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2014
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Dies betrifft zum Einen den kontinuierlichen Rückgang der generationalen Kohorten mit der höchsten Partizipation klassischer Musik (Greats, Silents) als auch eine massive Veränderung bei den Boomers, bei denen ein Rückgang um 2.5 Mio. Zuschauern verzeichnet wird, da diese vermehrt Online-Angebote wahrnehmen (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS 2009b: 39). Es handelt sich somit um einen Trend, der sich in den nächsten Kohorten, die in geringerem Maße E-Musik-affin sind, noch verstärkt (Abb. 4) bzw. die , wie "Gen Y", über den höchsten Grad an Online-Aktivitäten verfügt (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS (2009b: 43). 13 Grants und Silents weisen auf die älteren, von Weltwirtschaftskrise, New Deal, Zweitem Weltkrieg und Kaltem Krieg geprägten Generationen. Mit den Early und Late Boomers werden die geburtenstarken Jahrgänge nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet, geprägt von "Cold War, Vietnam War, Civil Rights movement, National Endowment for the Arts created, public figure assassinations (JFK, MLK, RFK), moon landing, Woodstock." (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS (2009b: 38). Gen X entstammt einem Romantitel von Douglas Coupland, ein Äquivalent in Deutschland ist u. a. die Generation Golf. Mit Gen Y werden die Digital natives bezeichnet, deren Sozialisation in die Zeit des Internets fällt.
Mit der Musikwirtschaft 1 soll ein zentraler Bereich der Branche der in jüngster Zeit in den Fokus des Interesses gelangten Kultur-und Kreativwirtschaft vorgestellt werden. Schon die Bezeichnung Musikwirtschaft 2.0 weist auf fundamentale technologische Veränderungen hin, die häufig auch als ‚digitale Revolution' bezeichnet werden. Ausgehend von der Entwicklung des lizenzkostenfreien MP3-Standards (MPEG-1 Audio Layer III), ein Verfahren zur Komprimierung von digitalen Audiodateien mit geringen Qualitätseinbußen, und der Einrichtung von Tauschbörsen wie Napster (P2P-Netzwerke), setzte eine Entwicklung ein, die zwar formal betrachtet für urheberrechtliche Fragen irrelevant ist -Werke verlieren durch Digitalisierung keinesfalls ihren urheberrechtlichen Status -, die aber wohl gravierende Auswirkungen auf die Akteure im Feld hat, also auf die Urheber (Komponisten, Texter, Verleger, Veranstalter und Künstler), die Produzenten (Tonträgerunternehmen/Labels, Tonstudios), die Distribuenten (Handel und Vertrieb, Rundfunk und TV etc.) und natürlich auch auf die Endverbraucher (Käufer und Hörer). Laut einer Studie zur digitalen Content-Nutzung (DCN 2013: 8, ehemals Brenner-Studie) empfanden 2012 rund 56% der Bevölkerung die legalen digitalen Angebote als adäquat für die eigenen Bedürfnisse. Demgegenüber nutzten noch im Jahr 2010 lediglich 32% der Bevölkerung (19,9 Mio. Nutzer) Online-Angebote wie Musik-Downloads oder Musik-Streaming (DCN2011: 12). Download und Streaming betrifft nach dieser Erhebung nicht nur Musik, sondern zunehmend auch Filme und E-books -und dies, im Falle von illegalen Downloads bei einem überraschend hohen Unrechtsbewusstsein: 98% wissen offenbar, dass sie etwas Unerlaubtes tun, 80% wissen, dass rechtliche Schritte folgen können. 2 Auch wenn die aktuelle DCN-Studie (2013) einen gewissen Zweckoptimismus verbreitet (Zunahme des Bewusstseins für mögliche Urheberrechtsverletzungen, wach-1 Zur Definition der Branche s. den informativen Überblicksartikel von Söndermann (2011). 2 Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e. V. (GVU), eine von den Unternehmen der Film-und Unterhaltungssoftwarewirtschaft getragene Organisation, sieht ihre Aufgabe in der Aufdeckung von Urheberrechtsverstößen, aber auch in Aufklärungsarbeit durch Seminare und Vorträge bei Behörden, Schulen und gesetzgebenden Körperschaften bzw. auch in allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit.
sende Zufriedenheit mit legalen Angeboten im Netz, wachsende Akzeptanz einer Vergütung von Künstlern für urheberrechtlich geschützte Angebote), so ist doch zu vermuten, dass die Digitalisierung weiterhin massive Veränderungen in der Musikrezeption und den Strukturen der Musikwirtschaft verursachen wird -unabhängig von U-oder E-Musik. 3 Entsprechend konstatiert ein Bericht der League of American Orchestras (2009b: 20) nüchtern:
Nevertheless, with over a billion songs purchased digitally in 2008, it is clear that consumers are structurally shifting their ears and dollars to digital music and the music industry -classical and overall -will have to provide digital offerings for the consumers.
Auf dieses digitale Dilemma, Chancen durch Datenaustausch und wirtschaftlichen Einbußen, reagierte die Musikindustrie mit reichlich Verzögerung und einer Reihe von Gegenmaßnahmen wie technischen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Vervielfältigung und unerlaubtem Gebrauch (Digital Rights Management), 4 mit rechtlicher Verfolgung, mit vermehrter Öffentlichkeitsarbeit sowie Lobbying. Ungeachtet dieser vielfältigen Maßnahmen befindet sich die Musikindustrie seit dem Ende der 1990er Jahre in einer tiefen und anhaltenden Restrukturierungskrise, wenngleich aktuell -zumindest in Deutschland -eine relative Marktstabilisierung konstatiert wird (BVMI 2013a: 11). Betrachtet man allerdings in einem historischen Rückblick die Entwicklung des musikalischen Feldes, so findet man immer wieder technologisch bedingte Regressionsphasen und Entwicklungsschübe. Nimmt man das Konzept der Mediamorphose, "die durch Technik ausgelöst oder ermöglicht wird" (BLAUKOPF 1989: 5), so entwickelte sich Musik immer schon durch technische Innovationen. Das Konzept der Mediamorphose rekurriert auf drei Untersuchungsebenen: Die Anpassung der musikalischen Botschaft an die technischen Bedingungen der Aufnahme und Wiedergabe, die Nutzung der technischen Möglichkeiten im Interesse der musikalischen Botschaft sowie die durch diese Momente bedingte oder ermöglichte Veränderung der Rezeption der musikalischen Botschaft (BLAUKOPF 1989: 5f.). Alfred Smudits (2007) postuliert fünf Entwicklungsphasen, die ersten beiden graphischen Mediamorphosen (Erfindung von Schriftzeichen; Buchdruck), die dritte chemischtechnische Mediamorphose (technische Codierung durch Photographie, Grammophon und Film), die vierte elektronische (technische Codierung durch neue Formen der Ton-und Bildaufzeichnung und/oder -übertragung, z. B. Radio und Fernsehen) und schließlich die fünfte digitale Mediamorphose durch Computer, Internet etc.). 5 Es stellt sich somit eher die Frage, warum die Verantwortlichen in der Musikindustrie die neuen technologischen Herausforderungen der digitalen Mediamorphose so zögerlich aufgenommen und eher mit Blockadehaltungen und Eindämmungsstrategien reagiert haben bzw. erst angesichts des massiven und unabweisbaren Veränderungsdrucks anfingen, sich strategisch neu zu positionieren. Diese geringe Antizipationsund Adaptionsfähigkeit erklärt sich nach Ulrich Dolata (2008) aus generellen Schwierigkeiten einer Antizipation grundlegend neuer technologischer Möglichkeiten, aus dem sehr hohen Aufwand einer Anpassung der bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen, aus einem gewissen technologischen Konservatismus, aus der oligopolistischen Struktur der Branche sowie den hierarchischen Organisationsstrukturen in den führenden Tonträgerunternehmen, die die Option eines kontrollierten Wandels blockieren. Bei der digitalen Revolution handelt es sich letztlich um eine gravierende sozioökonomische und institutionelle Restrukturierung des Feldes insgesamt, für die das Auftreten neuer Akteure, neuer Konzepte und Wertschöpfungsketten charakteristisch ist. Und wenn sich auch in Deutschland (noch) von einem starken physischen Markt sprechen lässt mit ca. 1 Mrd. € Umsatz durch CDs (BVMI 2013a: 10), so weist der Trend doch auf eine weitergehende Digitalisierung und wachsenden Umsätzen durch digitale Wertschöpfung (s. Tab. 1).
Insbesondere die legalen Musikdownloads haben offenbar zu einer relativen Marktstabilisierung beigetragen ( 2013a: 2), das Single-Geschäft ist inzwischen fast ausschließlich digital (BVMI 2013a: 19). Große Hoffnungen werden zudem auf Streaming als neuer Teil der Wertschöpfungskette gelegt (BVMI 2013a: 12).
Erste Konsequenzen der digitalen Revolution im Bereich Musikindustrie zeigen sich in der Diversifizierung der Musikvermarktung, in der Herausbildung neuer Vertriebsformen, 6 einer Redefinition institutioneller Rahmenbedingungen, der Ausdifferenzierung des Akteursspektrums, Veränderungen sektoraler Macht-und Einflussstrukturen (DOLATA 2008), einem Rückgang der Käuferreichweiten. 7 5 Zur Branchenentwicklung s. a die Übersicht bei TSCHMUCK (2008). 6 Tendenzen sind das zunehmende Verschwinden der Vollsortimenter, eine schleichende Flächenreduzierung im Handel und das Sinken der Umsatzanteile im spezialisierten Einzelhandel, der bei nur knapp 1% liegt (BVMI 2013a: 39; 41 Abb.) 7 Der Bericht des Bundesverbandes Musikindustrie konstatiert, dass nur noch 3.4% der Deutschen als Intensivkäufer, die mehr als neun Musikprodukte pro Jahr kaufen, bezeichnet werden können (BVMI 2012: 31). Zu denken geben sollte, dass sich die Gruppe der Intensivkäufer, die für 43% des Musikumsatzes sorgt, sich zunehmend in die "Generation 50+" verlagert, die bereits für ein Drittel des Gesamtumsatzes aufkommt (BVMI 2013a: 32 Ungeachtet von lobbyistisch verbreitetem Zweckoptimismus dürften sich diese Transformationen durch die neuen sozialen Medien -digitale Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten -noch verstärken, ermöglichen diese doch bei schon geringen Kenntnissen des Webdesigns Selbstpräsentationen und soziale Interaktionen, wobei der User, ein Konsument und Produzent von Inhalten, zum Prosumenten wird (BLÄTTEL-MINK/ HELLMANN 2010). Für die Musikwirtschaft implizieren Social Media 8 eine Öffnung des Musikmarktes für alle. Die Musiker erhalten neue Möglichkeiten der Selbst-und Direktvermarktung (Aufbau von Netzwer-ken, direkte Kommunikation mit Fans 9 sowie Fundraising 10 ), während insbesondere die Tonträgerunternehmen an Bedeutung verlieren. In optimistischer Sicht ließe sich, ausgehend vom Gatekeeper-Konzept des Production of Culture-Ansatzes (GEBES- MAIR 2010), die Erwartung von mehr ‚Gates' und weniger ‚Keepern' formulieren.
Die Musiker sind in deutlich geringerem Maße auf die klassischen Strukturen der Musikindustrie angewiesen, da die Inhalte durch direkte Kommunikation mit den Fans zumindest in Teilen bestimmt werden. Zugleich gelingt es aber nach wie vor nur wenigen Künstlern, langfristigen ökonomischen Erfolg völlig ohne diese Strukturen zu erzielen (SUHR 2012: ##).
Eine weitere Tendenz und Reaktion auf die Zäsur ‚digitale Revolution' zeichnet sich im Bereich der Veranstaltungsbranche ab: eine hohe Dynamik von Gründungen, Initiierungen und Umgestaltungen von Konzerten, Festivals und Formaten (DÜM-CKE 2007). So entwickelte sich die reine Anzahl von Konzerten deutscher Kulturorchester nach ersten Höhepunkten Mitte der 1990er Jahre und rückläufigen Tendenzen um 2000 von 6.922 Konzerten 2001/02 auf bis zu 10.950 Konzerte in der Saison 2007/08, wobei für 2010/11 wiederum nur 10.654 Konzerte gelistet werden (http:// www.miz.org/intern/uploads/statistik20.pdf).
Diese Ausweitung mag mehrere Rückschlüsse zulassen: Zum Einen agieren zunehmend mehr freiberufliche Musiker und Ensembles bzw. Bands im Feld, zum anderen stellt das Konzert eine bedeutenden Einnahmequelle dar, was insbesonder angesichts der Einnahmeneinbußen im Verkauf physischer und digitaler Tonträger von Bedeutung ist. Möglicherweise lässt sich hier aber auch im Kontext der Eventisierung eine steigende Tendenz zur Teilhabe an gemeinschafts-und erlebnisorientierten und -stiftenden Ereignissen erkennen, die sich als "aus unserem Alltag herausgehobene, raum-zeitlich verdichtete, performativ-interaktive Ereignisse mit hoher Anziehungskraft" darstellen (HITZLER 2011: 13f.). Für das digitale Social Web ergeben sich hier scheinbar ideale Anknüpfungspunkte. Es geht nicht mehr nur um das Produkt Tonträger, sondern darüber hinaus um über eine reine auditive Rezeption hinausreichende Bedürfnisse, die auf die wachsende Bedeutung einer Serviceorientierung verweisen. Dabei entpuppt sich das Live-Entertainment als zweischneidiges Schwert: Während große, nicht alltägliche Produktionen oder globale Musikstars enorm hohe Ticketpreise verlangen können, müssen weniger bekannte Musiker und Bands teilweise Gagen, die nicht mehr als Aufwandsentschädigungen darstellen, in Kauf nehmen oder gar dem verbreiteten Pay-to-Play-Prinzip rechnen. Für freiberufliche Musiker kann dies ein Einkommen am Existenzminimum bedeuten.
Welche Szenarien sind nun für die Musikwirtschaft zu erwarten? Laut Bundesverband Musikindustrie hat sich der deutsche Musikmarkt, der viertstärkste Musikmarkt weltweit, 2012 stabilisiert.
Die stärksten Zuwächse sind im Download zu verzeichnen, das Internet wird insgesamt immer wichtiger für die Musikdistribution und -nutzung, dennoch bleibt die CD das wichtigste Format. Allerdings sinkt die Zahlungsbereitschaft für Musik weiterhin. Die Herausforderungen der Branche liegen somit auf einer rechtlichen, einer ökonomischen und einer sozialen Ebene und umfassen die:
-Eindämmung unbezahlter Musiknutzung, -Anpassung des Urheberrechts, -Entkriminalisierung von Jugendlichen und Gewinnung als Konsumenten, -Ausgleichung der sinkenden Einkommen der Kulturschaffenden, -Förderung junger, innovativer Unternehmen in der Musikbranche, -Ermöglichung von mehr gerechten Auftrittsmöglichkeiten, bessere Förderung des NPO-Sektors -Förderung der Musikerziehung in den allgemeinbildenden Schulen, -berufsbegleitende Fort-und Weiterbildung der Musiklehrer an allegmeinbildenden Schulen und an Musikschulen. 2 Single, Album, Video (à la carte-Downloads) 3 Subscription Services (Spotify, Napster, Simfy, Juke, WiMP …) 4 Werbefinanzierte Streaming-Services, pauschale Einmalvergütungen aus den digitalen Geschäftsfeldern, Sonstiges Betrachtet man die Anpassungsstrategien der Tonträgerindustrie, insbesondere der Majors, so zeigt sich eine große Bandbreite von legalen Downloads und dessen Ausdifferenzierung über das "360-Grad-Business-Modell" und Social-Media-Promotion, virales, cross-und Direktmarketing (on-und offline) bis hin zur strategischen Markenbildung.
3. "Leise flehen meine Lieder" 11 oder: "Art is no excuse to bore people" 12 -Die Situation der E-Musik im 21. Jahrhundert
Dass die in der Musikwirtschaft geschilderten Entwicklungen auch für die Darstellenden Künste im Bereich der E-Musik gravierende Konsequenzen haben, ist bis heute fast völlig übersehen worden. Zwar hat der Band von Martin Tröndle (2009), der sich mit der Zukunft des Konzertes befasst, durch seine pessimistischen Prognosen bzgl. der Konzertzuhörerentwicklung eine erhebliche mediale Aufmerksamkeit erzielen können. Weitgehend unberücksichtigt blieb bisher allerdings der Einfluss der Digitalisierung auf den E-Musik-Konsum. Zwar vermeldet der Bundesverband der Musikindustrie e.V. nach eher mäßigen Jahren einen deutlichen Umsatzanstieg der Klassiksparte im ersten Halbjahr 2013. Dabei wird allerdings auch konstatiert, dass sich der Klassikmarkt nach wie vor "noch am Anfang des digitalen Wandels" befindet -gemessen an den digitalen Umsätzen der Musikindustrie (BVMI 2013). Hier vermag ein aufschlussreicher Blick auf die Entwicklungen in den USA helfen, deren kulturpolitisches System zwar grundlegend anders ausgebaut und organisiert ist als das zentraleuropäische (HÖHNE 2005(HÖHNE , 2008,wobei aber dessen soziodemographische und -kulturelle Trends ungeachtet aller Unterschiede nicht völlig abgekoppelt von den entsprechenden US-amerikanischen verlaufen. Auch in Deutschland findet man soziodemographische Trends wie Alterung, Migration, regionale Schrumpfung bei parallelem Wachstum, Heterogenisierung der Lebensformen, Individualisierung/ Singularisierung. Aufschlussreich erscheint somit weniger der längst diskutierte langfristige Trend im Hinblick auf die prozentuale und absolute Entwicklung der Konzerthörer (für die USA s. Abb. 3), sondern dass dieser Trend offenbar sämtliche ‚performativen' Aktivitäten erfasst -auch kulturferne (Tab. 2):
Abb. 3: Partizipation an klassischer Musik (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS 2009a: 9). Fasst man diese Trends im Hinblick auf die Entwicklung der Partizipation klassischer Musik zusammen, so hat man es in den USA nicht nur mit einem kontinuierlichen Rückgang der Zuhörer insgesamt zu tun, sondern auch mit einem zwischen und innerhalb der Generationen (s. Tab. 3 und Abb. 4):
Neben den erwähnten soziodemographischen Trends ist diese generelle Entwicklung auch der Digitalisierung geschuldet, 14 lässt sich doch in allen Bereichen eine digitale Verschiebung beobachten, die in der Gruppe der US-Hörer klassischer Musik im Schnitt sogar über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt (Abb. 6):
Abb. 6: Internetaktivitäten (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS 2009b: 19).
Wirft man abschließend einen Blick auf das Partizipationsverhalten der jüngeren Generation (Gen X und Y), so zeigt sich ein deutlich geringerer Anteil an nicht-digitaler Teilnahme gegenüber allen vorherigen Generationen. Ob sich angesichts dieses völlig unterschiedlichen Sozialisationsmusters die Kohortentheorie aufrecht erhalten lässt, nach der Menschen ab 45 Jahren gewissermaßen automatisch traditionelle Hochkulturangebote wahrnehmen, sei dahin gestellt.
Abb. 7: Internetaktivitäten nach Alterskohorten (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS 2009b: 21).
Für die League of American Orchestras werden zumindest einige problematische Prognosen für den Fall erkannt, dass das Orchestersystem nicht auf die Herausforderungen reagiert (Abb. 8):
Abb. 8: Classical music audience projection, 2008-2018 (LEAGUE OF AMERICAN ORCHESTRAS 2009b: 22).
Es sind letztlich drei Szenarien, welche erkannt werden. Bei Nichtreaktion erwartet man einen Rückgang der Zuhörer um 28% oder in absoluten Zahlen um 5.6 Millionen bis zum Jahr 2018. Szenario 2 geht davon aus, dass ein Wachstum der über 60jährigen diesen Rückgang abschwächen kann, während Szenario 3 davon ausgeht, dass durch die Gewinnung anderer ethnischer Gruppen, erwähnt wird insbesondere die wachsende Gruppe der Hispanics, eine weitere Abschwächung des generellen Trends zu erwarten sei, der sich dann auf 9% bzw. auf 1.8 Mill. Zuschauer begrenzen ließe (Abb. 7) 15 :
.
15 Im Kontext sich wandelnder Gesellschaften im 21. Jahrhundert sind die Überlegungen Greg Sandows, ein u.a. ausgewiesener Musik-Kritiker und Autor des Blogs Greg Sandow on the Future of Classical Music (http://www.artsjournal.com/sandow/), letztlich nicht nur mit Relevanz für die USA äußerst aufschlussreich: "And this art form, let's note, has an almost all-white audience, almost all-white musicians, and an almost all-white repertory. How can classical music survive -and demand to be lavishly funded -in an age when soon we'll see a non-white majority?" (SANDOW 2013) Abb. 9: Classical music audience scenarios. Millions of unique audience members (LEAGUE OF AME- RICAN ORCHESTRAS 2009b: 25).
Als abschließendes Beispiel veränderter Angebots-und Nachfragestrukturen in der Hochkultur sei ein Beispiel aus dem Bereich Oper genannt. Die Metropoliten Opera (MET) in New York begann 2006, Opernaufführungen in mehreren Kinos der USA per Satellit zu übertragen. Weitere Kinos im Ausland folgten, andere Opernhäuser folgten dem Beispiel der MET, u. a. auch die National Opera in Großbritannien und die Mailänder Scala. In Deutschland und Österreich wurden in der Saison 2012/13 insgesamt 174 Kino-Spielstätten erfasst, an denen Opernaufführungen gezeigt wurden (REUBAND 2013). Neben unzweifelhaften Erfolgen, was diese Angebotsausweitung der MET angeht, werden aber auch gravierende Nachteile erkannt, so der leichte Rückgang der Besucherzahlen parallel zur Ausbreitung von MET Übertragungen im Kino. Laut MET Direktor Peter Gelb ziehen insbesondere die Zuschauer aus dem Umland New Yorks vermehrt das lokale Kino dem Besuch der Oper in Manhatten vor (New York Times 15.03.2013: C1; zit. n. REUBAND 2013).
Die hier aufgeführten Entwicklungen scheinen zunächst einem nach wie vor dominanten Ausbildungskanon gegenüberzustehen: In Deutschland beispielsweise werden an 27 Musikhochschulen zukünftige Musiker, im Wintersemester 2011/12 waren es rund 25.000 Studierende im Bereich Musik (SCHULZ/ZIMMERMANN/HUF-NAGEL 2013: 73), insbesondere für die zahlreichen subventionierten Orchester ausgebildet. Diese wiederum haben mit Subventionsstreichungen, sich wandelnden Personalstrukturen (Rückgang von Planstellen bei Zunahme von zunehmend prekären selbständigen Arbeitsverhältnissen wie Substituentenstellen) und beschriebener Freizeitkonkurrenz zu kämpfen. Die deutschen Musikhochschulen reagieren auf diese problematischen Berufsaufsichten ihrer zukünftigen Absolventen seit einigen Jahren mit einer stärkeren Verankerung berufsvorbereitender Seminare im Curriculum. Auf der Agenda stehen dabei i.d.R. grundlegende Fragen jedweder Freiberuflichkeit: Ein-kommensgenerierung und Finanzierung, Managementgrundlagen der Organisation und des Marketings, Versicherung und Altersvorsorge. Diese Entwicklung ist dabei als eine Reaktion auf Symptome zu verstehen. Markant ist, dass die Finanzierung solcher Programme und Career Center in nicht wenigen Fällen nicht über den Etat der Musikhochschule finanziert werden, sondern über alternative Finanzierungsquellen. Die Handlungsnotwendigkeiten sind zwar erkannt worden, sind aber nur mit Widerständen langfristig realisierbar.
All diese Tendenzen und Kontingenzen verursachen Unsicherheit. Man kann sich bei solch einer verschärfenden Debatte insbesondere um die Finanzierung klassischer Musik in ästhetisch-ideologische Kämpfe verlieren und gar eine Verteidigungshaltung einnehmen. Letztlich muss sich aber auch der Bereich der so genannten E-Musik einerseits mit seiner Teilhabe und Einbindung in konsumistisch-kapitalistische Gesellschaften -was keinesfalls Kritikfähigkeit ausschließt -und andererseits mit allgemeinen Veränderungsprozessen in Produktion, Distribution und insbesondere Rezeption von Kunst auseinandersetzen. Greg Sandow (2011) postuliert als Reaktion darauf ein notwendiges Umdenken, dass er in vier grundlegende Prinzipien zusammenzufassen versucht: "Understand and respect the culture outside the classical music", "Work actively to find your audience", "Be yourself" und "Make music vividly." Es ist durchaus kein Zeichen von Dekadenz, wenn man mit dem Musikwissenschaftler Richard Taruskin schlichtweg postuliert: "classical music is not dying; it is changing" (Taruskin 2009: 353).
Spätestens mit der Lektüre des Bandes sollte deutlich geworden sein, dass sich die Musikwirtschaft seit nunmehr über einer Dekade in einem tiefgreifenden Wandel befindet, der insbesondere die Wertschöpfungsketten, die Kommunikation und die Netzwerkstrukturen durch eine teilweise regelrechte Neuformierung des Feldes betroffen hat und betrifft. Kein Bereich der Musikwirtschaft kann behaupten, nicht in irgend einer Art und Weise davon tangiert zu sein.
Welche Zukunftsszenarien lassen sich nun entwerfen? Welche Vermutung zur Zukunft der Musikwirtschaft können angesichts der hier gesammelten Erkenntnisse angestellt werden? -Eine der bedeutsamsten Aufgaben der nächsten Jahre werden ethische und gesetzliche, den sich wandelnden Ansprüchen gegenwärtiger und zukünftiger (digitaler) Gesellschaften und zugleich den Rechten der Künstler gerecht werdende Regelungen zum Urheberrecht, zum Veranstaltungswesen und zu den Formen der Erwerbstätigkeit darstellen. Neben den Diskussion um den Umgang mit digitalen kulturellen Gütern werden hierbei womöglich die in Deutschland vorherrschenden öffentlichen Förderformen von Musik diskutiert und womöglich eine ausgeglichenere und gerechtere Förderung der verschiedenen musikalischen Bereiche gefordert werden. Zu wünschen wäre zudem, die oftmals äußerst prekären Lebensumstände freiberuflicher Musiker, Komponisten, Arrangeure, Sänger, Lehrer etc. in diesem Diskurs stärker zu berücksichtigen und Ernst zu nehmen. -Die stetig fortschreitenden Entwicklungen auf technologischer, produzierender und rezeptioneller Ebene verlangen nach wie vor innovative, an der Vielfalt ästhetischer Rezeptionsweisen orientierte Konzepte, wobei vermutlich neben einer adäquaten Kommunikation insbesondere die Frage der Absatzkanäle und -wege eine wesentliche Rolle spielen wird. -Letztlich muss nach all den Erkenntnissen auch nach der Ausbildung gefragt.
Die Weiterentwicklung und Anpassung der Lehre für die zukünftigen Musiker und Kultur-/Musik-Manager ist eine noch zu sehr vernachlässsige Aufgabe insbesondere der Hochschulen. -Auch die Wissenschaft ist nach wie vor gefordert: es benötigt weiterführende, vertiefende kultur-und sozialwissenschaftliche Forschungen zu den Lebenssituationen der und den Anforderungen an die Künstler, den digitalen Kommunikations-und Vergemeinschaftungsprozessen, den Entwicklungen von spezifischen Publika online und offline.
Letztlich muss aber noch einmal festgehalten werden, dass die Musikwirtschaft langfristig nur sinnvoll existieren kann, wenn weiterhin Musik über vielfältige und beispielsweise nicht per se kommerziell ausgerichtete Wege geschaffen und gespielt wird. So banal es klingt: Die Musikwirtschaft braucht unbedingt die Musik.
Literatur BLAUKOPF, Kurt (1989) Klassik um mehr als 10 Prozent. <http://www.musikindustrie.de/aktuell_einzel/ back/84/news/deutscher-klassikmarkt-waechst-im-jubilaeumsjahr-des-echoklassik-um-mehr-als-10-prozent> (Zugriff am 26.08.2013).
BOHNE, Tom (2009): Vom Newcomer zum Popstar. Funktion und Bedeutung
Musikpolitik ist jener Bereich der Kulturpolitik, in dem es um Musik und deren staatliche Förderung geht. In einem demokratisch verfassten Gemeinwesen müssen sich die Ziele und Maßnahmen der Kulturpolitik generell in einem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung legitimieren -vor allem dann, wenn es, wie bei der deutschen Musiktheater-und Kulturorchesterförderung, um sehr hohe Ausgaben geht. Die Diskussion um die Ziele, die Aufgaben und die Legitimation staatlicher Musikförderung wird sich angesichts anhaltend knapper öffentlicher Kassen in den nächsten Jahren vermutlich weiter verschärfen, und diese Diskussion wird wohl zunehmend inhaltlich geführt werden müssen. Denn was der Berliner Musikwissenschaftler Peter Wicke bereits Mitte der 1990er Jahre zu Versäumnissen der Kulturpolitik bemerkt hat, gilt in besonderem Maße auch für die heutige Musikpolitik:
Über die immer komplizierter werdende Frage nach dem »Woher« der finanziellen Mittel für die Kulturförderung scheint die Frage nach dem »Wofür« zunehmend in den Hintergrund, mancherorts sogar in Vergessenheit zu geraten. [...] Die den öffentlichen Diskurs dominierende Feststellung, daß Kultur wichtig sei, steht für einen Konsens, der nicht viel mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner in einer sich ausdifferenzierenden kulturellen Wirklichkeit verkörpert und damit verdeckt, daß die Vorstellungen davon, was denn »Kultur« ist, nicht nur höchst unterschiedlich sind, sondern sich erheblich pluralisiert haben. Mit Denkschemata wie »Hochkultur«, »Alltagskultur« »kommerzieller Kultur« und »Soziokultur« ist die vielschichtige kulturelle Wirklichkeit in der Bundesrepublik der neunziger Jahre nicht mehr zu fassen. [...] Insofern muß die Selbstvergewisserung, was eigentlich gemeint ist, wenn von Kultur gesprochen wird, notwendiger Ausgangspunkt eines jeden Nachdenkens über Kultur als Politikfeld sein. (WICKE 1997) Ziel des Beitrags ist es, eine Grundlage für die kulturpolitische Diskussion darüber zu schaffen, ob und wie Musik gefördert werden soll. Wo liegt die besondere Bedeutung und der Nutzen von Musik für das Gemeinwesen, durch den gerechtfertigt werden kann, dass die Allgemeinheit zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt, mit denen Musik ermöglicht wird? Im ersten Teil des Beitrags werden einige Leistungen und Funktionen von Musik diskutiert, mit der sich ihre Förderung durch das Gemeinwesen legitimieren ließe. Im zweiten Teil werden der historische Wandel des Musiklebens im 20. Jahrhundert skizziert, die verschiedenen Bereiche des Musikle-bens der Gegenwart systematisch dargestellt sowie einige Aspekte der öffentlichen Musikförderung diskutiert. Abschließend werden anhand von Erklärungen der Bundesregierung und des Deutschen Musikrates zentrale Themen der aktuellen musikpolitischen Diskussion in Deutschland angerissen. Beginnen möchte ich jedoch mit Überlegungen zum Kulturbegriff, der durchaus Implikationen für das Verständnis der Musikkultur der Gegenwart hat.
Die besondere Emphase, mit der hierzulande noch immer von Kultur und Bildung gesprochen wird, muss im Zusammenhang des spezifisch deutschen Sonderwegs einer nationalen Identitätsstiftung im 19. Jahrhundert gesehen werden. Kultur und Bildung wurden dabei vom deutschen Bürgertum mit einem vagen Verständnis von Kunst und Hochkultur gleichgesetzt. Schaut man genauer hin, so bleibt jedoch schleierhaft, was genau unter Kultur verstanden wurde und worin genau der Unterschied zwischen der deutschen Kultur und den Kulturen anderer europäischer Nationen liegen soll. Wie der Germanist und Kulturwissenschaftler Georg Bollenbeck in seiner Untersuchung Kultur und Bildung. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters (BOL-LENBECK 1994) überzeugend dargelegt hat, besitzen im deutschen Politikdiskurs die Ausdrücke Kultur und Bildung keine Sachdimension -es ist unklar, auf welche Sachverhalte sie sich beziehen -, sondern allein eine Sozialdimension: Sie dienen der sozialen Selbstverortung und Identitätsstiftung bestimmter sozialer Gruppen. Der nationalistische, ja chauvinistische Charakter dieser Nationalkultur wird besonders im Aufruf An die Kulturwelt!, mit dem 93 prominente deutsche Intellektuelle im Oktober 1914 den Beginn des Ersten Weltkriegs feierten, und in der ganz ähnlich ausgerichteten Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches, die mit mehr als 3000 Unterschriften von ca. 80% der deutschen Professoren unterzeichnet wurde (WEHLER 2003: 19). Der Schluss liegt nahe, die deutsche Nationalkultur trotz aller humanistischen Aspekte als tendenziell kriegsfördernd einzustufen. Ein übersteigertes Verständnis einer deutschen Nationalkultur ist heute noch immer präsent, u.a. in der anhaltenden Verehrung einer ‚deutschen Tonkunst', der in der Traditionslinie der ‚Drei B's' (Bach, Beethoven, Brahms) nach wie vor historische Singularität zugesprochen wird. Allerdings ist die soziale Geltung dieses Kulturverständnisses in dem Maße fragwürdig geworden, in dem ihre Trägerschicht verschwunden ist. "Die ‚Nationalkultur' war eine Sache des Bildungsbürgertums", schreibt Bollenbeck. "Diese Schicht existiert heute nur noch als Objekt der Geschichtswissenschaft. Ihr Deutungsmuster ist zerfasert. Ihm [dem Deutungsmuster] fehlen Kontur und Kulturelle Vielfalt wird somit als die unersetzliche Voraussetzung für Humanität, Demokratie, Menschenrechte und Frieden angesehen. An die Stelle von einem Bekenntnis zu Kultur und Bildung tritt die kulturelle Vielfalt als Grundwert der heutigen, pluralistischen Gesellschaft.
Das neue Kulturverständnis knüpft an einen Kulturbegriff an, wie er sich in den Sozialwissenschaften schon seit langem durchgesetzt hat. Demnach ist Kultur die raum-zeitlich eingrenzbare Gesamtheit gemeinsamer materieller und ideeller Hervorbringungen, internalisierter Werte und Sinndeutungen sowie institutionalisierter Lebensformen von Menschen bzw. sozialen Gebilden. Die zentrale Funktion einer repräsentativen Kultur für das Zusammenleben der Menschen liegt in den gemeinsamen Wirklichkeitsdeutungen und Wertorientierungen, die soziale Normen begründen und das Handeln leiten. Zwar ist Kultur in der Moderne zu einem relativ eigenständigen gesellschaftlichen Handlungsfeld geworden, das stark durch die modernen Massenmedien geprägt ist. Nach wie vor werden jedoch in der kulturellen Produktion mögliche Sinnkonstruktionen, Deutungsmuster und Werte zu Bewusstsein gebracht und einer aktiven Auseinandersetzung zugänglich gemacht (TENBRUCK 1990). Im Bereich der Kultur erfolgt die individuelle Auseinandersetzung mit Sinn-Vorgaben und Sinn-Angeboten, werden Modelle von Wirklichkeitsbewältigung und Lebensstilentwürfe spielerisch erprobt, neue Werte in den sich wandelnden Lebensbedingungen erkundet. Aus den dabei akkumulierten sinnlichen, geistigen und sozialen Erlebnissen beziehen die Individuen ihre Lebensperspektive, bestätigen diese, bauen sie aus oder erneuern sie. Die Resultante aller individuellen Lebensperspektiven aber ist nichts anderes als die Entwicklungsperspektive einer Gesellschaft. Mit anderen Worten: Kultur ist eine Art soziales Laboratorium, in dem neue Weisen zu leben, neue Sinngebungen, Wert-und Handlungsorientierungen im Hier und Jetzt einer erlebnisorientierten und gegenwartsbezogenen Wahrnehmungsform erkundet werden. In diesem Laboratorium erfolgt die Anpassung einer Gesellschaft an ihre Zukunft. (WICKE 1997) Voraussetzung für dieses Laboratorium der Sinngebungen, Lebensstile und Wertorientierungen ist die Freiheit, Offenheit und Vielfalt des kulturellen Schaffens und Erlebens. Die Gesellschaft tut gut daran, Rahmenbedingungen für ein solches Laboratorium zu schaffen.
Musik gibt es -ähnlich wie Sprache -in allen menschlichen Gesellschaften. Musikalität kann somit als eine grundlegende Eigenschaft des Menschen angesehen werden. Die Auffassungen davon, was Musikalität genau sei, haben sich zwar im Laufe der Zeit mehrfach gewandelt. Inzwischen hat sich jedoch eine ziemlich einfache und zugleich umfassende Auffassung durchgesetzt, die der britische Musikpsychologe John Sloboda so in Worte fasst: "Musical ability is the ability to >make sense< of music" (SLOBODA 1993: 106). Laut Sloboda wird die grundlegende Fähigkeit, sinnvoll mit Musik umzugehen, in den ersten zehn Lebensjahren ohne besonderen Unterricht gelernt. Die menschliche Musikalität ist kulturgebunden und bezieht sich zunächst einmal auf die Musik der eigenen Kultur, in die das Individuum in seiner musikalischen Sozialisation hineinwächst, kann sich jedoch im Laufe des Lebens aber auch auf Musik anderer Kulturen ausdehnen.
Was macht nun eine Musikkultur aus? Nach den amerikanischen Musikethnologen Jeff Todd Titon und Mark Slobin besteht eine Musikkultur nicht nur aus den klanglichen Strukturen der Musik, dem Lied-und Stückrepertoire mit ihrer spezifischen melodischen, rhythmischen und tonalen Gestaltung, aus den entsprechenden Schaffens-und Tradierungsprozessen sowie den Musikinstrumenten und, in neuerer Zeit, Musiktechnologien. Vielmehr lässt sich eine Musikkultur durch zwei weitere Dimensionen charakterisieren: Zum einen durch die kulturspezifischen Ideen und Vorstellungen, was Musik ist, die Vorstellungen zu ihrer Herkunft und Geschichte, ih-ren sozialen und kulturellen Kontexten sowie zu den ihr angemessenen Bewertungskriterien. Zum anderen durch die soziale Organisation von Musik, die Anlässe des Musikmachens, den sozialen Rollen im Musikleben, dem sozialen Status der Musiker und den Funktionen von Musik in der Gesellschaft (TITON/SLOBIN 1996: 7-13). Allerdings sind Musikkulturen keine fest umrissenen Einheiten, sondern waren schon immer durchlässig für Einflüsse aus anderen Musiktraditionen. Diese Tendenzen zum interkulturellen Austausch und zu neuen transkulturellen Musikformen haben sich im Zuge der verstärkten Globalisierung seit dem 20. Jahrhundert weiter beschleunigt. Doch warum gibt es nun in der ganzen Welt Musik? Wozu taugt die menschliche Musikalität? Obschon Antworten auf diese Frage immer ein stückweit spekulativ bleiben müssen, gibt es eine Reihe von Erklärungsansätzen, die durchaus plausibel sind. Schon Charles Darwin beschrieb den Nutzen der Musik bei der Partnerwahl: Wer schön singen kann oder Musik macht, erscheint attraktiver und hat dadurch eher bzw. mehr Nachkommen. So wählen Singvogelweibchen das Männchen, das am sangeslustigsten ist (MILLER 2000). Nicht nur Individuen, sondern ganze Tiergruppen haben mitunter Fortpflanzungsvorteile vom gemeinsamen ‚Musizieren'. Wenn etwa Gruppen von Affenmännchen rhythmisch koordiniert trommeln, so erscheint ihr Getrommel lauter und lockt daher eher herumstreunende Weibchen an (MERKER 2000). Eine weitere wichtige Funktion von Musik liegt in ihren Möglichkeiten der Kommunikation von Emotionen. Bereits Säuglinge lernen, durch nicht-sprachliche Lautäußerungen, im vokalen Ausdruck der Mutter deren Emotionen wahrzunehmen und selbst Emotionen vokal auszudrücken (STADLER ELMER 2008). Diese Fähigkeit wird später durch Lieder und Musik weiter gefördert, da in Musik Gefühlslagen sehr differenziert ausgedrückt werden können.
Der in Oxford lehrenden Musikpsychologe Ian Cross hat sich sehr intensiv mit den evolutionären Vorteilen von Musik auseinandergesetzt. Seine Ausgangsfrage lautet: Warum gibt es neben der menschlichen Sprache auch noch Musik? Warum reicht die Sprache nicht aus? Was unterscheidet Musik von der Sprache und was sind die spezifischen Vorteile von Musik gegenüber der Sprache? Ein Vorteil des Musizierens gegenüber dem Sprechen liegt, so Cross, im interaktiven Potenzial von Musik. Gesprochen wird in der Regel nacheinander, wenn einer spricht, hören alle anderen zu. Musik machen können dagegen mehrere Menschen gleichzeitig. Daher fördert Musik die Interaktion und stärkt den Zusammenhalt in sozialen Gruppen. Hinzu kommt, dass die Bedeutungen von Musik in einem weit größeren Maße vieldeutig und kontextabhängig ist als die Bedeutungen, die durch Sprache kommuniziert werden. Cross spricht hier von einer flexiblen Bedeutungsgebung von Musik, einer ‚fließenden Intentionalität':
Music's floating intentionality allows participants to interpret a flow of musical behaviours and sounds in individual terms while the temporal regularities of the framework that it provides act to co-ordinate their behaviours and attentional foci. (CROSS 2006) Auch wenn also verschiedene Menschen mit der Musik etwas Unterschiedliches verbinden, so verhindert diese Bedeutungsvielfalt nicht die soziale Interaktion. Denn trotz der Reichhaltigkeit und Vieldeutigkeit musikalischer Erfahrungen ermöglicht Musik aufgrund ihrer rhythmischen-metrischen Struktur (Beat, Puls) insbesondere die zeitliche Koordination der Aufmerksamkeit aller Beteiligten (entrainment). Cross kommt zu dem Schluss: music can be construed as guaranteeing the success of social interaction by creating conditions for the minimisation of conflict through its semantic open-ness while simultaneously enabling a joint sense of shared action that is oriented around commonly experienced temporal regularities. (CROSS 2006) Wenn Menschen Musik machen, miteinander singen oder tanzen, dann machen sie etwas zusammen -auch in Situationen, in denen es eigentlich zum Konflikt kommen würde. Als Beispiel schildert Cross, wie die britischen Seefahrer bei ihrer Eroberung Australiens mit Aborigines tanzten (CLENDINNEN 2005). Wohlgemerkt hinderte das gemeinsame Tanzen die Briten nicht daran, die Aborigines später nicht gerade freundlich zu behandeln.
Der amerikanische Musikethnologe Alan P. Merriam hat sich ausgiebig mit den Gebrauchsweisen und Funktionen von Musik in den verschiedenen Musikkulturen der Welt auseinandergesetzt. Während er unter den musikalischen Gebrauchsweisen die verschiedenen Situationen und Anlässe versteht, in denen Musik erklingt, beziehen sich die Funktionen von Musik auf "the specific effectiveness of any element whereby it fulfills the requirements of the situation, that is, answers a purpose objectively defined" (MERRIAM 1964: 219). Merriam unterscheidet eine Reihe verschiedener Funktionen von Musik, wobei natürlich ein musikalisches Ereignis gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllen kann: Musik dient dem emotionalen Ausdruck, der oftmals befreiend wirkt. Diese emotional-kathartische Funktion von Musik steht vielfach in Zusammenhang mit bestimmtem körperlichen Reaktionen, die teils biologische Grundlagen besitzen, jedoch in der Regel kulturell überformt sind. Gemeinsame musikalische Aktivitäten können Solidarität stiften, von Konfliktpotential befreien und bieten Möglichkeiten zur spielerischen Interaktion und Kooperation. Da in Musik bestimmte Bedeutungen greifbar werden, dient Musik immer auch der Kommunikation. Auf dieser Grundlage kann Musik mitunter zum Symbol werden für die kollektive Identität, z.B. durch repräsentative nationale Musikgattungen, Musikinstrumente oder Komponisten. Nicht nur durch ihre Symbolkraft wird Musik für soziale Gemeinschaften wichtig, sondern auch indem etwa durch Lieder, die ja in vielen Kultur von klein auf das Leben der Menschen begleiten, soziale Normen tradiert und bekräftigt werden. Indem Musik in sozialen Institutionen und religiösen Ritualen erklingt, bestätigt und repräsentiert sie diese Institutionen: Religiöse Musik repräsentiert Religionsgemeinschaften, Nationalhymnen repräsentieren Staatengebilde und Herrscher. Schon allein aufgrund ihrer Rolle innerhalb verschiedener sozialen Institutionen und in der Sozialisation leistet Musik einen wichtigen Beitrag zur Stabilität und Kontinui-tät einer Gesellschaft und einen ebenso wichtigen Beitrag zu deren Integration. Darüber hinaus dient Musik jedoch auch dem ästhetischen Genuss und der Unterhaltung von Musikern und Zuhörern.
Unterhaltung und ästhetischer Genuss sind zwei Funktionen von Musik, die einander nicht ausschließen. Zwar wird Ästhetik heute vielfach mit Kunsttheorie gleichgesetzt und zielt dann auf eine Reflexion der Kunsterfahrung, mit der Werturteile über Kunstwerke begründet werden. Ursprünglich ist die Ästhetik jedoch eine Teildisziplin der Philosophie bzw. der Erkenntnistheorie, in der es allgemein um das sinnliche Erkenntnisvermögen geht. Sinnliches Erkennen ist dabei nicht automatisch an Kunstwerke gebunden, sondern richtet sich ebenso auf die Natur (so bei Kant) oder auf Alltagssituationen und -objekte (SEEL 2003: 16ff.). Dieses offene Verständnis von Ästhetik wird wichtig, sobald es um kulturelle Vielfalt geht -insbesondere um ästhetische Erfahrung innerhalb von Kulturen und kulturellen Teilbereichen, in denen keine expliziten ästhetischen Theorien existieren. Der Philosoph Martin Seel beschreibt das ästhetische Vermögen des Menschen ganz allgemein folgendermaßen:
Dinge und Ereignisse darin zu vernehmen, wie sie unseren Sinnen momentan und simultan erscheinen, stellt eine genuine Art der menschlichen Weltbegegnung dar. [...] In der Wahrnehmung der unfasslichen Besonderheit eines sinnlich Gegebenen gewinnen wir eine Anschauung der unverfügbaren Gegenwart unseres Lebens. Die Aufmerksamkeit für das Erscheinende ist so zugleich eine Aufmerksamkeit für uns selbst. (SEEL 2003: 9) In der ästhetischen Wahrnehmung geht es also nicht um irgendwelche Funktionen oder Zwecksetzungen, sondern allein darum, etwas um seines Erscheinens willen wahrzunehmen. Seel nennt neben der Selbstzweckhaftigkeit eine Reihe von Merkmalen des ästhetischen Erscheinens und der ästhetischen Praxis: Die Offenheit für das Nicht-Bestimmbare und für synästhetische Erfahrungen sowie für die unmittelbare Gegenwart der Wahrnehmungssituation, welche die bloße Sinnlichkeit des ästhetischen Objekts, dessen Atmosphäre, aber auch Aspekte der künstlerischen Darbietungen umfassen kann. Darüber hinaus besteht eine potentielle Offenheit für durchschaubare Sinnestäuschungen, für ästhetische Imagination und Fantasie, aber auch für ästhetische Reflexion (SEEL 2003: 150ff.). Eine auf diese Weise geöffnete Ästhetik macht die Gegenüberstellung von ästhetisch wertvoller oder ‚ernster' Musik und bloßer musikalische Unterhaltung hinfällig. Denn auch Unterhaltungsmusik besitzt ästhetische Dimensionen, insofern sie nicht einzig der Ablenkung und Zerstreuung dient. Anders als von Kunst wird man von unterhaltenden Genres jedoch weder bedrängt noch überwältigt. Unterhaltung ist nicht ernsthaft um jeden Preis, sondern vermittelt ihre Botschaften und Inhalte eher nebenbei und zwanglos (HÜGEL 2003). Auch Unterhaltung ist also ‚ästhetisch', und umgekehrt kann Kunstmusik zugleich unterhalten.
Allerdings wurde im Musikleben lange Zeit geradezu ein Gegensatz von Unterhaltung und Ästhetik, von unterhaltender Gebrauchsmusik und ästhetischer Tonkunst konstruiert (SPONHEUER 1980). So diagnostiziert etwa der Musikkritiker Franz Brendel in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Spaltung des Musiklebens in zwei Klassen von Musikern und Komponisten -in einerseits eine Classe, welche ich nicht anders als mit der Benennung: schöne Seelen, zu bezeichnen weiss, ideal-gestimmte Naturen in sich befassend, die von der Welt sich abwenden, in sich verglimmend; andererseits die entschiedenen Speculanten, vertreten durch die Componisten des Tages, sowie durch alle Virtuosen, Sänger und Sängerinnen, denen die Kunst nur Geschäftssache ist. (BREN-DEL 1854: 28) Im Hintergrund der hier heraufbeschworenen Spaltung des Musiklebens in Kunst und Kommerz standen verschiedene historische Veränderungen. Im Zuge der allgemeinen Industrialisierung und Urbanisierung kam es im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer Kommerzialisierung des Musiklebens und zu einer Professionalisierung der Musiker. Musik wurde zunehmend zu einer Dienstleistung und Ware für einen nach kapitalistischen Prinzipien organisierten Markt. Dabei bedingten sich Entwicklungen auf verschiedenen Gebieten des Musiklebens. So entstand etwa aufgrund der Möglichkeit einer industriellen Klavierherstellung mit gusseisernen Rahmen die bürgerliche Hausmusik, die wiederum zu einer erhöhten Nachfrage nach einfach zu spielender Klavierliteratur führte, die von Berufskomponisten bedient wurde. Ein weiterer tief greifender Wandel des Musiklebens vollzog sich im Laufe des 20. Jahrhunderts durch den zunehmenden Einfluss moderner Medientechnologien auf die Produktion und Rezeption von Musik. Durch Tonträger, Radio, Film und Fernsehen sowie durch Digitalisierung und Internet ist Musik sukzessive zu einem Phänomen geworden, das heute fast überall verfügbar und nahezu allgegenwärtig ist.
Ab Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte zudem eine starke Amerikanisierung der Musik, durch welche die Musik der deutschen Nationalkultur und des Bildungsbürgertums zunehmend in Frage gestellt wurde. Bereits um 1900 lässt sich der Einfluss von ursprünglich afroamerikanischem Ragtime und Cake Walk im Schaffen deutscher Schlager-Komponisten ablesen, so z.B. beim Berliner Operetten-Komponisten Paul Lincke (RITZEL 1987). Nach dem ersten Weltkrieg kam es zu einer regelrechten Tanzwelle mit sog. Jazzmusik. In den 1920er Jahren wurde diese neuartige Musik zum Ausdruck nicht nur eines neuen, vorwiegend jugendlichen Lebensgefühls, Musik wurde vielmehr zum Ausdruck und Symbol einer neuen, demokratischen und zukunftsorientierten Lebenshaltung und Lebenseinstellung. So beschreibt der Journalist Hans A. Joachim Amerika und Jazz rückblickend als ein Symbol für Frieden und Zukunft -und gegen den militaristischen Geist des Kaiserreiches:
Amerika war eine gute Idee; es war das Land der Zukunft. Es war in seinem Jahrzehnt zuhause. Wir waren zu jung, um es zu kennen; unterdessen liebten wir es (…) Die Sympathie, die man für Lift, Funkturm, Jazz äußerte, war demonstrativ. Sie war ein Bekenntnis. Sie war eine Art, das Schwert zur Pflugschar umzuschmieden. Sie war gegen Kavallerie; sie war für Pferdekräfte. (…) Sie hielt es an der Zeit, dass die Zivilisation zu einer Sache der Zivilisten werde. Wie wir zu Amerika standen, zeigte, wo wir standen. (zit. n. PARTSCH 2000: 107) Diese symbolisch aufgeladene Amerikanisierung war auch nach Nazi-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg weiterhin Gegenstand hitziger kulturkritischer Debatten. Doch mit dem Boom der Rock-und Popkultur der 1960er und 1970er Jahre, der mit enormen Umsatzsteigerungen auch der deutschen Tonträgerindustrie einherging, setzte sich die populäre Musik vorwiegend US-amerikanischer Provenienz auch in Deutschland in allen Bevölkerungsschichten durch -und spätestens seither gehört die affirmative deutsche Nationalkultur der Vergangenheit an. Auch wenn sie im kulturpolitischen Diskurs bisweilen noch präsent ist (BOLLENBECK 1994: 307ff.), so bestimmt heute doch eine große kulturelle Vielfalt das Musikschaffen in der Bundesrepublik Deutschland.
Der folgende Vorschlag, das heutige Musikleben systematisch in drei Bereiche zu gliedern, orientiert sich bewusst nicht an den Musiksparten E-und U-Musik, da diese ideologisch motivierte Unterscheidung meiner Einschätzung nach inzwischen in Auflösung begriffen sind. Vielmehr lasse ich mich von drei unterschiedlichen Darbietungs-und Erlebnisweisen leiten, durch welche die Musikpraxis heute geprägt wird und die verschiedene musikpolitische Akzentsetzungen erfordern: Musik in den modernen Massenmedien, Live-Musik professioneller Musiker sowie die nichtprofessionelle Musikpraxis, die oft auch als Laienmusizieren bezeichnet wird. An allgemeinbildenden Schulen sind in Deutschland ca. 0,8 Mio. Schüler in Schulchören und -ensembles aktiv. Das entspricht einer Beteiligung von 5-14 % aller Schüler (je nach Bundesland) bzw. im Bundesschnitt von 9 % (NIMCZIK 2010). Kommunale Musikschulen verfügen über knapp eine Million Schüler (DARTSCH 2011). In Deutschland existieren ca. 900 öffentliche Musikschulen, die im Verband deutscher Musikschulen (VdM) organisiert sind; rechnet man die lokalen Zweigstellen hinzu, so gibt es ca. 4000 Musikschulstandorte. Ihre Schülerzahlen sind relativ gut dokumentiert, weshalb sie ein relativ verlässlicher Indikator für das Musizieren im Laienbereich darstellen. Während von 1998 bis 2009 die Zahl der Schulen von 979 auf 908 gesunken ist, wuchs im gleichen Zeitraum die Schülerzahl von 862.545 auf 957.668 und der Jahresetat von 699 auf 825 Millionen Euro, wovon ein zunehmender Anteil (47,8 % im Jahr 2009 gegenüber 43,7 % in 1998) durch Unterrichtsgebühren finanziert wird (DARTSCH 2011: 5). Die Finanzierung des verbleibenden Teiletats erfolgt in den verschiedenen Bundesländern auf unterschiedliche Weise. Während in den Musikschulhochburgen Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen die Kommunen sehr stark engagiert sind, beteiligen sich in Thüringen und Brandenburg die Landkreise relativ stark (DARTSCH 2011: 12).
Natürlich gibt es zwischen der Musik in den Massenmedien, der Live-Musik und der nichtprofessionellen Musikpraxis zahlreiche Überschneidungen. Das Laienmusizieren ist sowohl im Konzertleben als auch in den Medien präsent. Gerade das Internet spielt nicht nur im professionellen Bereich, sondern auch für semiprofessionelle und Amateurmusiker eine große Rolle, so etwa in sozialen Netzwerken und bei YouTube, wo inzwischen unzählige Musikaufnahmen und Musikclips von Amateuren zu sehen sind (JOST/NEUMANN 2010). Die enge Verquickung von Medien und Bühnen-Performances bei der medialen Konstitution von Live-Musik (Liveness) wird von Philip Auslander (2008) diskutiert.
Wie in der Kulturpolitik überhaupt, so lassen sich auch in der öffentlichen Musikpolitik drei Bereiche unterscheiden: 1. Die direkte Förderung von Institutionen durch den Unterhalt kultureller Einrichtungen wie Theater-und Konzerthäuser und Orchester, durch eigene Durchführung von Veranstaltungen und künstlerischen Projekten sowie durch die gezielte Projektförderung; 2. die Schaffung von juristisch-administrativen Rahmenbedingungen und die Förderung der Kulturwirtschaft; und 3. Musik als Bestandteil der mittel-und langfristigen Kulturentwicklungsplanung innerhalb einer Kommune oder Region, die oftmals in langwierigen demokratischen Prozessen diskutiert und ausgehandelt wird. Während die ersten beiden Bereiche der Kulturpolitik der "polity" (KLEIN 2005: 30f.) zugeordnet werden können, ist der dritte Bereich den kulturpolitischen Prozessen ("politics") sowie Zielsetzungen und Inhalten ("policy") zuzurechnen. Michael Söndermann vom Arbeitskreis Kulturstatistik in Köln hat zahlreiche Zahlen zur Musikförderung von Kommunen, Ländern und Bund zusammen getragen. Demnach entfielen im Jahre 2006 jeweils ein Drittel der Kulturausgaben von Ländern und Kommunen auf die Musik; das sind ca. 1 Milliarde € bei den Ländern und ca. knapp 1,4 Milliarden € bei den Kommunen. Dagegen engagiert sich der Bund nur mit ca. 4% seiner Kulturausgaben oder 31 Millionen € im Musikbereich (SÖNDER- MANN 2010: 3). Betrachtet man die Ausgaben für Musik von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahre 2006 nach Ausgabenbereichen, so fällt der riesige Anteil von 57,3% der Gesamtausgaben auf, die dem Bereich Musiktheater (einschließlich Theaterorchester, Theaterchöre und Ballett) zugedacht wird; hinzu kommen die Ausgaben für Orchester von 10,1% der Gesamtausgaben (SÖNDERMANN 2010: 7). Dass allein für diese Institutionen der hochkulturellen Musikpflege rund zwei Drittel der knapp zweieinhalb Milliarden Euro an öffentlichen Musikfördermitteln ausgegeben werden, lässt sich angesichts der gesamtkulturellen Entwicklung und der politisch gewollten Förderung von kultureller Vielfalt nur noch unter großen Schwierigkeiten legitimieren. Die auch heute noch lebendige Funktion der politischen Repräsentation einer Stadt oder Region durch ‚repräsenative' Musikereignisse wie Musiktheateraufführungen und Konzerte sowie der Wille zur Bewahrung des musikalischen Kulturerbes bieten wohl kaum noch eine ausreichende Begründung einer solchen Schieflage der Musikförderung. Umso mehr, als die Ausgaben für Orchester von 2003 bis 2006 noch um 12,3% gestiegen sind, während sich im selben Zeitraum die öffentlichen Ausgaben für Musikschulen um 5% verringert haben (SÖNDERMANN 2010: 5). Doch wie wird in Deutschland heute die öffentliche Musikförderung begründet und legitimiert? Welche Argumente spielen im musikpolitischen Meinungsbildungsprozess heute überhaupt eine Rolle? Und welche Zielsetzungen stehen im Hintergrund musikpolitischer Forderungen, Planungen und Entscheidungen? Zur Klärung dieser Fragen wäre es natürlich von großem Interesse, die zahlreichen kommunalen und regionalen Kulturentwicklungspläne der letzten Jahre im Hinblick auf die musikpolitischen Ziele und Maßnahmen auszuwerten und miteinander zu vergleichen. Allerdings würde es den Rahmen des vorliegenden Einführungstextes sprengen, en detail die musikpolitischen Diskussionen, wie sie in den einzelnen Regionen und Kommunen geführt werden, aufzurollen. Stattdessen möchte ich mich im Folgenden bei der Identifizierung der wichtigsten Themen des aktuellen musikpolitischen Diskurses auf die Ebene des Bundes beschränken und mich einerseits mit der Programmatik der Musikpolitik der Bundesregierung, andererseits mit der Verbandspolitik des Deutschen Musikrates, der seine Lobbyarbeit seit einigen Jahren unter dem Motto "Musikpolitik in der Verantwortung" betreibt (DEUTSCHER MUSIKRAT 2009), auseinandersetzen. Dabei folge ich der Vermutung, dass auf Bundesebene viele, wenn nicht all jene Themen diskutiert werden, die heute generell in der musikpolitischen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland eine Rolle spielen.
Im September 2011 veröffentlichte die Bundesregierung ihre umfangreiche Antwort auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Musikförderung durch den Bund (ANTWORT 2011). Neben einer detaillierten Auflistung der Ausgaben der verschiedenen Bundesministerien sowie der Kulturstiftung des Bundes liefert der Bericht folgende Gesamteinschätzung des Stellenwerts von Musik für das deutsche Gemeinwesen:
Musik spielt im kulturellen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland eine wesentliche Rolle. Deutschland verfügt über ein bedeutsames musikalisches Erbe und eine lebendige zeitgenössische Musikkultur, die alle Sparten und Genres umfasst. Das Musikleben in Deutschland zeichnet sich u. a. durch eine dichte Orchester-und Musiktheaterlandschaft, vielfältige Bildungs-und Ausbildungsangebote, einen großen Laienmusikbereich mit rund sieben Millionen musizierenden Menschen und eine hoch entwickelte Musikwirtschaft aus. (ANTWORT 2011: 1) Angesichts der Kulturhoheit der Länder versteht sich der Bund als ein Unterstützer für "Einrichtungen und Projekte von gesamtstaatlicher Bedeutung, die ihrer Eigenart nach nicht allein von einem Land gefördert werden können". Genannt werden Einrichtungen und Projekte zu bedeutenden deutschen Komponisten, beispielgebende Veranstaltungen und Projekte zur Verbreitung und Popularisierung zeitgenössischer Musik, geeignete Maß-nahmen zur Förderung des musikalischen Spitzennachwuchses, gesamtstaatlich wahrgenommene Veranstaltungen und Projekte zur Förderung des instrumentalen und vokalen Laienmusizierens, auf nationaler und internationaler Ebene wirkende Dachorganisationen und deren Projekte, herausragende Einzelmaßnahmen, die geeignet sind, für das Musikleben nachhaltige Impulse in den Bereichen Kulturelle Bildung, Musikwissenschaft, Musikjournalismus oder den verschiedenen Zweigen der Musikwirtschaft zu setzen, [sowie] die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit im Bereich Musik. (ANTWORT 2011: 2) Konkret fallen hierunter so unterschiedliche Institutionen und Projekte wie die Bayreuther Festspiele (jährlich 2,2 Mio. €), die Initiative Jedem Kind ein Instrument (Kulturstiftung des Bundes, 3,5 Mio. € im Jahre 2010) und die Initiative Musik zur Förderung der populären Musik (jährlich 1,5 Mio €). Unter die Förderung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien fällt auch der Deutsche Musikrat, der mit jährlich 3 Millionen € gefördert wird. Darüber hinaus werden einzelne Projekte des Deutschen Musikrates gefördert, so vor allem der Wettbewerb Jugend musiziert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit jährlich 3,1 Mio €. Die musikpolitischen Forderungen des Deutschen Musikrates lassen sich als einflussreicher Versuch einer übergreifenden demokratischen Legitimierung der öffentlichen Musikförderung in einem demokratischen Staat verstehen. Das entsprechende Grundsatzprogramm Musikpolitik in der Verantwortung wurde von der Mitgliederversammlung 2009 verabschiedet. Nach der kulturellen Gleichschaltung durch die Nazi-Kulturpolitik im Dritten Reich gelte es, ein "neues Verständnis" von Musikpolitik zu entwickeln, die als ein Instrument angesehen wird, "um mit und durch die Musik Politik für eine humane Gesellschaft zu betreiben" (DEUTSCHER MUSIKRAT 2009: 5). Aus diesem Grundverständnis leitet der Deutsche Musikrat drei musikpolitische Aufgabenfelder ab: 1. Die Beobachtung und Analyse der Entwicklungen in unserer Gesellschaft, wobei ausdrücklich auf die bereits erwähnte UNESCO-Konvention zu Schutz und Förderung der kulturellen Vielfalt sowie auf den Schlussbericht der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" (DEUTSCHER BUNDESTAG 2007) Bezug genommen wird; 2. die Verbesserung der Rahmenbedingungen im Musikland Deutschland, und 3. die Setzung innovativer Impulse für das Musikleben, durch gezielte Förderung mit Hilfe der oben genannten Projekte. Hieraus werden wiederum vier musikpolitische Schwerpunkte abgeleitet (DEUTSCHER MUSIKRAT 2009: 8f.):
An erster Stelle steht die musikalische Bildung, worunter, ganz ohne hochkulturelle Emphase, alle Formen der aktiven musikalischen Betätigung verstanden werden, also vor allem das eigene Singen oder instrumentale Musizieren. Dieser Schwerpunkt ist Gegenstand des 1. Berliner Appells des Deutschen Musikrates mit dem Titel Musik bewegt. Berliner Appell zur Musikalischen Bildung in Deutschland (DEUTSCHER MUSIK-RAT 2003). Ein besonderes Augenmerk wird neuerdings der Musikpraxis des älteren Teils der Bevölkerung gewidmet, und musikalische Bildung wird als lebensbegleitender Prozess beschrieben.
An zweiter Stelle rangiert ein Konzept von musikalischer Vielfalt, das sich an die UNESCO-Konvention anlehnt, jedoch einen besonderen Akzent auf den Dialog zwischen den Kulturen setzt. Dies wird bereits im Titel des 2. Berliner Appells des Deutschen Musikrates deutlich: Wer das Eigene nicht kennt, kann das Andere nicht erkennen. 12 Thesen zum interkulturellen Dialog! (DEUTSCHER MUSIKRAT 2006).
Der dritte Berliner Appell trägt den Titel Digitalisierung // Freiheit // Verantwortung. Fünf Forderungen für musik@deutschland (DEUTSCHER MUSIKRAT 2010). Hier schaltet sich der Deutsche Musikrat in die Diskussion um den Schutz -und die angemessene Vergütung -von Urhebern ein und macht sich dabei die Positionen von Tonträgerindustrie und Komponisten zueigen, wie sie auch von der GEMA vertreten werden. Das geltende Urheberrecht steht demnach nicht allein für den hohen Wert musikalischer Kreativität, sondern ist zudem Garant für eine funktionierende und prosperierende Musikwirtschaft.
Der Deutsche Musikrat nennt in seinem Grundsatzpapier einen vierten Schwerpunkt. Unter dem Motto ‚Investieren und Generieren' wird für das Schaffen von Anreizen zum bürgerschaftlichen und mäzenatischen Engagement für Musik plädiert.
Betrachtet man die verschiedenen Erklärungen und Initiativen des Deutschen Musikrats, so ist neben der auswärtigen Kulturpolitik, die sehr stark mit dem Postulat der kulturellen Vielfalt verknüpft ist, ein sechster Schwerpunkt der musikpolitischen Diskussion auszumachen. Unter dem Stichwort ‚Musikland Deutschland' werden sowohl der Stellenwert des Laienmusizieren und der Musikwirtschaft in Deutschland diskutiert als auch die deutsche Orchesterlandschaft und deren weltweite Einmaligkeit gewürdigt und als bewahrenswert dargestellt.
Musik ist eine kulturelle Universalie. In allen uns bekannten Gesellschaften gibt es neben der Sprache auch Musik. Gemeinsames Singen und Musizieren führt Menschen zusammen, die sonst nicht unbedingt etwas miteinander zu tun hätten, und fördert somit die soziale Solidarität und Integration. Musik ist darüber hinaus ein wichtiges emotionales Ausdrucksmittel für den Einzelnen und für Gruppen, Musik bereichert das Leben von Menschen aller Altersklassen und sozialen Milieus. Auch in der gegenwärtigen musikpolitischen Diskussion ist daher unbestritten, dass Musizieren und Singen eines möglichst großen Teils der Bevölkerung in Vereinen und Musikschulen unbedingt gefördert werden sollten -und zwar unter den Vorzeichen eines offenen Kultur-und Bildungsbegriffs, der viele, wenn nicht alle Arten von Musik einschließt und als potenziell ästhetisch wertvoll anerkennt. An die Stelle der Hochkulturpflege tritt in der neueren Diskussion zunehmend die kulturelle Vielfalt als Garant für Frei-heit, Demokratie, Menschenrechte und Frieden in einer pluralistischen Gesellschaft und globalisierten Welt. Gerade Musik kann beim interkulturelle Austausch und Dialog wichtige Dienste leisten. Ebenso unbestritten ist die Notwendigkeit der Nachwuchsförderung auf breiter Basis -hiervon zeugen die zahlreichen Wettbewerbe, die u. a. vom Deutschen Musikrat mit Unterstützung von Bund und Ländern regelmäßig durchgeführt werden.
Allerdings ist in Deutschland ein elitäres Kulturverständnis noch immer präsent, insbesondere dann, wenn es um die Repräsentation von Städten, Regionen oder der ganzen Nation durch Musik, oder aber um die Bewahrung eines Musikerbes geht, über das sich nationale Identität im ‚Musikland Deutschland' noch immer ein Stück weit definieren lässt. Hierbei wird nach wie vor die Exzellenz der künstlerischen Leistung angestrebt, die im musikalischen Bereich angeblich nur mit Hilfe von kostenintensiven Berufsorchestern und Musiktheater-Ensembles erbracht werden kann. Dabei wird man sich aber zunehmend der Frage stellen müssen, ob die breite Förderung der gegenwärtigen Orchester-und Musiktheaterlandschaft eine notwendige Voraussetzung für musikalische Exzellenz und Traditionspflege ist, oder ob zu diesem Zwecke eine Spitzenförderung nicht vollkommen ausreichend sein kann, ja vielleicht zu Ergebnissen führt, die -wie ein Leuchtturm -weiter in die Welt hinaus strahlen als der gegenwärtig praktizierte flächendeckende Ansatz, dessen hohe Kosten doch in einem gewissen Missverhältnis zu den zahlreichen Aufgaben der öffentlichen Musikförderung stehen.
ANTWORT 2011
Markenbildung und Kultur (= Weimarer Schriften zu Kulturpolitik und Kulturökonomie, 7). Leipzig: Universitätsverlag.
HÜBNER, Georg 2009 Nichtsdestotrotz ist auch Twitter eine Manifestation eines Lebens unter "den Bedingungen der Informatik" (LOVINK 2012: 191) und durchdringt damit den Alltag, aber auch außeralltägliche Situationen, wobei vor allem aktive Twitter-User (Tweeter) beim ‚Twittern/Tweeten' emergente Verweisungszusammenhänge produzieren. In Bezug auf Festivals könnte dies bedeuten, dass diese nicht nur in der Realität, sondern ebenso auch auf Twitter ‚stattfänden', wobei aufgrund des spezifischen Festivalsettings sowie der vom Festival angesprochenen Zielgruppen keine verallgemeinerbaren Aussagen getroffen werden können, durch die bspw. Rückschlüsse auf die Twitternutzung bei Festivals im Allgemeinen aus dem Bereich sich unterscheidender Musikgenres, wie zum Beispiel Wacken OpenAir, Rock am Ring, Melt! oder Splash gezogen werden können. In diesem Beitrag soll aufbauend auf einer jüngst erschienenen Studie (KIRCHNER 2011) zu den Besuchern des Fusion Festivals eben jenes in Bezug auf den Gebrauch von Twitter durch Festival(-nicht-)besucher untersucht werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich durch die Nutzung von Twitter eine eigenständige Gemeinschaft entwickelt, die sich durch den für das Fusion Festival genutzten Hashtag vergemeinschaftet. Es soll einerseits geklärt werden, in welcher Weise diese Konstitution von Gemeinschaft vollzogen wird und in welchem Verhältnis der ‚Stamm' der unter dem Hashtag subsumierten Tweeter zum Stamm der Fusion-Festival-Besucher steht.
Automatic Retrieval of Rhythmic Patterns for the Global Music Database, a Joint-Project Between Musicologists and Audio Engineers Nina Graeff, Philip Küppers, Felix Pfeifer und Tiago de Oliveira Pinto This year the amount of digital music files will finally outnumber the amount of pieces of music on physical sound carriers. This development affects dramatically the way we use, store and search for music. To be able to gain satisfactory profit from the worldwide availability of digital music, this huge amount of data needs to be analysed and organized so that individual pieces, genres and cultures can be easily and adequately identified. Currently Internet-companies mostly apply collaborative filtering, meaning that a system looks for profiles similar to the user's and then makes suggestions. However, if such a filtering-system was, for instance, to detect a genre of a certain piece of music or confront the potential user with other pieces containing similar rhythms and which therefore might be of particular interest to him, it could not.
To boost the development of an improved automatic classification system based on music data, the Global Music Database project was initiated in February 2011. At the chair of Transcultural Studies of the Liszt School of Music in Weimar, musicologists are working together with audio-engineers from Germany (IDMT) and Norway (Bach Technology) in pursuit of a common approach to understanding and analysing the most different musical styles, from traditional to pop. To form this team of musicologists, 20 renowned music experts from all around the world were chosen to identify and annotate the most distinctive music samples and characteristics of their cultures. This Database marks the beginning of an universal database of annotated music, including both commercial as well as marginalised music genres and cultures. This project presentation is to briefly highlight the first steps already undertaken and present some of the most evident problems, questions and first findings.
The first task of the project was to search for rhythmic periodicities, this means, for rhythm patterns that are characteristic of specific music genres. Although every instrument and even the human voice produces rhythm, and, furthermore, has the potential to distinguish musical styles, the project focused on rhythm patterns of percussion instruments, as their sound spectrums are more likely to be automatically extracted by a software. It goes without saying that rhythm is only one aspect with the potential to characterise musical styles, and can be combined with other aspects.
area" für den Privatmann. Und alles macht er gleich gut, denn er ist Profi und wird es bleiben." Die professionelle Arbeit als Komponist ist tatsächlich durch zwei wesentliche, volitive Schwerpunkte bedingt, die mit dem romantisch verklärten Bild eines Johann Strauß, der, gehstöckchenschwingend durch den Park schreitet und seine Walzermelodien in den Sand kritzelt, natürlich nichts zu tun haben (Die wenigsten Zeitgenossen wissen vielleicht, dass die Strauß-Dynastie eine der am kommerziell erfolgreichsten, im Sinne von Gewinnmaximierung höchstprofessionell arbeitenden Unterhaltungsunternehmen der europäischen Kulturgeschichte war):
-Die Frage nach meiner künstlerischen Botschaft, und -die Frage nach dem, ob und wie ich davon leben, damit Geld verdienen möchte.
Der Künstler hat also einerseits über sein künstlerisches Wollen, über seine Ästhetik und seine künstlerischen Medien bzw. Kommunikationskanäle zum Publikum zu entscheiden, andererseits jedoch über sein Verhältnis zur Profession, zur Vermarktung bzw. Vermarktungsfähigkeit seiner Kunstwerke. Jedes der beiden Themen -mein Anspruch am die Kunst und mein Anspruch an ihre Vermarktung -hat Auswirkungen auf das jeweils andere Thema. L'art pour l'art, deren Sinnhaftigkeit ich hier nicht abstreite, benötigt per se keinen Markt. Bejahe ich jedoch mein Künstlertum als Beruf im vollgültigen -also auch merkantilen -Sinne, werde ich nicht umhinkommen, mich mit Marktanalyse und Markttechniken zu beschäftigen.
Dabei muss die reflektierende Beschäftigung mit ‚dem Markt' nach meiner Überzeugung sich überhaupt nicht negativ auf das Artifizielle meiner Kunstwerke auswirken. Im Gegenteil: Ohne der allgemein beklagten Sparwut im öffentlichen Raum das Wort reden zu wollen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Reflexion einer Komposition, die etwas mit der Vermittlungsfähigkeit ihrer Botschaft an ein Publikum oder ganz schlicht mit der begrenzten Größe eines Budgets oder Orchesters, der Enge eines Orchestergrabens oder dem begrenzt vorhandenen Arsenal an Instrumenten zu tun hat, bei mir oft eine Veredelung dieser Komposition nach sich zog, da sie mich zu innovativen Lösungen zwang, wollte ich meine Botschaft dennoch an den Mann/ die Frau bringen.
Ich behaupte, dass meine großen verstorbenen Kollegen, die Heroen des europäischen Barock, der Klassik und Romantik zu allen Zeiten je ihren Markt genau in dieser Weise im Blick hatten, mit den Wünschen ihrer Auftraggeber und den Grenzen ihrer Ressourcen rechnen mussten und die Wirkung ihrer Kunstwerke auf ihr Publikum genauestens studierten. Es seien hier beispielhaft die Kleinen Geistlichen Konzerte von Heinrich Schütz, die Deutschen Tänze von Ludwig van Beethoven oder die Streicherbehandlung vs. die Behandlung des Holzes in vielen Sinfonien bzw. Opernpartituren Mozarts genannt, die vermuten lassen, dass Mozart oftmals mit kleinem Orchester großen Klang zaubern musste.
Wenn ich Künstler sein und Geld verdienen will, brauche ich ein offenes, neugieriges, möglichst an mich gebundenes Publikum und zahlungskräftige private und öffentliche Auftraggeber. Einen lebendigen Markt also. Für viele zeitgenössische Kollegen und Kolleginnen eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Wie kann ich das dennoch erreichen?
Die Erteilung von Aufträgen, zumal öffentlichen, hängt von einer Vielzahl von Komponenten ab, unter denen die solide Finanzierung eine der wichtigsten, wenn auch sicher nicht die einzige ist. Es gibt bei Dramaturgen und Entscheidern Fragen nach der Zielgruppe, nach möglichen ästhetischen, politischen und/ oder gesellschaftlichen Aussagen des Kunstwerkes, nach der durch die Auftraggeber subjektiv vermuteten ästhetischen Wirkung, nach der Popularität, der Funktionalität, des Raumes, der geforderten Instrumentierung, der Rollen und Stimmfächer, der erhofften Wirkung als Event und v.a.m.
Als wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Marktentwicklung, für Aufträge und Folgeaufträge, für Publikumsbindung etc. wird sicher eine klar strukturierte und volitiv starke, von anderen Künstlern deutlich abgehobene eigene künstlerische Idee zu nennen sein, ferner die diszipliniert, selbstkritisch und fortlaufend entwickelte, zunehmend wiedererkennbare individuelle künstlerische Handschrift, vulgo der Grad einer Markenbildung als Komponist 1 .
Abb. 1: Marktzugang und Marktentwicklung.
Das hier vorgestellte Organigramm zeigt aus meiner persönlichen Beobachtung heraus vier Wege, wie sie von nichtkommerziellen Komponisten (‚E-Musik-Komponisten') in Deutschland und Europa im Allgemeinen beschritten werden, wenn sie mit ihrem Markt 2 umgehen. Alle vier werden in der Praxis in unterschiedlichen Anteilen von jedem Komponisten verwandt und sollen dem Komponisten jeweils Marktzugang, sprich Publikum und Auftraggeber, verschaffen. Um der erwünschten Freiheit des Künstlers Rechnung zu tragen, der als solcher nicht nur Dienstleister, sondern vor Allem auch Kreator sein kann und muss, sollten diese Wege immer auch mit Blick auf den Grad künstlerischer Selbstbestimmung kritisch betrachtet werden.
1 Der Einfachheit halber spreche ich von nun an immer in der maskulinen Form, wenn ich beide Geschlechter meine 2 Unter Markt verstehe ich hier die Gesamtheit des tatsächlichen und potenziellen Publikums inklusive der entsprechenden öffentlichen und privaten Veranstalter und Entscheider
Die Perspektiven der Musikwirtschaft sind heute gebunden an die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die nicht ausschließlich den Tonträger in das Zentrum der Verwertung rücken (EMES 2004). Blickt man historisch auf die Musikwirtschaft, dann wird jedoch deutlich, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass der Tonträger in Form der Schallplatte zur primären Verwertungsform von Musik geworden ist. In der Bundesrepublik wurden Schallplatten im Kontrast zur aufgeführten Live-Musik und dem Notendruck der Verlage erst im Zuge des Wachstums der 1960er Jahren zum wirtschaftlich dominierenden Objekt. "Denn die auffallendste Erscheinung unserer Zeit ist der zunehmende Ersatz der lebenden Musik durch aufgenommene Musik", schrieb noch Mitte der 1970er Jahre die GEMA ihren Mitgliedern, um die Verschiebung der Darbietungs-und auch Vergütungsformen von Musik zu beschreiben (GEMA-Nachrichten 1975/102: 25). Verständlicherweise geht es in der Debatte über eine "Musikwirtschaft 2.0" um die gegenwärtig ungelösten Probleme bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle. Im Rahmen dieses Beitrages soll dagegen im Folgenden aus historischer Sicht gefragt werden, inwieweit die Tonträgerindustrie in ihrer Geschichte mit strukturell ähnlichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung ihrer Produkte konfrontiert war. Die Zeit der 1950er und 1960er Jahre ist dafür medien-sowie wirtschaftshistorisch besonders interessant, weil es für die Plattenfirmen der Bundesrepublik darum ging, einen erheblichen Wandel der musikwirtschaftlichen Strukturen zu gestalten. Geht es heute, so ließe sich überspitzt formulieren, vor allem darum, Musikaufnahmen auch ohne das Medium Tonträger zu vermarkten, so war die strategische Herausforderung der Plattenfirmen damals, den Tonträger als Medium für Musik für eine breite Käuferschicht zuallererst zu etablieren (SCHILDT/SIEGFRIED 2009: 267ff.).
Im Fortgang soll daher vor allem auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen werden, die sich den Unternehmen im Zuge der Tonträgervermarktung trotz ihrer erfolgreichen Entwicklung stellten. Nach einer kurzen Darstellung der musikwirtschaftlichen Trends in der Bundesrepublik ab den 1950er Jahren wird dazu schlaglichtartig auf verschiedene Entwicklungen der Industriegeschichte verwiesen, die jeweils auf technische, angebots-und nachfrageseitige Aspekte der Schallplattenindustrie in der frühen Bundesrepublik Bezug nehmen.
Hätte man Mitte der 1950er Jahre nach den zukünftigen Perspektiven der Musikwirtschaft gefragt, dann hätte vermutlich eine wachsende Anzahl von Akteuren mit dem Begriff Schallplatte geantwortet. Hintergrund war ein erhebliches Wachstum der deutschen Schallplattenindustrie seit Beginn der 1950er Jahre. Zwar wurden auch schon vor dieser Zeit größere Mengen an mechanischer Musik verkauft, was zu der Herausbildung einer eigenständigen Phonographischen Industrie bereits um 1900 führte (GAUß 2009: 33). Bis in die 1950er Jahre waren die musikwirtschaftlichen Strukturen jedoch geprägt von der aufgeführten Live-Musik und dem damit korrespondierenden Notengeschäft. Die wesentlichen Akteure der Musikwirtschaft waren dementsprechend die Musikverleger, die einen eigenständigen Industriezweig bildeten und deren Funktion in der wirtschaftlichen Verwertung der jeweils angenommenen Werke bestand (NATHAUS 2011: 142ff.). Die Produktion einer Schallplatte war dabei eine mögliche, aber noch keinesfalls die dominierende Form der lizenzrechtlichen Verwertung. Bis in die 1960er Jahre bildeten die Plattenfirmen in der Bundesrepublik daher auch nur eine relativ kleine, wenn auch zunehmend wachsende Wirtschaftsbranche. Die Firma Siemens beispielsweise, seit 1941 Inhaberin der traditionsreichen Schallplattenfirma Deutsche Grammophon, verstand ihre Schallplattenaktivitäten in dieser Zeit nicht in erster Linie als kommerzielle, sondern mehr als kulturelle und prestigefördernde Maßnahme (HEIN 1963).
Das Wachstum der Schallplattenindustrie ab den 1950er Jahren war jedoch der Beginn einer langfristigen Verschiebung der Kräfte im Bereich der Musikwirtschaft. Schon am Ende der 1950er Jahre hatte sich das anfangs erwartete Marktvolumen nahezu vervierfacht und 1960 erzielte die Branche mit 61,4 Mio. Schallplatten eine vorläufige Umsatzspitze, bevor der Markt in den 1970er Jahren dann erneut in eine expansive Phase mit bis zu 206,3 Mio. verkaufter Tonträger im Jahr 1978 eintrat. 1 Die Schallplatte wurde so langfristig zum führenden Medium der Musikverwertung mit einem Geschäftsvolumen, das für die damaligen Akteure der Tonträgerindustrie bislang beispiellos war.
Nicht unbeteiligt an diesem Wachstum waren die seit den 1950er Jahren realisierten technischen Weiterentwicklungen des Tonträgers. 2 Die 1951 in der Bundesrepublik erstmals bei der Deutschen Grammophon veröffentlichte Langspielplatte und die seit 1958 am Markt befindlichen Stereoaufnahmen machten aus der Schallplatte langfristig ein Medium, das in zunehmendem Maße mit der aufgeführten Musik konkurrieren konnte. Dieser Qualitätszuwachs für den Käufer war jedoch auf Seiten der Industrie mit erheblichen Produktionsumstellungen verbunden, da die Schallplatten in den Übergangszeiten zweigleisig gefertigt und angeboten werden mussten. So bedeutete die Umstellung von der jahrzehntelang verwendeten Schellackmasse auf das bruchsichere Vinyl vor allem fabriktechnisch eine Herausforderung, da zeitweise eine gespaltene Nachfrage vorhanden war. Noch gravierender war jedoch die Veröffentlichung der neuen Stereoaufnahmen, die seit 1958 am deutschen Markt präsentiert wurden, denn die Plattenfirmen waren hierdurch langfristig mit der Entwertung ihrer bisherigen Kataloge konfrontiert. Der langsam steigende Anteil stereophoner Klassikaufnahmen ließ die Kataloge auf Dauer wertlos werden, da sie im Zuge erhöhter Qualitätserwartungen des Publikums zunehmend unverkäuflich wurden.
Die Änderungen der technischen Struktur des Tonträgers hatten jedoch auch erhebliche künstlerische Konsequenzen, wie sie im Falle der Langspielplatte besonders deutlich wurden. Die Deutsche Grammophon produzierte in der Bundesrepublik im Jahre 1966 erstmals mehr LPs als Singles. Man reagierte damit auf einen erheblichen Rückgang im Singlegeschäft, weshalb auch Unterhaltungsmusik immer häufiger auf Langspielplatten angeboten wurde (STEINEL 1992: 81ff.). Mit der Langspielplatte, die ursprünglich den Klassikaufnahmen vorbehalten war, stand den Schallplattenfirmen jedoch plötzlich eine viel längere Aufnahmezeit auch in der Unterhaltungsmusik zur Verfügung, für deren künstlerische Gestaltung man aber noch keine vermarktungsspezifischen Erfahrungen hatte. Der künstlerische Ausdruck der Interpreten und Autoren von Unterhaltungsmusik war nach wie vor auf das Single-Format ausgerichtet und folglich noch nicht den technisch möglichen Abspielzeiten angepasst. 3 Die Unternehmen behalfen sich daher zunächst damit, die bisherigen Singlekonzeptionen einfach fortzuführen, indem erfolgreiche Einzeltitel auf diverse Langspielplatten verteilt und mit zusätzlichem Material angereichert wurden, um die neue Gesamtlaufzeit des Tonträgers zu erreichen. Die Langspielplatte als anfängliches ‚Güterbündel' von Ein-zeltiteln stand dann nach einer gewissen Anpassungszeit auch für komplexer werdende und titelübergreifende Musikkonzepte zur Verfügung (SIEGFRIED 2006: 631).
Blickt man genauer auf die Produktions-und Absatzbedingungen der Schallplatte in ihrer frühen Phase der 1950er und 1960er Jahre, dann werden die Herausforderungen sichtbar, die der wachsende Markt für Schallplatten mit sich brachte. Eine zentrale Aufgabe der Schallplattenfirmen bestand üblicherweise in der Fertigung und Distribution der Tonträger im Sinne der koordinierten, industriellen Bereitstellung der Schallplatte für ein Absatzgebiet. Ähnlich wie im Buchmarkt bestand die Besonderheit dieser Produktion in einem spezifischen Kataloggeschäft, das eigene Anforderungen an Schallplattenunternehmen stellte. Unternehmen wie die Deutsche Grammophon, Electrola oder Teldec besaßen bereits in den 1950er Jahren wieder dynamische Kataloge mit mehr als 5 000 Nummern, die durch Neuaufnahmen und Streichungen regelmäßig aktualisiert wurden. Neben der Sicherstellung der grundsätzlichen Lieferbarkeit war es vor allem das Problem der stark ausgeprägten saisonalen Struktur der Schallplatte, welches die Schallplattenfirmen zu koordinieren hatten (DER MUSIKMARKT 1960/2: 7). Die umsatzstarke Vorweihnachtszeit musste in Produktion und Lagerhaltung möglichst gleichmäßig über das Jahr verteilt werden, um die Bedarfsspitzen ausreichend bedienen zu können. Zudem musste immer mit unerwarteten Schlagererfolgen oder schnellen Nachproduktionen von Konkurrenztiteln gerechnet werden, was kurzfristige Modifikationen der Produktionsplanung erforderte. Die rein materielle Dimension einer noch nicht automatisierten Schallplattenindustrie besaß also einen durchaus nichttrivialen Charakter, weshalb das Schallplattengeschäft dieser Zeit treffend auch als Dispositionsgeschäft bezeichnet wurde. "Für die Wirtschaftlichkeit einer Schallplattenproduktion ist die Qualität des Disponenten-Teams außerordentlich wichtig", hieß es dementsprechend über die Steuerung einer Schallplattenfirma (DER MUSIK-MARKT 1959/4: 1). Die Koordination von Nachfrageschätzung, Etikettendruck, Lagerbeständen und Pressaufträgen konnte zudem nicht nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten absolviert werden, da kulturelle Ereignisse wie Konzerte oder Fernsehauftritte von Interpreten laufend in die Planung einbezogen werden mussten.
Wie folgenreich diese Tätigkeit der Disposition in ökonomischer Hinsicht sein konnte, zeigt eine Kalkulation aus der Schallplattenindustrie Ende der 1950er Jahre, welche das Ausmaß von Falschdispositionen verdeutlicht: "Wenn ein Repertoire von 5.000 Nummern in der Bundesrepublik auf ein Zentrallager und 15 Auslieferungsstellen zur dezentralen Versorgung von etwa 10 000 Kunden verteilt ist und in jedem Lager pro Nummer nur drei Platten jährlich überdisponiert werden, so sind das jährlich rund 250 000 Platten." Unter Annahme eines durchschnittlichen Selbstkostenwerts von 4 DM pro Platte, so die Kalkulation weiter, erhalte man "einen Dispositionsverlust von 1.000 000,-DM" (HUNDERTMARK 1959: 48f.). Die grundsätzliche Synchronisation von Fertigung und Distribution der Schallplatte war in diesem Sinne eine ganz wesentliche Steuerungsleistung der Plattenfirmen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens am Markt sehr stark bestimmte.
Blickt man historisch auf die Seite der Nachfrage im Schallplattenmarkt, dann wird deutlich, dass der Tonträger trotz zunehmender Angebotsvielfalt nicht alle Menschen gleichermaßen erreichte. Natürlich war dabei die Ausstattung der Haushalte mit Plattenspielern von zentraler Bedeutung für das künftige Produktpotential der Branche. Während Ende der 1950er Jahre lediglich ein Drittel der Haushalte in der Bundesrepublik Plattenspieler besaßen, so waren Ende der 1970er Jahren mehr als 60% aller Haushalte mit Plattenspielern ausgestattet. 4 Die notwendige Bindung der Schallplatte an das Abspielgerät war ein Faktor, der die Reichweite des Tonträgers gerade im Gegensatz zum Buch prinzipiell bestimmte.
Aber auch die Anerkennung der Schallplatte als ein eigenständiges Medium war notwendig für die Herstellung möglichst breiter Käuferkreise. War die Jugend naturgemäß offener gegenüber der Schallplatte als einer Ressource sinnlicher Erfahrung, so gab es in der Bundesrepublik besonders in der frühen Zeit der Schallplatte doch eine erhebliche Skepsis gegenüber der sog. Konserve. Mit Bezug auf eine Natur der Einmaligkeit des Klanges wurde die Musikaufzeichnung ihrem Wesen nach schon von nicht wenigen Zeitgenossen als völliger Widerspruch registriert, was sich durch den Hinweis auf den Warencharakter der Schallplatte kulturkritisch nochmals verschärfte. 5 Trotz dieser absatzhemmenden Einschätzungen in den damals kaufkräftigen Schichten, bezeichnete der Soziologe Alphons Silbermann 1965 die Schallplatte als "Institution des sozialen Lebens", um damit zu signalisieren, dass der Tonträger als inzwischen etablierter Medienträger seinen Weg in die Gesellschaft gefunden habe und weiterhin finden werde (SILBERMANN 1965: 166).
Die Frage der Reichweite der Schallplatte im Sinne des Nichtkäuferanteils in der Bevölkerung war jedoch zu jeder Zeit eine zentrale Fragestellung für die Tonträgerindustrie. Schon Ende der 1950er Jahre erkannte man, dass "das Fachgeschäft nur 50% der möglichen Käufer erreicht" (DER MUSIKMARKT 1959/4: 1) und daher noch mit einem erheblichen Marktpotential im Verkauf zu rechnen sei. In der Studie Die Einstellung der Bevölkerung zu Schallplatten des Instituts für Werbepsychologie und Markterkundung Frankfurt wurde zu Beginn der 1970er Jahre festgestellt, dass inzwischen knapp über 50% der Verbraucher in der Bundesrepublik Schallplatten und Abspielgeräte besäßen (DER MUSIKMARKT 1972/20: 10). Die Tonträgerindustrie fokussierte damals ausdrücklich die noch ungenutzte Nachfrage: "Die Freizeitgesellschaft der 70er Jahre verspricht uns neue Kunden", wenn es gelinge, die "musikalisch ansprechbaren" Bevölkerungsteile zu Käufern zu machen, so der Teldec-Manager Kurt Richter auf der Billboard Convention am Beginn der 1970er Jahre (DER MUSIKMARKT 1970/II-5: 6). Doch auch in den 1980er Jahren und letztlich bis in die Gegenwart hinein diagnostizierte man in der Branche einen relativ konstanten Anteil an Nichtkäufern von etwa 50% in der Bevölkerung, obwohl sich die Ausstattung mit Abspielgeräten durchgängig verbessert hatte und damit der anfängliche Grund für den Nichtkonsum zunehmend in den Hintergrund trat (o. V. 1987). Die Ausbreitung des Tonträgers in der Gesellschaft war daher immer auch mit den medienspezifischen Grenzen konfrontiert, auf welche die Plattenfirmen letztlich nur begrenzt Einfluss nehmen konnten.
Ein historischer Blick auf die Tonträgerindustrie der 1950er und 1960er Jahre zeigt den Beginn eines kontinuierlichen Wachstumspfads der Musikbranche in der Bundesrepublik. 6 Das Medium Schallplatte wurde in wachsendem Maße für den individuellen Musikkonsum verwendet und ab den 1960er Jahren zur kommerziell wichtigsten Perspektive der Musikwirtschaft. Damit verbunden war ein erheblicher Wandel der technischen und künstlerischen Produktstrukturen, wie es sich etwa im Bereich der Ausbreitung von Langspielplatten verdeutlichen lässt. The modern day music industry was not formally recognised until the first half of the twentieth century. Companies emerged that had the finances to be able to record, promote and distribute records by popular musicians. At the beginning of the twentieth-century, the music genres that existed were largely 'classical' in nature, or were derivatives of religious music, and traditional 'folk song'.
In the USA, Broadway shows helped to spawn new emergent genres such as 'Broadway' and 'Ragtime'. Throughout the twentieth-century more genres emerged, as musical influences from immigration and other cultures blended with existing genres. Newly recognised forms of music including blues, calypso, jazz, scat and swing became popularised.
Blues influences, along with folk and religious music helped to spawn country and western, and eventually from that rock and roll emerged in the 1950s. The first youth 'sub-cultures' emerged in the USA and later Europe in a West to East cultural flow. Sub-cultures consisted of young people who wanted to listen to modern music, and not dress like their parents. This generation of young people strived to carve out a 'modern' identity for themselves, and music was a common ground that helped them achieve this.
Newly formed 'gangs' of youths with shared identities around music became labeled as 'greasers', 'bikers', 'teddy boys', 'mods' and 'rockers'. In Britain, the teddy boys became a dominant cultural movement. Rock and roll and the rebelliousness that it ensconced was considered by the 'establishment' to be perverting the nation's youth.
Since the 1950s, various youth cultures and with them associated music genres have emerged, some have lasted the duration and others have fallen into obscurity. The 1960s was a particularly creative decade, when 'swinging London' and 'British-ness' in general were widely considered the centre of the post-modern boom in music, fashion and culture. With this came a creative explosion of music genre development, which continued in the 1970s and then peaked in the 1980s with the fusion of genres. This was set against a political backdrop of recession, Thatcherism, class-divide, postpunk ideals, the influence of hip hop and emergent electronic technologies.
Ziel dieses Beitrages war es, aus kulturwissenschaftlicher Perspektive das Verhältnis des digitalen Social Web und der Musikwirtschaft zu reflektieren. Dabei sollte weder eine positivistisch-affirmative noch eine kulturpessimistische Haltung, wie sie in dem oftmals polarisierenden Diskurs über das Internet weit verbreitet scheinen (PASSIG/ LOBO 2012), eingenommen werden. Begreift man mit Frank Hartmann in Anlehnung an Vilém Flusser die gegenwärtigen kommunikativen Veränderungsprozesse in erster Linie als "Ausdruck einer Veränderung des kulturellen Programms", und nicht als "Auslöser des Umbruchs" (HARTMANN 2003: 314), erhält man sich womöglich eine unvoreingenommene Perspektive zur Reflexion über das Internet. Die ‚digitale Revolution' kann demnach als Chiffre für einen gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozess gelesen werden, der neben der Produktion und Distribution insbesondere die Musikrezeption veränderte -von einer digitalen Klangästhetik bis hin zur einer durch die Verfügbarkeiten des Internets geprägten Mentalität eines kostenfreien und augenblicklichen Zugangs zu kulturell-musikalischen Artefakten.
Der Beitrag sollte dabei zunächst verdeutlichen, dass die digitalen sozialen Medien durch spezifische Eigenheiten gekennzeichnet sind: Deutlich wurde bei alledem, dass eine enorm hohe Dynamik und Diversifikation technologischer, kommunikativer und kollaborativer Entwicklungen und Prozesse bei tendenziell globalem und unmittelbarem Informationsfluss charakteristisch ist. Für die Musikwirtschaft nach der digitalen Revolution bedeutete dies, dass es keine eindeutige und zuverlässige Ordnung mehr gab, und eine solche sich erst allmählich wieder herauskristallisieren muss. Signifikant ist vielmehr eine enorme Vielzahl an kurzfristigen und mittelfristigen, nur teilweise erfolgreichen Geschäftsmodellen, Formaten und Plattformen. Das heißt auch, dass das Feld der Musikwirtschaft heute für mehr Akteure zugänglich ist also noch vor 15 Jahren. Die klassischen Gatekeeper wie A&R-Manager verlieren dabei an Bedeutung. Allerdings steigen mit den Möglichkeiten auch die Anforderungen an den einzelnen Akteur auf der Handlungs-und Entscheidungsebene: Neben der grundlegenden Kernkompetenz der jeweiligen Profession, sei es das Musizieren oder Managen, wächst auch die Bedeutung einer Medienkompetenz, und dies heißt in Konsequenz auch Kompetenzen in Kommunikation, Organisation, Vermarktung und Promotion -letztlich Kompetenzen des Musikmanagements. Gezeigt werden konnte allerdings, dass sich mit den Potenzialen des Musik-Streamings und der Mobile Music möglicherweise eine neue erfolgreiche, primär digitale ökonomische Größe einer musikwirtschaftlichen Wertschöpfung ergeben könnte. Zugleich bleiben sie allerdings nach wie vor stark an die noch offenen Fragen eines digitalen Urheberrechts geknüpft. Deutlich wurde, dass Musik, insbesondere im Kontext von Vergemeinschaftungsprozessen wie etwa Fangemeinschaften eine große Rolle im Social Web spielt: social and creative music use is the normal way music fans use music in the new music economy. In other words, it is not the consumers who are out of line and should be brought back into the corral; it is the right holders who need to rethink their terms of use. (WIKSTRÖM 2009: 168) In diesem Sinne bieten sich zahlreiche ungeahnte, kritisch zu reflektierende und zugleich kreativ zu gestaltende Anknüpfungspunkte für eine Musikwirtschaft im Social Web.
Ebenso wie Twitter in Bezug auf seine Verbreitung unter deutschen Usern zurzeit noch eher marginal (4 % Nutzung, davon 2/3 passiv; s. o.) ist, ist es auch bei den (deutschen wie internationalen) Festivalbesuchern der Fusion eher unterrepräsentiert; und dies obwohl von einem eher jungen bzw. internetaffinen Publikum ausgegangen werden kann. Dabei ist es schwierig genaue Nutzerzahlen zu erheben, die ebenso passive wie aktive Nutzung mit einbeziehen: Zum einen konnten die nur für Follower freigegeben Tweets aktiver Twitter-Nutzer nicht eingesehen und damit ausgewertet werden. Allerdings wäre es bei solchen Tweets von vorherein fragwürdig, inwieweit ein Tagging der Beiträge sinnvoll wäre, da sie durch die gewählte Privatsphäreneinstellung nicht für die unter dem Hashtag versammelte Öffentlichkeit sichtbar wären. Zum anderen ist es bisher nicht möglich, die genaue Zahl passiver User von unter einem Hashtag organisierten Beiträgen zu ermitteln. Zudem müsste geklärt werden, ob es sich bei den passiven Usern tatsächlich um am Festival teilnehmende Fusionisten handelt. Für Letzteres wären Standortdaten zu ermitteln.
Die geringen Nutzerzahlen haben des Weiteren sicherlich auch banale technische Gründe: Auf dem Festivalgelände ist der Mobilfunkempfang sehr schlecht: So bieten das D1-und D2-Netz in der näheren Umgebung fast ausschließlich GSM bzw. EDGE, nicht jedoch UMTS-oder HSPA-Standards an, was die Nutzung von mobilem Internet auch aufgrund des möglichen hohen Traffics, verursacht durch mehrere 10.000 Besucher, eher unkomfortabel bis unwahrscheinlich macht. 1 Davon abgesehen ist man auf der Fusion zudem gerne unter sich und lehnt jegliche Verpflichtungen ab (KIRCHNER 2011: 60). Zu diesen Verpflichtungen könnte auch gehören, mit Freunden, die nicht auf der Fusion sind, Informationen zu teilen ("Urlaub vom Leben auch hinsichtlich sozialer Kontakte"; KIRCHNER 2011: 158). Darüber hinaus versteht sich gerade die neotribale Gemeinschaft der Fusionisten als exklusive Gemeinschaft (KIRCHNER 2011: 150f.), was in gewisser Hinsicht der Kommunikation mit einer externen Öffentlichkeit entgegensteht. So ist sogar zu vermuten, dass der Tweeter den Kodex der verschworenen, geheimen Gemeinschaft Simmelscher Prägung (KIRCH-NER 2011: 149) verletzt, indem er Informationen nach Außen gibt. 2 Letztendlich hat sich allerdings mit dem E-Tribe ‚#fusionfestival' eine emergente, soziale Formation gebildet, die zum einen -nicht nur aufgrund der diffusen Motivlagen der Tweeter -soziale Normen und Praktiken des Festival-Tribes der Fusionisten reproduziert, zum anderen aber eine eigenständige, flüchtige Gemeinschaft konstituiert: So findet zwar das zumeist egozentrische Kommunikationsverhalten der Tweeter seine Entsprechung in den egoistischen Zieldefinitionen der Fusionisten, allerdings ist die Kommunikation über ein öffentliches Medium wie Twitter aus Sicht der Fusionisten eine nicht zu unterschätzende Verletzung der Exklusivität von Informationen, die damit für Ausstehende einsehbar werden. In gewisser Hinsicht könnte dies -auch wenn der Veranstalter Kulturkosmos selbst mittwittert -als Profanisierung der Informationspraxis der Festivalveranstalter verstanden werden, da das Programm des Festivals immer erst am Eingang zum Festivalgelände bekanntgegeben wird und damit eine wesentliche Vergemeinschaftungspraktik der Fusionisten unterminieren. Der #fusionfestival-Tribe selbst besitzt durch die Tribal-Tagging-Praktiken involvierter Tweeter also einen emergenten Verweisungszusammenhang, indem er einerseits auf das Festival verweist, andererseits aber eigenlogisch konzipiert ist.
Eine enorm wichtige Interaktionsgruppe wurde in dieser Ausarbeitung nicht herausgegriffen, obwohl ohne diese Gruppe ein Musikfestival nicht existieren könnte: die Mitarbeiter. Oft wird deren Bedeutung unterschätzt. Doch die individuellen Muster sind zu komplex und zu speziell, als dass hier allgemeingültig auf das Verhältnis zwischen Institution und Mitarbeiter hätte eingegangen werden können. Die hier aufgezeigten Entwicklungen und Schwierigkeiten können nur eine kleine Auswahl der verschiedensten Herausforderungen darstellen, mit denen ein Festivalbetrieb täglich konfrontiert wird. Häufig bestehen starke Interdependenzen zwischen einzelnen Thematiken. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Entscheidet sich das Management eines Musikfestivals gegen eine technische Weiterentwicklung wie bspw. den Kartenverkauf im Internet und wird dies von der Presse negativ aufgenommen, so kann diese Entscheidung, deren Ursprung im technischen Bereich lag, schnell größere Bahnen ziehen und möglicherweise auf das Image der Institution abfärben. Dieses kolportierte Image wiederum könnte bspw. ein dynamisches, technisch affines Unternehmen davon abhalten, sich in diesem Musikfestival zu engagieren -zu groß wäre die Gefahr eines negativen Imagetransfers. Dieses Beispiel lässt sich allerdings ebenso im Positiven fortführen: Das Management des Musikfestivals entscheidet sich für die technische Weiterentwicklung des Online-Ticketings, der neue Service wird von den Kunden angenommen, die Institution wird zum Vorreiter einer neuen technischen Entwicklung in der Kulturbranche, die Medien werden darauf aufmerksam und berichten. Davon erfährt das dynamische, technisch affine Unternehmen und engagiert sich mit einem Sponsorship -da dessen Marketingstrategen große Chancen für einen positiven beidseitigen Imagetransfer sehen. 19 Auch wenn diese Phrase reichlich abgedroschen klingt, so besitzt sie dennoch immer noch wahre Aspekte: in jeder Herausforderung ist auch eine Chance inbegriffen. Sollten die Musikfestivals die aktuellen Schwierigkeiten und Herausforderungen als Chance begreifen, ihre Modelle und Herangehensweisen an die aktuellen Konstellationen anpassen und an diesem Entwicklungsprozess auch die Partner in der Wirtschaft teilhaben lassen, dann ist eine nachhaltige Weiterentwicklung innerhalb dieses Prozesses sicherlich möglich. In einer freien Marktwirtschaft wird es naturgemäß Gewinner und Verlierer dieser Entwicklung geben. Bei allen positiven Kriterien, die ein Musikfestival bereits gewissermaßen naturgemäß bspw. im Bereich der Vermarktung oder der Partnerschaft mit Unternehmen bietet -der wirtschaftliche Erfolg ist dennoch kein Selbstläufer. Aus diesem Grund werden auch die Musikfestivals von wirtschaftlich angespannten Verhältnissen nicht verschont bleiben. Die teilweise bereits erfolgten Mittelkürzungen der öffentlichen Hand werden kurz-oder langfristig auch die Etats der "Kunstbetriebsform der Gegenwart und Zukunft" erreichen, um abschließend noch einmal Willnauer (2006: 63) zu bemühen. Es bleibt daher zu wünschen, dass auf allen Ebenen, internen und externen, die richtigen Entscheidungen getroffen werden, um die reiche Musikfestivallandschaft in Deutschland zu erhalten. Ob nun die Stars in der klassischen Musik, die selbst zur Marke geworden sind oder die Musikfestivals, die sich durch eine starke Marke von der Konkurrenz absetzen und somit im Wettbewerb besser bestehen können -der Prozess des Kulturbranding zieht sich durch die Beantwortung der Frage, wohin sich Musikfestivals entwickeln, wie ein roter Faden. Die Vermutung liegt daher nahe, dass vor allem und in erster Linie genau jenen Musikfestivals eine positive Zukunft prognostiziert werden kann, welche frühzeitig in die Markenbildung investiert und diese konsequent ausgebaut haben.
Schumpeter (1934) coined the phrase 'creative destruction' to describe the phenomenon of new technologies that make old ones obsolete. This is something that we have seen throughout the music industry, as new musical media formats have lead to the decline of older formats. The most typical examples include records, cassette tapes, compact discs and now MP3s. There are numerous unmentioned formats that emerged between these formats, do you remember the MiniDisc of the 1990s? It was creatively destroyed by the CD-R.
Broadway, Ragtime Now in the second decade of the twenty-first century, the loss of physical music media in favour of media-less digital formats the MP3 and Apple's AAC is more than apparent, particularly to music labels (which used to be called record labels). The relative ease of copying, distributing, transferring and playing good quality MP3s has left the labels in a difficult position.
Piracy comes in many forms, from highly organised criminal operations to more 'innocent' home piracy including file sharing, and converting You-Tube videos to MP3s. This is the modern day equivalent of recording a song from the radio onto a cassette tape, whilst file sharing can be likened to lending albums to friends so that they could record them onto cassettes tapes. The difference between recording something onto a cassette tape and converting a YouTube video into an MP3 is that the quality of the converted MP3 is often as good as one that could be legally purchased. From a consumer's perspective the question is often: Why bother paying for something that I can get exactly the same for free? This feeds a 'Robin Hood' mind-set of taking from the rich to give to the poor, in this case the rich being the labels and the poor being the consumer. Music piracy in the UK peaked in 2010 with 1.2 billion singles worth £984 million being illegally downloaded (BPI 2010b). Album sales fell by 7% and overall music spend fell by 8% to it's lowest rate since 1997 (MINTEL 2011). This had a profound impact upon the British music industry, particularly the labels who were slow to adapt their business models. EMI a major British music label from the 1960s to the 1990s, was broken up in 2012 and absorbed into Universal Music Group and Warner Music Group. These two major labels along with Sony Music Entertainment are now the three major music labels in the world, and all are based in North America. It is possibly a glimmer of hope to these 'big three' that in 2012 the NPD Group released a re-port in which they claimed Internet enabled music piracy, particularly file sharing was at an all-time low since 1999. The European Joint Research Centre (EJRC) produced a report in 2013 which claimed that music piracy did not impact upon music sales, but this was refuted by the International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) who claimed the EJRC research was flawed (BBC 2013a).
According to the British Phonographic Institute (BPI) (2013a) British artists account for one in eight albums purchased by music fans around the world. The UK is the second largest producer of music in the world after the USA, and in 2007USA, and in , 2008USA, and in and 2009 the biggest selling albums in the world were by British artists. However, in 2011 the UK was demoted into 4th place behind Germany in the global music buying market (BPI 2010a; MINTEL 2011).
The buying market in the UK is currently split between almost completely digital online sales for singles, and predominantly CD sales for albums. The Official Charts Company (2013) announced in April, 2013 that the 1 billionth legal digital single download in the UK had taken place.
The boundary between digital and physical is currently being blurred by initiatives such as Amazon Prime, which was rolled out in the UK in 2013, and allows buyers of CDs access to free MP3 downloads of their physical product. This initiative may eventually challenge iTunes position as the dominant sales provider for digital music in the UK.
Mintel (2013a) notes the UK market has seen a steady decline in physical CD sales due to the onset of illegal downloads. Sales of legal music downloads have not yet equaled the loss in revenue from CD sales. Mintel is predicting that the UK music buying market will stabilize in 2014 due to the acceptance and increasing use of digital suppliers from which to buy music. BPI (2013b) states that in 2012: -there were 71 licensed and legal digital music retailers and services in the UK, which is more than any other country; -digital music revenues overtook physical music revenues in the UK; -189,000,000 singles were sold in the UK, 99.6% of which were digital, and; -the music streaming market was worth £49,000,000 to British music labels.
Music streaming services have proven to be successful in the UK, this can be demonstrated by Spotify which has 33 million active users per month (Mintel, 2013). Access to markets is key with music streaming services, Spotify has benefitted through a partnership with Facebook. Similarly, Deezer has linked up with Mobile phone service provider Orange to offer it's Premium music service for free to UK Orange customers (usually £4.99 per month) (Orange is now EE in the UK). The problem with streaming services, is the relatively little amount of revenue that is generated for artists by them. Artists are paid royalties for plays, but these are so small that they are virtually insignificant. New Statesman (2013) makes a comparison between royalties paid for FM radio plays per song, compared to various web based platforms, and reveals (in US Cents) the following: FM radio -7.3; Spotify -0.0104; YouTube 0.0012. So while web based platforms are increasingly being used to access music, this is seemingly not benefitting the artist.
As what some may consider an anomaly, vinyl, which only accounts for 0.8% of album sales in the UK, has seen a resurgence in sales to levels not seen since 2001. 550,000 vinyl albums were sold in the UK between January and October 2013 (DREDGE 2013). This has been partially attributed to the success in the UK of 'Record Store Day', which is 1 day per year when rare and limited vinyl albums are sold in music shops around the country. Besides this, high profile artists such as Daft Punk and David Bowie have recently released limited and collectible vinyl albums.
Independent music labels have played an important part in the UK music industry since the early 1980s. At this time many post-punk guitar bands and artists signed up to specialist labels such as Rough Trade and Food. The growth in labels and artists lead to the spawning of the 'indie' music genre, recognized often by melancholy lyrics and jangly guitars.
Small independent music labels that are generally regarded as being 'artist centered' are now challenging the 'might' of the major labels. Independent labels (many of which are now web-based) are often set up by artists and genuine music fans. These people are often intrinsically motivated by a love for what they are doing, rather than by money. This is something that major corporations will never be able to compete with, particularly when shareholders demand financial returns.
Many British independent music labels who produced physical media were still heavily reliant on the major labels for the storage and distribution of their physical products. This was an inherent fragility in their business model, which was exposed during the 2010 London riots. An arson attack on a storage warehouse owned by Sony destroyed thousands of CDs and vinyl from a number of independent labels. The entire physical stock for some labels was lost in that one fire, and for some independents the cost of replacing the stock was too great a financial burden to bare.
Thus that one fire alone has transformed the business models of some British independent labels forever from physical media to online formats only (BBC 2011a).
From the perspective of both independent labels, and independent artists, crowdfunding will play a greater role in helping to finance future projects such as albums, merchandise and tours. This has already been initiated by some UK artists through websites such as Kickstarter and Pledge Music to help them turn their musical ambitions into reality. Currently guitar virtuoso Jon Gomm is using Pledge Music to help fund the creation of his new album 'Secrets Nobody Keeps'. 2010Tackling illegal downloads in a meaningful and effective way is proving to be problematic for the British government. They are keen to make suggestions and recommendations to a variety of bodies with stakeholder involvement in the 'illegal download chain'. This includes search engines, Internet service providers (ISPs), advertisers and credit card companies (BBC 2011b). But so far the British government have really only 'talked up' what should happen, and there has been little in terms of legal enforcement, this is despite the passing into law of the Digital Economy Act (2010), which puts an onus on ISPs to take action against their customers who are suspected of illegally downloading and uploading copyright material. The Digital Economy Act (2010) aims to primarily increase the ease of tracking down and suing persistent copyright infringers.
British ISPs are currently in the process of mounting a legal challenge against the British government over the Digital Economy Act, as they do not see themselves as being responsible for the actions of their customers.
In terms of civil lawsuits against illegal downloaders, the case of ACS:Law in Great Britain attracted a great deal of negative publicity against those trying to bring private prosecutions against downloaders on behalf of music labels.
ACS:Law sent letters to suspected peer-to-peer file sharers demanding a fee for the copyright they had infringed, those who did not pay were threatened with being taken to court. ACS:Law were accused in the media of targeting innocents and people who did not know what they were doing, along with genuine Internet pirates. The tactic adopted by ACS:Law caused a flood of complaints against the firm to the Solicitors Regulation Authority, and a denial of service attack on their website by the hacking division of the group Anonymous. During the denial of service attack a 350mb back-up of the site was downloaded and later released online as a torrent. The file contained the names and addresses of thousands of suspected downloaders, including those who were suspected of downloading pornography.
ACS:Law was fined by the Information Commissioner for its lax online security and not encrypting the file. The company has since ceased to exist (BBC 2012a).
Many of you reading this article will be old enough to remember a time when physical music media formats were the norm. In this section I am going to reflect on my own experiences as a buyer of music and how my own habits have changed as the industry has changed. I would encourage you to do the same, even if this is just in conversation with a friend. My reflections are intertwined with commentary about how the industry has developed.
Before physical media formats were lost, and before we had numerous music television channels and the Internet, buying music would present the listener / fan with an opportunity to not only see pictures of the artist, that may not be available elsewhere, but also to read the song lyrics, to read about the artist, to read the words of the artist, and to get to 'know' them in a way that listening to the music alone does not allow. Today social media serves this purpose, but the ample space of a vinyl album sleeve was where people used to search for information about who they were listening to.
Vinyl innovations such as: gatefold sleeves; poster sleeves; free sew on clothing patches; picture discs; and box sets gave vinyl a certain panache that was more difficult to replicate with physically smaller CDs, and almost impossible with MP3s alone. The Internet now gives us all of the information we need about artists, including their most personal feelings through their social media output.
Going to physically media-less formats such as MP3s helped to de-clutter our bedrooms, garages, lofts and lives, of collectibles. These very often ended up stored in boxes or gathering dust on shelves. The price of real estate in the 21st century has seen steady increases, so storage space is at a premium when new houses are often built physically smaller than older houses. Vast media collections that can now be compressed onto a hard-drive are often discarded as part of a general downsizing process.
The change in the way we buy music has also impacted upon the music supply chain, which once only had physical media to contend with, which required physical storage, distribution and retail outlets. The reduction in physical media has meant a reduction in required goods and services all along the traditional music supply chain. First to go were the retailers. In the 1980s when home stereos first became truly affordable and when the boom in home entertainment devices was truly felt, it would have been difficult to imagine that in 20 or 30 years time that record shops would barely exist on our high streets any more.
A stark reality of going media-less is that physical shops are no longer necessary to retail music, and with fewer shops, there are fewer distributors. In my hometown of Barnsley in South Yorkshire, UK, in the 1980s there were seven busy independent record shops that did not belong to major chains (Andy's Records, EGS, Scene and Heard, Michaels, Neals, Bradley's and Casa Disco) as well as major chain record shops Our Price and MVC, along with WH Smiths, Boots, Woolworths, GT News and several music stalls on the market, all of which sold, records, tapes and eventually CDs.
Being a music fan in 1980s Barnsley was a treat. For a small town, the wide choice that consumers had, meant that competition was fierce, offers were plentiful and it was easy to shop around to get the best deals. Although happy memories of my youth have caused me to digress slightly, the point in this story and the inclusion of Barnsley as an example town is to highlight how the British high street has forever changed. First to disappear were the independents, and eventually all others have gone the same way. Those wishing to buy a CD in Barnsley in 2013 are likely to do so at a supermarket, and that is only if they don't order it from Amazon.
Record shops became less profitable as record and cassette sales declined, as did eventually CD sales, particularly when the first CD-Rs appeared in the late 1990s. When supermarkets began to retail music, survival meant that dedicated music shops needed to expand their product portfolio, many simply couldn't afford to do this and instead closed.
I moved away from Barnsley in the mid 1990s, but I'll never forget that awful, empty feeling as I returned in 2003 and walked towards the partially white-washed windows of Casa Disco, with a 'Closed' sign on the door, and ripped posters hanging from the walls behind. Memories of speedily flicking through nearly a metre of 12 inch singles every lunchtime are almost all that is now left of that 'golden' era of music retail, as well of course the records that I've held onto.
But even I, an ardent music fan and supporter of record shops wasn't blameless in the demise of High Street music retail. I had bought a PC, which was connected to my stereo amplifier and I had a CD-R, along with a growing collection of home-made discs, mostly made from illegally downloaded MP3s. MP3 technology was still very young to most people then, but for the techies, it was quickly becoming the norm, and it wouldn't take long before our 'geeky' musical discovery would soon become accepted by the general public.
Illegal music downloading really took off in the UK around 2000. This was due to a variety of factors, including more affordable home computers, flat rate internet charges, the onset of broadband Internet, and file sharing programs such as Napster and Imesh.
This was helped by the release of dedicated software for playing MP3s such as Music Match Jukebox and then the first MP3 player made by Rio, before Apple Inc. jumped on the bandwagon, took the MP3 music format, and made it their own (well almost).
The late Steve Jobs was a visionary, and his dream of a music supply chain that would be wholly electronic, and wholly online was realised when the iPod and iTunes came to fruition. With these tools Apple would (in theory) be able to maintain control of distribution and supply of music to consumers. The reality I suspect, is that the majority of iPod owners still have a majority of illegally obtained tracks upon their iPods, although slowly this is changing, and other online retailers of music are increasingly eroding Apple's dominant position, as more people choose to buy rather than illegally download.
Britain's current loss of music revenue to illegal downloaders will I suspect become regarded as a 'golden age of music piracy' rather than the future norm, as industry pressure combined with a decrease in tolerance towards piracy from the recession-hit public (themselves possibly at risk of job loss due to piracy) will eventually persuade the government to Police illegal downloading in the same way that both Germany and France have done. When this finally happens, Britain will surely return to it's position as the world's third largest music market.
The legal download music supply chain is one that includes aggregators, these are specialist service providers who assign each individual music track a UPC (the equivalent of a bar code) and upload tracks for retail onto the major music retail websites such as iTunes and Amazon. The continued growth in download sales is likely to lead to growth in the number of retailers and aggregators, in the same way that it has lead to decline in physical shops and distributors.
A problem with downloaded music is that the fan experience is largely reduced to that of listener only with minimal visual accompaniments. The net result is a reduction in fan -artist engagement at the point of musical contact. This is something that the music labels have been very slow to react to (considering the MP3 has been around for over a decade), and has played a significant part in their demise and reduction.
Björk has offered us an insight into how things might possibly go. Her album 'Biophilia' offers more than just a listener experience alone, yet it is wholly digital and format-less. A deluxe edition for the iPad / iPhone provides an interactive multimedia experience, including song, narration, graphics, videos, and even guest appearances by naturalist David Attenborough. In effect Biophilia was the world's first app based album, with updates scheduled to be released in future. Using the app model, could be advantageous for fans, as it has the potential to offer updates that include additional material, which did not come packaged with the original album, including new exclusive remixes, artwork, photographs, videos, and even Christmas / Birthday cards (iTunes does have your date of birth, right?). From a commercial perspective, updates could also include exclusive tour news, links to merchandise, and links to new songs / albums...and if you allow the artist or band's app to send push notifications, then you could even get 'you heard it here first' type news and messages.
The appization of music albums has slowly increased. Björk's success has now been emulated by Calvin Harris with his album 18 months, which allows users to effect the albums visuals as they listen to the music. The Rolling Stones album Grrr! Also came with an app, which allowed users to bring album artwork to life at various locations and landmarks globally. David Guetta has also launched an interactive app through Spotify called 'Play Guetta', which allows users to interact with more of his content. This is a trend that will surely continue until it becomes the norm for all digital content. In essence it enhances the listener experience in a way that is not easily to replicate through pirated audio content.
Online music downloads of individual album tracks can also bring disadvantages to the listener experience. Many albums are compiled by artists in much the same way that a curator puts together an exhibition. Tracks on albums are often designed to be played in a particular order, for the album to have the impact upon the listener that the artist intended. The same disadvantage is experienced through using 'shuffle' functions on MP3 players, which has changed for many listeners the true album experience. As a prime example Public Enemy's award-winning second album 'It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back' provides an introduction, a main body and an ending and is a prime example of an album that takes the listener on a journey through music, culture, politics and knowledge. The impact of this album would not be so if the tracks were played in any other order than what they had been intended.
Advances in music producing software and the proliferation of the Internet into the music supply chain means that in future there is likely to be continued growth in the number of independent labels and the artists that are signed to them. This will not only give the artists more control over their output, it should also lead to greater financial reward per sold track.
Live music consumption in the UK has continued to grow and looks set to continue to grow, particularly with the onset of the Live Music Act which has meant the scrapping of entertainment licenses for venues that have a capacity of under 200, which could enable 13,000 more venues to start holding live music events in England and Wales (BBC 2012b).
For particularly independent artists, live concerts provide opportunities for merchandise sales and other ways to generate revenues from audiences on top of ticket sales.
Larger-scale live music across all the UK attracts at least 7.7m attendances by domestic and overseas (5%) music tourists, who contribute £864m per year to the UK economy (equivalent to 19,700 full-time jobs) (BBC 2011c).
The picture is slightly different for the UK music festival market which has been dominated by the major festivals, including Glastonbury, Reading / Leeds, T in the Park and the Download festival. Where there are innovators, there are imitators, and this is also true of the UK music festival scene, which has in recent years seen vast growth in the number of 'local' festivals in towns and cities around the UK.
In 2010 festival income was up 20% on 2009, but ticket sales were much slower in 2011, with 31 music festivals being cancelled, and 40 major festivals selling tickets at less than face value (BBC 2011d). This was further exacerbated in 2012, with the London Olympics being blamed for a decline in admissions and revenues (MINTEL 2013b).
Another factor impacting upon the UK music festival scene is the rise of foreign (predominantly European) festivals, which combined with budget airline prices can offer cash-strapped festival goers both a music festival and a holiday in the sun. Example European festivals of this nature that are proving increasingly popular to the British market include Benicassim in Spain, and Outlook, Soundwave and Hideout all of which are in Croatia.
Mintel (2013b) predicts that with a slightly improved economy, revenues from the live music and festival market will improve in 2013.
In the same way that independent artists and labels are beginning to seek crowd funding, so are festivals. Currently, Alt-Fest planned for August 2014, a major goth, rock and industrial music festival is raising funds through Kickstarter. This trend is likely to continue.
So what is the future for digital media-less formats? The MP3 as a stand alone entity, will be around for sometime yet, but creative destruction will occur, and eventually something 'better' will be developed. The growing trend for appization offers an insight into what this may be.
Apple's dominant position as the leading supplier of media-less music will not last in Britain. Amazon have made steady inroads by: undercutting Apple on retail price; providing unprotected DRM free downloads (which will play on any device); and now through their Amazon Prime service. Amazon's market share is likely to continue to increase in Britain as slowly illegal downloaders convert to paying customers. However, these customers will seek a bargain price and the freedom to do as they please with their purchases.
An as yet unrealised Google Play will not only take advantage of the millions of mobile phones running on an Android operating system, but also those billions of daily Google and YouTube searches for artists, bands, songs and music videos. Instead of directing customers to iTunes, surely these would serve Google better pointing to their own service.
The intelligent marketing machine that is Facebook knows our 'likes', it knows what we discuss online and it is doing an increasingly more efficient job of targeting us with tailored advertising. It seems like only a matter of time before Facebook also steps into music retail proper, either through its own music retail division, or through further strategic linkages with music providers. Their partner Microsoft, who are as yet unmentioned, already offer music streaming through their X-Box and Windows 8, but must also be considering their own online music store presence to rival the stores of Apple and Google.
Should a future MP3 price war emerge between such stores the major labels will once again be left in a state of uncertainty as they agree to sell their music to retailers for even lower amounts.
Subscription based business models may seem like an option to major labels with gargantuan back catalogues of tracks, as it allows them to 'sweat' these assets, but for the artist they give very little, and for new and upcoming artists, the prospect of earning around a third of a penny per track play, or less than £30 for 1,000 album plays is hardly an attractive proposition. Unless Spotify re-evaluates it's distribution of wealth it is likely to become an online vault of back catalogue tracks only, as new artists quite rightly demand a fair price for their creations, and prevent Spotify from playing their tracks.
The MP3 has been heralded as the killer of the modern day music label, but this is a narrow perspective, taken by those who are not visionary enough to adapt and explore the possibilities of what could occur with media-less formats. The pattern of creative destruction will almost certainly continue, but with the increase of gadgetisation into our everyday lives, and the proliferation of devices that can offer a full multi-media experience as well as web connectivity, will an audio experience alone be enough to entertain audiences of the future? Will we want a choice as to how we engage or interact with our music? Or will we be happy to maintain the current position?
Will we want to own the tracks that we listen to, or will we be satisfied with just being able to access them when we want to? Will we want to de-clutter our gadgets of digital music in the same way that gadgets have allowed to us to de-clutter our homes of media based music? Whatever the future is for the 21st Century music industry, the one thing that seems a certainty is that the MP3 is the beginning rather than the end of the shape that it will take.
The Sicherlich müssen von Industrieverbänden und Unternehmen nach außen hin positiv klingende Nachrichten verbreitet werden, doch bestätigt ein erster Blick auf konkrete Branchendaten, dass sich der Anteil der klassischen Musik am Gesamtumsatz der Musikindustrie in Deutschland zwischen 2008 und 2009 in der Tat um zehn Prozent steigern konnte. Einen ähnlich hohen Anstieg hatte im selben Zeitraum nur der von Vielen verschmähte deutsche Schlager zu verzeichnen. Jedoch ist der Anteil der klassischen Musik am Tonträgerumsatz bis 2012 wieder um einige Zehntelprozentpunkte auf 6,7 Prozent gesunken und hat damit den Tiefststand des Jahres 2008 noch einmal um ein Zehntelprozent unterboten. Letzten Endes muss man aber immer die konkreten Umsatz-und Absatzzahlen betrachten, um die diesem Aufsatz zugrunde liegende Frage: "Aufstieg und/oder Fall der Klassikindustrie" beantworten zu können, wobei neben der Tonträgerindustrie vor allem der Live-Bereich in die Betrachtung einfließen wird, um ein temporäres Gesamtbild des Marktes erstellen zu können. Denn der Klassikmarkt ist im Fluss, nicht nur aufgrund der speziellen Altersstruktur seiner Konsumenten. Auch ist er in Folge seines einzigartigen Rezeptionsverhaltens von anderen Genres abzugrenzen. Darüber hinaus ist die klassische Musik, zumindest in Deutschland, im Live-Bereich durch Bund, Länder und Gemeinden mit mehreren Milliarden Euro öffentlich subventioniert. Auch dies muss bei der folgenden Betrachtung stets berücksichtigt werden. Ein grundlegendes Problem des Geschäftsmodells mit klassischer Musik ist aber im Vergleich zur populären Musik, dass in der sogenannten Ernsten Musik (kaum) Neues, im Sinne von aktuellem Repertoire 6 vermarktet werden kann, sondern in der Regel ausschließlich Neu-Interpretationen bereits vorhandener und zum Teil mehrfach eingespielter Werke. Die (wenigen) so genannten Meisterwerke, letztendlich eine Erfindung der Musikindustrie, indem bestimmte, kommerziell erfolgreiche und oft gespielte Kompositionen in diesen Status erhoben werden, sind in der Regel zigfach aufgenommen. Gibt ein Interessent bei JPC, einem der größten deutschen Versandhändler für (klassische) Tonträger, Beethovens Sinfonie Nr. 9 ein, erhält er aktuell 522 relevante Treffer! 7 Herausragende und öffentlichkeitswirksame Dirigenten wie Karajan, Bernstein, und andere sorgten jedoch stets dafür, dass die Klassikmusikindustrie immer wieder neue Interpretationen gewinnbringend vermarkten konnte. Die Dirigenten dieser Zeit wurden als Stars vermarktet, als Stars inszeniert, als Stars verkauft: aber immer in einem Segment, das abseits der -erfolgreicheren U-Musik -funktionierte. Dies führte zu aus Marketingsicht absurd erscheinenden Situationen, dass sich die großen Klassiklabels mit parallel erscheinenden Zyklen gegenseitig bekämpften (LEBRECHT 2007: 86-123).
In den 1970 sowie 1980er Jahren war die gesamte Musikindustrie durch Zukäufe, Verkäufe etc. geprägt. Die zahlreichen Labels, die in der Anfangsphase der Musikindustrie entstanden sind, verdichteten sich im Laufe der Zeit zu einer oligopolen Industrie. Bis heute hält dieser Prozess an, wie erst der kürzlich beschlossene Verkauf der EMI an Universal Music zeigt. 8 Der Siegeszug der zu Beginn der 1980er Jahre eingeführten CD begann mit dem klassischen Repertoire. Diese Musik eignete sich im besonderen Maße für den neuen von Philips und Sony entwickelten digitale Träger. Zum einen war die Klangqualität bedeutend besser, zum anderen reichte die Länge der CD mit anfänglich 74 Minuten nun auch erstmals für große klassische Formen. Die ersten CDs, die bei PolyGram in Hannover 1982 produziert wurden, waren The Visitors von ABBA, Richard Strauß' Alpensinfonie dirigiert von Herbert von Karajan sowie Frederic Chopins ‚Walzer' von Claudio Arrau. 9 Die Musikindustrie stemmte sich zunächst gegen das neue Medium, schließlich verkaufe sich Musik über den Inhalt, nicht über die Technik (KRÖMER 2006: 240). Zudem fürchtete sie die hohen Kosten, da der Verkaufspreis einer CD doppelt so hoch lag wie der einer LP -und dabei quasi als unzerstörbar galt. Doch angezogen durch die neue Klangqualität, kauften zahlreiche Konsumenten ihre bereits auf Vinyl erhaltene Sammlung auf CD noch einmal nach. Bereits 1988 hatte -zumindest in den USA -der CD-Absatz den der LP übertroffen (TSCHMUCK 2008: 141). Aber: "Die durchschnittliche Klassiksammlung in den USA bestand aus ungefähr 100
LPs. In den 1980er Jahren ersetzten die Leute ihre LPs durch Neuanschaffungen von acht bis zehn CDs pro Jahr. In den frühen 1990er Jahre kauften sie nur noch drei bis vier", so Musikmanager James Glicker in einem Interview mit Norman Lebrecht und fügt weiter an: "Vor dem Aufkommen der CD machten die Klassikaufnahmen sechs Prozent vom gesamten Markt aus. Bis 1987 hatte sich dieser Anteil auf zwölf Prozent verdoppelt, und am Ende des Jahrzehnts lag der Anteil wieder bei sechs Prozent." (LEBRECHT 2007: 140).
Ein letzter, jedoch bis heute nachwirkender Einschnitt, traf die gesamte Musikindustrie Ende der 1990er Jahre. Auch ausgelöst durch komprimierte Musikdateien und schnellere Internetverbindungen muss die global agierende Musikindustrie im Tonträgergeschäft seit dem massive Umsatzverluste hinnehmen, die jedoch nicht alle Bereiche der Musik in gleichem Maße trifft. Und damit beginnt der zweite Teil der Ausführungen, der die relevanten Zahlen des deutschen Tonträger-und Veranstaltungsmarktes in Bezug auf die klassische Musik darstellt und interpretiert.
Insbesondere für den Klassikmarkt existiert die Problematik, dass für viele Bereiche nur wenig frei zugängliches Zahlenmaterial existiert. So verfügt beispielsweise der Verband der Deutschen Konzertagenturen über kein relevantes Zahlenmaterial, um eine wirtschaftliche Entwicklung, die über das letzte Jahrzehnt hinausgeht, dokumentieren zu können. Relativ ausführliches Zahlenmaterial existiert hingegen für den physischen und digitalen Tonträgermarkt, der (nicht subventionierte) Klassik-Livemarkt wird hingegen erst seit ca. 15 Jahren detailliert untersucht.
Im Jahr 2012 erzielte der deutsche Tonträgermarkt einen Umsatz von 1.442 Mrd. €, wobei sich diese Zahl auf physische und digitale Produkte bezieht. 10 Der vielzitierte Wandel der Tonträgerindustrie der letzten Jahre wird vor allem dann sichtbar, wenn man die Umsatzzahlen bis ins Jahr 1997 zurück betrachtet. Damals, ein Jahr vor dem Launch von Napster 11 und der damit einhergehenden Initialzündung zur digitalen, zum Teil unentgeltlich im Netz erhältlichen Kopie, betrug der Gesamtumsatz noch 2.748 Mrd. €. Somit sank der Umsatz um fast 50 Prozent, was sich auch auf die Beschäftigtenzahlen massiv auswirkte. 12 Jedoch war und ist der deutsche Musikmarkt, im Vergleich zu den umsatzstärkeren Märkten in den USA und in Großbritannien, weniger stark betroffen (BVMI 2011: 60). Ein Blick auf den Musikabsatz verdeutlicht: Noch immer hat in Deutschland der physische Tonträger einen hohen Anteil. Doch von den ca. 220 Millionen abgesetzten Einheiten 13 waren nur noch 103 Millionen physisch, der Rest digital. Führte die CD die Rangfolge nach Absatz bis 2011 noch an, hat der Absatz digitaler Dateien überproportional zugenommen, wobei der (für die Klassik weniger relevante) Single-Download überwiegt (BVMI 2013: 17 3 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Man erkennt also in aller Deutlichkeit, dass zwar die Marktanteile in dieser Zeit ungefähr konstant gehalten werden konnten, der Umsatz jedoch massiv eingebrochen ist. Ein Grund für die sinkenden Umsätze ist auch in der Zahl der Musikkäufer zu suchen. Aktuell gehören nur ca. 39 Prozent der Bevölkerung zur Gruppe der so genannten Musikkäufer, unterteilt in Gelegenheits-, Durchschnitts-und Intensivkäufer. 15 Letztgenannte Gruppe hat jedoch nur einen minimalen Anteil von vier Prozent an der Gesamtbevölkerung. Dabei liegt der vom BVMI errechnete Anteil der Bevölkerung, die absolut kein Interesse an Musik hat, bei nur 6,5 Prozent. 16 Sind in den letzten Jahren jedoch die Anteile der Durchschnitts-und Intensivkäufer einigermaßen konstant geblieben, wird hingegen die Gruppe der Gelegenheitskäufer kontinuierlich kleiner und die der Nichtkäufer entsprechend größer. 17 Darüber hinaus spiegelt sich die bekannte demographische Entwicklung der bundesdeutschen Bevölkerung auch innerhalb der Musikkäufergruppen wieder. So zeigt sich, dass zwar das Kaufinteresse an Musik in jungen Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich hoch ist, der Anteil an den Musikkäufern der bis 19 und 20-29 jährigen aber überproportional zurückgegangen ist -und dies bei gleichzeitiger Abnahme innerhalb der Gesamtbevölkerung. Dies ist -für die gesamte Industrie -ein alarmierendes Signal und zeigt in aller Deutlichkeit: Die viel zitierten ‚Digital Natives', die mit ‚kostenloser' Musik im Internet aufgewachsen sind, werden womöglich keine legal einkaufenden Musikkonsumenten mehr. Zwar existieren zahlreiche Statistiken über die Menge der illegal auf Tauschbörsen und anderen Plattformen heruntergeladenen Musikstücke, jedoch keine, welche Genres dabei besonders stark betroffen sind. 18 Interessant für den Klassikmarkt ist jedoch, dass der Anteil der Altersgruppe der über 50-jährigen, die Musik legal erwerben, seit Jahren konstant bei ca. 30 Prozent bleibt. Zwar ist der Anteil im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen am geringsten, aber es ist die einzige Gruppe, die auf konstantem Niveau geblieben ist. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn man sich die Altersstruktur der Klassikkäufer genauer anschaut, denn über 70 Prozent der Käufer gehören zur Gruppe der über 50-jährigen. Gleichzeitig bleibt der Anteil der wirklich jungen mit ca. zwei Prozent außerordentlich klein. Dies ist vor allem im Vergleich mit dem Anteil dieser Altersgruppe am Gesamtmusikmarkt von Bedeutung, wo dieser bei 11 Prozent liegt (BVMI 2013: 34).
Interessant ist auch die Frage, wo klassische Musik, egal ob physisch oder digital erworben wird. Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der Tonträgerhändler kontinuierlich ab. Der kleine, gut sortierte Plattenladen scheint eine aussterbende Spezies zu sein. Existierten 1975 noch 15.000 Händler, reduzierte sich diese Zahl bis Ende der 1990er Jahre bereits auf 5.000 (SCHAAL 1999) Den zwischenzeitlich deutlich sinkenden, nun aber wieder steigenden Umsätzen im Veranstaltungsmarkt steht ein ebenfalls steigendes Konzertangebot -jedoch ein sinkendes Angebot im Bereich Oper -gegenüber. Gab es in der Saison 1993/1994 insgesamt 5.344 Konzerte selbständiger Kulturorchester -die Fülle an weiteren Klassikkonzerten freier Ensembles etc. nicht mitgerechnet -, waren es in der Saison 2009/2010 bereits 10.889, eine Verdoppellung des Angebots. Zwar stiegen parallel dazu auch die Besucherzahlen, aber nur um knapp 20 Prozent von 3,3 auf 4,4 Millionen (DEUTSCHER MUSIKRAT 2012a). Der Grund dafür ist sicherlich in der Art der angebotenen Konzertveranstaltungen zu suchen, da vor allem die Zahl der musikpädagogischen Veranstaltungen in diesem Zeitraum überprozentual angestiegen ist, aber durch ihre spezielle Ausrichtung auch deutlich geringere Besucherzahlen -von Umsatzzahlen gar nicht zu reden -aufweisen. 25 Dem gegenüber stehen die Zahlen für Opernaufführungen, deren Anzahl zwischen 1993 und 2008/2009 um neun Prozent gesunken ist -die Zahl der Besucher im gleichen Zeitraum sogar um 14 Prozent (DEUTSCHER MUSIKRAT 2012b).
Abschließend bleibt für beide betrachteten Märkte festzuhalten: Live-und Tonträgerpublikum haben nur geringe Überschneidungen. Dies zeigte eine 2005 erstellte Studie der ARD-Rundfunkanstalten, in der festgestellt wurde, dass ca. nur die Hälfte der Befragten sowohl Tonträger hören als auch in Konzerte gehen (OEHMICHEN 2006: 263). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die GFK-Studie zum Veran-staltungsmarkt des Jahres 2009. 26 Hier ist also ein großes noch nicht genutztes Potential für beide Märkte vorhanden.
Bis vor wenigen Jahren bestand nachweislich ein wachsendes Interesse am Live-Musikereignis, sichtbar durch das Umsatzplus im Veranstaltungsmarkt, der die massiven Rückgänge am Tonträgermarkt zu einem geringen Teil ausgleichen konnte. Die letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass dies möglicherweise ein Trugschluss war. Beide Märkte zusammen verlieren in Deutschland an Umsatz. Inwiefern die noch immer schwelende Finanzkrise dafür verantwortlich war, wird sich erst in wenigen Jahren beantworten lassen.
Trotzdem kann konstatiert werden, dass in den letzten Jahren eine stetige Eventisierung des Klassikmarktes stattgefunden hat. Bereits Anfang der 1990er Jahre gelang dies erstmalig mit dem (zunächst unerwarteten) Erfolg der Drei Tenöre während der Fifa-Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien, die klassische Musik mit Show und Startum kombinierten, ein durchaus lohnendes Geschäft für die Musikindustrie. Medienkonzerne taten [das Konzert der Drei Tenöre] als Spielerei ab, und Decca hatte sich bereit erklärt, es aufzunehmen, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Sänger für ein einmaliges Honorar [von einer Millionen Dollar] auftraten. [...] Glücklich und zufrieden sangen die drei Tenöre in den römischen Bädern von Caracalla, und auf der ganzen Welt strömte das Fernsehpublikum, betäubt von den torlosen Remis und den musikalischen Zugstücken, in die Geschäfte, um die CD zu erwerben. Vierzehn Millionen wurden verkauft -mehr als je zuvor von einer einzigen Klassikaufnahme in der Plattengeschichte. (LEBRECHT 2007: 142) Tourneen und weitere Aufnahmen der Drei Tenöre folgten und bis heute versuchen zahlreiche Künstler dieses Erfolgsmodell zu kopieren. Zugleich haben vor ca. zehn Jahren die Majors damit begonnen, ihre Klassiklabels und -abteilungen in die bestehende, Popmusik dominierte Konzernstrukturen einzugliedern. 27 Im Zuge dieser internen Umbaumaßnahmen wurde nun gezielt versucht, die Mechanismen, die auch bei der Vermarktung von populärer Musik angewandt werden, für den Klassikmarkt zu nutzen. Auf der einen Seite bauen die Labels gezielt Künstler auf, die durch ihr Auftreten -und auch ihr Aussehen (GÖNNA 2010;KRONSBEIN 2007: 170-172 Garretts Auftritte -aber auch die anderer Künstler -gleichen in ihrer Inszenierung denen von Popstars -auch in Hinblick auf die geforderten Eintrittspreise. Für die von der DEAG und anderen Veranstaltern organisierten Tourneen der wenigen am Markt existierenden Superstars werden Kartenpreise von zum Teil weit über 100,-Euro aufgerufen. Ausverkaufte Konzerte sind jedoch ein Zeichen dafür, dass dieses Konzept (derzeit) funktioniert, doch widerspricht dieser Trend den Erkenntnissen der bereits angesprochenen 2005er ARD-Studie, dass 48 Prozent der für die E-Musik offenen Bevölkerung nicht in klassische Konzerte gehen, da diesen die -auch die subventionierten -Eintrittspreise zu hoch seien (ECKHARDT 2006: 281).
Bei diesen zunächst positiv zu betrachtenden Ansätzen bleibt jedoch das große und ungelöste Problem, dass den wenigen attraktiven und jungen Klassikpopstars mit ihren hohen Gagen und positiven Tonträgerverkäufen eine große Masse an schlecht verdienenden Freiberuflern im Genre der E-Musik gegenübersteht. Laut den aktuellen Statistiken auf Basis der Zahlen der Künstlersozialkasse (KSK) für 2010 verfügen die ca. 2.000 bei der KSK gemeldeten Instrumentalsolisten Ernste Musik über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von knapp 10.000 (DEUTSCHER MUSIK-RAT 2012d). 28 Zudem dominieren die großen privatwirtschaftlich agierenden Unternehmen, wie die Berliner DEAG (Deutsche Entertainment AG) den Markt mit ihren wenigen, jedoch gewinnbringenden Stars. Dabei wird ein neues Problem immanent: Dem Klassikkonsumenten bleibt letztlich nur der Zugriff auf ausgewählte Künstler und Komponisten, wodurch ein Großteil der Interpreten, Komponisten und Werke nicht mehr auf dem Markt präsent sind.
Eine weitere Tendenz im gesamten Musikmarkt ist die zur digitalen Datei, egal ob als Download oder als Streaming. Nachdem sich Anfang 2012 die GEMA mit dem Branchenverband BITKOM auf neue Tarife für Streaming-und Downloadanbieter geeinigt hat, steigen mehr und mehr Firmen im deutschen Markt ein. Apples iTunes ist für Downloads das (weltweit) führende Portal, beim Streaming ist der Markt noch nicht so weit aufgeteilt, auch wenn es derzeit aussieht, dass das schwedische Spotify zum Marktführer avanciert. Denn war bis Ende 2011 das in Köln ansässige Simfy der führende Anbieter, wurden seitdem u.a. rdio, deezer, juke und vor allem Spotify auch in Deutschland gelauncht. Doch zielen die meisten Angebote derzeit auf das populäre Musikgenre. So beträgt der Anteil der digitalen Downloads am Klassiktonträgermarkt für das Jahr 2012 gerade einmal 4,9 Prozent, 29 was einem Umsatz von nur 4,7 Millionen Euro entspricht. Zwar ist dies eine geringfügige Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren, jedoch konnte damit der Rückgang des Gesamtumsatzes in keinster Weise kompensiert werden (SCHLINGER 2012: 170). So äußert sich auch Naxos-Geschäftsführer Matthias Lutzweiler wenig optimistisch:
Die digitale Revolution ist hier noch nicht so recht angekommen. Im Popbereich tut sich zwar eine ganze Menge, aber der durchschnittliche Klassikhörer ist gerade erst dabei, das digitale Geschäft für sich zu entdecken (SCHLINGER 2012: 171).
Dabei ist gerade Naxos ein Vorreiter im Bereich Streaming klassischer Musik. Schon 2004 gründete das Unternehmen die Naxos Music Library (NML) 30 , die sich zwar in der Hauptsache an Institutionen wendet, aber auch vom Endverbraucher genutzt werden kann. Auch die anderen am Markt agierenden Streamingportale haben klassische Mu-sik in ihrem Programm, doch dominiert dort eindeutig die populäre Musik. 31 Jedoch hoffen alle Beteiligten, dass das Thema Streaming auch in Zukunft für den Klassikmarkt zu einem wichtigen Thema wird, zumindest als zusätzlichen Vertriebsweg.
Egal ob der subventionierte öffentliche Klassikbetrieb, das Aufkommen weniger Klassik-Superstars und die massiven Einbrüche im Tonträgermarkt: Die letzten Jahre haben in aller Deutlichkeit gezeigt, dass sich der gesamte Klassikmarkt im Wandel befindet. Einem auf der einen Seite älter werdendes Publikum steht auf der anderen Seite ein neuer Typus Klassikstar gegenüber. Ob jedoch die von den als Popstars vermarkteten Interpreten wie David Garrett angesprochene jüngere Zielgruppe dem Klassikgenre nachhaltig treu bleiben wird, kann und wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Gleichzeitig hinkt der Markt für klassische Musik im digitalen Bereich dem der populären Genres noch hinterher. Positiv stimmt, dass viele Firmen derzeit versuchen, dies nachzuholen. Die Hoffnung besteht darin, dass neue, mit dem Internet aufgewachsene Bevölkerungsgruppen, dies auch in Zukunft intensiver nutzen werden.
Zudem wird aus zahlreichen Studien ersichtlich, dass der Klassikmarkt in Deutschland auch weiterhin ein hohes Marktpotential, sowohl im Bereich Tonträger als auch im Veranstaltungssektor besitzt. Doch muss an vielen (Bau-)Stellen parallel gearbeitet werden, um diese Entwicklung weiterhin zu fördern sowie die traditionelle Vielfalt an öffentlichen Orchestern und -häusern zu erhalten. Dies kann jedoch, laut Susanne Keuchel, nur mit nachhaltigen Veränderungen einhergehen, wofür sie sieben Empfehlungen gegeben hat: Kulturelle Bildung, 32 Förderung des Gemeinschaftserlebnisses, Kombinierte Freizeitangebote, Verstärkung der optischen Reize, Experimentieren mit neuen Veranstaltungsformaten, Vernetzung mit Multiplikatoren und Unterstreichung des Besonderen (KEUCHEL 2011: 96f.). Ein zukünftiger Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 2015 wird zeigen, in welche Richtung sich der Klassikmarkt in Deutschland bewegen wird. Für die Industrie, die Interpreten und auch den Rezipienten bleibt dies sicherlich spannend.
Eine Auseinandersetzung mit der Musikwirtschaft 2.0 und den Perspektiven der Musik bedeutet, dass es um wirtschaftlich relevante Sachverhalte geht. Musik ist dabei jedoch nicht allein mit ökonomischen Kategorien zu fassen, sondern zugleich als kulturelle Leistung und als soziales Phänomen zu sehen. Ökonomische Zugriffe auf die Musikindustrie lassen sich daher nicht alleine aus einer ökonomischen Logik heraus begreifen. Neben ökonomischen Sachverhalten ist es erforderlich, die spezifischen kulturellen und sozialen Praktiken zu erfassen, die mit der Produktion, Verteilung und Nutzung von Musik verbunden sind. Weiterhin ist hervorzuheben, dass es bei der Auseinandersetzung mit Musik um eine spezifische historische Situation geht. Der Zusatz "2.0" ist jedenfalls ein Hinweis darauf, dass es in der Musik spezifische historische Voraussetzungen und Erscheinungsformen gibt. Es gibt ein mediales Dispositiv, 2 von dem die Musik und die Musikwirtschaft zu einer bestimmten Zeit geprägt sind. Zu diesem medialen Dispositiv gehören nicht nur die digitalen Techniken der Aufzeichnung, Speicherung und Distribution von Musik, sondern auch die organisatorischen und institutionellen Ausprägungen und Anordnungen sowie die spezifischen ökonomischen und kulturellen Praktiken, die sich sowohl auf die Produktion, wie auch auf den Konsum von Musik beziehen. Diese heterogenen Momente, die sich im medialen Dispositiv der Musikindustrie verbinden, machen es naheliegend und geradezu notwendig, die jeweils spezifischen Ausprägungen eines medialen Dispositivs zu einer bestimmten Zeit genauer zu betrachten. Das Interesse der folgenden Überlegungen liegt aber vor allem in den Prozessen des Wandels. Der Begriff Dispositiv ist daher weniger in seiner statischen Festschreibung einer bestimmten medialen Anordnung von Interesse, sondern vor allem mit Blick auf Veränderungen, die sich an einzelnen Merkmalen eines medialen Dispositivs beobachten lassen. Insbesondere Knuth Hickethier hat auf die Bedeutung einer Perspektive des Wandels hingewiesen, wenn es um die Auseinandersetzung mit Medien und medialen Dispositiven geht (HICKETHIER 1995: 81). Es geht also weniger um statische Anordnungen eines Mediums, sondern vielmehr um Veränderungen, die sich in medialen Dispositiven und den medialen Praktiken einstellen. Der Schwerpunkt der folgenden Betrachtungen liegt bei den Prozessen der Veränderungen, die sich vor allem auf ökonomische Sachverhalte beziehen, aber stets mit Blick auf die Heterogenität der Momente, die sich in einem medialen Dispositiv verbinden.
Mit der Forderung nach einer prozessorientierten Betrachtung von ökonomischen Sachverhalten in der Musikindustrie stellt sich die Frage, welche Beiträge wirtschaftswissenschaftlicher Theorien oder Managementansätze dies zu leisten vermögen. Bei der Suche nach Prozessperspektiven ist fraglich, ob überzeugende Konzepte zu identifizieren sind, die auf die Musikindustrie zu übersetzen wären. Zwar gibt es eine Reihe von Überlegungen zu Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodellen, in denen strukturelle Differenzen und Gegenüberstellungen zum Ausdruck kommen (u.a. WIRTZ 2010). Die gesamte Logik der Modellierung ist dabei jedoch von der Vorstellung geprägt, dass sich Industrien von einem stabilen Zustand zu einem neuen stabilen Zustand bewegen. Die Stabilität der Zustände kommt in den strukturellen Formationen der Wertketten zum Ausdruck und die Veränderungen werden als zeitlich begrenzte Prozesse des Übergangs begriffen. Fraglich ist, ob diese komparativ statische Modellierung den dynamischen Prozessen einer Industrie gerecht werden kann. Die aktuellen Beobachtungen der Musikindustrie lassen zudem kaum erkennen, dass sich ein neuer stabiler Zustand einstellen wird. Selbst ein historischer Blick auf die Musikindustrie lässt Zweifel daran aufkommen, dass sich die Industrie, mit den einzelnen Organisationen, Akteuren, Gruppen, Technologien und Praktiken jemals in einem stabilen Zustand befunden hat. Damit gibt es gute Gründe zur Annahme, dass es in wirtschaftswissenschaftlichen Theorien bisher kaum fundierte Beiträge zum Wandel der Musikindustrie gibt, da selbst allgemeine Theorien zum ökonomischen Wandel bisher wenig ausdifferenziert sind. Vor allem Douglass C. North hat verschiedentlich und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es in den Wirtschaftswissenschaften bisher keine elaborierten Grundlagen für den ökonomischen Wandel gibt (NORTH 2005: 11ff.;PIES/LESCHKE 2009). Zugleich verweist er auf die dringende Notwendigkeit, an solchen Theorien zu arbeiten, um den Wandel von einzelnen Industrien und auch den Wandel von ganzen Volkswirtschaften besser verstehen zu können. Worin liegen die zentralen Probleme? Viele ökonomische Theorien sind statischer Natur. Man denke etwa an die Mikroökonomische Theorie. Die darin enthaltenen Modelle sind statisch oder komparativ-statisch ausgerichtet. Es sind darin keine Theorieelemente vorhanden, die Prozesse des ökonomischen Wandels für eine Industrie erklären könnten. Ökonomische Theorien sind zudem wenig elaboriert, wenn es darum geht, mit Unsicherheit und Unbestimmtheit umzugehen. Weiterhin ist festzustellen, dass ökonomische Theorien häufig der Ordnung und Effizienz verpflichtet sind. Ein Grundanliegen vieler ökonomischer Theorien ist es Ordnungen herzustellen, Verlässlichkeit zu produzieren und Bedingungen der Effizienz herbeizuführen. Wenn wir über Musikwirtschaft 2.0 und Perspektiven für die Musik sprechen, dann haben wir es mit Phänomenen zu tun, die mit den Bedingungen von Stabilität und Ordnung kaum korrespondieren. Die Musikindustrie weist eher entgegengesetzte Ei-genschaften auf: (1) Es handelt sich um ein prozessuales Geschehen, das mit statischen Theorien nicht zu erklären ist. 2Wir haben es mit vielen Unbestimmtheiten und Unsicherheiten zu tun. 3Wir können nicht davon ausgehen, dass der Wandel der Musikindustrie mit Ordnung und Effizienz in Verbindung steht. Es sind daher Zweifel angebracht, ob die Veränderungen der Musikindustrie mit den Mitteln, Konzepten und Instrumenten der bestehenden Managementtheorie zu fassen sind. Davon ausgehend steht auch die Planungsrationalität der Managementtheorie in Frage.
Zu beobachten ist, dass einzelne Industrien immer wieder von Umbrüchen, Krisen und fundamentalen Veränderungen ‚heimgesucht' werden. Banken, Energieversorger oder Automobilunternehmen sind davon eben so wenig ausgenommen wie Computer-, Telekommunikations-und Medienunternehmen. Die Managementpraxis kann solche Phänomene und die damit verbundenen Folgen oft nur mit Erstaunen und Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Der Managementtheorie geht es kaum anders. Das klassische Planungsparadigma der Managementtheorie ist damit als problematisch anzusehen. Managementtheorien gehen vielfach von rationalistischen Ordnungs-und Effizienzkonzepten aus. Planung, Organisation und Koordination lauten die Zentralbegriffe. Die Königsdisziplin im Planungsparadigma ist die ‚Strategische Planung'. Die zentrale Frage ist jedoch, ob man mit rationalen Planungskonzepten der Managementtheorie den Wandel in der Musikindustrie verstehen kann. These der folgenden Auseinandersetzung ist es, dass sich die Veränderungen in der Musikindustrie kaum auf eine einfache Logik von Planung, Organisation und Koordination zurückführen lassen. Dies soll nicht bedeuten, dass in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nicht auch andere Modelle und alternative Planungsrationalitäten zum Vorschlag kommen (WEICK 1979(WEICK , 1995MARCH 1981MARCH , 1991MINTZBERG 1994). Dies hat allerdings wenig an der Dominanz der rationalen Planungstheorie geändert.
Das Grundmuster der Planung und insbesondere der strategischen Planung lässt sich an einigen Elementen verdeutlichen, die in folgenden Konzepten zum Ausdruck kommen. Das System der Strategischen Planung setzt die Formulierung von Unternehmenszielen voraus. Im Anschluss daran geht es um die Analyse der Situationen und um die identifizierbaren Stärken und Schwächen sowie um die Formulierung und Implementierung einer Strategie. Wichtige Elemente im Planungsparadigma sind weiterhin die Wertschöpfungskette, die Analyse und Planung von Kernkompetenzen und das Business-Modell. Wenn solche Planungskonzepte auch für die Musikwirtschaft bestehen und daraus auch entsprechende Anleitungen für die strategische Positionierung und die Entwicklung von neuen Kernfähigkeiten hervorgehen, dann stellt sich die Frage, warum die etablierte Musikindustrie die aktuellen Entwicklungen im Web 2.0 so sehr aus der Fassung bringen. Wie kann es sein, dass die dominanten Entwick-lungen der Musikindustrie von Akteuren kommen, die vorher mit Musik nichts zu tun hatten? Wie ist es möglich, dass junge Unternehmen in wenigen Jahren bedeutende Segmente im Internet beherrschen (Napster, iTunes, Last.fm)? Wenn das Planungsparadigma funktionieren würde, dann hätte dies den Akteuren der Musikindustrie nicht passieren dürfen -zumindest nicht den dominanten Akteuren der vormals oligopolistisch strukturierten Industrie, die reichlich mit finanziellen Mitteln und Macht ausgestattet war. Es gibt zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Erklärung: 1 North (u.a. NORTH 2005). Aus seiner Theorie des institutionellen Wandels und seinen Überlegungen zum kognitiven Institutionalismus ergeben sich Hinweise für eine Analyse der Musikindustrie, die den Modus der Betrachtung umstellen.
Zentraler Ausgangspunkt in den theoretischen Arbeiten des Wirtschaftshistorikers Douglass C. North ist es, dass Wirtschaftssysteme nicht von Stabilität, sondern vielmehr von ständigen Prozessen des Wandels geprägt sind. Nicht die Stabilität von Strukturen, Produkten, Organisationen, Gruppen bilden den Normalfall, sondern der ständige Wandel ist es (NORTH 2005). Das Anliegen von Douglass C. North ist es daher, Prozesse des ökonomischen Wandels zu verstehen. North setzt sich mit Bedeutung und Stellenwert des Rationalitätsbegriffs auseinander. Er interessiert sich für die Verfasstheit sozialer Ordnungen und die Bedeutungen von formalen und informalen Regeln. Dabei setzt er sich auch mit Ideologien, gemeinsamen Überzeugungen und gemeinsam geteilten mentalen Modellen (Shared Mental Models) auseinander. Es geht ihm um die Frage, welche Rolle mentale Modelle (Mythen, Ideologien, Gedankensysteme verschiedenster Art) im Prozess des ökonomischen Wandels spielen (NORTH 2005). Ein wesentliches Moment seiner Betrachtung bezieht sich auf Unsicherheiten in einer nicht-ergodischen Welt. Mit dem Begriff ‚Ergodic' verbindet North die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Zustand wiederkehren wird. In einer ergodischen Welt ist mit einer Wahrscheinlichkeit von Null davon auszugehen, dass ein vorheriger Zustand nicht wiederkehren wird (NORTH 2005: 19;Herv. i.O.). Ein "ergodisch stochastischer Prozess" bedeutet daher, dass die in der Vergangenheit berechneten Mittelwerte aus früheren Beobachtungen keine wesentlichen Differenzen zu den durchschnittlichen Zukunftswerten aufweisen. Eine ergodische Wirtschaft ist eine, in der die fundamentalen zugrundeliegenden Strukturen der Wirtschaft konstant und somit "zeitlos" sind (NORTH 2005: 16). Aber die Welt in der wir leben ist North zufolge nicht ergodisch -wir leben vielmehr in einer Welt, in der ständig neue Veränderungen auftreten. Um eine solche Welt verstehen zu können, sind neue Theorien erforderlich oder zumindest eine Modifizierung von denen, die wir bisher zur Verfügung haben. Was wir North zufolge erreichen müssen, sind bestimmte Arten von Theorien, die in bestimmten Kontexten einer nicht-ergodischen Welt angemessen sind.
Ein weiteres Element in den Überlegungen von North bezieht sich auf das unvollkommene Verständnis, welches die verschiedenen Akteure von ihrer Umwelt erlangen können. Daraus folgt für North auch eine Unvollkommenheit der formalen und informalen Institutionen. 3 Die von politischen und wirtschaftlichen Unternehmern getragenen Vorstellungen und Überzeugungen führen North zufolge im Laufe der Zeit zu einer Anlagerung von Strukturen und Institutionen, welche die wirtschaftlichen und politischen Leistungen bestimmen. Dazu gehören Vertrags-und Eigentumsrechte ebenso wie Normen und Regeln, die sich über spezifische Praktiken herausbilden und verfestigen. Die daraus resultierende institutionelle Matrix stellt nach Auffassung von North eine hohe Restriktion und Belastung für künftige Wahlhandlungen dar. North spricht von einer Pfadabhängigkeit, die tendenziell zu einem inkrementellen Wandel führt, obwohl gelegentlich radikale und abrupte institutionelle Veränderungen zu beobachten sind. North verbindet damit die Vorstellung von punktuellen, aber instabilen Gleichgewichtszuständen.
Schließlich übt North auch fundamentale Kritik am klassischen Rationalitätsmodell und ersetzt dieses durch die Konzeption einer prozedural-situativen Rationalität, die von gemeinsam geteilten Überzeugungen, Deutungsmustern und "gemeinsam geteilten mentalen Modellen" ausgeht. 4 Im Unterschied zur Annahme eines begrenzt ra-tionalen Verhaltens, z.B. in Simons Konzept gebundener bzw. begrenzter Rationalität ,5 wird mit dem Konzept mentaler Modelle weniger der quantitative Mangel an verfügbaren Informationen, als vielmehr "die Unvermeidbarkeit pfadabhängigen Qualitätswandels bei der Informationsrezeption" betont (KOCH 1998: 603). Ausgangspunkt dieses Konzeptes ist dabei die Auffassung, dass individuelle Bewertungen der Realität durch den Wahrnehmungsfilter mentaler Modelle laufen, d.h. Akteure interpretieren (gesellschaftliche) Phänomene anhand kognitiver Wahrnehmungs-und Interpretationskategorien, die wiederum durch das kulturelle Umfeld geprägt sind. Auf diesem Weg werden individuelle Sozialisationsprozesse vermittelt (KOCH 1998: 603). Dies schließt zum einen nicht nur ein, dass (identische) Handlungsrestriktionen von Akteuren unterschiedlich wahrgenommen werden. So weist North darauf hin, dass etwa Veränderungen in den relativen Preisen keineswegs von den betroffenen Akteuren in gleicher Weise kognitiv aufgenommen und verarbeitet werden können. Entsprechend sei auch die Annahme, dass die Akteure über Erkenntnissysteme verfügen, die "wirklichkeitsgerechte Modelle der Welt liefern" unzutreffend (KOCH 1998: 603). North geht damit von einer substanziellen und "unhintergehbaren" Limitierung des Rationalitätsgehalts der von Menschen getroffenen Entscheidungen aus (PIES/LESCHKE 2009). Menschliche Entscheidungen sind North zufolge durch soziale und kulturelle Werte und Deutungsmodelle geprägt. ‚Geteilte mentale Modelle' (Shared Mental Models) bilden North zufolge die heuristischen Grundlagen, auf denen Individuen Entscheidungen treffen. North unternimmt damit eine Erweiterung seines Forschungsprogramms um kulturelle und kognitivistische Fragestellungen und geht in seinen Betrachtungen von einem heteronomen Rationalitätsverständnis aus. Er geht auf Distanz zu etablierten Modellen und versucht doch immer wieder eine Verbindung zu ihnen herzustellen. Eine gewisse Schwäche in seinen Auseinandersetzungen besteht darin, dass er das Konzept der Unsicherheit weitgehend abstrakt formuliert. Es wird zwar deutlich, dass die Unsicherheit sowohl in der Umwelt als auch in den Subjekten zu suchen ist, aber eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Quellen der Unsicherheit erfolgt nicht. Ein Rückgriff auf einige Aussagen der Akteur-Netzwerk-Theorie kann dazu beitragen, die Auslöser für Unsicherheit bzw. die Quellen der Unbestimmtheit zu benennen. Im Folgenden werden daher einige Elemente der soziologischen Perspektive der ‚Akteur-Netzwerk-Theorie' angesprochen und die von Bruno Latour benannten Quellen der Unbestimmtheit hervorgehoben. Gemeinsam mit der Theorie des ökonomischen Wandels ergibt sich daraus ein Rahmen, der es ermöglichen soll, die Veränderungen in der Musikindustrie zu skizzieren. sie etwa Anthony Giddens (1984) akzentuiert. Giddens hat dazu die Formel des "reflexive monitoringof Action" geprägt. 5 "If we accept the proposition that both the knowledge and the computational power of the decision maker are severely limited, then we must distinguish between the real world and the actor's perception of it and reasoning about it." (SIMON 1986: 210f.) Eine erste Unbestimmtheit ergibt sich bei der Frage nach dem sozialen Aggregat der Untersuchung. Sollen soziale Aggregate aus ‚Individuen' bestehen, aus ‚Organisationen', ‚Klassen', ‚Rollen', ‚Verlaufskurven', ‚Diskursfeldern', ‚egoistischen Genen', ‚Lebensformen' oder ‚sozialen Netzwerken'? (LATOUR 2007: 42) Für Latour ist nicht die Gruppe, sondern die Gruppenbildung das relevante Phänomen der soziologischen Untersuchung. Die erste Quelle der Unbestimmtheit, von der wir lernen könnten, ist demnach, dass es keine relevante Gruppe gibt, von der man sagen könnte, nur sie bilde soziale Aggregate, keinen feststehenden Bestandteil, der als unbestreitbarer Ausgangspunkt dienen könnte (LATOUR 2007: 53). Nicht die Gruppe ist das interessante Phänomen, sondern die Gruppenbildung, die beständige Umformung von Gruppen.
Eine zweite Quelle der Unbestimmtheit bezieht sich auf die Kategorie des Handelns. Latour beginnt mit einigen Fragen, die sich auf Handlungen beziehen: Wenn wir handeln, wer handelt außerdem noch? Wie viele Handlungsträger sind außer uns noch präsent? Wie kommt es, dass wir nie tun, was wir wollen? Wieso werden wir alle von Kräften gehalten, die wir nicht selber gemacht haben? Handeln ist nicht transparent, es steht nicht unter der vollen Kontrolle des Bewusstseins. Diese altehrwürdige Quelle der Unbestimmtheit ist es, die wir mit dem seltsamen Ausdruck Akteur-Netzwerk wieder lebendig machen wollten. Handeln ist ein Knoten, eine Schlinge, ein Konglomerat aus vielen überraschenden Handlungsquellen, die man eine nach der anderen zu entwirren lernen muss (LATOUR 2007: 77). Handeln wird aufgehoben -so die Formulierung von Latour. Handlungen können demnach von menschlichen Akteuren ebenso hervorgebracht und geprägt sein wie von materiellen Agenten. 6 Eine dritte Quelle der Unbestimmtheit bezieht sich auf die Natur von Objekten. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung geht es oft um die Fragen nach der Natur von Objekten, die der Erkenntnisgewinnung dienen. Latour hebt hervor, dass sich verschiedene Handlungsstränge beliebig miteinander vermischen, so dass sich Handlungsverläufe selten nur aus Mensch-zu-Mensch-oder Objekt-zu-Objekt-Beziehungen zusammensetzen. Mit dem Begriff Assoziationen wird klar, dass Menschen und Nicht-Menschen immer in Verbindungen auftreten und dadurch Ketten von Vermittlungen entstehen. Akteure und Aktanten können nur zum Handeln übergehen, wenn sie sich mit anderen assoziieren, also verbünden zu Hybriden bzw. Mensch-Ding-Hybriden (LATOUR 2001: 247).
Aus der Vorstellung über die Natur von Tatsachen entsteht für Latour eine vierte Quelle der Unbestimmtheit. Wann können wir von Tatsachen sprechen? Dies ist eine Frage der Erkenntnisfähigkeit. Latour betont, dass jeder Untersuchungsgegenstand stets als umstrittene und nicht als unbestreitbare Tatsache aufgefasst werden sollte. Kontroversen über die Natur von Tatsachen sind seiner Auffassung zufolge nicht als Schwäche der Untersuchung, sondern eher als Zeichen von Komplexität der entstehenden Tatsache zu betrachten. Ferner muss bei der Forschung eine Stabilisierung der Objekte und Methoden vorhanden sein. Diese dürfen jedoch nicht als Mittel und Wege betrachtet werden, welche den Forscher zur unbedingten Wahrheit führen. Man hat es immer mit Konstruktionen zu tun. Der Forscher selbst entscheidet was in seine Analyse gehört und was nicht, damit beeinflusst er bewusst auch das Ergebnis der Analyse. Er verfolgt Assoziationen und konstruiert einen Bericht über sie. Eine wissenschaftliche Konstruktion lässt sich nicht daraufhin prüfen, ob sie der Wirklichkeit standhält, sondern nur ob sie gut oder schlecht gemacht ist.
Eine fünfte Quelle der Unbestimmtheit bezieht sich schließlich auf die "Entfaltung und Erweiterung von Existenzformen". Es handelt sich hierbei um den Bericht des Forschers. Dieser bestimmt die Assoziationen der Akteure und Objekte und entscheidet welcher Sachverhalt welche Bedeutung hat (BECKER 2008).
In der vierten und fünften Quelle wird die Position Bruno Latours als Wissenschaftstheoretiker deutlich. Bezogen auf die Musikindustrie sind mit der fünften Quelle der Unbestimmtheit z.B. jene Berichte gemeint, die von Medienökonomen und Medienmanagern stammen und nicht nur eine wissenschaftliche Konstruktion von Wahrheiten über die Musikindustrie darstellen, sondern im Netzwerk zirkulieren. Dort führen sie zu einer Entfaltung und Erweiterung von Existenzformen, indem sie Gruppenbildungen erweitern, Handlungsmöglichkeiten vervielfachen, die Anzahl der Objekte vergrößert und zu neuen wissenschaftlichen Konstruktionen anregen.
In den folgenden Betrachtungen geht es um Frage nach Voraussetzungen und Entwicklung der Musikindustrie, die zu dem geführt haben, was wir gegenwärtig als Musikindustrie 2.0 bezeichnen. Hintergrund für dieses Unterfangen bilden die zuvor angesprochenen Elemente aus der Theorie des ökonomischen Wandels von Douglass C. North in Verbindung mit den von Bruno Latour ausgearbeiteten Quellen der Unbestimmtheit. Beide Theorien haben gemeinsam, dass sie Prozesse und Veränderungen in den Mittelpunkt stellen. Veränderungen sind für sie aber nicht einfach nur Phänomene des Übergangs von einer stabilen Struktur in eine andere stabile Struktur. Ein solch wechselseitiges Verhältnis von Stabilität und Wandel wird sowohl in Medientheorien als auch in ökonomischen Diskursen vielfach explizit oder implizit vorausgesetzt. Länger andauernde Phasen der Stabilität werden in dieser Interpretation von Phasen des Wandels unterbrochen um dann schließlich in eine neue Phase der Stabilität einzutreten.
Die Theorie des institutionellen Wandels von Douglass C. North und die Akteur-Netzwerk-Theorie gehen hingegen von prinzipiell anderen Voraussetzungen und Annahmen aus. Douglas North konzeptualisiert wie Bruno Latour eine Prozessperspektive. Unsicherheit stellt sich bei North, etwas abstrakt, als Eigenheit einer nicht-ergodischen Welt und als unvollkommenes Verständnis dar, welches die verschiedenen Akteure von ihrer Umwelt erlangen. Bei Bruno Latour manifestieren sich Unsicherheit und Ungewissheit an fünf Quellen der Unbestimmtheit. Nicht die Stabilität ist in dieser Prozessperspektive der ‚Normalfall', sondern die immerwährende Unbestimmtheit und Transformation. Das bedeutende ökonomische Phänomen liegt damit im Prozess des ökonomischen Wandels selbst.
Insbesondere die Entwicklungen unter den Bedingungen der Digitalisierung führen in besonderer Weise vor Augen, dass sich in der Musikindustrie eine Dauerrevolution vollzieht. Früher war das vor allem auf der Ebene von Musik und Musikgattungen zu beobachten. In der Musikindustrie 2.0 tritt dies auch für Gruppen, Handlungen, Objekte, die Konstruktion von Tatsachen und die Vervielfältigung von Existenzformen in besonderer Weise hervor. Aber selbst ein Blick in die Vergangenheit macht deutlich, dass sich die Musikindustrie im ständigen Wandel befand. Noch ehe eine Tech-nologie vollständig ausgereift und verbreitet war, hat sich bereits eine neue Technologie angekündigt. Grammophon, Plattenspieler, Tonbandgerät, Kassettenrecorder, Walkman, CD, DVD, Blu-Ray, Mono, Stereo 5.1 -im Bereich der Technologien war die Musikindustrie immer ein Feld der Auseinandersetzung. Auch die Formationen von Gruppen auf der Seite von Anbietern und Nachfragern hat sich immer wieder gewandelt. Allenfalls unter den Bedingungen der monopolistischen Konkurrenz in den vergangenen Jahrzehnten mag es so ausgesehen haben, als wäre die Musik in eine Phase der Stabilität eingetreten. Aber auch das war zu keiner Zeit zutreffend.
Gruppen sind nicht gegeben, sondern immer wieder neu zu versammeln. Assoziationen spielen hier eine entscheidende Rolle. Anstatt also von fertigen Gruppen als Analysegegenstand auszugehen, interessieren wir uns mit Latour für die immer prekäre Bildung von Gruppen. Bezogen auf die Musikindustrie betreffen die Gruppenbildungen erstens die Struktur der Anbieter, zweitens die Struktur der Nachfrager und drittens die Intermediäre. Die Musikindustrie und deren Vermarktungskonzepte waren lange Zeit an Präferenzen und Rezeptionsmustern ausgerichtet, die sich an festen Entitäten wie Schichten, Milieus oder Szenen orientieren. Die Soziologie der Großgruppen wurde in Marktsegmente übersetzt, die sich ebenfalls an gesellschaftlichen Großgruppen orientiert hat. Die Musikindustrie jedoch hat sich schon immer an der Entstehung von Szenen und Szenenkulturen orientiert und hat diesen Wandel selbst mitgeprägt. Oft war Sie sogar Katalysator des Wandels. Die Musikindustrie 2.0 ist von einem Konzept der Gruppe geprägt, das sich mehr als je zuvor von fertigen gesellschaftlichen und stabilen Großgruppen distanziert. Analysegegenstand sind demnach nicht großgruppenspezifische Präferenz-und Rezeptionsmuster, sondern Präferenzen und Rezeptionsmuster, die sich innerhalb von ‚Klumpen und Clustern' in den sozialen Netzwerken erst herausbilden. Diese Beobachungsperspektive beschäftigt sich mit der hohen Volatilität und einer ständigen Rekonfiguration von Gruppen. In den Gruppen bilden sich geteilte mentale Modelle heraus, die ihren Ausdruck in spezifischen Praktiken, wie auch in bestimmten Präferenzen und Rezeptionsmustern finden. Zu den Praktiken gehört etwa die Vernetzung und Kommunikation, wie auch die Empfehlung und Bewertung von Musikstücken und das Social Tagging, bzw. die Vergabe von Metadaten für einzelne Musikstücke oder Musikvideos. Über Metadaten von Musikstücken und Profile der einzelnen Nutzer entstehen soziale Netzwerke, die Kommunikation und Anschlusskommunikation ermöglichen. Unter Nutzung von Medieninhalten bildet sich ein soziales ‚Flow-Konzept' heraus, das die eigenen Präferenzen und den Geschmack bestätigt. In einem Netzwerk geht es aber nicht allein um Bestätigung, sondern zugleich um Irritation und um das Neue, denn jedes Mitglied ist stets auf der Suche nach Differenzen, die es den anderen mitzuteilen gilt. Neben den Satz "Was machst du gerade?" tritt daher die Frage "Hast du das schon gehört?". Diese Frage stellen aber nicht nur die Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft. Eine vergleichbare Frage wird auch von Software-Agenten gestellt und mit der Aufforderung zum Konsum verbunden.
Die Bedeutung materieller Agenten in der Musikindustrie 2.0 wirft die Frage auf: Wer handelt? Es wird immer deutlicher, dass nicht mehr nur menschliche Akteure handeln, sondern auch eine "Material Agency" (PICKERING 1995) in Betracht gezogen werden muss. Die materiellen Agenten nehmen damit erheblichen Einfluss auf die Formation von Geschmacks-und Präferenzmustern in der Musik. Softwareagenten dienen nicht nur der Suche und Strukturierung von Musikstücken sondern zugleich der ständigen Konfiguration und Rekonfiguration von Gruppen und Netzwerken. Über die Metadaten-Profile und Software-Agenten bilden sich soziale Handlungen und Gruppen. Mit Hilfe dieser Elemente bildet sich eine neue Form der sozio-technischen Interaktion, die nicht nur einzelne Handlungen und Gruppenhandlungen, sondern auch die Struktur der gesamten Industrie beeinflusst und prägt.
Digitale Musiktitel enthalten Metadaten mit Informationen wie Name des Künstlers, Album, Jahr der Aufnahme, Genre usw. In Musik, die im Internet zirkuliert, sind diese Metadaten, sogenannte ‚tags', meist integriert. Tags ermöglichen das Finden von Informationen, was mit Blick auf die Informationsvielfalt im Internet immer wichtiger wird. Jedoch helfen Metadaten nicht nur beim Auffinden von Musikstücken, sondern eröffnen Zugänge zur Musik selbst, indem sich bestimmte Informationen über Musikstücke extrahieren lassen. Sie sind damit als aktive Akteure bei der Herausbildung von Musikgeschmack und Präferenzen anzusehen und damit auch für die Bildung von sozialen Gruppen und Szenen. Ähnlich verhält es sich für Software-Agenten, welche auch als "Vertreter" oder "Handlungsbevollmächtigte" konzeptualisiert sind (SCHIL-LING 1999). Handlungsbevollmächtigte sind Personen die von der Geschäftsleitung eines Unternehmens mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet worden sind. Sie treffen situative Entscheidungen und entlasten so das Management. Kommunikation wird damit auf der Managementebene verringert und auf Handlungsbevollmächtigte übertragen. Damit wird die Handlungskomplexität für das Management reduziert (SCHILLING 1999). Ähnlich verhält es sich bei Software-Agenten, welche autonom und mobil im Netzwerk zirkulieren und mit anderen Agenten oder menschlichen Akteuren kommunizieren. Sie spüren Informationen auf, verhandeln Preise, registrieren Geschmäcker ihrer Nutzer und verbinden damit wiederum menschliche mit menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren. Software-Agenten speichern Musikempfehlungen, welche dann in bestimmten Gruppen zirkulieren und Musiktrends noch lange vor ihrem Durchbruch in der Musikindustrie entstehen lassen (BORCHERS 1999). Auch Musikprofile, wie sie beispielsweise das Internetradio Last.fm etabliert, sind an der Formung von Gruppen, Trends, Präferenzen und Geschmacksmustern aktiv beteiligt. So werden auf Last.fm die Musikprofile der Nutzer verglichen und Ähnlichkeiten verwendet, um dynamische Wiedergabelisten hervorzubringen. Durch Buttons wie ‚Lieben' und ‚Bannen' können Benutzer ihre Profile während der Wiedergabe anpassen. In solchen sozialen Netzwerken, die sich nicht nur aus menschlichen Akteuren zusammensetzen bilden sich permanent Gruppen heraus, die wiederum einen Einfluss auf die komplette Industriestruktur haben.
Deutlich wurde anhand der zuvor gemachten Ausführungen, dass sich die Musikindustrie nicht nur mit menschlichen Akteuren auseinandersetzen muss, sondern auch mit nicht-menschlichen Akteuren und ihren vielfältigen Beziehungen untereinander. Objekte sind dabei häufig unbestimmt, weil wir kaum ein Verständnis ihrer jeweiligen Rolle im Zusammenhang mit dem Sozialen haben. Sie erscheinen als selbstverständlich und werden nur dann sichtbar, wenn sie nicht wie geplant funktionieren oder auf ungewünschte Weise Daten von uns preisgeben und zirkulieren lassen. Nachdem sich die Musikindustrie lange Zeit mit illegalen Musikplattformen im Internet konfrontiert sah, wächst seit einigen Jahren das Angebot an legalen Musikportalen und -plattformen. Hierzu zählen etwa Spotify als kostenloses Online-Musikportal oder iTunes, Musicload und Napster als kostenpflichtige Angebote. Auf Spotify lassen sich Songs per Streaming hören. Man kann sie in einer Playlist speichern und so oft hören wie man will. Songs befinden sich dabei jedoch nicht im Eigentum der Hörer. Darüber hinaus funktioniert Spotify in Kombination mit einer Mitgliedschaft bei Facebook. So bilden sich Assoziationen zwischen Nutzern von Musikportalen und befreundeten Nutzern auf Facebook, es entstehen Hybride aus unterschiedlichen Akteurs-Netzwerken, sogenannten Makroakteuren wie Spotify und Facebook, zwischen Profilen und menschlichen Akteuren usw.
Diese kurzen Beobachtungen machen deutlich, dass bei der Beschreibung der Situation der Musikindustrie Gegenüberstellungen wie Technik-Gesellschaft oder aktiv-passiv ihre Existenzberechtigung verlieren. Denn die "Hybriden entfalten sich in einem Bereich zwischen Natur und Kultur, zwischen Subjekt und Objekt [...]" (BELLIGER/KRIEGER 2006: 15). Es kommt hier ebenfalls zu einer alternativen Definition des Sozialen in sozialen Netzwerken.
Obwohl die meisten Sozialwissenschaftler es vorziehen würden, ein homogenes Ding ‚sozial' zu nennen, ist es vollkommen akzeptabel, mit diesem Wort Assoziationen zwischen heterogenen Bestandteilen zu bezeichnen. (LATOUR 2007: 17) Sozial bezeichnet keinen Realitätsbereich und keinen bestimmten Gegenstand, sondern ist eher die Bezeichnung für eine Bewegung, eine Verschiebung, eine Transformation, eine Übersetzung, eine Anwerbung. Es bezeichnet eine Assoziation zwischen Entitäten, die in keiner Weise als soziale erkennbar sind, außer in dem kurzen Moment, in dem sie neu zusammengruppiert werden. (LATOUR 2007: 112) Wenn das Soziale eine Bewegung darstellt, die sich immer wieder anhand von Assoziierungen von Menschen und Dingen herstellt, ist es eine wichtige Aufgabe des Medienmanagements die Musikindustrie als einen Prozess zu ergründen, indem sie entlang eines heterogenen Netzwerkes die jeweiligen sozialen Bindungen verfolgt. Inspiration traten zurück, was an der Verschiebung von ‚Er hat einen Genius' zu ‚Er ist ein Genius' deutlich wird (KRIEGER 2007: 35). Auch wenn Skepsis hinsichtlich einer grundlegenden Änderung des Rollenmodells vom prototypischen Künstler, wie es sich seit der Renaissance herausgebildet hat, 3 formuliert werden kann; ein "Auftritt als Künstler" (BISMARCK 2010) darf nicht nur als exklusives Muster künstlerischer Selbststilisierung verstanden werden, sondern verläuft unter Beteiligung aller Akteure an der Ausgestaltung der Rolle. Denn es zeigt sich eine historisch bedingte Variabilität in den Definitionen vom Künstler als eine immer wieder neu zu findende Übereinkunft zwischen den beteiligten Individuen und Institutionen (BISMARCK 2011: 148). Die Frage nach dem Rollenauftritt und den damit verbundenen Rollenbildern und -modellen als Künstler verweist somit auf das Feld, in dem die Akteure mit unterschiedlichen Machtgraden und damit Erfolgsaussichten agieren. 4 Die Konstitution von Künstlerschaft verläuft dabei über bestehende Vorstellungen, "was ein Künstler in Verhältnis zu wem oder was ist oder macht" (BISMARCK 2011: 148). Der Auftritt als Künstler lässt sich als ein identitärer Prozess betrachten, in dem eigen-und fremdproduzierte Bilder gegeneinander abgeglichen und in die jeweiligen Kontexte integriert, den Anforderungen angepasst werden. Untersuchungen zu Künstlerbildern besitzen somit nicht (nur) einen sozialhistorischen Fokus (BOIME 1990;HAUSER 1990), sondern auch eine geistes-und ideengeschichtliche sowie diskursanalytische Dimension. Handelt es sich auch um unterschiedliche Textsorten bzw. soziale Situationen, so lässt sich doch eine gewisse Ambivalenz erkennen, die sowohl mit der individuellen materiellen Notlage Schillers erklärt werden kann, als auch mit einer schon damals prekären Stellung nicht weniger Künstler zwischen Fürstenhof und Bürgergesellschaft, zwischen fürstlicher Patronage und marktwirtschaftlichen Ambitionen in einer nicht mehr gänzlich stratifikatorischen und noch nicht völlig funktionalen völlig ausdifferenzierten Gesellschaft, in der -noch weitgehend ohne urheberrechtliche Absicherungen -das systemische Marktversagen impliziert war. 5 Immerhin war Schiller einer der ersten deutschsprachigen Autoren, der zumindest teilweise von seinen Einnahmen als so genannter freier Schriftsteller leben konnte. Will man somit ungeachtet individueller Umstände, bei Schiller das vor allem durch Krankheiten beeinträchtigte künstlerische Wirken, eine Positionsbestimmung des Künstlers um 1800 vornehmen, so lässt sich jenseits retrospektiver Stereotypisierungen von romantischer Armut wie im Spitzwegschen Armen Poeten 6 und lebensuntüchtigem Genie bzw. ungeachtet ökonomisch erfolgreichen Agierens die Vorstellung vom Scheitern als freier Künstler unter funktionalen Aspekten ein Dilemma konstatieren. Künstler wie Schiller, aber auch Lessing oder Mozart konnten und wollten "den älteren Normen des Hofkünstlers nicht mehr entsprechen", gleichwohl bot "die Ge-sellschaft für die neue Definition des >freien< Künstlers noch nicht in ausreichender Weise adäquate Lebensumstände" (RUPPERT 2000: 23f.).
Analysiert man aktuelle Monographien (s. Anm. 1 und 2), einschlägige Kataloge sowie Tagungsbände hinsichtlich der Attribuierungen von Künstlertum, so zeigt sich aktuell -ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen -eine hohe semantische Varianz an Zuschreibungen, die sich kulturhistorisch erklären lassen: Man findet erstens metaphysisch-sakrale Bezugnahmen, nach denen der Künstler als Demiurg, Gottkünstler und Schöpfer (VÖLLNAGEL/WULLEN 2008) bzw. als Schamane, Heiler und Heilsbringer, Erlöser fungiert (KIPPHOFF 2008), 7 dessen Schöpfung in ihrer Vollendung das Maß aller Dinge, das höchste Ziel des Künstlers ist oder der -weltlich geerdet -seine Position als aristokratischer (der Künstler als Edelmann, König, Künstlerfürst) oder revolutionärer Führer 8 mit zukunftsweisender Vision (der Künstler als Prediger, Prophet, Therapeut) findet. Verbunden damit sind Konzepte vom Künstler als Genie, Idol und Star, 9 der seit der Moderne die Zuschreibung als biographisches Gesamtkunstwerk erhalten kann. Neben dieser mehr oder weniger dem Autonomiepostulat verpflichteten Haltung kann aber auch ein funktionaler Bezug auf die Gesellschaft erfolgen, bei der der Künstler eine spezifische Rolle im Bereich Bildung und Erziehung (als akademisches Schulhaupt und Lehrer, als Forscher und Ethnologe, als Erfahrungsgestalter und Sozialarbeiter) einnimmt oder als Organisator ästhetischer Prozesse auftritt, als Kritiker, Kurator, Sammler, Entertainer bzw. auch als Unternehmer und Manager und er über diese funktionale Zuschreibung als Seismograph Wirkungen entfalten kann (SCHADE 2011). In einer dritten, stärker antibürgerlichen bzw. anti-gesellschaftlichen Position wird der Künstler zu einer teilweise dubiosen Gestalt. Er ist der Dandy (ERBE 2002) und Bohemien (KREUZER 1986), ein einsamer und verkannter, seelisch kranker Außenseiter (WITTKOWER 1965;LANGE-EICHBAUM 1956) und Sonderling, ein Scharlatan und Parasit, dem gar Züge des Delinquenten zugeschrieben werden: der Künstler als Dämon, Gauner, Terrorist, Verbrecher und Verführer (VÖLLNAGEL/WULLEN 2008). Schließlich findet man noch eine vierte Rollenbestimmung, nach der der Künstler in Zeiten, in denen der Autor in der strukturalistischen (Roland Barthes) und poststrukturalistischen (Michel Foucault) Debatte für irrelevant erklärt wurde, lediglich als Teil eines übergeordneten Diskurses, als Auswerter oder Anwender von Datenströmen -also wie eine Maschine -fungiert bzw. funktioniert. 10 Worin lassen sich nun die Ursachen für die langlebige Beständigkeit von Künstlerrollen verbunden mit einschlägigen Merkmalszuschreibungen, also die Ursachen der Konstanz, aber natürlich auch der Varianz kultureller Leitbilder finden? Immerhin handelt es sich bei den zuvor erfassten Attribuierungen keineswegs um Anachronismen, was eine erste Sichtung von Künstlerinterviews hauptsächlich aus den Jahren 2009 und 2010 (ZIMMERMANN/GEISSLER 2010) belegen kann: In den Selbstzuschreibungen verwenden die interviewten Künstler Konzepte des Antibürgerlichen (Markus Lüpertz), man sieht sich als göttlich inspirierter Schöpfer, 11 Prophet, Prediger, Lehrer ästhetischer Geschmacksbildung, "Krieger seiner Angelegenheiten" 12 oder auch Wahnsinnigen (Lüpertz), 13 als Schöpfer und Schamane (Romen Banerjee), als Erlöser (Norbert Bisky), erkennt Bezüge zum Sakralen, Göttlichen (Bisky, Frank Tangermann), versteht sich als Lehrer und Sozialarbeiter (Dieter Kropp, Annette Dasch), erkennt eine seismographische Funktion in der eigenen künstlerischen Tätigkeit (Tangermann) und übernimmt unternehmerische Funktionszuweisungen, die allerdings mit der sozialen Problematik als Künstler verbunden werden (Hella De Santarossa Die meisten Musiker und Musikschaffenden agieren nämlich in einem sehr rauen und manchmal Existenz bedrohenden Spannungsfeld zwischen dem idealistischen Bild einer freien Kunst sowie einer tradierten Kunst-und Kulturrezeption auf der einen Seite und dem klassischen Bild einer reinen angebots-und nachfrageorientierten Ökonomie, welche sich nur der Gewinnmaximierung und Kostenminimierung widmet, auf der anderen Seite. Beide Blickwinkel sind Extreme und sind gerade in der Realität des Musiksektors mit all seinen Sparten, Geschäftsfelder und Ausrichtungen so nicht anzutreffen. Der überwiegende Teil der Musiker, Musikschaffenden und kreativ Agierenden bewegen sich -gewollt oder ungewollt -in einer sehr komplexen und vernetzten Schnittmenge. In diesem Schmelztiegel von Kunst und Kommerz -eben des Musiksektors -müssen alle Akteure, namentlich die Künstler und Kulturschaffenden im Musikbetrieb, leben und vor allem überleben. Um in diesem Haifischbecken erfolgreich zu sein, benötigen sie entsprechende Handlungskompetenzen und Zusatzqualifikationen, gerade auch um sich mit den neuen Gegebenheiten der digitalen Vermarktung sowie mit den Problemen des Urheberrechts in Zeiten des Internets zu bestehen (SCHILDHAUER et al. 2012). Diesen Ansatz kann man getrost als Kulturunternehmertum oder neudeutsch-akademisch "Cultural Entrepreneurship" bezeichnen. Nach Peter Bendixen sollte eine gute Theorie des Kulturmanagements den Graben, der zwischen traditioneller -also gewinnorientierter und unternehmerischer -Wirtschaft und traditionellem -also kameralistisch geführtem, einem idealen Kulturbegriff verpflichteten -Kulturbereich existiert, überbrücken (BENDIXEN 1996). Die privatwirtschaftlich betriebenen Kultur-und Musikeinrichtungen folgen meist anderen inhaltlichen Zielsetzungen, wodurch die daraus folgenden Programmentscheidungen andere Konturen haben. Dennoch brauchen auch diese funktionierende Instrumentarien der Organisationsführung, des Marketings und Controllings. Theorien und Konstrukte des Managements für Kunst und Kultur sollten also all jene Instrumentarien umfassen, welche die kommunikativen, technologischen, organisatorischen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aufgaben effektiv und effizient zu lösen vermögen. Die daraus folgende Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der Aufgaben führt dazu, dass nicht von einem einheitlichen Berufsfeld eines Kultur-und Musikmanagers gesprochen werden kann (HEINRICHS 1993(HEINRICHS , 1999).
In seiner Übersicht historischer Betrachtungen von Unternehmerbeschreibungen findet Hartmut Bretz drei wesentliche, verknüpfbare und in der Realität unterschiedlich dominante Hauptfunktionen des Unternehmers: den Kombinator, den Innovator und den Risikoträger (BRETZ 1991: 277ff.)
Nichtsdestotrotz müssen Künstler, Musiker, Kultur-und Musikschaffende sowie Kultur-und Musikmanager effektiv und effizient handeln und die Kultur-und Musikbetriebe wirtschaftlich geführt werden, was sich oft aufgrund der Eigenheiten und der besonderen Komplexität des kulturellen Sektors als schwierig gestaltet. Gerade kleine Kulturbetriebe und Musikeinrichtungen wie Bands, Ensembles oder Chöre befinden sich im steten Spagat zwischen einem Idealbild der Kunst und Kunstrezeption, in welchem sich die agierenden Künstler bewegen und dem kommerziellen Denken des Marktes, indem das Prinzip von Angebot und Nachfrage, Kostenminimierung und Gewinnmaximierung regiert.
Um in diesem Spannungsfeld von wirtschaftlichen Notwendigkeiten und kunstfreundlichem Ideal erfolgreich agieren zu können, müssen die leitenden Akteure nicht nur Kompetenzen als Manager besitzen. Es ist vielmehr für alle diese Akteure in ihren Tätigkeitsfeldern (Abb. 3) von größter Notwendigkeit, innovativ und flexibel mit den sich zwangsläufig ergebenden Problemen umzugehen. Diese Flexibilität beinhaltet, Chancen für kulturelles und musikalisches Eigenengagement, eine Marktnische oder die Schaffung kultureller und muskalischer Aktivitätsmöglichkeiten zu erkennen. Ebenso beinhaltet sie, die dazu nötige eigene Organisation zu schaffen oder eine Bestehende individuell diesbezüglich zu prägen sowie die nötigen Ressourcen selbst zu beschaffen.
Abb. 3: Akteure der Kulturarbeit -Tätigkeitsfelder und Erfolgsfaktoren (nach KONRAD 2010).
Kreative und schöpferische Künstler, seien es nun Komponisten, bildende Künstler oder Schriftsteller, aber auch Instrumentalmusiker, Bandleader, Sänger und Dirigenten, sind der Nukleus des Kunst-und Kulturbetriebs und arbeiten meist freischaffend, unabhängig und selbständig. Daher können sie als Unternehmer in eigener Sache angesehen werden, die quasi als Ein-Personen-Unternehmen ihr Produkt selbst herstellen und teils mit Hilfe von Vermittlern wie Verlagen, Internetportalen, Agenturen, Labels, Urheberrechten etc. vertreiben und vermarkten. Ausgehend von dieser Betrachtungsebene können die persönlichen Merkmale von Künstlern und Unternehmern hinsichtlich ihrer Erfolgsrelevanz verglichen werden, wobei diese Merkmale in persönliche Eigenschaften, Motive und Kompetenzen unterteilt werden (MÜLLER-BÖLING/KLANDT 1993: 33ff.).
Besonders Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung und Existenzaufbau sind ähnlich wie bei klassischen Unternehmern in beiden Gruppen häufig auftretende Motivbündel, wobei die Erfolgswirkung trotz intensiver empirischer Forschung kaum konsistente Ergebnisse vorgebracht hat (BRÜDERL/PREISENDÖRFER/ZIEG-LER 1996: 42; RAUCH/FRESE 1998: 11f.). Eine Kombination von hohem Leistungsstreben sowie einen starken Machbarkeitsdenken ist zumindest bei Gründern und Unternehmern ein signifikanter Erfolgsfaktor. Es ist davon auszugehen, dass dies neben der künstlerischen Qualität auch für erfolgreiche und etablierte Künstler und Musiker gelten muss. Besonders der einsehbare Zusammenhang von sozialer, kommunikativer und netzwerkspezifischer Kompetenz auf die erfolgsrelevante Aktivitäten innerhalb des Gründungs-und Unternehmensprozesses ist auch für das Agieren von Künstlern im kommunikationsintensiven Kulturbereich übertragbar (GEMÜNDEN/KONRAD 2000).
Figure 2000
Man muss jedoch zwischen Künstlern und Musikern in einem Angestelltenverhältnis wie Orchestermusiker oder Ensemblemusiker und freischaffenden Künstlern unterscheiden wie z.B. Dirigenten, die einen eigenen Chor oder ein eigenes Orchester gründen. Solche Kulturschaffende, welche hauptberuflich oder nebenberuflich eine Organisation (Orchester, Festival, Chor, Instrumentalensemble, Band etc.) aufbauen, sei diese auch in der non-profit orientierten Rechtform eines Vereins, was meistens der Fall ist, können mit Fug und Recht als Unternehmer bezeichnet werden.
Der Großteil der lokalen und regionalen Kulturarbeit sowie der kulturellen Infrastruktur auch im Musikbereich findet neben den großen Tankern wie Stadt-und Staatstheatern sowie Symphonieorchestern meist in kleinen privatwirtschaftlichen Kulturbetrieben und Musikorganisationen statt. Diese immer stärker werdenden Tendenzen zu Kleinst-und Kleinbetrieben im Kultur-und Musiksektor zeigen zum einen die Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes als auch die immer häufiger erschienenen Kulturwirtschaftsberichte zu Jazz-, Pop-, Rock-oder Klassikszenen etc. verschiedener Bundesländer und Kommunen.
Der ganze Bereich der beschäftigungsintensiven und umsatzträchtigen Kulturund Kreativwirtschaft, wie Verlags-und Medienwesen sowie Musik-und Multimediaindustrie soll hier in diesem Beitrag erst gar nicht gesondert behandelt werden. Bei den hier im Fokus stehenden Betrieben handelt es sich meist nicht um klassische Unternehmen. Oftmals handelt es sich aus Eigeninitiative von Künstlern und Musikern hervorgegangene sehr kleine Kultureinrichtungen, deren Rechtsform -z.B. gemeinnützige Kulturfördervereine etc. -jedoch keinen Gewinn als Ziel zulassen. Innerhalb dieser kleinen Organisationen agieren leitende Personen, die oftmals auch die Gründer und Initiatoren sind, die als sogenannte Kulturunternehmer (KONRAD 2010) bezeichnet werden können.
Diese Bezeichnung trifft den Kern ihrer Aufgaben und Handlungen, da diese leitenden Personen des Kultursektors die Chance für kulturelles Eigenengagement, eine Marktnische zu einer Gründung eines Musikbetriebs oder die Schaffung musikalischer Aktivitäten erkennen und sich dazu die nötige eigene Organisation schaffen oder eine bestehende individuell diesbezüglich prägen sowie die nötigen Ressourcen selbst beschaffen. Privatwirtschaftliche Musikbetriebe agieren zudem ähnlich wie Unternehmen anderer Branchen auch in einem Netzwerk verschiedenster Beziehungen.
Einflüsse von außen können und sollten vom Kulturunternehmer durch entsprechendes Netzwerkmanagement und Beziehungsverhalten mit geeigneten Maßnahmen einerseits ausgeglichen werden, wenn diese sich negativ auf das Ergebnis der Musikbetriebs auswirken, aber auch andererseits gefördert und ausgenutzt werden, wenn sie positive Wirkungen erzielen.
In den verschiedenen Ansätzen und Theorien der Ökonomie werden zum Teil sehr unterschiedliche Auffassungen von der Rolle des Unternehmers sprich Entrepreneurs und des Unternehmerischen Verhaltens vertreten. Howard Stevenson und Juan Carlos Jarillo (1990: 23) definieren Unternehmertum, sprich Entrepreneurship, als einen Prozess "by which individuals -either on their own or inside organization -pursue opportunities without regard to the resources they currently control." Nach William Bygrave und Charles Hofer (1991) ist ein Unternehmer/Entrepreneur also somit jemand, der Chancen und Gelegenheiten erkennt und sich eine passende Organisation aufbaut (und man sollte hinzufügen, sich die notwendigen Ressourcen beschafft), um diese zu nutzen. Gerade diese Definition eignet sich auch vortrefflich für Kulturschaffende, Künstler und kreativ schöpfende Menschen im Musikbetrieb.
Um die von Bygrave und Hofer bzw. Stevenson und Jarillo erwähnten Prozesse und Organisationsstrukturen mit ihren Chancen und Risiken erfolgreich im Kultursektor zu bewältigen, sind viele Faktoren notwendig. Diese Transferleistung von Unternehmertum in die erfolgreiche Kulturarbeit mit seinen wichtigen direkten und indirekten Einflussfaktoren und Erfolgswirkungen werden dezidiert bei Konrad (2010) in seinem Modell des Kulturunternehmertums empirisch untersucht.
Die persönlichen Verhaltensweisen sowie die spezifischen unternehmerischen Haltungen und Einstellungen sind wichtige Wirkungsvariablen auf den Unternehmenserfolg. Wie die Arbeiten von Slevin und Covin (1995) zeigen, herrscht gerade im Kulturarbeitssektor eine ausgeprägte Unternehmerhaltung in Richtung Initiative und Proaktivität bei erfolgreichen Kulturunternehmern vor. Auch ein unternehmensorientierter Führungsstil und ein aus kalkulierbarem Herausforderungsdenken sich entwickelndes Risikoverhalten können als direkte Einflussgrößen auf den Erfolg beschrieben werden. Bei Kulturbetrieben im Musiksektor lassen sich durch die Ausprägung des Unternehmertums ihrer leitenden Personen als ein Qualitätsmerkmal des persönlichen strategischen Handelns direkte wirtschaftliche Erfolge, aber auch der Grad der Etablierung und Bekanntheit in den von ihnen geleiteten kleinen und mittleren Organisationen nachweisen (KONRAD 2010: 99ff.).
Ein weiterer Erfolgsfaktor aus den im Modell als zentraler Punkt gesetzten unternehmerischen Leistungsbeiträgen lässt sich zum einen aus der Qualität und Flexibilität von Managementkonzepten sowie dem Ausmaß und der Qualität des eigenen Ressourceneinsatzes und deren effizienter Nutzung, also den reinen funktionalen Pflichten und Aufgaben innerhalb des Kulturbetriebs, erklären. Gerade im Hinblick auf die rasante Entwicklung des digitalen Musikmarktes mit all seinen sich daraus resultierenden Chancen und Risiken, Problemen und Nutzen für Musiker und Musikschaffende sind diese unternehmerischen Leistungsbeiträge ungemein wichtig. Zudem ist ein Kulturunternehmer mit einem Pool von verschiedenen Aufgaben und Pflichten entweder als freiberuflicher Kulturschaffender oder innerhalb des eigenen Betriebs konfrontiert, deren Funktionen, ob sporadisch oder permanent, verfahrensoder verhaltensorientiert sein können. Aus der effizienten und effektiven Erfüllung der funktionalen und planungsrelevanten Aufgaben erfolgt in einem unternehmerisch geführten Kulturbetrieb der reibungslose Ablauf z.B. des Veranstaltungsprogramms, was direkt auf den wirtschaftlichen Erfolg wirkt. Kompetenz heutzutage unbedingt notwendig ist, ja vorausgesetzt wird, jedoch nicht hinreichend für den Erfolg ist, wie folgendes Zitat zeigt.
[…] für mich wichtig, und zwar in dieser Reihenfolge: 1. Sozialkompetenz: Umgang mit dem Kunden, bei der Akquise, beim Netzwerkaufbau, bei der Art wie man sich präsentiert und verkauft; 2. viel Geduld und Beharrlichkeit; 3. Eigenständigkeit (in der Persönlichkeit und im Portfolio); 4. fachliche Qualifikation.
( STÖHRMANN 2 )Dies bedeutet jedoch nicht, dass Netzwerken und Kontakte mangelnde künstlerische, kreative und fachliche Expertise ausgleichen kann. Die Notwendigkeit, gut zu singen oder gut ein Instrument spielen zu können , ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere jedoch im komplex strukturierten Musikbusiness von Marketing, Öffentlichkeit, Kulturpolitik, Sponsoren und Förderern etc. nicht mehr hinreichend, auch erfolgreich zu werden. Kulturunternehmer müssen sich gewahr werden, dass sie hierzu auch ein geeignetes und zielgerichtetes Beziehungsportfolio aufbauen und pflegen müssen. Unter einem Beziehungsportfolio wird ein umfangreiches und ausbalanciertes Set guter persönlicher Beziehungen verstanden, dem die für die freischaffende und/oder unternehmerische Kulturarbeit wichtigen Personen, Organisationen und Drittparteien angehören, die über relevante Ressourcen, wie finanzielle Mittel, Informationen, Macht und Kontakte verfügen. Eine Person, die im Besitz eines derartigen personenbezogenen Beziehungsportfolios ist, kann für ihre Aktionen, Projekte und Tätigkeiten wichtige Akteure über organisationale Grenzen hinweg effizient suchen, zusammenbringen und beeinflussen. Das Gestalten eines effektiven und effizienten Beziehungsgeflechtes kann als für den Kulturbetrieb wichtige Netzwerkkompetenz verstanden werden.
So ein Projekt ist nun mal kein solistischer Alleingang. Man kann nicht aus dem Nirwana kommen und sagen: Hallo hier bin ich, nun helft mir mal schön! Gerade wenn man so ein Projekt nicht selber finanzieren kann, sobald man davon abhängt, dass andere Leute ‚Ja' zu etwas sagen, dann bist Du darauf angewiesen, Dich ins Rampenlicht zu stellen. Und Du musst nach außen kontrollierbar sein. Die Menschen müssen einen über längere Zeit genau beobachten und einschätzen können. Sie müssen wissen, was macht der, wie handelt der, wie schwatzt der, was meint er und so weiter. Für ein Netzwerk, das einfach unabdingbar ist, müssen beide Seiten, das Subjektive und das Objektive, zusammenkommen. (JUNGE 2006, 270) Gute persönliche Beziehungen zu wichtigen Personen und Partnern des Musikbetriebs, wie Entscheidungsträger in der Kulturverwaltung, Kulturredakteure, Spon-soren etc., helfen dabei, diese in eine gewünschte Richtung zu bewegen und deren Unterstützung zu erlangen. Die Qualität eines personengebundenen Beziehungsportfolios begründet sich im Wesentlichen aus der Art und Pflege der Ressourcen der jeweiligen Partner und dem Charakter der persönlichen Beziehungen zu diesen Akteuren (WALTER 1998: 91ff.). Die in einem Geflecht sozialer Beziehungen agierenden zentralen Akteure des lokalen und regionalen Kultursektors können die für sie selbst und die für ihre direkten und indirekten Netzwerkpartner relevanten Ressourcen kontrollieren. Das bedeutet, dass sie Zugang zu Ressourcen für die Kulturarbeit haben und diese anderen eröffnen, aber auch versperren. Die durch ein solches Beziehungsportfolio erschlossenen Ressourcen, wie zum Beispiel die Gewährung von öffentlichen Fördermitteln, Finanzierungen durch Sponsoring, Publikumszuwachs durch multiplikative Medienreaktionen, wirken sich direkt auf den wirtschaftlichen Erfolg, aber auch auf den Bekanntheits-und Etablierungsgrad eines Kulturbetriebs aus (KONRAD 2010: 121-124).
Unternehmerisches Denken, Handeln und Verhalten von Leitern und Geschäftsführern von Kultur-und Musikbetrieben stellt eine wichtige Voraussetzung für den rein wirtschaftlichen Erfolg dar. Im Erfolg eingeschlossen sind auch der Grad an Etablierung und Bekanntheit eines freischaffenden Musikers, Musikschaffenden oder eines Musikbetriebes, die vielleicht wichtigsten Variablen innerhalb der Musikwirtschaft. Dies muss sowohl in der Lehre aber auch in der Beratung und im Coaching eine wichtige Rolle spielen (MÜLLER et. al. 2011). Die in einem komplexen Netzwerk agierenden Akteure innerhalb der Kulturbetriebe müssen sich anderen Anforderungen mit anderen Mitteln stellen als Betriebe vergleichbarer Größe in anderen Sparten. Die Anforderungen und der Druck auf den Kulturmanager im Musik-Business aller Sparten wachsen immens, wodurch ein effizientes und effektives Bewegen in Netzwerken unabdingbar ist. Ein Netzwerk kann nur so zum Nutzwerk werden. Kulturund Musikmanager müssen sich daher zum Kulturunternehmer wandeln, und das bedeutet sicherlich eine teilweise Abkehr vom Ideal der freien Kunst bzw. des einfachen Verwaltens von Kulturaktivitäten gerade im Hinblick auf das digitale Musikgeschäft. Ein solcher Wandel muss nicht zwingend erst noch geschehen. Viele Kulturmanager erfüllen bereits diese Voraussetzungen. Nur ist es eine Frage des Selbstbildes, welches es zu verändern gilt. Zwei Herzen müssen in der Brust von Kulturmanagern schlagen, das der Kultur und das des Unternehmertums. Beide Seiten sollten immer Gehör finden, was aber nicht zwangsläufig einen Mittelweg bedeuten muss. Die Sorge sollte immer dem eigenen Musikbetrieb gelten, denn letztendlich ist der Kulturunterneh-mer für ihn verantwortlich, und nicht für die Kunst oder ihre Szene. Beide Bereiche jedoch in ein funktionierendes, gleichberechtigtes Ganzes zu integrieren, sozusagen Kreativität und Entrepreneurship, das sollte die erste und wichtigste Aufgabe von Kultur-bzw. Musikmanagern sein. Als Fazit kann auch für Musiker und Musikschaffende postuliert werden: "Erst kommt der Kulturunternehmer, dann der Kulturmanager." (KONRAD 2006: 29-50) Literatur BADELT, Christoph (1999) Aussage wird dabei von der älteren Zielgruppe (83%) ab 30 Jahren breiter unterstützt als von der jüngeren im Alter von 10 bis 19 Jahren (76%). Wenngleich der Erwerb von Musik auf illegalen Wegen verbreitet ist und durch die Strukturen des Web 2.0 unterstützt wird, so steigt doch das Bewusstsein über die Illegalität der Nutzung von Film-Streamingportalen und das Herunterladen aus P2P-Netzwerken (von 3 Prozent im Jahr 2010 auf 15 Prozent im Jahr 2011). Auch das Bewusstsein über die Illegalität des Anbietens von urheberrechtlich geschützten Medieninhalten ist gestiegen (GfK 2012: 29). Immerhin 70 Prozent der Bevölkerung sehen den Vorteil bei der Nutzung von legalen Angeboten darin, Künstler und Urheber zu unterstützen. Bei den Nutzern illegaler Quellen reduziert sich dieser Anteil jedoch auf nur noch 55 Prozent (GfK 2012: 7). Der schnelle Anstieg legaler internetbasierter Musikangebote zeugt von ernsthaften und attraktiven Alternativen zum illegalen Musikerwerb durch P2P-Netzwerke und Streamripping.
Abgesehen von einem breiteren Angebot an legalen, digitalen Erwerbs-und Zugangsmöglichkeiten von Musik werden ebenso Schritte unternommen, um den urheberrechtsverletzenden Erwerb von Musik einzudämmen. Hierzu werden zurzeit mehrere Initiativen in die Wege geleitet, sei es auf gesetzlicher, bildungspolitischer oder marktlicher Ebene. In Frankreich wurde mit Hadopi eine Behörde eingerichtet, welche gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vorgeht. Zum Einsatz kommt dabei das Three-Strikes-Verfahren, nach welchem das illegale Downloaden von Musikdateien in drei Schritten verfolgt wird. Zunächst erfolgt eine Verwarnung per E-Mail, sodann ein Einschreiben per Post und als dritter Schritt schließlich ein verein-fachtes Gerichtsverfahren. Seit Einführung der Behörde Anfang 2010 hat die illegale Download-Aktivität in Frankreich um 26 Prozent abgenommen (IFPI 2012: 9). Es sollten jedoch nicht nur Sanktionen instrumentalisiert werden, um Urheberrechtsverletzer abzuschrecken, abgemahnte Filesharer und Downloader sollten eine sinnvolle und attraktive Alternative des Musikerwerbs und -zugangs finden. Rechte müssen daher effektiv durchgesetzt werden und es sollte darauf geachtet werden, dass User einen berechtigten Anreiz haben, von illegalen zu legalen Diensten zu wechseln. 70 Prozent der illegalen Downloader in Deutschland glauben, dass Abmahnungen sie von ihrer rechtswidrigen Praxis abhalten würden (GfK 2011: 38). In der Konsequenz müssen Alternativen geschaffen werden, welche eine Überführung der Nutzer von P2P-Netzwerken zu legalen internetbasierter Angebote ermöglichen. Durch das Auffangen dieser Nutzer in der Legalität kann der Wert des Gutes Musik zurückerobert werden. Auch im Bereich Bildung gilt es, Grundlagen für den Umgang mit Musik zu schaffen. Dies kann dem veränderten Wertebewusstsein im Hinblick auf Musik entgegenwirken. Das öffentliche Bildungswesen spielt eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei der Ausbildung eines ethischen Umgangs mit digitalen Inhalten, deren Eigenschaften immateriellen Gütern entsprechen. Einige Länder führen hier bereits Maßnahmen durch, so z.B. durch den Einsatz von Lernspielen in Schulen, das Erstellen von Leitfäden für den sicheren Umgang mit dem Internet oder durch die Integration des Themas Copyright in den Lehrplan von Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche. In Südkorea beispielsweise trainiert die Korean Copyright Commission Lehrer für die Vermittlung der Inhalte und Künstler als Botschafter des Urheberrechts (KOREA COPYRIGHT COMMISSION 2012).
Mit der bestehenden Property Rights-Situation und den bisherigen Anreizmechanismen lassen sich illegale digitale Kopien und unentgeltliches Musikstreaming nicht völlig verhindern. Gleichzeitig ist die Durchsetzung der Rechte mit hohen Transaktionskosten für die Rechteinhaber verbunden (EMES 2004b). Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Musiksektor zu sehen, auf die nachfolgend eingegangen wird.
Nach einer Phase, in der wettbewerbsfähige Angebote im digitalen Bereich ganz fehlten und die Verbreitung digitaler Musikdateien mit juristischen und technischen Mitteln bekämpft wurde, sind in der Musikbranche nun eine Entwicklung hin zu einer einseitigen Preisstruktur einiger weniger Anbieter, ein verstärktes Aufkommen von Streamingdiensten sowie eine Vielzahl neuer Property Rights-Arrangements zu beobachten. Mit der bestehenden Property Rights-Situation lässt sich unentgeltlicher Mu-sikkonsum nicht verhindern. Gleichzeitig ist die Durchsetzung der Rechte mit hohen Transaktionskosten für die Rechteinhaber verbunden. Nicht jeder Musik-Download ist aber mit einem entgangenen Ertrag gleichzusetzen. Ein durch Musik-Streaming verursachter Sampling-Effekt kann auch einen positiven Einfluss auf die Tonträgernachfrage haben.
Für die Musikindustrie bieten digitale Applikationen die Chance, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und neue Wege im personalisierten Marketing zu gehen. Nachfolgend werden Erlösmodelle und Innovationen der mobilen Musikdistribution analysiert, die aus neuen Distributionswegen wie Streamingdiensten, mobilen Applikationen und personalisierten Downloadangeboten resultieren. Geld verdienen können Urheberrechteinhaber auch auf Plattformen wie YouTube. Dafür müssen sie allerdings frei in der Auswertung ihrer Rechte sein. In Deutschland gelingt dies, wenn Künstler nicht bei der GEMA gemeldet sind oder der Verwertungsgesellschaft die Wahrnehmungsrechte ihrer digitalen Rechte entzogen haben. Durch die Anmeldung als YouTube-Partner werden Songs technisch eingelesen und danach automatisch erkannt, auch wenn sie in andere Videos eingebettet sind. Wenn die Autoren dann noch zulassen, dass ihre Songs innerhalb anderer Videos genutzt werden dürfen, verdienen sie an in YouTube eingeblendeter Display-Werbung mit, auch wenn sie nicht Urheber der Videos sind, sondern lediglich Songs von ihnen verwendet werden. Dies wird auch strategisch umgesetzt, da mittlerweile Clips zusätzlich zum offiziellen Musik-Clip produziert werden, um eine möglichst hohe Geldsumme einzuspielen. Mit dem Künstler selber haben diese Videos aber meist nur wenig zu tun. Hier kann für Künstler ein attraktiver Zusatzverdienst entstehen, denn bei einem Tausend-Kontakt-Preis von fünf bis 15 Euro kann ein Künstler anscheinend um die 1.000 Euro verdienen, wenn das Video 100.000 Mal abgerufen wird (SPREEBLICK 2012). 1 Schließlich galt es innerhalb kürzester Zeit nicht nur einen einzelnen Parameter der bisherigen Geschäftsexistenz zu überdenken, sondern zeitgleich einer Vielzahl von gravierenden Änderungen im Hinblick auf Hörgewohnheiten und Kaufverhalten der Konsumenten, Absatz-und Kommunikationswege sowie einer rasanten technologischen Entwicklung gerecht zu werden. Viel Zeit zum Überlegen blieb nicht und das Tempo der Entwicklungen hat sich bis heute nicht wirklich verlangsamt. Neben Verlierern brachten die vergangenen Jahre des Umbruchs selbstverständlich auch eine Vielzahl von Künstlern und Unternehmen hervor, welche die Digitalisierung der Gesellschaft rechtzeitig als eine Chance für ihre Kunst, ihr Angebotsportofolio begriffen haben, um sich so an die Spitze einer Bewegung zu setzen. In Deutschland mag man sich in diesem Zusammenhang an die ersten Klingeltonanbieter wie Jamba erinnern. Im internationalen Kontext setzte Apple mit seinem Itunes-Store ab 2002 Maßstäbe für den kommerziellen digitalen Vertrieb von Musik -zweckdienlich verbunden mit dem entsprechenden Hardware-Angebot aus gleichem Hause in Form der ersten IPods. David Bowie, der legendäre britischer Popästhet und Visionär, hat in einem Interview mit der New York Times im Jahr 2002 seine Gabe Trends zu erkennen eindrucksvoll bestätigt, als er die zukünftige Entwicklung der Musikwirtschaft wie folgt beschrieb:
Alles, was wir jemals über Musik dachten, wird sich innerhalb der kommenden zehn Jahre komplett umwandeln, und daran werden wir nichts ändern können. [...] Ich bin überzeugt, dass es in zehn Jahren zum Beispiel kein Copyright mehr geben wird, und dass Autorenschaft und geistiges Eigentum ganz schön was abkriegen werden. Die Musik wird selbst verfügbar sein wie fließendes Wasser oder wie Strom. [...] Man sollte diese letzten, wenigen Jahre einfach ausnutzen, denn danach wird es nie mehr so sein wie früher. Man richte sich lieber darauf ein, viele Konzerte zu geben, denn das ist der einzig bekannte Bereich, der noch übrig bleiben wird. Das ist alles schrecklich spannend. Aber letztendlich ist es egal ob man es spannend findet oder nicht. Es ist genau das, was passieren wird. (BOWIE 2002) Nicht in allen Punkten mag David Bowie Recht behalten haben, aber er hat die aktuellen Themen Ende 2012, angefangen von der Diskussion über Urheberrechte im Internet, den Umgang einer Gesellschaft mit geistigem Eigentum und die Frage nach zukünftigen Auswertungsstrategien, Geschäftsmodellen für einen Akteur im Musikgeschäft fast prophetisch vorhergesagt.
Wo Strukturen zerfallen und neue erst aufgebaut werden müssen, kommt dem Recht eine zentrale Bedeutung zu. Letztendlich soll Recht eine Art ‚Spielfeld' samt zugehöriger Regeln definieren, nach denen der Wettstreit um Kunden, Marktanteile und Einnahmen stattfinden soll, damit nicht nur der Stärkste gewinnt, sondern alle eine faire Chance auf Teilhabe besitzen. 2 Recht soll also einen möglichst gerechten Interessenausgleich ermöglichen, der die unterschiedliche Stärke der Marktteilnehmer berücksichtigt und auch denen eine Chance gibt, die mit ihren innovativen Produkten und Ideen ihre Position auf dem Markt erst finden und behaupten müssen. Interessenausgleich, Machtbegrenzung und Innovationsermöglichung sind zentrale Aufgaben des Rechts (HOFFMANN-RIEM 2006: 258f.)
Die vorstehend beschriebene Lage ist sicher nicht allein das Ergebnis einer unumkehrbaren und unbeeinflussbaren globalen Entwicklung, die letztendlich von außen auf die Musikindustrie hereinbrach wie ein unvorhersehbares Unwetter, sondern sie beruht ganz maßgeblich auch auf einem massiven Kommunikations-und Strategiedefizit der handelnden Akteure in der Musikwirtschaft, gleich welchen Lagers auch immer. Die wichtigsten Protagonisten der Musikwirtschaft, insbesondere die internationalen Musikkonzerne Universal Music, Warner Music, Sony, BMG (Bertelsmann) und EMI haben die digitale Revolution um die Jahrtausendwende verschlafen und die Nachhaltigkeit und Tiefe der Veränderungen schlichtweg unterschätzt. Nicht anders ist zu erklären, dass sich die vorbenannten Konzerne die historische Gelegenheit entgehen ließen, eine gemeinsame digitale Plattform zu entwickeln und am Markt durchzusetzen, welches ihnen die einmalige Möglichkeit gegeben hätte ohne Zwischenhändler eine direkte Geschäftsbeziehung zum Endverbraucher aufzubauen. Dass eine so selbstbewusste auf Trendsetzung und-entdeckung fokussierte Industrie, diesen Megatrend nicht zu nutzen und zu steuern verstand, wird Wirtschaftstheoretiker wie Analysten weiterhin vor Rätsel stellen.
Während beim Handel mit physischen Ton-und Bildtonträgern seit Jahren Unternehmen wie die Media-Saturn-Gruppe und Amazon weitgehend die Preise diktieren und den Musikkonzernen (aber auch den vielen zahlreichen kleineren Labels) mit ihrem Einkaufsvolumen und der (noch vorhanden) Handelsfläche bzw. Absatzbe-deutung (insbesondere bei Amazon) machtvoll gegenüberstehen, ist im Bereich der kommerziellen digitalen Verbreitung von Musikinhalten mit dem Apple-Konzern ein nahezu übermächtiger globaler Riese entstanden. Die Generation der zwischen 1990-2010 tätigen Musikmanager wird sich die Frage gefallen lassen müssen, weshalb sie es in den beiden zurückliegenden Dekaden haben geschehen lassen, dass sie sich als Produzenten und Lieferanten eines der wichtigsten Kultur-und vor allem Unterhaltungsgüter wirtschaftlich wie gesellschaftspolitisch derart an den Rand haben drängen lassen.
Die Schockstarre der Musikindustrie gegenüber der digitalen Revolution nach der ersten Welle mündete zudem in eine mehrere Jahre andauernde strategische Ohnmacht. Diese Ohnmacht nur an den großen Musikkonzernen und deren Geschäftsführer festzumachen, mag ungerecht erscheinen, weil auch viele andere Akteure der Musikbranche den Trend nicht wirklich erkannten. Aber allein die großen Musikkonzerne hätten in der Zeit des Umbruchs die reale Macht besessen, Strukturen zugunsten ihrer Branche und damit zum Wohle aller Branchenmitglieder zu gestalten. Eine konzernübergreifende Abstimmung, eine gemeinsame Antwort scheiterte an der in der Musikindustrie weit verbreiteten Arroganz und dem Egoismus der einzelnen Unternehmenslenker, die sich lieber einem branchenfremden Dritten (z.B. Apple) auslieferten, als dem unmittelbaren Wettbewerber Zugeständnisse zu machen und einen gemeinsamen Plan zu entwickeln und durchzusetzen. Geblendet von nahezu paradiesischen Zuständen während der Hochzeit des CD-Zeitalters mit fantastischen Absatzzahlen und Gewinnen, waren viele Akteure nicht in der Lage und nicht willens den herannahenden Sturm zu erkennen. Auf diesem Weg wurde die Musikindustrie aus der Position innerhalb der gesellschaftlichen und technischen Avantgarde verdrängt und zu einem Synonym weitgehend überkommener Strukturen im digitalen Zeitalter degradiert, welches auch im Hinblick auf sein grundlegendes Geschäftsmodell (‚Musikgenuss gegen Bezahlung') im Rahmen der gesellschaftlichen Debatte immer mehr in die Defensive geriet.
So paradox es klingen mag, der erste Erfolg der politischen Bewegung Die Piraten hat so etwas wie eine Aufbruchsstimmung unter den Musikschaffenden und den Verwertern geschaffen, frei nach dem Motto: ‚Jetzt reicht´s'.
Zum ersten Mal ist so etwas wie eine gemeinsame Gegenwehr zu spüren, kommt die Branche argumentativ aus der Defensive, gelingt es die Gefahren, die durch eine massive Konzentration von wirtschaftlicher und tatsächlicher Macht im Internet durch Konzerne wie Google und Facebook zu thematisieren und damit wieder in die Mitte der Gesellschaft durchzudringen und das abseits von Abmahnungen und Prozessen gegen Internet-User. Wer gewinnt denn, wenn Urheberechte nicht mehr durchgesetzt werden können? Wie sollen sich (Musik)-Künstler abseits noch nicht geschaffener, geschweige denn definierter Förderstrukturen (Stichwort: Kulturflatrate) einen Markt erschaffen, von dem sie leben können? Wer wird denn künftig überhaupt Kunst/Musik machen? Nur solche, die es sich von vorneherein leisten können oder nur solche, die in das Raster der übriggebliebenen wenigen Kommunikations-und Medienkonzerne reinpassen? Wie soll künstlerische Innovation möglich sein, wenn es für mutige, avantgardistische, kreativ-verrückte Künstler unmöglich ist, von ihren Innovationen/ Schöpfungen zu leben, überhaupt eine Chance auf Einnahmen zu bekommen?
Das Szenario einer von wenigen globalen Medien-und Technikkonzernen dominierten Musikwelt, die letztendlich kaum oder keinen Platz mehr haben wird für wirklich schräge Typen, für Punkanarchisten oder Neutöner, der dann auch mittelfristig zu einer globalen Marktkonformität bislang unerkannten Ausmaßes führen wird, kann nicht das Ziel einer doch so auf Diversifizierung und nach Individualität setzenden Kulturindustrie sein, als deren Teil sich auch die Musikwirtschaft begreift. Und so langsam geht auch eingefleischten Netzaktivisten auf, dass die Verarmung der Kulturlandschaft durch eine unüberlegte und die Kreativen benachteiligende Internetpolitik, insbesondere bei der Durchsetzung von Urheberrechten und damit einhergehender Vergütungsansprüche (siehe etwa den in § 11 UrhG formulierten Anspruch 3 ) kein naives Untergangsszenario ist, sondern eine reale Gefahr.
Darüber hinaus sorgt die technische Entwicklung für einen weiterhin gleichmäßig hohen Modernisierungsschub, der dazu führt dass die Vielfalt an Produkten vom einfachen Download bis hin zu aufwendig produzierten Apps und sog. Cloud-Angeboten immer neue Geschäfts-und Lizenzmodelle an Raum gewinnen. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2011 etwa 962 Millionen Apps (mobile Anwendung) von Mobilfunknutzern auf ihr Handy bzw. Smartphone heruntergeladen. 12% der Apps waren kostenpflichtig und führten zu einem Umsatz von 210 Millionen Euro (BITCOM 2012). Ein Markt der auch für die Musikindustrie immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Kombination aus Apps/Games und Musik in Verbindung mit sozialen Netzwerken etwa gilt als einer der hoffnungsvollsten Zukunftsbereiche der Musikindustrie.
Die neuen Entwicklungen sorgen für eine wiederentdeckte Wertigkeit von Musik und ihrer Macher. Es ist also eine immerwährende Aufgabe der Akteure in der Musikwirtschaft, vom Musikproduzenten über den Musiker bis hin zum Veranstalter darauf hinzuweisen, dass es bei Musik (abseits vom persönlichen Geschmack) um einen realen Gegenwert geht. Es ist Aufgabe des Rechts, diesen Weg zu begleiten und die berechtigten Interessen der Beteiligten, d.h. der Musikwirtschaft wie auch der Verbraucher zu einem angemessenen und fairen Ausgleich zu bringen.
Das Recht kann und will selbstverständlich nicht die technische Entwicklung aufhalten. Aber es kann der Dynamik technisch-ökonomischer Innovation einen Rahmen geben, es kann diesen Rahmen durch transparente Konfliktlösungsmechanismen strukturieren. Auf diese Art und Weise hat das Recht eine Warn-und Problemerkennungsfunktion, weil es helfen kann, sich von der Dynamik der Innovation nicht überrollen zu lassen, sondern diese als etwas wahrzunehmen, das nicht schicksalhaft vorgegeben ist und von allen, -den Juristen, aber vor allem -den Kreativen und den Verwertern zur aktiven Gestaltung aufgegeben ist.
Die immer weiter fortschreitende Auffächerung, insbesondere digitaler Angebote für die Verbreitung und Auswertung von Musikinhalten stellt für alle Marktteilnehmer einen immanenten Zwang dar, sich zumindest in Grundzügen mit den wesentlichen Strukturen neuer Geschäftsmodelle auseinanderzusetzen, um deren strategische und ökonomische Sinnhaftigkeit für das eigene Projekt, das eigene Geschäft, zu überprüfen. Dies bedeutet für viele Akteure, insbesondere diejenigen mit langjähriger Präsenz im Markt auch einen nicht zu unterschätzenden persönlichen und psychologischen Druck, weil Gewohnheiten und Sicherheiten im Berufsleben immer weniger werden und die unbekannten Parameter demgegenüber exponentiell steigen. Die neuen Auswertungsformen, Geschäfts-und Erlösmodelle müssen schließlich in Verhandlungen und den nachfolgenden Verträgen berücksichtigt werden, will man nicht im Abseits landen. Der Anpassungsdruck und die ständige Auseinandersetzung mit den technischen und wirtschaftlichen Innovationen eint hier also Kreative und deren juristische Berater.
Die juristische Grundfrage des "Wer von wem was woraus" muss in der immer kleinteiligeren Welt des Web 2.0 noch präziser geprüft und beantwortet werden, als dies in der Vergangenheit bereits der Fall war. Welcher Vertrag passt zu welchem Geschäftsmodell, wo sind noch Erlöse zu erwarten, was sind angemessene Beteiligungen, etwa dort wo noch keine langjährige Markt-Übung besteht? Wo können Analogien zu anderen, bereits bestehenden Markt-und Lizenzmodellen gezogen werden? Die meisten Plattenfirmen können sich längst nicht mehr darauf beschränken, lediglich die Auswertungsrechte für physische Auswertungsformen, etwa Vinyl-und/ oder CD-Tonträger übertragen zu bekommen. Die Musikindustrie versucht mittels sogenannter 360°-Grad-Vertragsmodelle an möglichst vielen Erlösquellen im Bereich der kommerziellen Auswertung von Musikton-und Bildtonaufnahmen beteiligt zu werden, also neben der reinen Auswertung der Aufnahmen in physischer und nichtkörperlicher/digitaler Form auch an -Verlagseinnahmen, -Merchandisingerlösen, -Einkünften aus Tourneen und Konzertauftritten zu partizipieren. Der im Ansatz nachvollziehbare Wille, Verträge als Rundum-Beteiligung (eben 360°) zu konstruieren, widerspricht aber oftmals den Wünschen der Rechteinhaber und dies gleich aus mehreren Gründen: Zum einen liefern sich die Rechteinhaber mit solchen Vertragsmodellen nahezu vollständig einem einzigen Partner aus, d.h. wenn dieses Unternehmen aus welchen Gründen auch immer die Unterstützung reduziert bzw. einstellt, dann hat das gravierende Konsequenzen. Der Rechteinhaber kann dann in keinem der übertragenen Bereiche wirklich frei agieren und versuchen sein Projekt neu anzuschieben. Des Weiteren muss bei solchen Vertragsmodellen hinterfragt werden, ob die vorgesehenen Beteiligungen auch mit entsprechenden Leistungen der Vertragspartner einhergehen und ob in bestimmten Bereichen überhaupt Kompetenzen vorhanden sind, sprich: Kann der Vertragspartner ‚Plattenfirma' überhaupt Webseiten gestalten und betreiben, soziale Medien mit der gebotenen Schnelligkeit bedienen? Kann das Merchandising dem Künstler angemessen gestaltet werden? Können Tournee und Konzertauftritte professionell organisiert und abgewickelt werden? Fragen, die es lohnt in Verhandlungen offensiv zu thematisieren.
Das Web 2.0 ist für die Musikwirtschaft und vor allem die Künstler und kleineren Unternehmen dann keine Sackgasse, wenn die Interessen der Kreativen, der Verwerter und der Nutzer zu einem fairen und transparenten Ausgleich geführt werden. Das aber bedeutet, dass auch die Nutzer/Verbraucher vermittelt bekommen, dass Musik oftmals als Hobby und Selbstausbeutung beginnt, aber irgendwann ein Einkommen generieren muss, will und soll der Künstler oder das kleine Label mit seinem kreativen Schaffen weiter existieren. Nichts anderes gilt für die internationalen Musikkonzerne. Ansonsten bleiben irgendwann nur noch die Künstler übrig, die über ‚Casting-Shows' ausgewählt oder von den dann übriggebliebenen Medienkonzernen selbst protegiert werden -eine Vision die nicht wirklich begeistern kann. Urheberrecht zutreffend verstanden und eingesetzt -das ist mein Fazit -schützt Vielfalt und kann der Musikwirtschaft das Überleben in der digitalen Welt sichern. Urheberrecht schreibt aber keine guten Songs, das müssen schon andere erledigen. (SUHR 2012;BECK 2011;FÖLLMER 2009;HÜBNER 2009;DOLATA 2008;GENSCH et al. 2008;SMUDITS 2002).
Ohne Frage kristallisierte sich digitale Revolution mehr und mehr als eine tief greifende Zäsur mit langfristigen Auswirkungen heraus:
This is an exciting time in the world music industry, if a troublesome one. During the next few decades the production, promotion, and distribution of music will probably evolve in a fashion that only a fool or a visionary would dare to predict. (BERNSTEIN/NAOKI/WEISSMAN 2008: 268) Auch wenn man dem in 2013 entgegnen könnte, dass der digitale Musikmarkt mit Download-und Streamingangeboten mittlerweile ein Profil ausgebildet hat, das zukünftig zumindest für die Tonträgerindustrie ein bedeutender Absatzkanal zu werden verspricht. Dennoch: Die digitale Revolution bedeutete und verursachte nach wie vor spürbareund tief greifendere Veränderungen von Strukturen und Prozessen in der Musikwirtschaft.
Festgehalten werden kann, dass die Dimension und Dynamik technologischer Entwicklungen ohne Frage ein besonderes Thema für die Musikwirtschaft darstellen, und es scheint, dass bereits dieser Diskurs in einem solchen Ausmaß Ressourcen bindet, dass intensivere kulturwissenschaftliche Reflexionen über die Bedeutung von Medientechnologien in der Musikwirtschaft mehr als nur eine perspektivische Erweiterung darstellen, sondern im Gegenteil essenziell sind. 3 Das Internet stellt zweifelsohne eine der bedeutendsten Einflussgrößen des vergangenen Jahrzehnts und der Gegenwart dar. Das Web 2.0 bzw. Social Web als eine Entwicklung des Internets soll dabei im Fokus dieses Beitrags stehen: Es soll erörtert werden, welche Rahmenbedingungen und Potenziale für eine digitale Musikwirtschaft denkbar sind. Dabei wird mit Martin (2007: 313) davon ausgegangen, dass "das Geschehen in der Musikindustrie am besten durch die Analyse der verschiedenen Vermittlungs-oder ‚Mediationsprozesse' verstanden werden kann". Im Social Web erhalten diese Prozesse eine eigene Prägung. Im Folgenden sollen daher zunächst die Eigenschaften des Social Web näher betrachtet werden, bevor auf das Verhältnis von Musikwirtschaft und Social Web eingegangen werden kann. Man teilt seinem eigenen erweiterten Netzwerk mit, was man gerade für relevant hält, und empfängt gleichzeitig das, was das Netzwerk für mitteilenswert hält. Diese Neuigkeiten nehmen die Gestalt von streams oder feeds an, von dynamischen, ständig aktualisierten Informationsflüssen, aus denen man wiederum einzelne Inhalte aufgreifen und weiterverbreiten, kommentieren oder empfehlen kann. (SCHMIDT 2012: 5) Die sozialen Medien sind dabei als "Kommunikationsraum, in dem sich vernetzte Öffentlichkeiten formieren" (SCHMIDT 2012: 8), zu verstehen. 6 Sie "ermöglichen nicht nur einen Dialog mit dem Publikum, sondern auch einen Dialog unter dem Publikum" (LANDWEHR 2001: 13), sie sind ein "Netz gemeinschaftlich produzierender Akteure" (MÜNKER 2009: 24). Diese Form der Vernetzung und Nutzbarkeit erfährt in der Metapher der ‚cloud' eine beinahe allegorische Dimension.
Das Social Web kann demnach als Oberbegriff für webbasierte Anwendungen verstanden werden, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen sowie den Daten, die dabei entstehen und den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen. (EBERSBACH 2011: 31) Im Folgenden soll detaillierter auf die Dimensionen und Bedingungen des Social Web eingegangen werden.
Debatten über den Einfluss von digitalen Medien auf ihre Nutzer, zu denken wäre hier etwa an den deutschen Psychologen und Hirnforscher Manfred Spitzer, der plakativ von einer drohenden "digitalen Demenz" spricht, 7 verdeutlichen eine Besonderheit in der Nutzung digitaler Medien: Wissensproduktion und -vermittlung verlaufen auf neuartigen Wegen und haben Veränderungen des Kommunikationsverhaltens sowie der Wissensordnungen zur Folge (HUG 2003: 8;CASTELLS 2005: 12f.;HICKETHIER 2011: 18). Diese Entwicklungen lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen beschreiben: a) sozio-technische Rahmenbedingung, b) kommunikative Eigenlogiken sowie c) Vergemeinschaftungsprozesse. Darüber hinaus sind m. E. die d) Ökonomisierung sowie e) demografische Aspekte des Social Web von besonderer Bedeutung. a) Sozio-technische Rahmenbedingungen Medien sind durch ihre technischen Möglichkeiten begrenzt, zugleich aber "ein unhintergehbares (technisch-materielles) Apriori all der Aktionen", die durch sie möglich werden (MÜNKER 2009: 56). Das Internet ist dabei in erster Linie als ein "technisch fundiertes Phänomen" zu verstehen (WARNKE 2011: 12), somit stellt es den sozio-technischen Rahmen für das Social Web dar. Als Grundvoraussetzung der Anteilnahme können dabei soziale und technische Kompetenzen gelten (THIEDEKE 2008: 61). Die technische Kompetenz muss dabei durch die Dimension der technischen Verfügbarkeit in Form von funktionsfähiger Infrastruktur erweitert werden, was partiell ein gewisses Ausschlusskriterium darstellen kann. Darüber hinaus sollten die kognitiven Anforderungen (Stichwort: Medienkompetenz), die zusammen mit dem Ringen um Aufmerksamkeit im Social Web ebenso für Ermüdungserscheinungen sorgen können (LANDWEHR 2011: 10;RIFKIN 2000: 34), in ihren Auswirkung nicht außer Acht gelassen werden. Zugang zu den ermöglichenden Technologien ist dabei allerdings Grundvoraussetzung und wird zudem in gewisser Hinsicht als allgemeiner Lebensstandard in heutigen Demokratien aufgefasst (INTERNETENQUETE 2012: 91f.).
Der sozio-technische Rahmen wird durch Akteure ermöglicht, deren Leistung in der Bereitstellungen und Weiterentwicklung von technologischen Infrastrukturen liegt, wodurch wiederum Einfluss auf die Dynamik der Entwicklung des Internets genommen werden kann (BUCHER 2008: 162). Zugleich agieren sie, durchaus im Unterschied zu den Anfängen der Internetentwicklung (CASTELLS 2005: 19-45), als Akteure der Marktwirtschaft, was letztlich zur Folge haben kann, dass sie als Unternehmensstrategie die "totale, globale Kontrolle über Inhalte" anstreben (LANDWEHR 2011: 13). Tatsächlich wird das Internet derzeit von wenigen großen Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook dominiert und in gewisser Hinsicht determiniert (HAMANN/ROHWETTER 2012), wohingegen eine wachsende staatliche Kontrolle teilweise kritisch gesehen wird, wie die Konferenz der Internationalen Fernmeldeunion im Dezember 2012 in Dubai gezeigt hat (HEISE 2012). Insbesondere im Social Web entwickeln diese Unternehmen neben offensichtlichem E-Commerce auch weniger offensichtliche Strategien zur ökonomischen Verwertung der Netzwerke und deren Netzwerkeffekte. 8 Die von Unternehmen entwickelte und angebotene Infrastruktur nimmt dabei eine Form von "sozio-technischen Systemvorgaben" an, welche die Kommunikations-und Handlungsmöglichkeiten der Nutzer durch Standardisierungen, beispielsweise durch tabellarische Registrierungsverfahren, kanalisieren und leiten (SCHMIDT 2011: 83ff.;REICHERT 2008: 8;DÖRING 2003: 237), auch wenn sie die konkreten Handlun-gen der Akteure nicht zwangsläufig determinieren, da die Entscheidung über die Art und Weise der Nutzung -einmal abgesehen von sozialen Normen und Erwartungen -immer noch beim Akteur selbst liegen (SCHMIDT 2011: 70;BUCHER 2009: 140). Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass diese technologischen Infrastrukturen manipulierbar und durch ihre Abhängigkeiten bspw. von der finanziellen Situation der Unternehmen, aber auch von Energieressourcen wiederum fragil sind (HICKETHIER 2011: 22).
Ein grundlegendes Problem liegt dabei in der technisch fundierten Filterung von Informationen. Zum einen bestehen auf mikrosoziologischer Ebene individuelle soziale Filter durch das jeweilige Informations-und Aufmerksamkeitsmanagement gegenüber den (individuellen) Netzwerken im Social Web beispielsweise durch alltägliche Rezeptionsroutinen (SCHMIDT 2011: 104), der sozialen Interaktion abseits des Internet sehr ähnlich (HERKNER 2005: 607-620). Zum anderen besteht eine Filterung durch von Algorithmen erstellten Hierarchisierungen in Suchmaschinen sowie individuellen Nutzerprofilen, durch welche tendenziell höchst subjektive "Filter Bubbles" (PARISER 2011) oder Informationsblasen entstehen können. Dies könnte letztlich eine derartige Fragmentierung zur Folge haben, dass hierdurch wieder neue Informationsbarriere entstehen. Die ursprüngliche Möglichkeit einer barrierenfreien Informationsverbreitung und -zugänglichkeit würde dabei durch die von Algorithmen geleiteten Informationskanäle zunehmend aufgehoben. 9 Solche Filterungssysteme arbeiten auch im Bereich der Musik: Zahlreiche Tools analysieren und zergliedern Musik nach ihren Bestandteilen wie etwa Genre oder Stile, um letztlich daraus (Kauf-) Empfehlungen abzuleiten, wie etwas auf Amazon.com oder Apple's iTunes. 10 b) Kommunikative Logiken im Social Web Das Internet ermöglicht neuartige Kommunikationsstrukturen, die sich grundsätzlich von den herkömmlichen Distributionsmedien wie Zeitung und Fernsehen unterscheiden (BUCHER 2009: 133). Dies kann durchaus als ein Strukturwandel der öffentlichen Kommunikation bezeichnet werden, der darin besteht, "dass die hierarchischen und vertikalen Strukturen der Wissensdistribution um ein horizontal strukturiertes Netzwerk des Wissens erweitert wurden", wobei entscheidend ist, dass die "bislang von Experten vorgenommene Selektion und Qualitätskontrolle (…) durch eine dezentrale, selbstorganisierte Wissensordnung" abgelöst, zumindest aber erweitert wurde (BUCHER 2009: 134). Die Voraussetzungen hierfür liegen vor allem in der Dezentralität, der einfachen Zugänglichkeit, der globalen Reichweite 134; ASSMANN 2011: 82). Die sozio-technischen Bedingungen interaktionsmedialer Kommunikation lassen sich dabei als kybernetisch beschreiben, indem zugleich Wirklichkeitsbeobachtung als auch Wirklichkeitserzeugung stattfinden (THIEDEKE 2008: 55f.).
Social Web-Anwendungen erhalten dabei durch sog. Netzwerk-und Lock-in-Effekte eine hohe Anziehungskraft (STANOEVSKA-SLABEVA 2008: 23;MÜN-KER 2009: 81f.), indem sie z. B. Informationsfluss in einem individuellen Netzwerk ermöglichen (HOEVER 2012). Damit verbunden sind "komplexe, zugleich möglichkeitsreichere und voraussetzungsreichere Normalitätserwartungen", die mit die Kommunikation kanalisierenden Eigenschaften wie Selbstentgrenzung, Interaktivität, Optionalität, Fluidität sowie Transparenz beschrieben werden können (THIEDEKE 2008, 56;MECKEL 2008: 114). Gerade in Bezug auf Interaktion lässt sich feststellen, dass eine "Kontingenz der Interaktivität" besteht, welche die soziale Komplexität erhöht und somit die Tendenz zu nicht vorhersagbarer Strukturbildung und -auflösung besitzt (THIEDEKE 2008: 61). Dies kann zugleich als Voraussetzung für die disperse und häufig nur temporäre Aufmerksamkeitsverteilung verstanden werden.
Die Wissensproduktion und Meinungsbildung, u.a. als ‚crowd sourcing' bezeichnet, ist dabei als ein Prozess der Selbstregulierung und iterativen Angleichung zu verstehen (HÖGG et al. 2008: 53), wie die zahlreichen, auch reziproken Bewertungs-und Evaluierungsmöglichkeiten in Social Web-Anwendungen verdeutlichen (STANOEVSKA-SLABEVA 2008: 23). Dabei ist Verhaltenskontrolle insbesondere in Online-Netzwerken häufig stark ausgebildet (DÖRING 2003: 248f.), hierzu sind beispielsweise sprachliche Regelungen wie die so genannte ‚Netiquette' in Foren etc. zu zählen (EBERSBACH et al. 2011: 185). Allgemein kann zumindest festgestellt werden, dass im Social Web eine zunehmende Informatisierung stattfindet, "weil es Werkzeuge und Mechanismen bietet, mit denen eine größere Zahl von Akteuren Informationen bereitstellen, mit anderen teilen, bearbeiten und weiter verarbeiten kann" (SCHMIDT 2011: 97).
Die kommunikativen Logiken sozialer Medien sind zum Teil stark durch die sozio-technischen Systemvorgaben bedingt. In der technischen Gestaltung einer Plattform kann die Beziehungsdimension strukturiert bzw. reglementiert sein, z. B. einseitig (Twitter) oder reziprok (Facebook) (SCHMIDT 2011: 91). Auf Facebook beispielsweise ist eine direkte Reaktion auf Pinnwandeinträge von Freunden lediglich über "einfache Antwortschleifen" (‚Like'-Button oder ‚Kommentar') möglich. Diese einfachen Antwortschleifen schließen womöglich eine Thematisierung von sensibleren Themen eher aus. Darüber hinaus gibt es schlichtweg keinen ‚dislike'-Button (HOEVER 2012).
Von enormer Bedeutung sind die Geschwindigkeit und Intensität der im Social Web veröffentlichten Informationen und Kommunikationsangebote. Diese Entwicklung zur Kommunikation in Echtzeit ist dabei durchaus auch kritisch zu beleuchten, da sie tendenziell eine reflexive Kommunikation erschwert (LOVINK 2012: 43).
Lovink (2012: 51) beschreibt hierbei die gegenwärtige Phase der Internetkultur als durch einen "Konflikt in der öffentlichen Sphäre und der Frage der (Selbst-)Beherrschung auf der individuellen Ebene" geprägt und verdeutlicht damit die Wechselwirkungen und Spannungsfelder im alltäglichen Gebrauch. Zugleich lassen sich hierbei aber durchaus auch Selbstbehauptungsstrategien auf das erkennen, was Norbert Bolz als ein tendenzielles Verschwinden "der Autorschaft in Schaltkreisen" befürchtete (BOLZ 1993: 8), und wohl im Kontext eines Spannungsfeldes von Metaphern wie ‚Schwarm' und ‚Schwarmintelligenz' auf der einen Seite und Individualität, Anerkennung und Aufmerksamkeit auf der anderen Seite gesehen werden muss. c) Vergemeinschaftungen im Social Web: Online-Communities und soziale Netzwerke Eine wesentliche Ausprägung des Social Web stellen Vergemeinschaftungen dar. Solche Vergemeinschaftungsprozesse spiegeln dabei zunächst allgemeine gesellschaftliche Tendenzen wider und sind nicht genuin digital determiniert. 11 Allgemein lässt sich in Bezug zum Social Web feststellen: Gruppenbildungsprozesse entstehen im Social Web, wenn intrasubjektiv Kommunikation mit einem bestimmten thematischen Bezug durch das WWW erzeugt wird (EBERSBACH et al. 2011: 191). Charakteristisch sind sowohl direkte als auch indirekte Kommunikation, Interaktion und Kollaborationen. Es können sich "Konventionen ausbilden, reproduzieren, herausfordern und transformieren" (DETERNING 2008: 118;EBERSBACH et al. 2011: 192f.) -eine zeitliche Dimension (im Sinne einer relativen Dauer der Zugehörigkeit zur Gruppe), -eine "mittelbar (interaktionsmedial) unmittelbare (interaktiv)" Einbindung der Mitglieder in die Gemeinschaft, -ein Aufeinandertreffen der "Fremdsozialisation (die Kommunikation als Mitglieder)" und der "Selbstsozialisation (die individuelle Konstruktion virtueller Identitäten) in der Form kybernetischer Soziofakte (steuerbare Daten-/Sinneinheiten)".
Gruppenbildungsprozesse sind durch Gruppengrenzen, Kontextbezogenheit und Selbststeuerung, ferner eine emotionale Komponente sowie eine potenziell demokratische Meinungsbildung charakterisiert (EBERSBACH et al. 2011: 194ff.), was zugleich bedeuten kann, dass eine Kontrolle der Mitgliedschaft über Regeln o.ä. vorherrscht (EBERSBACH et al. 2011: 196;SCHMIDT 2011: 52f.). Eingebettet sind all diese Prozesse in den sozio-technischen Rahmen einer ‚Social Software', die diese Interaktivität erst ermöglicht (PENTZOLD 2007: 16f.). Das begriffliche Konstrukt ‚Soziale Netzwerke' greift dabei auf die Netzwerktheorie zurück und versucht die Verbindungen von Seiten, Profilen und somit letztlich dahinterstehenden Personen im Internet als Netzwerk bestehend aus Knoten (Individuen) und Kanten (Verbindungen) zu verstehen (EBERSBACH et al. 2011: 196f.). Ein solches Netzwerk kann nach der Dichte (Häufigkeit der Kommunikation), Abgrenzung, Reichweite, Ausschließbarkeit (von Knoten aus einem Kommunikationsprozess), soziale Kontrolle (Einflussmöglichkeit auf Verhalten anderer) und Stärke der Bindungen hinterfragt werden (EBERSBACH et al. 2011: 198f.). Zu bedenken ist dabei allerdings, dass diese Netzwerkstrukturen "spontane Ordnungen" darstellen, die tendenziell eher leichter aufgehoben werden können als nicht digitale soziale Netzwerke (BUCHER 2009: 162f.). Die daraus resultierende Wissensordnung ist durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet, die sich sowohl in der Produktion als auch Verbreitung beobachten lässt (HICKETHIER 2011: 19).
Ein weiterer Aspekt, der bei der Enthierarchisierung der Wissensordnung und der Netzwerkstruktur nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist das soziale Kapital, das im Internet ebenso Wirkung zeigt. 12 Hierfür können die Verlinkungsstrukturen aufschlussreich sein, anhand derer die Prinzipien des ‚Power Law' und des ‚präferierten Anschlusses' formuliert wurden: "Es gibt sehr viele Knoten mit ganz wenigen Verbindungen und nur wenige Knoten mit sehr vielen Verbindungen." (BUCHER 2009: 143f.) Bevorzugt verlinkt werden demnach Onlineangebote, die ohnehin schon häufig verlinkt werden. 13 Das Internet lässt sich daher als "skalenfreies und offenes Netzwerk" beschreiben, "dessen Entwicklung von der Tendenz bestimmt wird, dass einflussreiche Knoten immer einflussreicher werden" (BUCHER 2009: 144). 14 Dies lässt sich als soziales Kapital virtueller Räume beschreiben. Gründe hierfür könnten im Bedürfnis nach Identitätsstiftung und Authentizität in themenbezogener gemeinsamer Interaktion gesehen werden (DÖRING 2003: 250). In dieser spezifischen Logiken unterworfenen digitalen Kommunikation kann zudem der als ebenbürtig identifizierte Gegenüber als hyperpersönlich wahrgenommen werden: Gemeinsamkeiten werden überschätzt und der jeweils Andere in seinen Eigenschaften als Persönlichkeit idealisiert (DÖRING 2003: 245).
Das Internet ist zweifelsohne in ökonomische Prozesse eingebunden (CASTELLS 2005), die "digitalen Netzwerke eröffnen keine Alternative zum Kapitalismus" (MÜNKER 2009: 91). Zugleich weist der Kapitalismus eine sich auf sämtliche Lebensbereiche ausbreitende Tendenz auf (RIFKIN 2000;BERARDI 2009: 213;LAMLA 2008). Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass Kommunikation an sich zunehmend als eine ökonomische Komponente interpretiert wird (BAU-MAN 2009). Neben der Kommodifizierung von Zeit, Erfahrungen und Erlebnissen als Ware RIFKIN 2000: 18f.;SCHULZE 1992), gilt zusehends die ‚Selbstvermarktung' als ein grundlegender Modus der Selbstrepräsentation und Selbsterfahrung von sich (nicht nur) im Social Web positionierenden, mediatisierten Selbsten (SCHMIDT 2011: 76-85; REICHERT 2008), was durchaus im Kontext einer Verbreitung von neoliberal-gouvernementalen Selbststeuerungs-und Selbstoptimierungsregimen verstanden werden können (REITHER 2012). Jeder, der in sozialen Netzwerken vertreten ist, wird bei der Anmeldung mit einer digitalen "biographischen Bilanzierung" konfrontiert -Imagedesign und Selbstprofilierung in Form der Selbsterzählung werden zu einer Aufgabe (REICHERT 2008: 7). Dies hat auch zur Folge, dass digitale Netzwerke als normative Systeme fungieren können, die "auf Menschen Druck ausüben, sich am Prozess der Selbstthematisierung zu beteiligen und Bekenntnisse zu Lebensstil, Kulturbetrieb oder Freizeitindustrie zu fabrizieren" (REICHERT 2008: 3).
Virtuelle Gemeinschaften als potenzielles Geschäftsfeld aufzufassen, wurde bereits gegen Ende der 1990er Jahre postuliert (EBERSBACH et al. 2011: 196). Tatsächlich ist die Kommunikation im Social Web durch eine hohe Dichte aufmerksamkeits-bindender Interaktion gekennzeichnet (MENDE/OEHMICHEN/SCHRÖTER 2012: 17). Aufmerksamkeit fungiert dabei zusehends als ökonomische Wertigkeit, beispielsweise als Ressource oder Tauschobjekt (REICHERT 2008: 9). 15 Durch eine solche Kommerzialisierung etabliert sich ein "globaler Markt des Erzählens", wobei Aufmerksamkeit, Beachtung und Bekanntheit als ökonomischer Wert, der nicht zwangsläufig monetär sein muss, verstanden werden kann (REICHERT 2008: 8, 11). Diese "Kultivierung des Singulären" ist dabei keine ausschließliche Signatur des Social Webs (SCHULZE 1999: 18;SENNETT 1983), was zugleich die substanziellen Gemeinsamkeiten und Verbindungen von ‚online' und ‚offline' verdeutlicht.
Die Ökonomisierung der Aufmerksamkeit hat beispielsweise Facebook im Oktober 2012 selbst zum offiziellen strategischen Prinzip erhoben. Entgegen der bisherigen Praxis der offenen, nur bedingt gefilterten Kommunikation soll in einigen Ländern wie den USA für private Posts fortan gelten: "Wer bei Facekook gesehen werden will, soll zahlen" (BIERMANN 2012). Neben der bereits etablierten Praxis geschäftlicher Vereinbarungen mit Werbekunden weitet sich die ökonomische Dimension auf die sozialen Beziehungen weiter aus, und verschleiert dadurch zusehends die Bereiche ökonomisch-marktwirtschaftlicher Interessen und individuell-psychodynamischer Bedürfnisse. 16 In welchem Kontext steht dabei die Musikwirtschaft? Die Bestrebungen in der Musikwirtschaft konzentrierten sich m.E. bisher noch vorrangig auf das Erschließen neuer Absatzmärkte und -strategien, was bereits in 2012 zu einem bedeutenden Wachstum im digitalen Bereich führte (BVMI 2013: 9). Zugleich hält die mit der ‚digitalen Revolution' und an prominentester Stelle mit Apple begonnene Diversifizierung des musikwirtschaftlichen Feldes an, so dass stetig neue Akteure versuchen, in die Wertschöpfungsketten einzusteigen. Daher ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis auch hier noch stärker auf das individuelle Verhalten im Internet zugeschnittene Analyse-und Marketingstrategien zum Standard und beispielsweise in größere Entertainmentangebote und -entwicklungen eingebettet werden. 17 Die Verbindung der Aktivitäten im Social Web mit Musikdienstleistungen, wie beispielsweise automatisierte Playlist-Meldungen im sozialen Netzwerk, sind dabei nur der erste Schritt.
Problematisch wenn nicht gar naiv wäre es dabei allerdings, die Aktivitäten und Bedürfnisse der kreativen Inhalt schaffenden Akteure aus dem Blick zu verlierenkomponiert eine Band keine Songs, arbeitet der Produzent nicht penibel, dann gibt es schlichtweg keine Musik, die Gegenstand von strategischen Entscheidungen werden kann. e) Social Web und demografische Aspekte Eine wesentliche Dimension für die Teilhabe am Social Web stellt das Alter dar. In zahlreichen, teilweise nicht unabhängigen Studien wurden insbesondere jugendliche Nutzer thematisiert, zu denken wäre hier an die Shell Jugendstudie, die JIM-Studie, die BITCOM-Studie Jugend 2.0 oder die Ravensburger Jugendmedienstudie. Zwar wird in der seit 1997 jährlich veröffentlichten ARD-ZDF-Onlinestudie zur Internetnutzung in Deutschland ein stetiger Zuwachs der Nutzung festgestellt, so dass Deutschland 2011 mit 73,3 % der Bevölkerung der größte Internetmarkt Europas darstellte (EIMEREN/FREES 2012: 334). Dennoch sind nach wie vor Unterschiede in der Nutzung der verschiedenen Generationen zu beobachten. Deutlich wird dies, wenn man die Nutzung der unter 50-Jährigen (95%) die der über 50-Jährigen (47%) gegenüberstellt, auch wenn letztere Gruppe eine wachsende Tendenz aufweist (EI-MEREN/FREES 2011: 335f.). Die Tendenz der Internetnutzung ist nach wie vor steigend, wie der Tab. 1 entnommen werden kann.
Im Kontext von Musikgeschmack und Musikkonsum bestehen ebenso Unterschiede zwischen den Altersgruppen (BEHNE 2007: 421f.;MUSIKMARKT 2012). Dabei besitzen die über 60-Jährigen durchaus einen besonderen sozio-ökonomischen Status: Neben der wachsenden Tendenz, das Social Web zu nutzen, stellen sie vor allem a) einen hohen Anteil der Bevölkerung westlicher Länder mit b) tendenziell viel Freizeit und c) einer gegenüber anderen Altersgruppen hohen Kaufkraft dar.
Diese Besonderheit spiegelt sich im Tonträgermarkt, insbesondere im nach wie vor dominanten physischen Absatzmarkt, wider. Während bei allen Altersgruppen die Umsätze in den vergangenen zehn Jahren rückläufig waren, nahmen sie in den Altersgruppen 50+ zu, so dass sie bereits die zweitstärkste Käufergruppe darstellen. Die Tonträgerindustrie beispielsweise war bisher -und dies nicht nur im Internet -bedeutend stärker auf jüngere Zielgruppen ausgerichtet (FRAHM 2007: 56
aber die Zunahme von Internetseiten speziell für ältere Menschen gegenwärtig zeigt, 18 werden diese Bevölkerungsgruppen ohne Fragen eine wichtige Rolle in nicht nur musikwirtschaftlich relevanten Fragestellungen zum Social Web der Zukunft spielen. Für die Musikwirtschaft heißt dies in Konsequenz, dass neue, diversifizierte Formen ziel-und altersgruppenorientierten Online-Musikmarketings erarbeitet werden müssen. Hierfür spricht ein weiterer Aspekt: Soziale Netzwerke, die tendenziell das Ziel haben, so viele Mitglieder wie möglich zu besitzen, werden dennoch mit altersabhängigen sozialen und kommunikativen Regeln konfrontiert. Dies kann bedeuten, dass sich in sozialen Netzwerken unterschiedliche generationelle und milieuspezifische Gruppen Eltern und Kinder, Großeltern und Enkel begegnen und dabei womöglich auch dort ihre Rollenmodelle pflegen. Zumindest kann dies zu einer ungewünschten Konfrontation im irgendwie als persönlich erfahrenen Raum des virtuellen Netzwerkes seiner Wahl führen und Einfluss auf Kommunikation und Partizipation im Internet haben.
Verbindungen von Musikkultur mit einem marktwirtschaftlich strukturierten ökonomischen Feld lassen sich bis in die Zeit um 1800, im Veranstaltungsbereich sogar noch früher nachweisen (GEBESMAIR 2010: 270;SMUDITS 2007: 119;BULLER-JAHN/LÖFFLER 2009: 7f.;MARTIN 2007: 303f.). Im Folgenden werden zunächst allgemeine, musikbezogene Vergemeinschaftungsprozesse näher betrachtet werden, um die Möglichkeitsräume der Musikwirtschaft im Social Web näher betrachten zu können.
Allgemein kann von der Annahme ausgegangen werden, dass durch Musik tagtäglich soziale, kognitive und emotionale Strukturen gestaltet und gepflegt werden können (DENORA 2008: 20). Beispielsweise wird Musik in der sozialen Praxis in Zeremonien und Rituale eingebunden und stellt dabei oftmals einen entscheidenden Katalysator für soziale Interaktion dar. Ferner lassen sich durch und über Musik und deren Einbindung in soziale Kontexte Identitäten ausdrücken und entwickeln (DENORA 2008: 46-74;PAPE 2007).
Solch musikbezogene Vergemeinschaftungsformen -unabhängig, ob online oder offline konstituiert -zeichnen sich häufig durch eine musikthematische Zentrierung bspw. eines bestimmten musikalischen Genres aus (BENNETT 2004). Die zahlreichen Jugendszenen mit deutlicher Musikfokussierung verdeutlichen die Möglichkeit von Gruppenidentifikationen und sozialer Teilhabe über eine bestimmtes musikalisches Genre (KLEINEN 2007). Letztlich spielen alltagsästhetische und lebensstilorientierte Schemata bzw. musikalische Präferenzen eine ausschlaggebende Rolle, wenn man über Vergemeinschaftung und Musik spricht (BEHNE 2007: 433ff.).
Als Beschreibung solcher posttraditionaler Vergemeinschaftungsweisen kann der Begriff der ‚Szene' weiterhelfen (HITZLER/NIEDERBACHER 2010;PAPE 2007: 461;BENNETT/PETTERSON 2004). 19 Charakteristisch ist u.a., dass sich Szenen häufig als eine Art "Do-It-Yourself (DIY) industry" organisieren (PETERSON/BENNETT 2004: 5), in welcher die Akteure Rollen als Entrepreneure oder als freiwillige Arbeitskräfte annehmen können (HITZLER/NIEDERBACHER 2010: 22ff., 184f.). In diesen Vergemeinschaftungsprozessen lassen sich ebenfalls verschiedene Auszeichnungen mit sozialem Kapital erkennen und in gewisser Hinsicht sind diese lokalen Szenen die Brutstätten für Nachwuchsmusiker und Fangemeinschaften (BENNETT/PETERSON 2004: 5, 12). Das Fan-Sein kann dabei als eine intensivierte Form von Vergemeinschaftung betrachtet werden (ROOSE/SCHÄFER/SCHMIDT-LUX 2010), indem eine imaginierte, virtuelle gemeinschaftliche Bindung mit dem ‚Star' bzw. der Band sowie eine posttraditionale Vergemeinschaftung mit anderen Fans entstehen kann. Sich virtuell konstituierende musikbezogene Szenen, die sich durch die Verbindung von Menschen mit großen räumlichen Abständen und sozio-kulturellen Background auszeichnen können, sind dabei nicht erst durch das Internet ermöglicht worden, sondern entstanden bereits durch Fanzines 20 spätestens seit den 1970er Jahren (PETERSON/ BENNETT 2004: 10ff.). Die Praxis des Tape-Tradings als auf beispielsweise Briefkontakt basierenden Austausch von Tonaufnahmen ist hier ebenfalls dazu zu zählen, 21 so dass hierbei durchaus von einer Art Vergemeinschaftungssinn stiftenden Dimension musikzentrierter virtueller Szenen gesprochen werden kann. Deutlich wird dabei, dass keinesfalls von einer homogenisierenden Tendenz ausgegangen werden kann, sondern eher neben den sich global ausbreitenden und höchst spezifischen musikalischen Lebenswelten regionale Ausdifferenzierungen und Nischenphänomene zu beobachten sind (BINAS-PREISENDÖRFER 2010: 248f.;GEBESMAIR 2008) An den Konstruktionen musikalischer Lebenswelten wiederum sind Medien grundsätzlich stark beteiligt (KLEINEN 2007: 444;OHR 2010: 334ff., 338). Durch das Social Web ist nun ein neues Medium unmittelbarer Kommunikation gegeben. Es ermöglicht tendenziell einer globalen Gruppe, tendenziell unabhängig der sozialen Schranken, instantan und räumlich flexibel zu kommunizieren. Die Formen sind dabei vielfältig und dynamisch, reichen von konkreten Fangemeinschaften eines Musikers bis hin zu vorrangig auf Austausch und Selbsthilfe ausgerichtete Foren zu Audio-Software, Instrumenten o.ä. Fans beispielsweise können diese neuen digitalen Partizipations-, Interaktions-und Informationsweisen in gewisser Hinsicht als zusätzliche Befriedigung ihrer Bedürfnisse im Fan-Sein erfahren (WINTER 2010: 172ff.;OHR 2010: 335, 340). Inwiefern das Social Web auch neue Bedürfnisse schafft und somit zu neuen Bedürfnisstrukturen und Konstitutionen des Fan-Seins beiträgt, werden zukünftige Studien zeigen müssen. In diesem Zusammenhang könnte die enge Verknüpfung von sprachlichen Metaphern und musikalischer Wahrnehmung (KLEI-NEN 2007: 449-454) möglicherweise einen Hinweis auf die Attraktivität von musikspezifischer Kommunikation über digitale soziale Medien geben. Möglicherweise stellt das Internet aufgrund der höchst individuellen Nutzungsmöglichkeit ein ideales Medium für Musikfans dar (OHR 2010: 351).
Im Laufe der 2000er Jahre hat sich das "centre of gravity" der Musikindustrie "from the physical to virtual" verschoben (WIKSTRÖM 2009: 4). Als Folge der digitalen Revolution lassen sich in Anlehnung an Wikström (2009: 5-9) fundamentale Veränderungen der Musikwirtschaft diagnostizieren:
1. Korrelation von Konnektivität und Kontrolle: Die beschriebene Netzwerkstruktur des Social Web ermöglicht einen hohen Grad der Konnektivität für alle Akteure und bedeutet zugleich eine Abnahme der einst relativ hohen Kontrolle der Musikindustrie: "the new music industry dynamics is characterized by high connectivity and little control." (WIKSTRÖM 2009: 6) Zugleich darf die Machtdimension nicht vernachlässigt werden: Man muss konstatieren, ohne die Grundtendenz der These zu untergraben, dass sich neue Machtformationen in Form der Technologiekonzerne Google, Apple etc. gebildet haben, die beispielsweise die Debatten um Preisgestaltungen oder Verwertungs-und Leistungsschutzrechte dominieren bzw. beeinflussen.
2. Eine Auswirkungen dieses Kontrollverlustes lässt sich in der Kommunikationsdimension der Musikwirtschaft nachzeichnen: "Music promotion goes viral" (WIKSTRÖM 2009: 160). Durch die kommunikativen Logiken der sozialen Medien lassen sich kommunikative Prozesse aus Sicht eines musikwirtschaftlichen Unternehmens weitaus weniger präzise steuern. Zugleich besteht die Möglichkeit, mit hoher Reichweite und Intensität zu kommunizieren. Dies verdeutlicht m.E. die Bedeutung des sozialen Kapitals, der Glaubwürdigkeit (‚Credibility') der Informationen sowie der Akzeptanz der Kommunikatoren im Netzwerk, um Aufmerksamkeit und Interesse zu erhalten. Eindimensionale und auf kurzfristige ökonomische Verwertung ausgerichtete Modelle werden hierbei möglicherweise weniger erfolgreich sein. 3. Wandel in der Bedeutung von Service und Produkt: Die Bedeutung von Service als Kundenbindung und ‚Navigator' durch die Flut der Informationen wächst gegenüber dem bloßen Produkt (Tonträger, Konzert, Instrument) zunehmend. Zwar lässt sich durchaus behaupten, dass die Medien-Konvergenz traditionelle Medienformate nicht abschafft (LANDWEHR 2011: 13), was an der nach wie vor vorherrschenden Dominanz der CD an den Umsätzen der Tonträgerindustrie deutlich wird (BVMI 2013: 8ff.). Allein ausschlaggebend ist dennoch nicht mehr einzig das musikalische Produkt als eine in mediale Form gepresste künstlerische Leistung. Zusätzliche Angebote und Leistungen, die sich auf die digitale Dimension erweitern, gewinnen an Bedeutung und sind von der Einbettung in die konkreten sozio-musikalischen Lebensweltensprich Vergemeinschaftungen -abhängig. 4. Korrelation von Absatzmärkten und Strukturen des Social Web: Tendenziell ergeben sich durch den sozio-technischen Rahmen und die kommunikativen Logiken des Social Web Synergieeffekte und neue absatzrelevante Strukturen und Wege (FÖLLMER 2009: 248f.). Das Social Web ermöglicht das Erschließen neuer Absatzwege und generiert zugleich ständig neue Strukturen, die Relevanz für den Absatz erhalten können. 22
Professionellen der Musikwirtschaft (Musiker, Manager, Produzenten) hat sich gewandelt zu einem weitaus dynamischeren Konfliktfeld. Fans beteiligen sich auf der Basis der neuen Technologien interaktiv an der kreativen Arbeit, allerdings nicht mehr nur auf der performativen Ebene, wie beispielsweise bei John Cage's 4'33, sondern auf einer interaktiv-produktiven Ebene mit ihren eigenen individuellen ästhetischen Vorstellungen und Ansprüchen, etwa durch Remi-
xes oder auf YouTube veröffentlichte musikalische Interpretationen. Die ‚digitale Revolution' brachte in der Instrumenten-und Musikproduktionsindustrie zahlreiche, relativ preiswerte Software und Tools wie digitale Effekte und Soundfiles mit sich (‚Bedroom-Production'). Zudem agiert der ‚Prosumers' (im Social Web -und so auch schon seit geraumer Zeit in den DIY-Aktivitäten diverser Szenen -häufig als Promoter, Kritiker oder Veranstalter, wenn auch hierbei große qualitative Unterschiede zu professionellen Akteuren bestehen können.
Letztlich zeichnen sich diese Prozesse in den Strukturen, Rollenbildern, und der Organisation von Arbeit in der Musikwirtschaft ab: Beispielsweise übernehmen heute Bands und Musiker häufiger originäre Aufgaben des Band-Managements wie Gestaltung und Planung der Kommunikation im Social Web (COLMORGEN 2010; PO-PAKADEMIE BADEN-WÜRTTEMBERG 2011). Dabei kommen letztlich völlig neue Aufgabengebiete auf den Musiker und Komponisten zu, wobei die Gefahr besteht, dass die Komplexität, die zeitliche Dimension der Aufgaben sowie die Überforderung der einzelnen Akteuren schlichtweg übersehen werden.
Grundsätzlich eröffnen sich für Unternehmer der Musikwirtschaft zahlreiche Möglichkeiten im Social Web: Von der Informationsrecherche über die Gestaltung eines ganzheitlichen Marketings (Unternehmenskommunikation, Vertrieb, PR) bis hin zu Kollaborationen und Netzwerkbildung. Im Folgenden soll anhand von ausgewählten Beispielen erörtert werden, welche konkreten Optionen für musikwirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen können. Branding kann ebenfalls im Social Web als eine wesentliche Strategie der Markenführung aufgefasst werden, da es in erster Linie als soziale Interaktion und Kommunikation verstanden werden kann (Carah 2010: xviii). Aufgrund der Kommunikationsmöglichkeiten im Social Web kann eine Marke und deren Image eine tendenziell weltweite Verbreitung erfahren (BRUHN/SCHÄFER 2012: 37).
Branding steht dabei auch im engen Zusammenhang mit Vergemeinschaftung. Durch bewusste Inszenierungen von Musikern, Bands oder Events werden Vergemeinschaftungsprozesse befördert bzw. unterstützt (HÖHNE 2011: 72). Inszenierungen, die eng an das Brand, die Marke geknüpft sind, stellen oftmals eine "partizipative Identitätskonstruktion" dar, "Distinktion wird erzeugt durch Identitätsfindung und -stabilisierung" (HÖHNE 2011: 74). 24 Dabei kann zwischen einem fanbasiertem Branding, das zur weiteren Festigung der Beziehung genutzt wird, und einem offenen Branding zur Etablierung und Verbreitung eines Brands unterschieden werden. Mit Anbietern wie NING (http://www. ning.com) lassen sich individuelle soziale Netzwerke erstellen, die zum einen andere soziale Netzwerke einbinden, zum anderen aber auch Exklusivität ermöglichen, indem nur ein ausgewählter Personenkreis zu einem bestimmten Bereich Zugang erhält (EBERSBACH et al. 2011: 116).
Festzuhalten bleibt, dass die kommunikativen Logiken des Social Web offenbar ideal scheinen, um ein Brand-Image im Social Web zu entwickeln und zu platzieren, auch wenn die Dynamiken der Kommunikation für gewisse Kontingenz sorgen. Die Besonderheit liegt möglicherweise in der, letztlich auch sinnlichen Erlebnisdimension und Gemeinschaftserfahrung. Da diese Erfahrungen auch wesentliche Bestandteile der nicht-digitalen Vergemeinschaftungsprozesse darstellen, besteht hier ein hohes Anknüpfungs-und Erweiterungspotenzial. Dabei wird zugleich das Gewicht des Brandings im Social Web deutlich: Je stärker das Brand, desto höher die Reichweite und Bedeutung ‚online' und ‚offline'.
Markenführung im Social Web ist ein noch weitgehend unerforschter Komplex (BRUHN/SCHÄFER 2012: 46). Die Pluralität und Kurzlebigkeit von Social-Web-Angeboten einerseits und die kommunikativen Logiken andererseits verdeutlichen zugleich die Komplexität und Notwendigkeit einer intensiveren Forschung.
Die Lizenzierung von Musik erfuhr durch das Internet eine Erweiterung. Neben der Lizenzierung von Musik für Videos, Online-/Video-Games oder Online-Radios spielt insbesondere die Werbung eine große Rolle (WIKSTRÖM 2009: 94ff.). Während die klassische Jingle-Produktion in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren hat (WIKSTRÖM 2009: 95), erfährt produzierte Musik eine weitere Verwertungsebene durch lizenzierte Nutzungen im Internet. Dabei verlagert sich die Lizenzierung auch auf die sozialen Medien. Während noch vor wenigen Jahren eine relative Freiheit in der Nutzung und Verfügbarkeit von Musik vorherrschte (bspw. auf MySpace oder YouTube), verschärfen sich die Debatten um Lizenzabgaben von Social Web-Angeboten zunehmend. Dabei steht auch die Frage im Raum, wie eine Verwertung und Lizenzierung von Musik in Zeiten einer Musiknutzung, die durch Zugang und weniger durch Besitz gekennzeichnet ist, funktionieren kann. Die Musiknutzung in sozialen Medien könnte aus urheberrechtlicher Perspektive als analog dem Radio aufgefasst werden, für welche selbstverständlich Abgaben an die Verwertungsgesellschaften gezahlt werden. Die konkrete Debatte um Abgaben seitens sozialer Medien wie YouTube ist dabei letztlich in grundlegende Diskurse um das Urheberrecht, den Wert von kulturellen Gütern und den monopolistischen Tendenzen internationaler Medienkonzerne in digitalen Gesellschaften eingebettet -was wiederum konkrete und vor allem zeitnahe Umsetzungen von gerechten Lizenzierungen auf Kosten des einzelnen Musikers erschwert.
Ein wesentlicher Einfluss des Social Web lässt sich auf die unternehmerische Kommunikation, sowohl der internen als auch der externen, nachzeichnen (EBERSBACH et al. 2011: 234;MECKEL 2008: 112). Dabei ergeben sich neuartige Kommunikationsmöglichkeiten für nahezu alle Akteure der Musikwirtschaft (STOBER 2012). Ausgehend von den Charakteristiken der Dynamik, Dichte und der Enthierarchisierung von Informationsgenerierung und -verbreitung (MECKEL 2008: 115, 123) Ohne Zweifel besteht mehr oder weniger das Problem der Informationsüberflutung, die durchaus auch auf zu ungenügender Medienkompetenz basieren und Ermüdungs-sowie Überlastungserscheinung zur Folge haben können (LOVINK 2012: 39ff.; LANDWEHR 2011: 10). Dies spiegelt die verbreitete, aber nicht unproblemati-sche Praxis in der Musikindustrie wider, Entscheidungen über beispielsweise ‚Plattenverträge' nicht aufgrund ästhetischer oder zeitaufwendiger intensiver Beurteilungen zu fällen, sondern eine potenzielle Popularität und damit erhoffte Umsatzstärke an der Anzahl der Profilviews oder ‚Likes' im Social Web zu messen.
Diese Tendenz ist allerdings zugleich gestützt durch die geringe Einstiegshürde in das Social Web. Es ist für Musiker und Bands schlichtweg einfacher, Kommunikation im Social Web zu betreiben und beispielsweise auf einer interaktiven Ebene das Beziehungsgeflecht zu Fans und Interessierten zu pflegen (SUHR 2012: 20f.). Die geringe Einstiegshürde sorgt zugleich für ein zunehmendes mediales Überangebot insbesondere an semiprofessionellen und Amateurbands/-musiker (STOBER 2012: 56). Dies ist wiederum eine problematische Tendenz: Je geringer die Einstiegshürde, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer wachsenden Zahl von Bands, desto problematischer jedoch die Erreichbarkeit von Interessierten aufgrund von Informationsüberflutung und Übersättigung.
Diese Möglichkeit stellt aber zugleich auch neue Anforderungen an den Musiker. Insbesondere Medienkompetenzen sind gefragt, um Aufgaben, die bisher, und dies nicht völlig ohne Grund, von anderen Akteuren der Musikwirtschaft (Labels, Management) übernommen wurden, zu meistern (TRÖNDLE/SCHNEIDEWIND 2012: 11-14; POPAKADEMIE BADEN-WÜRTTEMBERG 2011; COLMORGEN 2010). Diese Tendenz zum Entrepreneur, zum freiberuflich und selbstverantwortlichen Kultur-Unternehmer ist dabei eine nicht nur die Musikwirtschaft kennzeichnende Entwicklung. Vielmehr spiegelt dies die bereits erwähnte Tendenz zur Verbreitung neoliberal-gouvernementaler Selbststeuerungs-und Selbstoptimierungsregime wider (REITHER 2012) -und verdeutlicht zugleich die enorme Relevanz der Vermittlung entsprechender Kompetenzen in der Musiker-und Managerausbildung.
Zu beobachten ist, dass der Professionalisierungsdruck auf im Social Web präsenten Musiker, die oftmals für den Lebensunterhalt einem anderen Broterwerb nachgehen, steigt. Diese Tendenz spiegelt sich in zahlreichen, oftmals einer ökonomischen Konditionierung gerecht werdenden und häufig kostenfreien Plattformen wie Hypebot.com, musicthinktank.com, newmusicstrategies.com, neumusik.com wider. Hier bieten Experten und Akteure der Musikwirtschaft Tipps und Erfahrungen im Bereich des Musik-Marketings mit dem Fokus auf das Internet an. Diese Entwicklung kann einerseits in der kommunikativen Logik des Social Webs verstanden werden. Man teilt wissen, diskutiert und debattiert in Form von direkten Kommentaren auf einen Beitrag. Zugleich muss man allerdings hinterfragen, wie wertvoll die Informationen tatsächlich sind. Die Beiträge, die oftmals eher einen Eindruck vom aufmerksamkeitsökonomischen Diktat vermitteln und vermeintlich schnelle Lösungen suggerieren ("20 Tips For A Kickass Musician's Facebook Page") , geben dabei häufig nur einen allgemein gehaltenen, oberflächlichen Einblick, auch wenn sicher einige brauchbare und bewährte Tipps dabei sind. Die tatsächliche soziale Praxis -die Fähigkeit der Anwendung solcher Tipps beispielsweise durch ein gutes Zeitmanagement, sprachlichen Fähigkeiten oder Arbeitsteilung -wiederum können solche Plattformen per se nicht vermitteln und lehren. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass dies meistens auch nicht der Anspruch ist. 25
Vergemeinschaftungen im Internet stellen einen wichtigen Grund für den Kontrollverlust der Tonträgerindustrie dar. Markant ist, dass es Marken und Unternehmen schwieriger fällt, direkt in Kontakt mit einzelnen Personen des Netzwerkes zu treten, innerhalb eines gewählten Netzwerkens stattfindet (WIKSTRÖM 2009: 161).
Dies hat enormen Einfluss auf das Marketing-Management in der Musikwirtschaft. Musikpromotion ist zunehmend stärker von den Fans und der Dynamik der Kommunikation in sozialen Netzwerken abhängig. Die Entwicklung eines konkreten Themas ist schwer einzuschätzen und kann durch den viralen Charakter unvorhersehbare Wendungen nehmen (WIKSTRÖM 2009: 162).
Gerade letzteres verdeutlicht das Gewicht der Lebenswelt abseits der Online-Community. Regeln der Kommunikation und Verhaltensweisen, charakteristische Codes und Diskurse einer musikzentrierten Szene werden im Social Web nicht völlig ersetzt oder neu gestaltet. Es herrschen auch hier Mechanismen eines Anpassungsdruckes, einer soziale Erwartung vor, selbst wenn im Social Web von der nichtdigitalen Wirklichkeit zu unterscheidende Orientierungs-und Handlungswirklichkeiten bestehen können (THIEDEKE 2008: 65, 69). M.E. liegt diese Übertragung insbesondere an den diskursiven Strukturen und den identitätsstiftenden Dimensionen musikbezogener Vergemeinschaftungen (DIAZ-BONE 2010), zu denen Distinktion, Erlebnis und alltagsästhetische Schemata mitgedacht werden müssen. Eine nach ökonomischen Interessen ausgerichtete Herangehensweise an das Social Web muss dies berücksichtigen. Gemeinschaften mit Bezug zu bestimmten Szenen weisen einen erheblichen Erlebniswert auf, der sich u.a. intensiviert, wenn " ‚die Vielen' draußen vor der Tür, auch vor der mentalen und emotionalen Tür bleiben" (HITZLER/ NIEDERBACHER 2010: 25). Entscheidend ist die Frage, an welchen Orten und in welchem Ausmaß das Social Web von der jeweils im Fokus stehenden Szene oder Zielgruppe tatsächlich genutzt wird.
Welche Vorteile bringen aber solche digitalen Vergemeinschaftungen neben den bisher referierten Dimension des Social Web tatsächlich? Ganz allgemein besteht die Möglichkeit, physische, physikalische, soziale oder zeitliche Beschränkungen, denen offline-Gemeinschaften i.d.R. unterliegen, zu überwinden. Grundsätzlich ergeben sich folgende Möglichkeiten:
-Der sozio-technische Rahmen ermöglicht es, eigene, individualisierte Netzwerke zu kreieren und somit ein Vergemeinschaftungsangebot, dass über reine Absatz-oder Informationsinteressen hinausgeht, anzubieten. -STRÖM 2009: 150;FRIEDRICHSEN et al. 2010: 75). Dabei ist ist die Debatte um den Verlust für die Tonträgerindustrie und die tatsächlichen Auswirkungen des illegalen Filesharings auf die Verkaufszahlen vermutlich gar nicht derart detailliert und mit eindimensionalen Kausalitäten zu beschreiben, wie oftmals suggeriert wurde und wird (WIKSTRÖM 2009: 151). Vielmehr wird deutlich: Das Konsumentenverhalten ist äußerst komplex und benötigt im Rahmen dieser Debatte offensichtlich mehr kultur-und sozialwissenschaftliche Betrachtungen.
ersten Halbjahr 2013 verkündeten zahlreiche Unternehmen wie Apple, Twitter oder ProSiebenSat1 den Einstieg in das Musik-Streaminggeschäft. -Soziale Netzwerke können als Pool für das A&R-Management angesehen werden, in welchem die Arbeit durch die kommunikativen Logiken durchaus unterstützt, wenn nicht gar teilweise abgenommen werden: Ein A&R-Manager kann Trends durch Beobachtungsgabe und Entwicklungen in den sozialen Medien erkennen, ist aber zugleich -auch aufgrund der Zunahme von qualitativen Amateurproduktionen -mit einer enormen Komplexität konfrontiert, die oftmals ergänzend zu den herkömmlichen Auswertungsprozessen (Bandbwerbung per CD und Künstlermappe) hinzukommt. ‚Mobile' steht hierbei für eine zunehmende Ausweitung der augmented reality. Durch die technologische Entwicklung ist die virtuelle Realität auf den Raum traditioneller Gemeinschaften erweitert, online-und offline-Gemeinschaft überlagern sich, verschmelzen geradezu: Die internetfähigen mobilen Geräte können problemlos in Räume genuin offline-strukturierter Gemeinschaften hineingetragen werden und ermöglichen durch instantane Wechsel zwischen beiden ‚sozialen Realitäten' eine enge Verbindung. Im Kontext dieser Tendenz werden beispielsweise genuin nicht virtuelle Objekte durch eine virtuelle Dimension erweitert, z. B. durch QR-Codes, RFID-Tags oder Mash-Up-Applications (STANOEVSKA-SLABEVA 2008: 30ff.;NIEWERTH 2008: 68).
Mobile Music wird insbesondere durch die technologischen Entwicklungen ermöglicht. Einerseits wird der Zugang zum Internet durch die Weiterentwicklungen der Netzqualitäten vorangetrieben. Andererseits ermöglicht die wachsenden Verbreitung von Smartphones vielfältige Online-Nutzungsmöglichkeiten (KLUMPE 2012: 394;vgl. Tab. 3). Auch im Bereich der Mobile Music spiegelt sich die demografische Dimension wider (vgl. Tab. 4). Die Reichweite von Handys und die Nutzung mobiler Services ist derzeit vorrangig noch ein Phänomen der Alterskohorten unter 40 Jahren, auch wenn hier allmählich die älteren Jahrgänge aufholen (FRIEDRICHSEN et al. 2010: 98ff.). Die Nutzung des Social Web wird dabei oftmals in der mobilen Nutzung fortgesetzt und stellt eine Ergänzung zur herkömmliche Nutzung dar. Hierfür wird eine auf Smartphones zugeschnittene Anwendungssoftware, so genannte ‚Mobile Apps' (Mobile Applications), genutzt. Zudem können über Internet-Browser nach wie vor Internetseiten aufgerufen, wenn auch mit Einschränkungen wie Darstellungsproblemen etc. Neben der Nutzung originärer Community-Apps ist vor allem das Hören von Musik ausschlaggebend. Hierzu zählt nicht nur die Nutzung eines Smartphones oder Mobiltelefons als Speicher-und Abspielmedium, sondern auch das Hören von Musik über das Internet. Neben Social Web-Anwendungen wie YouTube nimmt insbesondere das Streaming von Musik zu. Dabei generiert das Musik-Streaming im allgemeinen bereits einen beachtlichen Anteil der digitalen Umsätze der Musikindustrie (vgl. Abb. 4). Welche Möglichkeiten eröffnen sich für die Musikwirtschaft darüber hinaus? Grundsätzlich ist die Application-Programmierung für sämtliche Bereiche der Musikwirtschaft von Bedeutung. Mit den Möglichkeiten, personalisiert, zeitunabängig und -neben der grundsätzlich raumunabhängigen Dimension des Internets -zugleich in Relation zum Raum Kommunikation aufzubauen, erscheint insbesondere für die Live-Entertainment-Branche von Bedeutung.
Neben dem klassischen Zugang zum Mobile Markt über Werbung (BRANDT 2012) eröffnen sich eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, die sich stärker an der Prämisse einer service-und dienstleistungsorientierten Musikwirtschaft orientieren. Hierzu sind zunächst allgemein Apps zu zählen, die die Homepage der Band oder Musiker für mobile Geräte darstellen. Die Programmierung von individuellen Apps für die Musikwirtschaft wird bereits von einigen Unternehmen, wenn auch mit Kosten verbunden, angeboten (BRANDIS 2012: 147). Eine einfache App, die die klassischen Funktionen einer Homepage erfüllt, lässt sich bereits durch die Bereitstellung professioneller Infrastruktur selbst mit wenig Zeitaufwand gestalten (BUSKIRK 2012). Eine weitere zukünftige Möglichkeit besteht in der Nutzung mobiler Geräte als Zahlungs-und Zugangsmedium. Die mobile Zahlungsweise (‚mPayment') ist ebenfalls ein wachsender Markt, auch wenn dieser derzeit größtenteils auf SMS und webbasierte Zahlungen beispielsweise für Applications beruht (OBERHUBER 2013; STRUDTHOFF 2012). Zukünftig wird sich diese Zahlungs-und Zugangsmöglichkeit sicher stärker in der Musikwirtschaft, zu denken wäre hier beispielsweise an die Veranstaltungsbranche, etablieren können.
Festival-Apps sind eine aufschlussreiches Beispiel für Social Web-Anwendungen und der Entwicklung von entsprechenden Serviceangeboten in der Musikwirtschaft. 27 In einem Selbstversuch am 07.08.2012 hatte ich die Möglichkeit, im Apple-App-Store unter dem Suchbegriff "Festival 2012" weit über 50 individuelle Festival-Apps herunterzuladen. Diese Apps ermöglichen neben Basisinformationen zum Festival und Gelände individuelle Gestaltungsmöglichkeiten. So kann ich beispielweise Bands, die ich unbedingt sehen will, markieren und an den jeweiligen Auftritt zu gewünschter Zeit erinnern lassen. In der Beschreibung der App des Wacken-Open-Airs (W:O:A), eines der größten Heavy Metal-Festivals weltweit, heißt es:
Darüber hinaus kannst du dir deine individuelle Running Order [zeitliche Abfolge der Bandauftritte, Anm. d. A.] zusammenstellen und wirst auch noch per Push Nachricht 30 Minuten vor dem Auftritt erinnert. Über die extra animierte Map weißt du jederzeit wo sich was auf dem Gelände befindet und wie du am schnellsten von A nach B kommst. (Achtung! Jetzt kannst du auch noch deine Position auf der Karte taggen. So findest du jederzeit zu deinem Zelt zurück und kannst deinen Freunden auch noch per Mail mitteilen, wo du dich befindest. (WACKEN OPEN AIR 2012) Das Zusammenbringen online-und offline-konstituierter Gemeinschaften ist somit nur noch von der Fähigkeit der jeweiligen Akteure abhängig, was bei einem gängigen Festival selbstredend nicht unterschätzt werden sollte. Das W:O:A stellte zudem ein weiteres Feature, dass bereits bei Navigationssystemen für Smartphones unter Namen wie ‚Reality Scan' o.ä. Verwendung findet, zur Verfügung: die animierte Map. Diese dreidimensionale Karte fungiert dabei als eine sogenannte Virtual Guide-App, die die gegenwärtige Realität in Echtzeit mit einer digitalen erweitert:
Nun, dein Smartphone fungiert als eine Art Brille. Dazu nimmt es die Kamera und das GPS System zur Hilfe. Wenn du dich also auf dem Festivalgelände befindest, kannst du deine Kamera in jede Richtung halten und die App zeigt dir dann im Bild diverse Points of Interest inklusive der dazugehörigen Informationen. Darüber hinaus liefert dir die App auch die exakte Entfernung von deinem momentanen Aufenthaltsort, d.h. du kannst ganz leicht herausfinden, wo sich bspw. die Bühnen befinden, wo sich der nächste Frischwassertank befindet, wie du am schnellsten zum Busshuttle kommst oder wo du dein nächstes Bier bestellen kannst. (Wacken Open Air 2012)
Die ‚augmented reality' hält ohne Frage auch Einzug in die Musikwirtschaft.
Michel Maffesoli sieht in der Postmoderne die Epoche jener Stämme angebrochen, die Rob Shields (1996: x) im Vorwort seiner Übersetzung von Maffesolis Buch Le Temps des Tribus als ‚Neo-Tribes' bezeichnet. Obwohl er darauf hinweist, dass ihm die Begriffe ‚postmodern tribes' und ‚pseudo-tribes' angemessener erscheinen, hat sich in der Forschungsliteratur der Ausdruck Neo-Tribes durchgesetzt. Diese sind Maffesoli zufolge als lockere und flüchtige Vergemeinschaftungsformen zu verstehen, die sich um jeweils zentrale Interessen herum ausbilden und deren maßgebliche Kraft nicht das Soziale, sondern die Sozialität darstellt. Diese basiert auf einer "fundamental ambiguity of symbolic structuring" (MAFFESOLI 1996: 95), deren maßgebliche Konsequenz eine zunehmende Entdifferenzierung ist, die sich der Logik der Moderne entzieht. Der Mensch wird dementsprechend nicht als Einheit gedacht, die in einer mechanisch strukturierten Gesellschaft bestimmte Funktionen übernimmt, sondern findet sich in einer organischen Struktur wieder, in der er sich als einzigartig, aber polykontextuell wahrnimmt und -vor dem Hintergrund seiner anwachsenden Pluralität -auf die ‚persona' zurückgreift, "the changeable mask which blends into a variety of scenes and situations whose only value resides in the fact that they are played out by the many." (MAFFESOLI 1996: 10) Dies äußert sich in der ‚elektiven Sozialität' resp. Wahl-Sozialität, die Reiner Keller (2008: 93) auf zweierlei Arten deutet: einerseits als eine "Wahlverwandtschaft der Gleichgesinnten" und andererseits als die "Entscheidung zur Partizipation auf Zeit an der je spezifischen Form der Geselligkeit." Maffesoli (2007: 31) diagnostiziert in Bezug auf diese postmodernen Vergemeinschaftungsformen eine zunehmende Ausdifferenzierung. Zudem betont er, dass Identitäten, Entscheidungen und der freie Wille keine individuellen Tribute sind, sondern aus der Gruppe hervorgehen. Und genauso, wie sich das Individuum nur scheinbar frei innerhalb eines Neo-Tribes verhält, besitzt jeder Stamm nur oberflächlich Macht über seinen thematischen Mittelpunkt, sein spezifisches Totem; sei es eine Marke, ein Musikstil oder Sonstiges. Dieses Totem fungiert für posttraditionale Gemeinschaften als ein heiliges Zentrum, das in der mental darum versammelten Gemeinschaft als einen höheren Sinn symbolisierend verehrt wird, und das unter den ‚Stammesmitgliedern' (nicht über jeden, aber) über grundsätzliche Zweifel und Kritik erhaben ist. (PFADENHAUER 2008: 217) Und es sind letztendlich diese Totems, die dahinterstehenden Assoziationen und deren inhärente soziale sowie kulturelle Logiken, die über das Verhalten, die Identität und die Entscheidungen eines Neo-Tribes bestimmen.
Die postmoderne Vergemeinschaftungsform der Neo-Tribes lässt sich wohl kaum besser beschreiben als anhand eines postmodernen Raums wie dem Internet. Hier nehmen die Neo-Tribes jedoch aufgrund ihrer Eingebundenheit in den spezifischen medialen Rahmen die Form von elektronischen Stämmen an, die kurz als E-Tribes bezeichnet werden. Diese speziellen Neo-Tribe-Ausprägungen lassensich definieren als an exclusive, narrowly focused, network-supported aggregate of human beings in cyberspace who are bound together by a common purpose and employ a common protocol and procedure for the consensual exchange of information and opinions. (ADAMS/SMITH 2008: 17;Herv. i. O.) E-Tribes leben von kontinuierlichem Informationsfluss, aber auch von der situativen, transitorischen und fluiden Identität der User, die, begünstigt durch die Strukturen des Internets, im Sinne Maffesolis (1998) wie Nomaden zwischen den unterschiedlichen elektronischen Stämmen hin-und herwandern. Die Vielzahl und Vielfalt der E-Tribes geht dabei aus dem Medium selbst hervor. So bezeichnet Alexander R. Galloway (2004: 42) das Internet nicht nur als robust, kontingent, interoperabel und flexibel, sondern darüber hinaus auch als heterogen und pantheistisch. Hieran anschließend ist sogar zu konstatieren, dass das Internet nicht nur pan-, sondern aufgrund seiner Ausdifferenzierung auch polytheistisch ist und sich um die vielfältigen ‚Gottheiten' ebenso heterogene Stämme versammeln. Diese werden nicht von den einzelnen Online-Communities gebildet, sondern entstehen vielmehr aufgrund der unterschiedlichen Präferenzen, Interessen und Praktiken der User innerhalb dieser Netzwerke. Kristine de Valck (2007: 270) weist darauf hin, dass dies letztendlich zu einer Ausbildung verschiedener E-Tribes führt, die innerhalb einer Online-Community ihr jeweils eigenes Totem besitzen. An diesen Gedanken anknüpfend gibt es nicht den Facebook-Tribe, den Twitter-Tribe, den Flickr-Tribe usw., sondern vielmehr bilden diese Plattformen lediglich die mediale Infrastruktur, in der sich unterschiedliche E-Tribes ausbilden. Sich thematisch-ähnelnde Stämme sind aber nicht notwendigerweise miteinander verbunden. Jede Online-Community besitzt ihre eigenen Zugangsvoraussetzungen und weist somit auch Exklusionsmechanismen auf, die teilweise zu einer exklusiven Partizipation an einem E-Tribe führen. Hierbei können verschiedene Parameter von Bedeutung sein wie z. B. die Sprache, die verwendete Technik, das Know-How im Umgang mit den Medien oder auch das Wissen um die Existenz und die Registrierung bei einer Online-Community.
Das Fusion Festival, kurz Fusion, ist ein durch den Kulturverein Kulturkosmos Müritzsee e.V. seit 1997 jährlich auf einem stillgelegten Militärflughafen bei Lärz (Mecklenburg-Vorpommern) stattfindendes Musikfestival, bei dem neben Elektronischer Tanzmusik der ‚Ferienkommunismus' im Vordergrund steht. Dessen Mittelpunkt bilden dabei dem Marxismus entlehnte Konzepte wie "Gleichheit, Abschaffung von Entfremdung, Abschaffung der kapitalistischen Arbeitsdisziplin." (KIRCHNER 2011: 56) Das Motto des Festivals lautet:
Weil es aber keinen Ort nirgends gibt, wo die Menschen frei sind, ist es gerade die Vereinigung der FusionistInnen aller Länder und der Ferienkommunismus, der uns spüren lässt, dass wir mehr wollen, als das, was uns in diesem Leben geboten wird. Nämlich alles und zwar sofort! (http://www. fusion-festival.de/de/2013/festival/was-ist-die-fusion/) [25.09.2013] Die Fusion wird somit a priori als ein außeralltäglicher Erlebnisraum konstruiert, in dem den Alltag normierende Strukturen außer Kraft gesetzt werden. Dem "fleißigen, fortschrittsorientierten Prometheus, der emblematischen Figur der industriegesellschaftlichen Moderne" (KELLER 2009: 101) wird hier in der Außeralltäglichkeit das dionysische Prinzip eines "Lebens im Hier und Jetzt" (KELLER 2009: 101) entgegengestellt. Die Fusionisten, wie sich die Besucher des Festivals selbst bezeichnen, bilden dabei die flüchtige Vergemeinschaftung des Fusion-Tribes (KIRCHNER 2011: 145-151), der dennoch nicht als eine homogene Gemeinschaft verstanden werden kann. Die polyseme Konnotierung des Fusion-Tribes ist eine direkte Folge der verschiedenen und zueinander paradoxen Motivlagen der Festivalbesucher. So unterscheidet Kirchner (2011: 158) An den Tweets, die den Hashtag #fusionfestival beinhalten, fällt auf, dass sie zu ca. 72 % in englischer Sprache verfasst worden sind und somit auch die Stammeskommunikation vorwiegend Englisch ist. Die zweithäufigste Sprache bildet Deutsch (15 %), was wohl unter anderem auf den Festivalstandort zurückzuführen ist. Andere Sprachen wie Französisch, Italienisch, Norwegisch und Portugiesisch kommen nur vereinzelt vor. Teilweise sind die Tweets zwar syntaktisch derart aufgebaut, dass sie auch zu großen Teilen ohne Englischkenntnisse verstanden werden können, wie im Beispiel der Nachricht "FUSION FESTIVAL TONIGHT 1:30 PALAST !!!", aber dennoch lässt sich sagen, dass fehlende Englischkenntnisse in der Regel eine Teilnahme an der Kommunikation ver-oder zumindest behindern können. So ist beispielsweise der Tweet "I apologize to those that misunderstood my booking at #FusionFestival. They made the mistake to mark down Saturday...", die darin enthaltene Entschuldigung des Tweeters und die implizit mitgetragene Benachrichtigung über einen bestehenden anderen Konzerttermin ohne ausreichende Sprachfertigkeiten nicht zu verstehen. Der relativ geringe Anteil deutschsprachiger Tweets könnte zwei verschiedene Ursachen haben: Erstens wäre dies ein Indikator für eine seltenere Twitternutzung durch deutschsprachiger Internet-User im Vergleich zu englischsprachigen. Andererseits könnte Englisch online eine Art Lingua franca des Festivals sein. Ursächlich wäre also zweitens eine durch die Tweeter vollzogene Ausrichtung der Tweets auf ein größtmögliches Publikum, da man eher davon ausgeht, dass von einer Mehrzahl der Leser Englisch und nicht Deutsch verstanden würde.
Ferner wird Twitter verstärkt von ‚Berufsorientierten' (im Fall der Fusion: auftretende Musiker, Agenturen, Festivalbetreiber etc.) sowie nur von den Fusionisten genutzt, deren Alltagspraxis mit den Praktiken der ‚Zielstrebigen Trendsetter' und ‚jungen Wilden' (BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 386) vergleichbar ist und die diese im außeralltäglichen Feld sozialer Praktiken auf der Fusion ‚nicht' negieren, persiflieren oder sabotieren, sondern affirmieren. Dieser auf Twitter vorzufindende Stamm ist somit nicht bloß als Online-Äquivalent für die Teilnehmerschaft am Fusionfestival zu verstehen, sondern bildet eine eigene Gemeinschaft: den ‚#fusionfestival-Tribe'.
Etwa dreiviertel der untersuchten Tweets beinhalten nicht nur Textmitteilungen, sondern auch Links zu anderen Homepages, wobei die meisten zu der Foto-und Video-Sharing-Plattform Instagram (27 %) und dem sozialen Netzwerk Facebook (26 %) führen. Ebenfalls werden bei Twitter hochgeladene Bilder (10 %) sowie die Domain des Fusion Festivals (http://fusion-festival.de; 9 %), die Videoplattform YouTube (7 %) und das standortbezogene soziale Netzwerk Foursquare (5 %) verlinkt. Die Kommunikation des #fusionfestival-Tribes beschränkt sich demnach keinesfalls während des untersuchten Zeitraums auf bloße Textnachrichten, sondern vielmehr lässt sich eine Art Hyperlinkfetisch feststellen, bei dem einerseits die Kommunikation und Interaktion übermäßig in andere soziale Netzwerke verlagert und andererseits zu großen Teilen externe Inhalte mit dem Hashtag #fusionfestival verknüpft werden. Die Linkinhalte sind hierbei vorwiegend Fotos und Bilder (51 %). Seltener finden sich Videos (15 %), Songs (6 %), Ortsangaben (5 %) und Zeitungsartikel (2 %) hinter den Links. Die Fotos und Videos zeigen häufig Festivalszenen, aber teilweise auch Bands, ihr Equipment, Zuschauermengen und einzelne Personen.
Die Kommunikation des #fusionfestival-Tribes lässt sich auf die drei grundlegenden Online-Handlungsweisen nach Jan-Hinrik Schmidt (2013: 37f.) zurückführen. So gibt es beispielsweise Tweets, in denen die User a) Identitätsmanagement betreiben, indem sie sich mit dem Fusion-Festival in Verbindung setzen und somit die Teilidentität des ‚Fusionisten' für sich beanspruchen. So greift unter anderem ein User das an das Fusion-Festival geknüpfte Bild des Kosmonauten auf und koppelt es an seine eigene Person, indem er schreibt: "I must go now. My planet needs me! @ Fusion Festival Lärz". Ab und an kommt es auch zu Dialogen zwischen Usern ("Trink nen Pfeffi mit mir" -"leider zu spät gelesen. Nächstes Jahr?" -"gerne"), zu Wertschätzungen einzelner Musiker und ihren Auftritten ("the incredible @laripley is creating radical dance floor economies at Fusion right now") oder zu Danksagungen an die Organisatoren ("Thanks Fusion Festival & ‚Salon De Baile' crew for an amazing weekend"). Dies alles lässt sich idealtypisch zum b) Beziehungsmanagement hinzuzählen. Letztendlich werden die Tweets in Form eines c) Informationsmanagements auch für Standorthinweise ("I'm at Fusion Festival Camping Area C5"), Verkehrsmeldungen ("mehrere Kilometer Stau durch Veranstaltungsende"), Warnhinweise ("Auf B3 pöbelt ein Thor-Steinar-Shirt-Träger rum. Passt auf Euch auf"), Konzertberichte ("We had an amazing gig last night") und -ankündigungen ("I will be playing a Techno Set at Midnight") usw. genutzt.
Obwohl Maffesoli (1996: 32) davon ausgeht, dass Neo-Tribes einen hedonistischen Lebensstil beinhalten, zeigt sich bei einer Vielzahl der Tweets des #fusionfestival-Tribes ein Arbeitsethos. Die Kommunikation wird von den Tweets auftretender Musiker dominiert, die ihre Konzerte, deren Ort und Uhrzeit selbst ankündigen, indem sie Nachrichten schreiben, wie "I'll be playing at the Tanzwiese stage on Sunday evening from 18:00-21:00". Zwar zielen diese Informationen auf den Hedonismus anderer User ab, aber dennoch würden sie ohne einen ökonomischen Antrieb nicht derart gehäuft und in entsprechender Form auftreten. Sieht Maffesoli (1996: 28) Dionysos als charakteristische Figur der Postmoderne, so muss an dieser Stelle eingeräumt werden, dass zumindest während des Fusion-Festivals der #fusionfestival-Tribe von Prometheus beherrscht wird. Der Hedonismus mag auf dem Festival überwiegen, aber in elektronischer Form scheint er zumindest unter dem Hashtag #fusionfestival durch einen Arbeitsgedanken verdrängt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der kommunikative Bezug der #fusionfestival-Tweeter zueinander. Volker Grassmuck (2009: 120) zufolge bildet das Web 2.0 eigentlich einen ‚globalen Resonanzkörper': "Ordnungen und Muster werden nicht erzeugt, sondern entstehen aus den Interaktionen vieler Einzelner". Doch wie lässt sich das Web 2.0 beschreiben, wenn die Interaktion ausbleibt? Denn generell zeichnet sich die Kommunikation unter dem Hashtag #fusionfestival durch eine ausbleibende Interaktion und somit durch eine allgemeine Resonanzlosigkeit aus. So wurde lediglich auf 9 % der Tweets etwas entgegnet, während der Rest als einzelne Meldungen in der Twitter-Timeline unbeantwortet allmählich nach unten rückte. Die Interaktion verlagert sich dabei, wie bereits erwähnt, auf die verlinkten Plattformen. Twitter dient in diesem Fall lediglich der Selbstproduktion und -bestätigung; eine Tatsache die Murthy (2012: 1063) treffend mit dem Satz "I tweet, therefore I am" beschreibt. Daran anknüpfend bleibt die Bestätigung des anderen an dieser Stelle jedoch aus. Dadurch nimmt er keine konkrete Form an, sondern verschwimmt in der Unschärfe des nicht-antwortenden Stammes. Twitter wird von den Mitgliedern des #fusionfestival-Stamms also weniger als Beziehungs-denn vielmehr Identitätsmanagementinstrument gebraucht. Der kollektive Rausch als Spezifikum des Neo-Tribe wird nicht virtuell auf Twitter verlebt, sondern es wird über Twitter der Bezug zum kollektiven Rausch der real agierenden Festivalgemeinschaft vergegenwärtigt.
Der Hashtag #fusionfestival könnte aufgrund der ausbleibenden Interaktion als ein ‚Totem der Narzissten' beschrieben werden, das zudem einen Stamm um sich herum vereinigt, der aus relativ wenigen festen Mitgliedern besteht. Denn die Identität der Stammesmitglieder ist größtenteils transitorisch. Ungefähr dreiviertel der User tweeteten im untersuchten Zeitraum nur ein einziges Mal; weniger als 6 % mehr als dreimal. Der #fusionfestival-Tribes existiert demnach vorwiegend aufgrund von kurzen Einzelmeldungen, die zudem lediglich ankündigen, wann der eigene Auftritt ist ("Tonight we're playing at Fusion Festival"), dass man an-bzw. abreist ("On the road to Fusion Festival", "just packing up to leave the amazing Fusion Festival") oder auf dem Festival anwesend ist ("I'm at @Fusion_Festival Lärz"). Adressaten der Nachrichten sind demnach die "persönlichen Öffentlichkeiten" (SCHMIDT 2012: 4) der User, wobei Informationen auf Basis persönlicher Relevanz an eine über den Hashtag organisierte Nutzergruppe, allerdings nicht, wie von Schmidt (2012: 4; 2013: 43) behauptet, zwingend dialogisch verbreitet wird. Zwar signalisiert die Organisation der Nachricht unter dem Hashtag Informationsbereitschaft, diese wird allerdings nur in Ausnahmefällen eingelöst.
Diese Form der Stammeskommunikation beschränkt sich vorwiegend auf die Ankündigung der eigenen leiblichen Präsenz bzw. Absenz. Mehr noch: Andreas Ziemann (2011: 152) weist darauf hin, dass jegliches Medienhandeln "technische wie soziale Verhältnisse der Nähe oder Distanz, der individuellen (Co-)Anwesenheit am Ort oder der örtlichen Abwesenheit bei individueller telemobiler Erreichbarkeit" produziert. Daran anschließend lässt sich der #fusionfestival-Tribe als Vergemeinschaftsungsform beschreiben, die aufgrund ihrer medialen Bedingungen auf der Anwesenheit der Abwesenden basiert und die die derzeitige oder kommende Prä-bzw. Absenz in einem anderen Stamm, nämlich den der Festivalbesucher, zum zentralen Thema hat.
Der #fusionfestival-Tribe ist weniger eine kollaborierende, dialogisch agierende Gemeinschaft, sondern geht aufgrund der zumeist fehlenden Reaktion auf generierten Content fast ausschließlich nicht-arbeitsteilig vor. Damit zeigt der Tribe im Sinne Zygmunt Baumans Merkmale eines Schwarms: "Jede Einheit des Schwarms ahmt die Bewegungen aller anderen nach und führt doch die gesamte Aufgabe allein aus, von Anfang bis zum Ende und in allen ihren Teilen" (BAUMAN 2009: 101). Dies verwundert auch deshalb nicht, da auch keinesfalls von ‚der' Gemeinschaft der Fusionisten die Rede sein kann, da Gemeinschaft auf dem Festival nur vor dem Hintergrund der Erfüllung egoistischer Ziele erfahren wird (Kirchner 2011: 159). Auch wenn sich die Fusionisten vergemeinschaften, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Fusion (Verschmelzung) der Festivalbesucher in dem Sinne stattfindet, dass sie alle gemeinsam eine Gemeinschaft für die Dauer des Festivals konstitutieren. Stattdessen findet eine Fusion nur ephemer in ekstatischen, efferveszenten Momenten statt. Die unterschiedlichen Menschen verschmelzen dabei zu einem neuen Ganzen. (KIRCHNER 2011: 158) In den untersuchten Tweets zeigte sich darüber hinaus, dass sich die Assoziationen, die mit dem Hashtag #fusionfestival verbunden sind, situativ wandeln können. So gibt es nicht nur das Fusion-Festival in Lärz, sondern darüber hinaus auch zwei weitere Festivals mit dem gleichen Namen in Birmingham und Rumänien, ein Celtic Fusion Festival in Castlewellan sowie ein Brandy Fusion Festival in Johannesburg und ein Stadtfest in Gravesend, Kent, das ebenfalls Fusion-Festival heißt. Von den 334 Tweets bezogen sich insgesamt 28 auf jeweils eines dieser anderen Festivals. Welches genau mit dem Hashtag #fusionfestival gemeint ist, bleibt aber oftmals auf den ersten Blick unklar. Hierdurch kann es zu einschneidenden Verwechslungen kommen. Beispielsweise wird in einigen Tweets erwähnt, dass es keine Tickets mehr für das Fusion-Festival in Lärz gibt. So lauten beispielsweise zwei Nachrichten "Verdammt! Auch kein Ticket fürs Fusion Festival bekommen?" und "está sold out". Ein anderer Tweet hingegen weist auf eine Verlosung hin: "Tweet #FusionFestistheBest b4 9pm tonight to win a pair of Fusion Festival tickets". Dieser bezieht sich aber bei näherer Betrachtung auf das Festival in Birmingham. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass der Hashtag #fusionfestival nicht nur mit einem konkreten Ereignis verbunden wird, sondern unterschiedliche Assoziationen evozieren kann.
Ann Rosenthal (2008: 159f.) beschreibt das Internet als einen durch Kommunikation geformten Raum: "If physical space can be terraformed, that is, turned into terrain resembling earth and thus inhabitable by humans, then cyberspace can be socioformed, turned into space where humans can form societies". Daran anknüpfend lässt sich im Fall des #fusionfestival-Tribes nicht nur von einem ‚socioforming', sondern auch von einem ‚socio-trans-forming' sprechen. Mit dem Wechsel der dominanten Assoziation mit dem Hashtag -also dem Wandel des Signifikats -, wandelt sich auch der E-Tribe. Der Hashtag #fusionfestival versammelt somit zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Stämme, die je eigene Sinnzusammenhänge und Deutungen mit dem Hashtag in Verbindung bringen, und kann demnach als ein ‚zwischen den Stämmen wanderndes Totem' beschrieben werden.
Die Form und Verbreitungsmöglichkeiten von Wissen sind stets eng an dessen medialen Kontext gebunden. Laut Nina Degele (2005: 66) erhält das Wissen durch den Computer "eine neue, nämlich inhaltsarme und dafür verarbeitungs-und inszenierungsfreundliche Form." Das ‚Wissen zweiter Ordnung', also das Wissen um die Organisation und Inszenierung, tritt ihrer Meinung nach vor das inhaltsspezifische Domänenwissen. In Bezug auf Twitter sowie dessen 140-Zeichenbegrenzung lässt sich diese Aussage bestätigen. Die Wissensform ist nicht nur inhaltsarm sowie verarbeitungs-und inszenierungsfreundlich, sondern darüber hinaus auch verbreitungsfreundlich, da sie sich an eine Vielzahl an Usern richtet sowie durch die Kopplung an Hashtags schneller und einfacher systematisiert werden kann. Zudem zeichnet sie sich durch eine hohe Flüchtigkeit aus. Tweets, die mit dem Hashtag #fusionfestival veröffentlicht werden, rücken relativ schnell in der Timeline nach unten, da teilweise nur wenige Minuten oder Sekunden zwischen ihnen und den darauffolgenden Nachrichten liegen. Dieser Befund wird durch die Aussage Christine Plass' (2005: 43) bestätigt, dass das Internet entgegen herkömmlicher Annahmen kein Wissensspeicher ist, sondern in ihm "Informationen fortlaufend generiert, verbreitet, verändert und gelöscht werden." In Hinblick auf die #fusionfestival-Timeline lässt sich hier zusätzlich der Aspekt der Verdrängung anfügen. Um dieser Flüchtigkeit zu entkommen scheinen einige User darauf zurückzugreifen, den gleichen oder ähnliche Tweets einige Stunden später oder am nächsten Tag erneut zu versenden. So schreibt ein User die Nachricht "Jamming sunday 30th June in the morning from 4am" und wiederholt diese Information nur kurze Zeit später: "dj set on Sunday morning from 4am". Andere posten den gleichen Wortlaut ihrer Tweets auf anderen Plattformen wie zum Beispiel Facebook. Doch dies allein führt nicht dazu, dass die eigenen Tweets von anderen auch gelesen werden. Es ist eine Schlüsselqualifikation innerhalb des #fusionfestival-Tribes, die zu übermittelnden Informationen derart zu inszenieren, dass sie eine möglichst große Wirkung besitzen. Dies geschieht vorrangig durch zwei Strategien: Einerseits werden kurze Informationen mit möglichst vielen Hashtags versehen ("Die Utopie so groß wie unsere Phantasie #fusion #festival #music #minimal #latergram #love #mv") oder nur aneinandergereihte Hashtags versandt ("#fusionfestival #fusion #al-lez2013 #irierevoltes #resisdance"), um dadurch eine hohe Anzahl an potenziellen Interessenten zu erreichen (wobei durch die Wahl dieser unterschiedlichen Hashtags als Totems sich die Tweeter zusätzlich zum Fusion-Tribe mit anderen Twitter-Tribes ad hoc vergemeinschaften). Andererseits werden die Hyperlinks dazu genutzt, um Informationen an den Tweet zu koppeln, die nicht in 140 Zeichen ausgedrückt werden können; sei dies in Form eines Verweises auf eine Diskussion auf Facebook, eines Bildes oder eines Zeitungsartikels. Das Wissen des #fusionfestival-Tribes kann demnach größtenteils als ein ‚Wissen um wissende Links' bezeichnet werden.
Besonders die Vielzahl der (audio-)visuellen Medien, die im #fusionfestival-Tribe verlinkt sind und zumeist Festivalszenen zeigen, verweisen darauf, dass dieses Stammeswissen nicht von der realen Welt zu trennen ist. Es hat vielmehr seinen Ursprung in der Offline-Welt und wird vom Stamm als Quelle zur eigenen Online-Kommunikation genutzt. Christoph Engemann (2011: 381) zufolge ermöglicht es die zunehmende Vernetzung, die Welt mit dem Computer -daran anschließend lässt sich sagen: auch mittels Smartphones, Tablets etc.-zu erschließen und überall und jederzeit in eine digitale Form zu bringen. Dementsprechend postuliert Engemann (2011: 381): "Das Internet duldet offenbar kein Außen." Daran anknüpfend lässt sich an dieser Stelle entgegnen: Doch, da nicht jeder online ist bzw. über Internetzugang verfügt, sich einige Personen oder Gruppierungen ideologiekritisch dem Onlineleben gegenüber äußern, es exklusive Online-Vergemeinschaftungen wie den #fusionfestival-Tribe gibt, die sehr wohl ein Außen kennen, und das Internet sowie die reale Welt, so sehr sie auch miteinander verwoben sind, unterschiedliche mediale Beschaffenheiten besitzen und sich Objekte aus dem einen nicht unverändert in das andere bewegen lassen und vice versa. Die durch den #fusionfestival-Tribe verlinkten Fotos, Videos und Songs, aber auch die Tweets selbst lassen sich als ‚digitale Transfigurationen' der Welt beschreiben. Laut Sybille Krämer (2010: 83) zeichnet sich eine Transfiguration dadurch aus, dass etwas nicht nur transportiert oder transformiert, "sondern in sein ‚ergänzendes Gegenteil' transponiert" wird. Dadurch entsteht zeitgleich etwas Neues, etwas Innovatives. Dementsprechend entsteht auch in dem #fusionfestival-Tribe etwas Neues, das in dieser Form nicht in der realen Welt existiert. Hieran wird ebenso wie in Bezug auf die Nutzergruppe von Twitter (s.o.) deutlich, dass es sich um kein bloßes Online-Äquivalent für die Teilnehmerschaft am Fusionfestival handelt, sondern der Tribe die Möglichkeit bietet, die Festivalerfahrung zu bereichern, indem er Informationen und Kommunikationsweisen bereithält, die offline nicht so schnell und einfach erhältlich wären.
Die Kommunikation auf Twitter über das Fusion Festival beschränkt sich im Wesentlichen auf Informationen zur Anwesenheit verschiedener musikalischer Produzenten und zu Präsenz und Absenz von Konsumenten. Es dominieren also Botschaften wie ‚Dort kann konsumiert werden!' oder ‚Ich konsumiere (nicht) mit!', die auf den ersten Blick eine klare Trennung zwischen Produktion und Konsumtion vermuten lassen. Ein für den Fusionisten-Tribe von Kirchner (2011: 56) ausgemachter Prosumtionsaspekt ist dennoch auch beim #fusionfestival-Tribe zu finden, nämlich vor allem dann, wenn auch auf Fotodienste wie Instagram verlinkt wird. So wird bspw. im Tweet "Frühstück @ Fusion Festival" auf ein Bild verwiesen, das offenbar auf dem Campinggelände der Fusion entstanden ist und aus einem Zelt heraus fotografiert wurde. Es zeigt neben dem die Szene rahmenden Zelteingang im Vordergrund ein weiteres Zelt sowie eine junge, bei der Inszenierung des Fotos offenbar unbeteiligte Frau hinter einer geöffneten Autotür. Im hinteren Teil des Bildes sind zudem ein Wohnwagen mit einer überdimensionalen Erdbeere auf dem Dach sowie ein Fahnenmast zu sehen, wobei gerade die rote Fahne mit Che-Guevara-Konterfei als semantisch leicht zugängliches Emblem auf den Kontext des ‚Ferienkommunismus' beim Fusion Festival verweist. Der wolkige Himmel wird im Moment der Aufnahme von der Sonne durchbrochen. Die Komposition des Bildes als User-generated Content (ARNHOLD 2010: 29) stellt dabei eine kreative Eigenleistung des #fusionfestival-Tribalisten da, der durch Wahl des Ausschnitts und Inszenierung des Bildtitels (hier der Tweet-Text) nicht nur einen direkten Verweisungszusammenhang zum Festival als Institution herstellt (indem das Bild eine typische Anordnung auf dem Festivalgelände wiedergeben soll), sondern auch einen spezifischen Eindruck der Festivalsituation als Erlebnisepisode vermitteln möchte. Durch diesen Akt der Prosumtion, bzw. -je nach Definition (BRUNS 2010; HELLMANN 2010) -Produtzung wird "palimpsestisch" (BRUNS 2010: 202) der dem Erlebnis ‚Besuch des Fusion Festivals' innewohnende Erlebnisgehalt nicht nur reproduziert, sondern auch immer wieder aktualisiert. Twitter ist dabei nicht nur vermittelnde Instanz zwischen Prosumer/Produtzer und Festival, sondern auch selbst Adressat der Produtzung, indem diese Online-Plattform durch ihre Rolle als vermittelnde Instanz einen Verweisungszusammenhang zu Fusion(-nicht-)besuchern und dem Festival entstehen lässt, was wiederum auch einen Einfluss auf das durch die Fusionisten wahrgenommene spezifische Markenimage von Twitter und damit Folgen für die weitere (Nicht-)Nutzung von Twitter durch Besucher des Fusion Festivals hat.
A genre is not a closed definition, determining how the music it comprises will sound, but an open concept of some type of music that is identified in its own cultural environment as being part of this concept. Lydia Goehr explains open concepts as follows:
Open concepts have most often been described as: (i) Not corresponding to fixed or static essences; (ii) Not admitting of 'absolutely precise' definitions of the sort traditionally given in terms of necessary and sufficient conditions; (iii) Intentionally incomplete or 'essentially contestable' -because the possibility of an unforeseen situation arising which would lead us to modify our definition can never be eliminated. (GOEHR 1992: 91) The criteria determining which genre-concept a certain kind of music is thought to be affiliated with are of various nature and generally culture conditioned. Yet, the cultural conditions still correspond to underlying constructions of human expression (like poetry, choreography, music, language, etc.). These constructions must be accepted by a community in order to be commonly identifiable.
The project Global Music Database wants to uncover these underlying structures in music. Each music genre has its own reference pool, its own database, containing its own typical sound patterns. Accordingly, music experts with field experience were required to handpick significant music samples of a genre, which is commonly identified in its own cultural context. We avoided ‚umbrella genres' like, for instance, ‚Salsa' -since this denomination is an etic and therefore generalising one -and focused instead on annotating some of its constituting genres like Bolero and Merengue separately.
If we want to be able to understand, identify and distinguish various music genres of various music cultures, we must search for their periodicities -for their sound patterns:
Music is nothing if not iteration and pattern; periodicity is music's ultimate organizer in many levels. … The absence of periodicity in any music is a challenge to imagine. Even if one could invent such music algorhythmically, we, as aware listeners, would impose or construct pattern, as that is the nature of mind relating to world. (TENZER 2006: 23) Music is complex and music styles are constantly changing. This is one of the reasons why a computer will never have the ability to recognise every characteristic of new music samples on its own. However, it may learn to identify many different aspects and similarities, and compare them, in order to generate a well-founded percentage probability of what kind of music and of which genre one may be encountering.
Guided by inherited traditions that constrain utterly free choice, musicians achieve their expressive intent by working within the framework of a musical syntax that is well established but largely unverbalized within their cultural community.
That is the reason why rhythm, together with other musical aspects like harmonics and melodic features, characterizes musical styles. In Africa and Latin-America, rhythm is frequently the main characteristic for distinguishing a genre. Musicians identify a genre by listening to its percussion. Rhythm plays such an important role in Latin-America, that the word is often employed as synonym for ‚music'. One should not be surprised by researching on rhythm in a book entitled ‚Latin-American Rhythms' and finding merely general information about Latin-American music. In other parts of the world, aspects other than the rhythm may be determinant of a musical style, but the rhythm will still helps characterizing it.
Rhythm is often related to percussion rhythms. But every sound producer involved in a musical performance -from brass instruments to the singing voice -work within a temporal framework, providing the repertory of standard-rhythms of a musical tradition. In the Global Music Project, the focus of the rhythm extraction had to lie on the rhythms produced by percussion instruments, since it is easier for the computer to separate unpitched from pitched sounds and then automatically recognize them in a sound file. However, there are many musical styles even without percussive sounds or which are characterized by the rhythm of pitched instruments like the case of the guitar in Reggae or of the brass instruments in various Balkan' styles.
Another important aspect for the classification of rhythms is found in their microscopic level, the so-called micro-rhythmic phenomena. Sounds produced by humans are not isochronous and may imply micro-rhythmic patterns (BENGTSSON 1974), which can be determinants of musical styles (GERISCHER 2003). Although micro-rhythmic events are mostly treated as a deviation due to human imperfection or to musicians' rhythmic feel, they seem to be in fact closely interrelated with the body movements employed to produce them (GRAEFF 2012). As Kubik (2004: 69) stresses in the African context, music is not only acoustic but implies also structured movement. This seems to be valid for the most musical cultures, for it is the human body that produces music -with exception of electronic music. Acoustic-motional patterns (PINTO 1991) result in musical patterns both in macroscopic and microscopic levels.
To take the micro-rhythmic level into consideration when analysing music may be very revealing. It has the potential not only of distinguishing musical styles but at the same time of linking traditions that are geographically distanced but historically related. That is the case of the Brazilian samba, whose Angolan origins were attested by Kubik (1979) through the identification in Brazil of a specific time-line pattern typical to central-Africa, followed by other conceptual and aesthetic kinships recognised by Pinto and Tucci (1992). It is, however, a micro-rhythmic pattern resulting from a sequence of movements that link the various samba sub-styles, regardless of the instrument used, and that can be also found in Angola (Graeff 2012):
The figure shows three spectrograms of recordings coming from the respective regions and countries. These spectrograms visualize the mentioned micro-rhythmic pattern, whose onsets are represented by the bright vertical lines. The pattern consists of beats (as conceptualized in African music theories) grouped after four elementary pulses (KUBIK 2004). The four strokes deviate from a hypothetical isochronic division of the beats always in the respective directions, varying their durability in the following sequence: medium, short, medium, long (GERISCHER 2003).
MIR (music information retrieval) is a term used to describe technologies for browsing and searching information in digital music databases. Such databases can be as small as a set of music recordings on an MP3 stick or as huge as the collection of amazon.com or freemusicarchive.org. Typical examples for applications of MIR is the query-by-example problem, where the user provides a musical fragment and the systems task is to retrieve all items of a database containing parts similar to the query. Also well known is the so called query-by-humming method, where the user whistles or sings a melody and the system returns all songs in a database containing the same melodic phrase. Other fields of MIR include the detection of note events in a musical work or the retrieval of a work given a few notes or chords and classification of music files in a database. Classification means that a subset of musical works in a database are put together in a group. For instance: a set of jazz recordings can be categorized in bigband-, sextet-, quintet-, and so on jazz tunes. Music can be classified by various criteria: orchestration (which instruments occur in a recording), mood, sound quality, year of origin and genre. Classification by genre is a complex task because a genre is constituted by manifold musical parameters one of which is rhythm.
The most notable feature of MIR is that music browsing and retrieval is content based. As Müller (2007: 2) states:
Here, content based means that in the comparison of music data, the system makes use of only the raw data [the digital audio signal], rather than relying on manually generated metadata such as keywords or other symbolic descriptions.
Thus descriptions of the musical data have to be generated automatically by computer software. The consequences of this fact are profound. A music file in a database has not to be tagged manually, the genre or other descriptions of the music (orchestration, mood and so on) can be automatically generated which can save a lot of time for music shops and especially online shops. The files in such a database do not necessarily need to be named meaningful, instead they can have arbitrary names like numbers. A good MIR system is capable of identifying the name of a song even though the file has a different name. This can be the case in private MP3 collections and here is where also end users benefit from MIR technologies.
Since 2001 there is an international standard called MPEG-7 by the ISO Motion Picture Experts Group providing a framework for the automatic description of audio and also video signals. "Both human users and automatic systems that process audiovisual information are within the scope of MPEG-7." (KIM et. al. 2005: 3). MPEG-7 renders a format for the organization of automatically generated metadata, as well as specifications how to generate such descriptions.
An observable is a measurable property of a physical system. MIR deals with musical audio signals (which are measured physical vibrations of the air) and extracts information from these by means of measure and calculation. This information can be on a low or high level of audio description. Low level descriptors often contain information on technical aspects of the audio signal. These can be parameters like the fundamental frequency or the volume of an audio file. Higher levels of description deal with more meaningful values like the chord progression, melody or rhythm of a song.
Automatically detected rhythmical features of a musical work are descriptions generated by means of measure and calculation and hence are observables. In contrast to rhythmical features retrieved by a software algorithm, rhythm is a musical phenomenon and as such it is a human sensation. As Sethares (2007: 77) states, [Rhythm is] "the physical cues that inspire rhythmic patterns in the mind of the listener." The problem with rhythm is, as Stockmann (1984) observes: "Es gibt auf der physikalischen Ebene kein Korrelat zum musikalischen Rhythmus, das der Korrelation Frequenzverlauf -Tonhöhenverlauf vergleichbar wäre." 1 This applies to a macroscopic level, like the beat detection problem of Sethares (2007: 77): "The beat is not in the signal; it is in your mind", as well as to a microscopic level. It can thus be concluded that rhythm is evoked by physical cues but nonetheless is a phenomenon of human cognition which cannot be directly measured nor computed. Certain features of rhythm are automatically retrievable and great progress has been made to automatically transcribe rhythmic patterns. However automatic transcription remains an uncertain endeavour and it is still impossible to detect each and every note event with absolute certainty. Admittedly this challenge is no hindrance for the reliable extraction of musical features on lower levels of description.
The topic of physical and perceptional differences in the duration of sounds is discussed in detail by Zwicker and Fastl (1999). During their experiments they come to the conclusion that "one cannot expect subjective duration and objective duration to be equal for durations shorter than 100 ms" (ZWICKER/FASTL 1999: 266) and discover even more difficult relations between objective and subjective durations of tone bursts and pauses. This indicates that it is not easy to automatically extract rhythms in musical audio signals since the rhythms do not correlate directly to the objective durations of note events. The discoveries concerning human audio perception will help in developing future software algorithms that can detect exact rhythms reliably. An inspiring work in this direction is done by Sethares (2007) which is restricted to a very basic level of human perception of rhythm: the beat. The different ways and algorithms to detect the beat in a song discussed by Sethares (2007) always include one method which is perceptually motivated. One example is the use of a virtual model of the human ear to analyze an audio file. This approach is promising since it describes a way to deal with the problem stated by Stockmann (1984) and others that rhythm is not part of the signal but instead the signal evokes the sensation of rhythm in the mind of the listener.
The rhythm extraction approach of IDMT and the annotations Völkel et al. (2010) propose a method for classifying audio files into nine Latin American music genres. The classification is done via detection of typical rhythm patterns. Therefore a set of reference patterns is transcribed into a kind of MIDI file (a machine readable form of notation) which makes it possible to resynthesize these patterns. The classification of a music file is then only a process of similarity measurement with the reference patterns (synthetic and original audio file).
The classification of an unknown audio signal is done in four major steps: 1) spectral separation of percussive and tonal sounds, 2 2) rhythm analysis, 3) similarity measurement with approved classified reference rhythms and 4) classification. As the classification is based on a similarity measurement it is important to have a huge pool of approved reference patterns. These patterns are annotated by musicologists. This is a responsible task and it is crucial to provide professionally approved data.
For the similarity measurement, i.e. to compare the similarity of the rhythms either the original sound files or a synthesized transcription can be used. The software's rhythm analysis has to be done with both the unknown sound file and the reference patterns. Excerpts from each of the segments are then compared to the reference patterns. Before the comparison the log-lag autocorrelation (a method to transform a signal into a time-independent representation) is performed with the reference and query. This ensures that the patterns can be compared irrespective of their specific tempo.
Annotations are done with software called ‚Annotation Tool'. The annotation consists of the ‚segmentation' of musical samples and a rhythmic ‚transcription' (the MIDI files) of their patterns. Each segment of the music is assigned with a pattern name, which is linked to its transcription in the ‚Rhythm Pattern Editor'.
With the Rhythm Pattern Editor, one sole interface was used by every annotator. The Editor remembers both visually and conceptually the UBS -Time Units Box System (KOETTING 1970); there is a box for each stroke, hence, for each time-unit. However, instead of using specific symbols for different playing techniques -as in TUBS -, each horizontal line of boxes represents one sole playing technique, requiring one sole symbol that represents every stroke.
The annotators chose the most adequate grouping and metrical structures (JACK-ENDOFF/LERDAHL 1983), for their samples, with a number of time-units, cycles and beats. 3 The information about the beats is important for defining the tempo of rhythm patterns, since the tempo can also be determinant of musical styles (Gouyon et al. 2004). The Rhythm Pattern Editor enabled the representation of diverse metric structures and conceptions from complex Balkan rhythms (5/8, 7/8, 9/8) to Indian talas (10/4) and polyrhythmic African and Latin-American samples.
For the designed system, it would be best if each musical genre had ‚standard rhythms'. The most efficient would be to have around 80 annotations of each genre with two or three rhythmical patterns at the most. But due to the complexity of music, some genres needed at least one pattern per music sample. Another challenge lay in the misleading idea that percussion instruments play fixed rhythm pattern, even when playing together. However, each musician may vary within a repertoire of patterns, which will be combined with the patterns of the other instruments. Even if there is a single drummer playing a drum set, each part may be divided in different patterns. Hence, rhythm patterns should be considered independently of another in their multiple possible combinations.
Since every annotator worked on different music genres, and initially a variety of methods needed to be tested to optimize the annotation process, each assistant had a different approach to annotate their rhythms. Some were very precise, segmenting only the time-spans where the pattern was being played literally corresponding to its re-synthesis -e. g. in the Turkish genres or Bolero. Others could not be quite as precise, seeing as their samples contained much variation. Techno and Reggaeton music samples were especially challenging due to their constant introduction of new beats. For the software is not able to differentiate and then ignore sounds unimportant for the rhythmic gestalt, these genres would need to be segmented every 10 seconds, which would be assigned with different rhythm pattern, in order to take the additional beat in consideration. Ultimately, the computer has to learn the rhythmic gestalt of a music genre, ignoring its variations and truly focusing on its periodicities. This was specially the case of Indian and Korean traditional genres, since both are based in metric patterns and therefore in much improvisation.
That the percussive rhythms can mostly not carry the rhythmic specificities of a music genre was an evidence since the beginning of the project. Annotations of Balkans music genres worked as a paradigm for this limited conception of rhythm.
Cocek, Kolo and Oro genres proved that their markedly syncopated rhythms become metric unit; in Western music it is the same as one bar. A beat is not a pulse, but rather a downbeat; however, the concept of downbeat do not apply to every music culture, for some cultures do not perceive their music as having a metrical hierarchy with stronger and lighter beats (KUBIK 2010). totally mischaracterized by excluding the brass instruments, which are played very percussively. Genres like Reggae and Funk were not considered in the project for this reason. Although their rhythm patterns are very characteristic, they are strongly emphasized by pitched instruments like guitars and brass.
The limits of timbre differentiation are also significant for distinguishing, for instance, Beat patterns from Techno and 80s Pop patterns. Although their patterns are sometimes very similar, with continuous sixteenth-notes on the hi-hat and symmetrical strokes alternating between a bass-drum and a snare, the sound quality of these instruments may be very different. According to the Pop-expert and drummer responsible for the 80s Pop annotations in the project, Stefan Wittich, each decade in the history of pop music was based in specific mastering techniques, so that the sole spectrum analysis of the drum-set is per se a genre determinant. The automatic identification of the subtle frequency differences of each Pop era would be a decisive improvement for MIR.
From the beginning the musicologists were aware of the need of taking microrhythmic phenomena into consideration for the pattern synthetization. Whilst trying to develop a tool for integrating micro-rhythmic deviations into the synthetic patterns, we had examples in which the deviation was so large, that it seemed impossible to ‚pretend' their isochronicity on the Rhythm Pattern Editor. For instance, in the Beatles' song ‚You like me too much', although the song's metrical structure is binary, Ringo Starr strikes the hi-hat often as if it was ternary. To solve this, the annotator had to assign some sections of the song with a binary pattern and others with a ternary one.
In order to distinguish the hundreds of rhythm patterns collected in the project, some efforts must be made to include more aspects of the human perception of musical phenomena into the research. This concerns especially the role that different timbres, tonal instruments and systematic microrrhythmic deviations play in defining specific rhythmic patterns. Besides, rhythmic patterns should be considered independently of another, in their multiple possible combinations.
Field recordings with source separation, being developed in the project, may bring new solutions. The computer would learn to identify the musical sources alone, being able to distinguish their subtle frequency differences and at the same automatically permute the source combinations. Besides, by working with real musical samples the microrrhythmic phenomena are already implicit. In this way, an interface for the transcription of rhythmic patterns would no longer be needed: the software would learn like a human being to recognize individual patterns and the whole complexity behind ‚standard rhythms' that characterize music genres.
The use of the annotations produced for the Global Music Database should not be limited to the improvement of automatic genre classification. They are products of expert knowledge on the world's musics, which should become available for music students and fans. The project plans to develop a digital cartography of the world's rhythm patterns, presenting their notated, synthetic and real music versions. This would broaden the perception and understanding of the world's rhythms contributing hence for intercultural appreciation.
iPod Nano als Teilnahmeanreiz verlost. Der Fragebogen 2005/06 bestand aus 67 Fragen. Der Fragebogen 2009 griff den ursprünglichen Fragebogen auf. Einige Fragen wurden leicht modifiziert. Es wurde aber hierbei darauf geachtet, dass die Vergleichbarkeit nicht verloren geht. Zusätzliche Fragen wurden in den zweiten Fragebogen eingebaut, um einerseits a posteriori erkannte Lücken zu füllen, und um Erkenntnisse aus der ersten Umfrage zu vertiefen. Der Umfrage des zweiten Fragebogens war mit 115 Fragen erheblich größer als der der ersten Umfrage. Ein entscheidender Unterschied zwischen beiden Umfragen ist die Behandlung von kommerziellen Downloadanbietern. Zum Zeitpunkt der ersten Umfrage war der einzige nennenswerte Anbieter der iTunes Music Store. Deshalb wurde dieser explizit bei den Fragen zu den Downloaddiensten abgefragt. 2009 hat sich die Marktlage geändert und es existieren weitere Anbieter. Deshalb wurde 2009 nicht mehr explizit nach iTunes, sondern nach "kommerziellen Musikdownloadanbietern" gefragt. Die Variable iTunes bzw. IT bezieht sich also je nach Umfragedatum auf den iTunes Music Store oder auf alle kommerziellen Anbieter. In den beschreibenden Texten wurde im Gegensatz zu den Tabellen darauf geachtet, diese Unterscheidung stets deutlich herauszustellen.
Die befragten Personen der ersten Umfrage waren im arithmetischen Mittel 28 Jahre alt. Der Jüngste war 11 Jahre alt, der Älteste 79. Die 10% und 90%-Quantile liegen bei 18 bzw. 45 Jahren, die Quartile bei 21 bzw. 32 Jahren. Die Teilnehmer der Folgeumfrage waren dagegen ein wenig älter. Im arithmetischen Mittel waren sie 33 Jahre alt, der Jüngste wiederum 11 Jahre und der Älteste 69 Jahre. Die 10% und 90%-Quantile liegen bei 21 bzw. 47 Jahren, die Quartile bei 25 bzw. 39 Jahren. Die größte Differenz ist in der Gruppe der 16 bis 20-Jährigen Befragten zu verzeichnen. Diese Gruppe war in der ersten Umfrage die Zweitgrößte, an der späteren Umfrage haben aber nur wenige dieser Altersgruppe teilgenommen.
Das Bildungsniveau der Umfrageteilnehmer ist sehr hoch, 72% der Befragten haben in der ersten Umfrage zumindest die Hochschulreife erlangt. In der Umfrage aus dem Jahr 2009 trifft dies sogar auf 90% der Teilnehmer zu. Der stärkste Anstieg ist in der Gruppe mit einem Universitätsdiplom oder vergleichbaren Abschluss zu verzeichnen. Dies kann auf die hohe Anzahl an Teilnehmern, die über das Businessnetzwerk XING rekrutiert wurden, zurückzuführen sein.
11% bzw. 13% der Befragten arbeiten in der Musikbranche. Zusätzlich wurden die Aussagen der berufstätigen Umfrageteilnehmer getrennt ausgewertet. Hier haben 2005/06 14,5% und 2009 9,4% angegeben in einem Musikberuf zu arbeiten. Diese Quote ist im Vergleich mit allen Berufstätigen in Deutschland sehr hoch und spricht für ein überdurchschnittliches Musikinteresse der befragten Personen. 2 Daher könnten die in dieser Studie angegebenen Musiknachfragen höher sein als in der Grundgesamtheit der Bevölkerung. Die Internetnutzung der Umfrageteilnehmer war überdurchschnittlich hoch, was ein Vergleich mit Statistiken zur bundesdeutschen Grundgesamtheit, beispielsweise mit der "Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften" verdeutlicht. Nach den Daten von Allbus haben 2004 lediglich 18% der Deutschen das Internet täglich für private Zwecke genutzt (Allbus 2004). 2006 waren dies 17% (Allbus 2006) und 200827% (Allbus 2008. Die Nachfrage nach Onlinemusik ist hoch: 71% der Umfrageteilnehmer nutzen mindestens einmal pro Woche das Internet, um Musik zu hören. Allerdings laden die meisten Nachfrager die Musik nicht auf den eigenen Rechner, lediglich 31% nutzen hierfür wöchentlich das Internet, sondern streamen die Musik direkt aus dem Netz. VCs erfreuen sich ebenfalls einer hohen Beliebtheit, mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer trägt mindestens einmal pro Woche aktiv etwas zu solchen Netzwerken bei.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass vor allem junge Leute an der Umfrage teilgenommen haben, welche sich zu großem Teilen noch in Ausbildung befinden. Die Befragten haben ein hohes Bildungsniveau sowie eine starke Internetaffinität. Viele der Berufstätigen sind im Musikumfeld tätig. Die Ergebnisse der durchgeführten Umfrage gelten in erster Linie für diese Gruppe. Eine Übertragung auf andere Bevölkerungsgruppen ist leider nicht möglich. Aufgrund der steigenden Internetakzeptanz und -nutzung kann aber davon ausgegangen werden, dass der relative Anteil der hier betrachteten Zielgruppe in der Gesamtbevölkerung ständig steigt.
Fast alle Befragten wissen, was eine MP3-Datei ist und es hörten bereits 2005/06 83% der Umfrageteilnehmer Musik im MP3-Format. 2009 hörten 90% der Umfrageteilnehmer Musik im MP3-Format. Die befragten Personen sind also die Zielgruppe dieser Forschungsarbeit, nämlich Nutzer von Onlinemusik.
Das Volumen der nichtkommerziellen Downloads ist laut Aussage der Umfrageteilnehmer 2005/06 im Mittel in etwa zehn mal so hoch, wie die Anzahl aus dem Internet geladener kommerzieller Lieder. Interessanterweise liefert die Umfrage 2009 ein hiervon stark abweichendes Ergebnis. In der gesamten Stichprobe 2009 existieren einige Personen, die in überdurchschnittlichem Maße Musik aus illegalen Quellen laden und so die Umfrage dermaßen verzerrt wird, dass der Eindruck entsteht, dass illegale Musikdownloads den Markt nachwievor dominieren. Werden Personen, deren Downloadvolumen aber über dem 95%-Quantil der gesamten Nachfrage liegt, von der Untersuchung ausgeschlossen, so ist die Nachfrage nach kommerziellen, sowie nach ist natürlich kein relevanter Vergleich zur gesamten Musikbranche, verdeutlicht aber das überproportionale berufliche Interessengebiet der Umfrageteilnehmer.
nichtkommerziellen, aber legalen Downloads höher als die nach illegalen Downloads. Es kann an dieser Stelle also tatsächlich eine Marktentwicklung beobachtet werden. Sechs Jahre nach dem Start des ersten kommerziellen Musikdownloadangebotes hat laut den Ergebnissen dieser Umfragen mit Ausnahme einiger extremer Downloader das kommerzielle Geschäft ein höheres Volumen als die illegale Onlinedistribution.
Nutzer legaler und illegaler Downloadquellen stellen größtenteils disjunkte Personenkreise dar. 2005/06 haben 58% und 2009 sogar 64% der Personen, die aus mindestens einer der genannten Quellen Musik beziehen, nur legale Musik heruntergeladen. 2005/06 haben 15%, 2009 21% angegeben, nur illegale Musik herunterzuladen. Lediglich 27% bzw. 15% der Nutzer mindestens einer dieser Quellen benutzen sowohl legale als auch illegale Musikdienste. 3 Die Korrelation zwischen legalen Musikdownloads und der Nutzung von kommerziellen Musikdiensten ist mit 0,31 (Umfrage 2005/06) und 0,43 (Umfrage 2009) signifikant positiv. Diejenige zwischen der Nutzung von P2P-Netzwerken und der Anzahl illegaler Musikdownloads ist 2005/06 mit 0,32 und 2009 mit 0,37 ebenfalls signifikant positiv. Dagegen können zwischen den legalen Downloads und der Nutzungsfrequenz von P2P-Netzwerken, bzw. zwischen der Anzahl illegaler Musikdownloads und der Nutzungshäufigkeit von kommerziellen Musikdiensten keine signifikanten Korrelationen nachgewiesen werden. Es existieren auch keine nachweisbaren Substitutionseffekte zwischen legaler oder illegaler Onlinemusik und den Kauf von CDs.
In der zweiten Umfrage wurde der zunehmenden Popularität von Musik-und Videostreamingangeboten wie z.B. Youtube Rechnung getragen. So wurde neben dem Downloadverhalten auch das Streamverhalten der Konsumenten befragt. Lieder, welche kostenfrei als Stream zur Verfügung stehen, werden im Gegensatz zu kostenpflichtigen sowie illegalen Streams von den befragten Konsumenten in ausgesprochen hohem Maße genutzt. Die Summe der Mittelwerte der Nachfragen nach Streams aller Arten übersteigt dabei die Summe der Nachfragen nach Musikdownloads aller Arten um das 2,5fache. 4 Diese Korrelation beträgt -0,125 5 in beiden Umfragen. Da die Teilnehmer der zweiten Umfrage im Durchschnitt älter waren, geht auch die Hörzeit zurück. Andererseits kann dies auch einfach nur an der erhöhten Freizeitkonkurrenz liegen. Immer mehr Freizeitangebote sind für den Konsumenten wahrnehmbar, ohne dass die verfügbare Freizeit zunimmt. Daher reduziert sich die für Musik genutzte Zeit, was ebenfalls von Theatern und Konzertveranstaltern festgestellt wird. 6 Entwicklungen der Nutzungszeiten können in fast allen Onlinemusikdiensten beobachtet werden. P2P-Netzwerke sind 2009 nicht mehr so populär wie noch 2005/06. Dafür erfahren VCs und kostenpflichtige Musikdienste wie zB. ITunes oder Musicload 2009 ein stärkere Nachfrage als 2005/06. Bei den VCs gilt dies vor allem für den Bereich bis zu 10 Stunden pro Woche, während dies vor allem nur für den Bereich von bis zu zwei Stunden pro Woche bei den kostenpflichtigen Diensten gilt. Die Nutzungsverteilung von Internetradio ist dagegen nahezu konstant geblieben.
Sechs unabhängige Variable sind Entscheidungsfaktoren der Nachfrager und können zu einem in Abbildung 1 dargestellten Modell zusammengefasst werden, welches die Nachfrage nach Musikdiensten im Internet analysiert.
Die unabhängigen Variablen sind die Kosten eines Downloads, welche im Ausgangssystem mit den beiden Ausprägungen ‚99 Cent teure à la carte-Downloads' und ‚kostenlose Musikdownloads' modelliert werden, die Verfügbarkeit von Empfehlungssystemen und katalogisierter Musikdarstellung, von Hintergrund-und aktuellen Informationen, von Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Nutzern via Chats und Foren sowie der Repertoireumfang, welcher mit den Ausprägungsmöglichkeiten ‚Nur Lieder aus den aktuellen und vergangenen Charts' sowie ‚Umfassenderes Re-pertoire als nur die Charts' modelliert wird. 7 Dieses Modell ist die Grundlage für die folgenden empirischen Analysen.
Diese Entscheidungsvariablen der Nachfrager bei der Nutzung von Onlinemusikdiensten wurden in den Umfragen mittels fiktiver Distributionsservices abgefragt und sollen nun unter Anwendung einer Conjointanalyse bewertet werden. Diese Entscheidungsvariablen dienen in den Conjointanalyse als sogenannte Produktattribute und haben in der hier durchgeführten Modellierung jeweils zwei Ausprägungsmöglichkeiten. Diese werden in der Tabelle 1 zusammengefasst. Einige hieraus mögliche Produktkombinationen wurden in einem ‚reduzierten Design' der möglichen Produktkombinationen zu den zu bewertenden fiktiven Distributionsservices zusammengefasst. Nachdem die befragten Personen ihre individuellen Nutzungswahrscheinlichkeiten bei jedem dieser fiktiven Onlinemusikdienste genannt haben, werden diese zunächst für jeden Befragten isoliert ausgewertet. Die hierbei durchzuführende Berechnung der Teilnutzenwerte wird mittels Regressionsanalyse unter Heranziehung der Methode der kleinsten Quadrate realisiert. Die Bewertungen der Stimuli sind die abhängigen Variablen, die bewerteten Eigenschaften und Ausprägungen, also die Variablenausprägungskombinationen der Stimuli sind die unabhängigen Variablen. Diese werden binär kodiert, so dass Variablen mit der Ausprägung ‚1' der Tabelle 1 mit dem Wert ‚1' definiert werden und die Ausprägungen ‚2', welche den Konsumenten keine bzw. geringeren Nutzen stiften, da die Attribute nicht verfügbar sind bzw. in der weniger präferablen Ausprägung vorliegen, mit dem Wert ‚0' definiert werden. Die berechneten Regressionskoeffizienten entsprechen den individuellen Teilnutzenwerten. Die Teilnutzenwerte können genutzt werden, um beliebige mit den analysierten Variablen und Variablenausprägungen beschreibbare Produkte in ihrer Nutzungs-wahr- 7 Die Variablen werden ausführlich in VOLZ (2011) beschrieben. Fasst man kurz-und langfristige Informationen zu Musikkapital bildenden Variablen zusammen, so sind diese das drittwichtigste Auswahlkriterium. In der ersten Umfrage war die Verfügbarkeit von Empfehlungssystemen sowie die Verfügbarkeit beider Wissensarten ähnlich nutzenstiftend. In der späteren Umfrage stiften Empfehlungssysteme aber mehr Nutzen als die beiden wissenbildenden Variablen. Kommunikationsmöglichkeiten bringen Rezipienten dagegen nur relativ geringen Nutzen, vor allem die spätere Umfrage identifiziert diese als wenig nutzenstiftend. Im Vergleich der Wichtigkeiten kann aber erkannt werden, dass diese vier Variablen eine sehr ähnliche und geringe Wichtigkeit haben und somit eine Änderung dieser dieselbe, wenn auch kleine, Wirkung auf die Präferenzveränderung hat.
Die Steigerung der Konstanten zwischen den beiden Umfragen verdeutlicht, dass die Nachfrage nach Onlinemusikdiensten 2009 insgesamt höher ausfällt als 2005/06. Diese neuen Distributionsformen erfreuen sich also einer erhöhten Akzeptanz.
Die "rechnerischen Popularitäten" der hier betrachteten Onlinemusikdienste können nicht nur für jeden individuellen Umfrageteilnehmer, sondern anhand der Daten aus Tabelle 2 wie bereits mit Formel 1 dargestellt für alle Befragten aggregiert berechnet werden:
Um zu erkennen, wie gut das mittels Conjointanalyse geschätzte Modell die empirisch gemessene Nachfrage modelliert, wird abschließend die Korrelation zwischen der durch das Modell vorhergesagten Nutzungsdauer der Downloaddienste und deren empirisch gemessenen Nutzungsdauern berechnet. Hierfür werden die theoretisch ermittelten individuellen Nutzungspräferenzen (='rechnerische Präferenzen') eines jeden Befragten mit dessen Musikdienstzeit multipliziert, was exemplarisch an einem individuellen Befragten der ersten Umfrage gezeigt wird. Die Musikdienstzeit ist die Summe der Zeiten, die er für die vier beschriebenen Musikdienste aufwendet. 8 Hierbei wird, da die Korrelationen über alle Umfrageteilnehmer betrachtet werden, auf die relativen Wichtigkeiten und nicht auf die aggregierten Teilnutzenwerte zurückgegriffen. Der Hintergrund dessen ist, das die Teilnutzenwerte nur relative Aussagen für jeden einzelnen Umfrageteilnehmer sind und die Bedeutsamkeit einer Variablenausprägung für den Gesamtnutzenwert eines Stimulus oder eines beliebig aus den Variablen und Variablenausprägungen konstruierbaren Dienstes anzeigen (Backhaus u. a. 2003: 567). Einzig die Wichtigkeiten, die sich aus den Spannweiten der Teilnutzenwerte berechnen, geben den Einfluss einer Variablen auf die Präferenzveränderung an, sind vergleichbar skaliert und erlauben eine globale Betrachtung (o.V. 2002: 8f.).
Im ersten Schritt müssen die Relationen der potentiellen Nutzungen (‚rechnerische Präferenzen') der Onlinemusikdienste berechnet werden. Hierfür teilt man die mittels Conjointanalyse berechnete potentielle Nutzungsdauer (‚rechnerische Präferenzen') jedes Musikdienstes durch die Summe der potentiellen Nutzungsdauern aller Onlinemusikdienste. Im zweiten Schritt multipliziert man diese mit der Musikdienstzeit (MDZ), was der Dauer der Nutzung aller analysierten Musikdienste entspricht.
Multipliziert man diese relativen potentiellen Nutzungszeiten mit der wöchentlichen Musikdienstzeit des Befragten, so erhält man dessen theoretische bzw. rechnerische wöchentliche Nutzungszeit für jeden Onlinemusikdienst:
Die Korrelationen der mittels Modell berechneten theoretischen Nutzungszeiten der betrachteten Musikdienste mit den empirisch angemessenen Nutzungszeiten aller befragten Personen kann als Indikator für die Güte des Modells herangezogen werden. Tabelle Die Bestimmung der Clusteranzahl erfolgt in dieser Arbeit mit dem "Ellbogen-Prinzip" (BACKHAUS u. a. 2003: 522-524). Dieses Kriterium führte in der ersten Umfrage zu einer Sechs-Cluster-Lösung und bei dem 2005/06 erhobenen Datensatz zu einer Drei-Cluster-Lösung.
Table
Nachdem alle Umfrageteilnehmer einem Cluster zugeordnet wurden, werden die beiden bereits durchgeführten Conjointanalysen erneut durchgeführt, wobei jedes Cluster einzeln analysiert wird. Auf diese Weise sollen die Charakteristika der Cluster herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse der neuen Conjointanalysen sind in den Tabellen 5, 6 und 7 dargestellt. Diese Tabellen zeigen die aggregierten Teilnutzenwerte, die Wichtigkeiten, die F-und die t-Werte. 10 Es zeigt sich, dass in der Umfrage 2005/06 die erste und größte Gruppe dadurch charakterisiert werden kann, dass ihr die Verfügbarkeit von kostenlosen Musikdownloads überdurchschnittlich wichtig ist. Es handelt sich um eine Gruppe, die aber weniger Wert auf ein umfassendes Repertoire legt. 11 Diese Gruppe wird die "Kostengruppe" getauft. Die zweite Gruppe verhält sich genau umgekehrt. Hier werden Umfrageteilnehmer aggregiert, die ein unterdurchschnittliches Wichtigkeitsempfinden für die Verfügbarkeit von kostenlosen Downloads haben, aber stark überdurchschnittlichen Wert auf ein umfassendes Repertoire legen. Die mittleren Teilnutzenwerte der weiteren Variablen unterscheiden sich dagegen in deutlich geringerem Maße von der Grundgesamtheit. Diese Gruppe wird die ‚Repertoiregruppe' genannt.
Die beiden größten Gruppen beider Umfragen, also die Repertoire-und Kostengruppen, sollen anhand der weiteren in den beiden Umfragen gestellten Fragen charakterisiert werden. Hierfür werden die Mittelwerte der weiteren Antworten analysiert und mit denjenigen der Umfragegrundgesamtheit verglichen. Sowohl t-Werte als auch F-Werte werden herangezogen, um signifikante Unterschiede zu erkennen, und um Differenzen, die auf starke Streuungen zurückzuführen sind, herauszufiltern. Der Übersichtlichkeit halber werden hier die Ergebnisse nur verbal beschrieben, die umfangreichen Tabellen sind in Volz (2011) nachlesbar. Personen, die im Repertoirecluster gruppiert werden, haben in beiden Umfragen eine signifikant geringere Nachfrage nach Musik aus den Charts als die Grundgesamtheit. Sie geben auch an, eher nicht dieselbe Musik wie ‚viele Andere auch' zu hören. Sie geben für Musik mehr Geld aus und kaufen auch mehr Tonträger, obgleich dieses Segment kein höheres Einkommen hat. Künstlerwebsites werden genutzt, um einen kostengünstigen Zugang zur Musik zu nutzen, um ein umfangreiches Repertoire zu konsumieren, um einen Zugang zu Hintergrund-und aktuellen Informationen zu erlangen, sowie um einen Überblick über die Musikszene zu bekommen. Des weiteren nutzt dieses Segment kommerzielle Musikdienste, um einen preiswerten Zugang zu einen umfangreichen Repertoire zu erlangen. Diese Gruppenmitglieder haben in beiden Umfragen eine überdurchschnittlich hohe Risikobereitschaft beim Kauf von Musik angegeben. Gemäß der Umfrage 2009 diskutieren sie gerne Musik mit Freunden, sie hören aber nicht dieselbe Musik und vertrauen deren Empfehlungen bei der Suche nach neuer Musik auch nur unterdurchschnittlich. Radio und TV haben bei dieser Suche aber noch weniger Einfluss. Die Personen des Repertoireclusters hören gerne Musik, die sie zuvor nicht kannten und haben beim Musikhören einen leicht überdurchschnittlichen Wunsch, mehr über die gehörte Musik zu erfahren.
Die Kostengruppe zeichnet sich in beiden Umfragen durch eine überdurchschnittliche Nachfrage nach Musikern aus den aktuellen und vergangenen Top Auf der anderen Seite sind es aber gerade die Musikfestivals, die sich in dem sich immer stärker entwickelnden allgemeinen Erlebniswettbewerb zu anderen Freizeitangeboten bewähren müssen. Darüber hinaus müssen sich Kulturinstitutionen im Allgemeinen, und daraus folgend auch Musikfestivals im Speziellen, zunehmend mit der Notwendigkeit effizienten Wirtschaftens und mit Marketing beschäftigen. Die Fragestellung liegt daher nahe, wie Musikfestivals unter den stark veränderten finanziellen, wettbewerbstechnischen und kommunikativen Bedingungen, unter denen sie agieren, die Existenz ihrer Organisation erhalten? (BEKMEIER-FEUERHAHN/ TROMMERSHAUSEN 2006: 214) Willnauer (2006 scheint mit seiner Festivalbeschreibung eine einfache Lösung gefunden zu haben:
Ihr Event-Charakter, ihre zeitlich-räumliche Herausgehobenheit, ihre Vermarktungsstrategien ‚sensationeller' Künstler oder Kunstleistungen, nicht zuletzt ihr medialer Stellenwert machen sie zur Kunstbetriebsform der Gegenwart und Zukunft.
Die Antwort auf die im Titel gestellte Frage ‚Zukunftsperspektive Festival?"‚scheint also bereits gefunden ja noch mehr -diese Perspektive scheint glänzend zu sein. Doch so einfach dürfen es sich hier weder Leser noch Autor machen -ansonsten müsste dieses ‚Patentrezept' schließlich jeder sich in Schwierigkeiten befindlichen Kulturin-stitution verschrieben werden. Die von Willnauer beschriebenen Potentiale mögen grundsätzlich existieren, doch müssen sie in der jeweiligen spezifischen Konstellation erst einmal entdeckt, gehoben und dann beherrscht werden.
Die Organisationseinheit Festival ist unabhängig von ihrer Größe meist ein komplexes Konstrukt mit vielen verschiedenen Aufgaben-und Verantwortungsbereichen. Die Organisation steht wiederum in ständiger Interaktion mit verschiedenen Interessens-und Anspruchsgruppen (vgl. Abb. 1). Um den Wandel und die vielen kleinen Veränderungen aufzuzeigen, soll im Folgenden auf die Herausforderungen und aktuellen Entwicklungen mit drei Interaktionsgruppen eingegangen werden, die aufgrund ihrer hohen Bedeutung maßgeblichen Anteil an Erfolg und Misserfolg eines Musikfestivals haben.
Auch wenn der Erfolg eines Musikfestivals sehr unterschiedlich definiert werden kann, so ist doch anzunehmen, dass neben künstlerischen Ansprüchen und einer soliden finanziellen Grundausstattung eine möglichst hohe Auslastungsquote entscheidenden Charakter hat. Wenn das Publikum ausbleibt wird es schwer, andere Zielkriterien zu erfüllen. Aus diesem Grund gilt dieser Interaktionsgruppe mit die höchste Aufmerksamkeit.
Als eine der größten Herausforderungen schlechthin gilt es für ein Musikfestival, sich in dem zunehmenden Wettbewerb um die Freizeit seiner Kunden zu behaupten. Doch es ist nicht nur die sogenannte Freizeitkonkurrenz, welche die Festivalmacher zunehmend vor Probleme stellt. Auch in allen anderen bekannten Konkurrenzverhältnissen wie der Kern-, Sparten-oder auch der Kulturkonkurrenz (KLEIN 2005: 198ff.) muss sich ein Musikfestival beweisen.
In Großstädten und Ballungsgebieten bestehen für den potentiellen Gast eines Musikfestivals inzwischen ungezählte Alternativangebote. Rechnet man ‚Zeitfresser' wie den täglichen TV-Konsum 3 und vor allen Dingen die rasant ansteigende durchschnittliche Zeit, welche im Internet verbracht wird dazu, 4 so wird es nicht nur für Musikfestivals, sondern für jeden Anbieter einer kulturellen Veranstaltung zu einer Herausforderung, den Gast von seinem Angebot zu überzeugen.
Aufgrund dieses klassischen Käufermarktes (Angebot > Nachfrage) (WÖHE 2002: 463f.) kommt den Marketinginstrumenten eine erhöhte Bedeutung zu. Erstes Mittel dabei ist nicht nur die Qualität des Angebots, sondern vor allem der intensive Einsatz von Kommunikationsmaßnahmen wie Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit. Eine Möglichkeit, sich der großen Spartenkonkurrenz 5 zu erwehren, ist die Spezialisierung. Musikfestivals wie bspw. die Ludwigsburger Schloßfestspiele haben sich daher bewusst ein schärferes Profil gegeben, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können. 6 Andere Musikfestivals wie z.B. die Donaueschinger Musiktage spezialisierten sich von Gründung an und konnten so teilweise in Nischenmärkten eine starke Marktdominanz aufbauen.
Ein klares Profil erleichtert die Bildung einer starken Marke, welche sowohl bei Kunden, als auch bei Sponsoren und letztlich auch bei eingeladenen Musikern positive Effekte nach sich ziehen kann. Dieser nachhaltig positive Effekt bei Sponsoren wurde von Andreas Eckel am Beispiel der erfolgreichen Sponsorenakquise des Schleswig-Holstein Musik Festivals bereits nachgewiesen (ECKEL 2009: 129ff.). Der Markenbildungsprozess im Kulturbereich, inzwischen Dank Höhne und Ziegler auch als "Kulturbranding" bekannt, 7 genießt daher gerade aufgrund der verstärkten Wettbewerbssituation eine herausragende Stellung für Musikfestivals. Für Hausmann ist die Herausbildung einer starken Marke schlicht die einzige Antwort auf die Frage, wie Musikfestivals mit den sich ändernden Rahmenbedingungen Schritt halten können (HAUSMANN 2006: 47ff.).
Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen dem immer breiter werdenden Freizeitangebot und einer weiteren Herausforderung, mit der sich einige Musikfestivals auseinandersetzen müssen: Es ist eine Tendenz zum kurzfristigeren Kauf der Konzertkarten erkennbar. Nach wie vor ist die Kaufentscheidung zwar von vielen Faktoren abhängig. So spielt das Produkt naturgemäß eine große Rolle, doch sind auch demographische Faktoren oder persönliche Vorlieben und Verhaltensweisen des Käufers ausschlaggebend. Vor allem jüngere Käuferschichten tendieren zum grundsätzlich spontaneren und kurzfristigeren Kauf, wie Keuchel (2007) feststellt: "junge Leute kaufen ihre Tickets spontaner und deshalb später" (zit. n. Klahn 2007).
Dieses veränderte Verhalten einer Teilmenge der Kunden bringt nicht nur eine zeitliche Verschiebung des Kaufprozesses mit sich, sondern erhöht auch das Risiko für die Veranstalter. Die aktuelle Wettersituation wird so bei einem Open-Air Konzert zum Kaufentscheidungsfaktor Nummer eins. Ein Faktor, der zwar absolut nicht mehr im Bereich des Beeinflussbaren des Veranstalters liegt und sich dennoch in den Auslastungsprognosen widerspiegeln muss. Als weiteren Effekt werden sich möglicherweise die Veranstalter daran gewöhnen müssen, dass der Break-Even Point einer Veranstaltung zukünftig deutlich später erreicht werden wird -mit allen Konsequenzen im gesamtwirtschaftlichen Bereich für das Unternehmen.
Diese veränderten Rahmenbedingungen haben u.a. auch für die Marketingmaßnahmen des Veranstalters große Auswirkungen. 8 Häufig werden die Kommunikationsschwerpunkte auf den Start des Kartenvorverkaufs gelenkt. Nun gilt es, zusätzlich verstärkt Konzerte kurzfristig zu bewerben, um die noch Unentschlossenen und die grundsätzlich zum Späkauf tendierenden Zielgruppen zu erreichen. Entweder leidet unter diesen zusätzlichen Anstrengungen die Balance der bislang zeitlich und finanziell austarierten Kommunikationsschwerpunkte, oder es müssen sowohl Marketingplan als auch das entsprechende Budget verändert bzw. erhöht werden.
Dass freizeitkulturelle Angebote aller Art erlebenswerte Elemente enthalten müssen, wenn sie sich auf dem Markt multipler Optionen unserer Gegenwartsgesellschaft überhaupt behaupten wollen, ist spätestens seit Gerhard Schulzes Deklaration der Erlebnisgesellschaft 1993 keine neue Erkenntnis (HITZLER 2011: 17). Dass dieser Drang nach dem Außergewöhnlichem, der Zwang zum Event nun auch klassische Musikveranstaltungen und insbesondere die Musikfestivals erreicht hat, konnte man in dieser Deutlichkeit erst in den letzten Jahren feststellen. Für Musikfestivals scheint es daher um ein Vielfaches einfacher, Großveranstaltungen mit außergewöhnlichen Programmbestandteilen wie bspw. einem Feuerwerk mit musikalischer Begleitung oder einem Open-Air Konzert mit Picknickgelegenheit zu veranstalten, als ein breites musikalisches Angebot für alle Publikumsschichten anzubieten. Diese Entwicklung gibt insofern zu denken, als dass dadurch ein hochwertiges künstlerisches Angebot erschwert wird. Bei langfristiger Betrachtungsweise werden speziell privatwirtschaftlich agierende Veranstalter Schwierigkeiten haben, sich dem Wunsch des Publikums nach außerordentlichen Events zu entziehen und ein rein künstlerisch hochwertiges Programm anzubieten. Da dieses Qualitätskriterium jedoch als höchst subjektiv anzusehen ist, geht es weniger um die Wahrung des ‚hohen Gutes', als vielmehr um die musikalische Vielfalt in der Festivallandschaft. Die Frage, ob sich die durch öffentliche Gelder unterstützten Kulturinstitutionen der beschriebenen Eventisierung bewusst verwehren und stattdessen die weniger frequentierte ‚hohe Kunst' veranstalten sollten, entzieht sich dem Thema dieser Ausarbeitung, wird aber sicherlich in den nächsten Jahren mit größerer Intensität diskutiert werden.
Eine weitere Veränderung der besucherspezifischen Rahmenbedingungen stellt die Musikfestivals vor neue Herausforderungen, obwohl diese zugleich große Chancen für die Generierung neuer Kunden bedeutet. Die Mobilität der Kunden ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Durch die enorme Erhöhung der Automobilität 9 sind die Grenzen des öffentlichen Nahverkehrs nicht mehr gleichzusetzen mit den Grenzen des Einzugsgebiets eines Musikfestivals. Der ungebrochene Trend zu Städte-und Kulturreisen (BAUMBACH 2007: 109) kann außerdem speziell an den Wochenenden einen Zustrom von Besuchern aus dem nationalen Raum und teils auch internationalen Raum bescheren. Die Chance dieser Entwicklung liegt in der potenzierten Zahl möglicher Neukunden, die Herausforderung in der Anpassung der Marketing-und Kommunikationsmaßnahmen. Um diese Maßnahmen in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen durchzuführen, wird das Wissen über die eigenen und potentiellen Kunden zur Unabdingbarkeit. War das Know-How über die soziodemographischen Merkmale der eigenen Kunden und des potentiellen Kundenkreises bis vor wenigen Jahren noch ein Wettbewerbsvorteil, ist dieses inzwischen zum Kapital einer jeden Kulturinstitution geworden.
Eben jenes Wissen über die eigenen Kunden spielt eine große Rolle, möchte man auf die veränderten Serviceanforderungen eingehen. Spätestens seitdem der Online-Kartenkauf inklusive Platzauswahl bspw. bei Kinos zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wird dieser Wunsch häufig auch an Musikfestivals gestellt. Damit verbundene Investitionsentscheidungen wie diese sind leichter zu fällen, wenn adäquate und aktuelle Informationen über die Verhaltensweisen des eigenen Publikums vorliegen. Auch die seit dem Einzug von Smartphones in den Alltag häufig angefragten Festival-Apps 10 stellen die Organisatoren vor eine ähnliche Grundsatzentscheidung: Soll investiert werden, um einen möglicherweise relativ geringen Anteil der Kunden damit anzusprechen oder einfach nur um "up to date" zu sein? Eine Festival-App kann das Image der Institution unter Umständen nachhaltiger beeinflussen, als dies auf den ersten Blick den Anschein hat -allerdings sowohl positiv als bei mangelhafter Umsetzung auch durchaus negativ. Anhand dieser beiden beispielhaft genannten neuen Serviceanforderungen wird deutlich, dass bei der Beantwortung dieser Fragen nicht nur wirtschaftliche Komponenten, sondern auch langfristig strategische Unternehmensinteressen Einfluss auf die Entscheidungen nehmen.
Das Thema ‚Social Media' 11 ist ebenfalls als eine grundlegende und strategische Entscheidung eines Unternehmens anzusehen. Schließlich spielt dabei nicht nur das völlig veränderte Kommunikationsverhalten der Kunden eine Rolle, die selbstständig Inhalte weitervermitteln, kommentieren oder eigene Beiträge erstellen, sondern auch Grundsätze des eigenen Unternehmens. Wie möchte man bspw. mit Kritik umgehen? Wer darf im Unternehmen auf Social Media Kanälen kommunizieren und wie frei darf dabei agiert werden -oder möchte die Führungsebene jeden Beitrag selbst freigeben? Bei der Beantwortung dieser zu Grunde liegenden Fragen ist noch nicht geklärt, welche Instrumente aus der Vielzahl der Social-Media-Instrumente überhaupt genutzt werden sollen: Facebook, Twitter, Google+, Youtube... Die Entwicklung in den nächsten Jahren alleine in diesem eher technischen Bereich lässt sich nur schwer prognostizieren. Sicher ist nur, dass sich die Verhältnisse weiter verändern werden. Schon jetzt muss ein Musikfestival damit rechnen, dass ein verärgerter Besucher, der bspw. von seinem Sitzplatz eine schlechte Sicht auf den Künstler hat, seinen Unmut noch während des Konzertes via Twitter oder Facebook kommuniziert. Die Konsequenzen und daraus folgenden Herausforderungen für die Veranstalter sind äußerst vielfältig.
In einem Markt, der aufgrund der vielen verschiedenen Herausforderungen für die Veranstalter nicht einfacher wird, sind die Künstler ein bedeutendes Marktelement. Ihre Leistung ist mit entscheidend, ob ein Konzertpublikum zufrieden nach Hause geht und möglicherweise bei nächster Gelegenheit erneut eine Eintrittskarte erwerben wird. Die künstlerische Darbietung kann darüber hinaus bpsw. über die Besprechung in der Tagespresse Einfluss auf das Image des Festivals haben. Auch der Sponsor wird sich in der Bewertung seines Engagements möglicherweise durch die Qualität der künstlerischen Darbietung leiten lassen. Doch der Künstler beeinflusst bereits vor dem Konzert dessen Rahmenbedingungen teils ganz entscheidend mit. Zunächst ist der ‚Name' des Künstlers, sei dieser durch hohe künstlerische Qualität in der Vergangenheit ‚erspielt' oder durch Marketingmaßnahmen beeinflusst, bei der Kaufentscheidung von großer Bedeutung. Auch die Gage des Künstlers kann darüber hinaus entscheidenden Einfluss auf den Preis der Eintrittskarte und die Auspreisung des Sponsorships einer Konzertveranstaltung haben. Der Künstler trägt somit sowohl direkt als auch indirekt zum wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg einer Konzertveranstaltung, und in letzter Konsequenz auch zur wirtschaftlichen Entwicklung des Veranstalters, bei. Betrachtet man das Verhältnis zwischen Künstler und Kulturinstitution analog zu dem eines Arbeitnehmers und eines Arbeitgebers, könnte in wirtschaftlich angespannten Zeiten ein freiwilliger Verzicht auf Lohnerhöhung mit dem Ziel der Sicherung des Arbeitsplatzes, so wie in anderen Branchen üblich, in Betracht gezogen werden. Doch ein Blick auf das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Musikers in Deutschland, welches derzeit von der Künstlersozialkasse mit 11.781 Euro angegeben wird (KÜNSTLERSOZIALKASSE 2012), reicht aus, um die realistische Bewegungsfreiheit der Künstler in Ihren Gagenforderungen einschätzen zu können. Anders stellt sich die Situation bei den Stars der klassischen Musik dar. Künstler wie Anna Netrepko, Lang Lang, Rolando Villazón, Anne-Sophie Mutter oder Cecilia Bartoli. "Bei den Klassik-Superstars reden wir heute von Gagen zwischen 40.000 und 100.000 Euro für einen Auftritt" (LAUDENBACH 2011: 128f.), so der CEO des größten Klassik-Veranstalters in Europa, der DEAG (Deutsche Entertainment AG), Peter Schwenkow. Doch auch diese Dimensionen scheinen schon wieder durchbrochen. So munkelt man in der Branche, Anna Netrebko soll im Jahr 2011 für drei Auftritte zusammen mit ihrem Lebensgefährten Erwin Schrott und dem Tenor Jonas Kaufmann 1,5 Millionen Euro erhalten haben (MÖSCH/THIEMANN 2011: 1). Eine für die Klassikbranche surreale Zahl, die -selbst wenn sie nie bestätigt wurde -auf eine Tendenz hinweist: Die Schere zwischen den gut vermarktbaren Superstars und dem durchschnittlich verdienenden Musiker wird immer größer. Ein Engagement eines Stars der Klassik-Branche ist daher in der Regel für die meisten Musikfestivals nur noch über Sponsoren oder Umverteilung der Subventionen möglich. Doch nicht nur die Gagen einzelner Superstars steigen, dies scheint auch immer mehr die Ansprüche der Künstler bzw. deren Agenturen zu betreffen. Auch hierzu äußert sich Peter Schwenkow: "Die Opernsänger haben kleine Hotelzimmer und fahren mit dem Taxi. Bei uns gibt es große Hotelzimmer mit einem Flügel drin, Limousinenservice,…" (LAUDENBACH 2011: 128) Viele Festivals reagieren auf die gestiegenen Anforderungen, in dem sie bspw. in zusätzlichen Service und zusätzliches Personal investieren. So verfügen einige Festivals ab einer bestimmten Größenordnung inzwischen über Künstlerbetreuer, 12 deren Bezeichnung gleichzeitig vortrefflich ihren Arbeitsauftrag schildert. Dazu gehört meist nicht nur die Durchführung der Transfers von Flughafen zum Hotel und zur Spielstätte, sondern häufig auch ‚Sonderleistungen' wie die kurzfristige Erfüllung von speziellen Cateringwünschen oder auch einmal die schnelle Reinigung der Konzertkleidung. Der Veranstalter hat verständlicherweise höchstes Interesse daran, dass sich nicht nur die Superstars, sondern alle eingeladenen Künstler wohl fühlen. Nicht zuletzt aufgrund des möglichen Einflusses auf die künstlerische Leistung, doch sicherlich werden die Verhandlungen über zukünftige Engagements des Künstlers leichter zu führen sein, wenn sich dieser gut betreut fühlt und gerne wieder kommen würde.
Eine parallel verlaufende Entwicklung zeigt auf, dass vor allem im Bereich der klassischen Musik einige wenige Agenturen über eine teils überproportionale Marktmacht verfügen. Die bereits erwähnte DEAG erlangte bspw. mit den unter Vertrag stehenden namhaften Künstlern wie Anna Netrebko, Lang Lang oder Jonas Kaufmann eine unumstrittene Marktführerschaft im Bereich der bereits erwähnten Superstars. Dass sich das börsennotierte Unternehmen dadurch die Möglichkeit einer entsprechenden Preispolitik, mit allen entsprechenden Konsequenzen für eine ganze Branche, erarbeitet hat, versteht sich von selbst.
Sollte sich diese Tendenz zu den wenigen, dafür umso stärkeren Marktmächten weiter verstärken, verliert der Markt seine Fähigkeit zur Selbstregulierung -wie Künstler, Veranstalter und Kulturrezipienten darauf reagieren werden, bleibt abzuwarten.
Defizitäre öffentliche Haushalte führen in Deutschland zu stagnierenden oder sinkenden öffentlichen Zuschüssen für kulturelle Institutionen wie Theater, Opern-und Festspielhäuser, Museen, Volkshochschulen und auch Festivals. Viele Musikfestivals in Deutschland werden zwar mit öffentlichen Geldern gefördert, müssen aber auch zusätzlich Gelder über Drittmittel akquirieren. 13 Ausnahmeerscheinungen, wie bspw. das Rheingau Musik Festival, finanzieren sich ausschließlich privatwirtschaftlich.
In jedem Fall gilt es für das Festival Argumente zu liefern, um die Entscheider zu überzeugen -seien es Kulturdezernenten und Bürgermeister in öffentlichen Einrichtungen oder Marketingbeauftragte und Vorstände in privatwirtschaftlichen Unternehmen. Denkbar ist auch der Fall, dass auf Arbeitsebene durchaus Einigkeit über die beabsichtigten Fördermaßnahmen erreicht wurde, die Entscheider aber erst noch überzeugt werden müssen. Die Verantwortlichen im Festival haben daher in jedem Fall höchstes Interesse, entsprechendes Argumentationsmaterial zu liefern.
Ein überzeugendes, wenn auch aufgrund des Aufwandes selten genutztes Hilfsmittel ist eine Wirtschaftlichkeitsanalyse. Mit dem Beethovenfest Bonn stellte im Jahr 2010 eine bekannte Kulturinstitution eine selbst in Auftrag gegebene Analyse vor. In dieser wurde u.a. nachgewiesen, dass in Bonn den geflossenen Zuschüssen aus öffentlicher Hand direkte Rückflüsse im Faktor von beinahe 2:1 gegenüber stehen. 14 In diesem Fall darf man den Festivalmachern und Initiatoren dieser Studie sicherlich gratulieren, denn bessere Argumente werden in ständig anhaltenden Diskussionen um Mittelkürzungenwohl kaum zu finden sein. Doch der Wettbewerb, der vor allem bei den öffentlich geförderten Festivals durch die vorgenommenen bzw. anstehenden Kürzungen öffentlicher Zuschüsse entsteht, sorgt nicht nur für Legitimationsdruck, er kann auch Konsequenzen im ganzen Festivalbetrieb mit sich bringen. Effektive und effiziente Handlungsnormen mögen in der Wirtschaft selbstverständlich sein, in der Kultur sind sie dies noch nicht (WAGNER 2010: 35). Die Frage, ab welchem Punkt wirtschaftliche, effektive Prozesse das künstlerische Kernprodukt negativ beeinflussen, soll nicht Teil dieser Ausarbeitung sein, kann aber durchaus durch diese Entwicklungen in den Fokus geraten.
Der durch Mittelverknappung entstehende Handlungsdruck kann aber auch auf anderen Wegen das künstlerische Produkt beeinflussen. So kann in dieser Situation gerade für die Programmpolitik eines Musikfestivals schnell die Versuchung entstehen, unabhängig vom eigenen künstlerischen Anspruch oder einem über die Jahre hinweg gepflegtem Stil, das Programm zugunsten von gut vermarktbaren und entsprechend populären Künstlern und Veranstaltungen zu verändern. 15 Vor allem in wirtschaftlich angespannten Zeiten, werden nach Erfahrungen des Autors die Hoffnungen häufig auf das ‚Allerheilmittel' Sponsoring gelegt. Immer wieder ist dabei zu beobachten, dass zu wenig Informationen über das Instrument Sponsoring vorliegen, so dass nach erfolgter Aufklärung die Erwartungshaltung in vielen Fällen relativiert werden muss. Entscheidet man sich bewusst für diesen Weg, so ist aus Sicht des Autors eine Orientierung an einigen wenigen Grundsätzen hilfreich, um erfolgreich in diesem Feld zu agieren. In jedem Fall muss Sponsoren und Förderern immer mit höchster Professionalität begegnet werden. Dies bedeutet konkret, dass zunächst die Führungsebene des Hauses mit in die Ansprache und Betreuung integriert sein sollte. Eine klare Struktur mit festen Ansprechpartnern innerhalb der Institution und vor allem ein klarer Leistungskatalog sollten ebenso selbstverständlich sein. Es muss für einen Interessenten auf den ersten Blick erkennbar sein, welche Gegenleistung für welche Leistung aufgerufen wird. Schließlich ist Sponsoring ein klassisches Geschäft (WAGNER 2010: 15), über dessen Leistungsinhalte auf beiden Seiten absolute Klarheit bestehen sollte. Um die Professionalität auch bei der Erfüllung der vereinbarten Gegenleistungen zu gewährten, sind Investitionen in Zeit und damit einhergehend in Personal unumgänglich. Ein reibungsloser Ablauf der vertraglich fixierten werblichen Gegenleistungen sollte selbstverständlich sein, eine persönliche Expertise in der Wahl des richtigen Caterers ist gerade im Bezug auf den Aufbau einer Beziehung zwischen Sponsor und Gesponsertem sicherlich zuträglich. Auf diesen Aspekt zielen ebenso weitere Service-Angebote über die eigentliche Kernleistung hinaus, wie bspw. das Angebot einer exklusiven Konzerteinführung für die eingeladenen Gäste des Sponsors. Kurzum: die Akquisition und Betreuung eines Sponsors ist mit einem hohen Aufwand verbunden und sollte daher keinesfalls unterschätzt werden.
Das Thema ‚Sponsoring im Musikfestival' kann aufgrund seiner inhaltlichen Tiefe in dieser Ausarbeitung nicht angemessen dargestellt werden. Zusammenfassend soll daher im Folgenden auf die Frage eingegangen werden, was ein Festival so attraktiv für Sponsoren macht? Interessanterweise bietet gerade ein Magazin für Kommunikation, der ‚Pressesprecher', eine äußerst passende Antwort: "Die Abweichung von der Norm, die Anwesenheit von Prominenz und Medien, Inspiration und Kontakte für Entscheider, das Zusammenführen unterschiedlicher Zielgruppen" (MINZ 2011: 43) und das Ausnutzen einer hochinteressanten Zeit für die eigene Profilbildung. Diese beispielhaft angeführten und individuell unterschiedlich vorliegenden Aspekte können ein Unternehmen für ein Engagement für ein Festival begeistern. Aus der Sicht des Marketings ist zudem das sogenannte ‚Story Telling' -die einzigartige Geschichte hinter jedem Festival und jedem der beteiligten Künstler -von entscheidender Bedeutung (MINZ 2011: 43). Das Management eines Musikfestival ist dahingehend gefordert, diese Potenziale zu lokalisieren, zu heben, ggf. weiter zu entwickeln, zu kommunizieren und wirksam für sich einzusetzen. Schließlich handelt es sich dabei um sogenannte USPs, 16 also einzigartige Verkaufsargumente.
Abschließend sei auf eine Problematik verwiesen, die Musikfestivals die Suche nach Sponsoren bereits erschwert, mittel-und langfristig allerdings noch fatalere Auswirkungen haben könnte. Die Stichworte ‚Hospitality' und ‚Compliance' stehen stellvertretend für eine zwar in den Medien immer häufiger erwähnte kritische Konstellation, die dennoch weit entfernt von einer Lösung zu sein scheint. "Als Hospitality wird die Einladung und Bewirtung von Kunden und Repräsentanten zu (Kultur-) Veranstaltungen bezeichnet." (KULTURKREIS 2011: 1) In den vergangenen Jahren häufen sich die Gerichtsverfahren, so dass die Unsicherheit gewachsen ist, wie sowohl der Einladende als auch der Eingeladene mit Angeboten dieser Art umzugehen hat (JAHN 2011). Ob diese Einladung für ein sportliches oder kulturelles Ereignis ausgesprochen wird, spielt dabei keine Rolle. Die entscheidende Frage ist, ob das Fussballticket oder die Konzertkarte noch als Kontaktpflege gilt oder bereits als Bestechung bewertet wird (FUCHS 2011). Unternehmen schützen ihre eigenen Mitarbeiter und damit letztlich sich selbst, in dem sie ihre internen Richtlinien, ihre sogenannte Compliance, 17 auf diese neue Situation anpassen. In einer solchen Compliance wird folglich bspw. die Annahme einer Einladung grundsätzlich, oder nur bei Überschreiten eines festgelegten finanziellen Volumens, untersagt. Dies alles führt dazu, dass viele Eingeladenen die Einladungen ausschlagen -weil ihnen die Rechtslage zu unsicher ist (FUCHS 2011; AMANN 2011) oder weil die Annahme der Einladung durch die Compliance ihres Unternehmens nicht abgedeckt ist.
Durch unternehmerische Kulturförderung können Zielgruppen angesprochen werden, die sich durch überdurchschnittliche Bildung und überdurchschnittliches Einkommen auszeichnen (TROSCHKE 2005: 56;WITT 2000: 94f.;BRUHN 2003: 163) und daher für einige Unternehmen eine wichtige Kundengruppe bilden. Auch die für Unternehmen so wichtigen Multiplikatoren und ‚Entscheider' sind über Kultursponsoring besser erreichbar, als über andere Sponsoring-Arten (WAGNER 2010: 26). Wenn nun die Eingeladenen nicht mehr auf den geförderten Veranstaltungen erscheinen (dürfen), sinkt für einige Unternehmen der Anreiz, sich kulturell zu engagieren -was nicht automatisch mit einer Beendigung der unternehmerischen Kulturförderung gleichzusetzen ist, da für diese häufig ein komplexer Motivationscluster ursächlich ist (WAGNER 2010: 33). Die Kulturinstitutionen und gerade die Musikfestivals, welche aufgrund der bereits beschriebenen Charakteristika geradezu prädestiniert für Hospitality-Maßnahmen sind, stehen am Ende einer langen Wirkungskette. Um langfristige und irreparable Schäden in der deutschen Musikfestivallandschaft zu verhindern, bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Problematik der Situation erkennt und zeitnah eingreift. 18 17 Compliance umschreibt die Summe der organisatorischen Maßnahmen eines Unternehmens, mit denen gewährleistet werden soll, dass sich die Geschäftsleitung wie auch die Mitarbeiter des Unternehmens rechtmäßig verhalten (VETTER 2008: 1). 18 Um die gegen die Rechtsunsicherheit anzugehen und weitere Rückzüge von Sponsoren zu verhindern, wurde u.a. von der Sponsoren-Vereinigung großer Deutscher Unternehmen (S 20) ein Leitfaden erstellt. Außerdem fand am 01.12.2011 eine Anhörung im Deutschen Bundestag mit Vertretern aus der Sport-und Kulturbranche statt. Die Problematik besteht dennoch weiterhin im gleichen Maße und scheint sich in der Praxis eher noch zu verstärken.
Das Networking resultiert aus dem aktiven Polylog des Künstlers mit Entscheidern, Veranstaltern, Agenturen, Publikum, Medien, kurz, mit allen mittelbar oder unmittelbar, real oder potenziell am Zustandekommen und der Rezeption eines Kunstwerkes beteiligten Personen. Networking heißt das permanente Flechten und Pflegen von Kontakten, der Austausch von Informationen und Meinungen nicht nur über die Art und Weise des eigenen Stiles und Euvres. Ich erlebe, dass die durchaus subjektiv gefärbte Meinung des Komponisten bei der ästhetischen Diskussion über Kunstwerke und -strömungen ausdrücklich gefragt ist, vielmehr jedoch die aktive Einmischung im gesellschaftlichen Diskurs um politische, religiöse, philosophische und soziale Themen, die unser Leben und das unserer Mitmenschen markant bestimmen.
Beim Networking in unserer Zeit führt kein Weg um Werbetechniken, neue Medien, soziale Netzwerke herum. Das Wichtigste ist und bleibt jedoch das persönliche Gespräch. Vis-a-vis-Gespräche gehen vor Telefongespräche, und das Telefongespräch geht vor der email.
So richten nach meiner Erfahrung z. B. bei der Werbung um jugendliche Darsteller und potenzielles Publikum mit Migrationshintergrund in türkischen Kulturvereinen eMails, selbst Anrufe gar nichts aus. Jedoch kam ich beispielsweise nach einem persönlichen Besuch bei Tee und Gebäck im türkisch-alevitischen Verein in Hagen, bei dem ich zusammen mit Theaterpädagogen des Stadttheaters meine Oper Gegen die Wand vorstellte, sogar in den Genuss eines Hauskonzertes mit ausgezeichneten jungen Saz-Virtuosen, hatte so mein Wunsch-Publikum erreicht und nebenher eine Menge dazugelernt.
Die Betreuung der eigenen Kompositionen in der Praxis stellt einen besonders effektiven Sonderfall des Networking dar (Der Komponist darf diese Arbeiten ruhig als Service betrachten, in dem Sinne, wie eine Softwarefirma ihre hochkomplexe Software pflegt und mit einer gut ausgestatteten Hotline versieht).
Das Live-Erlebnis der engagierten und kritischen Persönlichkeit des Komponisten im Zusammenhang mit seiner Idee und seiner Arbeit, bei Proben, Konzerten, theaterpädagogischen Projekten, bei der Produktionsbesprechung oder Geschäftsanbahnung ist durch keine PR-Agentur, durch keine noch so schöne Tonaufnahme und durch kein elektronisches Medium zu toppen.
Natürlich müssen beim Networking klug die eigenen künstlerischen Interessen mit den Bedürfnissen der Zielpersonen verwoben werden. Der Künstler ist hier nicht nur Kreator, sondern auch Dienstleister. Insofern können Ergebnisse, die sich aus reinem Networking ergeben, nicht vollständig, sondern nur tendenziell als selbstbestimmt angesehen werden.
Wettbewerbe sind ein wichtiges Werkzeug bei der Sichtbarmachung von Leistungen vor allem junger und unbekannter Komponisten. Da zur Bewertung von Kompositionen seit der 2. Hälfte des 20. Jh. objektive, konkret anfassbare Maßstäbe in Tonsatz oder Form, wie sie in der europäisch tradierten Musik zwischen Mittelalter und Spätromantik noch schulbildend vorhanden waren, verschwanden, ja sogar -ich erinnere beispielhaft an Stockhausens Klavierstück XI -bewusst gemieden wurden, wird jedoch der Wettbewerbserfolg von zeitgenössischen Kompositionen immer sehr stark von den individuellen ästhetischen Vorlieben der Jurymitglieder, mithin von der Zusammensetzung der Jury abhängen. Dies impliziert leider auch, dass dem Wettbewerbssystem per se eine gewisse Innovationsfeindlichkeit nicht abgesprochen werden kann, da es aus diesem Grunde zumindest von der Tendenz her zur Stilkopie drängt. Wer den Schwerpunkt seiner Arbeit am Marktzugang auf Wettbewerbe stützt, sollte sich folglich genau informieren, wie die jeweilige Jury zusammengesetzt ist. Die Teilnahme an Wettbewerben muss daher als tendenziell fremdbestimmt bezeichnet werden.
Stipendien sollen die finanzielle Unabhängigkeit von Künstlern während einer Arbeitsphase gewährleisten und sind somit für viele Künstler und Kunstwerke von essenzieller Bedeutung. Häufig werden sie in Folge von Wettbewerben vergeben, oftmals aber auch, wenn die bisherige Lebensleistung eines Künstlers und seine künstlerischen Intentionen in Bezug auf eine Werkidee einen künstlerischen Erfolg des Stipendiums erhoffen lässt. Mit der Vergabe von Stipendien verhält es sich folglich, in Bezug auf die Subjektivität von Entscheidern und Jurys, im Grunde ähnlich wie mit Wettbewerben. Hier kommen allerdings noch vielerlei außermusikalische Faktoren dazu, wie Stiftungszwecke, politische Intentionen, Intentionen der Wirtschaftswerbung und des Sponsorings.
Auch hier findet sich folglich eine tendenzielle Fremdbestimmung des Künstlers, wenngleich ihr Anteil für eine erfolgreiche Bewerbung um ein Stipendium sicher nicht so hoch anzusetzen ist wie beim Wettbewerb.
Die nachhaltigste, kreativste und selbstbestimmteste Art des Umgangs mit dem Markt ist nach meiner Erfahrung die Entwicklung eines sehr individuellen künstlerischen Eigenthemas, einer eigenständigen künstlerischen Idee, in Verbindung mit einer ständigen gründlichen Marktanalyse.
Das Ziel ernstzunehmend professionellen Arbeitens als Komponist sollte Nachhaltigkeit sein, sowohl, was die künstlerische Arbeit, als auch, was den Markt, d.h. die Publikumsbindung angeht. Daher möchte ich auf den Punkt ‚Eigenthema und Marktanalyse' auch noch etwas genauer eingehen.
2.1. Eigenthema finden ‚Eigenthema finden' bedeutet für mich zweierlei:
1. das Finden einer individuellen, wiedererkennbaren Klangsprache und 2. das Besetzen von relevanten und diskursiven Themen in Kultur und Gesellschaft.
Ein Eigenthema muss den Künstler selbst treiben und begeistern. Es muss gesellschaftlich relevant sein. Es muss eine große Zahl von Menschen bewegen und betreffen. Es muss eindeutig auf den Autor verweisen: Die Klangsprache, Kern des künstlerischen Teils des Eigenthemas eines Komponisten, durchaus verbunden mit einem Fach der individuellen Vorliebe wie etwa Musiktheater, Hörspiel, Filmmusik, Bläsersinfonik sollte im besten Fall so klar, unverwechselbar und wiedererkennbar sein, dass der Hörer aus dem Klangbild heraushört: ‚Dies ist Komponist A, und die ist Komponistin B. Ich, der Hörer, bin gespannt, was sie uns heute erzählen werden.' So weiß man von Lachemann, dass er der wohl ausgewiesenste Spezialist für Klangfarbenerzeugung auf konventionellen Musikinstrumenten ist. Phil Glass erkennt man an seiner Transformation und Repetition Vivaldischer Dreiklangsbrüche, Schnittke an seiner expressiven Polystilistik und John Cage an dem ausgewiesenen Event-, Improvisations-und Happeningcharakter seiner Werke. Man mag diese Stile mögen oder nicht; sie sind allein aufgrund ihrer Klarheit und Wiedererkennbarkeit in der Lage, Publikum nachhaltig zu binden (und können aus ebendiesen Gründen z.B. von Veranstaltern gut in Konzertprogramme o.a. eingebunden werden).
Ich finde -im Gegensatz zu manchem adornistisch Getriebenen des deutschen Kulturbetriebs vor Allem des letzten Jahrhunderts -überhaupt nichts Anrüchiges daran, als Komponist meinen Markt zu analysieren. Selbstkritik und Selbstreflexion sind gute Begleiter des unprätentiös Suchenden. Insofern stehen dem Komponisten beispielsweise solche Fragen gut an:
-Welche Struktur hat mein Zielpublikum in Hinblick auf Alter, Bildung, Freizeitverhalten, Familienstrukturen, religiösen Ausrichtungen etc.? -Von welchen ästhetischen Standards geht es aus, welche Hör-und Sehgewohnheiten sind ihm vertraut? -Wozu könnte es meine Kunst so benötigen, dass es bereit ist, Freizeit und Geld zu investieren, um meine Musik zu hören?
aber auch:
-Inwiefern ist meine Semantik fähig, meine künstlerische Botschaft kraftvoll, kontrastreich und vielfarbig an mein Zielpublikum zu übermitteln? -Was bewirkt sie im Publikum? Wie antwortet mein Publikum?
Und schließlich:
-Welche Prozesse möchte ich in meinem Zielpublikum auslösen, was möchte ich wie und womit wohin bewegen? Welche Botschaft habe ich an mein Publikum?
Kritisch und selbstkritisch die eigenen Spezialbegabungen und Vorlieben als Komponist zu erkennen und anzuerkennen -seien sie musiktheatralischer, kirchenmusikalischer, kammermusikalischer oder elektroakustischer Natur, rhythmisch, melodisch oder klangfarblich, seien sie in der Filmmusik angesiedelt, im Hörspiel oder in der Fähigkeit zu gewitztem Arrangement -sodann die Bedürfnisse des Marktes zu analysieren (‚den Markt scannen') und die selbsterkannten Spezialbegabungen gezielt an diesen Markt anzudocken, dies ist nach meiner Überzeugung der Königsweg zum nachhaltig offenen Markt. Ein Marktsegment entwickeln heißt für den Komponisten also:
-Eigenthema finden -‚Markt scannen' -Eigenthema und Marktbedürfnisse vergleichen und das Eigenthema an den Markt ‚andocken' -Marktsegment pflegen und erweitern
Musik, dient sie nicht allein dem ästhetischen Selbstzweck, ist eine nonverbale Sprache, deren Zeichen und Codes der Kommunikation dienen. In der Sprache wie in der Musik haben wir Monologe (eine Richtung, ein aktiv Beteiligter), Dialoge (zwei Richtungen, zwei aktiv Beteiligte), und Polyloge (viele Richtungen, viele aktiv Beteiligte). Wir Künstler haben zu entscheiden, ob unsere Kunst im Elfenbeinturm für sich stehen soll oder den Anspruch erfüllen soll, andere Menschen zu erreichen. Haben wir entschieden, dass unsere Musik nachhaltig Menschen erreichen soll -was in der Kulturgeschichte durchaus nicht immer gewollt war -sollten wir darauf achten, dass unsere Codes vom Publikum empfangen und zumindest soweit decodiert werden können, dass sich die Phantasie des Publikums daran entzünden kann. Die einfachste Form dieses Vorganges, das Illustrieren, verbirgt sich in vielen Programm-und schlichten Filmmusiken. Lustvollere, anspruchsvollere Erlebnisse des phantasievollen Hörens werden sich sicher in komplexeren und abstrakteren Strukturen wiederfinden. Ständige Selbstkontrolle und Reflexion führen dann zu dem Imperativ des Kommunizierenden: Raus aus dem Elfenbeinturm! 3. Nicht-Nachhaltigkeit
Nicht-nachhaltige Marktstrategien sind durchaus -als temporäre Ausweichungen von der Berufslaufbahn des Komponisten -oft von Nutzen, vor allem für das Erlernen fremder oder neuer Kompositionstechniken, Produktionsabläufe und Marktstrukturen.
Im geschützten akademischen Raum werden von Kompositionsstudenten häufig Kopien und Varianten von klangfarblich determinierten Stilen der Darmstädter Schule aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erwartet. Dies führt häufig zu erstaunlicher Virtuosität und prägt vielfach auch das Marktverhalten von Berufsstartern nach dem Studium: Die Teilnahme an Wettbewerben, von denen sie sich Marktzugang erhoffen. Überspitzt könnte man sagen: Die Stilkopie des avantgarden Mainstreams ist gut für den Wettbewerb. Ich kenne einige befreundete Kollegen, die sich mit der Teilnahme an Wettbewerben eine regelrechte Kette von Stipendien erwarben, indem sie die von der Jurymehrheit jeweils zu erwartenden Stile kunstvoll kopierten. Andere Kollegen der ‚Ernsten Muse' haben nach dem Studium im geschützten akademischen Raum den Mut verloren, nach einer eigenen Klangsprache in neuen Wegen zu suchen, und finden sich bei ihrem Suchen nach Schönheit oder Gebrauchsfähigkeit ihrer Musik, und auf der Suche nach Publikum im Kopieren barocker, klassizistischer, romantischer, ja selbst dodekaphonischer Stile wieder.
So komponierte Thomas Leininger im Rahmen der Händelfestspiele 2012 für das Badische Staatstheater Karlsruhe eine ganze Kinderoper Dino und die Arche im gewollt "barocken", eigentlich eher frühklassischen Stil, mit klassischer Melodik, Harmonik und Instrumentierung, mit Nummern, Arien und Rezitativen. Die Frage sei allerdings erlaubt, ob man die alten Stile nicht bei den Alten lassen sollte, die sie zur Meisterschaft gebracht haben. Und ob man dem barocken Ausdruck, wolle man seiner mit Uraufführungen gedenken, heute nicht näher kommen würde, wenn man seine Kerngedanken abstrahieren und mit heutigen Geschichten und Stilen reflektieren würde: Musik, Leben und Tod des Freddy Mercury beispielsweise halte ich im 20. / 21. Jh. als Gesamtkunstwerk für viel barocker als jeden Kopieversuch der großen Alten.
Das ‚Covern' populärer kommerzieller Musik ist gut für das schnelle Geschäft, hat schon so manchem Musiker Lohn und Brot und viele praktische Erkenntnisse gebracht. Insofern sollte es auch nicht unterschätzt werden, wenngleich es eine Art von künstlerischer ‚Trittbrettfahrt' darstellt und eigene Kreativität auf einen Dienstleistungsmodus zurückgeschraubt wird. Es birgt allerdings die Gefahr in sich, dass Karrieren geknickt werden können, sobald die Mode nachlässt. Ich erinnere an den Boom des Salonorchesters in den Jahren um den Anfang des 21. Jahrhunderts.
Crossover-Projekte wie die von Nigel Kennedy, der Neuen Philharmonie Frankfurt oder David Garrett ziehen und binden eine Menge Publikum wie in der kommerziellen Musik. Sie haben den Vorteil, dass sie nicht nur kommerzielle, sondern auch nichtkommerzielle Werke (meistens europäisch tradierte ‚Ernste Musik') einem Publikum nahebringen können, das diese Werke in vielen Fällen noch nicht kennt und möglicherweise anders auch nicht kennen lernen würde. Insofern ist Crossover gut für die Kommunikation zwischen Künstlern und Publikum. Dass es von Nachhaltigkeit sei, unter Bachs Air mit seinem subtilen Streichorchester-"Groove" ein drumset zu legen, wie es Garrett macht, wage ich allerdings zu bezweifeln. Bei ihm würde ich mir echte, authentische Eigenkompositionen wünschen, die möglicherweise im Zusammenklang mit Garrets Popularität als Virtuose über ihn hinaus Bestand haben könnten, ähnlich wie bei Paganini, in dessen Nachfolge er sich ja sieht.
und das Bedürfnis nach mehr Musik aus der Feder des Komponisten.
Ob Beethoven, Bartók oder zahllose zeitgenössische Kollegen und Kolleginnen: Das Einkommen eines Komponisten auf dem freien Markt ist multipel und querfinanziert. Die meisten Kollegen und Kolleginnen werden sich der klassischen Dreiteilung ‚Konzerte, Komposition, Unterrichten' stellen und mit viel Fantasie und Zähigkeit versuchen, den Anteil der Säule "Komposition" stetig zu steigern. Der Komponist braucht einen langen Atem und muss sich darauf gefasst machen, dass der Anteil seines Einkommens aus Werkverträgen und Tantiemen über die Jahre nur sehr langsam steigt. Die Wenigsten unter uns können auf einen Mäzen hoffen, der ihnen die Mühen des Brotberufes erspart.
Sponsoring bedeutet Dienstleistung von Seiten des Komponisten; er stellt seine Popularität oder die Popularität eines von ihm gestalteten Events einer Firma zur Verfügung, die dieses dann als Projektionsfläche für Werbung benutzt. Das heißt allerdings, dass der Komponist bzw. das Event ihr Zielpublikum schon erreichen oder vermutlich erreichen werden, sonst würde sich Sponsoring für die Firma nicht lohnen. Die Themen kompositorischer Arbeit sollten sich vor Allem an der Spezialbegabung und den Vorlieben des Komponisten orientieren, die sich im Laufe seiner Karriere herausbilden und auch seine Auftragslage bestimmen werden. Im hier dargestellten Diagramm kann man deutlich die Annäherung meiner Themen hin zur Oper sehen: Im Anfang vor allem Kammermusik, später traten Orchesterund Bühnenmusik (Schauspiel, Tanztheater) hinzu, ab 2005/06 die Oper, die schließlich zum fast ausschließlichen Thema meiner Arbeit wurde. Von Anfang an hat sie bei mir allerdings eine bestimmende Rolle gespielt: Im ‚Labor Kammermusik' testete ich in einer eigens geschaffenen Form, der ‚Instrumentalen Kurzoper', die Nachzeichnung psychosozialer Prozesse durch Rhythmische Melodik anhand von Libretti, die ich aus Romanen und Novellen zog. Statt der Sänger waren Instrumente da. Der Komponist sollte von Anfang an bereit sein, seine Ideen in Vorleistung zu formulieren. Diese Bereitschaft verschafft ihm die nötige innere Freiheit, sein Eigenthema und sein künstlerisches Profil zu finden und im Experiment zu schärfen. Schnell finden sich schon im Studium fähige junge Virtuosen, die an der Arbeit des Komponisten Interesse finden und deren Werke als willkommene frische Bereicherung ihres Repertoires mit auf Reisen nehmen möchten, wenn sie erkennen, dass diese Werke eine eigenwillige, originelle und vitale Klangsprache haben, die im Aristotelischen Sinne ‚edel unterhalten' können. Vor Allem spüren gute Musiker sehr schnell und instinktiv, ob sich hinter einem Werk eine zukunftsgerichtete, das Einzelwerk überragende Idee positioniert. Insofern sollte der Komponist Vertrauen haben, dass sich Vorleistungen (die der Komponist ja vor allem sich selber bzw. seiner Kreativität zugesteht) letztlich sehr wohl auszahlen. Wenn Kompositionsaufträge oder Wettbewerbsbedingungen am Anfang einer Komposition stehen, liegt natürlich von vornherein eine gewisse Last auf dem Werk, die durch Rahmenbedingungen, welche nicht der Komponist gesetzt hat, diktiert wurde und zum spielerischen Experimentieren wenig Freiraum lassen. Aus diesem Grund sollten nicht primär der Auftrag, sondern die eigene Phantasie und der eigene Ausdruckswillen am Anfang aller Komposition stehen. Aufträge, die genau die dadurch entwickelte, ausdrucksstarke und originelle Klangsprache des Komponisten wollen (und nicht eine Replik der Klangsprachen anderer Komponisten), werden sich später umso nachhaltiger einstellen, je mehr der Komponist sich am Anfang die Freiheit zum Experiment gegönnt hat.
Die wichtigsten Meilensteine meiner Berufslaufbahn waren Vorleistungen, die nach meiner Überzeugung einfach erbracht werden mussten. Dazu gehören meine abendfüllende erste Oper Paul und Paula oder die Legende vom Glück ohne Ende (nach Plenzdorf, UA Theater Nordhausen 2004) sowie meine bisher erfolgreichste Oper Gegen die Wand (nach dem gleichnamigen Film von Fatih Akin, UA Theater Bremen 2008, Europäischer Toleranzpreis 2009, Deutscher Theaterpreis DER FAUST 2011 für die Stuttgarter Inszenierung durch Neco Celik). Hier waren allerdings die Themen, gekoppelt mit einer eigenwilligen Art rhythmisch-melodischer Komposition, so brisant, dass die späteren Uraufführungshäuser durch eigene Recherche auf meine Arbeit aufmerksam wurden und sich die Uraufführung dieser Werke weit vor dem Abschluss der Partituren sicherten. Auch meine Motette Veni Creator Spiritus (für Soli, Chor, Orgel und Orchester, UA Kreuzchor Dresden, Sinfonietta Dresden, Solisten der Staatsoper Dresden, Dresdner Musikfestspiele 1995), deren außerordentlicher Erfolg -am Anfang meiner Karriere stehend -mir die Entscheidung zum Leben als professioneller Komponist überhaupt erst abnötigte, war eine Vorleistung; ursprünglich hatte ich sie für den wunderschönen Erfurter Dom gedacht, der zu dieser Zeit aber nicht über einen Domchor mit der entsprechenden Leistungsfähigkeit verfüg-te. Durch Weiterempfehlungen sachkundiger Leute, denen ich die Motette vorstellte, kam sie von Erfurt an den Thomanerchor Leipzig und von dort -da dieser Chor damals ausschließlich Bach-Werke interpretierte -an den Kreuzchor Dresden.
Ein Verlag ist ein kommerzielles und daher auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Unternehmen. Aus Sicht des Komponisten sollte er vor allem danach beurteilt werden, wie viel er real für den Vertrieb und die Verwertung der Werke eines Komponisten tut bzw. tun kann. Die wichtigsten Aufgaben eines modernen Verlages sind aus meiner Sicht heute:
Im guten Fall knüpft der Verlag ein möglichst weltweites Netzwerk im Sinne des Komponisten, kennt Strukturen, Funktionen und Leitungspersonal von Veranstaltungsorten und bietet etwa bei Musiktheaterwerken in Beratungsgesprächen selbstständig und erfolgsorientiert die zu den speziellen, thematischen, regionalen und funktionellen Bedürfnissen des jeweiligen Opernhauses ‚passenden' Werke des Komponisten aus seinem Portefeuille an. Im schlechtesten Fall passiert in dieser Hinsicht gar nichts; der Verlag ‚sitzt' aber trotzdem auf den durch den Verlagsvertrag fixierten Rechten (‚Knebelvertrag'), so dass der Komponist nicht einmal die Möglichkeit hat, über sein eigenes Notenmaterial zu verfügen und es z.B. kostenfrei an Musiker weiterzugeben. Die Inverlagnahme von Werken schließt also nicht automatisch die Förderung eines Komponisten ein. Bei schlechten Verlagen kann ein Komponist sogar regelrecht ausgebremst werden. Viele Kollegen verzichten aus diesem Grund auf eine Inverlagnahme und bieten ihr Notenmaterial frei über das Internet und/oder über ihr eigenes Netzwerk an.
Eine der für mich wichtigsten Aufgaben eines Verlages ist die juristische Beratung bei der Gestaltung von Verträgen mit Auftraggebern bzw. die Erstellung ‚wasserdichter' Verträge mit ihnen. Durch die Einschaltung der Rechtsabteilung meines Verlages konnte ich schon mehrmals kritische und kostspielige Situationen bei der Einhaltung von Verpflichtungen meines jeweiligen Auftraggebers entschärfen, bevor es zu
Zeitschrift für Kulturmanagement, 2019
Samples. Online-Publikationen des Arbeitskreis Studium Populärer Musik, 2007
Bibliotheksdienst
Wertschöpfung in der Musikwirtschaft, 2013
Bulletin GVS/CH-EM, 2020
Journal of Rafsanjan University of Medical Sciences, 2013
CURSO DE VERANO UNED: El suicidio en la Antigüedad Clásica, 2024
Revista Electrónica Educare , 2024
18º Encontro Nacional de Pesquisadores em Jornalismo , 2020
Desain Interior, 2017
Modulo Arquitectura Cuc, 2014
Visibilité et présence de l’image dans l’espace ecclésial. Byzance et Moyen Âge occidental, ed. Sulamith Brodbeck and Anne-Orange Poilpré, Byzantina Sorbonensia 30, 63-91, 2019
Zenodo (CERN European Organization for Nuclear Research), 2022
Нова лінгвістична парадигма: напрями і перспективи. Колективна монографія. За ред. Н. В. Кондратенко. Вінниця : ТВОРИ, 2024
Pregnant Women In Prison, 2019
Geological Magazine, 2013
Revista Espacios, 2016
Journal of Fluid Mechanics, 2006
Archives of Iranian Medicine, 2021
MOTRICIDADES: Revista da Sociedade de Pesquisa Qualitativa em Motricidade Humana, 2021
Journal of Minerals and Materials Characterization and Engineering, 2019
Current Psychiatry Reports, 2018