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Choreografien klinischer und städtischer Alltage

2015

The aim of this contribution is twofold: First, it shows methodologically an ethnographic mode of research that we call co-laborative. This mode enables new forms of reflexivity in European Ethnology and makes them analytically productive. Second, we argue on the basis of such a co-laborative research with social psychiatry that the dominant analytical dichotomies of the social and cultural sciences-namely normal vs. pathological or care vs. control-only insufficiently describe today's psychiatric treatment processes. Our ethnographic material shows how 'normal everyday life' is choreographed in hospitals for therapeutic purposes, and how this choreographing becomes problematic in post-clinical everyday lives. On the basis of these findings we discuss the extent to which a practice theoretical approach can extend the established critique of subjectification by focusing on the processuality of psychiatric treatment and thus problematizing the multiple embeddedness of the production of everyday life in clinical and urban environments.

View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by Dokumenten-Publikationsserver der Humboldt-Universität zu... Sonderdruck aus Zeitschrift für Volkskunde Halbjahresschrift der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde 111. Jahrgang, Heft 2/2015 ISSN 0044-3700 © Waxmann Verlag GmbH, 2015 Steinfurter Str. 555, 48159 Münster Zeitschrift für Volkskunde 111. Jahrgang 2015, Heft 2, S. 214-235 2015 Waxmann Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) © Choreografien klinischer und städtischer Alltage Ergebnisse einer ko-laborativen Ethnografie mit der Sozialpsychiatrie Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) Choreographies of clinical and urban everyday life. Results of a co-laborative ethnography with social psychiatry Abstract: The aim of this contribution is twofold: First, it shows methodologically an ethnographic mode of research that we call co-laborative. This mode enables new forms of reflexivity in European Ethnology and makes them analytically productive. Second, we argue on the basis of such a co-laborative research with social psychiatry that the dominant analytical dichotomies of the social and cultural sciences – namely normal vs. pathological or care vs. control – only insufficiently describe today’s psychiatric treatment processes. Our ethnographic material shows how ‘normal everyday life’ is choreographed in hospitals for therapeutic purposes, and how this choreographing becomes problematic in post-clinical everyday lives. On the basis of these findings we discuss the extent to which a practice theoretical approach can extend the established critique of subjectification by focusing on the processuality of psychiatric treatment and thus problematizing the multiple embeddedness of the production of everyday life in clinical and urban environments. Keywords: collaboration, choreography, psychiatry, theory of practice, everyday life, city Psychiatrie und die Untersuchung sozialer und kultureller Ordnung Die Rolle psychiatrischer Forschung und Behandlung in der Konfiguration moderner Gesellschaften ist umfassend diskutiert worden. Auch wenn in der Zeitschrift für Volkskunde in den letzten vierzehn Jahren allerdings kein Artikel zum Thema Psychiatrie erschienen ist, beschränken wir uns in diesem Beitrag zum einen auf eine Skizze der Veränderungen der psychiatrischen Landschaft in Deutschland seit den ausgehenden 1960er-Jahren. Zum anderen legen wir knapp für denselben Zeitraum den dominanten Denkstil der Sozial- und Kulturwissenschaften dar. Wir möchten damit erstens verdeutlichen, inwieweit ethnografische Untersuchungen psychiatrischer Praxis zunehmend über Kliniken hinaus Fragen nach der Herstellung von sozialer und kultureller Ordnung aufwerfen. Zweitens möchten wir darauf hinweisen, dass die Sozialpsychiatrie sich im Laufe der letzten vierzig Jahre zentrale Teile der sozialwissenschaftlichen Kritik angeeignet hat. Somit befinden sich Psychiatrie und Sozial- und Kulturwissenschaft in einer neuen Konstellation, in der eine Art doppelte Hermeneutik nicht mehr zu ignorieren ist: Sozial- und kulturwissenschaftliche © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 215 analytische Konzepte haben Eingang in psychiatrische Alltage gefunden. Damit sind dialektische Formen der Kritik herausgefordert, die auf kritischer Distanzierung basieren. Wir entwerfen in diesem Beitrag ein neues Verhältnis zwischen den beiden Feldern. Psychiatrie wird darin im doppelten Sinne ein produktives ethnologisches Forschungsfeld: als eine Art ‚lebensweltliches Labor‘, in dem die Arbeit an der (Wieder-)Herstellung von Alltäglichkeit, Normalität, (‚gesunder‘) Sozialität oder Rationalität unter spezifischen Bedingungen analysiert und in den Blick genommen werden kann; und als ,Ko-Laboratorium‘ im Sinne eines Experimentierraums, in dem im engen Austausch mit PartnerInnen aus dem Feld eigene epistemische Grundlagen überprüft und für beide Seiten produktiv gemacht werden können. Menschen, die in psychiatrischen Facheinrichtungen behandelt werden, befinden sich in derart gravierenden psychischen Ausnahmesituationen, dass sie selbst, oder ihnen nahestehende Angehörige oder medizinisches Personal, eine Behandlung in der Klinik für notwendig befunden haben. Akute psychische Krisen können dabei vielerlei bedeuten, zeigen jedoch in allen Fällen auf, dass die Alltäglichkeit und weitgehende Selbstverständlichkeit des täglichen Lebens, wie sie den meisten Menschen selbstverständlich zur Verfügung stehen, abhanden gekommen sind. Forschungen in diesen Krisensituationen und ihren ‚Behandlungen‘ können in diesem Sinne die (Wieder-)Herstellung des Alltäglichen in den Blick nehmen: Wie lernen Menschen wieder an sozialen Beziehungen teilzuhaben, ihren Alltag zu organisieren, ihr Leben zu planen? Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren herausgearbeitet, wie sie in die Gestaltung ihres Alltags nach Krisenerlebnissen kontinuierlich investieren müssen (Amelang 2014; Charmaz 1991; Whyte 1997). Allerdings bleiben dies auch immer Alltage unter besonderen Umständen. Denn das Ereignis, das die Krisenhaftigkeit ausgelöst hat, bleibt im Alltag oftmals präsent und verhindert häufig dessen unhinterfragte Selbstverständlichkeit. Zugleich – und dies gilt insbesondere für krankheitsbedingte Krisen – sind an dieser Wiederherstellung des Alltäglichen Institutionen und Expertise beteiligt, die für diesen Zweck spezifische Verfahren und Instrumente herausgebildet haben. In der Psychiatrie sind diese Verfahren aus mehreren Gründen in besonderem Maße unter Beobachtung: Erstens fußen sie auf einer diagnostischen Systematik, um die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert stetig gerungen wird. Die zum Teil heftigen Kontroversen um die kürzlich erschienene fünfte Auflage des US-amerikanischen Diagnostic and Statistical Manual verdeutlichen, wie psychische Phänomene im Spannungsfeld von Psychoanalyse bis Molekulargenetik in ihrem ontologischen Status hinterfragt werden. Zweitens liegt der medikamentösen wie therapeutischen Symptombehandlung in der überwiegenden Zahl der psychiatrischen Diagnosen kein eindeutig geklärtes Kausalverständnis der Krankheitsentstehung zugrunde, das eine klinische Intervention erleichtern würde. Drittens stehen psychiatrische Behandlungsformen in einer langen Tradition massiver Eingriffe in personalen Status © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 216 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) und Persönlichkeitsrechte von Betroffenen. Vor allem brachte die ausgeprägte Beteiligung am Nationalsozialismus die Psychiatrie in Deutschland in Verruf. Viertens, und letztens, zeigen viele Untersuchungen psychiatrischer Behandlungsmethoden immer wieder, wie sehr sich PatientInnen im Sinne eines „moving target“ in ihrer Lebensweise und ihrem Selbstverständnis an dominante Klassifizierungs- und Behandlungsansätze anpassen (Hacking 2007). Zu Recht hat sich seit den 1960er-Jahren daher in den Sozial- und Kulturwissenschaften eine theoretisch wie empirisch untermauerte Skepsis gegenüber dem psychiatrischen Apparatus etabliert. Sozial- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen zur Psychiatrie argumentieren dabei überwiegend aus einer von George Canguilhem, Erving Goffman und Michel Foucault inspirierten Perspektive auf Diskurse und Wissensformationen, in der herausgearbeitet wird, wie als a-normal definierte Verhaltensweisen zunehmend unter die Deutungs- und Handlungshoheit der Medizin bzw. der klinischen Psychiatrie gestellt werden (Canguilhem 2000; Foucault 2003). Der amerikanische Soziologe Irving K. Zola hat diese Perspektive in den frühen 1970er-Jahren aufgegriffen und prägnant in seiner „Medikalisierungsthese“ zusammengefasst, die in den folgenden Jahren direkt oder indirekt eine weite Verbreitung fand: „Medizin wird [in der Moderne] zu einer der wichtigsten Institutionen sozialer Kontrolle, sie marginalisiert [...] sogar traditionellere Institutionen wie Religion und Recht. Sie wird zu einem neuen Repositorium der Wahrheit, zu einem Ort, an dem absolute und oft endgültige Urteile getroffen werden durch angeblich moralisch neutrale und objektive Experten. Und diese Urteile werden gefällt nicht im Namen einer besonderen Tugend oder Legitimität, sondern im Namen der Gesundheit“ (Zola 1972: 487; Übers. SB). Dabei besäßen MedizinerInnen keine besondere politische Macht, sondern diese spezifische Herrschaftsform komme durch eine völlig undramatisch scheinende Entwicklung in die Welt: indem die Kategorien „gesund“ und „krank“ für einen immer größeren Teil der menschlichen Existenz und des Alltagslebens relevant gemacht würden. Diese kritischen Beobachtungen zielten zunächst hauptsächlich auf die institutionalisierte Psychiatrie. Hier griff Goffmans These der „totalen Institution“ als einer psychiatrischen Einrichtung, deren Behandlungsregime auf alle Bereiche menschlichen Daseins vollumfänglich zugreift und diese zu regulieren und kontrollieren versucht (Goffman 1973). Medikalisierung in diesem Sinne ist vor allem charakterisiert durch ein Ineinanderlaufen von Regulierung, Standardisierung, Disziplinierung und Institutionalisierung. Während in der neueren Literatur insbesondere diese machtkritischen Aspekte der Medikalisierungsthese aufgegriffen und auch für die Diskussionen in der Psychiatrie selbst zu einem Prüfstein wurden, wurde ein weiterer von Zola herausgearbeiteter Aspekt von den Sozialwissenschaften vernachlässigt. Denn © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 217 Zola verstand Medikalisierung als konsequente Folge eines in die Moderne eingeschriebenen humanitären, oft auch philanthropischen Impulses, gesundheitliche und soziale Probleme zu beseitigen oder zumindest zu lindern. Dieser humanistische Imperativ habe sich mit der Medizin als Wissenschaft verbündet, wobei die besondere Durchschlagskraft dieser Entwicklung darin begründet liege, dass sich hier Moral und Rationalität in spezifischer Weise verschränkten. Für den Menschen in der westlichen Moderne erscheint es nach Zola weder erträglich noch rational, anderen tatenlos beim Leiden zuzusehen. Für seine Argumentation greift er u.a. auf historische Analysen der britischen Soziologin und Kriminologin Barbara Wootton zurück, die die Rolle der Psychiatrie bei der Bekämpfung „sozialer Devianz“ und „antisozialen Verhaltens“ im 19. und 20. Jahrhundert analysiert hat (Wootton 1959). Gerade die Psychiatrie habe eine wichtige Rolle bei der Entkriminalisierung psychisch Kranker gespielt und sie – mit wissenschaftlich fundierten Argumenten – aus den Repressionsmechanismen eines grausamen, religiös verbrämten Strafsystems befreit. Nach Zola entstand mit der Medikalisierung im 19. Jahrhundert ein machtvolles Instrument, das aber stets im Kontext anderer, ebenfalls machtvoller gesellschaftlicher Institutionen operiere, wodurch gegenläufige Dynamiken und widerspruchsvolle Praktiken entstünden. In ähnlicher Weise beschreiben Robert Castel und Kolleginnen in ihrer Studie über die Psychiatrisierung, also der Ausweitung psychiatrischer Diskurse und Zuständigkeiten auf immer neue gesellschaftliche wie private Phänomene in den Vereinigten Staaten, wie Psychiatrie zum selbstverständlichen Bestandteil der Organisation des Alltagslebens wurde (Castel u.a. 1982). Dabei sei, so der Grundtenor der Studie, eine „psy-culture“ entstanden, die über die klassischen psychiatrischmedizinischen Institutionen hinausgehe, auf die sich später Nikolas Rose in seiner Analyse des „psy-complex“ fokussiert (Rose 1985, 1998). An dieser Lesart der Medikalisierungsthese wird vor allem deutlich, dass es sich bei der Ausweitung psychiatrischer Deutungshoheit keineswegs um einen einfachen, linearen Prozess handelt, sondern um eine vielschichtige und kontroverse Entwicklung. Dabei weist die Medikalisierungsthese vor allem auch über die institutionellen Kontexte hinaus, ohne für diese Perspektiverweiterung selbst zwingend die geeignete analytische Linse zu sein. Man könnte dies im Sinne Ian Hackings als einen erweiterten Looping-Effekt beschreiben: Psychiatrische Klassifizierung wirkt nicht (nur) direkt auf PatientInnen und verändert deren „way to be a person“ (Hacking 2007: 296). Vielmehr wird diese Form der zirkulären Wirkmacht institutionell und eben auch kulturell vermittelt und weiter getragen. Unterschlagen haben wir in diesem kurzen Rückblick auf sozial- und kulturwissenschaftliche Analysen des psychiatrischen Feldes bislang die besondere Verbindung von sozialwissenschaftlicher Forschung und psychiatrischer Praxis in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Mehr oder weniger zeitgleich mit den genannten kritischen sozial- und kulturwissenschaftlichen Analysen psychiatrischer © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 218 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) Institutionen entstanden in den 1960er- und 1970er-Jahren innerhalb der Psychiatrie psychiatrie-kritische bis dezidiert antipsychiatrische Bewegungen, die von PsychiaterInnen selbst forciert wurden und in verschiedenen Ländern maßgebliche Reformbewegungen innerhalb der psychiatrischen Versorgungssysteme anschoben. Neben einer kritischen Auseinandersetzung mit den psychiatrischen Institutionen waren diese Bewegungen auch geprägt von einer teilweise radikalen Demontage psychiatrischer Wahrheits- und Autoritätsansprüche (Szasz 1961; Laing 1967; Basaglia 1974). Deutlich wird die Verbindung von Sozial-/Kulturwissenschaften und Psychiatrie in jener Zeit am Beispiel des Etikettierungsansatzes, demzufolge psychische Erkrankungen als Prozess der Konstruktion und Ergebnis eines sozialen Zuschreibungsprozesses zu verstehen sind (Goffman 1963; Becker 1963; Scheff 1975). Dieser Ansatz wurde und wird – insbesondere auch in differenzierten Weiterentwicklungen – sowohl in den Sozialwissenschaften als auch im Feld der Psychiatrie nach wie vor als Erklärungsmodell herangezogen. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie in der Psychiatrie – oder zumindest von zahlreichen in dieser Institution Tätigen – auf die in den Kultur- und Sozialwissenschaften wie auch in einer breiteren medialen Öffentlichkeit geübte machtanalytische Kritik konstruktiv reagiert wurde. Vor allem aber veränderten die kritischen Auseinandersetzungen nachhaltig das psychiatrische Versorgungssystem, auch in Deutschland, wo die Psychiatrie-Reformen im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise spät einsetzten. Maßgeblich vorangetrieben wurden die Reformen in der BRD durch die sogenannte PsychiatrieEnquete im Jahr 1975 („Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland“), die eine Bestandsaufnahme der damaligen psychiatrischen Versorgung darstellte. Ihr Tenor war eindeutig: Der Bericht erklärte die Zustände in den Versorgungseinrichtungen für psychisch Kranke für „elend und menschenunwürdig“. Unter anderem wurden eine katastrophale Überbelegung und personelle Unterversorgung festgestellt. Die daraufhin einsetzenden Reformen waren in ihrem Grundprinzip sozialpsychiatrisch1: die Forderung nach einer gemeindenahen Versorgung, die Gleichstellung psychisch Kranker mit somatisch Kranken sowie die Enthospitalisierung langjährig hospitalisierter, „chronisch“ psychisch kranker Menschen. Die letzte Forderung wurde unter anderem von der Überzeugung getragen, dass die Versorgung psychisch Kranker in den Großkrankenhäusern, die oftmals mit 1 Wir beziehen uns mit dem Begriff Sozialpsychiatrie auf Ansätze, die in Westdeutschland seit den 1960er-Jahren erst von einzelnen PsychiaterInnen vertreten wurden und schließlich zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie 1971 führten. Sozialpsychiatrie, wie sie hier zum Tragen kommt, beschreibt dabei, grob zusammengefasst, drei Aspekte: erstens die Berücksichtigung sozialer Faktoren in der Erklärung von Ursachen und in der Behandlung psychischer Erkrankungen, zweitens die Reintegration psychisch Kranker in die Gesellschaft und die Förderung von Gleichberechtigung und Teilhabe durch gemeindepsychiatrische Angebote. Und drittens wird Sozialpsychiatrie von vielen ihrer Akteure als spezifische therapeutische Haltung beschrieben, die als gesellschaftspolitische und moralische Verantwortung gegenüber den PatientInnen verstanden wird (siehe ausführlicher hierzu: Klausner 2015). © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 219 einem therapeutischen Nihilismus einherging, maßgeblich zur Chronifizierung der PatientInnen beigetragen hätte. Eine Rückführung der psychisch Kranken in die Gemeinde wurde als möglich und „heil-bringend“ für die Betroffenen gewertet. Der Abbau der Krankenhausbetten wurde von einem erheblichen Ausbau verschiedener gemeindenaher Versorgungseinrichtungen („Gemeindepsychiatrie“) begleitet. Der psychiatrische Wirkungsbereich beschränkte sich von nun an nicht mehr auf die räumlichen Grenzen von Krankenhäusern oder ärztlichen Praxen, sondern weitete sich in Form von Einrichtungen wie Betreutem Wohnen, Pflegeheimen, Werkstätten oder Tagesstätten auf eine Vielzahl der Lebensbereiche psychisch Kranker aus. Diese Veränderungen in der Versorgungslandschaft und die damit verknüpfte, sich wandelnde professionelle Haltung gegenüber psychisch Kranken sowie die zunehmende Entwicklung und Verfügbarkeit von Psychopharmaka modifizierten gegen Ende des 20. Jahrhunderts – neben dem Selbstverständnis der psychiatrischen Profession zwischen den Polen Sozialpsychiatrie und biologische Psychiatrie – auch die Klassifikation „chronisch“ und die Möglichkeiten ihrer Verwendung. Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Entwicklungen scheint uns eine einseitige Fortschreibung einer machtanalytischen Kritik „von außen“ mehr als unzureichend. Zudem ist gerade der vielfältigen Verschränkung von psychiatrischen Behandlungspraktiken mit städtischen Alltagen, wie sie insbesondere seit der Enthospitalisierungsbewegung in den 1970er-Jahren die psychiatrische Versorgung prägt, machtanalytisch und subjektivierungskritisch nicht zufriedenstellend beizukommen. Wir entwickeln an unserem ethnografischen Material ein differenzierteres Beobachtungs- und Analyseinstrumentarium. Ko-laborative ethnografische Forschung in und mit der Psychiatrie Wie also forscht man in einem Feld, in dem viele Akteure die kritische sozialwissenschaftliche Literatur rezipieren und das Reflexionsprozesse in vielen Formaten institutionalisiert hat, um dem Kern der Kritik zu begegnen, nämlich dem Problem der subjektivierenden Normalisierung durch Behandlung? In anderen Worten: Was tun, wenn man nach einem Feldaufenthalt nichts sagen kann, was die ‚natives‘ nicht bereits wüssten (Boyer 2008)? Dies ist kein Psychiatrie-spezifisches Phänomen, tritt hier aber mit besonderer Vehemenz auf. Wir antworteten auf diese Herausforderung mit ko-laborativer Forschung. Mit Ko-Laboration bezeichnen wir das langfristige, aber zeitlich begrenzte, gemeinsame experimentelle epistemische Arbeiten zwischen EthnografIn und InformantIn.2 Das Ziel dieses ko-laborativen Prozesses ist nicht ein gemeinsames Ergebnis. Vielmehr steht das Experimentieren mit den Denkstilen der jeweils Anderen im Vordergrund. Es geht um die Produktion spezifischer Reflexivität: Reflexivität als Mobilität zwischen Akteuren, Denkstilen und methodischen Zu2 Siehe Niewöhner (2015) auch als Überblick über die Arbeiten von Marcus, Boyer, Fitzgerald und Roepstorff in diesem neuen Modus. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 220 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) griffen und Apparaten, im Gegensatz zu Reflexivität, verstanden als das Nachdenken über die eigene Position im systemisch gedachten Feld (Hirschauer 2008). Diese Reflexivität befördert letztlich einen kritischen Umgang mit dem eigenen disziplinären Wissen. Kritik entsteht hier also nicht mehr in erster Linie aus einer dialektischen Bewegung von Nähe und kritischer Distanz und richtet sich nicht primär auf die anderen. Vielmehr erwächst Kritik aus dem experimentellen und geschützten Involviert-Sein im Feld in verschiedenen Ausprägungen und der daraus folgenden Herausforderung für das eigene Denken. Ein solcher Prozess setzt nicht auf eine Kritik, die sich an absoluten Maßstäben orientiert. Vielmehr wird Psychiatrie als eine Ökologie von Praktiken (Stengers 2005) verstanden, aus der selbst heraus die Maßstäbe für ihre Kritik entwickelt werden müssen. Wir haben diesen Modus eines ko-laborativen Erforschens von und mit psychiatrischer Alltagspraxis in einem mehrjährigen Forschungsprojekt entwickelt, das sich der Frage nach der „Produktion von Chronizität im Alltag psychiatrischer Versorgung und Forschung in Berlin“ gewidmet hat.3 Basierend auf mehrmonatiger und wiederholter teilnehmender Beobachtung in unterschiedlichen klinischen Kontexten (psychiatrische Stationen in zwei verschiedenen psychiatrischen Kliniken sowie einer Akuttagesklinik) folgten wir der Klassifikation „chronisch psychisch krank“ vom klinischen Behandlungsalltag über administrative Verfahren des gemeindepsychiatrischen Versorgungssystems in private Alltage psychiatrisch diagnostizierter Menschen sowie in die psychiatrische Forschungslandschaft, um das Entstehen, Stabilisieren und Wirken dieser Klassifikation als alltäglicher Prozess ethnografisch nachvollziehen zu können. Dabei ist Chronizität gerade keine medizinisch eindeutig definierte Diagnosekategorie, sondern eine unscharfe Klassifizierung, die in einem Geflecht aus klinischen, wissenschaftlichen, sozialrechtlichen, ökonomischen und politischen Praxen sowie PatientInnen-Alltagen produziert wird. Gleichzeitig eröffnet sie für die Betroffenen den Zugang zu medizinischen, sozialtherapeutischen und finanziellen Ressourcen. Der Fokus des Forschungsvorhabens auf die Klassifikation „chronisch psychisch krank“ wurde vonseiten eines Psychiaters aufgebracht, der in der Klinik, in der unsere hauptsächliche Feldforschung stattfand, als Stationsarzt praktizierte. Neben seiner medizinischen Ausbildung hatte er zusätzlich einen Master in Medizinanthropologie an einer britischen Universität absolviert und setzte sich seither zum Ziel, eine produktive Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Sozial-/Geisteswissenschaften in seinem Wirkungsbereich zu etablieren. Tatsächlich begegneten uns im Laufe der Forschung verschiedentlich Akteure aus der psychiatrischen Versorgung, die für eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen des psychiatrischen 3 Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Zeitraum 2010–2015 gefördert (GZ: BE 3191/3-1), stand unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Beck und wurde von den AutorInnen dieses Beitrags in Ko-Laboration mit PartnerInnen in der Psychiatrie gemeinsam durchgeführt. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 221 Versorgungssystems eine Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und insbesondere mit qualitativen sozialwissenschaftlichen Methoden für unerlässlich hielten. Entscheidend ist, dass sich mit dem oben erwähnten Psychiater und weiteren in der Psychiatrie Tätigen im Laufe der Forschung eine Form der „epistemic partnership“ entwickelte (Holmes/Marcus 2008: 83). Diese Form der Zusammenarbeit geht über den Austausch im Rahmen der Feldforschung hinaus und begreift InformantInnen bereits in der Entwicklung des Forschungsdesigns als PartnerInnen. Dabei wandelt sich die Rolle aller Beteiligten, die nicht nur als ExpertInnen ihrer jeweiligen Disziplin partizipieren, sondern einander als „technicians of general ideas“ begegnen (Rabinow 2008: 68ff.). In unserem Fall der Ko-laboration geht es daher um die breitere Frage, welche derzeitigen Veränderungen in unseren Forschungs- und Praxisalltagen Signifikanz für eine Anthropologie der Gegenwart besitzen und welche Konzepte wir kuratieren können, um diese Veränderungen analytisch greifbar zu machen. Mit den jeweiligen unmittelbaren InformantInnen in der Feldforschung mussten wiederum eigene Formen der Zusammenarbeit geschaffen werden. Neben dem fachüblichen Austausch mit dem Feld im Rahmen teilnehmender Beobachtung hielten wir einerseits mit einigen in der Klinik behandelten PatientInnen nach deren Entlassung über einen Zeitraum von mehreren Jahren kontinuierlich Kontakt, um das Leben mit einer Diagnose im poststationären, städtischen Alltag nachvollziehen zu können. Andererseits entwickelten wir vielfältige Feedback-Formate, mit denen wir verschiedene Personengruppen im Feld am Forschungsprozess beteiligten. So präsentierten und diskutierten wir unsere Analysen mit MitarbeiterInnen auf den psychiatrischen Stationen, in denen wir uns für die Forschungen aufhielten, aber auch im Rahmen von Weiterbildungsangeboten außerhalb der Klinik sowie in einer Gruppendiskussion mit PatientInnen. Entscheidend war, dass diese Feedback-Runden nicht nach Forschung und Analyse, sondern gerade während des Forschungsprozesses stattfanden. Unser Ziel war es, jenen Menschen, deren Alltage wir gerade erforschten, Einblicke in unsere Fragen, Hypothesen und ersten analytischen Überlegungen zu geben. Da eine kritische Auseinandersetzung mit den Behandlungspraktiken im Feld explizit gewünscht wurde, war Kritik zu üben nicht das Problem; die besondere Herausforderung war es, eine kritische Analyse zu bieten, die über die allen Beteiligten bekannten Subjektivierungskritiken hinausging. Wie wir im Folgenden erklären, war eine praxistheoretische Wendung der Perspektive auf das Feld für uns hierbei unerlässlich. Praxistheoretische Zugriffe auf psychiatrische Choreografien Ein praxisanthropologischer Ansatz betont, dass heterogene sozio-technisch-institutionelle Ordnungen, wie sie etwa die klinische Psychiatrie darstellt, als „interaktive Sachen des Tuns“ (Hörning/Reuter 2004: 10) konzipiert werden müssen (Beck 1997; Schatzki u.a. 2001). Eine solche praxistheoretische Perspektive erklärt Entwicklungsdynamiken nicht unidirektional – etwa die Institutionalisierung der Psy- © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 222 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) chiatrie als Machteffekt medizinischen Wissens –, sondern konzipiert psychiatrische Praktiken prinzipiell als hybrid und widerspruchsvoll: Soziale, narrativ-diskursive und materiell-körperliche Dimensionen sind in ihnen aufeinander bezogen und es werden sehr unterschiedliche soziale Positionalitäten und normative Orientierungen verschiedener Akteure zur Geltung gebracht.4 Damit stehen Habitualisierung, Infrastrukturierung und das damit verbundene „Selbstverständlich-Werden“ von Phänomenen, Einstellungen und Orientierungen im Zentrum des Interesses. Diese praxistheoretische Perspektive ist in der internationalen Sozial- und Kulturanthropologie ebenso wie in der Europäischen Ethnologie spätestens seit den 1980er-Jahren etabliert (Ortner 1984). Für das Fach übernimmt der Begriff Praxis/Praktiken eine doppelte Erklärungsrolle: „Praxis“ ist nach diesem Verständnis orientiert an einem Bündel spezifischerer Begriffe wie „Tradition“, „Routine“, „normative Orientierung“, „stillschweigendes“ oder „körpergebundenes Wissen“ etc., mit denen Regelmäßigkeiten oder „Logiken“ individuellen Handelns beschrieben werden (Turner 1994; Rouse 2001). Andererseits steht Praxis auch für die kollektive Dimension dieser Handlungssystematiken – und deren politische Aspekte. Diese Perspektive wird in den Sozialwissenschaften unter dem Label eines „practice turn“ nochmals erweitert (Reckwitz 2003; Schmidt 2012). Kern der gegenwärtigen Diskussionen ist die Annahme, das Soziale – ebenso wie die normative Sphäre, gesellschaftliche Institutionen etc. – sei Ergebnis von Praktiken. Um den US-amerikanischen Sozialphilosophen Theodore Schatzki zu zitieren: „practice approaches promulgate a distinct social ontology: the social is a field of embodied, materially interwoven practices centrally organized around shared practical understandings. This conception contrasts with accounts that privilege individuals, (inter)actions, language, signifying systems, the life world, institutions/roles, structures, or systems in defining the social“ (Schatzki 2001: 3; Hervorhebung durch die AutorInnen). Wichtig ist hier die Aussage, dass Praktiken stets körperlich und zugleich in externe Materialitäten verwickelt sind und sie durch „geteilte praktische/pragmatische Verständnisse“ charakterisiert sind. Dass in diesem Sinne lokal beobachtbare Praxismuster, also die spezifische Art und Weise, wie im klinischen Alltag Menschen und Dinge in routinisierter Weise und basierend auf einem lokalen Verständnis „guter“ psychiatrischer Therapie zusammengefügt werden, bezeichnen wir als Choreografie (Klausner 2015). Charakteristisch für das geteilte praktische Verständnis, „Psychiatrie zu machen“, wie wir es in unserer Forschung herausarbeiten konnten, ist eine hohe Anpassungsfähigkeit an die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen PatientInnen und alltäglichen klinischen Erfordernisse. Sozialpsychiatrisches Choreografieren, so werden wir weiter unten ausführlich zeigen, zielt darauf ab, durch einen gesteuerten Lernprozess Menschen aus der Krise auf stabile Pfade zu bringen. 4 Vgl. zum Begriff von „material-discursive practices“ Barad (2003). © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 223 Den Begriff der Choreografie übernehmen wir zunächst von der Wissenschaftsforscherin Charis Thompson, die ihn in ihrer Untersuchung der Produktion von Elternschaft in US-amerikanischen Fruchtbarkeitskliniken entwickelt hat (Thompson 2005). Das Konzept der ontologischen Choreografie bezeichnet, so Thompson, die dynamische Koordination von Elementen unterschiedlichen ontologischen Status. Hierzu gehören wissenschaftliche, technische, verwandtschaftliche, emotionale, rechtliche, politische und finanzielle Elemente, die alle dazu beitragen, Eltern wie auch Kinder hervorzubringen. Im Unterschied zu Thompsons Beschreibungen einer hochtechnologisierten Reproduktionsmedizin ist eine psychiatrische Station eines Berliner Bezirkskrankenhauses ein medizinischer Low-tech-Bereich. Aber auch hier sind in diesen alltäglichen Praktiken Dinge von unterschiedlichem ontologischen Status beteiligt: von den Räumen und Türen, die sich für die PatientInnen öffnen oder schließen, zu Krankenakten und anderen Papiertechnologien hin zu spezialisiertem Wissen und Medikamenten, die gespritzt oder geschluckt werden müssen oder verweigert und ausgespuckt werden. Wichtiger erscheint uns an dieser Stelle jedoch ein anderer Aspekt in Thompsons Argumentation: Mit dem Konzept der ontologischen Choreografie verweist sie auf die Vielfältigkeit und Situiertheit von Handlungsfähigkeit (agency): Durch die Formen der Objektivierung, die insbesondere Frauen im Prozess der assistierten Elternschaft durchlaufen, werden diese nicht einfach (einer klassischen feministischen Kritik folgend) zu passiven Rezipienten reproduktionstechnischer Praxis. Vielmehr arbeitet Thompson heraus, wie agency in diesen Prozessen koproduziert wird (Cussins [Thompson] 1996). PatientInnen seien nicht einfach als diszipliniert und passiv zu verstehen, sondern partizipieren in diesen ontologischen Choreografien aktiv. Wie Thompson aber auch anmerkt, sind Choreografien immer in ihrer spezifischen lokalen Situiertheit und dem jeweiligen Arrangement zu betrachten und können durchaus einer Konstituierung von agency entgegenstehen. Choreografien bzw. der Prozess des Choreografierens bringt damit sowohl das spezifische soziale, narrativ-diskursive und materiell-körperliche Praxisgefüge in den Blick als auch die Effekte auf Handlungs(un)fähigkeiten, die in diesem flexiblen Repertoire möglich oder problematisch werden. Zur Analyse der Choreografien klinischer Alltage Die Klinik, in der unsere Forschung maßgeblich stattfand, beschreibt sich selbst als eine der ältesten sozialpsychiatrisch arbeitenden Fachkliniken. Als Teil eines Berliner Bezirkskrankenhauses ist die Mittendamm-Klinik5 für die Pflichtversorgung eines Bezirks zuständig und unterscheidet sich in ihren Aufgaben nicht von anderen psychiatrischen Kliniken in Berlin. Worin sie sich unterscheidet, ist in dem Anliegen, 40 Jahre nach der Psychiatrie-Enquete nicht nur dezidiert sozialpsychiatrisch zu arbeiten, sondern auch an der internationalen Weiterentwicklung entsprechender An5 Alle Personen wie auch die Klinik selbst wurden pseudonymisiert. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 224 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) sätze zu partizipieren. Im Zentrum sozialpsychiatrischer Interventionen steht dabei nicht der Patient als Individuum oder als Krankheitsträger, sondern der „Mensch als soziales Wesen“6, der in soziale Beziehungen innerhalb wie außerhalb der psychiatrischen Versorgung eingebettet ist. Die Bezugnahme auf eine sozialpsychiatrische Tradition bedeutet vor allem auch eine Positionierung gegenüber einer als biomedizinisch orientierten und zunehmend standardisiert arbeitend wahrgenommenen deutschen Psychiatrielandschaft. Sozialpsychiatrie, so könnte man knapp zusammenfassen, ist heute gewissermaßen aus der Mode gekommen und hat an Deutungshoheit gegenüber einer neurowissenschaftlich-biomedizinisch wie pharmakotherapeutisch orientierten Psychiatrie verloren. Die Zahl der chronischen Krankheitsverläufe hat sich durch diese Verschiebung freilich kaum verändert, wohl aber die Art und Weise, wie die Klassifikation im Klinikalltag verwendet wird. Im Zuge unserer Forschung über die „Produktion von Chronizität“ stellten wir vor allem zwei Dinge fest: Erstens war nie strittig, ob einzelne PatientInnen nun als „chronisch“ bezeichnet werden sollten oder nicht. Zweitens war ein völliges Ausbleiben der Klassifikation in den direkten Gesprächen mit PatientInnen auffällig. Diese Abwesenheit der Klassifikation in der klinischen Praxis stand in merkwürdigem Kontrast zur Relevanz der Klassifikation, derer uns die in der Psychiatrie Tätigen versicherten. Die Klassifikation „chronisch“ war somit in der klinischen Praxis gleichermaßen abwesend wie anwesend. Gründe hierfür fanden sich erstens in einer bewussten und geschulten Vermeidungspraxis der MitarbeiterInnen, die wir als Demontage der Klassifikation bezeichnen: Mit direkten oder indirekten Verweisen auf Labeling- oder Stigmatisierungseffekte herrschte Konsens darüber, dass eine Bezeichnung Auswirkungen auf die Bezeichneten haben könnte. Demnach unterließen es MitarbeiterInnen, PatientInnen direkt als „chronisch“ zu bezeichnen, um vorzubeugen, dass sich diejenige oder derjenige selbst als unbehandelbar krank verstünde und schlussendlich kränker würde, statt nach Potenzialen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit zu suchen. Zweitens wurde die Klassifikation „chronisch“ in einer Vielzahl von Arbeitspraktiken im Kreise der MitarbeiterInnen anwesend gemacht und somit in den Alltag montiert: Im formellen und informellen Austausch, bei der Dokumentation von Behandlungsverläufen, in ärztlichen Besprechungen oder im Kontakt mit Krankenkassen wurde vereinzelt von der Klassifikation Gebrauch gemacht. In diesen Fällen erhielt Chronizität im Behandlungsalltag unterschiedliche Bedeutungen. Beispielsweise wurde die Klassifikation prozessualisiert und mit dem Terminus der „Chronifizierung“ mit der Bedeutung einer zeitlichen Entwicklung versehen. Dies führte zu einem Fokus auf zeitliche Verläufe, die entweder biografisch oder symptomatisch die Erkrankung einer Patientin oder eine erhöhte Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten thematisierten. „Chronifizierung“ galt als ein Prozess, der erkannt und dem 6 Auszug aus der Beschreibung des Patientenbildes in einem Jahresbericht der Mittendamm-Klinik. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 225 prinzipiell (noch) entgegengewirkt werden konnte. Besonders in der Dokumentation von Behandlungsfällen kamen die Wendungen „Chronifizierung vermeiden“ oder „drohende Chronifizierung“ als Begründung für die Notwendigkeit des Klinikaufenthaltes gegenüber den Krankenkassen, für spezifische therapeutische Maßnahmen oder für Empfehlungen zur weiterführenden Behandlung nach dem Klinikaufenthalt zum Einsatz. Drittens begegneten wir während unserer Forschung – neben den beiden oben genannten Umgangsweisen mit der Klassifikation in Form von Demontage und Montage – einer Modulation der Klassifikation, das heißt, der Verwendung weiterer Begriffe, denen die Bedeutung des Zustands „chronisch krank“ als eine Form des „Krankbleibens“ übertragen wurde. Ausdrücke, wie beispielsweise „Wiederkehrer“, „Drehtürpatienten“ oder „Therapieerfahrene“ kamen zum Einsatz und ließen sich auch in medizinischen sowie politischen Dokumentations- und Analysepapieren zur psychiatrischen Versorgung wiederfinden. Ihre alltägliche Anwendung verorten wir zwischen den beiden Polen, sehr sensibel mit dem Ausdruck „chronisch“ umgehen zu wollen (Abwesenheit zu schaffen), aber dennoch Bewertungsmöglichkeiten entlang der bekannten Klassifikation für die professionelle Arbeit bewahren zu wollen (Anwesenheit zu schaffen), um mit dem Phänomen der „Wiederkehr“ / des „Rückfalls“ umzugehen, diesen zu erklären wie auch zu diagnostizieren und zu behandeln. Vor diesem Hintergrund wurde im Laufe der Forschung deutlich, dass wir nicht alleinig Klassifizierungen als entscheidende Momente in der Produktion von Chronizität in den Blick nehmen können, sondern eine ökologische Perspektive einnehmen wollen, um die Formierung von Pfadabhängigkeiten jenseits des Klassifizierens fassen zu können. Den Begriff der „Pfade“ verwenden wir im folgenden heuristisch, um zu problematisieren, wie in der Mittendamm-Klinik – durch die Art der therapeutischen Angebote, der kontinuierlichen Aufforderung, sich aktiv im Therapiealltag einzubringen, und den entsprechenden Rückmeldungen durch die BehandlerInnen – PatientInnen kontinuierlich in die Behandlungsentscheidungen einbezogen werden. Dabei ist es uns wichtig, den Begriff des Pfades von jenem der „Bahn“ abzusetzen: Statt eine Bahn vorzugeben und PatientInnen sprichwörtlich „auf Schiene“ zu bringen, waren die MitarbeiterInnen bemüht, PatientInnen durch die Behandlung einen „Pfad“ vorzuzeichnen, der in letzter Instanz von den PatientInnen selbst gegangen werden musste. Dieser Modus des Therapierens zielte nicht darauf ab, PatientInnen als Grundstein für die (Selbst-)Intervention in das „geisteskranke Selbst“ und seine Normalisierung eine spezifisch moderne Selbsterkenntnis beizubringen. Kognitivpsychische Therapien spielten im Behandlungsalltag nur eine Rolle unter vielen. Ihre Wirksamkeit wurde meist von einem deutlich weiter gefassten Kontext, wie zunächst etwa der Station, abhängig gemacht. Auf Station wurde den PatientInnen ein Alltag angeboten, der sich an einem Tagesrhythmus (Essens- und Ausgehzeiten), der Notwendigkeit vermehrt soziale Verbindlichkeiten ein- und auszuhalten (The- © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 226 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) rapiezeiten, Stationspflichten), einem offenen Umgangston und einem Mindestmaß an Selbstverständnis und Voraussicht festmachen ließ und von den PatientInnen angenommen werden sollte. Dabei war besonders wichtig, dass den Verbindlichkeiten zunehmend zuverlässig begegnet wurde. Ziel der Alltagssimulation als Behandlungspraxis war also gerade kein kognitiver Lernprozess, der erst in zweiter Instanz Gesundung nach sich zöge. Vielmehr stand ein mimetisches Lernen im Sinne eines ‚Nach-Machens‘ und ‚Sich-Gewöhnens‘ an den Stationsalltag im Zentrum, kurz eine Re-Routinisierung des aus den Fugen geratenen, selbstverständlichen Alltags auf der Ebene von Praxis. Ein Beispiel: Die Mittendamm-Klinik legt einen Schwerpunkt auf innovative Behandlungsansätze sozialpsychiatrischer Tradition. Einer dieser Behandlungsansätze, der den Modus des Choreografierens auf spezifische Weise verdeutlicht, ist die sogenannte Behandlungskonferenz (BK). Inspiriert von skandinavischen Behandlungsmodellen wie der bedürfnisangepassten Behandlung und dem Konzept des open dialogue (Aderhold u.a. 2003; Seikkula/Arnkil 2011) sollen in der BK die Bedürfnisse und Ressourcen der PatientInnen in den Vordergrund gestellt werden. Ziel ist es, durch die Beteiligung der PatientInnen in Planung wie Evaluation der Therapie die Selbstwirksamkeit zu fördern. Eine BK bestand in der Klinik aus mehreren Schritten und folgte mit wenigen Variationen folgendem Ablauf: In einem Gesprächskreis mit mehreren BehandlerInnen und der Patientin, der circa eine halbe Stunde dauerte, wurden bisherige wie zukünftige Therapieschritte besprochen und gemeinsam Ziele formuliert. Im Zentrum des Gesprächskreises saßen die Patientin und der Behandler, der die BK moderierte; mit etwas Abstand dazu waren im Halbkreis, mit Blick auf das Behandler-PatientinPaar, die anderen Stühle angeordnet, auf denen zwei bis sechs weitere Mitarbeitende der Station an der BK teilnahmen. In der Regel begann die Moderation mit der Frage des Behandlers, wie die letzte Woche der Patientin und die Umsetzung der vereinbarten Ziele der letzten BK verliefen. Diese „Ziele“ und die „konkreten nächsten Schritte“ wurden in einem Protokoll der letzten BK festgehalten, das allen Beteiligten der BK – auch der Patientin – ausgehändigt wurde. Bei einer Patientin, die wir Frau Siebert nennen, waren diese Ziele beispielsweise: „1. Aktivitätsradius erweitern, 2. alleine spazieren gehen 3. Treffen mit Freunden“7, die dann in folgende konkrete Schritte übersetzt wurden: „Zu 1. und 2.: Mehrmals am Tag raus gehen (auch häufig bis zur Ampel gehen); Begleitung zum Spazierengehen suchen; bewusst auch die Geräusche von draußen wahrnehmen und sich daran gewöhnen; zu 3.: Freund anrufen und neuen Termin ausmachen.“ Auf die Eingangsfrage zum Verlauf der vergangenen Woche reagierte Frau Siebert meist ausführlich mit einer Schilderung über gut und weniger gut Gelungenes. Der Moderator, oftmals war es ihr behandelnder Arzt oder 7 Diese Zitate stammen aus den Protokollen, die uns von Frau Siebert und den beteiligten MitarbeiterInnen der Klinik zur Verfügung gestellt wurden. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 227 die Sozialarbeiterin der Station, fragte „wiederholend“ nach („Sie haben es also bis zum Ausgang an der Baumstraße geschafft, aber auf dem Rückweg hatten Sie wieder mit den Ängsten zu kämpfen?“), erfragte weitere Details („Sind Sie vorne am Hauptgebäude entlanggegangen oder hinten durch den Park am Rosenbeet vorbei?“) oder versuchte mehr über das Gefühl, das sie beschrieb, zu erfahren („Und was denken Sie, warum gerade der Rückweg so angstbesetzt ist?“). Nach dem erfolgten Rückblick wurden meist die nächsten Maßnahmen besprochen („Was meinen Sie, was könnten dann weitere Schritte sein?“ oder „Was brauchen Sie noch, um das zu schaffen?“). Diesem ausführlichen Gespräch folgte der Teil der Reflexion im Team, den der Moderator mit folgenden Worten einleitete: „Jetzt können wir beide uns zurücklehnen und uns anhören, was die anderen für Gedanken zu dem gerade Besprochenen haben.“ Meist herrschte eine Weile Schweigen, bis die erste „in den Raum hinein“ Gedanken äußerte. Dabei wurden weder die Patientin noch die anderen Mitarbeitenden angesprochen, sondern „laut nachgedacht“: „Ich fand es beeindruckend, dass Frau Siebert sich trotz der Rückschläge in der letzten Woche selbst motiviert hat, ihre Trainingsrunden im Park wieder aufzunehmen und sich nicht hat entmutigen lassen...“ oder „Ich fand es schön, dass Frau Siebert uns in dieser Runde so offen ihre Gefühle zeigt und dass sie uns das Vertrauen schenkt, ihre Ängste kennenzulernen ...“. Nach dieser Reflexionsrunde, hatte die Patientin die Möglichkeit auf die Reflexionen zu reagieren. Schließlich fasste jene Mitarbeiterin, die protokollierte, am Ende der BK zusammen, welche Punkte sie sich im Verlauf der BK als mögliche Ziele und entsprechende konkrete Schritte für die kommende Woche notiert hatte. Die Patientin konnte und sollte sich zu diesen Punkten äußern: Waren das die Ziele, die sie sich vorgestellt hatte, waren es aus ihrer Sicht realistische Schritte, wollte sie etwas anders machen oder noch etwas hinzufügen? Diese Ziele und Schritte wurden entsprechend im Protokoll vermerkt und später allen Beteiligten, auch der Patientin, ausgehändigt. Anhand der beschriebenen Elemente sollte innerhalb der BK an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Behandlungsschritte gearbeitet und das Ziel einer zunehmenden „Selbstwirksamkeit“ der Patientin erreicht werden. Selbstwirksamkeit bedeutete dabei im therapeutischen Konzept der Mittendamm-Klinik vor allem die Fähigkeit, unter den Bedingungen der Erkrankung wieder möglichst eigenständig einen routinierten Alltag herstellen zu können. Wie eingangs erwähnt, verlieren Menschen in akuten psychischen Krisen vor allem die Selbstverständlichkeit des eigenen Alltags: den Tagesablauf zu strukturieren (regelmäßig aufzustehen, zu essen, Aktivitäten zu planen), Kontakte mit anderen Menschen zu pflegen oder auch sich in der Stadt zu bewegen. Das Beispiel aus der BK von Frau Siebert zeigt dies deutlich: Sich innerhalb des Klinikgeländes und der näheren Umgebung zu bewegen oder Termine mit Freunden zu vereinbare waren keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern mussten als Teil der Therapie von ihr erarbeitet werden. Die Behandlungs- © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 228 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) konferenz war dabei nur ein Baustein in der praktizierten Behandlungschoreografie einer psychiatrischen Station. Neben anderen gesprächs- und beschäftigungstherapeutischen Formaten, die von ÄrztInnen und PsychologInnen angeboten wurden, gehörten zu dieser Choreografie vor allem auch viele routinisierte Praktiken seitens der Pflegekräfte: offene und geschlossene Türen, fixe Medikamentierungszeiten und Regelungen, wer seine Medikamente selbst abholen durfte, wer sie zugeteilt bekam, Absprachen bzgl. Freigang, Anwesenheits- und Verhaltensnotizen und eine flexible Raumnutzung, bei der durchaus auch Rückzugsorte des Personals für PatientInnen geöffnet wurden. Diese alltäglichen Praktiken sollten, ähnlich wie die Behandlungskonferenz, den PatientInnen keine starren Vorgaben liefern, sondern als therapeutische Maßnahmen auf die Aktivierung der PatientInnen und deren möglichst selbstständige Gestaltung des eigenen Alltags abzielen. Alltag lernen: über das Verhältnis von Choreografie und Subjektivierung Kritische Stimmen mögen angesichts dieser Analyse anmerken, dass alle diese Praktiken ohne weiteres als disziplinierende Techniken verstanden werden können, wenn auch im spätmodernen Gewand der Anleitung zur selbst-technologischen Normalisierung. Autoritäre Disziplinierung ist auch in der psychiatrischen Klinik einer gouvernementalen Regierungsform gewichen. Dies mag sich als zutreffend erweisen. Die Arbeit der letzten Jahre in und mit der Psychiatrie hat uns aber dazu gebracht, eine zweite komplementäre Lesart anzubieten. Dabei reicht es nicht als Begründung für eine solche zweite Lesart, dass das psychiatrische Personal ebenfalls Foucault gelesen hat und versucht, Kontrolle und Fürsorge in Einklang zu bringen. Denn, wie Foucault zu Recht klarstellt, wissen die Menschen zwar, was sie tun und manchmal sogar, warum sie es tun. Aber sie wissen nicht, was das, was sie tun, tut (Dreyfus 1982). Wir möchten ebenfalls ausdrücklich unterstreichen, dass ko-laborative Forschung nicht einfach Komplizenschaft mit sich bringt und wir daher auch nicht versuchten, das kritische Register zugunsten der Psychiatrie zu verändern. Vielmehr führt uns der praxistheoretische Blick vor Augen, dass sich das Ziel des Behandelns nicht vornehmlich dem Subjekt im Foucault’schen Sinne widmet, sondern sich auf spezifische performative Akte, verkörperlichtes Lernen und die Routinisierung von Praktiken richtet. Selbstverständlich zieht auch eine solche Behandlungspraxis Subjektivierungseffekte nach sich. Daher verstehen wir unsere Theoretisierung als komplementär statt alternativ. Das Foucault’sche Grundproblem der Spannung zwischen Fürsorge und Kontrolle löst sich nicht auf. Jedoch geht mit dieser alltagsorientierten Behandlungspraxis nicht die eine Subjektposition einher. Machtwissensregime werden stets dafür kritisiert, spezifische Prozesse der Interpellation voranzutreiben und dem Individuum damit nur noch zwei Möglichkeiten zu geben: Hingabe in die vorgegebene Subjektposition oder mehr oder weniger offene Widerständigkeit (z.B. Foucault © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 229 1978). Dritte Wege sind meist nicht vorgesehen. Der hier diskutierte psychiatrische Ansatz der Pfadformierung entfaltet sein zweifelsohne vorhandenes Machtwissen vorsichtiger. Er transportiert nicht die eine Subjektposition, sondern überlässt den Einzelnen bis zu einem gewissen Grad die Wahl, wie sie sich zu den angebotenen Alltagen verhalten möchten. Hier entstehen also neue „Freiheitsgrade“ (Haraway 2008: 72ff.) für PatientInnen, die diese grundsätzlich in zweifacher Art und Weise nutzen: Erstens denken sie sich häufig ihren Teil zu den ihnen angebotenen Routinen, ohne dies notwendigerweise zu thematisieren oder gar zu problematisieren. Zweitens nutzen sie die Freiheitsgrade der angebotenen Pfade, um die Stationsalltage mitzugestalten und auszuhandeln. Durch das Choreografieren auf Station wird agency verteilt. Diese Perspektive weicht entscheidend von Foucault ab. Hier werden weder vorrangig Individuen autoritär diszipliniert noch Machtwissensregime installiert, die nur eine spezifische Subjektposition anbieten und der regulierenden Wirkung von Selbsttechnologien vertrauen. Die Stationsalltage entsprechen auch nicht den disziplinierenden Räumen der frühmodernen Institutionen, von denen man die Verbesserung devianter Individuen erwartete. Vielmehr werden in der Mittendamm-Klinik Alltage ko-produziert und zwar sowohl zwischen Behandelnden und PatientInnen als auch in einem Geflecht von Akteuren unterschiedlichsten ontologischen Status. Alltag ist in diesem Sinne unbedingt als materiell-semiotische Praxis zu verstehen. Das gemeinsame Choreografieren stationärer Alltage bietet PatientInnen also nicht nur eine Subjektposition an, sondern ermöglicht ihnen Freiheitsgrade in den Gefügen des Alltags.8 Diese analytische Perspektive stellt Choreografieren als Prozess in den Vordergrund. Während Subjektivierungsanalysen meist teleologische Züge tragen, indem sie vom Ende her – nämlich der problematischen Subjektposition – Anrufungsprozesse analysieren, zielt der Begriff des Choreografierens ergebnisoffener auf Verläufe. In unserem Forschungsprojekt zur „Produktion von Chronizität“ wurde an dieser Stelle die Frage nach der Entstehung von Pfadabhängigkeiten zentral, denn auch eine praxistheoretische Perspektive muss zur Kenntnis nehmen, dass Chronifizierung eine Tat-Sache des psychiatrischen Feldes ist. Pfadabhängigkeiten und Freiheitsgrade stehen hier in einem Spannungsverhältnis. Dabei löste sich die Spannung auf den Stationen häufig zugunsten der Freiheitsgrade auf. Dies rührte daher, dass die Choreografie des Stationsalltags zu einem wichtigen Teil professionelle AkteurInnen mit einbezog, deren Beruf es ist, mit den Störungen von Alltagsgefügen professionell umzugehen. Reibungen wurden vielfach abgefangen und damit Freiheitsgrade erhalten. So entstanden stabile Alltagsgefüge, in denen vormals akut verstörte PatientInnen „stabil“ ihren Alltag (er)leben konnten. An Grenzen stießen diese vermeintlichen Erfolge in Extremfällen der Zwangsbehandlung, wenn BehandlerInnen eine thera8 Zur praxistheoretisch-informierten Analyse neuerer sozialpsychiatrischer Behandlungsansätze in unterschiedlichen Kliniken in Berlin und Brandenburg siehe weiteres Bister/Niewöhner 2014. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 230 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) peutische Maßnahme zur Vermeidung einer Eigengefährdung der PatientInnen oder von Fremdgefährdung als unerlässlich ansahen. Außerdem geriet die stationär erlernte Stabilität oftmals ins Wanken, wenn PatientInnen in den großstädtischen Alltag entlassen wurden, in dem um die Verteilung von agency und Freiheitsgraden in Alltagsgefügen ganz anders gerungen wird. Vom Scheitern der erlernten Choreografien nach Entlassung Häufig waren PatientInnen nach ihrer Behandlung in der Mittendamm-Klinik herausgefordert, stabile post-stationäre Alltage und Lebensweisen aufzubauen. Dass dies oftmals nur unzufriedenstellend gelang, belegt die Figur des „Wiederkehrers“, die auf jeder Station präsent war. Während „Rückfälle“ und zunehmend chronische Verläufe innerhalb des psychiatrischen Faches oder im öffentlichen Diskurs häufig den Betroffenen bzw. individuellen genetischen, neuropathologischen, psychischen oder charakterlichen Faktoren zugeschrieben werden, um mangelnde Behandlungserfolge zu erklären, wird die Gegenposition der Sozialpsychiatrie seltener argumentiert: Psychische Erkrankungen und ihre Chronifizierung seien ein gesellschaftliches Phänomen, d.h. im Einzelnen zeige sich die Krankheit der Gesellschaft, und daher müsse auch diese sich ändern und nicht der oder die Betroffene. Beide Argumentationslinien – radikale Individualisierung oder eine ebensolche Vergesellschaftung des Phänomens Chronifizierung – werden unseres Erachtens der aktuellen Situation psychischer Erkrankungen und ihrer Behandlungen nicht gerecht. Unser Blick auf Prozesse des Choreografierens und ihres Scheiterns macht vielmehr zum empirischen Problem, wann und wie spezifische Pfadabhängigkeiten produziert werden. Wir hatten im hier diskutierten Forschungsprojekt die Möglichkeit, mit einigen vormals auf der Station behandelten PatientInnen über einen Verlauf von teilweise mehreren Jahren Kontakt zu halten und uns mit der Frage nach der „Produktion von Chronizität“ in außerklinischen Kontexten auseinanderzusetzen. Die Menschen, mit denen wir nach ihrer stationären Behandlung Kontakt hielten und die wir in sehr unterschiedlichem Ausmaß in ihre privaten Alltage begleiten durften, lebten in ihrer eigenen Wohnung und wurden ein- oder mehrmals in der Woche von einer Sozialarbeiterin aufgesucht, um anstehende Schwierigkeiten und Fragen gemeinsam zu bearbeiten. Ausnahmslos standen alle Betroffenen unter medikamentöser Behandlung durch eine niedergelassene Nervenärztin, und die Mehrzahl hatte eine rechtliche Betreuung für finanzielle, gesundheitliche und administrative Belange. Ähnlich wie im klinischen Kontext könnte man auch hier wieder die subjektivierenden Effekte einer solchen Infrastruktur der Sorge kritisieren. Das ethnografische Material zeigt aber auch noch eine andere Dimension. Betroffene versuchten nach dem Verlassen der Klinik möglichst den routinisierten Alltag der Klinik wieder herzustellen. Dabei konnten sie nicht mehr auf den engen Klinikkontext bauen. Vielmehr © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 231 legten sie ihre Tagesabläufe durch ausgewählte Elemente des Stadtraums und der psychiatrischen Infrastruktur. Diese Auswahl beruhte weniger auf einem erlernt-reflektierten Auswahlprozess als auf einem tastenden Ausprobieren. Für ein Gelingen musste die Offenheit des Stadtraums auf einen handhabbaren Alltag reduziert werden, der auch für persönliche Besonderheiten genügend Freiheitsgrade ermöglichte. Dazu gehörten beispielsweise neben der gemeindepsychiatrischen Infrastruktur auch Parks, öffentliche Räume und Cafés, in denen man einfach einen Nachmittag sitzen konnte, ohne dass sich jemand an einem etwas ungewöhnlichen Auftreten störte; dazu gehörten auch Ämter und Verwaltungsangestellte, deren MitarbeiterInnen durch Flexibilität Wohnsituationen und Familienverhältnisse ermöglichten. Die Feldforschungen machten deutlich, wie durch kleinste Freiheitsgrade der offene und häufig überfordernde Stadtraum nach Entlassungen aus der Klinik weiter choreografiert wurde. Wir gehen davon aus, dass diese Form des ‚Stadt-aushaltbar-Machens‘ bei post-stationären Individuen nur besonders auffällig beziehungsweise gut beobachtbar war, prinzipiell aber einen universellen Prozess darstellt. Wichtig ist uns dabei, dass gelingende post-stationäre Verläufe nicht im eigentlichen Sinne auf kognitivpsychische Lern- oder gar Heilungsprozesse zurückzuführen sind. PatientInnen lernten mehr oder weniger mimetisch Alltage zu leben. Sie folgen in der Klinik vorgetretenen Pfaden, um die ökologische Analytik des britischen Sozialanthropologen Tim Ingold aufzugreifen (Ingold 2010). In der offenen Wildnis des post-stationären Stadtraums stehen den PatientInnen allerdings kaum Karten und Wegweiser zur Verfügung, die sie in der Klinik nutzen konnten. Handlungsfähigkeit wird also nicht kognitiv auf das Individuum zentriert. Vielmehr wird deutlich, dass Choreografieren ein verteilter sozio-materieller Prozess ist. Da nach Entlassung wichtige Stützen fehlten, gelang es nur in manchen Fällen, rasch neue Pfade zu finden. In den meisten Fällen führte die post-klinische Neuverteilung von Handlungsfähigkeit zu einem Verlust an Freiheitsgraden. Neben alltäglichen Interessenkonflikten und fehlender Unterstützung im öffentlichen Raum spielen gerade die Kürzungen und Umstrukturierung öffentlicher Räume und öffentlicher Verwaltung beziehungsweise des Gesundheitswesens der letzten zehn bis fünfzehn Jahre hierbei eine wesentliche Rolle. In der Folge brechen die erlernten Alltage im Leben außerhalb der Klinik potenziell rasch zusammen, und PatientInnen ziehen sich überfordert aufs Neue in die klinischen Alltage zurück. Unser Projekt konnte nur erste Hinweise darauf geben, warum Freiheitsgrade so rasch verloren gehen. Es konnte aber durch seine langfristige ethnografische Forschung in den Alltagen der Betroffenen darlegen, dass der analytische Blick auf die Verteilung von Handlungsfähigkeit eine vermittelnde Position zwischen Individualisierung und Vergesellschaftung von psychiatrischen Phänomenen ermöglicht. © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner 232 Martina Klausner, Milena D. Bister, Jörg Niewöhner, Stefan Beck (†) Fazit Unsere ko-laborative Forschung hat zweierlei ermöglicht: Zunächst erlaubte sie es uns, langfristig sowohl in klinischen wie in post-stationären Alltagen von Betroffenen ethnografisch zu forschen. Dies ist vor allem dem Aufbau von Vertrauen zuzuschreiben, der durch den kontinuierlichen Austausch in verschiedenen Formaten ermöglicht wurde. Darüber hinaus spielte auch die neue Art von Reflexivität, die wir in gemeinsamen Diskussionen aufbauen konnten, eine Rolle: eine Reflexivität, die aus der Mobilität zwischen verschiedenen Perspektiven resultiert. Man könnte sogar noch weiter gehen und sagen, dass diese Form des engen Austauschs nicht nur einen Perspektivwechsel möglich machte, sondern dass wir in gewisser Weise ausprobieren konnten, wie eine jeweils andere Praxis- und Denkgemeinschaft in der Welt ist: ihr „worlding“, wie Anna Tsing es nennen würde (Tsing 2010). Ko-laboratives Forschen hat uns sodann inhaltlich die Möglichkeit verstellt, eine Subjektivierungskritik an das Feld heranzutragen, die diesem bereits vollständig bewusst war. Daraus ergab sich die gemeinsame Suche nach einer analytischen Perspektive, die den neuen klinischen Behandlungsformaten gerecht werden konnte, ohne dabei Subjektivierungsformen außer Acht zu lassen. Neben kontinuierlichem Austausch mit einzelnen PatientInnen über mehrere Jahre hinaus, führten wir hierfür regelmäßige, analytische Arbeitstreffen mit MitarbeiterInnen aus der Psychiatrie sowie forschungsbegleitende Feedback-Veranstaltungen in der Mittendamm-Klinik durch. Als Ergebnis dieser mehrteiligen Forschungsprozesse zum zeitgenössischen Alltag in der Psychiatrie bieten wir in dem vorliegenden Artikel das Konzept der Choreografie an, um darauf hinzuweisen, dass, erstens, Behandeln als konkrete Praxis von Behandelnden wie Betroffenen gemeinsam und in einem konkreten Umfeld vor allem aus Station, Verwaltung, disziplinärem Wissen und Medikamentierung ausgehandelt wird. Zweitens betonen wir mit dem Konzept der Choreografie die Verteilung von Handlungsfähigkeit in spezifischen materiell-semiotischen Praktiken. Diese sind Gegenstand der Untersuchung. Dies ist vor allem deshalb sinnvoll, weil die neuen Behandlungsformate Alltage choreografieren und damit in erster Instanz nicht auf das Individuum und seine kognitiv-psychischen Kapazitäten zielen, sondern auf Alltagspraxis. Aus dieser Verschiebung von Subjekt zu Praxis als Ziel medizinischer Intervention resultieren für die Betroffenen Freiheitsgrade mit Blick auf ihr Selbstverständnis und auf mögliche Zukünfte. Wie brüchig diese Choreografien sind und dass sie eigentlich nur unter den kontrollierten Bedingungen einer psychiatrischen Station wirklich stabil gehalten werden können, zeigt das häufige Zusammenbrechen dieser Choreografien nach der Entlassung von PatientInnen in ihre städtischen Alltage. Das Verschwinden von Redundanzen und Flexibilität in Stadträumen im Zuge der ökonomischen Krisen der letzten Dekade hat diese Situation verschärft. Die Pfadabhängigkeit, die in der Psychiatrie als Chronifizierung bezeichnet und zu vermeiden versucht wird, ergibt sich also ironischerweise nicht aus einer Stabili- © Waxmann Verlag GmbH | Sonderdruck für Martina Klausner, Milena D. Bister und Jörg Niewöhner Choreografien klinischer und städtischer Alltage 233 sierung von Praxismustern durch individuelle (genetische, psychische) oder strukturelle (Gesellschaft, Medizin) Faktoren. Vielmehr entsteht sie durch das wiederholte Zusammenbrechen von etablierten Routinen beim Wechsel der Umwelt von klinischer Station zurück in die Stadt. Die Ursache für eine anhaltende Chronifizierung, so zeigt die praxistheoretische Perspektive, die wir hier entwickelt haben, liegt damit weder im Individuum noch in der Gesellschaft, sondern vielmehr in den materiellsemiotischen Beziehungsgeflechten alltäglicher Praxis. Literatur Aderhold, Volkmar u.a. (Hrsg.) (2003): Psychotherapie der Psychosen. Integrative Behandlungsansätze aus Skandinavien. Gießen. 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