Linearisierung
Bei der Linearisierung – ein Begriff aus der Mathematik – werden nichtlineare Funktionen oder nichtlineare Differentialgleichungen durch lineare Funktionen oder durch lineare Differentialgleichungen angenähert. Die Linearisierung wird angewandt, da lineare Funktionen oder lineare Differentialgleichungen einfach berechnet werden können und die Theorie umfangreicher als für nichtlineare Systeme ausgebaut ist.
Tangente
BearbeitenDas einfachste Verfahren zur Linearisierung ist das Einzeichnen der Tangente in den Graphen. Daraufhin können die Parameter der Tangente abgelesen werden, und die resultierende lineare Funktion (Punktsteigungsform der Geraden)
approximiert die Originalfunktion um den Punkt . Dabei ist der Anstieg im Punkt .
Wenn die Funktion in analytischer Form vorliegt, kann die Gleichung der Tangente direkt angegeben werden.
Der relative Fehler der Approximation ist
Für die Funktion gilt beispielsweise:
Die Bestimmung der Tangente entspricht der Bestimmung des linearen Glieds des Taylorpolynoms der zu approximierenden Funktion.
Anwendungen
BearbeitenAnwendung findet die Linearisierung unter anderem in der Elektrotechnik und der Regelungstechnik zur näherungsweisen Beschreibung nichtlinearer Systeme durch lineare Systeme.
Das Ergebnis einer Netzwerkanalyse ist unter Umständen ein nichtlineares Gleichungssystem. Dies kann unter gewissen Voraussetzungen in ein lineares Gleichungssystem überführt werden. Nicht die einzige, aber die einfachste Methode der Linearisierung ist die Linearisierung in einem Arbeitspunkt (kurz „AP“). Nur diese ist in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Linearisierung der Multiplikation
BearbeitenIn einem Signalflussplan lassen sich komplexe Systeme durch ein Blockbild darstellen, das zur qualitativen Visualisierung von mathematischen Modellen dient.
Befindet sich in diesem Signalflussplan eine Multiplikationsstelle, so lässt sich diese durch Linearisierung in eine Additionsstelle umwandeln.
Im Folgenden bezeichnen wir mit das Produkt zweier Zahlen und :
Im Arbeitspunkt können wir die Multiplikation linearisieren, indem wir als Summe des Arbeitspunkts und der Differenz schreiben:
Wir können dieses Produkt nach dem Distributivgesetz ausmultiplizieren. Es ergibt sich die Summe:
Wir nehmen nun an, dass das Verhältnis der Abweichungen vom Arbeitspunkt und dem Arbeitspunkt selber klein ist:
und somit auch das Produkt klein ist. Die linearisierte Multiplikation lautet also:
Beispiel
BearbeitenWähle die Zahlen:
Nun stellt sich, die Frage, wie die Arbeitspunkte zu wählen sind. Um die Rechnung zu vereinfachen, runden wir auf ab und auf ab: Wähle also: Das linearisierte Produkt ist also
mit dem Fehler .
Linearisierung der Division
BearbeitenWir betrachten nun den Quotienten zweier Zahlen und :
Analog wie zur Multiplikation entwickeln wir um den Arbeitspunkt . Damit können wir den Quotienten wie folgt schreiben:
Ausklammern der Arbeitspunkte liefert für Division:
Wir wollen nun den Zähler und den Nenner des Bruches linearisieren. Dazu verwenden wir die geometrische Reihe. Für eine Nullfolge gilt:
Hierbei ist entsprechend mit zu wählen.
Einsetzen liefert die Linearisierung
Analog lässt sich der Nenner des obigen Bruchs linearisieren. Die linearisierte Division lässt sich schreiben durch:
Linearisieren gewöhnlicher Differentialgleichungen
BearbeitenEin bekanntes Beispiel für die Linearisierung einer nichtlinearen Differentialgleichung ist das Pendel. Die Gleichung lautet:
Der nichtlineare Teil ist . Dieser wird für kleine Schwankungen um einen Arbeitspunkt approximiert durch:
Mit dem Arbeitspunkt gilt:
- und damit die linearisierte Differenzialgleichung
- .
Diese linearisierten Differentialgleichungen sind meist deutlich einfacher zu lösen. Für ein mathematisches Pendel (wähle ) lässt die Gleichung durch einfache Exponentialfunktionen lösen, wobei die nicht-linearisierte nicht analytisch lösbar ist. Weitere Details über das Linearisieren von Differentialgleichungen sind in dem Artikel über die Zustandsraumdarstellung beschrieben.
Tangentialebene
BearbeitenSoll eine gegebene Funktion in einem Punkt linearisiert werden, wird sich der Taylor-Formel bedient. Das Ergebnis entspricht der Tangentialebene in diesem Punkt.
Für die Funktion gilt in der Umgebung des Punktes :
Beispiel:
ergibt die Tangentialebene
Weblinks
Bearbeiten- Skript der TU Wien ( vom 23. Juli 2006 im Internet Archive)
- Skript der ETH Zürich