Carsons
Tonight Show auf NBC hatte die Promotionfunktion der Show aber schon
weitgehend übernommen. Auch nach der altersbedingten Ablösung von
Carson durch Jay Leno Anfang der Neunzigerjahre dient die Tonight
Show immer noch als wichtige Plattform für Filmpromotion, ebenso wie
79 Brief von Ed Sullivan an David O. Selznick, 4. Juni 1957. WSHS US Mss 111AN, Box
11, Folder 24.
80 Floyd E. Stone: «Ed Sullivan, Television Ambassador and Friend of the Motion Picture Industry». In: MPH, Vol. 203, No. 12, 23. Juni 1956, S. 19. Mandel Herbstman: «TV
Harnessed to Pull Film Promotion Cart». In: MPH, Vol. 190, No. 9, 28. Februar 1953, S.
25. «Television Use Expanded in MGM Exploitation». In: MPH, Vol. 190, No. 12, 21.
März 1953, S. 22. «The Lion Roars!« In: MPH, Vol. 194, No. 7, 13. Februar S. 15. «Ed Sullivan Hails MGM’s History On TV Program». In: MPH, Vol. 194, No. 8, 20. Februar
1954, S. 38. Script für The Zanuck Story, WSHS US Mss 111AN, Box 11, Folder 1. Brief
von Ed Sullivan an David O. Selznick. WSHS US Mss 111AN, Box 11, Folder 24. «Ed
Sullivan, 73, Dies In N.Y.; Columnist Among First TV Hosts». In: Variety, Vol. 276, No.
10, 16. Oktober 1974, S. 2–79.
81 «Gable Set for TV». In: MPH, Vol. 205, No. 7, 17. November 1956, S. 12.
82 Vgl. dazu auch «The Journal Looks at the Changing Role of Motion Picture Publicity
Practices». In: Journal of the Producers Guild of America, Vol. XIV, No. 1, 1972, S. 3–4.
167
... vor Live-Publikum eine Szene aus Mr. Roberts (Warner Bros. 1955) nach.
die Late Show mit David Letterman auf CBS. Auch die verschiedenen
Formate des Frühstücksfernsehens werden oft für Werbeauftritte von
Stars benutzt.83
5.2.3 Hot Ads, Cool Sound: Verbundwerbung nach 1948
In den Fünfzigerjahren intensivierte die Filmindustrie auch verschiedene
Formen der Verbundwerbung. Immer wieder machten sich die Studios
dabei den von Handel beschriebenen Effekt der intermedialen Rückkoppelung zunutze. Paramount koordinierte den Kinostart der Komödie Off
Limits (Paramount 1953) mit der Colgate Comedy Hour, der Fernsehshow
von Bob Hope, der die Hauptrolle spielte. Das Studio kaufte für die Ausgabe vom 29. März 1953 Sendezeit für Werbespots und lancierte den
Film am nächsten Wochenende in mehreren großen Städten.84 Auf einer
lokalen Ebene spannten an verschiedenen Orten Kinos und Fernsehstationen zusammen und tauschten Werbezeit aus. Der Sender WCAU-TV
in Philadelphia warb 1948 für die Kinos von Warner Bros., während diese Trailer für die TV-Station zeigten, und in Miami wurden ähnliche Kooperationen erprobt.85
83 Als kostengünstig und effizient erwiesen sich in der Frühphase des Fernsehens auch
die sogenannten «open end interviews», wie sie Universal 1952 bei der Kampagne für
den Western Bronco Buster in 52 lokalen Fernsehstationen einsetzte. Lokale Journalisten stellten in diesen Interviews formulierte Fragen, zu denen die Antworten von
Hauptdarstellerin Joyce Holden ab Filmmaterial eingeschnitten wurden. Andere Studios imitierten das Format, und bisweilen werden solche virtuellen Interviews auch
heute noch eingesetzt. «Universal Has New Type Television Promotion». In: MPH,
Vol. 187, No. 6, 10. Mai 1952, S. 38. Interview mit Robert Faber, 4. November 1994.
84 «Use TV Promotion for New Hope Paramount Film». In: MPH, Vol. 190, No. 12, 21.
März 1953, S. 38.
85 «Swap». In: MPH, Vol. 171, No. 10, 5. Juni 1948, S. 8. Sidney Meyer: «Adapting Attraction Exploitation to the Television Format». In. MPH, Vol. 213, No. 3, 18. Oktober 1958,
S. 17–19.
168
Intensiviert wurde auch die Zusammenarbeit zwischen Verlagswesen und Filmgeschäft. Bestseller und erfolgreiche Broadway-Stücke hatten die Studios schon seit den Zehnerjahren als Vorlagen benutzt. Um
die Auslagen für Stoffe möglichst tief zu halten, waren die WarnerBros.-Studios in den Dreißigerjahren vorübergehend auch als Produzenten von Broadway-Stücken in Erscheinung getreten. Das Studio kaufte
Stücke auf und lancierte diese in der Hoffnung, einen Hit zu landen, den
man umgehend verfilmen konnte. Hatten die Stücke Erfolg, so produzierte die Trailer-Abteilung kurze Werbefilme über die Bühneninszenierungen, die bis zur Filmpremiere das Interesse des Publikums wachhalten sollten.86 Diese Strategie erwies sich jedoch als zu kostspielig.
In den Nachkriegsjahren erreichten die Preise, die für Vorlagen bezahlt wurden, neue Dimensionen. 1947 bezahlte Universal 1 Million für
die Filmrechte am Broadway-Erfolg Harvey,87 während andere Studios
auf eine Variante des Rezepts von Warner Bros. aus den Dreißigerjahren
zurückgriffen: Im Auftrag von Paramount schrieb Autor Joseph Hayes
seinen Erfolgsroman The Desperate Hours um zu einem Theaterstück, das
zunächst in kleineren Städten angespielt wurde, um dann mit Paul
Newman in der Hauptrolle an den Broadway zu kommen. Wenige Wochen nach der Premiere startete die Verfilmung von William Wyler mit
Humphrey Bogart anstelle Newmans. Roman, Theaterstück und Film
verwiesen so aufeinander gemäß einem Prinzip, welches Paramount als
«chain-reaction promotion» bezeichnete.88 Nach dem gleichen Prinzip
funktionierten auch die sogenannten «novelizations». Romanfassungen
populärer Filme legte man bereits in den Zwanzigerjahren regelmäßig
auf. In den Fünfzigern wurde das Format aber aktualisiert und gezielter
genutzt. So brachte Signet Books schon zur Premiere von Separate Tables
(UA 1958) eine novelization heraus, die gleichzeitig in 22 Ländern publiziert wurde.89
Eine weitere Form der Werbung durch intermediale Rückkoppelung ist die Koordination von Film und Musik. Auch die Anfänge dieser
Technik gehen in die Zwanzigerjahre zurück. In der Stummfilmära spielten die Kinoorchester regelmäßig Titelmelodien kommender Filme noch
vor der Premiere, gleichsam als musikalische Trailer. Gleichzeitig wurden die Songs von studioeigenen Musikverlagen publiziert und gewinn86 «Trailers on Plays». In: MPH, Vol. 128, No. 4, 24 Juli 1937, S. 9.
87 «Now It’s a Million». In: MPH, Vol. 168, No. 1, 5. Juli 1947, S. 7.
88 «Wyler Cites Importance of Timing Film of Book, Play». In: MPH, Vol. 198, No. 5, 29. Januar 1955, S. 19. Inserat: «Paramount Presents Its Modern Marketing Program for William Wyler’s The Desperate Hours». In: MPH, Vol. 200, No. 13, 24. September 1955, S. 13–16.
89 «In Brief». In: MPH, Vol. 213, No. 6, 8. November 1958, S. 12.
169
bringend vermarktet. «Charmaine», eine Komposition von Lew Pollack
und Erno Rapee zum Stummfilmhit What Price Glory (Fox 1926), verkaufte sich über eine Million Mal, während die Titelmelodie zu Dolores Del
Rios Ramona (1928) zu einem guten Teil für den Erfolg des Films verantwortlich gewesen sein soll (Walker 1979, 81).
Im Zug der Verbreitung von Radiogeräten und Grammophonen boten die Studios «theme songs» auch auf Schallplatte an. Anfangs waren
es hauptsächlich Musicalsongs, die so vermarktet wurden. Seit den frühen Fünfzigerjahren verwendete man aber auch Stücke aus anderen
Genres.90 Am Ende der Dekade erlebte das Radio eine Renaissance, die
sich vor allem der Verbreitung des Autoradios verdankte.91 Zu fast jedem Film gab es nun auch eine Soundtrack-Single, die im Radio gespielt
und von Jugendlichen bei der Freizeitbeschäftigung gehört werden
konnte: zum Science Fiction-Film The Blob (Paramount 1959) ebenso wie
zu John Fords Kavalleriewestern The Horse Soldiers (UA 1959).92 Mit dem
Aufkommen der Pop-Soundtracks in den Sechzigerjahren gewann die
Vermarktung von Filmen über die Musik zusätzlich an Bedeutung
(Smith 1998, 57ff.), und in den Siebziger- und Achtzigerjahren entwickelten sich vor allem die Produzentenpaare Jon Peters/Peter Guber sowie
Don Simpson/Jerry Bruckheimer zu Spezialisten der koordinierten Vermarktung (Wyatt 1994, 133ff.).
5.2.4 Key Art und narratives Image:
Der Umbruch der Filmwerbung nach 1955
Die Filmwerbung gewann in den Fünfzigerjahren nicht nur an Volumen
und Intensität, es wurden auch neue Techniken entwickelt, um dem einzelnen Film eine Produkteidentität zu verleihen. In ihren Leserzuschriften an den Motion Picture Herald forderten unabhängige Kinobetreiber
seit den späten Vierzigern, die Verleiher sollten die Werbung stärker an
den einzelnen Film binden und ihn wahrheitsgetreu charakterisieren.93
90 Vincent Canby: «Promotion On a Platter: Every Song a Salesman». In: MPH, Vol. 192,
No. 1, 4. Juli 1953, S. 13–16.
91 «The Voice of the Radio». In: MPH, Vol. 212, No. 8, 23. August 1958, S. 7. Kevin B.
Sweeney: «Ads Are Hottest Where the Music Is Cool». In: MPH, Vol. 214, No. 6, 14. Februar 1959, S. 19f.
92 «Promoting Pictures». In: MPH, Vol. 212, No. 11, 13. September 1958, S. 11–18. «UA
Spends $1 000 000 to Promote Horse Soldiers». In: MPH, Vol. 215, No. 7, 23. Mai 1959, S. 10.
93 «To the Editor: Advertising Truth». In: MPH, Vol. 177, No. 1, 1. Oktober 1949, S. 8. «To
the Editor: Trailer Truth». In: MPH, Vol. 183, No. 2, 14. April 1951. «Supercolossal Trouble». In: MPH, Vol. 184, No. 10, 8. September 1951, S. 7. «To the Editor: Trailer Promises». In: MPH, Vol. 185, No. 7, 17. November 1951, S. 8. «Theatre vs. TV Appeal». In:
MPH, Vol. 196, No. 9, 28. August 1954, S. 7.
170
Das Problem war nicht neu, gewann aber angesichts des Zuschauerschwunds neue Dringlichkeit. Um die Reklame besser auf die Filme abstimmen zu können, hatten die großen Filmfirmen schon in den Krisenjahren um 1933 einen Teil ihres Werbepersonals nach Hollywood
verlegt. In den Fünfzigern wiederholte sich dieses Szenario: RKO verschob 1953 seine ganze Werbeabteilung nach Los Angeles, und United
Artists, das einzige Studio, das alle Reklame vom Hauptquartier in New
York aus betreut hatte, eröffnete eine Abteilung in Hollywood.94 Die
Filmwerber sprachen von «streamlined promotion» für einzelne Filme
und stimmten ihre Reklame zusehends auf die Ansprüche eines urbanen
oder suburbanen mittelständischen Publikums ab. Es wurden weniger
Filme produziert, diese dafür aber mit mehr Aufwand. Nur «intelligent
copy, white space, good photography and clean-looking illustrations»
konnten nach Ansicht von MGM-Werbechef Sy Seadler von der gestiegenen Qualität der Produktionen einen adäquaten Eindruck geben.95
Filmplakate und Inserate benutzten aber weiterhin den «potpourri
approach», wie Saul Bass ihn nannte: «Advertisers threw everything into
the pot, using the theory that, as a filmgoer, you would find something
in the ad that would inspire you to see the film» (Haskin 1996, 13). Eine Alternative dazu entwickelte Bass mit seinen Arbeiten, die er im Auftrag
von Otto Preminger ausführte. Er entwarf zunächst die Titelsequenz für
Premingers Carmen Jones (Paramount 1954) und darauf das Plakat und die
Titelsequenz für The Man With the Golden Arm (Paramount 1955). Für letzteren schuf er ein Signet aus einem hängenden Arm auf dunklem Grund,
das auf allen Plakaten und Inseraten sowie im Trailer und Vorspann des
Films verwendet wurde. Ein einheitliches grafisches Erscheinungsbild hatte
schon Selznick für Buchausgabe, Plakate, Inserate und den Vorspann von
Gone With the Wind angestrebt. Bass ging mit seinem Entwurf noch einen
Schritt weiter und kondensierte den Film zu einem Logo, das eine ähnliche Funktion erfüllte wie das Markenzeichen für ein Konsumprodukt.
Bass’ Minimalismus stieß bei den Studios zunächst auf Ablehnung.
Der «potpourri approach» funktionierte nach dem Prinzip, «if you didn’t
like one image you’d like another», und es leuchtete vielen nicht ein,
dass man einen ganzen Film mit einem einzigen visuellen Statement adäquat wiedergeben konnte. Nicht von ungefähr engagierten anfänglich
vor allem namhafte Regisseure wie Alfred Hitchcock und unabhängige
94 «RKO Radio Completes Ad Shift to Hollywood». In: MPH, Vol. 191, No. 1, 4. April
1953, S. 35. «Youngstein, Roth Leave to Set Hollywood Unit». In: MPH, Vol. 193, No. 2,
10. Oktober 1953, S. 30.
95 Mandel Herbstman: «Streamline Promotion to Match Strong Films«. In. MPH, Vol.
193, No. 12, 19. Dezember 1953, S. 13.
171
Abb. 26 Grafik und Produktidentität:
Das «key art»-Motiv von Saul Bass für
Vertigo (Paramount 1957) findet in Plakat, Vorspann und Trailer-Intro Verwendung.
Produzenten wie Preminger, Stanley Kramer, oder Michael Todd Bass
für ihre Filme. Todd ließ Plakat, Titelsequenz und Trailer zu Around the
World in 80 Days (UA 1956) von Bass entwerfen, Hitchcock den Vor-
172
Abb. 27 Schuss/Gegenschuss mit Signetcharakter...
spann, das Plakat und das Trailer-Design für Vertigo (Paramount 1957;
Abb. 26), während Stanley Kramer den Designer für die Kampagne zu
Pride and Passion (UA 1957) beizog. Kramer handelte gegen den ausdrücklichen Widerstand der Werbechefs von United Artists, Roger Lewis und Max Youngstein, und diesen Widerstand bekam auch Stanley
Kubrick zu spüren, als er Bass das Titeldesign für Paths of Glory (UA
1957) übertragen wollte. Als Honorar für das Design der ganzen Kampagne verlangte Bass 15’000 Dollar. Das Gesamtbudget für «production
publicity» betrug nur 50’000 Dollar, und die Werbeabteilung in New
York zeigte wenig Lust, für Werbegrafik einen solchen Betrag zu sprechen. Werbechef Roger Lewis schlug als Kompromiss vor, Bass nur die
Titelsequenz in Auftrag zu geben, wohlwissend, dass dieser nur ganze
Kampagnen entwarf. Kirk Douglas, der Star des Films, hatte zwar Paths
of Glory durch sein Engagement überhaupt erst möglich gemacht (Balio
1987, 158), und er hätte sich bei Studiochef Arthur Krim für Kubrick einsetzen können. Er vermied es aber, United Artists wegen einer solchen
Auseinandersetzung vor den Kopf zu stoßen, zumal sein nächstes Projekt The Vikings (UA 1958) sich schon in Vorbereitung befand und eben-
173
...Abschluss des Intros und erste Titelnennung im Trailer zu Dr. No (UA 1962),
gestaltet von Maurice Binder.
falls von UA finanziert werden sollte.96 Kubrick agierte zwar als Produzent,
doch 90 Prozent des Budgets kamen von dem Studio, und so konnte sich
der erst 28-jährige Regisseur nicht durchsetzen (Sklar 1988, 115).
Kubrick scheiterte letztlich am Konservatismus einer überalterten
Generation von Filmwerbern, die das Aussehen der amerikanischen Kinoreklame seit den Zwanzigerjahren geprägt hatte.97 Bass’ Konzeption
von Filmwerbung setzte sich gleichwohl durch, nicht zuletzt, weil eine
neue Generation von Werbeleuten die Arbeitsweisen der Produktewerbung studierte und nachzuahmen begann.98 «The idea of having a film
expressed within the framework of one single, reductive statement» verdrängte innert weniger Jahre den «potpourri approach» (Haskin 1996,
96 Brief von Myer P. Beck an Stan Margulies, 25. März 1957. Brief von Stan Margulies an
James B. Harris, 23. April 1957. Brief von Stan Margulies an Roger Lewis, 11. Mai 1957.
Korrespondenz zu Paths of Glory. WSHS US Mss 102AN, Box 23, Folder 19–21.
97 «Hits Ad Critics». In: MPH, Vol. 212, No. 4, 26. Juli 1958, S. 8. Arthur Mayer: «Film Ads
a Product of Integrity – By Comparison». In: Variety, Vol. 222, No. 11, 10. Mai 1961, S.
15. «Dietz on Advertising». In: MPH, Vol. 205, No. 8, 24. November 1956, S. 7.
98 «Today’s Ad-Copy, As Features And Publicity, Go Freelance». In: Variety, Vol. 221, No.
11, 8. Februar 1961, S. 58.
174
13), und man ging dazu über, Filme, ähnlich wie Konsumprodukte, gezielt über ein Image zu vermarkten (wenn auch über ein differenziertes
narratives Image und nicht über ein Marken-Image).99 In den frühen
Sechzigerjahren bürgerte sich für die Technik der Reduktion des Films
auf ein Signet der nach wie vor gebräuchliche Begriff «key art» ein,
Schlüsselmotiv.100 «Key art»-Symbole spielen vor allem in der Vermarktung
sogenannter «high concept»-Filme eine wichtige Rolle, also von Blockbustern, deren Story sich in einem Satz oder einem Signet zusammenfassen lässt. Bass’ zweite Idee, die Titelsequenz als Mittel der Produktedifferenzierung einzusetzen, fand seit den Sechzigerjahren ebenfalls immer
wieder Nachahmer. Maurice Binder entwarf das Design für die James
Bond-Filme (Abb. 27), das seit nahezu vierzig Jahren einen integralen Bestandteil dieses Unterhaltungsformats bilden, während David DePetie
und Fritz Freleng mit ihren Vorspannen für die Pink Panther-Serie eine
populäre Comicfigur schufen und die Grundlage zu einer Zeichentrickserie legten.
5.3 A Bunch of Nonsense: Die Krise des klassischen
und die Herausbildung des zweiten Modus
Whoever is making the trailers up for all features
should resort to the climax or plot, not a bunch of
nonsense, as they are now doing.
Leserbrief eines Kinobetreibers,
Motion Picture Herald, 10. April 1954
In den Fünfzigerjahren wandelten sich Produktion und Verleih grundlegend. Die Werbeformate und vor allem der Trailer jedoch blieben noch
bis Ende des Jahrzehnts fast unverändert auf dem Stand der klassischen
Periode stehen. Die Dominanz des klassischen Modus hielt an: Texteinblendungen, Sprecherstimmen und Trickblenden bestimmten den Look
der Vorschauen. In Farbfilmtrailern kamen nun auch farbige Typografien vor. In Spielfilmen wurden Trickblenden seit Ende der Vierzigerjahre kaum noch verwendet. In Trailern hingegen sind sie im Zeitraum von
1948 bis 1960 noch in 47 Prozent aller Beispiele zu finden, und von 1961
bis 1970 beträgt ihr Anteil immer noch 17 Prozent. Auch auf der sprachlich-rhetorischen Ebene dominieren weiterhin die klassischen Parameter:
Cast-Listen, Aufzählungen von Attraktionen, Adjektive und Superlative
99 «Advertising – the Image Maker». In: MPH, Vol. 224, No. 9, 30. August 1961, S. 3.
100 «Same Ad, 1954 and 1961». In: Variety, Vol. 224, No. 10, 1. November 1961, S. 3.
175
wie «never» und «ever». Besonders häufig sind Anrufungen der Filmgeschichte und Formulierungen, die dem jeweiligen Werk epochale Bedeutung zuschreiben und seine Neuheit betonen. Rückblickend wirkt diese
Rhetorik überrissen und pompös. Im Kontext betrachtet, erscheint sie
aber als adäquat. Die Studios produzierten Ereignisfilme, und die Trailer
mussten dieser Tatsache Ausdruck verleihen. Zudem entspricht ihr Tonfall auch der Zeitstimmung.
Die Fünfziger waren für die meisten Amerikaner eine Dekade ungekannten Wohlstandes. Die Zwanziger und Dreißiger waren noch von
großer sozialer Unsicherheit geprägt gewesen, aber auch vom Glauben
an die Realität des amerikanischen Traums und von dem, was Hofstadter
die «career aspiration» nennt. Dem Tüchtigen winkte, zumindest der Möglichkeit nach, der Aufstieg zu Reichtum, Ansehen und Macht. In den
Nachkriegsjahren hingegen wich die «career aspiration» einer «tendency
to seek comfort and interpret life from the standpoint of the consumer»
(Hofstadter 1955, 218f.). «…security, leisure, and […] the enjoyment of
the pleasures of mass entertainment» wurden wichtiger als persönliche
Bewährung und individueller Erfolg. Als Ideologie indes blieb die «career aspiration» virulent. Die Großkapitalisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden zu Leitfiguren des Nachkriegsbooms stilisiert, ein Motiv, welches die Superwestern und Monumentalfilme der Fünfziger mit
ihren Schilderungen individueller Heldentaten auf einer anderen Ebene
aufnahmen. Der heroisierende Tonfall der Trailer aus jener Zeit ist vor
diesem Hintergrund zu sehen. Die Trailer stilisierten das Kino zum Ort
der imaginären Verwirklichung von Lebensperspektiven, die den Zuschauern in einer Welt suburbaner Sekurität abhanden gekommen waren: Durch Teilhabe an den imaginären Feiern vergangenen Heldentums
ließ sich, so ihre Botschaft, die Ereignis- und Ambitionslosigkeit des Lebens in den neu bezogenen Vorstädten kompensieren. Man könnte in
diesem Zusammenhang auch von einer Hyptertrophie der großen Erzählungen sprechen: In dem Moment, in dem die Fortschritts- und Aufstiegsszenarien der Moderne sich verwirklichen und damit ihre Leitfunktion einbüßen, werden sie noch einmal in überhöhter Form, wenn
auch bereits in nostalgischem Gestus durchgespielt. Texttheoretisch gesprochen, vertritt die Filmwerbung in dieser Phase ein letztes Mal konsequent eine moderne Konzeption des Textes. Sie behandelt den Plot als
Ort der Neuheit, als Schauplatz, an dem über eine offene Zukunft verhandelt wird, und weniger als solchen der Wiederholung und Variation
von bereits Bekanntem (auch wenn diese Dimension von der Werbung
immer mit thematisiert wird). Sie verleiht dem Plot diesen Status, in dem
sie die Storyinformation weiterhin unterschlägt und die Entwicklung der
176
fiktionalen Welt auf den Horizont einer offenen Zukunft hin dem Film
selbst überlässt.
Gleichwohl erweist sich der klassische Modus in den Fünfzigern
bald als überholt. Kleinstädtische Kinobesitzer schreiben in Leserbriefen
an den Motion Picture Herald den Publikumsschwund oft den mangelhaften Trailern zu (wobei diejenigen von MGM mitunter ausdrücklich ausgenommen werden).101 Sie fordern insbesondere, die Trailer sollten mehr
spezifische Plot-Information enthalten und stärker auf die regionenspezifischen Bedürfnisse des Publikums abgestimmt werden. David O. Selznick nahm den Anstoß als erster auf und erwog, für The Paradine Case
zwei Trailer zu schneiden, einen für Großstädte und einen für eher ländliche Gebiete.102 Die großen Studios wählten aber vorerst eine andere
Strategie. Den Western hatten sie zum Superwestern aufgewertet; nun
behandelten sie in der Werbung die Stars als Superstars. Trailer mit persönlichen Auftritten von «celebrities» gab es zwar schon seit den Zwanzigerjahren. Zwischen 1950 und 1960 aber treten sie in ungewöhnlicher
Häufung auf (24 Prozent aller Beispiele), und anders als in den Vierzigerjahren agieren große Stars als Sprecher.
5.3.1 Rückwärtsgewandte Innovation:
Trailer und Endorsements
Eine Parkbank im Central Park in New York. Ein sonniger Herbsttag.
Ein junges Pärchen im Gespräch. Er drängt sie zur Heirat, sie will, dass
er erst sein Studium abschließt. Er insistiert und presst ihr eine stumme
Einwilligung ab, bevor er sich überstürzt verabschiedet: Er hat eine Verabredung mit Freunden. Schnitt auf James Stewart, der in aggressivem
Tonfall direkt in die Kamera spricht:
That’s the last time she ever saw him alive.
And it’s the last time you’ll ever see him alive.
What happened to David Kentley changed my life completely.
And the lives of seven others.
Schnitt auf eine Abfolge von Texttafeln: «James Stewart in Alfred Hitchcock’s Rope.» Der junge Mann auf der Parkbank wird in Rope (Warner
101 «To the Editor: Better Trailers». In: MPH, Vol. 180, No. 3, 15. Juli 1950, S. 8. «To the
Editor: Trailers Vital». In: MPH, Vol. 180, No. 8, 19. August 1950, S. 8. «To the Editor:
Trailer Tricks». In: MPH, Vol. 182, No. 5, 3. Februar 1951, S. 8. «To the Editor: Trailers
Important». In: MPH, Vol. 190, No. 1, 3. Januar 1953, S. 8. «To the Editor: Trailers». In:
MPH, Vol. 195, No. 2, 10. April 1954, S. 8.
102 Memo von Selznick an Barker, 29. September 1948. SC Box 1457 Folder 1.
177
Abb. 28 Humphrey Bogart sucht ein
spannendes Buch: Star-Auftritt im
Trailer zu Howard Hawks’ The Big
Sleep (Warner Bros. 1946).
Bros. 1948) selbst tatsächlich nur zu Anfang bei seiner Ermordung auftauchen: Danach ist er die Leiche in einer Truhe. Der McGuffin ist also in
diesem Fall einmal nicht nichts; er bekommt ein menschliches Antlitz.
Hatte sich Henry Fonda im Trailer zu The Oxbow Incident (TCF
1943) für seinen Werbeauftritt noch entschuldigt, und verkleidete man
Humphrey Bogarts Werbeauftritt im Trailer zu The Big Sleep (Warner
Bros. 1946) noch in eine gespielte Szene (Abb. 28), so verspürte James
Stewart im Rope-Trailer offenkundig keine solchen Skrupel mehr. Er trat
in der Folge auch in den Trailern für Harvey (Universal 1950), für Rear
Window (Paramount 1954) oder für The Man Who Knew Too Much (Paramount 1956) auf. Stewart hatte ein besonderes Interesse an diesen Einsätzen, weil er am Umsatz seiner Filme beteiligt war. Allerdings beschränkte sich der Nutzen von Starauftritten offenkundig auf bestimmte
Genres. Stewart drehte zwischen 1950 und 1966 zwölf Western, und keiner der Trailer enthält Spezialaufnahmen, nicht einmal der zu Winchester
73 (Universal 1950). Für diesen Film hatte Stewarts Agent Lew Wasserman immerhin eine 50 prozentige Gewinnbeteiligung ausgehandelt.
Die Starauftritte waren aber auch Ausdruck der Studiopolitik.
MGM setzte ab 1951 seine Stars vermehrt ein. Spencer Tracy warb für
The Magnificent Yankee (MGM 1951) und Father’s Little Dividend (MGM
178
Abb. 29 Der Regisseur
als Kassenmagnet: Cecil
B. DeMille war in der
klassischen Ära der einzige Regisseur mit der
Zugkraft eines Stars. Beschränkten sich seine
Auftritte in Stummfilm-Trailern noch auf
einzelne Einstellungen,
so benutzte DeMille seine Tonfilm-Trailer als
Plattform für eigentliche
Vorträge über Inhalt
und Hintergründe des
jeweiligen Films. Abb.
29/1 zeigt den Eröffnungstitel zum Trailer
für Reap the Wild Wind
(Paramount 1942). Gerne stellte DeMille sich
dabei als filmenden Historiker dar. Recherchiermaterialien wie Bilder
und Bücher sowie Requisiten dienten ihm als
Beleg für die Authentizität seiner historischen
Epen; hier die Gebotstafeln aus dem Trailer zu
The Ten Commandments
(Paramount 1956; Abb.
29/2–4).
179
Abb. 30 Lektüreanweisungen vom
Meister: Alfred
Hitchcock trat in einem von zwei Trailern zu North by
Northwest (MGM
1959) erstmals als
Sprecher auf. Der
Trailer weist eine
klassische Struktur
auf; hier die erste Titelnennung (Abb.
30/1). Die Scripts für
Hitchcocks Trailer
schrieb bis 1964
James Allardice, von
dem auch die berühmten Einleitungen für die TV-Sendung stammten.
Hitchcocks ironischer
Tonfall und die komödiantischen Musik
in den Trailern dienten auch als Lektüreanweisung: Allzuernst sollte man die
Filme nicht nehmen.
In der TV-Sendung
verulkte Hitchcock
gerne aktuelle Produktewerbespots.
Der Trailer The Birds
(Universal 1963) parodiert ganz in diesem Geist die Auftritte DeMilles: Hitchcock hält einen
Vortrag über das Verhältnis von Mensch
und Vogel (Abb.
30/2–4).
180
1951), Ray Milland für People in Love (MGM 1951).103 Ebenso betätigten
sich auch June Allyson (The Stratton Story, MGM 1947; The Glenn Miller
Story, Universal 1953), Bette Davis (All About Eve, TCF 1952) oder Jane
Wyman (Magnificent Obsession, Universal 1954). Von ihren männlichen
Kollegen traten von William Holden über Gregory Peck zu John Wayne
die meisten in irgendeinem «special shot trailer» auf. Im Kosmos der Unterhaltungsheroen griff man sich auch gegenseitig unter die Arme. Barry
Sullivan lobte im Trailer für Red Skeltons The Clown (MGM 1952) seinen
Komikerkollegen, der sich hier an seiner ersten dramatischen Rolle versuchte (der Film floppte). Cecil B. DeMille, nach Griffith und vor Hitchcock der einzige Regisseur mit der Zugkraft eines Stars,104 war schon in
der Stummfilmära in seinen Trailern aufgetreten und erschien noch 1957
in einem Trailer für ein Remake von The Buccaneer (Paramount 1957); ein
posthumer Auftritt, denn DeMille war kurz vor der Premiere gestorben
(Abb. 29). Im Trailer zu North By Northwest (MGM 1959) agierte auch Alfred Hitchcock erstmals als Sprecher. Ähnlich wie DeMille durch den Erfolg des «Lux Radio Theatre» war Hitchcock aufgrund seiner Fernsehsendung «Alfred Hitchcock presents» zum «household name» geworden, und bis Mitte der Siebzigerjahre trat er in fast allen seiner Trailer
auf (Abb. 30).105 Bisweilen gaben auch Personen des öffentlichen Lebens
Empfehlungen für Filme ab. So warb Senator und Mafiajäger John Kefauver für die Polizeithriller The Enforcer (Republic 1950) und Captive
City (UA 1951), um das amerikanische Publikum auf die Gefahr des organisierten Verbrechens aufmerksam zu machen. Beliebt waren zudem
Auftritte der einflussreichen Klatschkolumnistin Hedda Hopper und
von Talkmaster Ed Sullivan.
Die Herstellung eines Trailers kostete in den Fünfzigerjahren rund
2000 Dollar. Den Voice-over-Kommentar sprachen spezialisierte Schauspieler, die Mitglied der Screen Actors Guild sein mussten und ein Honorar von 100 Dollar bekamen. Auftritte von Stars waren kostenlos, da
die Schauspieler bei der Produktionsfirma unter Vertrag standen oder
den Film selbst produzierten.106 Auftritte von Persönlichkeiten wie Ed
Sullivan hingegen wurden mit Geschenken und Gegengeschäften abgegolten. Sullivan warb 1954 für The Teahouse of the August Moon (MGM
1954) und wurde dafür mit seiner Frau zu den Dreharbeiten nach Japan
geflogen und in einem Erstklasshotel in Tokio einquartiert. Die Spesen
103
104
105
106
«Metro Stars in Trailers for New Pictures». In: MPH, Vol. 182, No. 9, 3. März 1951, S. 18.
Brief von David O. Selznick an Barbara Benson, 3. Dezember 1943. SC Box 3562 Folder 3.
Zu den Trailern von DeMille und Hitchcock vgl. auch (Hediger 2001a; Hediger 2001c).
Brief von Ben Ashe an Herman Robbins, 17. Januar 1958. WBUSC Vol. 1192, S. 387.136.
181
Abb. 31 Schrift-Bild-Gewitter zum atomaren Erstschlag: Aus Pablo Ferros Trailer zu Dr. Strangelove (Columbia 1963).
beliefen sich auf 5000 Dollar, das Zweieinhalbfache dessen, was ein Trailer sonst kostete.107
Selbst zur Blütezeit des Startrailers weigerten sich aber gewisse
Stars weiterhin, selbst für ihre Filme zu werben. «It’s a lot better when
someone else talks about the picture,» stellte etwa Cary Grant die Glaubwürdigkeit dieser Form von Eigenwerbung in Frage. «Somehow the
public trusts and believes the person not associated with the production.»108 Das mochte mit ein Grund dafür sein, dass die Starauftritte in den
Sechzigerjahren rasch zurückgingen. 1959 zeigte eine Marktstudie aber
auch erstmals, dass für die Zuschauer die Story bei der Auswahl des
Films wichtiger war als die Besetzung.109 Die Star-fokussierte Vermarktung hatte sich ebenso überlebt wie der «potpourri approach» der Filmwerbung im Ganzen.
5.3.2 Eine dissidente Ästhetik? Trailer-Experimente um 1960
Die Produktewerbung erlebte in ihren Boomjahren nach dem Krieg, ähnlich wie das Theater und das Kino, so etwas wie eine Freudianisierung.
An die Stelle statistischer, rein quantitativer Marktforschungen traten
psychoanalytisch inspirierte Methoden wie der «motivation research».
Der Freudianer Ernest Dichter, ein gebürtiger Wiener und Pionier von
«MR», erregte beispielsweise mit der These Aufmerksamkeit, dass
Chrysler weniger Cabriolets als Limousinen verkaufte, weil Männer das
107 Memo von Alvin M. Asher, 30. November 1954. MGM Legal Files, Folder 300, AMPAS.
108 «Cary Grant’s Theory on Air Ballyhoo». In: Variety, Vol. 216, No. 5, 30. September
1959, S. 19.
109 «Movie Attendance and Motivation». In: MPH, Vol. 217, No. 12, 26. Dezember 1959, S. 16.
182
Abb. 32 Adjektive und bewegte Typografie...
erste Modell als Geliebte und das zweite als Ehefrau betrachteten (Fox
1984, 183). Ganz in diesem Geist bemühte sich die Werbung in den Fünfzigerjahren, direkten Zugang zum Unbewussten ihrer Adressaten zu finden. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich dabei die sogenannten subliminalen Schlüsselbilder. Man schmuggelte Einzelbilder mit Firmenlogos
oder glücklichen Menschen beim Genuss eines Produktes in den Fluss
des Fernsehprogramms ein und versprach sich davon, dass die Konsumenten auf den Kauf der Ware geradezu programmiert würden. Im Vergleich mit einer Werbung, die derartige Ambitionen verfolgte und solche
Rezepte benutzte, wirkte der klassische Modus des Trailers mit seiner
Rhetorik des «showing as announcing» und seinen direkten Ansprachen
ans Publikum wie ein Relikt aus vergangenen, zirkusnäheren Tagen.110
Die Produktewerbung veränderte in den Fünfzigerjahren aber auch
ihren manifesten Inhalt. Die Kampagnen von Agenturen wie Leo Burnett, Ogilvy & Mather oder Bernbach zeichneten sich durch Humor, Stilbewusstsein und Understatement aus: Qualitäten, um die sich mit der
üblichen Verzögerung auch die Filmwerbung bemühte (Fox 1984, 262ff.).
«The strong adjectives are on their way out», meinte Lou Harris in einem
Interview mit der New York Times 1959. «I don’t think moviegoers believe words like ‹colossal› and ‹stupendous› any more no matter how big
the letters are.»111 Die Texteinblendungen und die sprachlich-rhetorischen Parameter verschwanden denn auch zuerst. An ihre Stelle traten,
durchaus in Entsprechung zu den Tendenzen der Produktewerbung, visuelle Irritationen: höhere Schnittfrequenzen und ungewöhnliche bildli110 Gewisse Trailer-Hersteller liessen sich allerdings von der Produktewerbung inspirieren. Filmack, eine kleine Trailer-Firma aus Chicago, die als einziger Anbieter seit
den Zwanzigerjahren der Übermacht von National Screen getrotzt hatte, bot im
Sommer 1959 einen «subliminal trailer» für Otto Premingers Anatomy of a Murder an.
Die Kinobetreiber sollten sekundenkurze Filmstreifen mit Saul Bass’ Signet für den
Film in ihr Vorprogramm hineinmontieren, um so den unterschwelligen Werbeeffekt zu erzielen. Vgl. «Subliminal Trailer Is Readied for Anatomy». In: MPH, Vol. 216,
No. 3, 25. Juli 1959, S. 15.
111 Murray Schumach: «New Ways Sought in Film Trailers». In: NYT, 19. Mai 1959.
183
...Pablo Ferros Variation auf die klassischen Themen der Filmwerbung im Trailer
zu A Clockwork Orange (Warner Bros. 1971).
che Lösungen. Der Trailer zu La Dolce Vita (Pathé 1960) etwa besteht aus
einer Montage von Standfotos, begleitet von Buschtrommelklängen: ein
Muster, das die Trailerabteilungen der Studios umgehend imitierten.
Lou Harris schnitt für Marlon Brandos One Eyed Jacks (Paramount 1961)
einen fünfminütigen Trailer, der den klassischen Modus weit hinter sich
lässt. Zum einen arbeitet er mit Typografien, die sich an der Ästhetik der
Fernsehwerbung orientieren und mit den Texteinblendungen der klassischen Rhetorik nichts mehr zu tun haben, und zum anderen verbindet er
längere Standfotosequenzen mit kurzen Einschüben von regulären Filmszenen. Vom klassischen Modus weicht auch der Trailer zu Lolita (MGM
1962) radikal ab. Er besteht aus einer collageartigen Montage von Standfotos, Filmszenen, grafischen Elementen und einem Stimmengewirr auf
dem Soundtrack mit dem Slogan «How did they ever make a movie of
Lolita?» Für Stanley Kubricks Dr. Strangelove (Columbia 1963) wiederum
entwarf der ehemalige Werbegrafiker Pablo Ferro nicht nur die Titelsequenz. Er schnitt auch einen Trailer, der in 92 Sekunden 223 Einstellungen zählt, was einer durchschnittlichen Einstellungslänge von 0,4 Sekunden entspricht: Texteinblendungen mit Einzelwörtern werfen in einer
stroboskopartigen Montagefolge Fragen auf, die jeweils mit einem Dialogfragment aus dem Film vervollständigt werden (Abb. 31). Ähnlich
wie Ferros spätere Trailer für Kubricks A Clockwork Orange (Warner
Bros. 1971, Abb. 32), Norman Jewisons Jesus Christ Superstar (Universal
1973) oder Jonathan Demmes Stop Making Sense (MTV/Cinecom 1984)
erinnert die Vorschau zu Dr. Strangelove stärker an die Schriftfilme von
Stan Brakhage oder an Michael Snows So Is This von 1982 denn an herkömmliche Kinotrailer (Abb. 33).
Vergleichsweise konventionell wirkt daneben der Trailer, den Robert Faber zu Cape Fear (Universal 1961) produzierte. Er weist eine klassische Struktur auf, arbeitet aber mit neuartigen grafischen Elementen
sowie mit Stand- und Einfrierbildern. Gregory Peck spielt in dem Film
einen Anwalt, dessen Familie von einem ehemaligen Mandanten bedroht wird. Das Intro besteht aus einer Montage von Standfotos, die ihn
184
Abb. 33 Wenn das Bild die Bedeutung verweigert, bleibt die Schrift...
und seine Fahrten in spannungsvollen Situationen zeigen; Bild für Bild
werden diese Fotos von stilisierten Blutflecken zugedeckt. Die Durchführung ist wiederum konventionell: Sie beginnt mit einer Castliste und
einer Storyline und enthält einige Szenen aus dem Film. Eine solche
Kombination von stilistischem Experiment und strukturellem Konservativismus ist durchaus charakteristisch für die Trailer der Sechzigerjahre.
Der Trailer, den Andrew Kuehn für Dr. Zhivago (MGM 1966) schnitt, ist
dafür ein gutes Beispiel: Er weist mit einer durchschnittlichen Einstellungslänge von 1,8 Sekunden eine ungewöhnlich hohe Schnittfrequenz
auf, besteht aber im Wesentlichen aus einer kommentierten Cast-Liste,
die im Rahmen einer klassischen Struktur vorgetragen wird. Ein eigentliches Laboratorium des zweiten Modus stellt wiederum ein Trailer dar,
den Kuehn zwei Jahre früher schnitt, der Trailer für John Hustons The
Night of the Iguana.112
5.3.3 The Night of the Iguana: Die Anfänge des zweiten Modus
«Wie verkaufe ich einem jungen Publikum eine eher gemächliche Theaterverfilmung?» lautete die Ausgangsfrage von Andrew Kuehn beim
Trailer zu The Night of the Iguana.113 Seine Antwort stellt eine Übergangsform in der Entwicklung des Trailers dar. Der Trailer weist eine klassische Struktur auf, operiert aber zugleich mit einer Art Zweidrittelplot.
Zudem verwendet er grafische Elemente, die vom Plakat entlehnt sind;
er entkoppelt stellenweise Bild und Ton und arbeitet mit einer Vorform
der Rechenmontage. Ohnehin schließt die Montage an zeitgenössische
112 The Night of the Iguana. MGM 1964. Regie: John Huston. Besetzung: Richard Burton,
Ava Gardner, Deborah Kerr, Sue Lyon. Länge des Trailers: 200 Sekunden. Durschnittliche Einstellungslänge: 3.23 Sekunden. Voice-over, gezeichnete Starporträts,
Einfrierbilder, Grafik. Produziert von Andrew Kuehn für das Trailerdepartment von
MGM. Visioniert auf Laserdisc. Texbasis: Continuity, AMPAS.
113 Interview mit Andrew Kuehn, 7. Dezember 1997.
185
...Verwandtschaften von Werbung und Avantgarde am Beispiel von Michael
Snows So Is This (1982).
Experimente an. Sie setzt auf starke Kontraste wie hell/dunkel, laut/leise, oder konfliktreiche Szenen, die sich mit ruhigen Szenen abwechseln.
Von der Reizdichte her ist der Trailer durchaus mit einem neueren Beispielen zu vergleichen, auch wenn er noch nicht deren Linearität in der
Plotstruktur aufweist. Unverkennbar ist aber, dass er im Unterschied zu
klassischen Trailern nicht nur auf eine Präsentation des Films abzielt,
sondern auch schon auf eine Simulation seines Erlebnisses.
The Night of the Iguana basiert auf einem Theaterstück von Tennessee Williams und handelt von einem Priester (Richard Burton), der das
Zölibat verletzt hat und nun in Mexiko als Fremdenführer arbeitet. Hier
wird er zum Gegenstand des erotischen Interesses einer Barbesitzerin
(Ava Gardner), einer Touristin (Deborah Kerr) und von deren halbwüchsigem Mündel (Sue Lyon). Das Drama ihrer Leidenschaft kulminiert in
einer stürmischen Nacht.
Entsprechend ist das Intro angelegt. Aus dem Vordergrund wird ein
gezeichnetes Porträt von Richard Burton hereingezogen und darüber ein
Titel mit dem Namen des Stars. Die Sprecherstimme: «One man!» Eine
Wischblende zu drei gezeichneten Starporträts, die aus der Tiefe herangezoomt werden. Die Namen sind als Titel eingeblendet: Ava Gardner,
Deborah Kerr, Sue Lyon. Die Sprecherstimme: «Three women!» Schnitt
auf eine Palme, neben der ein Blitz einschlägt. Schnitt auf die Zeichnung
eines Mannes und einer Frau, die sich umarmen. Die Zeichnung wird im
Vordergrund hereingezogen und bewegt sich in den Hintergrund; darüber erscheint der Filmtitel. Die Sprecherstimme: «One night. The Night of
the Iguana. Since man has known woman, there has never been such a
night.» Und noch einmal schlägt der Blitz neben einer Palme ein. Drei
gegen einen, naturgewaltige Leidenschaft, tropischer Schauplatz: Soviel
wissen wir nach 21 Sekunden über die «fabula» des Films.
Näheres verrät die Durchführung. In einer Folge von drei Einstellungen tanzt Ava Gardner am Strand mit jungen Männern, lässt sich
umarmen und küssen. Dazu Richard Burtons Stimme im Off:
186
How weak is man? How often do we stray from the straight and narrow?
For only when we abide in the Lord — are we like cities without walls.
Only then can we defend ourselves against Satan, and his temptations. We
cannot rule ourselves alone against his spirit.
Eine Predigt, offenbar gedacht als Kommentar zu Gardners Treiben am
Strand. Oder doch nicht? Die merkwürdige Unstimmigkeit von den «cities without walls» verrät schon, dass jemand spricht, der widersprüchlich empfindet. Der Schnitt auf die 10. Einstellung, der zwischen «alone»
und «against his spirit» erfolgt, bestätigt diese Ahnung. Burtons Monolog wird diegetisch verankert, wir sehen ihn und Sue Lyon halbnah. Sie
umarmt ihn, antwortet auf seinen Sermon mit dem Satz «I’ll rule your
spirit. I’ll hold you», und küsst ihn. Gestört werden sie von Deborah
Kerr, die gegen die Tür der Hütte schlägt und ihrem Mündel Konsequenzen androht. Nach sechzig Sekunden kennen wir den Protagonisten
und sein Problem: ein Mann mit theologischer Bildung sieht sich in hemmungsschwächender tropischer Umgebung den Avancen einer attraktiven Minderjährigen ausgesetzt.
Nun werden die Rollen der anderen beiden Frauen erläutert. Ava
Gardner unterstellt Kerr, sie sei auf Lyon eifersüchtig. Gardner ihrerseits
wird in der nächsten Szene als ungebildete, «natürliche» Frau eingeführt, fragt sie doch Burton nach der Definiton für «statutory rape»: «Ein
Mann wird durch eine Minderjährige verführt», so die Antwort. Die
nächste Szene zeigt Burton und Lyon im Wasser, sie nimmt den Widerstrebenden bei der Hand. Schnitt auf Deborah Kerr, die ihn bohrend
fragt, weshalb er das Priesteramt aufgeben musste. «For conduct unbecoming the cloth», womit angedeutet ist, dass sich die Tragödie seines
Lebens wiederholt. In der nächsten Einstellung, die aus der bereits eingeführten Szene zwischen den beiden stammt, äußert Gardner die Vermutung, dass Kerr es auch auf Burton abgesehen hat und deshalb auf ihr
Mündel eifersüchtig ist. Zur Bestätigung erfolgt ein Schnitt auf Kerr, die
sich Burton nähert, um ihm den Nacken zu massieren. Er reagiert unwirsch: «Oh, I’ve got to break the chain!»
Nach einer Gesamtdauer von 1 Minute und 24 Sekunden markiert
diese Dialogzeile so etwas wie ein auslösendes Ereignis. Es folgt eine
Abfolge von 21 Einstellungen in 20 Sekunden. Die meisten davon zeigen
Burton, wie er mit wilden Manövern einen Bus voller alten Damen steuert (Abb. 34): weniger eine Illustration des Konfliktes als eine Metapher
dafür, ein objektives Korrelat innerer und äußerer Agitation. Dazwischengeschnitten ist ein kurzer Dialog zwischen Kerr und Gardner, der
impliziert, dass Lyon etwas zugestoßen ist. Damit entsteht nachträglich
187
Abb. 34 Schnelle
Schnitte, intensives
Erleben: Die BusSzene im Trailer zu
The Night of the Iguana (MGM 1964).
188
Abb. 35: Cast-Liste,
aus der Grafik entwickelt: Burtons
Star-Präsentation im
Trailer zu The Night
of the Iguana.
189
Abb. 36: Variationen
auf ein gestalterisches Thema: Endtitelsektion mit Übergang zu Saul Bass’
«key art»-Signet im
Trailer zu The Night
of the Iguana.
190
die Suggestion, Burtons wilder Ausbruchsversuch sei gar nicht von dem
Bedürfnis ausgelöst, sich der Zudringlichkeiten der drei Frauen zu erwehren: Vielmehr scheint es sich um eine Schuldreaktion zu handeln.
Der Rest des Trailers stützt diese Annahme. Es folgt eine Szene, in der
Burton gefesselt in einer Hängematte liegt und von Kerr und Gardner
befreit werden will, sowie eine Reihe von Einzeleinstellungen, in der
Lyon, Gardner und Kerr ihn der Reihe nach aufs heftigste beschimpfen.
Das letzte Wort gehört Burton, ein sarkastisches «fantastic!». Eine Castsektion mit gezeichneten Star-Porträts, die in Filmszenen übergehen
(Abb. 35), sowie die Endtitel-Passage (Abb. 36) schließen den Trailer ab.
Die Trailer zu La Dolce Vita, One Eyed Jacks oder Dr. Strangelove erfüllen die Aufgabe der Produktedifferenzierung, in dem sie mit den etablierten Konventionen der Werbung brechen. Der Trailer zu The Night of
the Iguana hingegen respektiert die etablierten Konventionen auf der
strukturellen Ebene und behält so den Effekt der «industry identity» bei.
Produktedifferenzierung erzielt er, in dem er im Unterschied zu klassischen Trailern dieselben grafischen Elemente und den gleichen Slogan
verwendet wie das Plakat und die anderen Werbematerialien, also ein
homogenes narratives Image unterstützt. Was die Strategie der Informationsvergabe betrifft, so geht er noch nicht ganz so weit wie jene Beispiele eines «New Look in Trailers», den der Branchenjournalist Martin Quigley Jr. 1969 beklagt. «The purpose of a trailer is to arouse interest, create
a want-to-see», so Quigley, ganz im Duktus eines Produzenten aus der
klassischen Ära. «It certainly should not be to outline the plot and destroy suspense.»114 So zerstört der Trailer zu The Night of the Iguana die
Spannung keineswegs; er lässt aber doch schon die Konstruktion einer
vergleichsweise klaren Zusammenfassung zu, und er wirft, in der hier
analysierten Fassung, eine zentrale Frage auf: Was hat Burton mit Lyon
getan? Kuehns Kontrastmontage sollte sich in der Folge zur polyphonen
Montage weiterentwickeln, und die klassische der Zweidrittelstruktur
weichen. Ansonsten aber umfasst der Trailer alle Elemente – Slogan, Signet, hohe Storyinformations- und Reizdichte – die auch heute noch einen
Trailer kennzeichnen.
114 «New Look in Trailers». In: MPH, Vol. 239, No. 23, 4. Juni 1969, S. 5.
191
Kapitel 6
A New Kind of Art:
Trailer und Filmwerbung seit 1970
Of course visual narratives will always be filmed
and shown if not in theatres on television. Yet the
nature of those narratives is bound to change as television creates a new kind of person who will
then create a new kind of art, a circle of creation
that is only now just beginning. It is a thrilling moment to be alive!
Gore Vidal, Myra Breckinridge, 1968
Zur zweiten Testvorführung von Steven Spielbergs Jaws (Universal 1975)
im Mai 1975 in Long Beach kamen nicht nur die Filmemacher, sondern
auch vier Gäste aus der Chefetage der Universal-Studios: Henry Martin,
Präsident, Robert Carpentier, Verleihchef, sowie Lew Wasserman und
Sidney Sheinberg, die Chefs der Mutterfirma MCA.1 Jaws hatte mehr als
doppelt soviel gekostet wie geplant, sich aber in der ersten Testvorführung bewährt, und nun wollten die Firmenchefs sich das Werk selbst ansehen und entscheiden, was damit anzufangen war. Der Überlieferung
zufolge fiel die Reaktion des Publikums so günstig aus, dass sich die Firmenoberen noch während der Vorführung zu einer improvisierten Konferenz zurückzogen und einen neuen Verleihplan für den Film entwarfen. «People were screaming in their aisles», erinnert sich Drehbuchautor
Carl Gottlieb, «and into the men’s room of this theater go the Universal
head of publicity, head of marketing, head of sales. They rewrote the release plan for the movie in the men’s room of the theater.»2
Ursprünglich hatte man geplant, den Film mit mehr als 1000 Kopien regional zu starten, jeweils drei bis vier Wochen zu spielen und
dann zurückzuziehen. Nun entschieden die Bosse auf der Herrentoilette,
nur etwas über 400 Kopien zu ziehen, den Filmstart aber mit einer nationalen Fernsehwerbekampagne von ungekannten Ausmaßen zu unterstützen. Jaws spielte bis Ende 1975 130 Millionen Dollar ein, Badeorte am
1 John Charnay/Doug Mirell: «Ripping Response to Jaws». In: HR, 26. Juni 1975, S. 1–7.
2 Nancy Griffin: «In the Grip of Jaws». In: Premiere, Oktober 1995, S. 88–101.
192
Meer verzeichneten Buchungsrückgänge von bis zu 50 Prozent,3 und der
fernsehunterstützte Massenstart wurde umgehend zum Standardmuster
des Filmverleihs. Mehr noch: Im Verbund mit Zweitauswertungen über
Kabelfernsehen und Heimvideo erwies er sich als Quelle eines neuen
Reichtums Hollywoods, und seine Segnungen halten an bis heute. Nun
hat schon Sigmund Freud auf die symbolische Verbindung hingewiesen,
die zwischen Geld und Exkrementen besteht. Wenn man ihre Folgen bedenkt, dann leuchtet ein, weshalb Drehbuchautor Carl Gottlieb in seiner
Nacherzählung die improvisierte Konferenz der Universal-Bosse in die
Herrentoilette verlegte. «Die imaginäre Kraft der Geschichte will es so»,
wie Michel Foucault sagen würde.
6.1 Hit the Jackpot and Run:
Filmvermarktung seit 1970
The hundred-million-dollar-gross picture should be
commonplace. We have all the tools — we have all
the talent — it is just a matter of organizing and
utilizing them in the proper manner.
Ralph W. Pries, Firmenchef des Popcorn-Lieferanten
Ogden Food Corp., Variety, 8. Januar 1975
Anfang der Siebzigerjahre bewegte sich der Filmverleih immer noch in
denselben Bahnen wie in den Fünfzigern. Die größten Erfolge waren zunächst Arthur Hillers Love Story (Paramount 1970) und Francis Ford
Coppolas The Godfather (Paramount 1972), beides Bestseller-Verfilmungen und beide lanciert nach dem alten Muster mit Premieren in Großstadtkinos und nachfolgender skalierter Auswertung. «Road shows» wurden noch bis Ende der Sechziger praktiziert, «saturation releases» von
billigen Science-fiction- oder Actionfilmen kamen auch noch vor – mit
abnehmendem Erfolg allerdings.
Der ausschlagebende Impuls zur Revision der alten Verleihmuster
ging nicht von den Studios aus, sondern von unabhängigen Verleihern.
Mitte der Sechziger entwickelten Firmen wie American National Enterprises oder Pacific International Enterprises eine neue Verleihtechnik,
die unter dem Begriff «four walling» bekannt wurde. Die Produzenten
mieteten Kinos, bezahlten den Betreibern die Unterhaltskosten und ein
3
Raymond Lowery: «Shore Resorts Angry Over Jaws, Plan Strategy to Fight Film Ads».
In: BO, 11. August 1975.
193
kleines zusätzliches Entgelt und überließen ihnen die Verpflegungsstände (Donahue 1985, 250). Die Einnahmen gingen vollumfänglich an die
Produzenten. Die Verleiher mieteten jeweils möglichst viele Kinos in einer Region und bereiteten dann mit einer intensiven Werbekampagne
bei lokalen Fernsehstationen den Filmstart vor. Vermarktet wurden auf
diese Weise vor allem Naturfilme, die um die 50 000 Dollar kosteten und
im «four walling»-Verfahren Gewinne von bis zu 900 000 einbrachten
(Wasser 1995, 54). Die Aufmerksamkeit der Studios erregte allerdings
erst der Regisseur und Schauspieler Tom Laughlin. Auf eigene Faust
lancierte Laughlin im März 1973 seinen Film Billy Jack in 62 Kinos in
Südkalifornien im «four walling»-Verfahren. Für Fox gedreht 1971, war
Billy Jack ein zeittypischer Thesenfilm um einen Vietnamveteran, der seine Kinder auf eine gemischtrassige Schule schickt und deswegen von
Freunden und Nachbarn angefeindet wird. Fox hatte die Originalfassung umschneiden wollen, woraufhin Laughlin die Herausgabe des Negativs erzwang und den Film zum Verleih an Warner Bros. weiterreichte. Billy Jack spielte in Quartierkinos und «drive ins» rund 6 Millionen
Dollar ein, genug für Warner Bros., viel zuwenig nach der Einschätzung
Laughlins. Erneut erzwang er die Herausgabe des Negativs. Er investierte 250 000 Dollar in TV-Werbung und spielte mit 62 Kopien am Startwochenende über eine Million ein. Den Box-Office-Rekord in der Startwoche hielt damals The Godfather mit 925 000 Dollar (Donahue 1985, 254ff.).
Nach wie vor zögerten die großen Studios allerdings, das Verfahren
zu übernehmen. Unter anderem lag dies am Widerstand der großen Kinoketten; die «four wall»-Filme liefen in der Regel in Quartierkinos und beeinträchtigten das Geschäft in den großen Häusern.4 MGM setzte sich als erstes Studio über solche Bedenken hinweg und lancierte im August 1973
Michael Crichtons Westernfantasie Westworld in 125 Kinos in Chicago
und weiteren 150 in Detroit. MGM mietete die Kinos nicht, sondern verlangte 60 Prozent der Nettoeinnahmen und investierte insgesamt 235 000
Dollar in Werbung, 142 000 davon allein in Fernsehspots.5 In der ersten
Woche spielte der Film mehr als 2 Millionen ein, was einen Reingewinn
von rund 350 000 Dollar ergab.6 Die Branchenzeitung Variety begrüßte
die Aktion als «unquestionably a step in the right direction for a company seeking to rethink today’s motion picture market», monierte aber,
dass MGM nicht weit genug gegangen sei. Das Studio hätte die Kinos
Richard Moses: «The Rise, Fall and Second Coming of Four-Walling». In: Variety, Vol.
277, No. 9, 8. Januar 1975, S. 22–80.
5 «MGM Blitz Sells Westworld; Tests Provinces Response to Intense Spots». In: Variety,
Vol. 272, No. 1, 15. August 1973, S. 7.
6 «MGM’s Joyous Regional Blitz». In: Variety, Vol. 271, No. 3, 29. August 1973, S. 5.
4
194
mieten, den Film noch breiter starten und noch mehr in die Werbung investieren sollen.
Die anderen Studios probierten das Verfahren zunächst an Wiederaufführungen aus. Paramount brachte Little Fauss and Big Halsy (Paramount 1970) mit Robert Redford wieder ins Kino, Universal versuchte es
mit Clint Eastwoods Breezy (Universal 1973), Warner Bros. setzte im
Herbst 1973 auf Sydney Pollacks Spätwestern Jeremiah Johnson (Warner
Bros. 1972) und Fox im folgenden Frühjahr auf den Katastrophenfilm
The Poseidon Adventure.7 Die Resultate fielen anfänglich so positiv aus,
dass sie die Studios in eine eigentliche Euphorie versetzten. Die neue
Verleihstrategie erschien ihnen als «a formula which was as good as
counterfeiting large bills with perfect plates», wie es der Verleihchef von
Tom Laughlins Firma rückblickend ausdrückte.8 In ihrer Euphorie begingen die Studios aber auch Fehler: Sie unterließen Marktabklärungen
und wählten deshalb die Filme oft falsch aus. Mitunter war auch die
Programmation ungünstig oder die Fernsehwerbung schlecht auf den
Film abgestimmt. Es waren aber schließlich die Kinobetreiber, die dem
«four walling» im eigentlichen Sinn einen Riegel schoben. Mit einem Gerichtsentscheid erwirkte der Branchenverband im März 1974, dass die
Studios keine Kinos mehr selbst mieten durften, handle es sich doch um
einen Verstoß gegen das «consent decree» (Donahue 1985, 256).
Noch im gleichen Jahr allerdings veranstaltete erstmals ein Studio
eine «saturation»-Kampagne für die Premiere einer Prestigeproduktion,
und zwar Warner Bros. für William Friedkins The Exorcist (Warner Bros.
1973) im Großraum New York. Auch für Filme, die auf konventionelle
Weise ins Kino kamen, warb man vermehrt am Fernsehen.9 Soweit Fernsehspots zum Einsatz kamen, liefen sie aber auf lokalen Sendern, wo sie
von regionalen Werbeagenturen im Auftrag der Studios platziert wurden.10 Das änderte sich 1975, als Buena Vista und Warner Bros. begannen, in größerem Umfang Werbezeit bei den Networks zu kaufen.11 Columbia wagte schließlich mit Breakout (Columbia 1975) die erste
nationale «saturation»-Kampagne. Der Film startete mit 1 360 Kopien,
damals eine Rekordzahl für einen großen Studiofilm, und vor dem Start
liefen Spots auf allen drei Networks. Der Durchbruch kam mit dem Start
7
8
9
10
11
«Saturation Given Encore By Fox On Its Poseidon; 72 Sites Set». In: Variety, Vol. 273,
No. 12, 30. Januar 1974, S. 4.
Wie oben, Anm. 3.
«Ad Campaigns Now Grey Area». In: Variety, Vol. 276, No. 5, 11. September 1974, S. 22.
«Pix Hard Sell Via TV Plugs Zoom B.O.». In: Variety, Vol. 276, No. 5, 11. September
1974, S. 5–22.
«TV Ad Bureau’s Film Figures». In: Variety, Vol. 277. No. 13, 5. Februar 1975, S. 5.
195
von Jaws. 407 Kopien kamen in den USA in den Verleih; 55 weitere gingen nach Kanada.12 Die TV-Kampagne beschränkte sich nicht auf einzelne Spots in der Woche vor dem Filmstart, sondern dauerte zwei Wochen
und konzentrierte sich auf die Networks. Erstmals kauften die Studios
die Werbezeit unter Umgehung der umsatzbeteiligten regionalen Werbeagenturen direkt bei den Sendern. Finanziert wurde die Kampagne
durch Verleihverträge, die dem Studio 90 Prozent der Reineinnahmen
garantierten. Verteilschlüssel dieser Art waren schon bei «saturation»Starts üblich. Für Jaws mussten die Kinobetreiber indes eine Spielzeit
von zwölf Wochen garantieren und zudem einen Vorschuss bezahlen.
Um diese Konditionen durchsetzen zu können, wich das Studio auch
von seiner üblichen Politik der Blindbuchung ab. Anstatt die Spielrechte
ohne vorherige Visionierung zu versteigern, zeigte man den Kinobetreibern den Film; die meisten akzeptierten daraufhin die Konditionen.13
Ungewöhnlich war an der Jaws-Kampagne auch der Starttermin.
Die Sommermonate galten als Flautesaison. Die Leute gingen an den
Strand oder in die Ferien und nur gelegentlich ins Kino, und deren Angebot beschränkte sich auf saisonale Produkte wie Surfer- oder Motorradfilme. Jaws war die erste Prestigeproduktion, die zum Auftakt der
Schulsommerferien startete. Entsprechend anders als üblich musste die
Werbekampagne gewichtet sein. Seit den späten Vierzigerjahren wusste
man aufgrund von Marktforschungen, dass rund drei Viertel des Kinopublikums jünger als 34 sind. Noch in den Sechzigerjahren tendierte
man dazu, dieses Publikumssegment als «built-in audience» zu betrachten, als gewohnheitsmäßige Kinogänger, die man vom Kommen des
Films nur in Kenntnis zu setzen brauchte. Großproduktionen spielten
ihre Kosten allerdings nur ein, wenn sie darüber hinaus Resonanz fanden. Seit Ende der Vierziger konzentrierte sich die Werbung deshalb
größtenteils darauf, dieses zusätzliche Publikum zu mobilisieren. Tom
Laughlin brach als erster mit dieser Regel und richtete die Reklame für
Billy Jack gezielt auf sein Kernpublikum aus, also auf jene Leute, von denen eine Studiowerbeabteilung angenommen hätte, dass sie ohnehin
kommen würden. Universal transponierte diese Strategie nun für Jaws
auf das Niveau der nationalen Werbekampagne.14 Angesichts des Erfolgs des Films machte die Kombination von Sommertermin, Massenstart und aufs Kernpublikum abzielender Fernsehwerbung rasch Schule.
12 John Getze: «Jaws Swims to Top in Ocean of Publicity». In: LAT, 28. September 1975,
Part VII, S. 1f.
13 Harlan Jacobson: «Theatre Owners Rankled At U’s Plans To Assess Them For National TV Ad Buy». In: Daily Variety, 1. Mai 1975, S. 7f.
14 TV Spots für Jaws, Universal Script Collection, AMPAS.
196
Im Sommer 1977 kamen bereits sieben Filme mit mehr als 500 Kopien ins
Kino. Star Wars startete 1977 zwar noch an 44 Spielorten nach dem alten
Premierenmuster, doch seit Anfang der Achtziger werden nur noch kleine und unabhängige Produktionen auf diese Weise vermarktet.15 Verändert hat sich seit den Siebzigerjahren hauptsächlich die Anzahl der Kopien. 1994 kamen im Durchschnitt 2500 Kopien zum Einsatz; mittlerweile
ist diese Zahl, bei über 30 000 bespielbaren Leinwänden auf dem nordamerikanischen Markt, auf bis zu 5000 angestiegen.16
Der Übergang zum fernsehunterstützten Massenstart war verbunden mit einer Vervielfachung der Werbeausgaben. In der zweiten Hälfte
des Jahres 1974 stiegen die Aufwendungen für Filmreklame auf lokalen
und nationalen Sendern um mehr als 100 Prozent – von knapp 13 auf 50
Millionen Dollar.17 In den Achtzigerjahren setzte sich diese Tendenz fort,
weil das jugendliche Publikum, an das sich die Werbung nun hauptsächlich wandte, kaum noch Zeitungen las und nur noch über Fernsehwerbung erreicht werden konnte.18 Die gesamten Werbeaufwendungen der
Filmindustrie betrugen 1975 380 Millionen. Bis 1978 stiegen sie um 44
Prozent auf 550 Millionen. Die Einspielergebnisse verbesserten sich
ebenfalls: von 1,5 Milliarden Dollar im Jahr 1973 auf 2,7 Milliarden 1978.
Während aber die Einspielergebnisse zwischen 1975 und 1978 um 28
Prozent anstiegen, wuchsen die Werbekosten in dieser Periode fast doppelt so schnell wie die Erträge.
Aufgefangen wurden die eskalierenden Vermarktungs- und Produktionskosten unter anderem durch den Wiedereinstieg der Studios ins
Kinogeschäft. Angeleitet durch die Lobbyarbeit seines ehemaligen Agenten Lew Wasserman hob die Administration von Präsident Ronald Reagan 1984 das «consent decree» de facto auf und ebnete den Filmfirmen
den Weg zurück ins Kinogeschäft (Gomery 1988, 1989; Holt 2000). Universal übernahm mit Cineplex Odeon eine der drei größten Kinoketten
der USA, während zum Medienmulti Sony neben dem Studio Columbia-TriStar auch die Sony Theaters gehören (Gomery 1990, 9). Ferner
wurden viele neue Kinos gebaut. Gab es in den USA Mitte der Siebzigerjahre noch knapp 15 000 Leinwände, so sind es derzeit deutlich über 30
000, mit eine Vorbedingung für eine effiziente Vermarktung von Filmen
über Massenstarts. Noch bessere Erträge als der Kinomarkt brachten al15 A. D. Murphy: «Star Wars Start Best Since Jaws». In: Daily Variety, 1. Juni 1977, S. 1–10.
16 «Ultrawide Screens». In: Variety, 19. Dezember 1994, S. 10. Leonard Klady: «Studio
Ponder Perils, Payoffs of Platforming». In: Variety, 16. Januar 1995, S. 11–15.
17 Wie Anm. 10.
18 «Film Makers Turn to TV Ads, Research to Help Sell Movies». In: WSJ, 1. Oktober
1981.
197
lerdings Zweitauswertungen wie Kabelfernsehen und Heimvideo sowie
das «merchandising», der Handel mit Produkten, die mit Filmen in einem thematischen Zusammenhang stehen.
Bis Mitte der Siebzigerjahre stellten Fernsehausstrahlungen die einzige Möglichkeit der Zweitauswertung von Spielfilmen dar. Anfänglich
hatten sich die Studios noch geweigert, den Fernsehstationen Filme zu
überlassen. «It is a certainty that people will be unwilling to pay to see
poor pictures when they can stay home and see something which is, at
least, no worse», begründete Samuel Goldwyn 1950 diese Zurückhaltung (Donahue 1985, 156). Im Januar 1956 allerdings kaufte der Filmrechtehändler C&C TV für 15 Millionen die Rechte an 740 Titeln der maroden RKO-Studios und reichte die Filme in Paketen an Fernsehstationen
weiter.19 Im März des gleichen Jahres erwarb der kanadische Investor
P.R.M. für 21 Millionen alle Filme der Warner Bros. aus den Jahren vor
1949,20 und im Juni 1956 gab MGM seine Filme für Fernsehauswertungen frei, womit den Fernsehstationen bereits 2628 Titel zur Verfügung
standen.21 Im August 1957 übernahm Screen Gems, die Fernsehabteilung
von Columbia, 700 Titel von Universal, und im Sommer 1958 kaufte
MCA die Rechte an allen Paramount-Filmen mit Ausnahme der Produktionen von Cecil B. DeMille.22
Neue Attraktivität gewannen die «libraries», die Filmkataloge der
Studios, in den Achtzigerjahren. Kabelfernsehgesellschaften wie TNT
oder HBO schufen einen zusätzlichen Absatzmarkt für Kinofilme, während der Heimvideomarkt neue Gewinnperspektiven für alte Filmtitel
eröffnete. Der Pay-TV-Kanal HBO (Home Box Office) bot ab Mitte der
Siebzigerjahre im ganzen Land gegen Bezahlung Spielfilme frei Haus
ohne Unterbrecherwerbung. Die Networks und die Lokalsender verteilten ihre Programme zudem nach wie vor über analoge Sender, deren
Empfang an vielen Orten der USA ungenügend war.23 HBO hingegen erreichte eine erheblich bessere Signalqualität. Es strahlte seine Programme ab 1975 per Satellit aus und speiste sie in die Kabelnetze ein, die nach
der Lockerung der Fernsehgesetzgebung Anfang der Siebzigerjahre im
ganzen Land entstanden waren. Die Kabelbetreiber waren an den Einnahmen von HBO beteiligt und unterstützten seine Verbreitung. Von
19 «RKO Features Go to TV Buyers As Package». In: MPH, Vol. 202, No. 4, 28. Januar
1956, S. 19.
20 «Warner Film Library Sold». In: MPH, Vol. 202, No. 10, 10. März 1956, S. 14.
21 «TV’s Box Score». In: MPH, Vol. 203, No. 12, 23. Juni 1956, S. 13.
22 «Universal Library Goes to Screen Gems». In: MPH, Vol. 208, No. 6, 10. August 1957, S.
15. «Paramount Backlog Sold for $50 000 000». In: MPH, Vol. 210, No. 7, 15. Februar
1958, S. 16.
23 «A World View». In: The Economist, 27. November 1997.
198
1979 bis 1984 sank der Anteil des Kinomarktes an den Gesamteinnahmen der Studios von 81,6 Prozent auf 58.8 Prozent, während der Anteil
der Pay-TV-Gebühren im gleichen Zeitraum von 1,4 Prozent auf 17,4
Prozent stieg (Donahue 1985, 158).24
Dem Heimvideoformat begegnete die Industrie anfangs mit der
gleichen Ambivalenz, die sie in den Anfangstagen von Radio und Fernsehen auch diesen neuen Medien entgegengebracht hatte. Man befürchtete Umsatzeinbußen und weigerte sich vorerst, Filme für die Videoauswertung freizugeben.25 Twentieth Century-Fox wiederum unterstützte
CBS bei der Markteinführung seines «Electronic Video Recording System». Bei der Präsentation am 24. März 1970 im Hotel Pierre in New
York verglich der alternde Studioboss Darryl F. Zanuck die Erfindung
des Heimvideoverfahrens mit der Entwicklung des Filmtons und kündigte an, dass er dem Verwaltungsrat von Fox vorschlagen würde, alle
Filme des Studios nach einer Sperrfrist von fünf Jahren für die Videoauswertung freizugeben.26 Sony kam kurz darauf mit dem Beta-System heraus, Philips bot Video 2000, und JVC etablierte schließlich sein Video
Homerecording System (VHS) als Marktstandard.
Zumindest in ökonomischer Hinsicht lag Zanuck richtig mit seinem
Vergleich von Filmton und Heimvideo. Das Heimvideoformat sicherte
den Studios zusätzliche Einnahmen und einen Zugewinn an Marktkontrolle, wie man es seit den ersten Jahren des Tonfilms nicht mehr erlebt
hatte. 1979 wurden Einnahmen aus dem Videobereich in den Statistiken
noch gar nicht aufgeführt; 1984 betrug ihr Anteil am Gesamtergebnis der
Filmindustrie bereits 8 Prozent. 1989 die Kinos der USA und Kanadas 5
Milliarden Dollar ein; die Einkünfte aus der Videoauswertung betrugen
mehr als das Doppelte. Mittlerweile tragen die Einnahmen aus dem Videogeschäft über 50 Prozent zum Einspielergebnis eines Films bei, während der Anteil des Kinos auf knapp ein Viertel gesunken ist (Vogel 1998,
55). Der Heimvideomarkt expandierte so schnell, dass die majors allein
die Nachfrage nicht mehr befriedigen konnten. Kleinere Studios und Unabhängige wie Orion und Cannon stießen in diesen Markt vor, und während 1983 in den USA noch knapp 350 Filme pro Jahr gedreht wurden,
waren es zehn Jahre später bereits über 600 (Balio 1998, 58). Der Video24 John Dempsey: «Cable Nets Bet the Future on Drawing Power of Movies». In: Variety,
15. März 1999.
25 «Features On Tape». In: MPH, Vol. 239, 24. Dezember 1969, No. 52, S. 3. «New Movies-at-home». In: MPH, Vol. 240, No. 14, 8. April 1970, S 3. «Theatres’ Role in Cassettes». In: MPH, Vol. 240, No. 23, 15. Juli 1970.
26 «New Movies-at-home». In: MPH, Vol. 240, No. 14, 8. April 1970, S. 3. «Enter EVR: Fox
Films Available After Five Years For Home TV System». In: MPH, Vol. 240, No. 14, 8.
April 1970, S. 8.
199
markt erwies sich zudem als so lukrativ, dass die Studios bald auch Videopremieren mit millionenteuren Werbekampagnen ankündigten.27
Kabelfernsehen und Heimvideo schufen eine neue skalierte Marktordnung, in der an die Stelle von «first runs» und «subsequent runs» die
Auswertungsstufen Kino, Pay TV, Heimvideomarkt und Fernsehauswertung traten. Wie schon bei der skalierten Auswertung in der klassischen Ära bietet sich den Studios so die Möglichkeit der uneingeschränkten Preisdiskrimination: Sie können das gleiche Produkt mehrfach verkaufen und den Preis schrittweise herabsetzen (Gomery 1989, 87). Der Kinomarkt bildet in diesem System die wichtigste Plattform für die Markteinführung neuer Produkte. Je mehr sich diese neue skalierte Vermarktungsordnung in den Neunzigerjahren etablierte, desto stärker verteuerte
sich die Vermarktung. Die Networks hoben die Tarife für Fernsehwerbung an, besonders für attraktive Sendeplätze an den Tagen unmittelbar
vor den Filmstarts am Wochenende.28 Weil die Studios immer mehr Filme fernsehunterstützt lancierten, trieben sie die Preise auch selbst in die
Höhe.29 Zudem vervielfältigte sich das Angebot an Fernsehkanälen. Wiesen die drei großen Networks 1978 zusammengenommen noch einen
Marktanteil von 91 Prozent auf (Donahue 1985, 157), so teilen sie sich
heute das Publikum mit zwei weiteren Networks Fox TV und Warner
Bros. Network, und mit einer Vielzahl spezialisierter Kabelkanäle und
autonomer regionaler Anbieter. Konnte man sich in den Siebzigerjahren
noch darauf beschränken, Fernsehwerbung in den Networks unterzubringen, so muss man heute die Spots für einen potenziellen Blockbuster
auf ein Dutzend oder mehr Kanäle verteilen, will man alle Zuschauergruppen erreichen. Die Werbung, die sich an bestimmte Publikumssegmente richtet, lässt sich über die Spartenkanäle zwar zielgenauer platzieren. Bei Blockbustern aber führt die Aufsplitterung des Fernsehmarktes
zu einer Vervielfachung der Kosten. Schon seit 1992 versuchten die Studios deshalb, die Werbekosten einzufrieren; einige legten beispielsweise
eine Ausgabenlimite für Trailer auf 200 000 Dollar fest.30 Neue Möglichkeiten der Kostenbegrenzung taten sich für die Studios durch die Fusionen mit den Fernseh-Networks Ende der Neunzigerjahre auf. Die Realkosten allerdings stiegen auch in den letzten Jahren weiter an.
27 «Marketing – Focus On Film». In: WSJ, 4. Dezember 1991, Section B, S. 1.
28 Bill Carter: «As Ad Spending By Movie Studios Grows, NBC Is Cashing In with Its
Thursday Night Showcase». In: NYT, 22. August 1994, Section D, S. 6.
29 Thomas R. King: «Advertising: Studios Battle Clutter of TV Movie Spots». In: WSJ, 25.
Juni 1993, Section B, S. 1.
30 Thomas R. King: «Advertising: Hollywood Studios Focus On Trimming Spending to
Market Their New Releases». In: WSJ, 1. Mai 1992, Section B, S. 1.
200
Verschärft wurde diese Situation durch eine ähnliche Entwicklung
bei den Produktionskosten. 1966 betrugen die Nettokosten für einen
Spielfilm drei Millionen Dollar.31 Die Krise Ende der Sechzigerjahre
zwang die Studios zu einem Budgetmoratorium, und für Love Story (Paramount 1970) hatte Regisseur Arthur Hiller gerade noch eine Million
zur Verfügung. Zwei Jahre später schon ließ Paramount Francis Ford
Coppola The Godfather für sieben Millionen drehen. Ende der Neunziger
betrugen die Nettoproduktionskosten für einen durchschnittlichen Studiofilm bereits 55 Millionen. Zurückzuführen ist dieser Anstieg zum einen auf die Verteuerung der Spezialeffekte, zum andern aber auf eine
Eskalation der Stargagen. Es gibt jeweils nur fünf bis sechs Stars, die allein über genügend Zugkraft verfügen, um den finanziellen Erfolg eines
Projekts zu garantieren. Kann man einen solchen A-Star verpflichten, ist
die Finanzierung in der Regel garantiert; daher die Bezeichnung «bankable star». Seit Mitte der Neunzigerjahre beträgt die Grundgage für garantierte Kassenmagnete 20 bis 25 Millionen Dollar.
Mit solchen Gagen sichern sich die Stars ihren Anteil an den gewachsenen Einnahmen. Um sie finanzieren zu können, sind die Studios
aber auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Einen wichtigen Beitrag zu
dieser Wechselwirkung leisten die Überseemärkte. In den Fünfzigern
brachte der Heimmarkt noch rund 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr ein, der
Überseemarkt aber selbst in guten Jahren nur rund 150 Millionen. Mitte
der Achtziger hatte sich das Verhältnis von «domestic» zu «foreign revenues» bei 2:1 eingependelt. Anfang der Neunziger betrug es 1:1, und
1994 nahm die amerikanische Filmindustrie in den Überseemärkten erstmals mehr ein als in den USA und Kanada (Balio 1998, 60). In einigen
Fällen bringt die Auslandsauswertung mehr als doppelt soviel wie der
Heimmarkt. Titanic (TCF 1998) spielte in den USA und Kanada rund 600
Millionen ein; der Rest der Welt trug weitere 1,2 Milliarden bei. Im Zug
dieser Entwicklung wuchs auch der amerikanische Anteil am Weltmarkt
signifikant an. 1972 betrug er noch 50 Prozent; in den Neunzigerjahren
lag er bei über 80 Prozent.32 Erklären lässt sich dieser Einnahmenzuwachs unter anderem daraus, dass der fernsehunterstütze Massenstart
schon Mitte der Siebzigerjahre auch auf die Auslandsmärkte übertragen
wurde. Jaws kam am 26. Dezember 1975 in 100 britischen Kinos heraus –
früh genug, um noch vom Medienecho zu profitieren, das sein Erfolg
auch in Europa ausgelöst hatte.33 Mittlerweile werden Filme wie Tomor31 «Valenti on Costs«. In: MPH, Vol. 236, No. 7, 17. August 1966, S. 3.
32 «Domestic B.O. Bounces Back«. In: Variety, Vol. 268, No. 8, 4. Oktober 1972, S. 5–28.
33 «CIC Shifts From Usual Foreign Marketing Pattern In Jaws Bow». In: Variety, 8. Dezember 1975.
201
row Never Dies (MGM/UA 1999) auch in einem Kinomarkt wie der
Schweiz, der Ende der Neunzigerjahre etwas über 500 Leinwände zählte,
mit bis über 100 Kopien lanciert.
Zusätzliche Einnahmen brachte in den letzten zwanzig Jahren auch
das «merchandising», der Verkauf von Spielzeug, Kleidungsstücken und
anderem Zubehör nach Filmmotiven. Lizenzen zur Herstellung von
Filmderivaten erteilten die Studios schon seit langem. Für Jaws boten Lizenznehmer T-Shirts, Badetücher oder Halsketten aus stilisierten Haifischzähnen,34 während das Studio selbst Filmplakate in den Handel gab.35
Erst der Erfolg von Star Wars offenbarte aber das eigentliche Potenzial
des «merchandising». Für das Verleihstudio Fox war die Lektion
schmerzhaft: Regisseur George Lucas hatte nach dem Erfolg von American Graffiti (Universal 1973) eine Gehaltsaufbesserung für seinen nächsten Film verlangt. Da der Vertrag schon ausgehandelt und unterschrieben war, ging Fox auf die Forderung nicht ein und überließ Lucas statt
dessen die Rechte für Fortsetzungen und «merchandising», die man für
weitgehend wertlos hielt.36 Star Wars spielte in den Kinos eine halbe Milliarde ein, alleine die Einnahmen aus Folgeprodukten aber brachten in
den ersten sieben Monaten weitere 300 Millionen, und die Einnahmen
der Fortsetzungen gingen, abzüglich einer Verleihgebühr für Fox, vollumfänglich an Lucas (Turan 1979, 49). Mittlerweile unterhält jedes Studio eine Abteilung für «merchandising». Disney unterhält seit 1987 auch
eine Kette von Ladengeschäften, die Stofftiere und anderes Zubehör
nach Motiven aus den Animationsfilmen anbieten. 1991 zogen Warner
Bros. nach und eröffneten eine Reihe ähnlicher Läden.
Nach einer boomartigen Expansion seit Anfang der Achtziger stagnierte der Videomarkt Ende der Neunzigerjahre vorübergehend, bevor
die Einführung der DVD eine neue Wachstumsphase einleitete. Im
«merchandising» wurde ein Plafond 1998 erreicht, als die «Disney Stores» erstmals seit ihrer Eröffnung einen Umsatzrückgang verzeichneten.37 Das neue Verleihsystem ist für einzelne Erfolgsfilme zwar effizienter als die klassische skalierte Auswertung, es produziert aber auch große Reibungsverluste. Wurden in den frühen Achtzigerjahren noch einige
Dutzend Filme pro Jahr mit Massenstarts lanciert, so kamen 1997 über
150 als «wide release» auf den Markt. Produktionen, die am Startwo34 Wie oben, Anm. 1.
st
35 «NSS Enters Pic Poster Biz; 1 Try, Par’s Travolta Film». In: Daily Variety, 6. Juli 1977.
36 «May the (sales) force be with you: Stars Wars’ intergalactic success«. In: New Times
(Los Angeles), 24. Juni 1977, S. 20. Peter Bart: «Gaffes Without Laughs». In: Variety, 8.
März 1999, S. 4–78.
37 Richard Morgan: «Retail Rut Hits Studio Store Glut». In: Variety, 22. März 1999, S. 7f.
202
chenende kein gutes Einspielergebnis erzielen, verschwinden unter diesen Bedingungen bereits nach drei bis vier Wochen vom Markt. Von
Mundpropaganda können sie kaum noch profitieren. Die Schwelle für
den Zugang zum Kinomarkt ist zudem hoch geworden. Nur bei Filmen,
die in Testvorführungen gute Resultate erzielten, geht man überhaupt
noch das Risiko einer millionenteuren Werbekampagne ein. Auch daran
lässt sich ablesen, dass die Filmwerbung in den letzten dreißig Jahren
eine wichtigere Rolle spielte als je zuvor.
6.2 Sell Me a Story: Filmwerbung seit 1970
Hatte klassische Filmwerbung noch primär die Funktion, kommende Attraktionen anzukündigen, so dient sie im derzeitigen Vermarktungssystem der Einführung neuer Produkte und ganzer Produktelinien. Sie legt
die Basis für die vertikale, skalierte Auswertung im Kernbereich, der
Kino, Fernsehen und Video umfasst, ebenso wie für die horizontale Auswertung über Anschlussprodukte wie Videospiele, Soundtracks oder
Bücher. Sie bedient sich dazu einer Vielzahl von Medien, zu denen neuerdings auch das Internet zählt. Ihre Strategien verfolgt sie mit dem Repertoire an Techniken und Argumenten, das sich mit der Entwicklung
der «key art»-Symbole und der Praxis, «key art» und Slogans zu verbinden, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren vervollständigt hatte. Seit
den Siebzigern wird dieses Repertoire aber konsequent für eine Storyzentrierte Vermarktung über narrative Images genutzt. Im Zug dieses
Umbruchs rückten auch Werbediskurs und Produkt wieder näher zusammen, in mancher Hinsicht bis zur gegenseitigen Durchdringung, wie
sie schon in den Zehnerjahren geläufig war.
Die Kampagne für Jaws eignet sich gut, diese Tendenzen zu veranschaulichen. Jaws ist einer der ersten sogenannten «high concept»-Filme,
ein Film also, der sich durch die Betonung seines Looks, seines Stils und
eine sorgfältige Abstimmung zwischen dem Film und den Formen seiner Vermarktung auszeichnet (Wyatt 1994, 105). In ähnlicher Weise wie
die Verleihstrategie modifizierte die Werbekampagne für Jaws bestehende Muster. Genuin neu war allenfalls die Konsequenz und Intensität, mit
der die Kampagne darauf hinarbeitete, dem Film eine klar umrissene
Produktidentität zu verleihen. Wie die meisten Erfolge der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre basierte Jaws auf einem literarischen
Bestseller. Ähnlich wie schon David O. Selznick bei Margaret Mitchells
Gone With the Wind und später Paramount bei Mario Puzos The Godfather
hatten die Produzenten Richard Zanuck und David Brown die Rechte an
203
Abb. 37 Die Sicht des Hais, die Angst des Schwimmers, der Überblick der Werbung: Intro, erste Titelnennung und Endtitel aus dem Trailer zu Jaws (Universal
1975), einem Beispiel für die Mischform. Der Fisch selbst ist in keinem der Trailer zu sehen.
dem Buch gekauft, noch bevor es fertiggeschrieben war. Beide Buchversionen, die gebundene und die Taschenbuchausgabe, zeigten auf dem
Umschlag das grafische Motiv, das später auch auf dem Filmplakat und
204
in allen Fernsehspots und Trailern verwendet wurde: eine Wassermasse,
fast wie durch das Glas eines Aquariums; eine junge Frau schwimmt am
oberen Bildrand von links nach rechts, und von unten stößt mit offenem
Maul ein großer weißer Fisch herauf. Das Buch wurde mehr als ein Jahr
vor der Filmpremiere publiziert. Acht Monate vor dem Kinostart begann
die eigentliche Werbekampagne mit den ersten Teasern. Sie benutzten
ebenfalls das Einbandmotiv mit dem Hai und setzten es als dramatischen Kern des narrative Image ein, an den die Teaser und der HauptTrailer dann weitere Aspekte anknüpften und so schrittweise die Vorstellung vom Film und seiner Story komplettierten (Abb. 37).38 Getragen
von der massiven Fernsehkampagne, entwickelte dieses Image eine Präsenz, wie man sie sonst nur von Markenzeichen für Konsumprodukte
kennt.
Auf die Techniken der zeitgenössischen Filmwerbung, konzise und
dauerhafte narrative Images zu schaffen, stützen namentlich auch die sogenannten Franchisen ab, die Blockbusterfilme, die als Serien konzipiert
werden. Jaws brachte es auf drei Fortsetzungen, Riders of the Lost Ark auf
zwei, Alien steht bei Folge vier, Batman 5 befindet sich in Vorbereitung.39
Sieht man ab von den Revuefilm-Serien der Dreißigerjahre wie The Big
Broadcast (Paramount) oder Broadway Melody (MGM) und von der Andy-Hardy-Serie (MGM), so wäre es noch bis in die späten Fünfzigerjahre
undenkbar gewesen, den Erfolg von Prestigeproduktionen in direkte Fortsetzungen umzulegen. Anschlussprodukte waren zwar durchaus üblich;
Ross Hunters Serie von Douglas-Sirk-Melodramen mit Rock Hudson und
Jane Wyman in den Hauptrollen ist dafür ein Beispiel. Lineare Fortset38 Wie effizient zeitgenössische Kampagnen die Aufgabe lösen, Filmen eine Produktidentität zu verleihen, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass sie oft auch Gegenstand von Parodien werden. Filmwerbung, die Filmwerbung parodiert, ist an sich
nicht neu. Für Robert Aldrichs Westernkomödie Four For Texas (Warner Bros. 1963)
entwarf die Trailerabteilung des Studios einen (schliesslich nicht realisierten) Trailer,
der die Monumentalfilmtrailer der Fünfziger aufs Korn nahm, während Alfred Hitchcock im Trailer zu The Birds (Universal 1963) Cecil B. DeMilles Auftritt im Werbefilm
für The Ten Commandments (Paramount 1956) veralbert (vgl. Kap. 5). In den Siebzigern
wurden aber nicht nur bestimmte Tonalitäten oder Macken parodiert, sondern auch
ganze Kampagnen. Das Plakat zu Revenge of the Pink Panther (UA 1978) zeigt die Titelfigur in einer Position, die jener von Warren Beatty auf dem Poster zu Heaven Can Wait
(Paramount 1978) nachempfunden ist. Der Slogan lautet «Just When You Thought It
Was Safe to Go Back to the Movies», in Anlehnung an den Werbespruch für Jaws II
(Universal 1978): «Just When You Thought It Was Safe to Go Back Into the Water».
Trailerscripts für Four For Texas, WBUSC.
39 Fortgesetzt wird eine Franchise, wenn der Nachfolgefilm zwei Drittel der Einspielergebnisse des Vorgängers erreicht. Weil über die Videoauswertung mitunter zusätzliche Publikumsgruppen erschlossen werden, kommt es auch vor, dass Sequels erfolgreicher sind als das Original. Austin Powers 2 (New Line 1999) und Toy Story 2 (Disney
2000) sind Beispiele hierfür.
205
zungen hingegen gab es vorwiegend in Billigwestern und Detektivserien. Das änderte sich mit den James-Bond- und Pink-Panther-Serien der
Sechzigerjahre. Wie auch die neueren Serien waren diese Filme immer
um einen Protagonisten aufgebaut, dessen mediale und kulturelle Präsenz den einzelnen Film überstieg. Bei James Bond war dies der Titelheld, bei Jaws ein großer, hungriger weißer Fisch, bei Raiders of the Lost
Ark die populäre Figur des Indiana Jones, bei Alien Ripley und das Monster. Solche Protagonisten kommunizieren für sich genommen schon eine
komplette Spielanordnung, wie sie der Trailer zu Casablanca noch anhand einer Figurenkonstellation hatte erläutern müssen.
Das gilt in gewissem Sinn auch für stereotype Filmfiguren wie den
Westernhelden, von dem man annimmt, dass er schiessen kann und,
was auch immer seine Umstände und Vergangenheit, das Herz auf dem
rechten Fleck hat. Neu an den Franchisenfiguren ist aber, dass sie ein
spezifisches Handlungsprogramm repräsentieren und ein differenziertes
narratives Image transportieren. Diesen Effekt unterstützt eine Reihe signethafter Elemente und Beigaben, die sich mit der Figur und ihren Auftritten verbinden. Bei den Bond-Filmen sind dies die Musik, die Titelsequenz von Maurice Binder mit dem charakteristischen Blick durch den
Pistolenlauf und Bonds Spruch «Bond – James Bond» (vgl. Abb. 27, Kap.
5), bei den Pink Panther-Filmen ebenfalls die Titelsequenz und Henry
Mancinis Musik, bei Jaws oder Raiders of the Lost Ark und Folgen die Musik von John Williams, bei Alien die Werbegrafik, die auf die Kombination von Horror- und Science-fiction-Elementen verweist. Franchisenfiguren haben große produktionsökonomische Vorteile: Ist eine Franchise
am Markt eingeführt, so erfordert der Nachfolgefilm nur einen Bruchteil
des üblichen Stoffentwicklungsaufwands.40 Dasselbe gilt für die Vermarktung. Es reicht oft aus, einen Aspekt der Figur oder eines der mit
ihr verbundenen signethaften Elemente auszuspielen, um eine präzise
Vorstellung von der Story gegeben. Der Trailer zu Jaws II beispielsweise
beginnt mit der Totalen eines Strandes bei Sonnenuntergang. Auf der
Tonspur wird John Williams’ Filmmusik eingespielt. Danach braucht
man nur noch mitzuteilen, in welcher Hinsicht die Spielanordnung vom
Original abweicht (zwei Fische? vier Bademeister?), und das Startdatum
einzublenden. Bei den Franchisen-Filmen durchdringen sich mit anderen Worten Werbediskurs und Produkt in hohem Maß: Das «storytelling» der Filme ist auf die Anforderungen des «selling» abgestimmt, und
dieses besteht im wesentlichen darin, narrative Topoi abzurufen, zu Enthymemen verdichtete Elemente des Films.41
40 Vgl. dazu auch (Benvenuto 1994).
206
Werbediskurs und Produkt näherten sich auch über die eine Form
der Verbundwerbung wieder an, die in den letzten zwanzig Jahren immer wichtiger wurde: das «tie-in», die Verknüpfung von Filmen mit Konsumprodukten. In der klassischen Periode entstanden «tie-ins» noch aus
Partnerschaften auf lokaler Ebene, etwa wenn Modegeschäfte ihr Angebot aufs Filmprogramm des örtlichen Kinos abstimmten. In den Achtzigerjahren hingegen wurden «tie-ins» zur Angelegenheit der Großfirmen,
und die Studios gingen Allianzen mit Fastfoodketten wie McDonald’s,
Burger King oder Taco Bell ein. McDonald’s bot zu allen Disney-Animationsfilmen der Neunzigerjahre Kindermenüs mit Spielzeugfiguren aus
dem Disney-Repertoire an. Das Studio kam im Gegenzug zu Gratiswerbung in einem geschätzten Betrag von 30 Millionen Dollar pro Film. Von
«tie-ins» profitieren aber auch kleinere Produktionen. Die Kaffeehauskette Starbucks trat beispielsweise als Werbepartner für die romantische
Komödie Sleepless in Seattle (TCF 1993) in Erscheinung.42 Mitunter wachen die «tie-in»-Partner auch darüber, dass Werbediskurs und Produkt
41 Welche Aspekte in der Werbung zum Tragen kommen, bestimmen bei herkömmlichen Filmen seit den späten Siebzigerjahren weitgehend die Resultate der Marktforschung. Die Wirksamkeit seiner Kampagnen liess David O. Selznick schon in den
Vierzigerjahren von Gallup messen. Der Wert solcher Studien blieb aber bis in die
Siebziger umstritten, und erst mit der Entwicklung neuer Methoden Ende der Dekade
etablierte sich die Marktforschung als integraler Bestandteil jeder Werbekampagne
(Wyatt 1994, 158ff.). Getestet werden nicht nur Stoffe und fertige Filme, sondern auch
Werbematerialien. Solche Tests werden meist mit zufällig ausgewählten Personen in
Shopping Malls durchgeführt. In der Regel messen sie zum einen die Attraktivität des
beworbenen Films im Vergleich mit Konkurrenzproduktionen. Der Trailer zu The Little Drummer Girl (George Roy Hill, Warner Bros. 1984) wurde in Boston, Dallas, Kansas
City, Minneapolis, Los Angeles, Raleigh, San Francisco und Portland getestet. Die insgesamt 480 Testpersonen bekamen Vorfilme zu The Little Drummer Girl, American
Dreamer und Oh God! You Devil zu sehen. Die Tester erfragten Reaktionen in verschiedenen Gradierungen: «positive interest», «might want to see», «definitely want to
see», «negative interest» etc. Prozentzahlen zeigten auf dem Auswertungsblatt den jeweiligen Anteil der einzelnen Antworten an. Bewertet werden aber auch die Trailer
und die Werbematerialien selbst. In den Neunzigerjahren ist es üblich geworden, den
Testpersonen mehrere Versionen eines Trailers zum Vergleich vorzulegen und den
Vorfilm den Resultaten entsprechend umzuschneiden. Ausgeführt wurden Marktstudien zwischen 1979 und 1994 hauptsächlich von National Research Group, einer
Tochterfirma des Werberiesen Saatchi & Saatchi. NRG hatte mit allen Studios ausser
mit Universal Exklusivverträge, übernahm aber auch einen grossen Teil der Marktstudienaufträge dieses Studios. 1994 geriet die Firma ins Zwielicht, als ehemalige Angestellte enthüllten, dass sie auf Anweisung ihres Chefs bisweilen Daten frisieren mussten. Gallup, Amerikas ältestes Marktforschungsinstitut, das sich in den
Vierzigerjahren die Aufträge aus dem Filmgeschäft mit Leo Handel geteilt hatte, versuchte darauf, das Monopol der NRG anzugreifen, und baute wieder einen hauseigenen Filmerhebungsdienst auf. Die Investition lohnte sich durchaus, setzte doch die
NRG allein mit Marktstudien für Filmstudios Mitte der Neunziger jährlich 30 Millionen Dollar um.
42 Thomas R. King: «Marketing – Focus On Film». In: WSJ, 17. Mai 1993, Section B, S. 1.
207
sich nicht zu weit von einander entfernen. McDonald’s fand beispielsweise, Batman Returns (Warner Bros. 1992) sei zu düster für kleine Kinder, und regte an, Tim Burton als Regisseur der Serie abzulösen. Beim
dritten Teil führte Joel Schumacher Regie.43
6.3 Die narrative Wende in der Filmwerbung:
Aspekte des zweiten Modus
You say ‹Marlon Brando and Jack Nicholson› and
right away I got ya. Then you show a couple of scenes that look like conflict. But when you analyze it,
what exactly do you see? The stars – but nothing
about the story line. That movie had no substance,
so you had to sell the actors. You know what happened to that film.
Trailer-Produzent Gary Allen über den Trailer zu
The Missouri Breaks, L.A. Times, 7. Oktober 1979
Werbediskurs und Produkt nähern sich auch im zweiten Modus des
Trailers wieder an, der Ende der Siebzigerjahre dominant wird. Der
Übergang zum «storytelling as selling» auf der Basis der protagonistenzentrierten Zweidrittelstruktur markiert eine narrative Wende in der
Filmwerbung, die drei hauptsächliche Anlässe hat:
1) In den Sechzigerjahren avanciert die Story zum wichtigsten Kriterium
der Filmauswahl, und die Trailer bekommen die Aufgabe, das Publikum
von der erzählerischen Substanz des Films in Kenntnis zu setzen. Von
den 43 Filmen, die im Jahr 1967 in den USA und Kanada mehr als 4 Millionen Dollar einspielten und als Hits gelten konnten, wies nur ein
Bruchteil namhafte Stars auf.44 Befragt nach seinen Faustregeln, erklärte
Ed Rapolo, der Leiter der Trailer-Abteilung von Disney 1968: «The most
important goal is to sell the story», und das richtige Mittel hierfür sei es,
im Trailer «the semblance of a storyline» zu entwerfen.45 Rapolos Beispiel
machte in den Siebzigerjahren Schule. Andrew Kuehn lehnte es beispielsweise ab, den Trailer für zu Saturday Night Fever (Paramount 1977)
zu schneiden, weil das Studio die Kampagne auf John Travolta zentrieren wollte. «Stars are like big heavy wild cards you hold in your hand»,
43 Anita M. Bush: «Dark Knight Becomes ‹Bat› Lite». In: Variety, 1. Mai 1995, S. 1–147.
44 «Hit Picture Lessons». In: MPH, Vol. 238, No. 3, 17. Januar 1968.
45 Tom Gray: «Creating Trailer – A Matter of Merchandising». In: MPH, Vol. 238, No. 43,
23. Oktober 1968, S. 23f.
208
so Kuehn über deren veränderte Rolle. «You shouldn’t lead with them.
You should slip them in.»46
2) Im Zug der Ausdifferenzierung des Marktes, die schon in den Fünfzigerjahren einsetzt, bekommt der Trailer eine zusätzliche Funktion. Klassische Trailer hatten die Aufgabe, die Leute ins Kino zu holen; aktuelle
Trailer haben überdies die Aufgabe, jene Publikumsgruppen vom Kino
fernzuhalten, für die der Film nicht gedacht ist.47 Es schadet dem Geschäft, wenn Leute ins falsche Programm geraten und anschließend
schlecht darüber sprechen. Trailer des zweiten Modus wollen eine qualifizierte Kaufentscheidung ermöglichen und vermitteln deshalb ein
Höchstmaß an Information über den Film. Der vielfach beklagte Eindruck, man habe mit dem Trailer auch schon den ganzen Film gesehen,
ist mithin gewollt, oder er wird zumindest bewusst in Kauf genommen.
3) In den Siebzigerjahren wandelte sich das Konsumverhalten des Publikums, und es setzte sich innerhalb der Industrie eine veränderte Konzeption davon durch, welche Art von Produkt ein Film ist. In den Vierzigerjahren galt es bei einer Mehrheit der Kinogänger laut einer Umfrage
von Gallup noch als unschicklich, sich einen Film mehrmals anzuschauen.48 In den Siebzigern schauten sich einzelne Zuschauer Filme wie The
Rocky Horror Picture Show oft Dutzende von Malen an, vor allem in Mitternachtsvorführungen in Großstädten (Samuels 1982, 10). Mit Star Wars
griff dieses sogenannte Kultfilmphänomen 1977 auch aufs Mainstreamkino über; manche Fans sollen diesen Film alleine im Kino über 100 Mal
gesehen haben (Earnest 1985, 18). Der Heimvideoboom der frühen Achtziger ließ schließlich keinen Zweifel mehr daran, dass Filme nicht mehr
Produkte für den einmaligen Konsum waren. Findet ein Film sein Publikum, so wird dieses auch bereit sein, den gleichen Film mehrfach zu sehen. Damit ist aber auch die alte Vorsicht im Umgang mit Story-Information nicht mehr geboten; man kann den Film über die Story verkaufen, in dem man die Story erzählt. Schaut man sich heute einen Trailer
an, so ist dies – im für die Produzenten günstigen Fall – nur die erste in
einer ganzen Reihe von wiederholten Visionierungen des Films.49
46
47
48
49
Interview mit Andrew Kuehn. In: Evening Outlook, 3. April 1981.
Interview mit Andrew Kuehn, 7. Dezember 1997.
Memo von David O. Selznick an Lowell Calvert, 31. März 1943. SC Box 177 Folder 6.
Nach Janet Staiger ist das «repeat viewing» nicht genuin neu. Es tritt vielmehr nur an
die Stelle des gewohnheitsmässigen Anschauens von formelhaften, von Fall zu Fall
nur minimal variierten Genrefilmen, wie sie für die Studioproduktion der klassischen
Ära charakteristisch sind. Zu wiederholten Rezeption von Spielfilmen und anderen
Programmen am Fernsehen vgl. auch (Menache 1999).
209
Man kann den Wandel des Zuschauerverhaltens und die Entstehung des
zweiten Modus auch mit einem größeren kulturellen Umbruch in Zusammenhang bringen. Versuchte das Kino der ersten Jahrhunderthälfte
sich durch Bezug auf andere Kunstformen, vor allem auf Literatur und
Theater, zu legitimieren, so kennzeichnen sich die Filme des «New Hollywood» durch eine bewusste Rückwendung auf populäre Erzähltraditionen – Sagen, Mythologien, Genrestereotypen – und auf die Geschichte
des Kinos selbst (Elsaesser 1998, 195).50 Großproduktionen wie Star Wars
oder Raiders of the Lost Ark beruhen auf Stoffen, wie sie in den Fünfzigerjahren nur in B-Filmen vorkamen, und es entspricht dieser Verschiebung
in der Stoffwahl, dass Bezugnahmen auf literarische Vorlagen oder die
Kultur des Broadway-Theaters aus der Filmwerbung der letzten dreißig
Jahre weitgehend verschwunden sind.
Es hat mit anderen Worten eine Art Folklorisierung des Kinos stattgefunden und in texttheoretischer Hinsicht eine Re-Folklorisierung des
filmischen Texts. Das populäre Kino der letzten dreißig Jahre ist weniger
getragen von der Spätlingseinsicht, dass alle guten Geschichten schon erzählt sind, als vielmehr von der, dass alle guten Filmstoffe Ähnlichkeiten
aufweisen. Sie bedienen sich bekannter Versatzstücke und lassen sich
auf eine stereotype Form reduzieren. «If a person can tell me the idea in
25 words or less», so Steven Spielberg, «it’s going to make a pretty good
movie» (Wyatt 1994, 13). Nach diesem Prinzip funktioniert auch der
zweite Modus. Trailer reduzieren die Filmstoffe auf das Story-Stereotyp
herunter, und sie liefern gerade dadurch eine Qualitätsgarantie: Ein
Stoff, mit dem sich dies machen lässt, ist ein guter (gut verkäuflicher)
Filmstoff. Damit geht aber auch eine Entmystifizierung der Story und
eine Funktionalisierung des Plots einher. «Erzähl mir die Geschichte in
25 Wörtern oder weniger» heißt auch: «Sag mir schnell, worum es geht,
damit ich mich dafür interessieren kann, wie’s gemacht ist». Interessant
ist nicht das «Was», sondern das «Wie» der Erzählung, und die Story ist
nicht mehr das Neue, um dessen Enthüllung und Entdeckung es beim
Sehen des Films geht, sondern nurmehr die in ihren Grundzügen allgemein bekannte Voraussetzung und der Vorwand ihrer Umsetzung. Es
zählt, wie in der Volksliteratur oder in der Commedia dell’arte, die «performance» mehr als der Plot.51
50 Eine vergleichbare Verschiebung ergab sich auch bei der Filmmusik: Schlossen die
Soundtracks der klassischen Ära noch an die symphonischen Traditionen der Romantik und der klassischen Moderne an, so vollzog sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren ein Wandel hin zum Popsoundtrack, der zeitgenössische Popmusik aufnimmt
und verarbeitet. Vgl. dazu Smith (1998).
51 Ich verdanke diese Überlegung einem Hinweis von Carol Clover.
210
Versucht der Trailer zu The Night of the Iguana das Filmerleben noch
durch eine kontrastreiche Montage unter Beizug einer vagen Plot-Zusammenfassung zu simulieren, so benutzen Trailer der Siebzigerjahre
dazu schon das lineare Story-Stereotyp. Sie verwenden dieses zunächst
in Verbindung mit der klassischen Struktur.
6.3.1 Ein Beispiel der Mischform: Three Days of the Condor
«Beim Schneiden von Trailern habe ich vor allem gelernt, dass die meisten Szenen viel zu lang sind», berichtet Joe Dante im Rückblick auf seine
Arbeit als Trailermacher für Roger Corman.52 Der Trailer für Sydney Pollacks Three Days of the Condor von 1975 zeigt unter anderem, wie ökonomisch Trailer Geschichten erzählen können.53 Der Film ist ein ParanoiaThriller mit Robert Redford als CIA-Mann, der als einziger einen Mordanschlag auf seine Einheit überlebt. Redford benachrichtigt seinen Vorgesetzten, ohne zu realisieren, dass dieser zugleich der Auftraggeber des
Attentats war. Einen zweiten Anschlag überlebt er nur knapp und beschließt unterzutauchen. Er kidnappt eine junge Frau, Faye Dunaway,
und quartiert sich in ihrer Wohnung ein. Eine Romanze nimmt ihren
Anfang, und gemeinsam machen sie sich daran, die Verschwörer zu entlarven.
Beim Trailer handelt es sich um ein zeittypisches Beispiel aus den
Siebzigerjahren, das als Grundtypus die Mischform aufweist.54 Die klassische Struktur dient nu noch als Kompositionsprinzip; den argumentativen Bau gibt das Story-Stereotyp vor. Titeleinblendungen in Form stilisierter Fernschreiber-Grafik führen im Intro-Bereich oder aber parallel
zur Exposition Produzent, Regisseur und Drehbuchautor ein. Es folgt
nach etwas mehr als 1 Minute der Filmtitel und danach, wie in einem
klassischen Trailer, eine Castsektion, in der Robert Redford, Faye Dunaway, Cliff Robertson und Max von Sydow namentlich genau aufgeführt
werden. Diese hat aber, anders als in einem klassischen Trailer, nicht den
Charakter einer bloßen Auflistung; die Namenseinblendungen begleiten
vielmehr Szenen, die auch den Plot vorantreiben.
52 Interview mit Joe Dante, 8. August 1998.
53 Three Days of the Condor. Paramount 1975. Regie: Sydney Pollack. Besetzung: Robert
Redford, Faye Dunaway, Cliff Robertson, Max von Sydow. Länge des Trailers: 188 Sekunden. Durchschnittliche Einstellungslänge: 1,65 Sekunden. Einblendtitel. Herkunft
unbekannt. Visioniert auf VHS-Video, UCLA Film and Television Archives. Textbasis:
Transscript.
54 Weitgehend identisch ist etwa ein Trailer zu Sam Peckinpahs The Killer Elite (Warner
Bros. 1975) aufgebaut, der die Story im Rahmen der klassischen Struktur zusammenfasst.
211
Der Trailer dauert 3 Minuten und 8 Sekunden bei einer durchschnittlichen Einstellungslänge von 1,65 Sekunden (114 Einstellungen)
und weist eine lineare Zweidrittelstruktur auf oder vielmehr eine Art
Zweieinhalbdrittelstruktur: Nach rund einer Minute wird das auslösende Ereignis gesetzt; nach rund 2 Minuten und 40 Sekunden der zweite
«plot point». Der Cliffhanger folgt in der Auflösung. Der Inhalt des Trailers stimmt genau mit dem eben gegebenen Story-Abriss überein, nur erhalten wir im Trailer zusätzliche Angaben über Vergangenheit und Werdegang der Figur Redfords, Arbeitsort, Tätigkeit, Details über seine
Gegenspieler und den «showdown», sowie die technischen Angaben zu
Produktion, Regisseur, Drehbuchautoren, Produzent und Besetzung.
Eine solche Informationsdichte lässt sich mit der polyphonen Montage
des zweiten Modus mühelos realisieren. Die ersten 25 Sekunden fassen
in einer Rechenmontage die ersten 10 Minuten des Films zusammen:
Redford versucht nach der Schiesserei, seine Vorgesetzten zu benachrichtigen; sein Bericht ist mit Bildern des Attentats durchsetzt (Abb. 38).
Bild
Ton
CU55 Hand an Telefonhörer
Wahlgeräusch
CU Telefonhörer leuchtende Lampen
Wählton
LS Mann an Schaltbrett in Telefonzentrale
CU Telefonhörer
LS Mann in Zentrale
Mann: «This is a major.»
CU Redford in Telefonzelle
Redford: «This is Joe Turner.»
LS Mann in Zentrale
Mann: «Identification?»
CU Redford
Redford: «My name is Turner, I work for
you, now listen.»
MS Mann in Zentrale
Mann: «Identify yourself.»
CU Redford
Redford: «Ah. Condor.»
LS Mann öffnet Glastüre
Thrillermotiv setzt ein.
CU Marmorschild: «American Literary
Society»
Redford, off screen: «Section 9, Department
17.»
CU Redford
Redford: «This section’s been …
55 Abkürzungen: CU: Close-up; MS: Medium Shot; MLS: Medium Long Shot; LS: Long Shot.
212
Abb. 38 «My name is Turner, I work for you»: Rechenmontage aus der Exposition des Trailers zu Three Days of the Condor (Paramount 1975).
Bild
Ton
CU Schallgedämpfte Maschinenpistole
feuert
MS Mann an Schreibtisch, wird erschossen und in Sessel zurückgeschleudert
Redford, o.s.: «…hit.»
MLS Mann in Zentrale
Mann: «What level?»
CU Redford
Redford: «What level?»
MLS Mann in Zentrale
Mann: «Level of damage?»
CU Redford
Redford: «Everybody.»
MS Offizier flüchtet in Wohnung
LS Mann wird auf Treppe erschossen
Redford, o.s.: «Dr. Lap, …»
CU Asiatin in gelbem Kleid
Redford, o.s.: «… Janice …»
CU Hand, gelbes Kleid, Schuss
Redford, o.s.: «… Ray …»
MCS Mann wird erschossen
Redford, o.s.: «… Harold…»
CU Redford in Zelle
Redford: «… Everybody is dead.»
Es handelt sich um eine analytische Rechenmontage mit expositorischer Funktion: Sie schildert einen Ausgangszustand und seine Ursachen. Die Exposition ist damit nicht abgeschlossen. Das auslösende Ereignis folgt nach etwas mehr als 1 Minute. Kurz nach der Titelnennung
213
realisiert Redford, dass er von den Leuten gejagt wird, die ihn retten sollen; daher der Entschluss unterzutauchen:
Bild
Ton
LS Helikopter landet vor World Trade
Center
Telefonstimme: «The head of your departmentjust came here from D.C. He’s gonna
bring you home.»
CU Redford auf Straße, schaut, zögert
Redford, o.s.: «I’ve neer met him.»
CU Fuß tritt Mülltone um, Schalldämpfer
auf Pistole wird sichtbar
MS Mann mit Revolver schießt
Telefonstimme: «Don’t worry.»
MS Redford duckt sich
MCS Mann mit Revolver schießt
MS Redford schießt zurück
Bild- und Tonelemente wirken gleichberechtigt zusammen; ihre Beziehung ist aber von großer Plastizität. Der Ausschnitt dauert etwa zehn
Sekunden, doch das Verhältnis von Ton und Bild wird beinahe Schnitt
für Schnitt neu definiert. Die erste Einstellung illustriert in einer Art synchroner Parallelmontage, was auf der Tonspur ausgesagt wird. Die
zweite verhält sich zum Dialog bereits asynchron, nimmt sie doch ein späteres Geschehen vorweg. Zum einen illustriert sie, was Redford der Telefonstimme antwortet: Er habe den Mann noch nie gesehen, den er treffen
soll; daher sein suchender Blick. Zugleich zeigt sich Misstrauen – zu
Recht, wie die nächste Einstellung zeigt: Redford wird angegriffen.
«Don’t worry», sagt die Telefonstimme in flagrantem Widerspruch zur
sichtbaren Aktion. Wir wissen, es handelt sich um eine Falle.
Das Bild-Ton-Verhältnis wandelt sich von Konsonanz/Illustration
zu Dissonanz/Widerspruch, und von Synchronität zu Asynchronität.
Dominant bleibt in diesen Verschiebungen – zumindest in semantischer
Hinsicht – die Tonspur. Erzählerischen Nutzen entfalten die Bildeinstellungen erst durch ihre Verknüpfung mit dem Dialog: Ohne diesen würden wir nicht den Schluss ziehen, dass Redford von seinen eigenen Leuten angegriffen wird. Mitunter haben die Bildelemente Vorrang.
Nachdem klargeworden ist, wer Redford bedroht, treibt das Bild die
Handlung voran. Die Kombination von «don’t worry» und dem Bild des
Killers wirft die Frage auf, wie Redford reagieren wird; die nächsten drei
Einstellungen geben Auskunft. Für die ersten vier Einstellungen ist die
Referenzebene der Ton; das Bildmaterial kann als peridiegetisch mit Be-
214
zug auf den Ton bezeichnet werden. Einstellung fünf bis sieben dagegen
sind, obwohl sie zur selben Szene gehören wie zwei bis vier, diegetisch.
Ton und Bild entwickeln in diesem Trailer gleichsam separate Diegesen.
Der Trailer endet mit dem «showdown» zwischen Redford und einem Killer in Postbeamtenuniform. Die Passage setzt wieder mit einer
asynchronen Verzahnung von «Off»-Dialog und sichtbarer Aktion ein:
Bild
MS Houseman mit Fliege in Konferenzraum vor gelber Wand
Ton
Vibraphon-Ton vor Dialog. Houseman: «…
if company agents aren’t enough use freelance …»
CU Redford tritt mit ahnungsvollem Blick Hammond-Akkord
nach vorn
Telefonstimme: «… use whatever it …»
CU Hand mit Lederhandschuh, zieht Maschinenpistole aus Ledertasche
Telefonstimme: «… requires but …»
MS Redford dreht sich um, schmeißt
Pfanne, duckt sich
Hammond-Akkord
… end it.»
MS Briefträger mit Maschinenpistole, von
Pfanne getroffen
Musik wechselt zu Tutti.
MS Redford duckt sich
MS Briefträger schützt Gesicht
CU Redfords Hand an der Maschinenpistole
MCS Briefträger tritt mit dem Fuß nach
Redford
MCS Hand greift nach Maschinenpistole,
der Fuß des Briefträgers tritt nach der
Hand
MLS Redford steht auf
Diese Passage markiert den zweiten «plot point». Konstruiert ist sie
ähnlich wie die Sektion mit dem auslösenden Ereignis. Die Tonspur
kommuniziert eine Bedrohung, gegen die sich Redford auf der Bildebene umgehend zur Wehr setzt. Die Konfiguration der Montage ist in beiden Passagen identisch. Zunächst haben die Tonanteile Vorrang, dann
die Bildanteile. Wo beim auslösenden Ereignis die Präzedenz der Bildanteile nur drei Einstellungen anhielt, dauert sie in dieser Passage neun
Einstellungen. Die Auseinandersetzung zwischen Redford und dem
215
Abb. 39 Schlagabtausch mit Schriftbegleitung: Endtitel-Passage des Trailers zu
Three Days of the Condor.
Briefträger dauert insgesamt 25 Sekunden, also den ganzen Rest des
Trailers; sie wird aber nach den ersten neun Einstellungen mit Texteinblendungen und der Sprecherstimme durchsetzt.
Die Wiederholung derselben Montagemuster schafft auf der Ebene
der rezeptionsgeleiteten Strukturen eine Verbindung zwischen auslösendem Ereignis und zweitem Wendepunkt. Die beiden Passagen setzen an
sich unauffällige Reizkonfigurationen, die «über Repetition allmählich auffälliger» werden und über die Wiederholung verdichteter Sinnbeziehungen eine Topik-Reihe aufbauen, ein strukturierendes Element der filmischen Formgestalt, das die Schwelle zur bewussten Wahrnehmung meist
nicht überschreitet, gleichwohl aber Wirkung zeigt (Wuss 1993, 58, 97).
Für eine solche Wiederholung verdichteter Sinnbeziehungen lassen sich
im Trailer zu Three Days of the Condor drei mögliche Wirkungen denken:
• Sie erleichtert den Rezipienten die Einordnung des filmischen Materials in das Story-Stereotyp. Die verwandte Reizkonfiguration
erleichtert es, auslösendem Ereignis und zweitem Wendepunkt
ihre Funktion als «plot points» zuzuweisen (sowenig dies allerdings bewusst geschieht).
• Sie trägt zur Charakterzeichnung bei – gleiche Situation, gleiches
Verhalten – es muss sich um einen Eigenschaft von Redfords Figur
handeln.
• Sie exponiert das Thema des Films. Three Days of the Condor ist ein
Paranoia-Thriller; der Protagonist wird von anonymen Mächten
bedroht. Zur Charakteristik des «Off»-Tons gehört seine Ortlosigkeit. Solange er nicht diegetisch verankert wird, kommt er von nir-
216
gendwo her und kann mithin auch etwas Bedrohliches haben. In
beiden Passagen reagiert Redford jeweils auf eine ortlos ausgesprochene Bedrohung. Bedenkt man die Genrespezifik des Paranoia-Thrillers, so erweist sich die Reizkonfiguration als themenadäquat. In der zweiten Passage wird die bedrohliche Stimme vorgängig noch diegetisch verankert, aber auf eine Weise, welche die
Suggestion der ortlosen, anonymen Bedrohung noch verstärkt: Die
entsprechende Szene zeigt eine konspirative Sitzung, bei der eine
Bürokratenrunde über das Schicksal von Redfords Figur verhandelt.
Den Abschluss bildet die Auseinandersetzung zwischen Redford und
dem falschen Postboten, die in einem Cliffhanger endet (Abb. 39). Mitten
ins diegetische Geschehen hinein kommunizieren Texteinblendungen in
Etappen den Filmtitel. Der Voice-over-Kommentar liefert dazu den Slogan, der auch in den TV-Spots verwendet wurde:
Robert Redford
and Faye Dunaway
in danger
and in love
in Three Days of the Condor
Dieser Slogan wird zur Einblendung des Endtitels wiederholt.
6.3.2 Der reine Zweidritteltrailer: Braveheart
Zu den wichtigsten Merkmalen des neueren Mainstream-Kinos gehört
der Einsatz neuer Tricktechnologien und verbesserter Tonwiedergabeverfahren. Zum Erfolg von Star Wars trug laut Marktstudien der «Realismus» des Films wesentlich bei, der Eindruck, gleichsam Teil des Geschehens zu sein. Diese Wahrnehmung verdankte sich nicht zuletzt einer
tontechnischen Innovation: Rund die Hälfte der 44 Kopien, mit denen
der Film im Mai 1977 startete, waren für Dolby-Stereo-Tonsysteme ausgelegt. Während das Publikum Star Wars allgemein sehr gut bewertete,
fielen die Reaktionen erheblich positiver aus, wenn der Film in einer
Dolby-Kopie gezeigt wurde (Earnest 1985, 15). Für den dritten Teil der
Star Wars-Serie, Return of the Jedi (TCF 1983), wurde erstmals der Soundstandard THX eingesetzt, das weltweit mittlerweile in rund 700 Kinos
verwendet wird. In den frühen Neunzigerjahren kamen zudem digitale
Tonsysteme wie Dolby Stereo Digital, SDDS von Sony und das von Steven Spielberg mitfinanzierte DTS auf den Markt (Allen 1998, 119). Spä-
217
testens Mitte der Achtzigerjahre avancierte das Sounddesign zum integralen Bestandteil der viszeralen Ästhetik des Blockbusters, und im Zusammenspiel mit Tricktechnologien wie CGI verliehen die neuentwickelten Tonsysteme dem Kinoerleben eine neue Intensität (Sergi 1998, 163;
Flückiger 2001). Das Produkt Film wandelte sich vollends von der audiovisuell umgesetzten Story zur Matrix für wiederholbare Erlebnisse – ein
Wandel der Produktecharakteristik, dem auch die Werbung Rechnung
trägt. Stärker noch als die Story-zentrierten Trailer der Siebzigerjahre
stellen neuere Zweidritteltrailer Erfahrungsgehalte in den Vordergrund:
Sie simulieren die Story, vor allem aber simulieren sie das Erlebnis des
Films.
Zu diesem Zweck lassen sie die klassische Struktur gänzlich zugunsten der protagonistenzentrierten Zweidrittelstruktur zurücktreten
und verknappen zudem die Frist der Informationsvergabe. Zu Mel Gibsons Braveheart56 gibt es ingesamt mindestens drei Trailer: zwei für den
amerikanischen Markt, von denen einer auf ein männliches Publikum
abzielt und die Kampfszenen in den Vordergrund stellt, während der
andere ein weibliches Publikum ansprechen soll und den romantischen
Plot hervorhebt, sowie einen für den internationalen Markt, auf den ich
hier eingehen will. Unterschieden sich amerikanische und internationale
Versionen von Trailern in der klassischen Periode oft nur in Einzelheiten,57 so enthalten internationale Trailer heute oft zusätzliches Material,
weil sie nicht den Längenvorgaben der MPAA unterliegen. Alle drei Trailer sind Musterbeispiele des reinen zweiten Modus. Der internationale
Trailer dauert 133 Sekunden, erreicht den Cliffhanger aber bereits nach
88 Sekunden. Seine durchschnittliche Einstellungslänge liegt mit 1,49 Sekunden aber nur unwesentlich unter der des Trailers zu Three Days of the
Condor der erst nach 3 Minuten an diesen Punkt gelangt.
Der Braveheart-Trailer für den internationalen Markt beginnt mit einer Tonvorwegnahme über die Firmensignete von Fox und Icon, der
Produktionsfirma von Regisseur und Star Mel Gibson (Abb. 40). Solche
Tonvorwegnahmen gehören mittlerweile zur Signatur des Trailers, sie
wirken nachgerade als Gattungssignal und zeigen an, dass nun ein Trailer folgt. Zudem annoncieren sie, dass in der polyphonen Montage der
56 Braveheart. TCF 1995. Regie: Mel Gibson. Besetzung: Mel Gibson, Sophie Marceau, Catherine McCormack. Länge des Trailers: 133 Sekunden (internationaler Trailer).
Durchschnittliche Einstellungslänge: 1,49 Sekunden. Voice-over, Key Art. Hersteller
unbekannt. Visioniert auf VHS–Video, eigene Sammlung. Textbasis: Transscript.
57 So stimmt beispielsweise der internationale Trailer zum Biopic The Stratton Story
(MGM 1949) mit dem amerikanischen Trailer bis auf ein kleines Detail überein: Im internationalen Trailer fehlt der Verweis auf den Artikel in Reader’s Digest, der dem Film
zugrunde liegt.
218
Abb. 40 Heimkehrer hält um die Hand seiner Jugendliebe an: Exposition des
Trailers zu Braveheart (TCF 1995).
Ton Vorrang haben wird. Man hört Musik, darüber die Stimme von Mel
Gibson mit «schottischem» Akzent:
Gibson: «I came back home to raise crops and, God willing, a family.»
Es folgt ein Schnitt auf einen «over the shoulder»-Shot von Catherine
McCormack in grauem Tuch vor grünem Hintergrund:
McCormack: «So you want me to marry you then?»
Ein Mann ist nach Schottland zurückgekehrt und macht einer jungen
Frau einen indirekten Heiratsantrag. Der Gegenschuss zeigt Mel Gibson
in historischem Kostüm mit langen Haaren. Die Szene wird in einer Folge von fünf Schuss-Gegenschuss-Einstellungen fortgeführt:
1. Gibson: «Well, that’s a bit sudden, but allright.»
2. McCormack: «Is that what you call a proposal?»
3. Gibson nickt: «I love you … always have.»
4. Reaktion McCormack
5. Gibson: «Will you marry me?»
Mit den ersten sechs Einstellungen führt der Trailer den Protagonisten
ein, schreibt ihm gewisse Charaktereigenschaften zu – Humor etwa –,
und stattet ihn mit einem Handlungsziel aus: Er will heiraten und sich
als Bauer niederlassen. Eine Zusammenfassung der Situation, verbunden mit einem Einblick ins Innenleben des Protagonisten, liefert nun die
Sprecherstimme:
His dreams were of peace and the woman he loved.
Die Ortlosigkeit der Sprecherstimme und das Tempus ihrer Aussage entfernen uns vom Geschehen, zumal ihr Einsatz auch von einer Luftaufnahme des schottischen Hochlands unterlegt ist. Ein abrupter Übergang
von Intimität, in dem das narrative Dispositiv des Trailers in seiner ganzen umfassenden Reichweite erfahrbar wird. Zudem hat das Tempus der
219
Abb. 41 Übergriff der tyrannischen
Besatzer: Auslösendes Ereignis im
Trailer zu Braveheart.
Aussage auch eine dramaturgische Funktion. Es lässt schon die Vergeblichkeit der Träume und Pläne des Helden erahnen. Auf die Luftaufnahme
folgen zwei Einstellungen, die Gibson und McCormack auf einer Wiese
in Umarmung zeigen. Über die zweite ist in Tonvorwegnahme der Anfang einer Dialogzeile zu hören, die in ein Close-up von Gibson mündet:
Gibson: «I want a family and children. That’s all for nothing if you don’t
have freedom.»
Neben dem Protagonisten und seinem Handlungsziel ist damit nach
zwanzig Sekunden auch das Hindernis eingeführt, wenn auch zunächst
nur als Abstraktum. Die Sprecherstimme nimmt den Fortgang vorweg:
But his destiny would be written in a battle of honor.
In der nächsten Szene konkretisiert sich das Problem zum auslösenden
Ereignis. Über die letzten Bilder einer Einstellung von Gibson zu Pferd
vor einer Flammenwand hört man in Tonvorwegnahme eine schneidende Stimme mit englischem Akzent:
Engländer: «As lord of these lands…»
Schnitt auf einen uniformierten Reiter. In den nächsten drei Einstellungen umringen Soldaten Catherine McCormack (Abb. 41). Sie sollen sie
festhalten, zu einem Zweck, den der Offizier im «off» erläutert:
«… I will bless this marriage by taking the bride on the first night of her
union.»
Dass der englische Offizier sich das «ius primae noctis» nur anmaßt und
im Film dafür bestraft wird, unterschlägt der Trailer. Vielmehr lässt er
die Handlung als legitimen Akt staatlicher Gewalt erscheinen und verleiht so Gibsons Reaktion zusätzliche Plausibilität. In der nächsten Einstellung drischt er mit dem Schwert auf englische Soldaten ein. Nach 45
Sekunden beginnt so die Konfrontation.
220
Abb. 42 Ein Bräutigam versammelt die Seinen und wehrt sich: Auszüge aus der
Konfrontations-Partie des Trailers zu Braveheart.
Beschränkt man sich auf die 88 Sekunden bis zum Cliffhanger,
dann dauert die Konfrontation 43 Sekunden und besteht aus sieben Szenen in 37 Einstellungen, die teilweise in Rechenmontage mit zusätzlichem Material gemischt werden (Abb. 42):
1. Mel Gibson provoziert ein englisches Reiterheer:
«Go back to England and tell them that Scotland’s sons and daughters are
theirs no more.»
Unterschnitten mit einer einzelnen Einstellung des Reiterheeres.
2. Eine «off»-Stimme:
«He rallies new volunteers in every Scottish town.»
Travelling des schottischen Heeres, im Rhythmus der Dialogzeile durch
«jump cuts» unterteilt. Die Schnitte zusätzlich durch Trommelschläge
markiert.
3. Gibson wird zum Ritter geschlagen:
«I knight thee, Sir William Wallace, guardian and high protector of Scotland.»
Die Zeremonie in Aufsicht und in seitlicher Totale, gefolgt von einer Außenaufnahme des Heeres, das eine Burg belagert.
221
4. Gibson im Dialog mit einem seiner Getreuen:
Mann: «Where do you go?»
Gibson: «I’m going to pick a fight.»
(Gibson trägt blaue Gesichtsbemalung)
Mann: «Well, you didn’t get dressed up for nothing.»
Zusammenmontiert mit Einstellungen von Bogenschützen in Gefechtsbereitschaft.
5. Sophie Marceau in königlichem Ornat im Gespräch mit dem englischen König; Schuss-Gegenschuss-Folge aus drei Einstellungen ohne zusätzliches Material:
Marceau: «He waits for you to come and talk, if you are man enough to
come and face him.»
6. Gibson im Streitgespräch mit seinen Gefolgsleuten:
Mann: «We can’t defeat this army!»
Gibson: «We can, and we will.»
Rechenmontage mit sechs Einstellungen von englischen Reitern und
schottischen Fußsoldaten im gegenseitigen Ansturm.
7. Ansprache Gibsons an seine Leute, unterschnitten mit Schlachtszenen:
Gibson: «If we win we’ll have what none of us have ever had before … a
country of our own.»
Die letzte Dialogzeile, «a country of our own», ist «on screen», in Nahaufnahme gesprochen.
Die Konfrontation ist erheblich schneller geschnitten als die Exposition,
und die sieben Szenen teilen in 43 Sekunden folgendes mit: Gibson fordert die Engländer heraus, stellt eine Armee auf, wird vom Lokaladel zu
einem der ihren gemacht, zieht gegen die Engländer ins Feld, findet in
der englischen Königin eine Alliierte, überzeugt seine Leute, trotz Unterlegenheit die Entscheidungsschlacht zu suchen, und lockt sie mit der
Vorstellung von Freiheit und Selbstbestimmung. Zwei Drittel des Story-Stereotyps sind damit umgesetzt. Es bleibt die Frage, ob die Schotten
gewinnen.
Die verbleibenden 46 Sekunden fügen nichts Wesentliches hinzu.
Die ersten vier Einstellungen zeigen Gibson in glücklicher Zweisamkeit
mit seiner Braut. Die Passage beginnt mit einer Überblendung und ent-
222
Abb. 43 Was bleibt, ist der Star: Endtitel-Passage des Trailers zu Braveheart.
hält eine Zeitlupe-Einstellung, was einen Effekt subjektiver Fokalisierung bewirkt: Es könnte sich um Erinnerungsbilder handeln. Das Wiederauftauchen von McCormack könnte aber auch bedeuten, dass Gibson
sie erfolgreich verteidigt hat. Die Bilder würden demnach das Leben
nach dem Krieg vorwegnehmen und die Passage hätte antizipierenden
und projektiven Charakter. Sie kann aber auch als lineare Fortsetzung
des bisher Gezeigten aufgefasst werden und eine Ruhephase im Freiheitskampf darstellen. Vieles bleibt im Ungewissen, während im Mittelpunkt die Frage nach dem Sieger der Schlacht steht. Ein ähnliches Verfahren benutzt auch der Trailer zu The Night of the Iguana.
Die nächsten sieben Einstellungen zeigen in Rechenmontage eine
weitere Brandrede Gibsons. Die verbleibenden 17 Einstellungen illustrieren das Schlachtgeschehen, im Wechsel mit zeitlich nicht verortbaren
Einstellungen von Gibson und McCormack. Den Spannungsbogen bildet
eine Szene, in der Gibson sein Schwert in die Luft schleudert. Bilder des
fliegenden Schwerts wechseln sich ab mit dem übrigen Material, und
zum Abschluss der Rechenmontage bohrt sich die Waffe in ein grünes
Feld und federt noch ein wenig nach. Nun wird der Star gezeigt und von
der Sprecherstimme benannt. Über der Einstellung des Schwerts wird
der Filmtitel eingeblendet, zusätzlich eingesprochen von der Sprecherstimme; es folgen die Credits (Abb. 43).
Der Trailer zu Braveheart ist wie die meisten neueren Beispiele über
die Tonspur aufgebaut. Geht man von dieser aus, dann zeichnen sich die
Übergänge zwischen den Szenen eindeutig ab, und das Material lässt
sich mühelos dem Dreiaktschema zuordnen:
Exposition:
2 Szenen, 2 Einsätze der Sprecherstimme
Auslösendes Ereignis: 1 Szene
Konfrontation:
7 + 3 Szenen
Der Vorrang der Tonspur zeigt sich auch daran, dass die polyphone
Montage in diesem Beispiel nur mit semantischen Konsonanzen ope-
223
riert. Der Trailer zu Three Days of the Condor ließ Bild und Ton einander
widersprechen. Im Braveheart-Trailer dienen die Bildanteile nur noch zur
Illustration der Tonspur. Das Beispiel veranschaulicht zudem, dass auch
Trailer des zweiten Modus Modulcharakter haben. Zehn Szenen und
zwei Interventionen der Sprecherstimme ergeben den «suspense»-Plot.
Die restlichen Szenen können bei Bedarf hinzugefügt oder weggelassen
werden, ganz so, wie in klassischen Trailern die Durchführung verlängert oder verkürzt werden konnte. Sowenig sich die primäre Funktion
des Trailers verändert hat, so konstant bleibt auf einer basalen Ebene
auch die Form.
225
Kapitel 7
Nostalgia for the Coming Attraction:
Trailer und der virtuelle Fandiskurs der
Filmwerbung
The mind is the battleground. The mind is where
all the marketing battles are won or lost.
Dave Howe, Creative Director Broadcasting and
Presentation BBC, 1997
Was tut überhaupt ein Trailer? Was er mit dem Film tut, war Gegenstand
des ersten Kapitels. Es handelte von den Regeln und Stilmustern, nach denen der Stoff in Werbemitteilungen umgeschaffen wird. Filmisches Erzählen ist aber immer doppelt gerichtet: auf den Stoff einerseits, auf die Zuschauer andererseits. Es bleibt also die Frage, was der Trailer mit dem Publikum tut.
Eine Vernehmlassung unter Trailer-Herstellern hätte zumindest in
den frühen Dreißigerjahren, als der klassische Modus sich verfestigte, einen Konsens ergeben: Der Trailer weckt Begehren, «desire to see the
film» oder «customer desire to come back».1 Wie aber tut er das? Von
der Werbepsychologie wird man darüber kaum Auskunft erhalten.
Zwar gibt es zahlreiche Studien zur Wirkung von Werbefilmen und
TV-Spots für Konsumprodukte;2 Trailer hingegen wurden bislang nur
vereinzelt untersucht.3 Zu klein ist offenbar der Umsatz, der sich mit
Filmreklame machen lässt, als dass die anwenderorientierte Wissenschaft der Werbepsychologie sich dafür ausgiebig interessieren könnte.4
1
2
3
4
Vgl. Lasky (1937, 13). Ferner: «Whaddaya Mean, ‹Best Fresh Eggs›? Asks O’Connell!».
In: MPH, 18. Juli 1931. «MGM Has 3 000 Houses Lined Up for Trailers». In: MPH, 14.
Juli 1934.
Anderson (1985) und Thorson/Friestad (1989) als Beispiele. Zu Ästhetik und Rhetorik
von Fernsehspots liegt eine reichhaltige medien- und kommunikationswissenschaftliche
Literatur vor. Für eine semio-pragmatische und kulturanthropologische Analyse von
Körperdarstellungen und Anthropomorphisierungs-Strategien in Werbefilmen vgl.
Tröhler (1996, 1999); für eine narratologische Analyse von TV-Spots vgl. Grimm (1996b).
Müller/Cevitz (1993) als Beispiel.
1997 wurden für Produktewerbung in den USA 186 Milliarden Dollar ausgegeben.
Die fünf grossen Studios brachten in diesem Jahr 170 Filme ins Kino und gaben für
Werbung und Vermarktung 3.8 Milliarden aus (19,244 Millionen pro Film). Gemessen
am Werbeaufwand der Gesamtwirtschaft sind dies 2,04 Prozent. Trailer beanspruch-
226
Man könnte sich ferner an die Praktiker wenden und wiederum Faustregeln zusammentragen. Über Feststellungen der Art, dass Explosionen
jungen Männern gefallen und Frauen auf Andeutungen romantischer
Plots ansprechen, kommt man dabei aber kaum hinaus.5
Ich will im Folgenden einen anderen Ansatz wählen und auch bei
der Frage nach der Wirkung von der Form ausgehen. Die serielle Analyse des ausgewählten Materials hat gezeigt, dass gewisse Muster der formalen Gestaltung über längere Zeiträume rekursiv verwendet werden,
also mit kleinen Variationen immer wieder auftreten. Geht man davon
aus, dass die Form der Funktion entspricht und dass zwischen Formgestalt und psychischer Wirkung ein Zusammenhang besteht, dann drängt
sich die Hypothese auf, dass die analysierten formalen Muster deshalb
rekursiv verwendet werden, weil sie sich als effektiv erweisen haben:
Seiner erprobten und etablierten Form nach scheint der Trailer besonders geeignet, «desire» zu wirken.
Die Annahme, dass zwischen Formgestalt und psychischer Wirkung ein relativ enger Zusammenhang besteht, ist ein zentrales Postulat
der (kognitiven) Filmpsychologie (Wuss 1993). Wie aber die Formgestalt
beschaffen sein muss, wenn die psychische Wirkung Begehren sein soll,
darüber liefert die kognitive Filmtheorie auf ihrem aktuellen Stand
kaum Auskünfte. Wohl befassen sich verschiedene Autoren mit den
emotiven Komponenten des Film-Sehens und Film-Verstehens (Carroll
1989, Wuss 1993, Smith 1995, Tan 1996, Grodal 1997). Mit dem Thema
des Begehrens setzen sie sich indes kaum auseinander. Das geschieht
durchaus mit Bedacht. Man will sich von der psychoanalytischen Filmtheorie und deren kultur- und gesellschaftstheoretisch orientierten psychologischen Analyse abgrenzen und verlagert deshalb den Fokus weg
vom Begehren, dem Kardinalthema der psychoanalytischen Theorie, hin
auf einen breiten Fächer von Emotionen, die man unter einem stärker individualpsychologischen Gesichtspunkt untersucht (Plantinga/Smith
1999, 10f.).6
ten davon 4,5 Prozent, also 0,09 Prozent des Umsatzes der US-Werbeindustrie. AA, 18.
Juni 1997, MPAA Website.
5 Listen von «appeals», von Verkaufsargumenten, kommen auch in den meisten frühen
Handbüchern zur Produktewerbung vor; Hollingsworth (1913) und Adams (1920) als
Beispiele.
6 Ökonomische und kulturelle Dimensionen klangen auch an, wenn in den Zwanzigerund Dreissigerjahren von «desire» die Rede war. Die Rationalisierung der industriellen Produktion hatte einen erhöhten Ausstoss an Waren bewirkt und ging mit Lohnerhöhungen und Arbeitszeitsenkungen für Industriearbeiter einher. Die Arbeiter konnten sich damit auch leisten, was sie herstellten; sie wurden zu Konsumenten. Die
Werbung trug ihren Teil dazu bei, indem sie ein «psychic desire to consume« suggerierte (Ewen 1976, 25) und ihre Adressaten anleitete, Teil einer Kultur von «self-con-
227
Geht es aber um den Trailer, so kommt man um eine Beschäftigung
mit dem Begehren nicht herum. Man könnte nun auf die Psychoanalyse
zurückgreifen und deren entwicklungspsychologische Theorie des Begehrens – Begehren entspringt der Rivalität mit dem Vater und dem
Streben, einen frühkindlichen Verlust wiedergutzumachen – in einen
Zusammenhang mit der Form des Trailers bringen. Der Trailer, so könnte man in der Diktion der psychoanalytischen Theorie formulieren, verspricht «suture», die Konstruktion einer imaginären Ganzheit des Filmerlebens, weckt aber Begehren gerade dadurch, dass er diese Ganzheit
verweigert und den Film in losen Fragmenten vorführt: Er erinnert uns
an den tragischen Verlust frühkindlicher Ganzheitserfahrungen und
stellt uns zugleich eine Regression in ein vergleichbares Register des Erlebens in Aussicht.7 Ich möchte aber nicht von einer psychoanalytischen
Theorie des Begehrens ausgehen, sondern von der filmischen Form, und
insbesondere von der Feststellung, dass die Form des Trailers immer
eine Lösung für das Problem der Informationsvergabe darstellt. Ich will
mit anderen Worten das Begehren, das der Trailer weckt, nicht über die
tragische Geschichte seiner ursprünglichen Entstehung aufschlüsseln,
sondern über den kognitiven Aspekt seines jeweiligen Auftretens.
Nach Frijda ist Begehren, wie andere Emotionen auch, eine Handlungsdisposition. Im Unterschied zu anderen Emotionen bezieht es sich
immer auf ein konsumatorisches Verhalten: «It is the tendency to bring
nearer whatever the desire is for» (Frijda 1986, 85). De Sousa spricht in
diesem Zusammenhang von Schlüsselszenarien zukünftiger Ereignisse,
an denen sich das Begehren festmacht. Darin besteht seine kognitive
Komponente: Ich muss eine Vorstellung davon haben, worauf sich mein
Begehren bezieht. De Sousa unterscheidet zudem zwischen zeitindiziertem und unmittelbarem Begehren, also zwischen einem Begehren, das
an einem bestimmten oder unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft realisiert werden soll, und einem Begehren, das auf unmittelbare Befriedigung drängt (De Sousa 1997, 343ff.). Begehren kann zudem nach drei
Objektklassen unterschieden werden: je nachdem, ob es sich auf Zustände, auf Aktivitäten oder auf Vollzüge bezieht. Zustände sind passiv
(klein sein, großzügig sein), Aktivitäten sind aktive Handlungen (gehen,
7
scious consumers» werden (Fox 1984, 103f.). «Desire» hat vor diesem Hintergrund einen fast schon metaphysischen Sinn: Das Begehren ist es, was die Welt des Konsums
in ihrem Innersten zusammenhält und ihren Fortbestand sichert. Lears legt dar, dass
dem auch ein Moment des Zwangs eignet, seien doch im Übergang von frühindustrieller Kultur zur «Konsumkultur» die Zwänge der Produktion durch die Disziplin
des Konsums ersetzt worden (Lears 1994, 10).
Zum Konzept der «suture» vgl. insbesondere Heath (1981, 76ff.).
228
singen) ohne einen bestimmten zeitlichen Rahmen, und Vollzüge sind
Handlungen mit einem klar definierten zeitlichen Rahmen (ein Rennen
gewinnen). Das Begehren, einen Film zu sehen, wäre demnach ein zeitindiziertes nach einem Vollzug, und die Funktion des Trailers bestünde
darin, den potenziellen Konsumenten das Schlüsselszenario dieses Vollzugs beizubringen: eine Vorstellung vom Film als Vorstellung des Genusses, den man während des Films und am Film haben wird.
De Sousa vertritt, ähnlich wie David Hume, die Annahme, «dass
zwischen dem Begehren und seinem Objekt eine Entsprechungsrelation
besteht, in Analogie zum Begriff der Wahrheit von Überzeugungen» (De
Sousa 1997, 336). Damit ist auch die Möglichkeit des «falschen Begehrens» gegeben: Ich kann ein Begehren zu befriedigen suchen, ohne dass
sich die erwartete Lust am Objekt einstellt, das heißt, ich kann «falsche»
Erwartungen an ein Objekt richten. Mit dieser Möglichkeit spielt die Produktewerbung. Sie verbindet den Konsum eines Produkts mit psychologischen Befriedigungserlebnissen, die mit dem Produkt in keinem direkten Zusammenhang stehen: ein erfülltes Familienleben mit einem
Automobil, eine Cowboy-Existenz mit dem Genuss bestimmter Tabakwaren. Dabei handelt es sich weniger um eine Täuschung als eine Verschiebung: ein schwer zu realisierendes Begehren wird auf ein leicht zu
erhaltendes Objekt umgelenkt. In De Sousas Terminologie heißt dies: ein
«ludisches» Begehren, eines, das auf einen Zustand des spielerischen
Selbstgenusses – des auf Genuss abzielenden Ausübens eigener Fähigkeiten – abzielt, wird als «konsumatorisches» realisiert, als Begehren, das
in einen Vollzug mündet: den Konsum eines Produkts. Im Kino ist das
konsumatorische Verhalten ohnehin ein ludisches, ist das Produkt doch
der Genuss des Films. Genauer gesagt: Produktewerbung weckt ein ludisches Begehren für ein Objekt p, realisiert wird dieses aber als konsumatorisches Begehren für ein Objekt q. Filmwerbung dagegen weckt ein
ludisches Begehren für ein Objekt r, und dieses wird am selben Objekt r
realisiert, und zwar als konsumatorisches und ludisches Begehren. In
diesem Sinn könnte man behaupten, Kinowerbung sei in jedem Fall weniger irreführend als Konsumproduktewerbung.
Trotzdem täuscht auch der Trailer seine Adressaten. Er muss, wie
im ersten Kapitel erwähnt, besser sein als der Film. Um so erstaunlicher
ist es, dass sich das Publikum offenkundig nicht beirren und doch immer wieder vom Trailer verleiten lässt. Man kann daraus den Schluss
ziehen, dass Kinobesucher generell unbelehrbar sind. Man kann aber
auch die Hypothese aufstellen, dass sie um die mögliche Enttäuschung
immer schon wissen, weil es zum Begehren gehört, immer mehr zu erwarten, als man bekommt. Die psychoanalytische Begründung dafür
229
heißt, dass das Begehren, wie Jacques Lacan sagt, «leer» sei: Jedes Objekt
ist immer nur ein Ersatzobjekt, eine unzulängliche Kompensation für
den ursprünglichen Verlust. Ich möchte allerdings im folgenden meine
Überlegungen von solchen genealogischen Erklärungsversuchen wegverlagern und statt dessen die Verlaufsform und Funktionsweise des
emotionalen Verhaltens «Begehren» in den Blick nehmen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Erinnerung: weniger – oder nicht nur – als unspezifische, un- oder vorbewusste Erinnerung an den ursprünglichen
Verlust, sondern als spezifische, bewusste Erinnerung an frühere Befriedigungserlebnisse, aber auch an Enttäschungen. Der Rolle der Erinnerung bei der Konstruktion von Schlüsselszenarien des Begehrens möchte
ich deshalb im Folgenden besondere Aufmerksamkeit schenken. Ich
werde die Erinnerung unter drei hauptsächlichen Gesichtspunkten diskutieren: Zum einen geht es um die eigentliche Erinnerung an den Trailer, also um das, was vom Sehen übrigbleibt und den Ausgangspunkt
für die Konstruktion einer bleibenden Vorstellung vom Film liefert. Zum
andern geht es um die Erinnerung an bestimmte Filme und Kinoerlebnisse, die beim Sehen von Trailern aktiviert wird und die in den Aufbau
von Schlüsselszenarien einfließt. Und schließlich geht es auch um den
Prozess des Film-Erinnerns selbst, von dem ich behaupte, dass er vom
Trailer in gewisser Weise simuliert wird. Das Schlüsselszenario des Begehrens erschöpft sich mit anderen Worten nicht in der Aktualisierung
von Erinnerungen an frühere Befriedigungserlebnisse; es hat vielmehr
die Gestalt einer teilweise auf die Aktualerinnerung abstützenden, letztlich aber virtuellen Erinnerung an kommende Befriedigungserlebnisse,
und diese Gestalt findet in der Form des Trailers ihre Entsprechung.
Zunächst will ich aber auf die Frage eingehen, wie gewisse Formwirkungen des Trailers dazu beitragen, die Basis für den Aufbau von
Schlüsselszenarien zu legen.
7.1 Erregung, Emotion, Stimmung:
Zu den basalen Formwirkungen des Trailers
Information imparted to an amused audience stays
in the memory.
Exhibitor’s Herald, 20. Juli 1920
Die Werbepsychologie misst die Wirksamkeit von Spots oder Inseraten
in der Regel an der Erinnerung. Erinnerungswerte lassen sich relativ ein-
230
fach durch Interviews eruieren, und sie sagen etwas darüber aus, ob und
wie die Botschaft zur Kenntnis genommen wurde. Über Kaufentscheidungen und damit über die Überzeugungskraft der Werbung geben sie
aber wenig Aufschluss (vgl. Kasprik 1993, 151; für eine Kritik solcher
Ansätze vgl. Ogilvy 1985, 161). Gerade Versuchspersonen, die sich aufgrund eines Spots oder Inserats zum Kauf eines Produktes entschließen,
scheinen nämlich die Werbemitteilung meist zu vergessen und sich nur
noch an ihre Kaufentscheidung zu erinnern (Lichtenstein/Srull 1985;
Beattie/Mitchell 1985). Bei der Filmwerbung liegen die Dinge etwas anders. Das Schlüsselszenario (was ich mir unter dem Film vorstelle, wenn
ich ihn sehen will) basiert notwendigerweise auf dem narrativen Image
(der Information, die mir zur Verfügung gestellt wird) und auf der Erinnerung an die Werbebotschaft (was von dieser Information hängenbleibt). Es erscheint deshalb im Fall der Kinoreklame durchaus sinnvoller als bei der Produktewerbung, die Wirksamkeit nach Erinnerungswerten zu bemessen.
Eigene empirische Untersuchungen zu Erinnerungswerten zu Trailern liegen außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. Die wenigen Studien,
die unternommen wurden, legen allerdings nahe, dass Trailer ausgesprochen hohe Erinnerungswerte erzielen, insbesondere im Vergleich
mit Inseraten oder Plakaten. Erhebungen in den Vierzigerjahren ergaben, dass 44 Prozent der Testpersonen sich genau an den Titel des Films
erinnern konnten, nachdem sie den Trailer gesehen hatten. 27 Prozent
erinnerten sich an den Trailer, gaben aber den Titel nicht korrekt wieder;
nur 29 Prozent erinnerten sich an gar nichts (Handel 1950, 87). Eine Untersuchung von Langzeit-Erinnerungswerten in den Achtzigerjahren
zeigte ferner, dass 94 Prozent der Befragten sich drei bis vier Wochen
nach dem Kinobesuch erinnern konnten, den Trailer gesehen zu haben,
während 89 Prozent sogar Details nannten.8
Die Werte sind das eine, die Art und Weise, wie sie zustande kommen
etwas anderes. Ich werde mich in den folgenden Ausführungen darauf beschränken, auf einige Formaspekte des Trailers einzugehen, die mutmaßlich die Qualität der Informationsverarbeitung verbessern und damit die Erinnerungsleistung unterstützen. So schafft etwa das Zusammenspiel von Text und Bild semantische Redundanzen, die dazu beitragen, dass die Mitteilung besser erinnert wird (vgl. dazu Schmitt 1986, 158f.).
Trailer weisen darüber hinaus eine hohe Reizdichte auf, sie arbeiten mit
starken formalen und semantischen Kontrasten, und sie setzen Mittel
8
Don Parker: «The Advance Trailer Program – A Decade of Success». In: NATO Encyclopedia of Exhibition, New York 1987 (ohne Paginierung).
231
der Stimmungserzeugung wie Musik in gezielter Weise ein. Sie bewirken damit Erregungszustände, emotionale Reaktionen und Stimmungen,
die auf ihre Weise jeweils der Informationsverarbeitung zuträglich sind.
Nach kognitionspsychologischen Modellen wirken sich Zustände
gesteigerter Erregung für eine bestimmte Frist produktiv auf die Informationsverarbeitung aus (Warburton 1988, 207; Müller/Ceviz 1995, 87).
Trailer machen sich diesen Zusammenhang namentlich über den Schnitt
und den Ton zunutze. Gemäß Julian Hochberg besteht eine Korrelation
zwischen der Schnittfrequenz von Filmen und dem Erregungszustand
des Publikums (Hochberg 1986, 22/53). Nicht von ungefähr sind sowjetische Montagefilme wie Bronenosets Potyomkin (1925), die auf eine agitatorische Wirkung abzielen, deutlich schneller geschnitten als zeitgenössische Hollywood-Filme. Sie weisen eine durchschnittliche Einstellungslänge von weniger als zwei Sekunden auf (Bordwell 1985, 238). Trailer
wiederum sind schon in der Stummfilm-Ära schneller montiert als Spielfilme. In der klassischen Tonfilmperiode beträgt die Schnittfrequenz das
Zweifache, seit den Siebzigerjahren schließlich das Dreifache derjenigen
von Spielfilmen. Auf der Ebene des Tons erzielen Trailer erhöhte Erregung einerseits über die Lautstärke, andererseits über die Mischung.
Schon in den Dreißigerjahren stellt die technische Kommission der Academy of Motion Pictures Arts and Sciences fest, dass Trailer lautstärker
projiziert werden als Filme. Ein «moderate increase in volume level» sei
«desirable from the standpoint of showmanship»; es gelte allerdings, einheitliche Lautstärkepegel festzulegen, um das Publikum nicht zu überfordern.9 Eine erhöhte Lautstärkewirkung – und damit einen höheren
Erregungszustand – lässt sich aber auch bei gleichbleibendem Pegel, und
zwar über die Mischung. Im Frequenzbereich von 2000 bis 4500 Hertz ist
das menschliche Gehör am empfindlichsten. Verdichtet man die Klangereignisse in diesem Bereich, so ergibt sich eine größere Lautstärkewirkung. Ferner lösen rhythmische Muster im Bereich von 600 Hertz im vestibulären System des Innenohrs direkt einen Bewegungsimpuls aus, was
die Aktivierung weiter unterstützt. In der Tonmischung von Trailern
und TV-Spots werden die Höhen entsprechend angereichert und die Tiefen akzentuiert, wie Barbara Flückiger aufzeigte (Flückiger 2001).
Trailer sind mit anderen Worten laut und schnell, damit ihre Botschaft besser ankommt und besser hängenbleibt. Spielt man allerdings
zu viele Trailer in Folge, dann drohen Überreizung und Ermüdung.
Nicht von ungefähr werden selten mehr als drei Trailer vor einem Film
gezeigt. Informationsverarbeitung und Erinnerungsleistung hängen zu9
«Standardizing». In: MPH, Vol. 123, No. 2, 11. April 1936, S. 9.
232
Abb. 44 Eine Musik geht durch Mark und Bein...
dem von der emotionalen Anteilnahme ab. So zeigen Studien zur Wirkung von Werbespots und Fernsehtrailern, dass die Qualität der Erinnerung von der Intensität der Emotion abhängt, die mit der Informationsverarbeitung einhergeht (Thorson/Friestad 1989; Mühlemann 1997). Zu
vergleichbaren Ergebnissen kommen auch die wenigen bislang unternommenen Studien zum Film-Erinnern (Reisberg/Heuer 1992, 171).
Emotionen lassen sich als Handlungsdispositionen bestimmen, die aus
der Einschätzung der Umwelt und der Einschätzung der eigenen Anliegen und der vorhandenen Ressourcen entstehen (Frijda 1986; Lazarus
1991). Emotionale Reaktionen im Kino kann man als relationales Verhalten dazu verstehen, was auf der Leinwand gezeigt wird. Sie haben etwas
mit dem Verhältnis des Gezeigten zu unseren Anliegen zu tun, wobei
diese sich auf eine handelnde Person in der Diegese oder unsere eigenen
Bedürfnisse beziehen können. Trailer setzen uns einem unüblichen Maß
von emotionalem Stress aus, indem sie uns in rascher Folge mit wechselnden Situationen konfrontieren und Szenen aufeinanderfolgen lassen,
die durch starke Kontraste in dramaturgischem Gehalt und Ausgestaltung voneinander unterschieden sind. Der Trailer zu The Night of the
Iguana, den ich Kapitel 5 eingehender beschrieben habe, verwendet eine
solche «Stressstrategie»; die Technik wird aber auch schon früher intensiv genutzt. So lässt die Vorschau zu Mutiny on the Bounty (MGM 1935)
in der Durchführung Liebesszenen an exotischen Stränden mit aktionsreichen Schlachtszenen an Bord des Schiffes aufeinanderfolgen. In einer
Untersuchung autobiografischer Erinnerungen zeigte Brewer überdies,
dass emotionale Ereignisse um so besser im Gedächtnis bleiben, je mehr
sie aus dem Rahmen des Alltäglichen fallen (Brewer 1988, 75ff.). Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Insistenz verstehen, mit der Trailer
die Einmaligkeit und Neuartigkeit des Gezeigten suggerieren.
233
...Erste Titelnennung und Verweis auf den Soundtrack und seine zu erwartenden
Wirkungen aus dem amerikanischen Trailer zu The Third Man (Korda/Selznick 1949).
Emotionen sind relativ kurzfristige Reaktionen, im Unterschied zu
Stimmungen, die länger anhalten. Emotionaler Stress fördert die Erinnerungsleistung; es kann dieser aber auch zuträglich sein, wenn der Tonfall der Mitteilung mit der Stimmung des Publikums im Einklang steht
(Bower 1981, 129). Die Musik, die in zeitgenössischen Trailern oft über das
Studiosignet vorgezogen wird, hat unter anderem die Funktion, eine Stimmung zu schaffen, die vom Tonfall der sprachlichen Mitteilungen und
der visuellen Gestaltung aufgenommen und unterstützt wird. Besonders
ausgeprägt ist dieser Effekt, wenn Trailer populäre Songs verwenden, mit
denen sich bestimmte kulturelle Assoziationen oder ein bestimmtes Lebensgefühl verbinden (Abb. 44). Mitunter wird die Musik auch benutzt,
um emotionale Reaktionen zu provozieren.10 Im Trailer zu John Schlesingers Pacific Heights (TCF 1990; vgl. Kapitel 1) unterlegt stimmungsvolle
Streichermusik die Schilderung des jungen Eheglücks von Matthew Modine und Melanie Griffith in der Exposition, um mit dem auslösenden
Ereignis – dem Auftritt von Michael Keaton – abrupt in ein hartes Thriller–Motiv überzugehen. Oft verwenden Trailer auch Musik aus früheren
Filmen des gleichen Stars oder Genres und rufen so eine bestimmte erinnerte Stimmung ab. Das Intro hat zudem generell die Funktion, das Publikum auf die Mitteilung des Trailers einzustimmen. Eine wichtige Rolle
spielen dabei Formeln wie «if you are looking for adventure» oder «in a
world where», die gleichsam als Enter-Befehle zum Übertritt und zur
Einstimmung in mögliche Welten dienen (vgl. dazu Gerrig 1999).
Unter dem Vorbehalt, dass die beiden oben zitierten Studien sich
unterschiedlicher Methoden bedienten, legen ihre Ergebnisse nahe, dass
10 Jeff Smith (1999) unterscheidet im Hinblick auf die Emotion drei Funktionsaspekte
der Musik im Film: Sie kann Emotionen von Figuren ausdrücken, und sie kann bei
den Zuschauern Stimmungen hervorrufen oder emotionale Reaktionen provozieren.
234
Trailer des zweiten Modus erinnerungsträchtiger sind als klassische. Das
lässt sich zum einen auf die erhöhte Schnittfrequenz zurückführen,
könnte aber noch zwei weitere Gründe haben: Aktuelle Trailer bedienen
sich eines kanonischen Spannungsplots. Versuchspersonen erinnern sich
an Informationen, die sie in Story-Kontexten aufgenommen haben, tendenziell besser als an den Inhalt von Listen; und Stories, die einem kanonischen Format folgen, bleiben besser im Gedächtnis als solche, die kein
auslösendes Ereignis aufweisen (Mandler 1984, XI, 47). Zudem präsentieren zeitgenössische Vorschauen den narrativen Bogen primär über
Tonelemente, und akustische Informationen werden schneller verarbeitet als visuelle (Howe 1997, 73). Für beide Modi gilt allerdings, dass die
basalen Formwirkungen zu einer optimalen Informationsverarbeitung
beitragen. Darauf bauen auch die verschiedenen rhetorischen Strategien
auf, die ich nun eingehender behandeln werde.
7.2 Schlüsselszenarien des Begehrens:
Fünf rhetorische Strategien
Die populärkulturelle Praxis konstituiert sich nach Simon Frith dadurch,
dass man Bewertungen vornimmt (Frith 1999, 198). Ob man einen Film,
einen Song oder ein Buch liebt oder hasst, ob man für etwas schwärmt
oder es heruntermacht: Man verhält sich zu populärkulturellen Elaboraten, indem man sie qualifiziert und taxiert. In dieser Hinsicht bilden Publikum, Kritik und Reklame ein Kontinuum: Sie alle beurteilen Filme (oder
Musik oder Literatur), wenn auch in einer bestimmten zeitlichen Staffelung.11 Das Publikum beurteilt Filme, nachdem es sie gesehen hat, die Kritik wertet Filme zuhanden des Publikums, bevor sie ins Kino kommen,
und die Reklame stellt die Filme in positivem Licht dar, noch bevor die
Kritiker Gelegenheit bekommen, sich ihre Meinung zu bilden und sie zu
äußern. Das letzte Wort hat das Publikum, das erste die Reklame. Klassische Filmwerbung gibt sich entsprechend ausdrücklich evaluativ; die exzessive Verwendung von Adjektiven und Superlativen zeugt davon. Zeitgenössische Reklame ist im Tonfall zurückhaltender. Vorschauen, die den
Film und sein Erlebnis simulieren, kommunizieren gleichwohl Beurteilungen, lassen sie den Film doch schneller, dichter und aufregender erscheinen,
als er ist. In beiden Fällen aber suggeriert die Werbung, dass das Publikum ihre Einschätzung teilen wird. Universal-Werbechef Robert Cochra11 Vgl. dazu auch die Beobachtung von Henry Jenkins (1992, 86ff.), dass Fans populärer
Fernsehprogramme in Mitteilungen, die sie untereinander austauschen, oft den Gestus der Filmkritik aufnehman.
235
ne rechtfertigte den exzessiven Gebrauch von Adjektiven einst damit,
dass das Publikum selbst in seinen Äußerungen nach Probevorführungen
sich solcher Ausdrücke bediene, um Filme zu beschreiben, und die extrafiktionale Narration in Trailern spricht die Zuschauer oft direkt an, sie
spricht aber auch mehr oder weniger ausdrücklich in ihrem Namen.
Filmwerbung spricht mit anderen Worten über Filme in ähnlicher
Weise wie das Publikum, und sie tut es – vorläufig – an dessen Stelle.
Mit John Fiske könnte man auch sagen, dass sie ein offizielles Wissen als
populäres ausgibt (Fiske 1993). Ein solches Posieren als Publikumsreaktion und Fan-Diskurs lässt sich auch an Trailern feststellen. Ihrem psychologischen Aspekt nach vermitteln Trailer dem Publikum eine Vorstellung vom Film; zugleich aber nehmen sie, mit dem Ziel, die Vorstellung
zum Schlüsselszenario zu erheben, eine positive Beurteilung des Films
durch die Zuschauer vorweg. Die bloße Mitteilung von Urteilen reicht
dafür nicht aus. Trailer bedienen sich vielmehr einer Reihe von Strategien, um positive Wertungen zu suggerieren, diesen Plausibilität zu verleihen und den Film als Gegenstand eines Szenarios des Begehrens zu
positionieren.12 Auf fünf dieser Strategien möchte ich näher eingehen:
Trailer vermitteln eine positive Wertung des Films, indem sie seinen Unterhaltungswert simulieren;
Trailer machen den Film zu einem Gegenstand der Neugier, in
dem sie mit kognitiven Lücken arbeiten;
Trailer vermitteln eine positive Wertung des Films, in dem sie ihn
mit vorangegangenen Filmen assoziieren;
Trailer verleihen den positiven Wertungen Plausibilität, indem sie
den Rückblick auf den Film vorwegnehmen und eine virtuelle Erinnerung suggerieren;
Trailer verstärken ihre positiven Wertungen, indem sie den Film
mit Genussvorbildern assoziieren.
7.2.1 Simulation des Unterhaltungswerts
Im September 1934 fuhr Victor M. Shapiro, Westküstenkorrespondent
des New Yorker Branchenblattes Motion Picture Herald, nach Culver City
12 Der Trailer übt bezüglich des Films auch eine Vorpräge- und LektüresteuerungsWirkung aus. Er schafft erste Hypothesen über den Story-Verlauf, die in der Rezeption nachwirken. Werden die Diskrepanzen zu stark, etwa wenn ein falsches Genre
suggeriert wird, dann kann sich das mitunter zum kommerziellen Nachteil des Films
auswirken. Zur Lektüresteuerung durch Paratexte vgl. Genette (1992), zur Schaffung
von Voreinstellungen durch periphere Textteile vgl. Sternberg (1978).
236
zu den MGM-Studios. Das Kinopublikum der Region Los Angeles hatte
im Spätsommer 1934 regelmäßig eine neue Art von Trailer für MGMFilme beklatscht, und Shapiro wollte sehen, was das Publikum zu diesem ungewöhnlichen Verhalten veranlasste. Das Publikum des Stummfilmkinos hatte noch gerne geklatscht, und es erschien nachgerade als
Beleg besonderer Erlebnistiefe, wenn für einmal nicht applaudiert wurde: Bei der Premiere von Griffiths Kriegsfilm Hearts of the World (Artcraft
1919) etwa waren die Zuschauer so erschüttert, dass sie die Hände ruhen
ließen (Brown 1973, 196f.). Auch zu Beginn der Tonfilm-Ära wurde noch
geklatscht – meist aus Begeisterung über die technische Neuheit der
Tonwiedergabe. Die ersten Tonfilm-Experimente kalkulierten die Applaudierfreudigkeit des Publikums geradezu mit ein. Will H. Hays, Vorsitzender der Produzentenvereinigung MPPDA, war der Protagonist des
ersten öffentlich gezeigten Stücks Tonfilm, das am 6. August 1926 in
New York zur Aufführung kam. Hays hielt eine Ansprache, in der er die
Tonfilm-Ära für eröffnet erklärte, und endete mit einer Verbeugung – allerdings erst nach einer kleinen Pause, um dem Publikum Zeit zum Applaudieren zu lassen (Walker 1979, 11). Auch den Trailer für Lights of New
York (Warner Bros. 1928) mit Conrad Nagel quittierte das Publikum des
Warner Brothers Theatre in Hollywood noch mit Beifall.13 Bald allerdings
herrschte Ruhe in den Sälen, und wo das nicht der Fall war, wurde das
Publikum mit Mitteilungen von der Leinwand herunter zum Schweigen
angehalten; anders war der Dialog nicht zu verstehen (Walker 1979, 99).
Und nun klatschten die Leute wieder. MGM allerdings fand den
Anlass nicht weiter bemerkenswert. «Much pleading», inständiges Bitten, war nötig, damit Victor Shapiro die neuen Trailer gezeigt bekam.
Möglicherweise war dem Studio die Zeit zu schade für ein solch exzentrisches Anliegen. «…used to all sorts of wild-eyed queries, [they] evidenced their amazement that someone asked to be shown a group of
trailers.»14 Vielleicht fanden die Studioleute das Ereignis aber einfach
nur unerheblich. Klatschte das Publikum, so bedeutete dies nicht mehr,
als dass die Trailer ihre Aufgabe erfüllten. Immerhin hatte MGM bei der
Eröffnung seiner hauseigenen Abteilung 1934 angekündigt, dass die
Trailer fortan «an entertainment in themselves» sein würden, und in einem präzisen Sinn waren sie dies auch. Unterhaltung hat, so eine These
von Richard Dyer, einen utopischen Kern. Es lässt sich mit einer Reihe
von Merkmalen charakterisieren, die auch zur Beschreibung landläufiger Vorstellungen von utopischen Zuständen taugen. Ganz so, als woll13 «Trailers Now Take Applause». In: LAT, 17. August 1928.
14 In: MPH, 6. Oktober 1934.
237
ten sie Dyers Theoriemodell durchdeklinieren, verströmen Trailer spätestens seit Mitte der Dreißigerjahre über ihre hohe Schnittfrequenz,
über Toneffekte und ihre Ereignisdichte Energie; sie prunken mit dem
Überfluss der Schauwerte; sie versprechen einfache, klare Verhältnisse
im Plot des Films, und sie vermitteln ein Gefühl von Gemeinschaftlichkeit, nicht zuletzt über die Sprecherstimme, die anonym im Namen aller
spricht. Trailer versprechen Unterhaltung also nicht nur, sie gewähren
sie auch gleich: Sie geben eine Vorstellung davon «what Utopia would
feel like» (Dyer 1992, 15). Beklatscht wurden Trailer denn auch in jüngeren Jahren immer wieder: Der Trailer zu Amadeus (Saul Zaentz 1984) ist
dafür ein Beispiel so wie derjenige zu Gus van Sants Remake von Psycho
(Universal 1997) und zur Fortsetzung der Star Wars-Reihe (TCF 1997).15
Diese Simulation des Unterhaltungswerts hat einen spezifischen
Werbeeffekt. Nach Carver und Scheier bewirkt das plötzliche Eintreten
eines erwünschten Zustandes ein Glücksgefühl: «An abrupt decrease in
the distance to the prefered state results in a superlative degree of joy, or
exhilaration» (Carver/Scheier 1990, zitiert nach Tan 1996, 57). Brandt
und Kim werten plötzliches Vergnügen generell als Anzeichen dafür,
dass jemand etwas will: «If, given that x had not been expecting p but
now suddenly judged that p would be the case, x would feel joy, then x
wants p» (Brandt/Kim 1962, 427). Wenn die Vorschau uns mit einer potenziell beglückenden Reizattacke konfrontiert und für Unterhaltung
sorgt, kehrt sie die gewohnte Sequenz von Erwartung und Erfüllung um:
Sie gewährt die Erfüllung vorab und suggeriert rückwirkend den zugehörigen Wunsch – eine Strategie, die allerdings nur dann verfängt, wenn
die Erfüllung unvollständig bleibt.
7.2.2 Kognitive Lücken
Eagerness for knowledge about what will happen
tomorrow, or next week, is a human desire that never relaxes its efforts toward satisfaction.
Edgar O. Brooks, Vertriebschef von Pathé, Exhibitor’s Herald, 23. März 1923
Trailer lassen einen Film interessant erscheinen, indem sie ein gewisses
Maß an Story-Information preisgeben und Fragen aufwerfen, die erst
der Film beantworten kann: Sie arbeiten mit kognitiven Lücken. Trailer
15 Kirk Ellis: «Rambling Reporter. Let’s Talk Trailers». In: HR, 14. September 1984. Den
Bericht über die Publikumsreaktionen auf die Psycho- und Star Wars-Trailer verdanke
ich Lisa Kernan.
238
des klassischen Modus verwenden Rätselplots und werfen eine Reihe
von Fragen auf; zeitgenössische Trailer arbeiten mit Spannungsplots und
stellen in erster Linie die Frage nach dem Ausgang der Story. Mit einer
Unterscheidung von Brewer und Lichtenstein lässt sich sagen, dass der
erste Modus auf Neugier abzielt, der zweite auf Spannung (Brewer/
Lichtenstein 1982). Die kognitiven Lücken wirken allerdings nur vor
dem Hintergrund bestimmter in der Rezeption aktivierter Annahmen.
Die Kognitionspsychologie unterscheidet bei der Informationsverarbeitung bekanntlich zwei Aspekte: «bottom up»- oder wahrnehmungsgeleitete Prozesse und top «down»- oder schemageleitete Prozesse, die von
einer begrifflichen und konzeptuellen Ebene ausgehen und die Wahrnehmungsdaten in vorgeformte (aber formbare) Muster überführen. Diese Vorgaben spielen auch in der Filmwahrnehmung eine wichtige Rolle.
«…the schematic events that the viewer has in mind and can bring to the
moving picture», so Hochberg, «are, in normal usage, at least as important as the stimulus information» (Hochberg 1986, 22/48). Von besonderer Wichtigkeit für die Wirkung der kognitiven Lücken sind dabei StorySchemata.
«A story schema», so Mandler, «is a mental structure consisting of
sets of expectations about the way in which stories proceed» (Mandler
1984, 18). Diese mentale Makrostruktur für Geschichten dient im Verstehensprozess dazu, Erwartungen über den Fortgang der Geschehnisse zu
formen und narrative Ereignisse danach zu evaluieren, ob sie diesen Erwartungen entsprechen. Im Erinnerungsprozess wiederum dient sie
dazu, die Episoden in eine Ordnung von Anfang, Mitte und Schluss zu
bringen. Der Begriff des Schemas geht zurück auf Bartlett und bezeichnet «an active organisation of past reactions, or of past experiences,
which must always be supposed to be operating in any well-adapted organic response» (Bartlett 1932, 201). Ein Schema ist eine Art Plan für Verhaltensweisen und Reaktionen, der aus der aktiven Rekonstruktion von
Erfahrungen gewonnen wird. Bartlett entwickelte den Begriff anhand einer Untersuchung über das Geschichten-Erinnern. Er stellte fest, dass
Versuchspersonen, die eine Geschichte aus der Erinnerung wiedergeben
mussten, diese um so stärker einem kanonischen Story-Format annäherten, je länger die Informationsaufnahme zurücklag. Bartlett folgerte, dass
seine Versuchspersonen ein Schema für Geschichten zu Hilfe nahmen,
um die fehlenden Teile in ihrer Erinnerung zu überbrücken oder zu ersetzen. Autoren wie Mandler, Rumelhart und Johnson griffen in den
Siebzigerjahren Bartletts Schemabegriff wieder auf (Neisser 1988, 357),
während Bartletts Überlegungen über den Zusammenhang von Erzählung und Erfahrung in neueren philosophischen und psychologischen
239
Studien eine Fortsetzung finden (Ricoeur 1983; Bruner 1998). Nach
Kintsch und Van Dijk handelt es sich beim narrativen Schema um eine
erlernte kulturelle Technik (Kintsch/Van Dijk 1983, 252f.), während
Mandler darin eine mentale Struktur sieht (Mandler 1984, 31f.). Ich persönlich tendiere der relativistischen Sichtweise zu; relevant für die Zwecke dieser Studie ist allerdings nur, dass sich die psychologische Validität des Story-Schemas zumindest im westlichen Kulturkreis experimentell nachweisen lässt.
Trailer appellieren auf verschiedenen Ebenen an das Story-Schema.
Klassische Trailer aktivieren die Vorstellung eines kanonischen narrativen Formats mit Formulierungen wie «a story of love and adventure»
(261 von 832 Beispielen). Trailer des zweiten Modus rufen das StorySchema über die protagonistenzentrierte Zweidrittelstruktur auf. Der
Rekurs aufs Story-Schema erleichtert vorab das Verständnis der Werbemitteilung. Während im Film die Technik der Synchronisation von Ton
und Bild einen kontinuierlichen, kohärenten Raum schafft (Branigan
1989, 313), zerfällt dieser Raum in Trailern in Fragmente, in Einstellungen, die in den Neunzigerjahren oft weniger als 1 Sekunde dauern. Die
Aufgaben, die sich dadurch stellen, lösen wir durch zwei Prozesse. Zum
einen tendieren wir dazu, zwischen Hörbarem und Sichtbarem Verbindungen zu suchen. Dieser Vorgang wird «cross-modal checking» genannt und bildet die Grundlage für die Wirkung der Stimmensynchronisation, sie ermöglicht aber auch die polyphone Montage (Anderson 1996,
89). Dem «cross-modal checking» ist es zuzuschreiben, dass wir ein beliebiges Bild mit einem beliebigen Ton überhaupt in einen bedeutsamen
Zusammenhang bringen; eine Konsonanz oder Dissonanz zwischen unverbundenen Tönen und Bildern würde sich ohne sein Zutun nicht einstellen. Zum andern aber summieren wir die einzelnen Verbindungen,
die wir zwischen Tönen und Bildern finden, zu größeren Gruppen, zu
«chunks», und diese wiederum reihen wir zu einem geordneten Ablauf
nach den Vorgaben des Story-Schemas.
Je nach Modus und Informationsvergabe des Trailers bleibt dabei
eine mehr oder weniger große Anzahl von Lücken, die Fragen aufwerfen.16 Das Story-Schema verleiht diesen Fragen ihren Bezugsrahmen; es
16 Lisa Kernan (2000, 39) verwendet in diesem Zusammenhang den aristotelischen Begriff des Enthymems und verweist auch darauf, dass unvollständige Schlüsse in Trailern eingesetzt werden, um das Publikum zum Nachvollzug und zur Aneignung der
Argumentationsweise der Werbung anzuleiten: «Trailers utilize enthymemes, or deliberately incomplete syllogisms, which rely on implicit assumptions that the audience
is enjoined to ‹fill in›, thus becoming complicit with the advertising argument to the
degree that they do so.».
240
dient als Grundlage von Hypothesen und Antizipationen und liefert einen zeitlichen Horizont für die Beantwortung der Fragen.17 An die Vorstellung eines Zustands, in dem alle Fragen beantwortet sein werden,
knüpft sich das, was Tan als «desire for cognitive» closure bezeichnet
(Tan 1996, 97), ein Begehren nach kognitiver Schließung. Es bildet sich
zum einen aus als «cognitive concern», als Anliegen, am Ende alle losen
Fäden verknüpft zu sehen, und zwar durch die «assimilation of the action
observed, into a canonic narrative structure» (Tan 1996, 96). Andererseits
artikuliert es sich als «affective concern», als emotionales Anliegen, der
Endzustand der fiktionalen Welt möge unseren Bedürfnissen und Wertvorstellungen entsprechen. Trailer wecken beide Anliegen und eröffnen
das, was Tan im Anschluss an Frijda eine «emotion episode» nennt: eine
Episode emotionalen Konflikts, die auf Auflösung und Abschluss drängt
(Tan 1996, 202). Trailer schließen die emotionale Episode aber nicht ab.
Sie bauen eine Spannung auf, und das Publikum «überträgt […] das Bedürfnis nach Lösung der Spannung auf den angekündigten Film selbst
und fühlt den Wunsch, sich diesen anzusehen» (Babilas 1952, 51f.). Dass
die Befriedigung skizziert wird, aber aufgeschoben bleibt, kann sich zugunsten des Films in einer positiven Wertung auf Vorschuss niederschlagen. «Intermediate frustration and disappointment», so Tan, «actually serve to intensify the value of the ultimate reward» (Tan 1996, 203).
Anzumerken ist allerdings, dass der Trailer nur auf der kognitiven
Ebene die Auflösung verweigert, die emotionale Episode auf einer affektiven Ebene aber zu einem Abschluss bringt. Trailer des ersten Modus
beenden die Durchführung nicht selten mit einem Cliffhanger. Im Übergang zum Endtitel wechselt die Musik meist von einem Moll- zu einem
Dur-Akkord. Auf einer musikalisch-symbolischen Ebene wird damit angedeutet, dass jenseits der Spannung Harmonie herrscht. Zum Tragen
kommt dabei, was Meyer «connotation» nennt, eine über Erfahrung eingeübte Assoziation von Klängen und Vorstellungsmustern (Meyer 1956,
256f.) In Trailern des zweiten Modus folgen auf den Cliffhanger StarName und Endtitel. Ein Harmonieversprechen gibt dabei insbesondere
die Erwähnung des Stars ab, der ja im Film in der Regel obsiegt. Trailer
verweigern also die kognitive Auflösung, gewähren aber einen, wenn
auch diffusen, Abschluss der emotionalen Episode auf der affektiven
Ebene. Dass diese affektive Geschlossenheit dem kognitiven Ganzheitsversprechen des Story-Schemas zusätzliche Plausibilität verleiht, liegt
auf der Hand.
17 Zum Begriff der Antizipation vgl. Wulff (1996, 1).
241
7.2.3 Appell an die Erinnerung
«All unsere Gefühle handeln unter anderem von der Vergangenheit»,
schreibt Ronald De Sousa (1997, 337). Das Begehren, den Film zu sehen,
beruht nicht nur auf der Antizipation möglicher Genüsse, sondern auch
auf Erinnerungen. Nun ist das Kino nicht nur, wie oben ausgeführt, ein
guter Ort, um zu lernen – es ist auch ein guter Ort, um sich zu erinnern.
Das Kinopublikum befindet sich zwar selten in der gleichen Stimmung,
in der es beim letzten Film war. Es befindet sich aber in derselben physischen Situation, was nicht ohne Einfluss auf den psychischen Zustand
bleibt. «…events learned in one psychic state», so Bower, «can be remembered better when one is put back into the same state one was in
during the original experience» (Bower 1981, 130). Man kann also die
Hypothese aufstellen, dass sich die Erinnerung an früher gesehene Filme
im Kino besonders leicht einstellt.
Dieses Potenzial macht sich der Trailer zunutze. Er aktiviert nicht
nur, wie letztlich jedes Stück Film, das wir sehen, Wissen um filmische
Darbietungsformen (Ohler 1994, 33). Er appelliert auch an spezifische
und konkrete Erinnerungen und verknüpft die Vorstellung des Films auf
mehreren Ebenen mit der Erinnerung an gewesene Filmerlebnisse. Die
Vorstellung des Films bekommt so eine Färbung und eine Wertung, die
je nachdem positiv oder negativ ausfällt. Explizite Verweise auf frühere
Erfolge des jeweiligen Stars, Regisseurs oder Genres spielen dabei eine
besonders wichtige Rolle. Von großer Bedeutung sind ferner implizite
Genre-Signale. Altman weist darauf hin, dass Film-Genres keineswegs
jene Stabilität besitzen, von der die strukturalistischen Genre-Studien
der Siebzierjahre ausgingen (Altman 1998, 30ff.). Vielmehr handelt es
sich um dynamische Formationen, die durch die Kombination von einzelnen Elementen aus verschiedenen Erfolgsfilmen entstehen und durch
Trial and error ständig weiterentwickelt werden. Fixe Genre-Begriffe
kommen in der Werbung entsprechend wenig vor. Gleichwohl gibt es in
Trailern eine Reihe von Stilmitteln, die über längere Zeiträume hinweg
als Genre-Signale verwendet werden: ironische Zwiesprache zwischen
Sprecherstimme und Figuren in Komödientrailern, Frauenschreie in
Horror- und Thrillertrailern, Explosionen in Action-Trailern oder Duelle
zum Abschluss in Westerntrailern der Fünfzigerjahre. Solche Elemente
appellieren mit einiger Präzision an ein kulturelles Gedächtnis erzählerischer Formen und der mit diesen verknüpften psychologischen Gratifikationen.18 In ähnlicher Weise funktioniert auch die Präsenz von Stars in
18 Vgl. dazu Schweinitz (1994).
242
Abb. 45 Erinnerung an frühere
Seherlebnisse: Texteinblendung aus
dem Trailer zu The
Big Sleep (Warner
Bros. 1946).
Trailern als Appell an die Erinnerung. Das Neue ihrer aktuellen Rolle
wird augenfällig vor dem Hintergrund der Erinnerung an frühere Auftritte, und diese überträgt sich als – positive oder negative – Wertung auf
den neuen Film (Abb. 45). Als Appell an die Erinnerung funktioniert
schließlich oft auch die Musik. Verwendet ein Trailer zur Studioproduktion Schindler’s List (Universal 1994) Musik aus Triumph of the Spirit
(Nova 1989), einem anderen, unabhängig produzierten Film zur KZThematik, dann besteht das primäre Ziel darin, im Trailer eine dem Film
angemessene Stimmung zu schaffen. Benutzt aber der Trailer zu Outbreak
(Warner Bros. 1995) die Filmmusik von The Fugitive (Warner Bros. 1993),
dann geht es unverkennbar darum, den neuen Film mit dem letzten, etwas mehr als ein Jahr zurückliegenden Erfolg des gleichen Studios im
gleichen Genre zu assoziieren. Autobiographische Erinnerungen, die
sich mit Musik verbinden, halten besonders lange an und können über
die Musik relativ einfach abgerufen werden, was fürs Film-Erleben natürlich ebenfalls gilt (Schulkind/Hennis/Rubin 1999). Einen ähnlichen
Effekt machen sich Trailer zunutze, wenn sie populäre Songs verwenden. Für viele Zuschauer verbinden sich mit populären Songs Erinnerungen an starke emotionale Erlebnisse, die sich über die Verwendung
des Songs im Trailer mit dem angekündigten Film assoziieren.
Der Appell des Trailers an die Erinnerung geht über Verweise auf
einzelne Filme und Film-Erlebnisse aber noch hinaus, appelliert er doch
an eine spezifische Form des Wissens um filmische Darbietungsformen.
Die Informationsaufnahme ins Langzeitgedächtnis verläuft über das Herstellen von komplexen Beziehungen zwischen einzelnen Informationseinheiten, inhaltlichen Assoziationen, kategorialen Verbindungen oder an-
243
deren Strukturen. Materialien, die sich in vorgebahnte Beziehungsmuster
einpassen, werden leichter und dauerhafter erinnert als zusammenhanglose Materialien (Kintsch 1970, 244). Ein solches Beziehungsmuster bildet
für geübte und kompetente Kinobesucher auch die Kenntnis des narrativen Systems des Trailers, also die Vertrautheit mit der klassischen Struktur oder der Zweidrittelstruktur und mit den verschiedenen Formen der
extrafiktionalen Informationsvergabe. Wer weiß, wie das System funktioniert, weiß auch schon, wie die Information zu verarbeiten ist. Es wird
so leichter fallen, sie zuzuordnen und sich an sie zu erinnern. Zugleich
aber funktioniert die Verarbeitung der Information auf vorgebahnten
Wegen wie ein psychologisches Korrelat der «industry identity». Das aktuelle Schlüsselszenario baue ich auf die gleiche Weise auf wie schon die
meisten vorhergehenden. Der in Aussicht gestellte spielerische Selbstgenuss kündigt sich demnach als Erlebnis ähnlicher oder gleicher Ordnung
an wie die, die ich in Erinnerung behalten habe, gerade deshalb, weil er
sich auf weitgehend identische Weise ankündigt. «Wer sich eines Gegenstandes erinnert, an dem er sich einmal erfreut hat, der begehrt denselben unter den gleichen Umständen zu besitzen, als da er sich zum erstenmal erfreute», schreibt Spinoza (1977, 333). Als ginge es darum, ganz
sicher zu gehen, erinnert uns der Trailer mithin nicht nur an Dinge, derer wir uns einmal erfreuten, sondern auch an die Vorfreude auf diese
Dinge. Er erinnert uns aber auch an die Lust an der Rekapitulation von
Filmen.
7.2.4 Virtuelle Erinnerung
Un film, c’est quand même le souvenir qu’on en a.
Agnès Varda 19
Filmwerbung fällt Urteile fürs Publikum: Sie beurteilt die Filme zuhanden der ZuschauerInnen und an ihrer Stelle. Sie unterscheidet sich damit
nicht wesentlich von der Filmkritik, die ja ebenfalls stellvertretend fürs
Publikum urteilt. Die Stimme der Werbung ist, wie die der Kritik, die eines «surrogate consumer», eines Konsumenten-Stellvertreters. Die Filmwerbung hat es allerdings schwerer, ihren Bewertungen Plausibilität zu
verleihen. Die Kritikerin erfüllt ihre Aufgabe, in dem sie unabhängig urteilt und einen persönlichen Geschmack und Stil kultiviert; ihre Glaubwürdigkeit baut sie über den wiederholten Tatbeweis der Konsistenz
und Unabhängigkeit ihres Urteils auf. Die Filmwerbung hingegen befin19 Interview des Autors mit Agnès Varda, Blick, 2. März 1995, S. 14.
244
det sich in der unglücklichen Lage, dass sie stets zu einem positiven Befund gelangen muss; und dennoch sollte sie glaubwürdig sein.
Sie löst dieses Problem, indem sie sich als virtuellen Fan-Diskurs
ausgibt und ihre Bewertungen so präsentiert, als wären es die eines begeisterten Publikums. Die Simulation des Unterhaltungswerts und der
Appell an die Erinnerung in Vorschauen dienen diesem Zweck: Sie
schaffen und aktivieren Erfahrungsgehalte, die die psychologischen Gratifikationen des Films vorstellbar machen und den Wertungen der Werbung eine Basis verleihen. Darin unterscheidet sich die Filmwerbung
noch nicht von der Produktewerbung.
Die Vorwegnahme des Geniessens ist eine zentrale Strategie der Reklame. Illustriert werden meist weniger die Eigenschaften des Produktes
als vielmehr die psychologischen Gratifikationen seines Besitzes. Etwas
Entsprechendes stellt die Formel «Sie werden an dem Produkt noch viel
Freude haben!» dar, die man so auch aus Verkaufsgesprächen im Kleiderladen oder im Heimwerkerbedarf kennt. Eigentümlich an der Filmwerbung ist nun, dass sie die psychologischen Gratifikationen oft aus
der Warte eines antizipierten Rückblicks auf das Film-Erleben – und
mehr noch und auf das Film-Erinnern – darstellt. Formulierungen wie
«you will love to remember it», «for years to come, you’ll remember this
story»,20 oder «you will never forget it» treten seit den Zwanzigerjahren
in Trailern und auf Plakaten in großer Häufigkeit auf.
Solchen Formulierungen liegt eine bestimmte Definition des Films
als Ware zugrunde. In den späten Zehnerjahren findet in den Branchenzeitungen an manchen Orten eine Debatte darüber statt, welche Art von
Produkt man denn eigentlich verkaufe, wenn man einen Film verkaufe,
und welche Art von Werbung dem Produkt angemessen sei. Mit nach
Hause nehmen konnte man den Film ja nicht, und einen ersichtlichen
Gebrauchswert hatte das Film-Sehen auch nicht. Schließlich setzte sich
eine Definition durch, die auch MGM-Studiochef Louis B. Mayer gerne
benutzte: dass die Filmindustrie Erinnerungen verkaufe (Marx 1975, 14).
Tatsächlich stellen die verschiedenen Formen des Film-Erinnerns einen
wesentlichen Teil der psychologischen Gratifikationen des Films dar.
Der Film endet ja nicht damit, dass er aufhört. Man erinnert sich an das
Gesehene entweder für sich alleine, oder man entwickelt Verhaltensweisen, die sich aus der Erinnerung an den Film speisen. Jackie Stacey berichtet in ihren publikumsethnografischen Studien etwa von weiblichen
Filmfans, die sich beim Kämmen vor dem Spiegel im Nachahmen von
20 Diese Formulierung stammt aus dem Trailer zu Polyanna (Disney 1960). Den Hinweis
verdanke ich Lisa Kernan.
245
Posen ihrer Lieblingsstars üben. Noch einen Schritt weiter geht Vincent
Gallos Filmfan Paul Leger in Emir Kusturicas Arizona Dream (Constellation/
Warner Bros. 1993): Er arbeitet die Getreidefeld-Szene aus Hitchcocks
North by Northwest (MGM 1959) zu einem kleinen Bühnendramolett um.
Von Belang sind aber auch intersubjektive und kollektive Formen des
Erinnerns. Die soziale Verankerung, die Lokalisierung und Mitteilung in
sprachlicher Form, ist für das Funktionieren des Gedächtnisses ohnehin
von großer Wichtigkeit (Halbwachs 1985, 163ff.). Erinnerungen an mediale Inhalte kommen in Gesprächszusammenhängen vor allem dann zum
Tragen, wenn man Referenzen beiziehen muss, um seine Gesprächspartner von bestimmten Sachverhalten zu überzeugen oder Erklärungen zu
liefern (Keppler 1995, 222ff.). Medieninhalte können aber auch zum Ausgangspunkt sprachlich vermittelter Gemeinschaftserlebnisse werden:
Man erzählt sich einen Film, und gemeinsam erlebt man ihn wieder. Gerade in der Altersgruppe der häufigsten Kinogänger, der 14 bis 28 jährigen, gehört das gemeinschaftliche Nacherzählen zum Grundbestand beobachtbaren Gruppenverhaltens, und auch in Filmen selbst wird es
mitunter zum Thema. In einer Szene aus Nora Ephrons Sleepless in Seattle
(TCF 1993) bringen sich bei einem Nachtessen unter Freunden die beiden Frauen am Tisch mit einer Zusammenfassung von Leo McCareys
Melodrama An Affair to Remember (TCF 1957) gegenseitig zum Weinen;
die Männer revanchieren sich mit einer nicht minder aufwühlenden Rekapitulation von Robert Aldrichs The Dirty Dozen (MGM 1957).21
Aus einer Formulierung wie «you will love to remember it» spricht
die Einsicht, dass im Fall des Kinos die psychologische Gratifikation, die
Freude am Produkt, zu einem wesentlichen Teil die Freude an der Erinnerung ist. Es handelt sich also einerseits um eine Qualitätszusicherung.
Andererseits aber hat die Formulierung auch einen bestimmten pragmatischen Sinn: Sie fordert ihre Adressaten auf, sich in die Perspektive des
antizipierten Rückblicks zu versetzen. Von Jacques Lacan stammt die
These, das Futurum exaktum, das Tempus der vorausschauenden Einbildungskraft und des antizipierten Rückblicks, sei das Tempus des Be21 Kollektives Erinnern dieser Art hat eine vergleichsweise genaue Kenntnis des Films
zur Voraussetzung, die man sich in der Regel durch wiederholtes Anschauen des
Films am Fernsehen oder auf Video aneignet. Eine publikumsethnographische Untersuchung zum Film-Erinnern in Gruppen müsste entsprechend auch der Frage nachgehen, welchen Einfluss die Entwicklungen der Zweitauswertungen auf die Formen
kollektiven audiovisuellen Gedächtnisses nahm. Man könnte sich beispielsweise fragen, ob die Re-Definition der Produktecharakteristik des Films – die (Re-)Folklorisierung des audiovidusellen Texts, wie ich sie in Kapitel 1 und 6 beschrieben habe –,
nicht auch mit einem Wandel der Praktiken der Gedächtnisstiftung und des Erinnerns
medialer Inhalte einher ging. – Für eine Diskussion des kollektiven Film-Erinnerns
aus feministischer Perspektive vgl. Haug und Hipfl (1995).
246
gehrens par excellence (Lacan 1980, 808). In der Terminologie von De
Sousa könnte man auch sagen: Das Futurum exaktum ist das Tempus, in
dem Schlüsselszenarien formuliert werden. Die Perspektive der Schlüsselszenarien ist die des vorgezogenen Rückblicks auf den vollzogenen
Genuss. Formulierungen wie «you will love to remember it» versetzen
ihre Adressaten dementsprechend in die Perspektive des Begehrens.
Man kann nun die Frage aufwerfen, ob Trailer nicht ohnehin nach
diesem Prinzip funktionieren. Vorschauen kommunizieren eine Vorstellung des Films, verbunden mit einer Wertung. Diese ist Teil eines virtuellen Fan-Diskurses; sie soll sich so ausnehmen, als gebe sie das Urteil
des Publikums wieder. Urteile werden in der Regel im Rückblick gefällt.
Die Wertungen, die der Trailer vornimmt, wären mithin plausibler,
wenn sie nicht nur gelegentlich aus der Perspektive der antizipierten
Rückschau mitgeteilt würden, sondern geradewegs mit einer Simulation
des Rückblicks einhergingen. Es stellt sich also die Frage, ob sich der
Trailer als eine Art virtuelle Erinnerung an den Film beschreiben lässt.
Anders gefragt: Wenn der Film psychologische Reaktionen hervorruft,
als würde man an den gezeigten Ereignissen teilnehmen (Gerrig/Prentic
1996, 389), kann der Trailer dann nicht auch Reaktionen hervorrufen, als
würde man sich an die gezeigten Ereignisse bereits erinnern? Und wenn
dem so wäre, lassen sich dann allenfalls auch Formwirkungen beschreiben, die eine solche Aktualwahrnehmung-als-Erinnerung als vorgezogenen Rückblick rahmen?
Um diese Fragen zu beantworten, muss geklärt werden, welche allfälligen Affinitäten die Formgestalt des Trailers mit den Prozessen des
Film-Erinnerns aufweist. Die Literatur zum FilmErinnern ist äußerst beschränkt. Dorman und Andrews untersuchten die Wirkung einzelner
Filmszenen und zeigten, dass emotionsstarke Szenen leichter erinnert
werden als neutrale, traurige besser als komische (Dorman/Andrews
1989, 1990; zitiert bei Reisberg/Heuer 1992). Die Erinnerung an Filmszenen verhält sich demnach ähnlich wie die von Brewer untersuchte Erinnerung an Alltagserlebnisse. Hochberg und Brooks weisen zudem auf
den vermeintlich banalen Sachverhalt hin, dass die Erinnerung an den
Film nicht dieselbe Zeitspanne in Anspruch nimmt wie der Film selbst:
«In any case, it certainly does not take some ninety minutes to review in
our minds the average movie’s representation» (Hochberg/Brooks 1996,
379). Kintsch und Thorndyke sprechen ferner im Zusammenhang mit
dem Erinnern von Geschichten von einem «levels effect»: Je höher eine
Aussage in der Hierarchie der Erzählniveaus, desto größer die Aussicht,
dass man sich an sie erinnert. Mandler dagegen argumentiert, dass sich
das Geschichten-Erinnern auf zwei Ebenen in gleicher Intensität vollzie-
247
he: auf einer Ebene der Zusammenfassungen und auf einer der konkreten Einzelmomente (Mandler 1984, 62ff.). Die Einzelmomente werden
dabei erinnert, wie sie rezipiert wurden, also eingebettet in und bezogen
auf eine übergeordnete Struktur (Neisser 1988, 363f.). Trailer verknappen
den Film auf zwei Minuten und bestehen aus signifikanten Einzelmomenten und übergeordneten Strukturen. Insofern scheint die Annahme
einer Affinität von Trailer und Film-Erinnern nicht abwegig. Aufzeigen
lässt sich dies auch an einzelnen Aspekten des Zusammenspiels von
Form und Rezeptionsprozessen.
Einen Ansatzpunkt bildet das Filmbild selbst. Die Filmtheorie hat
sich, besonders in ihrer klassischen Phase und im Horizont des Versuchs,
eine Grammatik der Filmsprache zu formulieren, vielfach bemüht, das
grammatikalische Tempus des bewegten Fotogramms zu bestimmen.
«…le cinéma ne connaît qu’un seul mode grammatical: le présent de
l’indicatif», formuliert etwa Alain Robbe-Grillet (1961, 130), während
Christian Metz von einer Anwesenheitsillusion spricht und ansonsten
immer wieder auf der radikalen Vergangenheit des Filmbildes insistiert.
Branigan nimmt diese Diskussion zu Beginn der Neunzigerjahre mit
dem Hinweis wieder auf, dass Zeiterfahrung erst im Prozess der Informationsverarbeitung entsteht: «…our experience of time in a text emerges when data is processed and associated.» Das filmische Bild hat mithin an sich noch kein Tempus. «The often-stated belief that film images are
always in ‹the present-tense›», so Branigan, «fails to take into account topdown perceptual processing.» Eine zeitliche Markierung erhält das
wahrgenommene Filmbild erst durch die Verbindung perzeptueller Daten
mit Schemata und anderen Vorgaben: «Different experiences of time are related to the complexities of juxtaposition allowed by different methods
of associating data» (Branigan 1992, 169). Es spricht damit aber auch
nichts gegen die Annahme, dass Filmbilder, entsprechend gerahmt, in
der Aktualwahrnehmung so auftreten können, als würden sie erinnert.
Von Belang ist dabei, welche «top down»-Prozesse Trailer auslösen,
und welche Auswirkung insbesondere die Aktivierung des Story-Schemas auf die Verarbeitung und temporale Einordnung des filmischen Materials hat. Im Prozess des Filmverstehens dient das Story-Schema primär als Grundlage der Hypothesenbildung, also des antizipierenden
Abschätzens kommender Ereignisse. Im Prozess des Geschichtenerinnerns tritt es hingegen als Bauplan auf, als Raster der Zuordnung erinnerter Ereignisse. Selbst kleine Kinder wenden das Story-Schema als
Bauplan an, wenn sie aufgefordert werden, eine Geschichte nachzuerzählen (Mandler 1984, 48, 73). Trailer des zeitgenössischen Modus aktivieren das Story-Schema in beiden Funktionen: Sie ordnen das Material
248
im Rahmen des Zweidrittelplots und leiten zur Hypothesenbildung an.
Zugleich stellen sie uns die Aufgabe, fragmentierte Einzelszenen wie die
Episoden einer erinnerten Geschichte einem mutmaßlichen StoryBauplan zuzuordnen. Für klassische Trailer gilt dies noch stärker als für
zeitgenössische, bestehen sie doch meist nur aus isolierten Ausschnitten,
verbunden mit Zusammenfassungen und evaluativen Aussagen.
Trailer aktivieren mithin Prozesse, die denen des Geschichten-Erinnerns verwandt sind. Es fragt sich nun, ob dies eine rezeptive Rahmung
der Bilder bewirkt, die sie Erinnerungsbildern annähert. Wuss verwendet die Begriffe «Schlüsselbilder» oder «autonome Bilder», um Filmeindrücke zu charakterisieren, die besonders stark im Gedächtnis haftenbleiben, obwohl sie nicht Kulminationspunkte der dramaturgischen
Entwicklung darstellen (Wuss 1993, 304). Jameson spricht in diesem Zusammenhang von «afterimages», Erinnerungen an die «great moments
of film (which do not necessarily happen, of course, in the ‹great› films)»
(Jameson 1991, 70). Was solche latenten Erinnerungsbilder ausmacht, erweist sich als ähnlich schwierig zu bestimmen wie der Versuch, Kriterien der Auswahl von Ausschnitten für Trailer festzulegen. Über die
Mutmaßung, dass Vorfilme besonders effizient sind, wenn sie Schlüsselbilder oder prägnante Augenblicke enthalten, wird man dabei nicht wesentlich hinauskommen.
Für die Hypothese allerdings, dass die rezeptive Rahmung von Filmbildern im Trailer diesen den Status von Erinnerungsbildern zuweist, liefert eine Form des Vorfilms ein Indiz, die in den Siebzigerjahren besonders beliebt war: der Standbildtrailer. Der Trailer zu Love Story (Paramount
1970) besteht aus einer Abfolge überblendeter Standfotos von Ryan
O’Neal und Ali McGraw beim Herumtollen im Schnee, beim Arztbesuch
und auf dem Eisfeld im Central Park. Der Trailer zu The Godfather (Paramount 1972) rekapituliert ebenfalls in einer Folge von Standfotos die
wichtigen Momente der Handlung, von der Hochzeit im Garten der Corleones bis zu Michaels Aufstieg zur Macht, wobei die Musik eine Art Kapitelstruktur vorgibt. Gemeinsam ist beiden Trailern, dass sie Bilder benützen, die Familienalben entnommen sein könnten. Bourdieu beschreibt
die Amateurfotografie als «technique de fête», als soziale Technik der
Festschreibung biografischer Verdichtungsmomente (Bourdieu 1965, 48).
Fotos, insbesondere Familienfotos, haben schon aufgrund ihrer sozialen
Funktion tendenziell den Charakter von autonomen Bildern. Zusätzlich
aber weisen Standfotos eine Affinität mit der Art und Weise auf, wie visuelle Wahrnehmungen im Kurzzeitgedächtnis aufbewahrt werden.
«…perceptual memory», so Hochberg, «[is] something different
from the flow of stimulus information» (Hochberg 1986, 22/51). Die un-
249
mittelbare Erinnerung begleitet die Wahrnehmung von Filmbildern und
bildet ihren Hintergrund. Dank der Information im visuellen Kurzzeitgedächtnis realisieren wir innerhalb von 350 bis 500 Millisekunden, ob
bei einem Schnitt der Schauplatz gewechselt hat. Unmittelbar nach der
eigentlichen Wahrnehmung verändert sich die Repräsentation des wahrgenommenen Ereignisses. Insbesondere verliert die audiovisuelle Information kurz nach der Aufnahme ins Kurzzeitgedächtnis ihre raumzeitliche Markierung (Hochberg/Brooks 1996, 374). Versuche zeigen, dass
dies spätestens nach 1200 Millisekunden der Fall ist. Dieses Erlöschen
der Wahrnehmungskoordinaten bildet unter anderem die Voraussetzung für das Funktionieren der Parallelmontage. Würden wir uns an die
raumzeitliche Markierung länger erinnern, so würden wir die beiden
parallel geführten Ereignisse nicht als simultane, sondern als sequentielle wahrnehmen. Zeitliche Markierungen fehlen aber auch bei Standfotos.
Der Trailer zu The Godfather lässt sich entsprechend mit einer Formulierung beschreiben, die Hochberg und Brooks für Chris Markers La jetée
verwenden, einen 27 minütigen Film, der aus 424 Standbildern besteht:
«It is essentially a normal film in immediate memory, even as one watches it»
(Hochberg/Brooks 1996, 376; Hervorhebung im Original). Der Trailer zu
The Godfather dauert 3 Minuten 45 Sekunden, und er simuliert in diesem
Sinn nicht den Film, sondern die unmittelbare Erinnerung.
Trailer präsentieren aber auch reguläre Ausschnitte in einer Weise,
die Affinitäten zur Erinnerung aufweist. Informationen im visuellen Kurzzeitgedächtnis verlieren nach kürzester Zeit ihre temporale Markierung;
um so mehr gilt dies für das Langzeitgedächtnis. Selbst Informationen
über autobiografische Ereignisse werden ohne präzisen Zeitindex gespeichert. Die Erinnerung beschränkt sich weitgehend auf eine Repräsentation der räumlichen Gegebenheiten (Brewer 1992, 279). Der Raum
der Erinnerung ist also auf der Ebene des Kurz- wie des Langzeitgedächtnisses ein anderer als der Raum der Wahrnehmung (Hochberg
1986, 22/58). Während nun der unsichtbare Schnitt den Raum der Wahrnehmung simuliert, bricht die Montage im Trailer das Material aus dem
Kontinuum einer vermeintlichen Alltagswahrnehmung heraus und entkleidet es seiner präzisen zeitlichen Markierung. Die Entkoppelung von
Ton und Bild in der polyphonen Montage leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Ein autonomes Tonelement weist keine räumliche Perspektive auf, es kann lauter oder leiser sein, doch eine eindeutige Lokalisierung fällt schwer. Wenn nun – wie in der polyphonen Montage – der
Ton Vorrang erhält und das Bild ihm bloß noch lose zugeordnet wird,
dann wird die Konstruktion eines kohärenten Wahrnehmungsraums für
die Rezipienten praktisch unmöglich. Die semantischen Beziehungen
250
zwischen Ton und Bild treten auf Kosten der raumzeitlichen Verortung
des Gezeigten in den Vordergrund, und es stellt sich ein Effekt größerer
Intimität ein: Die Tonelemente wirken in der polyphonen Montage tendenziell näher, als wenn sie einer räumlich lokalisierbaren Quelle zugeordnet sind (Branigan 1989, 313). Man könnte in diesem Zusammenhang
von einer Subjektivierung des Materials sprechen, von der Überführung
in einen Bereich, der unterhalb der Aktualwahrnehmung liegt und dem
Gedächtnis näher ist. Dazu tragen namentlich auch die Trickblenden in
klassischen Trailern sowie die blitzlichtartigen Weißblenden oder
Schwarzfilmstücke bei, die sich in zeitgenössischen Trailern oft zwischen
die Ausschnitte schieben: Sie verwandeln «the space of perception into
one of association» (Grodal 1997, 150).
Man kann also durchaus die These aufstellen, dass Trailer das
Film-Erinnern modellieren und ihre Adressaten dazu bringen, psychische Reaktionen zu entwickeln, als ob sie sich an den Film erinnern würden. Unter den Vorbehalt des Noch-nicht stellt der Trailer diese Aktualwahrnehmung-als-Erinnerung vorab durch die Unvollständigkeit der
vermittelten Information. Sie zeigt an, dass sich die Adressaten die Voraussetzungen der suggerierten Erinnerungsprozesse erst noch erwerben
müssen. Die Perspektive eines antizipierten Rückblicks verleiht der virtuellen Erinnerung aber – neben den expliziten sprachlichen Formulierungen, die ich oben erwähnte – in erster Linie die Betonung der extrafiktionalen Narration, wie sie für Trailer charakteristisch ist. In einer
Analyse von Hitchcocks The Wrong Man (Warner Bros. 1954) legt Branigan dar, dass diegetisches Erzählen immer drei Zeitschichten aufweist.
Das fiktionale Geschehen spielt sich eigentlich in der Vergangenheit ab,
wird in der filmischen Inszenierung aber präsentisch dargeboten, letztlich aber aus der Perspektive einer Zukunft erzählt, in der das Erzählte
bereits zum Abschluss gekommen ist. Die Narration hat so immer schon
ein Moment der Vorwegnahme: «[It] comes impossibly from the future
and is premised on knowledge gained after the event occured» (Branigan
1992, 167). Das narrative System des Trailers lässt diese dreifache Schichtung aufbrechen und setzt die Schichten neu zueinander in Beziehung.
Es bietet das Erzählte schon in Form des Erinnerungsfragments dar und
verlegt den Akzent des Erzählens aus der Zukunft vollends auf den vorweggenommenen Rückblick; das Moment der (zeitlichen) Distanznahme
wird dabei untermauert durch den extrafiktionalen Charakter der Narration.22 Trailer kehren mit anderen Worten nicht nur die Sequenz von
22 Das Präsens bleibt auch gegenwärtig in Form einer Vorwegnahme, eines historischen
Futurs gewissermassen. «Now» heisst es in Trailern oft; angezeigt wird damit in aktu-
251
Erwartung und Erfüllung um, sondern auch die von Erinnerung und Erfahrung. Sie präsentieren den Film und gewähren eine (unvollständige)
Erfüllung, zu der man sich nachträglich eine Erwartung einbildet. Sie
präsentieren den Film aber ihrer Form nach im Futurum exaktum, also
aus der Perspektive des antizipierten Rückblicks, der vorgezogenen Erinnerung, oder eben aus der Perspektive des Begehrens. Die nachträgliche Erwartung ist ein virtueller Blick zurück, und das «desire to see the
film» eine «nostalgia for the coming attraction».
Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich auch die Listen von Attraktionen und die Cast-Listen in klassischen Trailern verstehen. Sie ähneln
ihrer Struktur nach gewissen Passagen aus Gesprächen unter Freunden,
genügt es doch fürs kollektive Film-Erinnern oft, dass man einzelne Szenen kurz anspricht oder bestimmte Schauspieler beim Namen nennt.
Meist verbindet sich die Diskussion von Stars zudem mit emphatisch
vorgetragenen Würdigungen schauspielerischer Leistung («DeNiro ist
brillant! Bette Davis ist atemberaubend!»); geläufig sind solche Wendungen auch aus Texteinblendungen und Voice-over-Einsätzen, die CastListen klassischer Trailer begleiten.23
7.2.5 Mimetisches Begehren
Trailer geben, so hatte ich weiter oben behauptet, ein offizielles für ein
populäres Wissen aus. Sie schaffen Erlebnisäquivalente des Films und legen so die psychologische Basis für die Glaubwürdigkeit der Urteile, die
im virtuellen Fan-Diskurs der Filmwerbung gefällt und vermittelt werden. Über die Simulation kollektiver und individueller Formen des
Film-Erinnerns versetzen sie das Publikum zudem in eine Position, als
würde es selbst rückblickend diese Urteile fällen. Trailer kommunizieren
ihre Bewertungen aber auch, in dem sie auf verschiedenen Ebenen Genussvorbilder ins Spiel bringen: Stimmen, Personen und Instanzen, die
aus der Warte des vollzogenen Genusses über den Film berichten. Werbeauftritte bekannter Persönlichkeiten, wie sie vor allem in der klassischen Periode vorkommen, erfüllen eine solche Funktion; ich werde aber
zu zeigen versuchen, dass sich auch bestimmte formale Merkmale des
Trailers unter diesem Gesichtspunkt analysieren lassen.
ellen Beispielen meist das auslösende Ereignis, in klassischen dagegen eher der Film
an sich als Ereignis. In beiden Fällen aber ist das Sich-Ereignen von etwas gemeint,
dessen Aktualisierung noch aussteht (und dessen Aktualisierung gerade virtuell erinnert wird).
23 Für eine theoriehistorische Diskussion der Affinitäten von Kino und Gedächtnis vgl.
Klippel (1994; 1997).
252
Die Wirkung von Genussvorbildern lässt sich unter anderem auf
das zurückführen, was der frankoamerikanische Literaturwissenschaftler René Girard als mimetisches Begehren oder «désir selon l’Autre» bezeichnet.24 Girard wendet sich gegen eine romantische Konzeption des
spontanen Begehrens, gegen die Idee der «wahren» Liebe zum «richtigen» Objekt. Nach seinem Verständnis entsteht Begehren nicht spontan
zwischen einem Subjekt und einem Objekt, es bedarf vielmehr eines Mediators, eines Vermittlers, der den Begehrenden die Objekte ihres Begehrens vorgibt. Begehren ist also das Begehren des Anderen, aber nicht in
dem Sinn, in dem Lacan dies versteht. Ich begehre nicht, dass der Andere mich begehrt, sondern ich begehre, was der Andere begehrt: Ich imitiere sein Begehren. Es kommt mit anderen Worten nicht so sehr darauf
an, welche Objekte begehrt werden und welchen konkreten Nutzen diese gewähren können, sondern vielmehr darauf, dass eine Konstellation
entsteht, in der ein Aktant einem anderen ein Begehren zuschreibt, um
dieses dann zu imitieren (Livingston 1992, 37). Indem wir darauf achten,
was die andern sagen, sehen, genießen oder begehren, sind wir demnach
schon einem unwiderstehlichen Drang unterworfen, das zu begehren,
was die Andern begehren, das heißt, ihr Begehren zu imitieren (Girard
1961, 26). Die Mediatoren funktionieren dabei bald als Vorbilder («médiation interne»), bald als Rivalen («médiation externe»). Das Objekt kann
unter Umständen auch an den Rand treten und zum inhaltslosen Bezugspunkt reduziert werden: «Plus le médiateur se rapproche, plus la
passion se fait intense et plus l’objet se vide de valeur concrète» (Girard
1961, 103).
Girard entwickelte den Begriff des mimetischen Begehrens anhand
von Analysen der Romane von Stendhal und Cervantes. Ähnliche Überlegungen finden sich auch bei einem weiteren Antiromantiker: bei Benjamin Constant. Dessen Konzeption des Begehrens beschreibt Todorov folgendermaßen:
Telles sont les conditions nécessaires et suffisantes de l’amour: l’imitation,
les circonstances fortuites, l’obstacle. Rien qui vienne de soi, ni même de
l’autre-objet: le principe du désir, la sensibilité au context, la sociabilité se
chargent de tout. (Todorov 1997, 97)
Schon Girard wies darauf hin, dass die Konstellation von «obstacle» respektive «médiateur», «circonstances fortuites» und «imitation» auch in
der Werbung zum Tragen kommt:
24 Für eine systematische Darstellung von Girards Konzept des mimetischen Begehrens
vgl. Livingston (1992).
253
Les formes les plus hautes de la suggestion ne sont pas séparées des plus
basses. Entre Don Quichotte et le petit-bourgeois victime de la publicité, la
distance n’est pas si grande que le romantisme voudrait le faire croire. (Girard 1961, 45)
Dass Mediation und die Suggestion von Begehren in der Produktewerbung eine wichtige Rolle spielen, bringt auch eine Passage aus einem der
frühesten werbepraktischen Lehrbücher zur Sprache: Walter Dill Scotts
How to Influence Men in Business: The Psychology of Argument and Suggestion von 1911:
The man with the proper imagination is able to conceive of any commodity
in such a way that it becomes an object of emotion to him and to those to
whom he imparts his picture, and hence creates desire rather than a mere
feeling of ought. (Dill Scott 1928, 133)
Der Werber muss zum Produkt ein Gefühlsverhältnis entwickeln und
dieses den Kunden anschaulich vermitteln.25 Die Rolle, diese gefühlsintensiven Botschaften zu kommunizieren, überlässt man aber in der Regel
Mittlerfiguren, dem Marlboro-Mann etwa oder den Hausfrauen, die uns,
in lichtdurchfluteten Waschküchen stehend, ihr Lebensglück aus der
Verwendung eines bestimmten Weichspülers erklären. In der Filmvermarktung spielt die Wirkungslogik des Genussvorbilds ebenfalls eine
wichtige Rolle, und in Trailern kommt sie namentlich auf zwei Ebenen
zum Tragen: Zum einen drängen sie ihre Adressaten selbst in die Rolle
des Genussvorbildes, und zum anderen schaffen sie permanent trianguläre Konstellationen von Subjekt, Objekt und Mittlerinstanzen, die über
die sprachlich-rhetorischen und die formalen Parameter inszeniert werden.
25 Es handelt sich dabei um eine Grundregel der aristotelischen Rhetorik. Aristoteles
macht am Anfang des zweiten Buchs der Rhetorik das emotionale Engagement des
Redners zur Voraussetzung seiner Überzeugungskraft. Die ersten elf Kapitel des
zweiten Buches widmet er einer Darlegung der Überzeugungswirkung der verschiedenen Affekte, die der Redner zum Ausdruck bringen kann (Aristoteles 1980, 83ff.).
254
Filmerlebnis und Mundpropaganda
Give them something to talk about.
They’ll talk.
They like to.
Exhibitor’ Herald, 27. November 1920
Über das kommerzielle Schicksal eines Films entscheidet die Mundpropaganda. Schon 1916 wies eine Branchenzeitschrift darauf hin, dass «the
quiet little comments of the groups of patrons leaving the theaters» für
den Erfolg eines Programms wichtiger seien als jede Werbekampagne.26
Marktforschungen aus den Vierzigerjahren bestätigen diese Hypothese
(Handel 1950, 89), und noch heute spielt die Mundpropaganda eine zentrale Rolle, auch wenn in der Ära der Massenstarts die Filme bisweilen
nicht mehr lange genug laufen, um eine Gefolgschaft zu entwickeln.27
Konstant geblieben ist allerdings, dass die Werbung nur noch sehr bedingt Einfluss auf den Kassenerfolg nehmen kann, wenn der Film erst
einmal angelaufen ist. Die Werbung hat das erste, das Publikum das
letzte Wort (Abb. 46).
Eine einzelne Empfehlung macht noch keinen Unterschied. Die
Macht der Mundpropaganda liegt darin, dass Empfehlungen sich rasch
fortpflanzen und ausbreiten. In postindustriellen Gesellschaften definiert
man sich weniger über Zugehörigkeiten zu Berufsgruppen oder anderen
Ständen als über Lebensstil und Konsumverhalten. Ein bestimmtes Konsumverhalten bietet die Möglichkeit der Individuation, es geht aber immer auch einher mit Gruppenbildungsprozessen. Man findet sich zusammen in Koalitionen von Individuen mit vergleichbarem Konsumverhalten, nicht zuletzt aus dem vermeintlich paradoxen Motiv, dass man
mit seiner aus vorgegebenen Angeboten konfektionierten Individualität
nicht allein sein will. Genussvorbilder und die Logik des mimetischen
Begehrens leisten einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt solcher
Gruppen. «C’est pour échapper au sentiment du particulier que les hommes désirent selon l’Autre», so Girard (1961, 82). Genussvorbilder versprechen auch Zugehörigkeit, und eine Empfehlung enthält in diesem
Sinn nicht nur den Hinweis auf einen möglichen Genuss, sondern auch
das Angebot, einer bestimmten Gruppe anzugehören. Es ist nicht zuletzt
26 Stephen W. Bush: «Lip-Advertising». In: MPW, Vol. 28, No. 6, 6. Mai 1916, S. 941.
27 Leonard Klady: «Tyranny of TV Still Governs Movie Choices». In: Variety, 27. Juni
1994, S. 1–101. Leonard Klady: «‹Bat› Blitz Bodes New B.O. Era». In: Variety, 19. Juni
1995, S. 11–15.
255
Abb. 46: Alle außer mir sind im Bild und sprechen darüber: Genussvorbilder betreiben Mundpropaganda im Trailer zu 52nd Street (Walter Wanger/UA 1937).
dieses Angebot zur Selbstvergesellschaftung, das die Effizienz der
Mundpropaganda ausmacht.28
Die Filmwerbung versucht folglich auf die Dynamik der Mundpropaganda Einfluss zu nehmen, indem sie die Filme systematisch mit Genussvorbildern assoziiert. Auszüge aus Filmkritiken auf Plakaten und in
Vorfilmen erfüllen diese Funktion,29 aber auch die Publikation von Ein28 Kinofilme verdanken ihren Erfolg also nicht zuletzt einem Sozialisationseffekt, wie
ihn Eggo Müller in seiner Untersuchung von Reality-TV-Sendungen auch fürs Fernsehen ausweist: «Wo die sozialen Milieus, die traditionell biographische Entscheidungen vorgegeben oder zumindest abgesichert haben, ihre Bindungskraft verlieren, gewinnt Massenkommunikation einen neuen Stellenwert für die symbolische
Selbstvergesellschaftung der Individuen» (Müller 1995, 103).
29 Die Rolle der Kritiker in der Filmvermarktung würde eine eigene historische Untersuchung verdienen. Für Prestigeproduktionen war das Urteil namhafter Kritiker in der
klassischen Periode durchaus von Belang, und Verrisse quittierten die Studios oft mit
dem Ausschluss von allen Pressevorführungen. Ein Kritiker, der in den frühen Dreissigerjahren in Wisconsin mit dieser Sanktion belegt wurde, rühmte sich fortan, der
einzige Filmkritiker in den USA zu sein, der nur Filme rezensiert, für die er auch Ein-
256
spielergebnissen, die sich in den letzten 25 Jahren zum eigenständigen
Marketing-Instrument entwickelt hat. «If someone believes that everyone else has seen a specific movie», so eine Begründung für diese Strategie, «he may feel a need to see it to belong to the group» (Donahue 1985,
58).
Mundpropaganda übt aber nicht nur subtilen Gruppenzwang aus,
sie entspringt selbst einer Art von Zwang, einer psychologischen Notwendigkeit. Intensive Erlebnisse drängen nach Roger Schank darauf, in
Geschichten umgelagert zu werden: «We need to tell someone else a story that describes our experience because the process of creating the story
also creates the memory structure that will contain the gist of the story
for the rest of our lives» (Schank 1990, 115).30 Dieses Bedürfnis liefert
nicht nur einen Teil des Antriebs für das Film-Erinnern in Gruppen, es
bildet auch die Voraussetzung für die aktive Komponente der Mundpropaganda. Von Rainer Werner Fassbinder stammt der Satz: «Ich gehe ins
Kino, um etwas zu erleben.» Leute, die Freunden und Bekannten einen
Film empfehlen, geben nicht einfach nur Tipps ab: Sie erzählen von etwas, das sie erlebt haben, um sich dieses Erlebnis gegenwärtig halten zu
können. Darin liegt auch ein weiterer Sinn der basalen Formwirkungen
des Trailers: Eine beglückende Reizattacke schlägt sich als Erlebnis nieder und löst den Impuls aus, anderen davon zu erzählen. – womit man
sich unversehens selbst in die Rolle des Genussvorbildes begibt. Nicht
von ungefähr stellte Handel in den Vierzigerjahren fest, dass ein großer
Teil der Informationen, die Kinogänger in Form von Empfehlungen erhalten hatten, auf Trailern basierte (Handel 1950, 89).
tritt bezahlt. In den Sechziger- und Siebzigerjahren erreichte die Filmkritik in den
USA, ähnlich wie in Europa, ihren Höhepunkt, während ihr Einfluss mit der Einführung neuer Vermarktungstechniken Mitte der Siebziger deutlich zurückging. In den
Achtzigern veranschlagten die Studios ihren Status so tief, dass sie in Los Angeles vorübergehend keine Pressevorführungen mehr ansetzten. Von positiven Kritiken profitieren derzeit vor allem unabhängig produzierte und verliehene Filme, vgl. Gregg
Evans, Paul F. Young: «Can Crix Fix Niche Pix?» In: Variety, 22. Mai 1995, S. 1–111,
und Vachon (1998, 316).
30 Alexandra Schneider verdanke ich den Hinweis, dass es hier eine Analogie zur Psychoanalyse gibt. In der psychoanalytischen Therapie geht es letztlich darum, Erlebnisse ins Bewusstsein zu heben, die zu intensiv waren, um bewusst verarbeitet und erinnert zu werden. Die Therapeutin übernimmt die Rolle, die unter regulären
Umständen dem Impuls zukommt, eine Geschichte zu erzählen. Sie personifiziert die
Notwendigkeit, dem Erlebnis eine erinnerbare Form zu verleihen. Vgl. dazu auch
Brooks (1994).
257
Sprachlich-rhetorische Parameter und
Endorsements
So sehr man mitunter zum Genussvorbild mutiert, wenn man von einem
Trailer erzählt, so sehr sprechen Vorschauen die Zuschauer doch in erster Linie als Subjekte von mimetischem Begehren an. Der Trailer zum
ersten Remake von A Star Is Born (Warner Bros. 1954) beginnt mit Aufnahmen einer Filmpremiere. Darüber die Texteinblendung:
WARNER BROS. Presents THE MOST AWAITED EVENT
IN THE HISTORY OF ENTERTAINMENT
Darauf folgt eine Einstellung von applaudierenden Zuschauern und ein
Auftritt von Judy Garland, der übergeht in eine Szene von der OscarVerleihung: Garland erhebt sich, wieder unter dem Applaus der Anwesenden, von ihrem Tisch, geht zur Bühne und nimmt die Trophäe entgegen. Das Intro schlägt einen pseudojournalistischen Tonfall an und lässt
den Eindruck entstehen, es handle sich um einen Bericht über Judy Garland und ihre Erfolge, und nicht um einen Zusammenschnitt von Szenen
aus dem Film. Die Einstellungen der applaudierenden Zuschauer nehmen einerseits eine Konvention des Musicals auf, die Jane Feuer beschrieben hat: Sie zeigen das anwesende Publikum und lassen uns mit
diesem am Live-Ereignis teilhaben (Feuer 1982, 30). Andererseits stilisieren sie das Publikum, das immer aus einer gewissen Distanz gezeigt
wird, auch zu Genussvorbildern: So haben diese Leute reagiert, so werdet auch ihr reagieren (Abb. 47).31 Noch expliziter findet sich diese rhetorische Strategie im Trailer zu Circus World (Samuel Bronston 1964). In einer Szene verbeugen sich die Stars John Wayne und Claudia Cardinale
und eine Reihe weiterer Artisten in der Manege. Schnitt aufs applaudierende Publikum, darüber die Texteinblendung:
JOIN in the applause for
SPECTACLE
31 Filmverleiher benützten diese Methode mitunter auch, um einen Film an einen Kinobetreiber zu verkaufen. Pathé hatte Mühe, grosse Kinos zu finden, die bereit waren,
Robert Flahertys Nanook of the North zu zeigen. Pathé und Flaherty veranstalteten
schliesslich eine Vorführung, zu der sie Alfred Rothafel einluden, Besitzer des Roxy,
des grössten Kinos in New York. Der Saal war gefüllt mit Freunden Flahertys und Angestellten der Verleihfirma, und diese applaudierten die ganze Vorführung über und
diskutierten angeregt über den künstlerischen Wert des Films. Rothafel buchte den
Film (Jacobs 1969, 220).
258
Abb. 47 Applaus von allen Seiten:
Anleitung zum Beifall durch Texteinblendungen und diegetisches Publikum im Trailer zu A Star Is Born
(Warner Bros. 1954).
Auf einer physiologischen Ebene können solche Einstellungen einen Vorbildeffekt erzielen, indem sie Anstoß zur «affective mimicry» geben, zur Nachahmung des gezeigten emotionalen Verhaltens und mitunter zum Nachempfinden der ausgedrückten Emotion (Smith 1995, 98 ff.).
Von Belang ist aber auch, dass sie ein Angebot zur Selbstvergemeinschaftung machen («ihr braucht keine Außenseiter zu sein»), und zugleich eines der Selbstentlastung («ihr braucht trotzdem nicht selbst,
nicht wirklich dabei zu sein»): Ähnlich wie das Lachen auf der Tonspur
bei Sitcoms nehmen sie mir die Verpflichtung zur eigenen, «authentischen» emotionalen Reaktion ab und versprechen mir die Gelegenheit,
andere für mich lachen und weinen zu lassen, oder vielmehr dies mit anderen durch andere zu tun (vgl. dazu Zizek 1999, 109; «reaction shots»
lassen sich ganz allgemein unter diesem Gesichtspunkt betrachten).
Auf die Suggestion eines mimetischen Begehrens zielen auch Formulierungen wie die Texteinblendung aus dem Trailer zu The Philadelphia Story (Abb. 18, Kap. 4). Die Mitteilung über den Bühnenerfolg der
Vorlage «which had blasé Broadway roaring for a solid year» bringt das
Sozialprestige der Theaterbesucher ins Spiel. «Le prestige du médiateur», so Girard, «se communique à l’objet désiré et confère à ce dernier
une valeur illusoire» (Girard 1961, 17). Eine Variation dieses Musters
verwendet auch die Formulierung «the most awaited event in the history of entertainment» im eben erwähnten Trailer zu A Star Is Born. Wer
denn hier begehrt, wird mit Bedacht offengelassen: anscheinend alle andern, nur ich noch nicht, sollen sich die Zuschauer sagen – noch einmal
das mimetische Begehren als Bedürfnis dazuzugehören.
Eine Mediatorenfunktion erfüllen auch Kritikerzitate (Abb. 48) sowie die «star endorsements». Rund 12 Prozent aller klassischen Trailer
zeigen Stars und andere Berühmtheiten, die in direkter Ansprache ans
259
Abb. 48: Instrumentalisierung einer verlässlichen Quelle des Urteils: Die Kritikerzitate im Trailer zu Spartacus (Universal 1960) verwenden Standardargumente der Reklame – den Verweis auf die Neuheit des Films und den letzten Erfolg
des Genres – und fügen sich nahtlos in den Werbediskurs ein.
Publikum den Film empfehlen. Filmstars sind «models of consumption»,
sie leben die Vorzüge eines konsumorientierten Lebensstils vor und dienen ihren Fans als Vorbild für deren Konsumverhalten (Dyer 1979, 45).
In dieser zweiten Rolle treten Stars als Sprecher auch in Vorfilmen auf.
Interessant ist nun, dass die Star-Auftritte letztlich immer die Interventionen der extrafiktionalen Narration ersetzen. Diese Austauschbarkeit
zeigt eine funktionale Verwandtschaft an. Analog zu den Star-Auftritten
schafft die extrafiktionale Narration eine Konstellation von Subjekt (Zuschauer), Objekt (Film) und Mediator (Texteinblendungen, Sprecherstimme).
Texteinblendungen und Sprecherstimme
Texteinblendungen sind ein Charakteristikum des klassischen Modus. Sie
erfüllen primär eine Funktion der Informationsvermittlung, tragen aber
auch zum Unterhaltungs- und Erlebniswert der Trailer bei. In Typografie und Inszenierung exemplifizieren sie Qualitäten des Films. Sie werden bald ausgerollt, bald eingedreht, bald weggeklappt, bald herangezoomt, und stets vermitteln sie ein Gefühl von Tempo und Intensität
(vgl. dazu Hediger 2001b). Sprecherstimmen wiederum schlagen in klassischen Trailern oft den Tonfall der Wochenschau an; sie gehören zum
pseudojournalistischen Diskurs über den Film. In zeitgenössischen Beispielen werden Texteinblendungen seltener eingesetzt, und die Sprecherstimme wird so ausgewählt, dass man sie möglichst nur unterschwellig
wahrnimmt.32 Abgesehen von diesen stilistischen Verschiebungen bilden
32 Interview mit Pamela Postrel, Universal, 4. November 1994.
260
Texteinblendungen und Sprecherstimme aber seit den frühen Dreißigerjahren ein konstantes Dispositiv.
Die Mediatorenfunktion dieses Dispositivs lässt sich ausgehend
von einer These Hugo Münsterbergs erläutern. Danach ist unser Bewusstsein gespalten und kann in «einem seelischen Akt gleichzeitig hier
und dort sein». Dem kommt das Kino entgegen:
Die gesamte Mannigfaltigkeit paralleler Vorgänge mit ihren endlosen
Wechselbeziehungen untereinander bildet den eigentlichen Stoff für unser
Verständnis. […] Die Seele sehnt sich nach diesem ganzen Wechselspiel,
und je reicher es an Kontrasten ist, um so mehr Befriedigung kann aus unserer gleichzeitigen Präsenz an vielerlei Orten bezogen werden. Das Lichtspiel allein gibt uns die Möglichkeit solcher Allgegenwart. (Münsterberg
1996, 61f.)
Trailer spielen mit der Möglichkeit dieser Allgegenwart. Sie lassen uns
zum einen an ihr teilhaben, wobei die Sprecherstimme eine wichtige
Rolle spielt. «D’une façon générale, une voix off donne le sentiment que
l’on voit les événements ‹à travers les yeux du narrateur›», so Jean Châteauvert (1991, 33).33 Die Erzählerstimme erzählt also nicht nur den Film,
wir erzählen in gewissem Sinn durch sie den Film. Metz spricht in diesem Zusammenhang von einem «dédoublement du spectateur-auditeur,
dans la mesure où la voix est forcément la sienne, même si elle n’est pas
que cela» (Metz 1991, 150). Ähnliches gilt auch für die Sprecherstimme
in Trailern. Sie ist anonym, ohne Gesicht und Körper, und damit auch
ortlos. Sie spricht von überall und nirgendwoher, sie spricht zu uns, aber
auch für uns, und zwar kraft einer Eigenheit der Stimme, die Rosolato
(1974) ihre Reversibilität nennt: Während ich mich selbst niemals so
sehe, wie ich andere sehe, höre ich mich selbst weitgehend so, wie ich
andere höre. Ich kann also eine Stimme, die ich höre, eher für meine
Stimme halten als ein Gesicht, das ich sehe (es sei denn, ich stehe vor
dem Spiegel).
Im Trailer zu Buddy Buddy (MGM 1981), einer Komödie von Billy
Wilder über zwei Männer im Rentenalter, stammt die Sprecherstimme
hörbar von einem älteren Mann, und Trailer für Familienkomödien wie
Three Men and a Baby (Touchstone 1987) verwenden jüngere, fröhliche
33 Black stellt für «off»-Stimmen im allgemeinen fest, sie seien «contingent on the prior
narrating act of the actual filmic text itself […] They do not instigate or cause the film»
(Black 1986, 21). Im Vorgang des Erzählens können sie gleichwohl die Maske der Urheberschaft der Erzählung annehmen. Silverman spricht in diesem Sinn auch davon,
dass die Sprecherstimme sich selbst als «enunciator» präsentiere (Silverman 1988, 51),
während Kozloff sie dem «image-maker» zurechnet (Kozloff 1988, 76).
261
Stimmen. Die Stimmen repräsentieren die Zielgruppen der Filme, was
zum einen Ausdruck der Strategie ist, dem Publikum die Wertung der
Werbung zu unterschieben. Zum andern ist darin aber auch das Angebot enthalten, die Allgegenwart der Stimme als die eigene zu empfinden.
Eine Distanz bleibt allerdings bestehen. Die Narration in Trailern signalisiert zwar eine umfassende Kenntnistiefe, sie ist aber auch von geringer
Mitteilsamkeit, verweigert also den vollständigen Einblick in die fiktionale Welt. Das Dispositiv von Sprecherstimme und Texteinblendungen
bewirkt zudem das, was Wuss als «Literarisierung» bezeichnet (Wuss
1993, 348). Es überlagert das Zeigen des Films durch Formen des Sagens
und durchsetzt Gestaltetes, filmisch Inszeniertes, mit Formuliertem, bloß
Sprachlichem und insistiert damit auf der extrafiktionalen Position
(Wuss 1993, 118). Die Sprecherstimme, die aus der Warte dessen spricht,
der über die Möglichkeit der Allgegenwart in der fiktionalen Welt verfügt, verdoppelt damit die Zuschauerposition nicht einfach, sondern
markiert auch Distanz und Vorsprung. Sie repräsentiert nicht das Publikum, sie repräsentiert fürs Publikum «the kind of person I would like to
be», wie Livingston den Mediator des mimetischen Begehrens charakterisiert: ein Ich-Ideal des am Film realisierten Selbstgenusses (Livingston
1992, 43).
Diese These bedarf allerdings noch der Differenzierung. Die meisten Trailer verwenden tiefe, autoritäre Männerstimmen, besonders bei
großen Blockbuster-Filmen wie Action-Thrillern und Science-FictionAbenteuern. Von 1036 erfassten US-amerikanischen Beispielen, die eine
Sprecherstimme verwenden, benützen gerade achtzehn oder 1,77 Prozent weibliche Stimmen, und diese treten in den meisten Fällen nur gerahmt von männlichen Stimmen auf. Von einer direkten Repräsentation
des Publikums durch die Sprecherstimme kann also nicht die Rede sein,
besteht das Kinopublikum doch mindestens zur Hälfte aus Frauen.
Sucht man nach einer Begründung für die Dominanz von Männerstimmen, dann führen Trailer-Macher üblicherweise technische Argumente
an: Es gebe keine entsprechend geschulten Sprecherinnen, und Männerstimmen setzten sich besser gegen den Rest der Tonmischung durch.34
Eine andere, weiterreichende Erklärung hat die ehemalige Chefin der
Trailer-Abteilung von Universal, Paola Franceschi: «Niemand in der
Filmindustrie glaubt, dass Frauen Filme verkaufen können.»35 Das Kernzielpublikum der meisten großen Produktionen sind junge Männer, und
sie versucht man anzusprechen, unter anderem auch, weil man davon
34 Interview mit Andrew Kuehn, 7. Dezember 1997.
35 Interview mit Paola Franceschi, 4. November 1994.
262
ausgeht, dass sie die Auswahl treffen, wenn junge Paare gemeinsam ins
Kino gehen.36 Die Erfahrung scheint nun zu zeigen, dass diese jungen
Männer eher geneigt sind, auf eine autoritäre, tiefe Männerstimme zu
hören als auf eine wie auch immer attraktive Frauenstimme.37 Eine Erklärung hierfür lässt sich vielleicht am besten anhand einer Analyse der
TV-Spots für Martin Scorseses The Color of Money (Touchstone 1986) skizzieren.
The Color of Money, eine Fortsetzung zu Robert Rossens The Hustler
(TCF 1961), erzählt die Geschichte des ehemaligen Billard-Profis Eddie
Felson (Paul Newman), der seine Leidenschaft wiederentdeckt, als er in
einer Pool-Halle auf den hochtalentierten Freizeitspieler Mike (Tom
Cruise) stößt. Eddie nimmt Mike unter seine Fittiche und versucht, ihn
zum Berufsspieler aufzubauen. Mikes jugendlicher Übermut und seine
Disziplinlosigkeit treiben Felson bald an den Rand der Verzweiflung,
und schließlich kommt es zur Trennung. Mike emanzipiert sich von seinem Förderer und Ersatzvater und zeigt ihm in einem Titelturnier den
Meister. Von den insgesamt acht TV-Spots38 richtet sich der längste, ein
1-Minuten-Spot, an ein allgemeines Publikum, während die kürzeren jeweils einen bestimmten Aspekt der Story aufgreifen. Ein Spot nimmt Bezug auf The Hustler und handelt von Newmans Rückkehr in der Rolle
Felsons; ein Spot richtet das Augenmerk auf Mikes Beziehung zu seiner
Freundin. Keiner lässt einen Zweifel darüber, dass zwischen Mike und
Eddie ein konfliktträchtiges Verhältnis herrscht. Die Ausnahme bildet
ein Spot von 15 Sekunden, der für ein junges Publikum gedacht ist. Er
zeigt Tom Cruise, wie er als Pool-Spieler seine Virtuosität auslebt. Dazwischen Paul Newman, der den Kopf schüttelt – eine Einstellung, die in
einigen der anderen Spots ebenfalls verwendet wird. Sprecherstimme
und Kontext machen hier deutlich, dass Newman mit seiner Reaktion
Missfallen kundtut. Im Spot fürs jugendliche Publikum hingegen wird
diese Einstellung so eingebettet, dass sie das Gegenteil bedeutet: Newman signalisiert mit seiner Kopfbewegung verwunderte Zustimmung
und leisen väterlichen Stolz. Cruise’ Auftritt, eigentlich eine Provokation
für Newman, wird umgedeutet zum Bravourstück, das den Beifall der
Vaterfigur findet.
In dieser Montage tritt zutage, was Todorov «le rôle constituant du
regard des autres dans nos experiences» genannt hat (Todorov 1997,
121): Der Blick der andern steigert den Genuss des Auftretenden an sei36 wie Anm. 34.
37 wie Anm. 34.
38 UCLA, VHS Tape VA 11694.
263
nem Auftritt. Der Blick der andern kann aber auch darüber entscheiden,
welche Genüsse zulässig sind, und er kann Begehren hervorrufen und
unterbinden. Todorov erläutert dies an einer Passage aus Benjamin
Constants Roman Adolphe, in welcher der Titelheld über sein Versagen
als Liebhaber einer älteren Frau sinniert:
Si le Ciel m’eût accordé une femme que les convenances sociales me permissent d’avouer, que mon père ne rougit pas d’accepter pour fille, j’aurais
été mille fois heureux de la rendre heureuse. (Todorov 1997, 120)
Das Begehren ist auch insofern «désir selon l’Autre», als es unterbleibt,
wenn es nicht im Einklang mit der sozialen Konvention steht, in dieser
Passage verkörpert durch den Blick des Vaters. Umgekehrt kann der
Blick der andern ein Begehren auch hervorbringen. In der Montage des
«young audiences»-Spot ist Paul Newman der Adressat von Cruise’ Performance, letztlich aber auch seine Quelle: Sein Blick bringt Cruise erst
den Genuss; er löst, um De Sousas Typologie zu benützen, ein unmittelbares Begehren nach der Aktivität des virtuosen Pool-Spiels aus.
Meine These lautet nun, dass die autoritäre, väterliche Sprecherstimme in Blockbuster-Trailern die zumeist jugendlichen, männlichen
Adressaten in eine Position versetzt, wie sie Tom Cruise im «young audiences»-Spot für The Color of Money einnimmt. Die männliche Sprecherstimme ist ein Äquivalent des väterlichen Blicks. In psychoanalytischer
Diktion könnte man sagen, dass sie die Stimme der Ökonomie des Begehrens ist. Sie vertritt an der Schwelle zum imaginären Fülleerlebnis
des Kinos die symbolische Ordnung, und sie gemahnt den regressionswilligen Zuschauer an die Permanenz des Verbots, das nicht nur der ursprünglichen Einheit mit der Mutter ein Ende bereitete, sondern auch
das gegenwärtige Projekt der Regression verdächtig erscheinen lässt.39
Jedes Verbot impliziert aber, so Georges Bataille, seine Übertretung: Der
Werbeeffekt der Sprecherstimme würde demnach darin liegen, dass sie
ans Verbot erinnert und zugleich zu seiner Übertretung einlädt. Ich
möchte den Film hingegen nicht als Anlass der Regression ansehen:
Nicht in der imaginären Fülle besteht das verheißene Glück, sondern im
spielerischen Selbstgenuss. Die männliche Sprecherstimme ruft entsprechend weniger ein Verbot in Erinnerung, als sie vielmehr ihre Zustimmung zur Unterhaltung erteilt. Sie ist nicht eigentlich die Person «I
would like to be»; sie spricht aber die Möglichkeit an, dass ich als Filmzuschauer zur «person I would like to be» werde. Nicht nur Sprecher39 Doanne spricht im Zusammenhang mit der Off-Stimme von der «voice of interdiction» (Doanne 1985, 574).
264
stimmen, die Zielgruppen repräsentieren, sondern auch die anonyme
männliche Stimme kommuniziert in diesem Sinn ein Ich-Ideal des realisierten Selbstgenusses.40
Die Ausgangsfrage dieses Kapitels, was der Trailer mit seinen Adressaten tut, lässt sich in knapper Form folgendermaßen beantworten: Trailer
kommunizieren eine positive Bewertung des Films, indem sie seinen
Unterhaltungswert simulieren und ihn mit vorgängigen Befriedigungserlebnissen assoziieren. Sie wecken Interesse, indem sie eine emotionale
Episode eröffnen und diese auf der affektiven Ebene zu Ende bringen,
auf der kognitiven Ebene aber offenlassen. Sie erheben die Vorstellung
vom Film zum Schlüsselszenario des Begehrens, indem sie ihn aus der
Perspektive des antizipierten Rückblicks präsentieren, und sie machen
den Film schließlich auch zum Objekt des Begehrens, indem sie über formale und stilistische Parameter ein Dispositiv von Subjekt, Objekt und
Mediator aufziehen. Meines Erachtens sind damit die wichtigsten Wirkungsmomente erfasst – unter einem zweifachen Vorbehalt: Über die
tatsächliche Rezeption ist mit einer solchen Analyse noch nichts gesagt,41
und mehr als die Skizze eines Feldes möglicher weiterer Untersuchungen kann diese Diskussion von fünf rhetorischen Strategien des Trailer
nicht leisten.
40 Die männliche, autoritäre Sprecherstimme inszeniert also in gewissem Sinn eine Adoleszentenfantasie, und damit, sowie mit ihrem autoritären Charakter, mag es zu tun
haben, dass jüngere Trailer-Macher sich bemühen, sie möglichst nicht zu verwenden,
und dass sie beispielsweise in den Trailern zu Woody Allens Filmen nie vorkommt.
Interview mit Ron Auerbach, 31. Oktober 1994.
41 Vgl. dazu die Kritik von Staiger (2000, 28ff.) an normativen Modellen der Rezeption.
265
Schlusswort
Aus Liebe zur Wiederholung
Advertising IS a science.
Editorial, Exhibitor’s Herald, 15. März 1919
Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Hypothese, dass die Filmwerbung
– wie das Filmerzählen – eine regelgeleitete Praxis ist. Am Beispiel des
Trailers habe ich versucht, solche Regeln aufzuzeigen und ihre historische Entwicklung darzustellen. Die serielle Analyse eines repräsentativen Korpus von Beispielen hat gezeigt, dass sich im bisherigen Verlauf
der Filmgeschichte zwei dominante Modi herausgebildet haben, die sich
hinsichtlich ihrer narrativen Struktur sowie aufgrund einer Reihe von
sprachlich-rhetorischen und formalen Parametern unterscheiden. Der
Übergang vom ersten zum zweiten Modus erwies sich angesichts der
zentralen Bedeutung des Trailers für die Filmwerbung als eigentliche
narrative Wende. Erklären ließ sie sich unter anderem aus einem Wandel
des Konsumverhaltens und einer veränderten Produktcharakteristik des
Films. Der erste Modus, so zeigte sich, führt einen Diskurs über den
Film, der oft pseudojournalistische Gestalt annimmt und in erster Linie
die Neuheit der Attraktion hervorhebt. Er ist auf die Bedürfnisse eines
Publikums abgestimmt, das gewohnheitsmäßig ins Kino geht, Filme
meist nur einmal anschaut und zum Besuch nur motiviert, nicht aber
überredet zu werden braucht. Der zweite Modus hingegen simuliert den
Film und verfolgt das Ziel, einem Publikum mit sehr spezifischen Bedürfnissen eine qualifizierte Kaufentscheidung zu ermöglichen, die mitunter mehrfache Visionierungen des Films nach sich zieht.
Die Langlebigkeit der filmischen Untergattung Trailer warf zudem
die Frage auf, was ihre Wirksamkeit ausmacht. Zu ihrer Beantwortung
habe ich fünf Thesen zur Wirkungsweise aufgestellt, die alle auf der Annahme eines Zusammenhangs zwischen Formgestalt und psychischer
Wirkung basieren. Trailer wecken demnach Begehren, indem sie den Unterhaltungswert des Films simulieren und uns eine emotionale Epsiode
durchleben lassen, die auf der affektiven Ebene abgeschlossen wird, auf
der kognitiven aber offenbleibt, indem sie die Erinnerung an frühere Ki-
266
nobesuche heraufbeschwören, diejenige an den kommenden Film simulieren und schließlich sich – wie viele Formen der Produktewerbung –
auf die komplexe Anziehungskraft von Genussvorbildern abstützen. Die
vorliegende Arbeit leistet folglich, soweit sie ihre Ziele erreicht hat, dreierlei: Sie analysiert die Struktur des medialen Subsystems des Trailers,
sie rekonstruiert den Kontext und die Bestimmungsgründe seiner historischen Entwicklung, und sie liefert den Umriss einer Beschreibung seiner Wirkungs- und Funktionsweise. Viele Fragen bleiben naturgemäß
unbeantwortet und viele Themenbereiche unbearbeitet. Vergleichende
Studien zu Ästhetik und Produktionsgeschichte des Trailers in den Kinomärkten Frankreichs, Deutschlands, Japans oder Indiens könnten zeigen, inwiefern sich anderen kulturellen Kontexten vergleichbare formale
Traditionen herausbildeten, und wo allenfalls die Unterschiede liegen.
Fallstudien könnten Aufschluss geben, unter welchen Bedingungen sich
die Trailer tatsächlich als ausschlaggebend für den Erfolg des Films erweisen, und wann ein schlechter Trailer einem Film schadet. Eine gesonderte Untersuchung verdient auch die Verbreitung von Trailern übers
Internet und die Rolle, die Trailer für Fans und Fankulturen spielen. Interessant wäre ferner zu untersuchen, wie sich die Ästhetik des Trailers
in den letzten Jahren auf die der audiovisuellen Medien insgesamt auszuwirken begonnen hat und wie die Filmwerbung unversehens zum Paradigma der Produktewerbung avancierte (Abb. 49). Offenbar teilen nicht
wenige die Faszination, die am Anfang dieser Arbeit stand: eine Faszination für die Leichtigkeit, die Intensität, oft auch den Einfallsreichtum von
Trailern. Die Vorschauen zu Godards Détective oder zu Jonathan Demmes Stop Making Sense – beides abweichende Beispiele nach meiner Terminologie übrigens – blieben mir über die Jahre in der Erinnerung haften, stärker als die Filme. Woran das liegt? Wahrscheinlich sind die
Trailer tatsächlich besser als das, was als Hauptattraktion im Kino läuft.
Sie sind das vorläufige Gedächtnis des Films, zu dem sich der Film verhält wie eine Wiederholung.
267
Abb. 49 Die Wiederkehr des Erlernten. Inserat aus The Economist, Novermber 2000.
269
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Zeitschriftenartikel werden in der Regel mit den vollständigen bibliografischen
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Datum genannt werden, handelt es sich um Auszüge aus themenspezifischen
Artikelsammlungen der Archive MOMA und AMPAS.
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291
Glossar
Definition und Erläuterung ausgewählter, im Text verwendeter Begriffe.
advertising
Bezeichnung für bezahlte Werbung,
also Inserate, Radio- und TV-Spots.
art house
Seit den späten Zwanzigerjahren gebräuchliche Bezeichnung für Kinos mit
weniger als 1000 Sitzplätzen, die vorwiegend Filme nicht-amerikanischer
Produktion mit hohem künstlerischem
Anspruch zeigen. In den späten Zwanzigerjahren waren «art houses» unter
anderem die bevorzugten Spielstellen
für die Filme des deutschen Expressionismus. Ihre Blüte erlebten sie in den
Fünfzigerjahren, als italienische und
französische Autorenfilme in den USA
eine beträchtliche Marktpräsenz entwickelten und die Hollywood-Studios die
«art houses» vorübergehend für die
Premieren kleinerer, anspruchsvollerer
Produktionen wie John Hustons Red
Badge of Courage (MGM 1951) nutzten.
block booking
Praxis der Verleiher, publikumsträchtige Filme nur im Paket mit weniger attraktiven Produktionen an die Kinos abzugeben. In den USA mit dem «Paramount
decree» von 1948 für illegal erklärt. Mittlerweile wieder teilweise praktiziert.
blurb
Wörtl. «Waschzettel», «Klappentext».
In der klassischen Periode Bezeichnung
für Text am Anfang eines TrailerScripts, in dem die Wahl der Verkaufsargumente erläutert und begründet
wird.
Branchenzeitungen (trades, trade papers)
Publikationen, die sich an die Film-,
Fernseh- und Theaterbranche richten.
Das älteste und einflussreichste «trade
paper» ist Variety, das seit 1896 allwöchentlich erscheint und sich ursprünglich vor allem an die New Yorker
Theater- und Vaudeville-Szene wendete. Eine wichtige Rolle spielten überdies Zeitungen wie der Exhibitor’s Herald (1917–1930) oder der Motion Picture Herald (1930–1971), die sich vor
allem an Kinobetreiber richteten und
in der klassischen Ära, als Filme meist
blind – d. h. ohne vorherige Visionierung – gebucht werden mussten («blind
bidding»), unerlässliche Informationen
über die Qualität der kommenden Produktionen lieferten. Der Hollywood Reporter wurde zu Beginn der Dreißigerjahre gegründet und bot, wie es der Titel versprach, der damals in ihren
administrativen Strukturen noch auf
New York konzentrierten Filmbranche
vorwiegend Informationen über das
Geschehen am Produktionsstandort
Hollywood an. Mit der Umlagerung
der Firmenhauptquartiere an die
Westküste Mitte der Siebzigerjahre
verlegte auch Variety seine Hauptredaktion nach Los Angeles. Derzeit teilen Variety mit einer wöchentlichen
und einer täglichen Ausgabe sowie der
Hollywood Reporter den Markt weitgehend unter sich auf. Das Branchenblatt
292
Box Office versorgt die Kinobetreiber
mit spezifischen Informationen für
diesen Teil der Industrie.
brand image
Markenimage; medial kommunizierte
Vorstellung von Qualität und Beschaffenheit eines Markenproduktes und/
oder von den Gratifikationen, die sich
mit dessen Besitz und/oder Konsum
verbinden.
button
Fachbegriff für Gag oder Dialogfragment, das in neueren Trailern am
Ende, in der Regel nach der Einblendung des Filmtitels, einmontiert wird.
Gebräuchlich seit Anfang der Siebzigerjahre. Frühes Beispiel: der Trailer
zu Airport (Universal 1970).
clearance
Aufgrund der Aufteilung des Kinomarktes in eine skalierte Ordnung von
Auswertungszonen und -fristen («zoning») darf innerhalb eines festgesetzten Umkreises eines Kinos bis nach
Ablauf einer bestimmten Frist kein anderes Kino den betreffenden Film spielen. Strikt angewendet in der klassischen
Periode, mitunter noch gebräuchlich.
consent decree/Paramount decree
Kartellrechtlicher Entscheid des Obersten Gerichtshofs der USA von 1948,
der die vertikale Integration der Filmbranche und die Praxis des «block
booking» für illegal erklärte, die Studios zum Verkauf ihrer Kinoketten
zwang und ihnen überdies die Beteiligung an nationalen Fernsehsenderketten untersagte.
continuity
Im Verleihkontext Bezeichnung für detaillierte Transkripte aller Filmmaterialien, die vom Studio zur Auswertung
freigegeben werden. «Continuities»
werden seit 1934 durchgängig hergestellt, was mit dem Production Code
zusammenhängt: Die «continuity» gibt
in der klassischen Periode die von der
Production Code Administration autorisierte Version von Filmen oder Trailern wieder und dient unter anderem
als Grundlage zur Rekonstruktion der
Originalfassung für den Fall, dass
staatliche Zensoren Eingriffe an den
Verleihkopien vornehmen.
copy
Fachbegriff aus Journalismus und
Werbebranche für Texte, die zur Vervielfältigung und Veröffentlichung bestimmt sind (im Unterschied etwa zu
Memoranda, die nur intern zirkulieren). Die Textanteile in Trailern werden als «trailer copy» bezeichnet.
exploitation
In der klassischen Studioperiode Fachbegriff für unbezahlte Werbung in
Form von Veranstaltungen und medialen Pseudoereignissen im Zusammenhang mit einem Film.
first run
Erste Stufe des klassischen Systems
der skalierten Auswertung von Kinofilmen, abgewickelt in Kinos mit Kapazitäten zwischen 2000 und 6000 Plätzen.
field agent
In der klassischen Periode Werbefachkraft im Sold des Verleihers, deren
Aufgabe darin bestand, umherzureisen und vor Ort die Reklameanstrengungen der unabhängigen Kinobetreiber zu unterstützen und zu ergänzen.
four-walling
Verleihstrategie, bei welcher der Verleiher das Kino für einen fixen Betrag
mietet und auf eigene Rechnung betreibt. Von unabhängigen Verleihern
in den frühen Siebzigerjahren vorübergehend erfolgreich praktiziert in Verbindung mit regionalen Fernsehwerbekampagnen.
293
franchise
Wörtl. «Konzession», «Alleinverkaufsrecht». In der Filmindustrie Bezeichnung für die Rechte an einem Filmkonzept oder einer Filmserie und ihren
Zweit- und Drittauswertungsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich des
«merchandising». Beispiele: Batman
(Warner Bros. 1989), Jurassic Park (Universal 1993).
grid
Wörtl. «Gitter». Fachbegriff für Montageform in Trailern, in der Ausschnitte
aus einer Szene im raschen Wechsel
mit Ausschnitten aus verschiedenen
anderen montiert werden. Gebräuchlich seit Ende der Siebzigerjahre.
high concept
Bezeichnung für Filme, deren Konzept
und Story sich in einem Satz zusammenfassen oder mit einem «key
art»-Symbol zum Ausdruck bringen
lässt. Der Begriff stammt ursprünglich
aus der Fachsprache der Fernsehindustrie und wurde in den Siebzigerjahren
auch in der Filmbranche gebräuchlich.
«High concept»-Filme zeichnen sich
meist durch eine auf Oberflächenwirkung ausgerichtete, der Werbung verwandte Ästhetik aus und werden oft
zusammen mit einem Pop-Stoundtrack
vermarktet. Beispiele sind Filme wie
Flashdance (Paramount 1984), Top Gun
(Paramount 1986), Jurassic Park (Universal 1993) oder Godzilla (Columbia
1998).
independent producer
Unabhängiger Produzent. Ursprünglich Bezeichnung für Produzenten wie
Samuel Goldwyn, David O. Selznick
oder Walter Wanger, die Filme außerhalb der Entscheidungsstrukturen der
vertikal integrierten Konzerne entwickelten, finanzierten und herstellten
und erst für den Verleih auf die Dienste der Studios zurückgriffen. In den
meisten Fällen wurden die Filme un-
abhängiger Produzenten von United
Artists verliehen. In den Sechzigerund Siebzigerjahren wandelte sich «independent» auch zur ästhetischen Kategorie: zur Bezeichnung für eine
Spielfilm-Ästhetik, die sich vom Hollywood-Mainstream absetzte. In dieser
Bedeutung wird der Begriff von der
Filmkritik heute gerne auch für Produktionen verwendet, die von großen
Studios finanziert und kontrolliert
werden.
Integration, vertikale
Zusammenführung der Geschäftsbereiche Produktion, Distribution und
Konsum in einer Firma. In den USA
funktionierten die Majors von 1919 bis
1948 als vertikal integrierte Konzerne.
Mit dem «Paramount decree» von 1948
wurden sie gezwungen, ihre Kinos zu
verkaufen. Geschützt durch eine NichtInterventionspolitik der Reagan-Administration, stiegen die Studios in den
Achtzigerjahren wieder ins Kinogeschäft ein; mittlerweile funktionieren
alle Studios wieder als vertikal integrierte Konzerne, die ihrerseits Teil größerer, auch horizontal integrierter Medienkonglomerate sind.
Integration, horizontale
Zusammenführung verschiedener verwandter Branchen in einer Firma (z. B.
Filmproduktion, Buchverlag, Herstellung von Computerspielen). Zeitgenössische Medienkonglomerate sind in
der Regel sowohl vertikal wie auch horizontal integriert.
klassische Studioära/klassische Periode
Bezeichnung für einen Komplex von
Produktionsmodus, Stil und Wirtschaftsordnung der amerikanischen
Filmindustrie vor 1960. Bordwell/Staiger/Thompson (1985) verwenden Produktionsmodus und Stil als Kriterium
und verstehen unter der klassischen
Periode den Zeitraum von 1917 bis
1960. Christine N. Brinckmann (1997)
294
nimmt nur den Stil als Kriterium und
schränkt die klassische Periode auf
Mitte der Dreißiger- bis Ende der Vierzigerjahre ein. Nach ökonomischen Gesichtspunkten kann man unter der
klassischen Periode auch die erste Phase der vertikalen Integration der amerikanischen Filmwirtschaft verstehen,
die ungefähr von 1919 bis 1953 dauert.
key art
Bezeichnung für Werbesignets und
grafische Symbole, die dem Film eine
Produktidentität von hohem Wiedererkennungswert verleihen. Beispiele:
Das Batman-Logo, der hungrige weiße
Hai aus der Jaws-Werbung. Wegweisend in diesem Bereich war die Arbeit
des Grafikers Saul Bass in den Fünfzigerjahren. Als Ausdruck gebräuchlich
seit Ende der Fünfzigerjahre.
major
In der klassischen Periode und in der
Anklageschrift des Kartellamtes im
Verfahren, das zum «consent decree»
führte, Bezeichnung für eine Filmfirma, die ein Studio, eine Verleihorganisation und eine Kinokette umfasst, d. h.
MGM, Warner Bros., 20th CenturyFox, RKO und Paramount. In Branchenzeitungen der klassischen Periode
nicht immer trennscharf verwendet;
mitunter werden auch Universal, Columbia und United Artists, die drei
großen Studios ohne eigenen Kinobesitz, als «majors» bezeichnet. Im neueren Sprachgebrauch Bezeichnung für
jedes Studio mit globaler Verleihorganisation und den nötigen Finanzierungsressourcen für Filme mit A-Stars
und erstklassigem Produktionsaufwand.
Medienkonglomerat
Global operierender Konzern, bestehend in der Regel aus einem Filmstudio mit Verleihorganisation sowie
wahlweise einer nationalen Fernsehkette in den USA, Musik-, Literatur
und Zeitungsverlagen, Kabelfernsehgesellschaften, Heimvideo-Verleih- und
verkaufsorganisationen und, seit Ende
der Neunzigerjahre, einem Internetportal. Beispiele: Disney/Capital CitiesABC (Muttergesellschaft der DisneyStudios und des ABC-Networks); AOLTime Warner (Warner Bros.); Newscorp (20th Century-Fox; Fox TV-Network); Viacom-CBS (Paramount, MTV,
CBS); Vivendi-Universal (Universal Studios, EMI, Canal Plus); Sony (Sony/
Columbia-TriStar-Studios).
merchandising
Verkauf von Folgeprodukten zu populärkulturellen Primärerzeugnissen wie
Filmen, Schallplatten oder Fernsehserien. «merchandising»-Produkte sind
Videogames, Kleidungsstücke, Einrichtungsgegenstände, Poster und andere
Fan-Artikel, Filmsoundtracks u. a. m.
Gebräuchlich seit den Zehnerjahren
und den verschiedenen Folgeprodukten zum Serial The Adventures of Kathlyn von 1912/1913; wurde zur wichtigen Einnahmequelle der Medienindustrie mit dem Erfolg von Star Wars Ende
der Siebzigerjahre.
minor
In der klassischen Periode und in der
Anklageschrift, die dem «Paramount
decree» zugrunde lag, Bezeichnung
für eine Filmfirma, die ein Studio und
eine Verleihorganisation, aber keine eigenen Kinos umfasst, d. h. für Columbia, Universal und United Artists.
MPAA
Motion Picture Association of America.
Lobby-Organisation der großen Studios, von 1945 bis 1966 geleitet von Eric
Johnston, ab 1966 von Jack Valenti, einem ehemaligen Berater von Präsident
Lyndon B. Johnson. Vertritt die Interessen der Industrie gegenüber Regierungen und internationalen Organisationen; besorgt die freiwillige Selbstkontrolle durch das «ratings board»,
295
die Kontrollstelle, die Altersfreigaben
für Spielfilme vornimmt. Hervorgegangen aus der MPPDA (Motion Picture Producers and Distributors Association), die von 1922 bis 1945 von Will
Hays geleitet wurde, einem ehemaligen Postminister in der Administration von Präsident Warren G. Harding.
narration
Fachbegriff für die Sprecherstimme in
Trailern.
narrative image (narratives Image)
Medial kommunizierte Vorstellung
vom Film, in Entsprechung zum
«brand image», zum Markenimage,
das die Produktewerbung vermittelt.
Filmwissenschaftlicher Fachbegriff von
John Ellis (1982).
negative cost
Kosten, die bis zum Vorliegen des kopierfähigen Negativs eines Films anfallen. Umfasst Kosten für die Entwicklung des Stoffs, die Star-, Regie- und
Produktionshonorare (sog. «above the
line»-Kosten) sowie Kosten für Material und Logistik der Drehbarbeiten, für
Postproduktion und technisches Personal (sog. «below the line»-Kosten).
platforming
Verleihtechnik, bei der man einen Film
zunächst in ausgesuchten Großstadtkinos in New York und Los Angeles lanciert und, je nach Erfolg und Potential,
später mit mehreren hundert Kopien
im ganzen Land herausbringt. Wird
seit Ende der Sechzigerjahre praktiziert, insbesondere für kleinere Produktionen mit hohem künstlerischem
Anspruch, die mit guten Kritiken rechnen können und von Mundpropaganda getragen werden. Kostengünstige
Alternative zum «wide release».
Production Code
Vom Jesuitenpater Daniel A. Lord und
dem Branchenzeitungs-Verleger Mar-
tin J. Quigley (Motion Picture Herald)
1930 verfasster Katalog mit Vorschriften zur Gestaltung von Spielfilmen.
Enthält insbesondere Regeln für die
Darstellung von Gewalt, Sexualität
und Genussmittelkonsum (Alkohol,
Drogen). Von der MPPDA 1930 offiziell adaptiert, aber erst 1934 unter
dem Druck der Boykottdrohungen der
katholischen Legion of Deceny nachhaltig angewendet. Nach 1934 mussten
sämtliche Drehbücher vor dem Start
der Produktion und sämtliche Werbematerialien vor der Filmlancierung der
Production Code Administration unter
Joseph I. Breen zur Begutachtung vorgelegt werden. Ohne das Genehmigungssiegel der PCA konnte kein Film
in den großen, ertragsträchtigen Kinos
gezeigt werden, die von den Mitgliederfirmen der MPPDA kontrolliert
wurden. 1966 wurde der Code abgeschafft und 1968 durch das Rating-System ersetzt.
publicity
Fachbegriff für unbezahlte Werbung in
Form von Zeitschriftenartikeln über
Filme und Fernseh- und Radiosendungen mit Stars und anderen Persönlichkeiten.
rating
Altersfreigabe für Spielfilme, erteilt
vom «ratings board» der MPAA, einem aus Freiwilligen zusammengesetzten, repräsentativen Germium von
BürgerInnen. Das System der Ratings,
der nachträglichen Klassifikation bereits produzierter Filme, ersetzte 1968
den 1966 abgeschafften Production
Code, der bereits in den Produktionsprozess eingriff. Die Ratings dienen als
Produktinformation sowie dazu, der
staatlichen Zensur der amerikanischen
Bundesstaaten zuvorzukommen, deren Eingriffe eine koordinierte Auswertung der Filme im Rahmen von
«wide releases» erheblich erschweren
würde. «G-Rating» heißt die Freigabe
296
für «general audiences»; «PG» steht
für «parental guidance», für Filme, die
Kinder möglichst in Begleitung ihrer
Eltern sehen sollten; «PG-13» bezeichnet Filme, die Kinder bis 13 nur in Begleitung ihrer Eltern sehen sollten; und
unter «R» oder «restricted» werden
Filme eingeteilt, die erst ab 16 Jahren
freigegeben sind. Solange Pornofilme
noch im Kino ausgewertet wurden, kam
auch das «X»-Rating zum Einsatz, das
in einzelnen Fällen (Midnight Cowboy
[UA 1969], Last Tango in Paris [UA
1972]) auch für Spielfilme verwendet
wurde. Für den amerikanischen Kinostart von Pedro Almodóvars Atame
(Miramax 1989) wurde zu Beginn der
Neunzigerjahre das «NC-17»-Rating
eingeführt, das eine Freigabe erst ab 17
Jahren vorsieht. Das «NC-17»-Label
kommt de facto einem Verbot gleich,
weil keine große Kinokette Filme mit
dieser Auszeichnung bucht.
road show
Verleihtechnik, bei der ein Film auf
ähnliche Weise ausgewertet wird wie
ein Theaterstück auf Tournee. Der Verleiher betreibt das Kino für die jeweilige Auswertungsperiode auf eigene
Rechnung oder vermietet den Film zu
für ihn stark verbesserten Konditionen, wobei eine Equipe von reisenden
Werbeleuten und Aufsichtspersonen
die Aufführungen abwickelt. Übernimmt der Verleiher das Kino ohne
Personal zu einem festen Tarif, spricht
man auch vom «four wall»-Verfahren.
In der klassischen Periode wurde diese
Technik verwendet, um hochwertige
Produktionen außerhalb der in Studiobesitz befindlichen Premierenkinos zu
erhöhten Eintrittspreisen auswerten zu
können. Nach dem «consent decree»
und dem Verkauf der Kinoketten verwendeten die Studios das «road
show»-Prinzip, um weiterhin in der
ersten Auswertungsrunde maximale
Einnahmen abschöpfen zu können.
Von herkömmlichen Filmvorführungen
unterschieden sich «road shows» in
den Fünfziger- und Sechzigerjahren
auch durch Merkmale wie Vorverkauf,
numerierte Sitzplätze und fixe Anfangszeiten.
saturation
Wörtl. «Sättigung». «Saturation booking» ist seit den Vierzigerjahren die
Bezeichnung für eine Verleihtechnik,
bei der man einen Film in einer bestimmten Verleihzone mit möglichst
vielen Kopien simultan spielt, um so in
möglichst kurzer Zeit möglichst viele
potentielle Zuschauer zu erreichen.
Regionale «saturation bookings» für
Filme wie Hitler’s Children (RKO 1943)
bildeten eine Vorstufe zum nationalen
«wide release», der in den Siebzigerjahren gebräuchlich wurde. Als besonders wirkungsvoll erwies sich das Verleihmuster in Verbindung mit intensiven Radio- und Fernsehwerbekampagnen. Unter «saturation» versteht man
in den Fünfziger- und Sechzigerjahren
auch einen für große Kampagnen mittlerweile zum Standard gewordenen
Intensitätsgrad von Reklame, der dann
erreicht ist, wenn man die größtmögliche Anzahl von Werbemitteilungen
über die größtmögliche Anzahl verfügbarer Medienkanäle verbreitet.
serial
Fortsetzungsfilm mit mindestens 12 Episoden, dessen einzelne Kapitel im Wochentakt lanciert werden und untereinander durch Cliffhanger-Enden verbunden sind. In den Zehnerjahren waren
die Hauptfiguren meist weiblich, von
den Zwanziger- bis Anfang der Fünfzigerjahre meist männlich. Die ersten
Serials wurden in Frankreich von Victorin Jasset für Pathé produziert. Das
erste US-amerikanische Serial war The
Adventures of Kathlyn (Selig 1913).
series
Fortsetzungsfilm, bestehend aus 12 bis
14 Episoden, die in sich jeweils abge-
297
schlossen sind, aber die selben Hauptfiguren verwenden. Die erste Serie in
diesem Sinn wurde in den USA 1912
von Edison unter dem Titel What Happened to Mary? lanciert. Vorform der
zeitgenössischen Franchisen wie Batman oder James Bond.
slide
Dia, als Werbemedium Vorform des
Trailers. In den USA gebräuchlich von
Anfang der Zehner- bis Mitte der
Zwanzigerjahre, vor allem in kleineren
Kinos.
Teaser
Kurztrailer, der mehrere Monate vor
den regulären Trailern und sechs bis
acht Monate vor dem Filmstart in die
Kinos kommt. Bildet den Auftakt zur
Werbekampagne; hat die Funktion,
beim Publikum ein erstes Vorwissen
vom kommenden Film zu schaffen.
Als Format erstmals in den Dreißigerjahren von MGM verwendet; regelmäßig im Gebrauch seit ungefähr
1960.
tie-in
Verbundwerbung; Form der Reklame,
bei der zwei Firmen aus verschiedenen
Branchen ihre Kampagnen koordinieren, sodass ein Werbeformat für zwei
Produkte gleichzeitig wirbt. Das für
beide Seiten ertragreichste Beispiel ist
die langjährige Zusammenarbeit von
Disney und McDonald’s, in deren Rahmen McDonald’s zu Kindermahlzeiten
Plastikfiguren nach Filmmotiven abgibt und in seinen Werbespots auf die
Premiere des jeweiligen Films hinweist.
Trailer
Wörtl. «Anhängsel». Ursprünglich die
Bezeichnung für ein Stück Schwarzfilm, das zum Schutz am Ende einer
Filmrolle angeklebt wurde. Ab 1912
die Bezeichnung für den Filmstreifen
mit Texttafeln am Ende einer Serienoder Serial-Episode, der auf die nächs-
te Folge verweist. Seit Ende der Zehnerjahre auch gebräuchlich als Bezeichnung für die Vorschau, die aus
Filmausschnitten besteht.
Trailer-Produzent
Fachperson, die das Trailer-Script verfasst und die Herstellung des Trailers
leitet und koordiniert. In der klassischen Ära arbeiteten Trailer-Produzenten im Team mit einem Assistenten
und einem Cutter. Sie standen entweder im Sold der Studios (Warner Bros.
unterhielt von 1928 bis 1966 eine eigene Trailerabteilung, MGM von 1934 bis
Ende der Sechzigerjahre, Paramount
von 1939 ebenfalls bis Ende der Sechzigerjahre), oder sie arbeiteten für National Screen Service; in diesem Fall befand sich ihr Arbeitsplatz ebenfalls auf
dem Gelände des Studios, dem sie zugeteilt waren. Seit Ende der Sechzigerjahre wird die Trailer-Produktion von
unabhängigen Firmen wie Kaleidoscope
Inc. oder Aspect Ratio beherrscht, die
im Auftragsverhältnis für verschiedene Studios und Produzenten arbeiten.
Der Produktionsvorgang verläuft im
wesentlichen nach dem gleichen Muster wie in der klassischen Periode,
wenn auch auf einem höheren technischen Niveau, unter größerem Zeitdruck und unter stärkerer Anteilnahme der Produzenten des Films.
Trailer-Script
Drehbuch für die Herstellung des Trailers, in dem der Trailer-Produzent
nach der Visionierung des Films die
Grundstruktur und den Ablauf der
Vorschau festlegt. Ausgehend vom
Trailer-Script wird die definitive Auswahl der Szenen getroffen und die Fertigung des Trailers in Angriff genommen.
wide release
Massenstart mit bis zu 5000 Kopien,
koordiniert mit einer intensiven Fernsehwerbekampagne, die in der Regel
298
mit rund 50 Prozent der Negativ-Produktionskosten zu Buche schlägt. Verleihtechnik, die Mitte der Siebzigerjahre zum Industriestandard wurde und
darauf abzielt, Filme ähnlich zu vermarkten wie herkömmliche Konsumprodukte: Die Werbung kündigt ein
Produkt an, das zu einem bestimmen
Zeitpunkt von allen potentiellen Konsumenten zu einem einheitlichen Preis
an einer Verkaufsstelle in ihrer unmittelbaren Nähe käuflich erworben werden kann. Der Massenstart ersetzt die
skalierte Auswertung, in der ein Film
zunächst zu einem erhöhten Preis in
Premierenkinos lief und später ver-
günstigt in kleineren Kinos gezeigt
wurde. Voraussetzung für den Massenstart ist unter anderem die Abwanderung der Kinos in die Vorstädte und
die Vereinheitlichung des Ausstattungsniveaus der Spielstätten, eine
Entwicklung, die sich in den Sechzigerjahren vollzog.
zoning
Unterteilung des Verleihmarktes in
Auswertungszonen. Innerhalb einer
bestimmten Zone hat der jeweilige Abnehmer das exklusive Auswertungsrecht an einem Film.
299
Register
A
ABC (Fernsehnetwork) 14, 160
Academy of Motion Picture
Arts and Sciences
Adventures of Kathlyn, The 61, 65,
66, 67, 75
Advertising 74, 81, 82, 90,
115–117, 133, 291
Advertising Advisory Council
116, 117
Affair to Remember, An 245
Aldrich, Robert 245
All About Eve 180
Allardice, James B. 179
Allen, Woody 264
Alien 23, 25
Allyson, June 161, 180
Amadeus 237
American Graffiti 201
Anatomy of a Murder 182
Anna Christie 42
AOL-Time Warner 14
Architektur
– Kinoarchitektur 90f., 106ff.
– Architektur als Medium 13
Arizona Dream 244, 245
Armstrong, Louis 161
Around the World in 80 Days 171
Art House-Kinos 151, 154, 291
Ashby, Hal 51
Associated Motion Picture Advertisers 116
Atlas, Jack 22, 231
Attraktionen, Kino der
Austin Powers 2 204
Auswertung, skalierte 14, 139
B
Babes in Toyland 46/47
Balaban & Katz (Kinokette) 65,
86, 90, 154
Bardelys the Magnificent 103
Bass, Saul 170–174, 189
Bataille, Georges 263
Batman 293, 294
Batman Returns 207
Battle Hymn 157
Baudrillard, Jean 54
Bazin, André 30
Begehren 225ff.
– falsches 228
– konsumatorisches 228
– ludisches 228
– mimetisches 251ff.
Ben Hur (1925) 102, 133
Berlin, Irving 111
Best Years of Our Lives, The 165
Big Country, The 156
Big Lift, The 162
Big Parade, The 119, 133
Big Sleep, The 177, 242
Billy Jack 195
Binder, Maurice 173, 174
Biograph (Studio) 62–64, 68, 70
Birds, The 179
Blackbeard the Pirate 162
Block booking 78, 82, 86, 149, 291
Blockbuster (Filme) 14, 174, 261,
263
Blockbuster Video (Ladenkette)
14
Blurb 132, 291
Bogart, Humphrey 42, 124/125,
126, 168, 177
Bond, James 174, 205f., 297
Boorstin, Daniel J. 136
Bordwell, David 18, 24, 33, 37,
44, 47–50, 231
Borzage, Frank 101, 118
Boy’s Town 55
Branchenzeitungen 17, 68, 69,
82, 91, 92, 110, 140, 244, 291
Brando, Marlon 207
Brakhage, Stan 183
Branigan, Eward 18, 24, 26, 136,
239, 247, 250
Braveheart 122, 216, 218–220, 222
Breakout 194
Breen, Joseph I. 117, 118
Breezy 194
Brewer, William F. 39, 73, 240,
248, 251
Brigham Young 134
Brinckmann, Christine Noll 36,
293
Broken Blossoms 105
Bronco Buster 167
Bronenosets Potyomkin (Panzerkreuzer Potemkin) 231
Brown, David 236
Bruckheimer, Jerry 169
Buccaneer, The (1938) 34/35, 137
Buccaneer, The (1958) 180
Buddy, Buddy 260
Burton, Richard 184–186, 187/188,
190
Burton, Tim 207
C
Cagney, James 166/167
Canary Murder Case, The 40
Cannon Inc. 198
Cape Fear (1961) 183
Captive City, The 180
Carmen Jones 170
Carne Tremula 55
Carson, Johnny 166
Casablanca 29, 30, 33, 122–125, 127
CBS (Radio- und Fernsehnetwork) 14, 144, 145, 162, 166,
169
Chaplin, Charles 81, 85, 86, 91
Chevalier, Maurice 133
Cimino, Michael
Cindirella’s Twin 98
Cineplex Odeon 196
Circus World 257
City Lights 91
Cleopatra (1934) 133
Clockwork Orange, A 182/183
Clown, The 180
Cochrane, Robert K. 82, 83, 234
Cohens and the Kellys in Scotland,
The 115
Colgate Comedy Hour 167
Color of Money, The 262, 263
Cooper, Gary 95, 118, 165
Coppola, Francis Ford 28,192,200
300
Corey, Wendell 164
Corman, Roger 27, 210
Crichton, Michael 193
Cruise, Tom 262–265
Curtiz, Michael 112, 122
D
Dangerous Woman 113
Dante, Joe 210
Davis, Bette 180, 251
DePetie, David 174
Détective 266
Dias (Werbedias, Slides) 68, 69,
81, 82, 93f., 96
Dichter, Ernest 181
Del Rio, Dolores 198
DeMille, Cecil B. 17, 32, 44, 113,
133, 137, 143, 144, 153, 160,
162, 178–180
DeMille, William C. 134
Demme, Jonathan 183
Desperate Hours, The 168
De Sousa, Ronald 227, 228, 241,
246, 263
Dietrich, Marlene 38, 118
Dietz, Howard 128, 138
Dirty Dozen, The 245
Diskurs, Werbung als privilegierter 13
Disney (Studio) 14, 15, 23, 56
Disney, Walt 167
Dolce Vita, La 190
Douglas, Kirk 172
Dracula (1932) 108
Dracula (1992) 28
Dr. No 172–173
Dr. Strangelove, or How I Learned
to Stop Worrying and Love the
Bomb 181, 190
Dr. Zhivago 184
Duel in the Sun 140, 147, 151, 156
Dunaway, Faye 210, 216
DVD 201
Dyer, Richard 236
E
Eastwood, Clint 194
Edison (Studio) 61, 63, 65, 69, 70,
78, 134, 135
Edward, Blake 164
Einfeld, Charles 163
Ellis, John 23
Encore 130
Endorsement 48, 142, 176, 257
Enforcer, The 180
Eisenstein, Sergei 18, 52, 53
Emotion 226, 227, 229, 232
Ephron, Nora 245
Erinnerung 229ff.
– an die Werbebotschaft 229ff.
– an Filme 241ff.
– virtuelle 243ff.
Erinnerungsleistung 231
Erregung, Erregungszustand
229, 231
Essanay 78, 81, 94
Exorcist, The 194
Experiment in Terror 164
Exploitation 81, 87, 140, 146, 292
Exploits of Elaine, The 76, 82
Explosionen 226, 241
Exposition 33, 39, 42, 44, 54, 55,
74, 212, 218, 233
F
Faber, Robert 22, 37, 56, 167, 183
Fandiskurs, virtueller 225ff.
Famous Players-Lasky 78
Farewell to Arms, A 147
Fassbinder, Rainer Werner 256
Father’s Little Dividend 177
Featurette 32, 133, 137, 157
Fellini, Federico 190
Fernsehrechte, Verkauf von 197
Feuer, Jane 257
Field agent 87, 92, 292
Filmack (Trailerfirma) 93
Film-Erinnern 229, 244, 246, 250,
251, 256
Filmkritik 243, 255
Filmpalast 106, 107
Filmplakat 15, 28, 70, 138, 170
Filmtheorie 20, 247
– klassische 18
– kognitive 226
– psychoanalytische 18
First Run 65, 81, 86, 146, 152,
153, 157, 292
Flaherty, Robert 257
Fonda, Henry 113, 166/167, 177
Ford, John 169
Fortsetzungsfilme (siehe auch:
Serials) 66–68, 71, 75, 76
Foucault, Michel 275
Four Walling 288
Four For Texas 204
Fox Studios 14, 86, 106, 119, 121,
134, 143, 156, 160, 162, 182
Fox TV (Network) 14, 294
Fox West Coast Theatres 128
Fox, William 86
Franchise 204, 205, 293, 297
Frankenheimer, John 54
Franklin, Benjamin 62
Freleng, Fritz 174
Freud, Sigmund 192
Freudianisierung der Werbung
181
Friedkin, William 194
Frijda, Nico 227, 240
Frith, Simon 234
Fugitive, The 242
G
Gable, Clark 130–132, 166
Gallo, Vincent 245
Gallup, George 132, 139, 158
Garbo, Greta 42, 99, 101
Gardner, Ava 184–186, 187, 190
Garland, Judy 257, 258
Gedächtnis 48, 158, 234, 241–243,
245, 248, 249, 251
General Film 63, 64, 70, 77
General Motors 140
Genussvorbild 131, 236, 252, 254–
257
Gibson, Mel 217, 218, 220, 222
Girard, René 252, 253, 259
Gish, Lilian 140
Glenn Miller Story, The 161, 180
Godard, Jean-Luc 266
Godfather, The 192, 193, 200, 202,
248, 249
Goldwyn, Samuel 86, 100, 103,
114, 141, 165
Gone With the Wind 19, 110, 127,
128, 129, 130, 138, 146, 158,
166, 170
Goodman, Nelson 27–28
Gottlieb, Carl 191, 192
Grand Hotel 133
Grapes of Wrath, The 114
Grauman, Sid 105
Greatest Show on Earth, The 162
Great Ziegfeld, The 164
Greenberg, R., Associates 25
Griffith, D. W. 68, 70, 78, 86, 105,
117, 180, 236
Guber, Peter 169
Gunga Din 160
Gunning, Tom 70
Gulf & Western 155
301
H
Handel, Leo A. 167, 230, 254, 256
Haralovitch, Mary Beth 15, 16,
114, 117, 133
Hardy, Oliver 46/47, 127
Harris, Lou 61, 182
Harvey 168, 177
Hawks, Howard 177
Hays, Will 116, 236
Hazards of Helen, The 66
HBO (Home Box Office) 197
Hearst Publishing 65
Hearts of the World 236
Heimvideo 19, 72
Hercules 163, 164
High Concept 18, 174, 293
High Noon 165
High Sierra 42
Hill, George Roy 206
Hiller, Arthur 192, 200
Hines, Johnny 43
Hitchcock, Alfred 17, 32, 56, 113,
170, 171, 177, 179, 180, 245, 250
Hitler’s Children 146
Hochberg, Julian 231, 238, 246,
248, 249
Hodkinson, W. W. 77, 78, 103
Holden, William 180
Hope, Bob 49, 167
Hopper, Hedda 180
Horne, Lena 164
Hot Heels 99
Hudson, Rock 204
Hume, David 228
Hunter, Ross 204
Hustler, The 262
Huston, John 154, 184, 291
I
Image, narratives 23, 25, 100,
169ff., 190, 295,
Image, Marken- 22, 23, 174, 292
Ince, Thomas H. 78, 134
Industry Identity 56, 118ff., 121,
190, 243
Informationsverarbeitung 230,
231, 234, 238, 247
Informationsvergabe, Strategie
der 16, 22ff., 24, 30, 32, 33, 45,
50, 59, 70, 71, 98, 101, 121,
190, 227, 239, 243
Inserat 37, 57, 68, 79–81, 83ff.,
84, 91, 93, 94, 96, 107, 112,
141, 162, 170, 229, 230, 267
Integration
– horizontale 293
– narrative 70, 72, 135
– vertikale 19, 63, 85ff., 293
Interaktion, parasoziale 48, 114
Intolerance 105
Iron Claw, The 75
J
Jagger, Mick 51
Jaws 191, 192, 195, 200–202, 203,
204, 205, 294
Jazz Singer, The 110–113
Jeremiah Johnson 194
Jesus Christ Superstar 183
Jetée, La 249
Jewison, Norman 183
Johnson, Nunnally 238
Jolson, Al 111
J. Walter Thompson (Werbeagentur) 142, 144
K
Kabelfernsehen 19
Kaleidoscope Films 297
Kampagne, integrierte 58,
79–81, 89, 128, 138, 139, 142,
145, 153, 155, 158, 159, 162,
164, 182
Kefauver, John 180
Kernan, Lisa D. 15, 16, 112, 137,
237, 239, 244
Key Art 169ff., 174, 189, 294
Kid Glove Killer 132
Killer Elite, The 210
Knights of the Round Table, The
157
Kramer, Stanley 171
Krupa, Gene 161
Kubrick, Stanley 159, 172, 173,
183
Kuehn, Andrew 30, 58, 184, 190,
261
Kultfilmphänomen 72
Kusturica, Emir 245
L
Lacan, Jacques 229, 245, 252
Lady, The 101
Laemmle, Carl 69, 86, 94
Lagny, Michèle 17, 31
Laughlin, Tom 194, 195
Laurel, Stan 46/47, 127
Lasky, Jesse 77, 78, 90, 111
Lazarus, Richard 146, 158, 232
Léhar, Franz 133
Lemmon, Jack 166/167
Leno, Jay 166
Let’s Spend the Night Together 51
Letterman, David 167
Levine, Joseph E. 163
Lichtman, Al 87
Lights of New York 236
Little Drummer Girl, The 206
Loew, Marcus 86
Lolita 183
Lord, Daniel A. 110
Love Never Dies 95
Love Story 248
Lubitsch, Ernst 42, 115, 133f.
Lucas, George 201f.
Lucille Love, Girl of Mystery 66
Luhmann, Niklas 18, 44, 135,
136
Lux Radio Theatre 144, 180
M
MacManus, Edward 61, 62, 65
Magnificent Obsession 162
Magnicifent Seven, The 164, 182
Magnificent Yankee, The 177
Majors 86
Making of 23, 32, 133, 134, 136,
137f.
Mancini, Henry 205, 207
Mann, Anthony 161
Man With the Golden Arm, The
170
Man Who Knew Too Much, The
177
Markenzeichen (Trademark) 23,
57, 61, 68, 79, 82, 170, 204
Marker, Chris 249
Marktforschung 58, 132, 150,
181, 195, 206, 254
Marktkontrolle 62, 77ff., 79, 117,
151, 198
Maugham, William Somerset
158
Mayer, Louis B. 86, 110, 244
Massenstart 81, 146, 147, 152,
153, 192, 195, 196, 200, 201,
254, 297, 298
McCarey, Leo 245
McClure’s Ladies’ World 61
McDonald’s 20,6 207, 297
McGraw, Ali 248
McCormack, Catherine 218/219
302
Merchandising 149, 197, 201, 294
Merry Widow, The 133
Metro (Studio) 84, 86, 87, 98
Metz, Christian 247, 260
Midnight 160
Midnight Cowboy 154, 155, 296
Miljan, John 111, 112
Milland, Ray 180
Million Dollar Mystery, The 79
Mitchell, Margaret 202
Mitry, Jean 62
Montage
– montage interdit 30
– Polyphone Montage 50ff., 53,
55, 56, 190, 211, 217, 222, 239,
249
– Rechenmontage 50ff., 52, 184,
211, 212, 220, 221, 222
– Vertikale Montage 37, 52, 53
Monte Carlo 115, 119
Mr. Roberts 167
Mundpropaganda 154, 159, 202,
254–256
Münsterberg, Hugo 18, 259, 260
Murdoch, Rupert 14
Mysterious Lady, The 99, 100/101,
103
N
Nagel, Conrad 99, 115, 236
Nanook of the North 257
National Recovery Act (NRA)
117
National Screen Service 46, 83,
84, 93, 94, 96, 105, 109, 118,
121, 134, 138, 157, 159
NBC (Radio- und Fernsehnetwork) 142, 144, 160–162, 186
New Hollywood 209
Newman, Paul 168, 262, 263
Newscorp. 294
Night in Casablanca, A 114
Night of the Iguana, The 184–186,
187–189, 190, 210
Ninotchka 42
North by Northwest 179, 180, 245
No Sad Songs for Me 102
Novelizations 168
O
O’Neal, Ryan 248
One Eyed Jacks 183, 190
Outbreak 242
Oxbow Incident, The 113, 177
P
Pacific Heights 54, 233
Pacific Title 56
Paradine Case, The 176
Parodie 179
Patents Company 63
Pathé 65, 66, 71, 73–76, 80
Paths of Glory 172, 173
Pay-TV 197–199
Peck, Gregory 180, 183
Peckinpah, Sam 210
Perils of Pauline, The 65, 66, 71,
72, 73, 75
Peters, Jon 169
Phantom of the Opera, The (1925)
94
Philadelphia Story, The 112/113,
115, 260
Pink Panther, The 174, 204, 205f.
Plakat, siehe Filmplakat
Plakat, bewegtes 83ff., 84
Platforming 154, 155, 295
Pollack, Sydney 194, 210
Polyanna 244
Poseidon Adventure, The 194
Preisdiskrimination 199, 201
Preminger, Otto 157, 170, 171
Pride and Passion 172
Printer, Optische 50, 96, 119, 120
Production Code 110, 116, 117,
127, 295
Produkt, Film als 39
Produktdifferenzierung 44, 57,
68, 81, 106, 108, 118ff., 130, 190
Produktwerbung 15, 24, 50, 58,
79, 107, 156, 163, 173, 181,
182, 228, 230, 244, 253
Produktidentität 138, 141, 155ff.,
169, 202
Prolog 105–108
Pseudojournalismus 49, 114
Psycho (1997) 237
Publicity 81, 87, 88, 114, 134,
140, 142, 145, 158, 166, 295
Publikumsethnographie 244
Puzo, Mario 202
Q
Quigley, Martin J. 110, 116, 117,
149, 190, 295
R
Radiospots 162
Radiowerbung 19, 138ff., 145, 146
Raiders of the Lost Ark 209
Rainer, Luise 164
Rapolo, Ed (Disney) 207
Rätselplot 36, 39ff., 41, 55, 237
RCA 86, 142, 160
Reagan, Ronald 14, 196
Reap the Wild Wind 178
Rear Window 177
Redford, Robert 194, 210–216
Reeves, Steve 163
Re-Folklorisierung des Textes
58, 209
Regeln 16, 21, 31, 33, 94, 117,
165, 225, 265
Regression 227, 263
Renoir, Jean 146
Resnais, Alain 51
Return of the Jedi 216
Roach, Hal 127
Road Show 64, 151ff., 153, 154,
192, 296
Road to Mandalay, The 140
Robbe-Grillet, Alain 247
Robbins, Herman 46, 180
Rocky Horror Picture Show, The
208
Romeo and Juliet (1936) 157
Rope 176, 177
S
Saatchi & Saatchi 206
Saint Joan (1957) 157
Sargent, Epes Winthrop 73, 74
Sarnoff, David 142
Saturation 151ff., 162, 192, 194,
195, 296
Saturday Evening Post 57, 79
Saturday Night Fever 207
Scarlett Letter, The (1926) 140
Schank, Roger 256
Schenck, Joe 111
Schenck, Nicholas 165
Schindler’s List 242
Schlesinger, John 154, 233
Schließung, kognitive 240
Schlüsselszenario 227, 229, 230,
234ff., 264
Schnittfrequenz 54, 182, 184, 231
Schriftfilme 183
Schumacher, Joel 207
Scorsese, Martin 262
Seghers, Anna 121
Selznick, David O. 17, 32, 81,
128, 130, 132, 138, 140, 144,
303
146, 147, 151, 156, 158, 165, 166,
170, 176, 202
Selznick, Myron 134
Senator Was Indiscreet, The 161
Separate Tables 168
Serials 66–68, 71, 75–77, 296
Seventh Cross, The 121, 132
Seyrig, Delphine 51
Sheinberg, Sidney 51
Sherwood, Robert 165
showing as announcing 37, 50,
55, 121
Simpson, Don 169
Simulation 131, 246
– des Films 37, 53f., 103, 183, 217
– des Unterhaltungswerts 183,
217, 235ff.
– der Erinnerung 229, 251
Since You Went Away 146, 158
Siodmak, Robert 165
Sirk, Douglas 162, 204
Sjoestroem, Viktor 140
Skelton, Red 180
Sleepless in Seattle 206, 245
Slides, siehe Dias
Snow, Michael 183, 185, 187
So Is This 183, 184/185, 187
Sony 14, 196, 198, 216
Sound of Music, The 153
Soundtrack 14, 119, 169, 187, 202,
233
Spannungsplot 36, 39, 44, 45, 50,
51, 53, 55, 56
Spartacus 153, 259
Special Shot 130, 131, 180
Spielberg, Steven 191, 209, 216
Spinoza, Baruch 243
Sprecherstimme 36, 37, 42, 47,
48, 51, 54, 75, 96, 114,
118–120, 124, 127, 174, 185,
215, 218, 219, 222, 237, 241,
259, 260–263
Stacey, Jackie 244
Staiger, Janet 15, 44, 48, 57, 81,
121
Standfotos 37, 57, 69, 81, 82, 96,
99, 118–120, 131, 183, 248
Stanley Corporation (Kinokette)
85
Star
– als Verkaufsargument 57, 79,
82, 121
– als ökonomisches Phänomen
77ff.
Starauftritt
– im Fernsehen 165, 166, 180, 181
– in Trailern 177
Star Is Born, A (1954) 257, 258
Star Wars 201, 208, 209, 216
Sternberg, Josef von 38
Stewart, James 32, 33, 161f., 171,
176f., 177f.
Stevens, George 160
Stills, siehe Standfotos
Stimmung 22, 229ff.
Stop Making Sense 183
storytelling as selling 37, 50, 55,
71, 205, 207
Storystereotyp 52
Strategie, rhetorische 234ff., 257,
264
Stratton Story, The 180, 217
Stress, emotionaler 232
Struktur, klassische 36, 41ff.,
43–45, 47, 54, 55, 94, 103, 111,
118, 121, 122, 127, 129, 130,
179, 183, 184, 210, 217
Studiostil 32, 55–56
Sullivan, Ed 164, 165, 166, 180
Suture 222
System, narratives 39, 54ff., 55,
76, 250, 252
T
Talmadge, Norman 91, 101, 102
Tan, Ed S. 39, 226, 237
Teahouse of the August Moon, The
180
Teaser Trailer 32, 158, 159, 204,
297
Ten Commandments, The 44, 153,
158, 178
Tenderloin 112
Testvorführung 159, 191, 202
Texteinblendungen 36, 37, 46,
47, 49, 50, 55, 75, 96, 101, 113,
115, 118–120, 124, 126, 127,
174, 182, 215, 216, 251, 259ff.,
261
Texttheorie 175, 209
Thief in Paradise 100, 101
Third Man, The 232/233
This Land Is Mine 146
Three Days of the Condor 212,
215–217, 223
Three Men and a Baby 260
THX-Soundstandard 216
Titanic (1997) 200
Titelsequenz 170, 171, 174, 205
Toast of the Town 164, 165–167
Todd, Michael 171
Tomorrow Never Dies 200
Ton 51–53, 111, 119, 185, 213–
216, 220, 225, 233, 241, 251
Tonight Show, The 166
Tonmischung 231
Tonsysteme (Dolby, SDDS, DTS)
216
Topikreihe 215
Toy Story 2 204
Tracy, Spencer 121, 132, 177
Trailer
– als Muster des Films 26ff.
– als narratives System 39, 54ff.
– als Simulation des Films 36,
39, 45ff., 47
– Formgeschichte 17, 21ff., 31,
36f., 39, 46, 55, 57ff., 92
– Grundtypen des 36, 37, 233,
240
– klassischer Modus 37, 47, 48,
51, 55, 102, 111, 118ff., 119,
121, 127, 149ff., 174, 176, 182,
225, 237, 259
– klassische Struktur 36, 41ff.,
43–45, 47, 54, 55, 94, 96, 102,
103, 111, 119, 121, 123, 127,
130, 161, 179, 183, 184, 210,
217
– Kosten 181, 199, 225f.
– Musik im 54, 115, 127, 233, 240,
242
– Produktion 21, 46, 83f., 109f.
– Tests (Marktforschung) 206
– Texteinblendungen 36, 37, 46,
47, 49, 50, 55, 75, 96, 101,
114–116, 119, 124, 127, 131,
174, 182, 215, 216, 251, 259,
261
– Vertrieb 83f., 109f.
– Vorführung 108
– Weibliche Sprecherstimme 261
– Zweidrittelstruktur 36, 41ff.,
44, 55, 74, 98, 190, 207, 211,
217, 239
– zweiter Modus 37, 418, 50, 54,
55, 103, 174ff., 184, 207–209,
211, 217, 223, 233, 239, 240,
265
Trailerabteilungen der Studios
– Columbia 22, 56, 77, 156, 158,
162, 164
304
– MGM 17, 22, 56, 102, 127f.,
130f., 157, 158, 176, 236, 297
– Paramount 56, 61, 82–84, 94,
109, 145f., 160, 161, 297
– Warner Bros. 56f., 94, 109, 159,
168, 297
Transamerica 155
Travolta, John 207
Trickblenden 36, 46, 55, 118, 119,
127, 174, 250
Triumph of the Spirit 242, 244
Trust (siehe auch Patents Company) 63, 64, 68, 70, 77, 78
Turner, Terry 152, 153
TV Spots 22, 32, 44, 57, 160–163,
216, 225, 231, 262
2001 – A Space Odyssey 153
U
Union Pacific 160
Unterhaltung 64, 67, 71, 106, 109,
114, 120, 136, 150, 164, 174, 180,
235–237, 244, 259– 261
V
Van Sant, Gus 237
Ventilsitte, Kinobesuch als 139
Verbundwerbung 142, 167, 206,
297
Vertigo 171, 172
Viacom 14
Videospiele 14, 202
Vidor, King 121
Vikings, The 172
Vitaphone 32, 110, 111, 134
Vivendi-Universal 13, 294
Vorspann, vgl. auch Titelsequenz
76, 94, 103, 105, 170, 171, 174
W
Walsh, Raoul 42, 162
Warner, Jack 159
Wasserman, Lew 172, 191, 196
Wayne, John 180, 257
Weltausstellung 1939 160
Weltmarkt, US-Anteil am 15, 200
Wende, narrative 36, 37, 39, 58,
207ff., 267
Werbebudgets, Entwicklung von
140, 146, 156
Werbediskurs 24, 61ff., 62, 71, 72,
75, 76, 94, 202, 206, 207, 259
Werbepsychologie 139, 225, 229
Westworld 193
What A Widow 115
What Happened to Mary? 61, 62,
65, 74–79
Whitbeck, Frank 127–133, 137,
158
Wide Release, siehe Massenstart
Wilder, Billy 260
Williams, John 205ff.
Williams, Kathlyn 67
Williams, Tennessee 185
Winchester 73 177
Wirtschaftskrise (Depression)
110, 116, 117, 138
Wizard of Oz, The 136, 138
Wrong Man, The 250
Wulff, Hans-Jürgen 49
Wuss, Peter 17, 18, 215, 226, 248,
261
Wyatt, Justin 15, 18, 169, 202,
209
Wyler, William 156
Wyman, Jane 162, 180, 204
Z
Zanuck, Daryl F. 114, 165, 198
Zanuck, Richard 202
Ziegfeld Girl 158
Zinnemann, Fred 121, 132
Zoning 86, 298
Zukor, Adolph 77, 78
Zweitauswertung 19, 157, 192, 197