Kirkuk
Kirkuk (arabisch كركوك, DMG Kirkūk, kurdisch کهرکووک Kerkûk, türkisch Kerkük) ist eine Universitätsstadt im Norden des Irak und die viertgrößte Stadt des Landes.[2] Sie ist das Zentrum der irakischen Erdölindustrie. Die Stadt Kirkuk liegt in einer Ebene mit einem Hügel. Der Hügel enthält mit der Zitadelle den ältesten Teil der Stadt. Kirkuk wird durch den Fluss Hassa und die Zitadelle in drei Teile geteilt. Seit der Destabilisierung des Landes 2003 gehört die Stadt zu den umstrittenen Gebieten des Nordirak.[3]
Kirkuk | ||
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Lage | ||
Koordinaten | 35° 28′ N, 44° 24′ O | |
Staat | Irak | |
Gouvernement | Kirkuk | |
Basisdaten | ||
Höhe | 330 m | |
Einwohner | 1.052.000 (2022)[1] | |
Vorwahl | 50 (Stadt), 964 (Land) | |
Postleitzahl | 36001-36015 | |
Bürgermeister | Najmaddin Kareem |
Name
BearbeitenDer alte Name der Stadt war Arrapḫum und später Arrapḫa, sie war die Hauptstadt des gleichnamigen Königreiches Arrapḫa.[4] Das Königreich war ein Vasallenstaat des Reichs Mittani/Hanilgabat.[5] „Soweit bekannt ist, wird der Name Kirkuk (Karkuk) zum ersten Mal in dem Persischen Buch Zafar-nama erwähnt“.[6] Laut Berechnung von Asoss M. Qader wird die erste Erwähnung des Namens Kirkuk in der heutigen Form auf 1393 n. Chr. datiert.[7]
Nach dem Zusammenbruch des Assyrischen Reiches wird die Gegend um Kirkuk von Ptolemäus[8] Kurkura benannt, was den Namen Baba Kurkur (auch Baba Gurgur) – einem offenen Ölfeld vor der Stadt – erklären könnte. Unter den Seleukiden wurde Kirkuk in Karkha D-Bet Slokh umbenannt. Der Name bedeutet Zitadelle des Hauses Seleukios und war aramäisch – die damalige Lingua franca.[9][10]
Das Gebiet um Kirkuk nannten Parther und Sasaniden Garmakan, was Warmes Land oder Heißes Land bedeutet.[11] Gleichzeitig nennen die Kurden das Gebiet Garmian/Germiyan. Türkische Stämme aus Germiyan gründeten im 14. Jahrhundert im westlichen Kleinasien das Beylik Germiyan.
Als die Araber im Zuge der islamischen Expansion im 7. Jahrhundert den Nahen Osten eroberten, nannten sie die Stadt Kirkheni (Zitadelle). Andere arabische Namen waren Bajermi oder Jermakan, was vom iranischen Namen Garmakan abstammt.[11] Die heutige Form Kirkuk wird zum ersten Mal in dem Werk Zafarnama des Scharaf ad-Din Ali Yazdi († 1454) aus dem 15. Jahrhundert erwähnt (erhaltenes illuminiertes Manuskript von Ibrahim Sultan, 1436). Das Zafarname ist die Biografie Timurs, der Kirkuk erobert hatte.
Klimatabelle
BearbeitenKirkuk | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Kirkuk
Quelle: wetterkontor.de
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Bevölkerung
BearbeitenIm Jahr 1912 lebten in Kirkuk geschätzte 12.000 Personen. Im Jahr 1965 gaben offizielle Bevölkerungsstatistiken 184.000 Einwohner an, darunter 71.000 Kurden, 55.000 Turkomanen und 41.000 Araber. Es gab allerdings erhebliche staatliche Anstrengungen, Araber anstelle von Kurden anzusiedeln.[12] Die Bevölkerung Kirkuks lag 2014 bei 1.000.000 Einwohnern.[13] Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Kurden.[14][15] Weitere nennenswerte und große Volksgruppen der Stadt sind Araber und Turkmenen. Zu den kleineren Minderheiten zählen unter anderem die christlichen Assyrer. Vor allem die Deportierung der Kurden unter Saddam Hussein hat die Bevölkerungsstruktur der Stadt völlig verändert und befeuert die Kontroverse der Zugehörigkeit der Stadt zu Kurdistan oder aber zum Irak bis heute.[14]
Arabische Einwanderung
BearbeitenErste Araber ließen sich bereits mit der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert in der Region nieder. Die zwei bedeutendsten arabischen Familien waren später die Tikriti und die Hadidi (الحديدي). Die Tikriti wanderten, wie ihr Name sagt, im 17. Jahrhundert aus Tikrit nach Kirkuk ein. Andere arabische Familien, die sich während der osmanischen Herrschaft hier niederließen, sind die al-Ubaid (العبيد) und die al-Dschiburi (الجبور). Die Al-Ubaid wurden von anderen arabischen Stämmen aus ihrer Heimat nordwestlich von Mossul vertrieben.
Turkmenische Einwanderung
BearbeitenAls Kirkuk im 16. Jahrhundert von den Safawiden erobert wurde, begann die Besiedlung mit turkmenischen Stämmen. Die Safawiden versuchten ihre schiitische Konfession der sunnitischen Bevölkerung aufzudrücken.
Aus der turkmenischen Sicht gab es drei Einwanderungsperioden. Die ersten Turkmenen kamen als Soldaten der umayyadischen und abbasidischen Kalifen nach Kirkuk. Doch diese ersten Einwanderer wurden von der arabischen und kurdischen Bevölkerung aufgesogen und integriert. Die zweite Einwanderungswelle kam mit den Seldschuken, als Tughrul Beg 1055 in den heutigen Irak einfiel. Die Seldschuken hielten die Stadt Kirkuk 63 Jahre lang. In osmanischer Zeit zogen dann immer mehr Turkmenen nach Kirkuk.
Der irakische Historiker Abdul-Razzak Al-Hassani (عبدالرزاق الحسني) ist hingegen der Ansicht, dass die Turkmenen Teile der Armeen Murads IV. von 1638 waren, die in Kirkuk angesiedelt wurden, um das Gebiet zu sichern.
Kurdische oder irakische Identität der Stadt
BearbeitenIm Jahr 2012 besuchte der damalige irakische Premier Nuri al-Maliki die Stadt und hob die, nach ihm, irakische Identität[16] der Stadt, aufgrund der vielen Ethnien, hervor und verärgerte damit die kurdische Bevölkerungsmehrheit der Stadt, die sich seit jeher eine Angliederung an Kurdistan wünscht. Diese sehen Kirkuk nämlich als ihre heimliche Hauptstadt und erkennen in ihr vor allem eine rein kurdische Identität, die laut ihnen durch die Arabisierung der Regierung Saddam Husseins, verändert wurde. Während der Regierungszeit Husseins wurden ca. 250`000 Kurden aus Kirkuk vertrieben und Araber angesiedelt.[17][18] Nach dem Sturz Husseins 2003 verlangten die Kurden, dass die vertriebenen Kurden wieder nach Kirkuk zurückkehren können.[18]
Laut dem Historiker Kamal Mudhir Ahmed wurde die Kontroverse um die Identität der Stadt erst Anfang des 20. Jahrhunderts größer, als die ölreichen Felder in der Region entdeckt wurden.[19] Zuvor gab es laut Kamal Mudhir Ahmed keinen Disput um die kurdische Identität der Stadt, die über Jahrhunderte auch als Hauptstadt des kurdischen Baban-Reiches diente. Weiterhin erwähnt er, dass die ethnische Säuberung der Stadt, angetrieben durch die Baathisten, ab den 1960er Jahren vor allem gegen die kurdische Bevölkerung der Stadt gerichtet war, jedoch auch die turkmenische Minderheit traf.[20]
Religion
BearbeitenIn Kirkuk wohnen rund 2000 christlich-assyrische Familien. Etwa die Hälfte gehören der Chaldäisch-Katholischen Kirche mit der Kathedrale Herz Jesu an. 2013 wurde das Erzbistum Kirkuk mit dem Bistum Sulaimaniya zum Erzbistum Kirkuk-Sulaimaniya vereinigt. Sein Erzbischof ist seit 2014 Yousif Thomas Mirkis OP.
Weitere Christen Kirkuks sind Angehörige der syrisch-orthodoxen, syrisch-katholischen und armenisch-orthodoxen Kirchen.
Geschichte
BearbeitenAltertum
BearbeitenDie Geschichte von Kirkuk geht mehrere Jahrtausende zurück. Kirkuk war Hauptstadt des hurritischen Reiches von Arrapḫa.[21] Durch die Archive von Nuzi liegen bspw. besonders gute Informationen über die Wirtschaft von Arrapḫa vor.
Arrapḫa wurde um 1225 v. Chr. durch Tukulti-Ninurta I. erobert, konnte danach aber seine Selbständigkeit kurz wieder erlangen. Im 10. und 11. Jahrhundert v. Chr. entwickelte sich die Stadt unter den Assyrern weiter. Die Stadt lag auf der Route der assyrischen Kriegszüge gegen Urartu und andere nördliche Länder. So erfolgte der Kriegszug des Nabopolassar 609 bis 607 v Chr. gegen Urartu über Arrapḫa, Arbela, Nisibis, Mardin und den Tur Abdin.
Die Assyrer wurden durch ein Bündnis von Medern und Babylonier geschlagen.[22] So fiel die Stadt Arrapḫa an die Meder und nach ihnen an die Achämeniden. In parthischer und sasanidischer Zeit war Kirkuk Hauptstadt des Reiches Garmakan.
Von der Islamischen Expansion in die Neuzeit
BearbeitenIm 7. Jahrhundert n. Chr. fiel das Gebiet unter arabisch-islamische Herrschaft. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts wurde Kirkuk von Daquq aus verwaltet. Im späten Mittelalter gehörte Kirkuk zum osmanischen Wilayet Schahrazor, dessen Hauptstadt es seit dem 16. Jahrhundert war. Nach arabischer, seldschukischer, mongolischer, persischer und osmanischer Eroberung war Kirkuk bis Ende des 18. Jahrhunderts für knapp 200 Jahre Hauptstadt des autonomen kurdischen Baban-Fürstentums.[23]
Von der Moderne ins 21. Jahrhundert
BearbeitenDen ältesten erhaltenen Dokumenten zufolge war die Familie Neftçizade lange vor 1639 in der Gewinnung von Naphtha tätig und bewirtschaftete das Vorkommen Baba Gurgur. In diesem Jahr wurde der Familie von Sultan Murad IV. per Ferman die Nutzniessung dieser natürlich zutage tretenden Quelle übertragen. Der Name Neftçizade ist aus persisch zade – Nachkommen – und arabisch/osmanisch neftçi – Naphtha-Produzenten – gebildet und bezeichnete ursprünglich eine Berufsgruppe. Dem Historiker Philippe Pétriat zufolge lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Familie arabischer, türkischer oder kurdischer Abstammung ist. Um 1840 stiftete sie einen Teil des so erwirtschafteten Einkommens einer Waqf, die mit dem Geld eine Moschee und eine Madrasa bauen ließ und für deren Betrieb Geistliche anstellte. Die Neftçizade waren keineswegs reich, denn der in Handarbeit gewonnene Rohstoff verkaufte sich lediglich als Lampenöl, Tiermedizin oder zur Abdichtung von Booten. Einige Familienmitglieder lebten sogar in Armut und mussten um Steuererlass bitten. Noch um 1892 waren die Neftçizade im Naphtha-Geschäft tätig, doch wurden ab 1889 die Vorkommen enteignet und dem Privatvermögen, dem hazine-i hassa, des Sultans zugeschlagen. Ein Bericht der Hohen Pforte hatte 1888 den Konzessionsnehmern primitive Abbautechnik bescheinigt. Istanbul wollte im Wettlauf um das neue Produkt bitrol nicht ins Hintertreffen geraten.[24]
1913 eröffnete eine Schule der Alliance Israélite Universelle[25] für die Kinder der jüdischen Gemeinde.
Am 14. Juli 1959 kam es bei den Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag des Sturzes der Monarchie zu Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen, bei denen es viele Tote unter der Bevölkerung gab.
Ab 1975 begann die Baath-Regierung kurdische und turkmenische Besitzungen zu verstaatlichen[26] und staatliche Stellen nur noch an Araber zu vergeben.[26]
Im April 2003 wurde die Stadt im Laufe des Irakkrieges von alliierten Truppen und kurdischen Kämpfern erobert. Die Kurden waren Hauptakteure im Kampf um die Befreiung des Iraks, als sie die Nordfront bildeten und Mossul und Kirkuk besetzten. In der Folge verschlechterte sich die Sicherheitslage in Kirkuk, wie auch im Rest des Irak, rapide. In Kirkuk war dies besonders ausgeprägt, weil arabische Sunniten, Kurden und Turkmenen gleichermaßen Anspruch auf die ölreiche Stadt erheben.[27]
Nach dem Vorstoß des Islamischen Staats, der am 10. Juni 2014 zum Fall von Mossul und zum Rückzug der irakischen Armee aus der Region und aus Kirkuk geführt hatte, übernahmen die kurdischen Streitkräfte Mitte Juni die Sicherung der Stadt.[28] Zwar flauten die Kämpfe in den folgenden heißen Sommermonaten ab, doch am 29. Januar 2015 starteten die IS-Kämpfer eine erneute Offensive gegen Kirkuk.[29] Die Großoffensive aus drei Richtungen führte jedoch nur zu Anfangserfolgen und wurde anschließend von den Peschmerga sowie bewaffneten Bewohnern und US-Luftunterstützung abgewehrt.[30]
Vor allem im Südwesten der Stadt kam es auch danach immer wieder zu Gefechten zwischen kurdischen Truppen und den IS-Kämpfern. Im März 2015 drängten die kurdischen Truppen die IS-Kämpfer weiter zurück und befreiten mehrere Dörfer im Vorfeld der Stadt.[31] Hiervon blieb die Ölindustrie jedoch weitgehend verschont, auch wenn sich die Kämpfe oftmals um deren direkte Kontrolle drehten.[32] Bei den Zusammenstößen kamen bis Ende 2015 ca. 800 Menschen ums Leben und weitere 2000 wurden verletzt. Daneben kommt es in der Stadt zu Zusammenstößen zwischen den Peschmerga und schiitischen Milizen, die von der Zentralregierung in Bagdad aufgestellt wurden.[33] In Reaktion auf die Offensive der Regierungstruppen auf Mossul ab dem 17. Oktober (→ Schlacht um Mossul) starteten Schläferzellen des IS am Morgen des 21. Oktober eine Reihe von Anschlägen in und um Kirkuk. Sie stürmten Stationen von Sicherheitskräften und weitere Gebäude, wo sie im weiteren Verlauf des Tages von der Polizei umstellt wurden. Im nahen Dibis stürmten drei Selbstmordattentäter ein Kraftwerk, wo sie 12 irakische und 4 iranische Angestellte töteten.[34] Entgegen einigen früheren Statements von offiziellen Vertretern der Provinz zogen sich die Kämpfe über mehr als zwei Tage hin. Letztendlich sollen die Leichen von mehr als 50 IS-Kämpfern gefunden worden sein, während die Verluste der irakischen und kurdischen Sicherheitskräfte sowie Zivilisten mehr als 100 betrug. Die Frage wie mehr als 100 Kämpfer in die Stadt gelangen konnten, beantwortete der lokale Sicherheitsrat mit der Vermutung, dass sich IS-Anhänger aus Mossul unter die Flüchtlinge gemischt haben könnten, von denen sehr viele im Raum Kirkuk in Camps leben.[35]
Mit dem Rückzug des IS aus der Region spitzten sich die Auseinandersetzungen zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung über Kirkuk zu. Dabei spielen die generellen Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden eine ebenso große Rolle wie der Ölreichtum der Region Kirkuk, wo etwa 10 % der irakischen Ölreserven vermutet werden. Die kurdische Regierung hatte bereits einseitig mit dem Export des Rohstoffes begonnen und Bagdad dabei übergangen. Seit Mai 2016 wurde offen über ein Referendum in der Stadt debattiert, das über deren Zugehörigkeit zur Autonomen Region Kurdistan entscheiden soll.[36]
Nach Angriffen des IS in Kirkuk während der Schlacht um Mossul im Oktober 2016 wurden arabische Einwohner von Kurden aus der Stadt vertrieben.[37] Amnesty International warf den irakischen Kurden vor, eine Kampagne gestartet zu haben, um arabische Iraker aus den vom IS eroberten Gebieten zu vertreiben.[38] Die kurdische Regionalregierung hielt am 25. September 2017 ein umstrittenes Unabhängigkeitsreferendum ab, welches auch die umstrittenen Gebiete wie Kirkuk einschloss. Das Referendum führte zu erheblichen Spannungen zwischen Erbil und Bagdad, so dass im Oktober 2017 die irakischen Streitkräfte Truppen bei Kirkuk konzentrierten, nach dem der IS komplett aus dem Gouvernement Kirkuk vertrieben worden war.[39][40] Am 16. Oktober 2017 zogen sich die Kurden weitgehend kampflos aus Kirkuk zurück.[41]
Volksabstimmung in Kirkuk
BearbeitenLaut der irakischen Verfassung sollten bis März 2007 alle vertriebenen Familien zurückgekehrt sein, um Mitte 2007 eine neue Volkszählung durchzuführen. Im November 2007 sollte dann in einem Referendum entschieden werden, ob die Stadt der Autonomen Region Kurdistan angeschlossen werden wird oder nicht. Ende März 2007 verabschiedete das irakische Parlament eine Entscheidung, nach der alle Araber, die nach dem 14. Juli 1968 nach Kirkuk umgesiedelt wurden, die Stadt verlassen sollen. Ihnen sollte neben einer Entschädigung von 15.000 USD auch Grundstücke in ihrer Heimat, wo sie vor 1968 lebten, zugesichert werden. Seither beklagen sowohl die arabische, assyrische als auch turkmenische Bevölkerung eine systematische De-Arabisierung und Vertreibung anderer Volksgruppen aus der Stadt, mit dem Ziel, die Stadt bis zum Referendum gegen Ende des Jahres 2007 in eine mehrheitlich von Kurden bewohnte Stadt zu verwandeln.[42] Die Türkei versucht dies mit allen Mitteln zu verhindern, da sie befürchten, die Kurden könnten mit dem Erdöl-Reichtum der Stadt einen Staat ausrufen und drohte daher des Öfteren mit einer Intervention.
Das Referendum wurde am 20. Dezember 2007 auf Vorschlag der UNO und Zustimmung der kurdischen Regionalregierung um sechs Monate auf Mitte 2008 verschoben. Die Regionalregierung gab als Grund technische und nicht politische Gründe an.[43] Dennoch wurde das Referendum nicht durchgeführt. Die ethnische Zusammensetzung wird bei jeder Wahl zum Politikum. Für die Wahl zum Repräsentantenrat im Irak 2010 wurden trotz Protesten seitens der Araber und Turkmenen den seit 2004 hinzu gezogenen Kurden das Stimmrecht zugestanden. Im Gegenzug soll den Arabern und Turkmenen eine feste Anzahl Sitze für Kirkuk zugestanden werden.[44]
Wirtschaft
Bearbeiten1902 begann im Irak die Suche nach Öl. Die erste Bohrung fand im Zagros Basin (Nordost-Irak) statt. Der erste Ölfund kam jedoch erst 20 Jahre später zustande. Aus dem Bohrloch Baba Gurgur (kurdisch für „Vater des Feuers“) No. 1 schoss am 14. Oktober 1927 eine riesige Ölfontäne in den Himmel. Neun Tage lang ergossen sich 95.000 Barrel (rund 15 Millionen Liter) pro Tag in die Umwelt, bevor man das Bohrloch verschließen konnte. Das Kirkuk-Ölfeld war damit entdeckt. Ende 1930 waren 20 Bohrlöcher gebohrt und produzierten Öl. 1934 begann der Ölexport über Pipelines nach Tripoli (Libanon) und Haifa. Das größte Ölfeld des Iraks erstreckt sich mittlerweile über 100 km Länge und 12 km Breite und hat eine 610 m dicke ölführende Schicht. Die ursprüngliche Menge Öl im Feld wird mit 16 Milliarden Barrel angegeben. Damit hatte es etwa ein Fünftel der Ölmenge des größten Ölfelds der Welt, Ghawar in Saudi-Arabien, und zählt zu den sogenannten Supergiganten. Es ist das Zentrum der nordirakischen Erdölproduktion. Heute lagern noch 10 bis 12 Milliarden Barrel im Feld.[45]
Pipelines aus der Stadt verlaufen durch die Türkei nach Ceyhan zum Mittelmeer und waren eine der beiden Hauptexportrouten für irakisches Öl im Öl-für-Lebensmittel-Programm der Vereinten Nationen. Kirkuk ist ferner Marktzentrum eines Gebiets, in dem Schafzucht, Getreide- und Obstanbau betrieben werden.
Bildung
BearbeitenMit der Universität Kirkuk verfügt die Stadt seit 2003 über eine Hochschule mit 14 Fakultäten und zahlreichen untergeordneten Fachbereichen.[46]
Sport
BearbeitenDer Kirkuk FC spielt in der höchsten Spielklasse im irakischen Fußball, der Irakischen Fußballmeisterschaft.
Söhne und Töchter der Stadt
Bearbeiten- Mouayed Al-Rawi (1939–2015), Schriftsteller, Dichter und Maler
- Mukarram Talabani (* 1925), kommunistischer Politiker
- Kajal Ahmad (* 1967), Dichterin und Journalistin
- Saya Ahmad (* 1984), österreichische Politikerin
- Fadhil al-Azzawi (* 1940), Schriftsteller
- Abid Mutlaq al-Dschiburi, Politiker
- Necîbe Ehmed (* 1954), Dichterin
- Sadettin Ergeç (* 1948), Politiker
- Hadschim al-Hasani (* 1954), Politiker
- Najmaldin Karim (1949–2020), kurdischer Politiker
- Yunis Mahmud (* 1983), Fußballspieler
- Osama Rashid (* 1992), Fußballspieler
- Arschad Salihi (* 1959), Politiker
- Azad Sabri Shaba (* 1966), chaldäisch-katholischer Geistlicher, Bischof von Dohuk
- Abd as-Sattar Sharif (1933–2008), kurdischer Politiker und Chef der Kurdischen Revolutionären Partei
- Bawai Soro (* 1954), chaldäisch-katholischer Bischof von Mar Addai of Toronto
- Reza Talabani (1835–1910), kurdischer Dichter
- Mehmet Türkmehmet (* 1980), Fußballspieler
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Arbella Bet-Shlimon: City of Black Gold: Oil, Ethnicity, and the Making of Modern Kirkuk. Stanford University Press, Palo Alto 2019, ISBN 978-1-5036-0812-2.
Weblinks
Bearbeiten- Angaben zu Kirkuk:
- Angaben zum Status von Kirkuk
- (en) Nachrichten zu Kirkuk, Deutsche Welle
- (de) Artikel zu Kirkuk, qantara.de
- (de) Artikel zu Kirkuk, Die Presse
- (de) wadinet.de
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103191/umfrage/groesste-staedte-im-irak/
- ↑ Irak - Größte Städte 2022. Abgerufen am 2. Oktober 2024.
- ↑ Kirkuk: Eine umstrittene Stadt. 1. Oktober 2023, abgerufen am 16. November 2024.
- ↑ Asoss M. Qader: Arrapḫa (Kirkuk) von den Anfängen bis 1340 v. Chr. nach Keilschriftlichen Quellen. Würzburg 2013, S. 169 ff.
- ↑ Asoss M. Qader: Arrapḫa (Kirkuk) von den Anfängen bis 1340 v. Chr. nach Keilschriftlichen Quellen,. Würzburg 2013, S. 122 ff.
- ↑ Asoss M. Qader: Arrapḫa (Kirkuk ) von den Anfängen bis 1340 v. Chr. nach Keilschriftlichen Quellen. Würzburg, S. 34.
- ↑ Asoss M. Qader: Arrapḫa (Kirkuk) von den Anfängen bis 1340 v. Chr. nach Keilschriftlichen Quellen. Würzburg 2013, S. 34.
- ↑ Edward Balfour, Encyclopaedia Asiatica, S. 214, Cosmo Publications, 1976
- ↑ The Acts of Mar Mari the Apostle Von Amir Harrak. S. 27.
- ↑ The World’s Greatest Story: The Epic of the Jewish People in Biblical Times Von Joan Comay. S. 384.
- ↑ a b Iraq’s Policy of Ethnic Cleansing: Onslaught to change national/demographic characteristics of the Kirkuk Region by Nouri Talabany ( des vom 27. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 418 kB)
- ↑ Encyclopaedia of Islam. New Edition, s.v. KIRKUK
- ↑ http://knoema.de/IQPS2014/population-statistics-of-iraq-2014
- ↑ a b Archivierte Kopie ( des vom 8. Januar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Soraya Sarhaddi Nelson: Kirkuk A Flashpoint For Ethnic Divisions In Iraq : NPR. In: npr.org. 13. August 2008, abgerufen am 29. Februar 2024 (englisch).
- ↑ http://kurdistantribune.com/2012/kirkuk-kurdish-city-by-history-geography/
- ↑ A hint of harmony, at last. In: The Economist. (economist.com [abgerufen am 2. August 2018]).
- ↑ a b Kirkuk: Der Frieden ist vorbei in Klein-Irak. In: ZEIT ONLINE. (zeit.de [abgerufen am 2. August 2018]).
- ↑ Ahmed, K M (2010), ‘Judgment of History and Conscience: A documentary study of the Kurdish issue in Iraq’ (Introduced and translated by Mufid Abdulla)
- ↑ http://www.drkamal.com/
- ↑ Soldiers Help Preserve Archeological Sites By Sergeant Sean Kimmons (PDF; 147 kB)
- ↑ The Cambridge Ancient History I. E. S. Edwards, John Boardman, John B. Bury, S. A. Cook., Cambridge, Cambridge University Press, S. 178–179.
- ↑ http://psi424.cankaya.edu.tr/uploads/files/Agoston%20and%20Masters,%20Enc%20of%20Ott%20Empire.PDF
- ↑ Philippe Pétriat: Aux pays de l’or noir – Une histoire arabe du pétrole. In: Martine Allaire (Hrsg.): Collection folio histoire inédit. Nr. 306. Éditions Gallimard, Paris 2021, ISBN 978-2-07-282739-6, S. 20 f., 23–26.
- ↑ Georges Bensoussan: Juifs en pays arabes – Le grand déracinement, 1850–1975. In: Denis Maraval (Hrsg.): Collection Texto. 2. Auflage. Éditions Tallandier, Paris 2021, ISBN 979-1-02105090-7, S. 356.
- ↑ a b Sean Kane: Iraq`s Disputed Territories. United State Institue of Peace, 2011, S. S. 22, abgerufen am 2. August 2018 (englisch).
- ↑ Autobombe explodiert vor Kirche in Kirkuk. In: Neue Zürcher Zeitung. 2. August 2011, abgerufen am 2. August 2011.
- ↑ Irak-Krise: Kurden kontrollieren Kirkuk. In: Spiegel Online. 12. Juni 2014, abgerufen am 9. Juni 2018.
- ↑ IS-Terrormiliz greift Kirkuk an
- ↑ Peschmerga erobern IS-Ölfeld
- ↑ Kurden greifen Terrormiliz bei Ölstadt Kirkuk an
- ↑ http://rudaw.net/english/kurdistan/030120152?keyword=kirkuk
- ↑ http://rudaw.net/english/kurdistan/020120152?keyword=kirkuk
- ↑ „Islamischer Staat“ verübt mehrere Attentate im Nordirak. In: Spiegel Online, 21. Oktober 2016.
- ↑ Attack on Kirkuk and chemical fire push troops back from Mosul frontline. In: The Guardian, 22. Oktober 2016.
- ↑ Battle is on over Iraq’s oil-rich Kirkuk region; Kurdish Kirkuk factions to begin referendum talks with other groups; Will Kirkuk finally break away from Iraq? “Unacceptable” says Baghdad; This oil-rich province wants to break away from Iraq
- ↑ Sunni Arabs forced to leave Kirkuk after Islamic State attack, residents say | Reuters. In: reuters.com. 25. Oktober 2016, abgerufen am 16. Februar 2024 (englisch).
- ↑ dpa/reu/cukj; meym: International – Amnesty-Bericht: Kurden vertreiben irakische Araber – News – SRF. In: srf.ch. 20. Januar 2016, abgerufen am 29. Februar 2024.
- ↑ Zeit.de:Kurden versetzen Kämpfer in Bereitschaft
- ↑ Welt.de: Iraks Armee startet Militäreinsatz gegen Kurden in Kirkuk
- ↑ tagesschau.de: Hintergrund: Der Irak und die Kurden. Abgerufen am 17. Oktober 2017.
- ↑ Milliyet vom 1. April 2007
- ↑ Iraq: Kirkuk Referendum Likely To Be Delayed, Radio Free Europe / Radio Liberty, aufgerufen am 14. September 2007.
- ↑ Irakisches Parlament ebnet Weg für Wahl, Artikel von Der Spiegel vom 8. November 2009.
- ↑ Oil from Babylon to Iraq ( vom 10. September 2009 im Internet Archive).
- ↑ Homepage der University of Kirkuk (englisch).