Marieluise Deißmann-Merten (1935-2011)
Abb. Marieluise Deißmann-Merten am 20. Mai 2008
Fast jeder Lateinschüler, der mit Caesars Gallischem Krieg „malträtiert“ wird, benutzt noch
heute mehr oder weniger heimlich die Übersetzung von Marieluise Deißmann-Merten. Eine
solche Breitenwirkung haben nur wenige Althistoriker entfaltet – wer kann schon auf eine
zweistellige Auflagenzahl seiner Werke blicken.
Marieluise Deißmann-Merten, im Jahr 1935 in Berlin geboren, studierte Alte Geschichte,
Latein und Germanistik zunächst in Frankfurt am Main und wechselte dann an die Universität
Bonn. 1964 wurde sie bei Hermann Strasburger mit einer Arbeit über Fides Romana bei
Livius promoviert. Anschließend ging sie in den Schuldienst und legte ihr Staatsexamen ab,
wechselte aber 1967 als Akademische Rätin an die Universität Freiburg im Breisgau, wo sie
später zur Akademischen Oberrätin ernannt wurde. Bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1997
widmete sie sich vor allem der Lehre, die ihr sehr am Herzen lag, und betreute die 1961
angekaufte Münzsammlung des Erlanger Geheimen Oberbaurats Heinrich Wefels. Obwohl
sie zur Numismatik eher wie die „Jungfrau zum Kinde“ gekommen war, wie sie immer
wieder betonte, bildete doch gerade dieses Feld einen festen Platz in ihrer akademischen
Lehre. Mit großem Engagement widmete sie sich der Ordnung, Bestimmung und
Inventarisierung der Münzsammlung, die sich beim Ankauf in einem schlechten Zustand
befand, und nutzte sie in regelmäßigen „Numismatischen Übungen“. Daneben betreute sie die
Studierenden in Studienangelegenheiten, war zeitweise Frauenbeauftragte der Fakultät und
initiierte gemeinsam mit Gudrun Gehrke und Renate Zoepffel den Aufbau der Uni-KITA.
Gerade dieses soziale Engagement und ihre menschliche Wärme haben Marieluise DeißmannMerten stets ausgezeichnet.
Trotz dieser vielfältigen Tätigkeiten hat sie Zeit gefunden, auch wissenschaftlich produktiv zu
sein. Ihre 1990 erschienenen Daten zur antiken Chronologie und Geschichte sind noch heute
ein unschätzbares Instrumentarium für Geschichtsstudenten und ihre vielen Beiträge im
Kleinen Pauly erlauben nach wie vor einen kompetenten und schnellen Überblick über
unterschiedliche althistorische Aspekte. In dem wichtigen Sammelband von Jochen Martin
und August Nitschke zur Sozialgeschichte der Kindheit hat sie den Beitrag zur
Sozialgeschichte des Kindes im antiken Griechenland verfasst, der auch heute noch als
grundlegend gelten darf.
Nach ihrer Pensionierung zog Marieluise Deißmann-Merten nach Berlin. Seit Mai 2005 war
sie an jeweils zwei Tagen in der Woche als Freiwillige Mitarbeiterin am Münzkabinett der
Staatlichen Museen zu Berlin tätig. Sie nahm ihre Tätigkeit in einer Zeit des Aufbruches im
Münzkabinett auf. Im Jahr zuvor war die Sanierung des Münzkabinetts als eigener
Bauabschnitt im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel mit einer spektakulären
Eröffnung abgeschlossen worden. Nun galt es, die neue Dauerausstellung einzurichten. Mit
Karsten Dahmen, der ebenfalls im selben Jahr die Arbeit aufgenommen hatte, teilte sie sich
über Jahre das sog. Volontärszimmer. Gerade für die jungen Nachwuchswissenschaftler,
studentische Praktikanten und Hilfskräfte wurde die Arbeit mit den beiden „Ds.“ Dahmen und
Deißmann zu einem unvergesslichen Erlebnis. Was an tutorialer Betreuung an den
Massenuniversitäten gelegentlich zu kurz kommt, hier war sie zu finden, und zu einigen der
Studenten entstanden langjährige Freundschaften. Sich selbst stellte Marieluise DeißmannMerten nie in den Vordergrund. Bei den gelegentlich hitzigen Diskussionen reichte allerdings
ein Blick auf ihr feines Lächeln, um die kurz zuvor mit Leidenschaft vorgetragene Position
noch einmal zu überdenken. Seit Anfang 2006 steht dem Münzkabinett eine webbasierte
Datenbank www.smb.museum/ikmk zur digitalen Publikation der Bestände zur Verfügung.
Marieluise Deißmann-Merten nahm seitdem an diesem zentralen Projekt des Münzkabinetts
teil und war an über 3.000 Münzeinträgen beteiligt. Dabei brachte sie vor allem Ihr Wissen
zur Römischen Republik und Kaiserzeit mit kenntnisreichen Kommentaren ein.
Marieluise Deißmann-Merten verstarb nach längerer Krankheit am 12.2.2011 in Frankfurt am
Main. Die Mitarbeiter des Münzkabinetts vermissen sie und werden ihr ein ehrendes
Angedenken bewahren.
Peter Franz Mittag und Bernhard Weisser