Ruhrtriennale

internationales Kunstfestival im Ruhrgebiet

Die Ruhrtriennale ist ein internationales Festival für Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Performance, Musik und Bildende Kunst im Ruhrgebiet. Sie findet seit 2002 jährlich im August und September unter einer alle drei Jahre wechselnden Intendanz statt.

Spielstätten

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Die Jahrhunderthalle in Bochum

Schauplätze der Ruhrtriennale sind die Industriedenkmäler der Region, die größtenteils während der Internationalen Bauausstellung Emscher Park von 1989 bis 1999 in Orte für Kunst an der Schnittstelle von Musik, Theater, Tanz, Performance und Bildender Kunst umgewidmet wurden. Im Zentrum stehen spartenübergreifende Produktionen, häufig Uraufführungen und Neuinszenierungen, die den Besonderheiten der jeweiligen Spielstätten künstlerisch begegnen: Musiktheater, Schauspiel und Tanz verbinden sich in ehemaligen Maschinenhallen und Kokereien mit gegenwärtigen Entwicklungen in der Bildenden Kunst, der Klassischen Musik sowie der Popmusik. Die Jahrhunderthalle in Bochum mit der angrenzenden Turbinenhalle und dem Dampfgebläsehaus bildet das Zentrum der Ruhrtriennale.

Weitere Spielstätten sind unter anderem:

Gründung der Ruhrtriennale

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Mit dem Ende der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) im Jahre 1999 stellte sich die Frage nach langfristigen Nutzungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven der sanierten Industriedenkmäler. Gleichzeitig arbeitete die nordrhein-westfälische Landesregierung an Plänen, die der nachhaltigen internationalen Profilierung Nordrhein-Westfalens dienen sollten. Die Diskussion umfasste den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturwandel. Eine wesentliche Anregung der IBA unter der Leitung von Karl Ganser, ein dezentrales Kunstfest für das Ruhrgebiet zu schaffen, eröffnete die historische Chance: Die vor dem Verfall geretteten und ins ästhetische Bewusstsein gerückten Hallen, stillgelegten Zechen und Kraftwerke erwiesen sich als gut geeignet für neue Formen künstlerischer Auseinandersetzung. Peter Landmann, der erste Geschäftsführer der Ruhrtriennale, fasste rückblickend die zentralen Überlegungen zusammen „[…] eine neuartige Veranstaltungsorganisation zu schaffen: nicht an einen bestimmten Spielort gebunden, spartenübergreifend und flexibel in Projekten arbeitend“.[1]

Am 18. Dezember 2000 wurde die Idee der Ruhrtriennale auf einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Stadttor vorgestellt.

Geschichte der Intendanzen

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Die Ruhrtriennale findet seit 2002 unter einer alle drei Jahre wechselnden künstlerischen Leitung statt[2]:

  • Jürgen Flimm (2005–2007, verlängert bis 2008)
    • Verbindendes Thema von Flimms erster Spielzeit war der Zusammenhang von Industrialisierung und Romantik.[3] Auch im zweiten und dritten Jahr bildeten Epochen thematische Schwerpunkte: 2006 stand der Mensch des Barock im Zentrum[4], das Programm im Jahr 2007 beschäftigte sich mit dem Mittelalter.[5]
    • Nach dem Tod der designierten Intendantin Marie Zimmermann im April 2007 erklärte sich Jürgen Flimm bereit, zusammen mit Jürgen Krings auch die Spielzeit 2008 zu leiten. Marie Zimmermanns Beschäftigung mit dem „Fremden“ war daher auch das Leitmotiv: „Aus der Fremde“.[6]
  • Heiner Goebbels (2012–2014)[10]
    • Unter Goebbels’ Leitung führte die Ruhrtriennale den Untertitel International Festival of the Arts ein mit einer Akzentuierung auf der Bildenden Kunst.[11]
  • Johan Simons (2015–2017)[12]
    • Simons formulierte als eine seiner Programmatiken, „[...] mit allen unseren Kräften die Annäherung an die Bewohner des Ruhrgebiets [zu] suchen, an die Arbeitenden und an die Arbeitslosen“.[13]
  • Stefanie Carp (2018–2020)
    • Stefanie Carp arbeitete eng verbunden mit dem Schweizer Theaterregisseur und Musiker Christoph Marthaler als „artiste associé“.[14]
    • Um den Auftritt des kamerunischen Historikers, Philosophen und Postkolonialismus-Theoretikers Achille Mbembe als Redner der Ruhrtriennale 2020 setzte sich eine mediale Kontroverse fort: Mbembe wurden u. a. die Relativierung des Holocausts vorgeworfen.[15][16]
    • Wegen der COVID-19-Pandemie wurde die Ruhrtriennale 2020 abgesagt.
 
Ivo van Hove (2024)

Künstler und Reihen

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Ruhrtriennale, 2018
 
Krystian Lada (2024), Regisseur der Musiktheater-Installation „Abendzauber“ und Direktor des künstlerischen Programms der Ruhrtriennale 2024–26

Von 2003 bis 2010 fand die Konzertreihe Century of Song statt, in der sich internationale Songwriter mit den Traditionen des popular song auseinandersetzten. Nach acht Spielzeiten unter der Leitung von Thomas Wördehoff kam es 2010 zu einer konzeptionellen Veränderung: Der Titel blieb erhalten, aber die inhaltliche Ausrichtung rückte stärker an die Themenkreise heran, die das Festivalgeschehen jeweils bestimmen. Neuer Kurator der Konzertreihe war Christoph Gurk, bevor die Reihe 2011 eingestellt wurde. Auch ab 2012 fanden weiterhin Konzerte statt, die allerdings nicht mehr unter dem Titel Century of Song stehen.[20]

Einige Produktionen der Ruhrtriennale waren international zu sehen:

David Pountneys Inszenierung von Bernd Alois Zimmermanns Oper Die Soldaten war 2008 in New York zu sehen.

Im Januar 2009 war an der Opéra de Lyon Willy Deckers Inszenierung von Le vin herbé von Frank Martin zu sehen, mit der 2007 die Ruhrtriennale eröffnet worden war.

Christoph Schlingensiefs Fluxus-Oratorium Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir aus dem Jahr 2008 eröffnete am 1. Mai 2009 das Berliner Theatertreffen. Außerdem gastierte diese Produktion beim Holland Festival in Amsterdam im Juni 2009.

Seit 2012 wurde mehr Wert darauf gelegt, Eigenproduktionen der Ruhrtriennale auch an anderen Orten zu zeigen. Unter dem Titel Tourtriennale sind zahlreiche Produktionen auf Tour und werden weltweit gezeigt.[21]

Inszenierungen der Ruhrtriennale (Auswahl)

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Jahr[22] Produktion Mitwirkende Genre
2002 Hollywood Elegien. Lieder aus dem Exil Regie: Schorsch Kamerun, Komposition: Hanns Eisler
2003 Wolf Regie: Alain Platel, Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling, Komposition: Wolfgang Amadeus Mozart
2004 Le dernier Caravansérail (Odyssées) Regie: Ariane Mnouchkine
2005 Nächte unter Tage Regie: Andrea Breth Szenische Installation
2006 Die Soldaten Regie: David Pountney, Musikalische Leitung: Steven Sloane, Komposition: Bernd Alois Zimmermann Oper
2007 Requiem für eine Metamorphose Regie: Jan Fabre, Musikalische Leitung: Serge Verstockt
2008 Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir Regie: Christoph Schlingensief, Dramaturgie: Carl Hegemann Fluxus-Oratorium
2009 Moses und Aaron Regie: Willy Decker, Komposition: Arnold Schönberg Musiktheater
2010 Verrücktes Blut Regie: Nurcan Erpulat, Dramaturgie: Jens Hillje Schauspiel
2011 Tristan und Isolde Regie: Willy Decker, Musikalische Leitung: Kirill Petrenko Musiktheater
2012 Europeras 1&2 Regie: Heiner Goebbels, Theater und Musik: John Cage Oper
2013 Delusion of the Fury Regie: Heiner Goebbels, Komposition: Harry Partch Musiktheater
2014 De Materie Regie: Heiner Goebbels, Musikalische Leitung: Peter Rundel, Komposition: Louis Andriessen Musiktheater
2015 Accattone Regie: Johan Simons, Musikalische Leitung: Philippe Herreweghe / Christoph Siebert, Komposition: Johann Sebastian Bach Musiktheater
2016 Urban Prayers Ruhr Regie: Johan Simons, Musikalische Leitung: Florian Helgath, Konzept und künstlerische Leitung: Björn Bicker, Malte Jelden Schauspiel
2017 Pelléas et Mélisande Regie: Krzysztof Warlikowski, Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling, Komposition: Claude Debussy Musiktheater
2018 Universe, Incomplete Regie: Christoph Marthaler, Musikalische Leitung: Titus Engel Musiktheater
2019 Nach den letzten Tagen Regie: Christoph Marthaler, Musikalische Leitung: Ulrich Fussenegger, Texte und Komposition: Stefanie Carp Musiktheater
2021 Der Untergang des Hauses Usher Regie: Barbara Frey, Autor: Edgar Allan Poe Schauspiel
2021 A Divine Comedy Regie: Florentina Holzinger Tanz
2021 Bählamms Fest Regie: Dead Centre, Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling, Komposition: Olga Neuwirth, Libretto: Elfriede Jelinek Musiktheater
2022 Das weite Land Regie: Barbara Frey, Autor: Arthur Schnitzler Schauspiel
2022 Euphoria Buch, Regie, Produktion: Julian Rosefeldt, Musik: Samy Moussa Installation
2022 Respublika Regie: Łukasz Twarkowski Schauspiel

Organisation

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Träger der Ruhrtriennale ist die Kultur Ruhr GmbH mit Sitz in Bochum, deren Gesellschafter das Land Nordrhein-Westfalen und der Regionalverband Ruhr sind. Die Kulturstiftung des Bundes und die Kunststiftung NRW u. a. fördern darüber hinaus zahlreiche Einzelproduktionen. Die drei weiteren Programmsäulen der Kultur Ruhr GmbH, das Chorwerk Ruhr, Urbane Künste Ruhr[23] und die Tanzlandschaft Ruhr liefern neben ihrer eigentlichen programmatischen Arbeit einen regelmäßigen künstlerischen Beitrag zur Ruhrtriennale. Der Jahresetat beträgt rund 15 Millionen Euro und kommt zum großen Teil vom Land Nordrhein-Westfalen.[17]

Unter der Intendanz von Jürgen Flimm wurde ein Kuratorium eingerichtet, dem unter anderem Alfred Biolek, Dieter Gorny und Michael Vesper angehörten. 2005 gründete sich unter der Leitung von Michael Vesper der Verein der Freunde und Förderer der Ruhrtriennale.[24]

Literatur

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  • Guido Hiß, Robin Junicke, Monika Woitas, Sarah Heppekausen (Hrsg.): Das Theater der Ruhrtriennale. Die ersten sechzehn Jahre. In: Scripta scenica. Bochumer Beiträge zur Theaterforschung. Band-Nr. 1, 2018, ISBN 978-3-7455-1008-9.
  • Johan Simons, Lukas Crepaz, Vasco Boenisch, Kultur Ruhr GmbH/Ruhrtriennale (Hrsg.): BUDE BETT BARGELD Junge Fotografie: Ruhrtriennale 2016. Meisterkurs Daniel Josefsohn. Distanz Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-95476-158-6.
  • Johan Simons, Lukas Crepaz, Vasco Boenisch, Kultur Ruhr GmbH/Ruhrtriennale (Hrsg.): Licht unserer Tage – Junge Fotografie: Ruhrtriennale 2016. Meisterkurs Julian Röder. Distanz Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-95476-158-6.
  • Diedrich Diederichsen: Das Steampunktdisneyland an der Ruhr. Heiner Goebbels letzte RuhrTriennale denkt das Musiktheater neu. In: Theater heute. 55. Jahrgang, Oktober 2014, ISSN 0040-5507, S. 6–11.
  • Christine Schranz: Von der Dampf- zur Nebelmaschine. Szenografische Strategien zur Vergegenwärtigung von Industriegeschichte am Beispiel der Ruhrtriennale. transcript Verlag, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2693-3.
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Commons: Ruhrtriennale – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Peter Landmann: Wie alles begann: Die Gründungsgeschichte der Ruhrtriennale. In: Kultur Ruhr GmbH (Hrsg.): Ruhrtriennale 02/03/04. Klartext Verlag, Essen 2004, ISBN 3-89861-339-9, S. 174.
  2. Über die Ruhrtriennale. In: ruhrtriennale.de. Abgerufen am 12. Januar 2022.
  3. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  4. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  5. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  6. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  7. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  8. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  9. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  10. Kulturministerin Ute Schäfer: Prof. Heiner Goebbels wird Intendant der Ruhrtriennale für die Spielzeit 2012 bis 2014 | Das Landesportal Wir in NRW. 24. September 2010, abgerufen am 16. Juli 2021.
  11. Ruhrtriennale-Archiv. Abgerufen am 16. Juli 2021.
  12. ruhrtriennale.de: Johan Simons wird Intendant der Ruhrtriennale 2015–2017. 27. Mai 2013, archiviert vom Original am 29. Oktober 2013; abgerufen am 20. August 2015.
  13. Grußwort Johan Simons. 21. Februar 2015, abgerufen am 16. Juli 2021.
  14. ruhrtriennale.de: Stefanie Carp wird Intendantin der Ruhrtriennale 2018–2020 mit Christoph Marthaler als Chef-Regisseur. 17. Mai 2016 (ruhrtriennale.de [abgerufen am 15. November 2017]).
  15. Deutschlandfunk Debatte vom 27.05.2020 - Darum geht es beim Streit um Achille Mbembe. Abgerufen am 17. Februar 2022.
  16. Jörg Häntzschel: "Kampagne". In: sz.de. Abgerufen am 6. März 2023.
  17. a b Ruhrtriennale: Barbara Frey wird neue Intendantin. 3. Juli 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 3. Juli 2019]).
  18. Barbara Frey wird Intendantin der Ruhrtriennale für die Spielzeiten 2021 bis 2023. In: Land.NRW. 3. Juli 2019, abgerufen am 6. März 2023.
  19. ORF at/Agenturen red: Ivo van Hove wird 2024 Ruhrtriennale-Intendant. 4. Mai 2022, abgerufen am 2. Februar 2023.
  20. Max Kühlem: Ruhrtriennale: im Gespräch mit Heiner Goebbels. 23. Juli 2012, archiviert vom Original am 2. September 2015; abgerufen am 6. März 2023.
  21. Tourtriennale. In: ruhrtriennale.de. Abgerufen am 17. Februar 2022.
  22. Festivalarchiv. Abgerufen am 2. Februar 2022.
  23. "Großer Gewinn für Nordrhein-Westfalen" | MFKJKS. Abgerufen am 11. Januar 2022.
  24. Gründung des Vereins der Freunde und Förderer der Ruhrtriennale. In: Ruhrtriennale 2012-2014 - Archiv. Archiviert vom Original am 6. März 2023; abgerufen am 6. März 2023.