Die Kunst Der Schrift

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UNESCO

Die Kunst der Sehr

..

Die Kunst der Schrift

UNESCO-Ausstellung in f nfzig Tafeln

Jedes Wesen mdlte sich ausdrCken und mitteilen


die Schrift ermglicht uns
den Zeitgenossen unsere Gedanken mitzuteilen
und sie den kommenden Generationen weiterzugeben.

Herausgegeben von der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden


Verlag Dr. Ernst Hauswedell & Co. Harnburg- Baden-Baden

; 19bLf

Seit dem frhesten Altertum bis beute


bemht sich der Mensch
an verschiedenen Orten unserer Erde
seine Gedanken in Zeichen zu bertragen
wenn er einem fernen Freund etwas mitteilen
oder fr die Nachkommen ein Erlebnis verewigen will
in den 50 000 Jahre alten Hhlen
auf den Mauern unserer modernen Stdte
und auf den unzhligen Papieren
welche die DruCkereien an allen Enden der Welt
zu Tausenden ber die neugierigen Brger ausschtten

Am Anfang konnten nur einige Eingeweihte dieses


Kommunikationsmittel nutzen
beute kommt es in manchen Lndern der gesamten
Bevlkerung zugute

In' den letzten 5000 Jahren haben sich die Zeichen entwiCkelt
die abgebildeten Gegenstnde (Sach-Zeichen) sind immer
abstrakter geworden
zu allererst stellen die Zeichen statt der Gegenstnde
Gedanken dar
dann Lautgruppen (Silben-Zeichen)
und schlielich vor 3000 Jahren einen einzigen Laut
Diese letzte Etappe war entscheidend
die Zahl der Zeichen konnte auf einmal auf 25 beschrnkt
werden
unsere moderne Schrift geht auf jene geniale Erfindung
der Phnizier zurCk

Diese Ausstellung befat sich mit der Geschichte der Schrift


seit ihren frhesten Anfngen bis zu ihrer heutigen
Verbreitung
natrlich kann eine Zusammenstellung die eine allgemeine
EntwiCklung verbildlichen will nicht vollstndig sein

Spter fand man in Indien ein Zeichen fr null


(eine Methode die schon die Mayas benutzt hatten)
und diese Erfindung
durch die Araber verbreitet
bahnte der Mathematik
und allen Wissenschaften
die auf ihr grnden
den Weg
Kunst- ur.d Museumsbiblio th~ der Shi"adt Kln

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Druck- und Verlagshaus P. W. Wesel Baden-Baden


UNESCO 1964 Printed in Germany

Whrend die arabischen Ziffern zum berstaatlichen


Kommunikationsmittel geworden sind
bat die Schrift in dem Moment wo sie sich an Laute band
ihren internationalen Charakter verloren
sie Ist zum Trger einer einzigen Sprache geworden

Schuld daran sind besonders auch


immer wirksamere Methoden
die sich in den letzten 500 Jahren entwickelt haben
um das gesprochene Wort zu vervielfltigen
diese Entwicklung steht in engem Zusammenbang
mit religisen, politischen und sozialen Verhltnissen

Die Schriftbeispiele die wir zeigen


sind nicht allein wegen ihrer bistorisehen Bedeutung
gewhlt worden
sondern auch auf ihren Inhalt bin
die wertvolle Aussage die ihnen innewohnt
Der Wert dieser Aussage hlt nicht nur von ihrem Inhalt ab
sondern auch von der Art und Zahl der Menschen
die sie aufnehmen knnen
Jetzt wo das Diktaphon dabei ist die Feder zu berbieten
wo die diskotheken sich immer mehr vergrern zum Schaden
der Bibliotheken
wo Radio und Fernsehen versuchen die Zeitungen zu ersetzen
jetzt wo das Analphabetentum nah dran ist zu verschwinden
kommt eine Ausstellung ber die Schrift gelegen
Die Schrift war eines der nachhaltigsten Mittel
um dem Menschen aus seiner Primitivitt herauszuhelfen
Sandberg

Danksagung

UNESCO dankt allen, die mit der bedeutenden Aufgabe der


Organisation und Vorbereitung dieser Ausstellung betraut
waren.
Besonderer Dank gebhrt W. J. Sandberg, vormals Direktor
des Stedelijk Museums in Amsterdam, der die Verantwortung
fr die Planung, Zusammenstellung und das uere Bild
der Ausstellung trug: Dr. Marcel Cohen, Professor emeritus
des Lehrstuhls fr moderne Orientalische Sprachen an der
Sorbonne, der die Grundidee der Ausstellung schuf: der
verstorbenen Claire Levy, Assistentin von Professor
Dr. Cohen und Dr. Dietrich Mahlow, Direktor der Staatlichen
Kunsthalle Baden-Baden;
sowie Ferdinand Anton, Godula Buchholz, Professor
Dr. Arnold M. Goldberg, Professor Dr. Hans Jensen,
Dr. Franz Lffelholz, Professor Dr. Julius Rodenberg,
Frau Irmtraud Sdlaarsdunidt-Ri<hter.
Die Herstellung der Tafeln wurde von der Firma Enderberg,
A.msterdam, bernommen.

Zur Ausstellung

Die Sdlrift knnte, wie die Sprache ..sops, als das schlimmste
oder beste aller Mensdlenwerke bezeidlnet werden,
dennO(h bleibt sie die Sttze unserer Kultur und sidlert
deren Zukunft. Selbst wenn man - angesichts des
Mibrauchs, der oft mit dieser menschlichen Errungenschaft
getrieben wird - dazu neigte, die Trauer des chinesischen
Dichters Wou Wei-ye zu teilen, der in einem "wehmtigen
Lied" an seinen Freund Wou Ki-tseu schrieb, der sagenumwobene Erfinder der Schrift, Ts'ang Kie, weine des
Nadlts und "er habe dazu Grund genug"; selbst wenn
die Sdlrift lediglich dazu diente, jahrhundertelang die Lgen
der Tyrannei oder die Albernheiten der billigen Presse
zu verbreiten, bliebe es dabei, da alle Kulturen schon bei
der Entwicklung dieses Informationsmittels Kunstwerke
damit schaffen wollten und konnten. Schon deshalb wurde
die Schrift zu Recht erfunden und kann vor unserem Urteil
bestehen.
Diese Ausstellung macht sich in dreifacher Hinsicht verdient:
sie zeigt, da einerseits zwisdlen den versmiedeneu
Schrifttypen und dem Schnen eine uralte und sozusagen
angeborene Verwandtsdlaft besteht, da sich andererseits
die Schrift oft mit der Malerei (in China), mit der Bildhauerkunst (in manChen Siegeln), mit der Ardlitektur (in der
mohammedanisChen Kunst) verbunden hat und da drittens
die moderne Kunst dazu neigt, einen Teil der
bildenden Knste unter der BezeiChnung K a 11 i g r a p h i e
zusammenzufassen. Aus all diesen Grnden ist die Ausstellung kostbar und verdient aufmerksame Besudler.

Gibt es denn etwas Sdlulmeisterlidteres, etwas Langweiligeres


als eine Ausstellung ber die Sdlrifn Nun, sehen Sie sidl um!
Wenn sie audl mit ihren zugleidllogisdl und dlronologisdl

geordneten Tafeln (wobei ein kurzer Text jedes Bild erhellt


und einige gedrngte Zeilen jede thematische Einheit
erlutern) zunchst zwar instruktiv sein sollte, wnschte man
sie sich doch auch anziehend. Diese beiden Forderungen
sind von den Veranstaltern so glcklich vereint worden,
da der Besucher sehr rasch entdeckt, wie sehr gerade die
Schrift ein Kunstwerk ist, das mit dem Ntzlichen stets und
untrennbar das Angenehme zu verbinden wei.
Mehrere hundert gut ausgewhlte und sinnvoll besprochene
Bilder, von den immer noch geheimnisvollen Steinen des
Mas d'azil bis zur modernen Linotype, sind zu einer Art
illustrierter Geschichte der Schrift zusammengefat, die
zugleich ein kleines Museum jener schnen Formen sein
kann, welche die Schreiber, Kalligraphen oder die Grnder
von Alphabeten in Sumer wie bei den Mayas, in Rom und
in Bagdad, in China und in Indien erfunden haben.
Nicht, da die ersten Piktogramme aus Sumer alle schn
wren oder da die ersten Buchstaben der ersten phnizischen
Alphabete das Auge voll und ganz befriedigen knnten;
aber wie vermchte man nicht in jenen, wenn auch unvollkommenen Schriftzeichen etwas ahnen oder fhlen, woraus
bald Schnes entstehen wird? Schon im dritten Jahrtausend
vor Christus stimmt im Industal die Schrift von Mohenjo-daro,
die wir trotz grter Bemhungen noch nicht entziffern
konnten, harmonisch mit den schnen Tierformen berein
und ist in ihrer eigenen Vollkommenheit so ausgeglichen,
da man darin schon manche Schriftzge der spteren,
verfeinerten chinesischen Kalligraphie ahnen und bewundern
kann: Schriftzge, die mit dem Sinn des Textes, den sie
darstellen und mit dem Ton des Bildes, dem dieser Text
zugehrt, bereinstimmen. Wenn man jene Wunderwerke
betrachtet, versteht man, weshalb die Chinesen bis zur
T'ang-Dynastie von den Kalligraphen viel mehr als von den
Malern halten.
Ob die Schrift, wie die gyptischen Hieroglyphen, bei denen
der Naturwissenschaftler mhelos die Vgel erkennt, eine
gewissenhafte Abbildung gibt; ob sie, wie die dlinesischen

Schriftzeichen, wo steh Abbildungen, Symbole, ordnende


Schlsselzeichen, phonetische Hinweise mischen und mandlmal
nebeneinander erscheinen, Begriffsbilder gibt; ob Silbenschrift,
wie die japanischen Kana; oder ob schlielieb alphabetlsdl
wie das cyrilliscbe oder das rmische Alphabet; ob man
diese Schrift tief in den Stein eingemeielt oder als Flachrelief
hervorgehoben, mit schwarzer Tinte nachgezogen oder
mehrfarbig wie ein Fresko oder eine Tempera gemalt hat;
ob sie sich im naivsten Piktogramm an die lehrhafte Malerei
der predigenden Religionen anlehnt oder ob sie wie die
konsonantischen Sduiften der Semiten zu reiner Abstraktion
neigt; ob sie zur Kurzschrift oder wie in gewissen quadratischen kufischen Schriften zu geometrischen Figuren fhrt,
denen wiederum gewisse Bilder Monddans verwandt sind;
ob sie wie einzelne, hier gezeigte, schne Keilschriftzeichen
in die bloe Erde eingedrckt oder mit dem Pinselleicht
auf dem Blatt des Palmbaumes oder des Reispapiers nachgezogen ist - immer gilt von der Schrift, da sie nicht nur
aussagt, mitteilt und belehrt, sondern auch nach der
Schnheit strebt.
Man knnte befrchten, - und man hat frher sicher
befrchtet - , da die Buchdrucktechnik dieser Berufung ein
Ende bereite oder sie zumindest gefhrde. Die ausgestellten
Werke zerstreuen unsere Befrchtungen. Von der karolingischen Majuskel zur Antiqua, von der gotischen Minuskel
zur Bodoni, von der Bastarda zur Didot-Antiqua,
von der Capitalis quadrata zur Baskerville, von der
Schrgschrift zur Garamond machen die Tafeln deutlich,
da alle Jahrhunderte und alle Druckverfahren den
Grndem wie den Schreibern erlaubt haben, die Iibido
sclendi und die Iibido cupiendi, unser zweifaches Bedrfnis
zu lernen und zu bewundern, gleichermaen zu befriedigen.
,.Bltenbltter des Wissens und des Verlangens", diese
Deutung Supervielles fr die menschlichen Lippen lt sich
auf die Verdienste der Schriften bertragen, die uns hier in
solcher Flle dargeboten werden. Wenn man in der ersten
Bibel Gutenbergs blttert (eines Gutenberg, der von der
damals gebrudllidlen gotisdlen Schrift ausging und dessen

Typographie und Umbruch von vomherein ber allen Tadel


erhaben waren), wie knnte man sieb dann nicht daran
erinnern, da die Bibliophilen aus China der Ansicht sind,
die Vollkommenheit der ersten Drucker Song sei nie
bertroffen worden? Dem Besucher wird dabei klar, da die
Mechanik das Schne nicht unbedingt erschlgt, und er
wnsdlt sieb, da es immer so sei.
Ebenso gibt die Ausstellung zu erkennen, da dieses Streben
nach Schnheit in der Schrift nicht das Vorrecht einer Rasse
oder einer Nation ist. Vom Knoten am Taschentuch, das uns
an etwas erinnern soll, bis zu den Verkehrstafeln, die uns
mahnen, den einen oder anderen Fehler nicht zu begehen alles ist kunstgerecht erdacht, um unsere Aufmerksamkeit
zu wecken: die Tifinagh-Zeicben der Tuaregs ebenso wie die
mongolische Schrift; vom berhmten Liebesbrief einer
Yonkaghir bis zu den kretischen Schriften, von den Knochenzeichnungen unter der Schang-Dynastie bis zu den Setzksten
der chinesischen Druckereien von heute. All das will besagen,
da Menschen jeder Farbe, Arme oder Reiche, Christen
oder Heiden, Buddhisten oder Mohammedaner, Polytheisten
oder Monotheisten zum groen Werk beigetragen haben.
Es ist zum Beispiel in Europa nicht genug bekannt, da die
130 000 Seiten des Tripitaka, des buddhistischen Kanons
zwischen 971 und 983 in China gedruckt und da im 11. Jahrhundert die beweglichen Lettern aus Keramik dort erfunden
wurden, da Pelliot in Touen Houang eine Auswahl von
beweglichen Lettern aus dem Uigurischen (sie stammen etwa
aus dem Jahre 1300) entdeckte, da man in Korea am Ende
des 14. Jahrhunderts Bcher mit beweglieben Metallettern
druckte. Der dritte Gu koreanischer Lettern stammt aus dem
Jahre 1434; Gutenberg druckt seine ersten Bcher etwa um
1450. Die Einflle der Mongolen hatten bei uns die chinesische
Buchdruckerkunst verbreitet. Marco Polo ist nicht der einzige,
der den Europern vom Papiergeld Kubilai Khans berichtet.
Geschriebene Zauberformeln, Banknoten, .,himmlische"
Buchstaben der Betrger, die sich auf den Taoismus beriefen,

und Neon-Reklame, alles vermag schne Formen zu zeitigen:


die hier ausgestellten Beispiele beweisen es mehr als einmal..
Ganz mit Recht zeigen die Veranstalter einige Fotografien
von den Festen, die in Bulgarien zu Ehren des heiligen Cyrill
und des heiligen Methodius gefeiert werden und an denen
die Glubigen Standarten mit cyrilliscben Buchstaben tragen.
Man htte ebenso gut an jene .,Sammlungen von Schriftzgen" erinnern knnen, in denen die Chinesen ehrfurchtsvoll
die Reste geschriebener Zeichen, auch die verwaschensten
Spuren alter Begriffsbilder zusammentrugen.
Wenn man bei allem Elend und Unrecht, bei aller Grausamkeit und Tyrannei Gefahr luft, am Menschen zu verzweifeln,
so kann einem eine Ausstellung wie diese wieder etwas
Hoffnung geben. Da die Schrift, halb magisch, halb ntzlich,
seit sechs Jahrtausenden stets gleichzeitig auch Schnes
hervorgebracht hat - und dies in reichster Abwandlung - ,
das legt uns den Gedanken nahe, da, wenn die Sprache
wirklieb den Menschen fr immer zur Ehre gereicht und den
Menschen verpflichtet, ihn die Schrift nicht weniger verpflichtet. Mgen wir der Lehre, oder der Lehren dieser
Ausstellung eingedenk bleiben.
Professor Etiemble

Ubersetzung aus dem Franzsischen: Jeanne Moll,


Baden-Baden

Die Geschichte der Schrift

Als Teilgebiet und Antrieb der Mensroheitsgesdrlrote ist


die Gesroirote der Schrift, und zwar teils unter ihrem
wirtsroaftllchen, teils sthetischen, immer aber sozialen
Aspekt ungeheuer vtelsroirotlg.
Man kann ihr nirot einfaro im Ablauf der Zeit folgen; sie hat
sehr oft und mancherorts angefangen; will man verstehen,
was sich bis zur Geburt unseres Alphabets und seither
zugetragen hat, so mu man sich in verschiedene Lnder
versetzen und die Dinge von versrotedenen Blickwinkeln aus
sehen, und zwar auf Grund besonderer Umstnde, vielseitiger
Anlagen einzelner Vlker, und auf Grund dessen, was die
Erhaltung und die Deutung alter Urkunden uns zu kennen
erlaubt.
Deswegen wird der Leser einer Geschichte der Schrift,
die freilich bebildert sein mu, und der Besuroer einer
Ausstellung, wie wir sie hier sehen, ebenfalls dauernd von
einem Bild zum anderen gehen mssen und dabei versuchen,
einer gemeinsamen Linie durro die Vielfalt der einzelnen
Srorlftuerungen zu folgen.
Die vorgesdlirotllroe Sirot ist notwendig, denn die eigenturoe
Geschirote hat erst beginnen knnen, nachdem slro die
Schrift so weit entwickelt hatte, da die Mensroen Zeugnisse
ihres Tuns hinterlieen. Wir mssen folglich mehr oder
weniger hypothetisro mit Hunderten von Jahrtausenden
rechnen.
Nach den neuesten Entdeckungen kann man sagen,
da es seit fnfhunderttausend Jahren Mensroen gibt,
Mensroen mit Werkzeugen, Waffen, besonderen Gerten
aus Stein oder aus pflanzliroen Stoffen, von denen siro
letztere srowerliro bis heute erhielten.
Am Ende einer langen Linie von Vormensroen ohne jede
Industrie, d. h. ohne die entspreroenden Gelstesfhigkeiten,
haben siro diese Wesen sehr langsam entwickelt, in Etappen,
die uns groenteils entgehen. Vor srotzungswelse .hrostens
40 000 Jahren - also von uns relativ nur wenig entfernt-

findet man einen Menschen, so wie er heute ist (mit der


Hirngre als Kriterium), der nicht nur ber ziemlich
vielseitige und vervollkommnete Werkzeuge verfgt,
sondern auch - wenigstens bei gewissen Vlkern Darstellungen von lebendigen Wesen auf eine Art einritzen,
formen und malen kann, die uns heute noro einen sthetischen
Genu bereiten. Fr jene Menschen war hchstwahrschelnlidt
schon das Angenehme mit dem Ntzlichen verbunden. Der
Nutzen bestand vermutlich fr sie darin, unter bestimmten
Voraussetzungen Darstellungen zu schaffen und sidt Ihrer
in geeigneter Weise (Beschwrungsformeln, Berhrungen,
Stiche usw.... ) zu bedienen, um die Vermehrung und den
Fang des Wildes zu begnstigen. Die Freude ergab sich
sicherlich aus dem Schaffen selber und dem Betrachten
- man bedenke, bei welchem ruigen Licht in den Hhlen
dies geschah! Wir mssen auch denken, da es sich nidtt
allein um dieMaleret handelte: so wie dieMenschenSchmuck
trugen, gab es auf den Gebrauchsgegenstnden schmckende
Linien, ga,nz gleirogltig, welroes der Wert ihrer magischen
Wirkung war. Man fand sicher auch schon kleine Bauten,
wenigstens Laubhtten, vielleicht mit Tierfellen bedeckt,
also eine Andeutung der Baukunst; andererseits existierte
sicher auch Instrumental-, Vokalmusik und Tanz.
Wre es denkbar, da diese Handwerker und Knstler keine
Lautsprache gehabt htten1 Widerspruchsvolle Kpfe haben
sich ausgedacht, da Im Laufe der Jahrtausende die notwendigen Mitteilungen fr die gemeinsamen Arbeiten, fr
die Vlker- und Herdenwanderungen, fr die Jagden usw.
nur mit Gesten gemacht worden seien, das Zeidtnen sei sogar
dem Wort vorausgegangen. Es wre recht eigentmlich,
wenn die Vormenschen mit ihren verschiedenen Krelsdtlauten
- nadt dem Belspiel unserer Affen, ganz zu schwelgen von
allen anderen Sugetieren mit Ihren mehr oder weniger
starken Kehllauten - am Ende ihrer Stammlinie eine
unbestimmte Zeit lang stumm geblieben wren, bevor sie
in wenigen Jahrtausenden eine organisierte Lautspradte
entwickelt htten. Umgekehrt ist die Behauptung, da eine
Gebrdensprache in den Hhlen nicht von Nutzen gewesen

sei, lcherlich, da das Hhlenleben sicher sehr besdtrnkt


gewesen sein mu, und da abtastende Gesten in der Dunkelheit mglich blieben. Hchstwahrscheinliro - und darber
sdteint jede Diskussion erhaben zu sein - haben siro die
handfertigen Menschen schon am Anfang ihrer Entwicklung ihrer Kehle u n d der Gebrdenspradte bedienen
knnen, da sie ein bewegliches Gesicht hatten. Bei der Dauer
der Entwicklung (sagen wir etwa 300 000 Jahre) darf man
vermuten, da eine Grundsprache mit sdtlecht differenzierten
und verteilten Lauten und srolecht gekennzeidtneten Wrtern
sich zu der uns bekannten Sprache entwickelt hat, die
siro mit Ihrer Kompliziertheit und ihren unbewuten Ausgeglichenheilen zwischen den Bestandteilen bei allen
Menschen heute auf der Erde findet, selbst bei denen, deren
Handfertigkeit am grten ist.
Wahrsroeinlich sind im Laufe der Entwicklung, die die
Sprache verbesserte, Mittel aufgetaucht, um sie materiell zu
ersetzen und mehr oder weniger haltbar zu machen. Hierher
gehrt das groe Kapitel der Z e 1c h e n (im weiten Sinne
des Wortes), die der Sdtrift vorausgegangen sind und neben
Ihr mit besonderen Anwendungen weiter bestanden haben.
Man findet alle die geritzten und als Abgrenzung gedaroten
Striche: von den mit den Fingerspitzen im Sand gezogenen
Linien bis zu den mannigfaltigsten Kerben, einschlielidt der
Schlitze in den Tierohren als Besitzzeichen, oder den Ttowierungen. Man findet da Gegenstnde, die man mehr oder
weniger lange beiseite gelassen hatte: Steine oder trockenen
Kot zum Abzhlen bei Spielen oder ernsthaften Beredtnungen.
Man findet da alle Knoten- auch den aus mehreren Zweigen
oder aus einem biegsamen Zweig -, die bedeuten, da
jemand entweder vorbeigekommen ist oder dies tun will.
Wenn wir das Entsprechende in unserem Kulturkreis suchen,
knnen wir alles, von den Goldmnzen bis zu den Straenverkehrszeichen anfhren. Aber wir mssen vor allem an
die Elemente der versrotedenen Zahlensysteme denken, die
wie Sdtriftzeiroen aussehen, aber ganz anders gehandhabt
werden. Hier herrsdtt ganz unnachsirotlg die Ntzlidtkeit;
die Kunst uert sich in einem Mindestma.

Auf der anderen Seite steht die Kunst, oder stattdessen


wenigstens eine graphisdle Geschicklidlkeit, am Ursprung
aller Systeme, die das sidltbar madlen wollen, was im Wort
ausgedrckt werden kann. Oberall trifft man zuerst die
Piktographie (aus der lateinischen Wurzel .,malen" und der
griedlisdlen .,Stridle ziehen, sdlreiben").
Der Piktographie begegnet man zuerst in den verschiedenen
uerungen der Ursdlrift, die sidl als Bruchstck bildhafter
Rede wohl an den Sdlauenden ridltet, ohne da sie in
Wrter zerfllt, folglich keine tatsdllidle Verbindung mit
einer bestimmten Spradle aufweist. Im allgemeinen hat man
es mit versdliedenartigen Sadlzeidlen fr die Formen und
Sitten in Gesellsdlaften zu tun, die sich ihrerseits untersdleiden, aber alle auf einer materiell niedrigen Stufe
geblieben sind, Gesellsdlaften der Jger, Fisdler, einfacher
Bauern in Afrika, Nordasien, Amerika, Ozeanien. Daneben
bestehen Signale - Piktogramme, die sidl fr den Betrachter
nidlt auf besdlreibende Einzelheiten beziehen, sondern dazu
bestimmt sind, Formeln auszulsen und dabei dem gebten
Besdlwrer als Geddltnissttze zu dienen: das Gezeichnete
ist hier ein Hilfsmittel und nidlt, wie es immer mehr wurde,
ein Ersatz des von Berufs wegen gebten Geddltnisses.
Sobald der gesprodlene Text selber aufgebaut, rhythmisch
geordnet und gesungen wird, ist eine uerlidle Verbindung zur Kunst hergestellt. Bei den Cuna-Indianern
in Mittelamerika (Panama) findet man Gesnge als
aneinandergereihte Piktogramme, die hbsdl gezeidlnet und
gefrbt und gut geordnet sind. Ein Grundelement, das fast
berall auftritt, mu man dabei festhalten, nmlidl die
Stilisierung, die bei der graphisdlen Darstellung der Gegenstnde auswhlt und vereinfacht. Man mu auerdem
festhalten, da es auf hnlidlen Kulturstufen deshalb
zu Gesngen kam, weil Gegenstnde, deren Symbolwert
audl eine geistige Stilisierung bedeutet, da waren und
gehandhabt wurden (Stcke mit oder ohne Kerben,
Fledltwerk). Man bat geglaubt, da die Sdlrift der Tfeldlen
von der Osterinsel aus Piktrogramm-Signalen bestehen knne,
aber die neuesten Entzifferungsversudle sdleinen dodl eine

piktographische Sdlrift ans Lidlt zu bringen. Die ZeidlenPiktogramme knnen unter anderem dazu dienen, eine
Botsdlaft mitzuteilen, die aus Mangel an einem Boten mehr
oder weniger ausdrckliche Zeichen erforderlich macht:
so bringen die Eskimos beim Verlassen ihrer Wohnstatt auf
deren Tr Reihen von Figrchen an, die die Dauer und das
Ziel ihrer Reise kundtun. In diesem Fall findet man eine
mandlmal eingerahmte Anordnung auf einer streng
horizontalen Linie. Die Aufteilung der Botsdlaft in getrennte
Figrchen bedeutet eine Analyse der vermutlichen Erzhlungen oder Reden in Sach-Zeidlen und Umstands-Zeichen.
In Amerika besonders findet sidl eine hnliche, aber anders
und weniger regelmig zergliederte Aufteilung in
bebilderten Erzhlungen auf Bisonfellen, die als Mantel
dienen: Bruchstck aus dem Lebenslauf eines Huptlings,
Erinnerung an widltige Ereignisse; am Rande beachte man
dabei eine Ornamentik des Kostms. In derselben Kultur
findet man nodl stilisiertere Bilder auf geflodltenen
Schrpen. Hier wird die Aufgabe der sidltbaren Figuration,
die darin besteht, die Erinnerung an gewisse Ereignisse
aufredlt zu erhalten, auf' einfadle Art gemeistert.
Eine wirklidle Sdlrift, die der Zergliederung der Stze in
nebeneinander gezeichnete Wrter entspridlt, eine Schrift
also als neues Zeichen der Beobadltung und der Abstraktion,
erscheint erst in hher entwickelten Kulturkreisen mit
Stdten; der Stdtebau nmlidl setzt verwickelten und
regelmigen Verkehr besonders wegen der Ernhrung der
Stdter durdl das Land und vor allem die Entwiddung der
Baukunst als handwerklidles und knstlerisdles Schaffen
voraus. Das beweist brigens, da mandle materiellen
Fortsdlritte an der Schwelle der historischen Zeiten wie in
der ferneren Vorgesdlidlte ohne Gebraudl der Sdlrift erreidlt
werden konnten.
Ein einziges Beispiel eines organisierten Staates, der eine
Verwaltung ohne Sdlrift besa, ist der Staat der Inkas in
Sdamerika vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. Sie entbehrten

auch des Rads fr den Verkehr. Dagegen hatten sie die


Systeme der Knotenschnre sehr entwickelt, um Remnungen
zu machen und sich an sie zu erinnern. Man kann zwar
einige Beispiele von einzelnen Menschen in Afrika und
Amerika anfhren, die eine Schrift erfunden hatten; aber es
sind "Zivilisationsspritzer", da die Erfinder um die Existenz
der europischen Schrift wuten. In der Tat erlaubt keine
archologische Entdeckung von schriftlichen Urkunden,
weiter als hchstens ungefhr bis zum Jahr 4000 zurckzugehen; grob gesagt hat also die Schrift, die fr das Leben
nicht unbedingt notwendig ist, nur eine Geschichte von etwa
6000 Jahren. Und am Ende dieser Zeitspanne ist sie nicht
zu einem allgemeinen Gebrauch gelangt: man kann sagen,
da beinahe die Hlfte der Mensdlen sich ihrer nicht
bedient.
Eine wahre, vollkommen piktographische Sdlrift wrde
verlangen, da jedes Wort durch eine erkennbare, spezielle
Zeichnung dargestellt wird - so verfhrt das Bilderrtsel
(lateinisch r e b u s = .,durch die Dinge"), das heute
noch als Spiel mit verschiedenen weiteren Regeln gebraucht wird. Man sieht zum Beispiel eine Kreisscheibe mit
Strahlen, die "Sonne" bedeutet, eine Kopfbedeckung
fr .,Hut", verschiedene Tiere, die durch ihre Abbildung
gemeint sind (so "Katze"). Die Sach-Zeichen sind zugleich
Wort-Zeichen; da sie Inhalte aussagen, ohne die Laute
zu bemhen und im einzelnen abzugrenzen, ist ihr Gebrauch
ideell und man kann sie Ideogramme heien (aus dem
griedlischen idea = .,Idee"). Was das Gezeichnete anbelangt,
so kann man, solange es sich um realistische Abbildungen
handelt, von Hieroglyphen (Bilderschrift) im weiten Sinne
sprechen, nach der Bezeidlnung der Griedlen fr die Zeichen
der alten gyptischen Sdlrift (hieros = .,heilig", .,glyph" =
bilden).

mu man eine Vielzahl von versmiedeneo Zeichnungen


voraussetzen. Wenn man von dem eben beschriebenen
Verfahren nicht abgeht, tauchen unberwindlidle Schwierigkeiten bei der Darstellung aller abstrakten Wrter auf (zum
Beispiel .,Glck") und aller, die in den Reden eine verbindende
Funktion haben (z. B. die Prpositionen). Tatsdllich scheint
dieses System in keinem Land eine feste und dauerhafte
Existenz gehabt zu haben. Es wurde mglicherweise jedodl
auf leimt vergnglichen Stoffen in Gegenden angewandt,
wo die Geschichte der Schrift mit vervollkommnetereD
Mitteln anfngt (so in gypten). Als Hauptbeispiel knnen
die ltesten mesopotamischen Urkunden gelten, die dank
ihres festen Materials - Stein oder vor allem gebackener
(gebrannter) Ton- erhalten blieben; es sind Handelsurkunden: Waren- oder Tiernamen und Ziffern: man wei
nicht, in welcher der beiden Sprachen, die sidl in dieser
Gegend noch entwickeln sollten - sumerisch oder
akkadisch -, sie zu lesen sind. Die ltesten elamitischen
und kretischen (minoische Hieroglyphen) Urkunden zeigen
anscheinend dieselben Verhltnisse.
Die nchste Erfindung gehrt in den Zeitabschnitt, wo die
Laute niedergeschrieben werden, wo die Schrift aber zuerst
nur teilweise phonographisch wird (aus dem griechischen
phonos = .,Laut"). Dies wird erreicht, ohne da man die
Pikto-ldeographie aufgibt, und zwar durch das Verfahren
des bertragenen Bilderrtsels, das genaue Beobadltungen
bei einer bestimmten Spradle voraussetzt: man kann nmlidl
bei kurzen Wrtern beobachten, da es Homophone
(Gleichlaute) gibt (aus dem griechisdlen homos = "gleidl"
und phonos = .,Laut") - ein Begriff, der genauer ist als
Homonym = mit dem gleidlen Namen (onoma oder onyma) - ,
und so wird man ein Zeidlen sparen, indem man - um ein
Beispiel aus dem Franzsisdlen zu nehmen - einen .,pot"
zeidlnet und dabei eine .,peau" meint.

Wenn es sidl um ganze, nidlt zergliederte Wrter handelt,


kann ein soldles System ohne Rcksidlt auf die Ausspradle
gehraurot und folglich in versmiedeneo Sprachen gelesen
werden. Wenn man ber mannigfaltige Dinge sdlreiben will,

Wenn man einen Schritt weitergeht und Wrter aufteilt,


wird man mehrsilbige Wrter zerlegen knnen; so kann man
.,dlapeau" mit den gekoppelten Zeidlen einer "<hat" und
eines "pot" darstellen. Dieses Beispiel gilt natrlldl nur fr

das Franzsisdle: hier dedd sidl das, was an der Sdlrift


nodl ideographisdl ist, mit den Lauten der Sprache.
Die folgenden Beispiele sind einer amerikanisdlen Sdlrift
entnommen. Ungeadltet der Chronologie pflegt man die
Sdlriften Zentralamerikas in der Gesdlidlte der Sdlrift an
den Anfang zu stellen. Dies wird durdl die anderswo nidlt
bekannte Entwicklung der piktographisdlen oder hieroglyphischen Zeidlnung geredltfertigt, ohne da es zu einer
Sdtematisierung kam. Aus diesem Grund knnte diese
empirisdle Einteilung weiterbestehen, selbst wenn die
gegenwrtigen Bemhungen, Maya- und Azteken-Urkunden
zu entziffern, Misdlungen von ideographisdlen und phonographisdlen Verfahren enthllen sollten, wie man sie in
lteren Sdlriften der alten Welt sieht. Diese alten Sdlriften
sollen im folgenden summarisdl besdlrieben werden.
In Zentralamerika kam es zum Gehraum der Sdlrift im
Stadium des Stdtebaus. Das Reim der Mayas sdleint im
4. Jahrhundert nadl Christus existiert zu haben; es mute
nadlher vieles durdlmadlen; sdlon vor der spanisdlen
Eroberung im 16.Jahrhundertwar es praktisdl versdlwunden.
Wie sehr sidl die Baukunst besonders mit Pyramiden und
Riesentreppen entwickelt hatte, wird durdl Ruinen besttigt;
nun aber stand die Sdlrift in Zusammenhang mit der Baukunst: die Stufen einer soldien Treppe waren mit groen,
gemeielten Hieroglyphen verziert. Man kennt audl Stuckfiguren, und man hat Fresken festgestellt. Bei der Verfertigung von Pergament- und Papieralben mit mehr oder
weniger groen Figrdlen in sorgfltig aneinandergereihten
Vierecken wurde audl die Farbe gebraudlt. Viele Figrdlen
waren zum Teil phantastisdl stilisiert und lieen allerlei
Sagen und mythisdle Interpretationen aufkommen. BekanntUm war bei den Mayas die Kenntnis der Sdlrift auf Priesterund Adelsfamilien besdlrnkt. Aber die Skulpturen auf den
Bauwerken standen vor aller Augen und sollten erklrlidl
sein, genau wie die Statuen und die Glasmalereien unserer
romanisdien und gotisdten Kathedralen.

Auf weldlen praktisdlen Nutzen hin ergab sidl diese groe


graphisdle Entwicklung? Eine Frage, die fr jeden Kulturkreis
gestellt werden mu. Der Inhalt der Texte oder Tafeln, den
die nodl in den Anfngen steckenden Entzifferungen
erkennen lassen, betrifft hauptschlich den Kalender.
Bekanntlich herrschte in dieser Kultur der Glaube
an die regelmige Wiederkehr derselben Ereignisse.
Gegebenheiten festzulegen, die Vorhersagungen ermglichten, schien also hchst ntzlich.
Die Azteken, die sich im 14. Jahrhundert in Mexiko niedergelassen haben und deren Kultur von den Mayas beeinflut
wurde, haben auch Denkmler gehabt; nach der spanischen
Eroberung ist davon nur sehr wenig briggeblieben.
Whrend man nur drei echte Maya-Handschriften kennt,
beluft sich glcklicherweise die Zahl der erhaltenen
aztekischen Manuskripte auf etwa dreiig bis vierzig.
Man unterscheidet darin Religises, Historisches und
Geographisdles; unter dem letzteren liefern Stdtenamen
Beispiele fr bertragene Bilderrtsel. So wird der Name
der Stadt COATIAN durch eine Schlange und darunter zwei
Zhne mit ihrem Zahnfleisdl dargestellt, es bedeutet "Ort der
Schlangen". COATL ist das Wort fr Schlange, und um den
Ort anzuzeigen, wurde die Prposition Tlan ("in") durdl
tlantli ("Zhne"), dessen Endung wegfllt, ersetzt.
Die phonetisdle Analyse kam zur Identitt der beiden
Wrter, und die Zeichnung zeigt zugleich die Aussprache
und die Bedeutung.
Wenn wir hier das Chinesische, und zwar vor den am
frhesten belegten Schriften, behandeln - obwohl es
wahrsdleinlich nur bis zur Mitte des dritten Jahrtausends
zurckgeht - , so auch wegen des Schriftvorganges. Das
chinesische System ist der idealen Piktographie nahe,
insofern als es prinzipiell eine Zeidlnung, d. b. einen
Buchstaben fr jedes Wort gibt, wobei das Wort einsilbig
und unvernderlich ist. Dieses ist wahr, obwohl es den
Sprachgelehrten gelungen ist, zu erkennen, da die Wrter

nicht immer einsilbig gewesen sind und obwohl sehr oft


zwei Elemente in einer Art zusammengesetzter Wrter
verbunden sind. Daraus ergibt sidl, da die Buchstaben in
die Tausende gehen.
Das gewhnlidle Lesen erfordert die Kenntnis von 3000
Buchstaben; Wrterbdler fr die Gelehrten enthalten mehr
als 40 000 und mit den seltenen Wrtern noch mehr.
Aber es sind keine Hieroglyphen mehr. Die nhere Prfung
erlaubt - wenn der Sinn bekannt ist -, die ursprnglichen
Zeichnungen zu erkennen. Man nimmt an, da einzelne von
ihnen nicht direkt Gegenstnde oder Haltungen darstellten,
sondern vereinbarte Gesten einer ziemlich entwickelten
Mimensprache. Diese Zeichnungen sind in mehr oder weniger
verwickelten graphischen Zusammensetzungen schematisiert
worden, und zwar seit den ltesten uns bekannten Texten,
die vor allem auf Schildkrtenschalen gezeidlnete,
prophetische Aussagen enthalten.
Nun sind diese Bumstaben aber nicht ideell verbunden,
sondern zu bestimmten Lautgruppen der dlinesischen Sprache
vereinigt (Konsonant und Vokal und teilweise noch ein
Konsonant am Schlu); es sind also Silbenphonogramme.
Ohne Vernderung sind viele dahin gelangt, mannigfaltige
Gegenstnde zu bezeichnen. Erst nachher hat man, um die
verschiedenen Bedeutungen auseinander zu halten, mehr
oder weniger komplizierte Striche (von einem einzigen bis
zu 17 Strichen) innerhalb der Buchstaben eingefhrt, um also
ideographische Lautgruppen zu unterscheiden. Es gibt deren
214 in der klassisdlen Schrift; sie werden Sdllssel genannt.
Das hier sehr kurz dargelegte System ist ideographisch und
phonographisch zugleidl. Trotz der Schwierigkeit, das
Zeichnen und Lesen zu erlernen, hat es bis heute bestanden.
Seit kurzem wird die lateinische Schrift gebraucht, um das
Lesen zu lernen, ehe man die alten, zum Teil vereinfachten
Buchstaben selbst lernt.
Im allgemeinen sind ja diese Buchstaben kompliziert, sie
bestehen aus vielen kleinen geraden Strichen, die mit der

Pinselspitze gezeidlnet werden. Der Gebrauch der Schrift,


der einst den gebildeten Kreisen der Beamten und Reimen
vorbehalten war (heute existieren Schulen fast berall),
verrt Sinn fr sthetik. Jeder kleine Buchstabe fllt ein
gedachtes Viereck aus, steht vereinzelt in der streng
geradlinigen Rubrik mit ihrerseits gleich groen Zwischenrumen (Interpunktion ist dazu da, auf die ntigen
Gruppierungen hinzuweisen), und ist so ein kleines Kunstwerk. Die guten Schreibmeister, ob beruflidl dazu ausgebildet
oder nicht, sind gleich Zeichnern und Malern berhmt
geworden. Der Gebrauch der Sdlrift als Verzierung ist
hufig.
Im alten gypten lt sidl - dank der erhaltenen Ruinen
und der wiedergefundenen Urkunden - schon vor dem Jahr
3000 das Bestehen organisierter Staaten mit groen Stdten
nadlweisen, wo die Schrift mit Hieroglyphen als kleinen
und doch erkennbaren und eleganten Zeichen im Gebrauch
war; einige von ihnen veranschaulichten zweifellos althergebrachte Gesten.
Auf dem Gebiet der monumentalen Kunst - dazu gehren
kleine Stelen mit Inschriften und Malereien als Innenausstattung der Grabkapellen - haben sich eingeritzte oder
gemalte Zeichnungen bis zur christlichen Zeit etwa erhalten.
Dann sind sie der alphabetischen Schrift gewichen, die von
den Griechen in der Form entliehen war, welche man wie die
weiterentwickelte Sprache, die bis beute in der christlichen
Liturgie lebt, koptisch nennt. Auf den schriftlichen
Urkunden werden kleine Redltecke (prinzipiell sind es
Vierecke), die von einem groen oder zwei bis drei
gruppierten kleinen Zeichen ausgefllt werden, entweder
senkredlt oder waagrecht sorgfltig aneinandergereiht
Die Zeichen muteten sthetisch an und hatten auerdem in
den Augen der Leute, die zum grten Teil nicht lesen
konnten, eine mehr oder weniger magische Bedeutung:
in gewissen Fllen wurden die Zeichen verstmmelt und
Abbildungen von lebenden Wesen in ihrer Ganzheit
gemieden.

Das Sdueiben wurde zahlreichen Schreibern anvertraut, die


einen ziemlich hohen Rang in der Gesellschaft einnahmen;
auerdem mute die Schrift wenigstens einem Teil der
oberen Stnde vertraut sein. Das Gravieren und Malen
erforderte ebenfalls eine gengende Zahl von knstlerisch
begabten Handwerkern.
Nach etwa 1000 Jahren gesellte sich zu der Schrift der
Denkmler eine im allgemeinen mit Tinte festgehaltene
Kursivschrift, deren Zeichnungen um der Schnelligkeit willen
schematisiert und reduziert wurden und somit aufhrten,
erkennbar zu sein: das ist das erste erwhnenswerte Beispiel,
wo das Bedrfnis nach schnellem Schreiben wichtiger
wurde als die Klarheit fr das Lesen. Aber in dieser Kursivschrift, deren Zeichnungen (zuerst hieratisch, dann demotisch
genannt) sich je nach den Epochen gendert haben, ist das
System als solches das gleiche geblieben.
Es war ein verwic:keltes System, was, nachdem die Tradition
verloren gegangen war, die Entzifferung fr die Gelehrten,
die an das alphabetische System gewhnt waren, schwierig
machte. Nach dem ideographischen Prinzip umfate es vor
allem Wort-Zeichen; sie waren ursprnglich Sach-Zeichen in
direkten Bilderrtseln oder in bertragenen ungeteilten
Bilderrtseln fr Wrter mit hnlichem Inhalt (Erscheinungsform der Polyphonie), wobei die Ubertragung fr Wrter mit
gleicher oder hnlicher Lautung (Erscheinungsform des
Polysemantismus) psychologisch war.
Dank dieser beiden Verfahren konnte die Zeichenzahl auf
einige Hundert herabgesetzt werden, wodurch die
Zeichnungen besser zu erlernen und zu behalten waren, aber
das Lesen unsicherer wurde. Infolgedessen wurden zwei
zustzliche, nicht-ausgesprochene Ergnzungen angenommen,
die das Lesen erleichtern sollten. Es waren zunchst Zeichen
(aus dem ideographischen Bereich), um Sinnkategorien zu
bestimmen (menschliche Wesen und deren Handlungen,
Tiere, Gerte usw.), Ideogramme von Kategorien, die den
chinesischen Schlsseln hnlich waren. Zweitens gab es als

Hilfsmittel fr die Aussprache der Zeichen Laute oder


Lautzeichen, die fr die Konsonanten (und nur Konsonanten)
kurzer Wrter standen; es kam ihnen nicht auf den Sinn,
sondern nur auf die Aussprache an. In dem hufigsten Fall,
nmlich im System der Wrter mit einem Konsonanten,
hat man die Entsprechung dessen, was spter der Buchstabe
sein wird. Diese phonographischen Mittel, die auf eine
fortgeschrittene Gliederung des Wortes in seine Grundbestandteile schlieen lassen, sind nur dazu da, Nach- und
Vorsilben zu notieren, whrend die Wort-Zeichen
Stammwrter bezeichnen. So verfgte man ber ein
gemischtes System, das ideographisch und phonographisch
zugleich war.
Es mute ursprnglich praktische Anwendungen geben, die
aus Mangel an hartem Material nicht erhalten blieben. Schon
die ltesten erhaltenen Urkunden zeigen den Wunsch,
zeitgenssische Ereignisse festzulegen. Nachher findet man
Zeugnisse aus dem Alltag in zahlreichen Gedenkschriften.
Bilder mehrerer Schreiber, die anscheinend diktierte Texte
gleichzeitig schreiben, zeigen die Anfnge von vervielfltigter Schrift, anders gesagt, von Bchern. Erwhnenswert
sind dabei Kfer mit gravierten Buchstaben; sie dienten als
Siegel: dies ist im Hinblick auf die Funde verschiedener
Kulturkreise, einschlielich der Stdtekultur am lndus, die
zeitlich etwa mit den Anfngen der gyptischen Knigreiche
zusammenfllt und wo man nur Siegel als Schrifttrger
(in einer noch nicht entzifferten Schrift) gefunden hat,
eine der ltesten Anwendungen der Schrift.
In gypten blieb die Schrift an die Ardlitektur und die
monumentale Kunst gebunden; auf den Obelisken vor allem
waren die Hieroglyphen genug vergrert, da sie von dem
Lesekundigen gelesen werden konnten.

In einer anderen Gegend des von uns so genannten Nahen


Ostens ist ungefhr zur gleichen Zeit ein Schriftsystem
entstanden, das in seiner Auffassung dem gyptischen
verwandt war, aber sieb in der Ausfhrung sehr unterscbied.

Es liegen fast 1000 Jahre zwischen den Zahlenpiktogrammen


(gegen 3500), von denen wir oben gesprochen haben, und der
klassischen Keilschrift, Ausdruck jener beiden Sprachen, die
in dieser Gegend eine groe religise und literarische Rolle
spielten: das Sumerische, dem bis jetzt keine Sprachverwandtschaft zugeschrieben werden konnte, und das
Akkadische (assyrisch-babylonisch), das als ost-semitisch
anzusprechen ist.
Die eher grobschlcbtigen Zeichnungen, ohne knstlerischen
Wert, haben sich allmhlich in jene Zusammenstellungen
von Strichen verwandelt, die an einem Ende ein kleines
Dreiec:k haben und so die Bezeichnung "Ngelu verdienen,
und von Dreiecken mit zwei kleinen Verlngerungen,
fr die die Bezeichnung "KeUU pat (daher der Name
Keilschrift). Diese Striche und Dreiecke wurden gezeichnet,
indem man eine zugeschnittene Schilfspitze mehr oder
weniger tief in eine noch nichtgebrannteTontafeleindrckte;
dieses Material hat sich durcb seine Dauerhaftigkeit
verdient gemacht.
Wir mssen erwhnen, da die vielen mesopotamischen
Schreiber, die sich bekanntlieb vielen Studien hingaben
(vor allem grammatikalischen Vergleichen zwiscben den
beiden benutzten Sprachen), es mit ihren winkligen Schriftelementen zu einer richtigen Schreibkunst brachten, in der
es an gekonnten Anordnungen des Umbruchs, an berraschenden Konzentrierungen auf kleinen Fldlen und
geschickt eingefgten "weienu Formen nicbt fehlt.
Ein interessantes Beispiel bildet jene Art von Kursivsduift
auf weichem Material, die von geschickten Stecbem in
kleinen Denkmlern, vor allem Stelen (jenen Mauem
im Kleinen), auf Stein bertragen wurde, jenen kleinen
Denkmlern die zu der majesttiscben mesopotamischen
Arcbitektur mit ihren oft riesenhaften Skulpturen gehren.
Die meisten Zeicben (500 etwa in der alten sumeriscben
Spracbe) sind, wie die gyptiscben, Wort-Zeicben, die sieb aus

ehemaligen Sacb-Zeicben herleiten. Viele sumeriscbe Wrter


sind einsilbig - mit einem Konsonanten vor und nach
einem Vokal -, andere sind krzer (Vokal, oder Vokal
und Konsonant) oder lnger. Im Akkadischen berwiegen
die Stmme mit drei Konsonanten, wie berhaupt im
Semitischen.
Im Sumerischen wie auch im Akkadischen haben dieselben
Zeichen, dank einer grozgigen, psychologisch zu
erklrenden Ubertragung, mehrfache Bedeutung.
In den beiden Sprachen vollzog sich die phonographiscbe
Ubertragung sowohl fr kurze Wrter wie auch fr Teile
langer Wrter, wobei- im Gegensatz zum gyptischen immer ein Vokal dabei sein mute. Da das Akkadiscbe
sumerische Werte behielt und andere durch Zerlegung der
semitiscben Stmme gewann, ist es besonders reich an
Zeichen mit mehrfachen Bedeutungen, die man oft nur durcb
den Zusammenhang voneinander unterscheiden kann.
Der Gebrauch entspricht dem des gyptischen; Stmme
werden meistens mit Hilfe eines Ideogramms dargestellt.
Die Gattungsideogramme sind weniger zahlreim als im
gyptischen, aber im Akkadischen reichlicher als im
Sumerischen. Der Gebrauch der phonographischen Zeicben
ermglicht das Lesen; sie werden fr Wort-Endungen und
-Anfnge, nicht nur fr Affixe, sondern fr Stammteile mit
oder ohne zustzlichem Affix gebraucht. Sowieso war das
Lesen immer eine komplizierte Sache und erforderte im
vorhinein ein ernsthaftes Uben, um die verschiedenen
Bedeutungen eines und desselben Zeichens kennen zu lernen.
Wenn man die sehr reiche Literatur prft, die sieb dank
der harten Stoffe erhalten hat, sieht man, wie verscbiedentlich der phonographische Teil des Systems gebraucbt wurde.
Vor allem gibt es Unterscbiede je nadl der Art der Texte:
es gibt zum Beispiel mehr Ideogramme in den historisdlen
Texten und Vertrgen, weniger in den Gesetzessammlungen.
Die moderne Entzifferung hat gldillcberweise aus den

Hilfsmitteln, welcher sich die ehemaligen Schreiber bedienten,


Nutzen ziehen knnen; man hat ziemlich viele Grammatiktfelchen wiedergefunden, wo die sumerischen und
akkadischen Wrter zergliedert und in Lautgruppen erklrt
sind.
In der Keilschrift haben sich Ideogramme und Silbenphonogramme als Instrumente der Kultur gegen Sd-Osten nach
Elam verbreitet, wo eine ehemalige Bilderschrift sich nicht
weiterentwickelt hatte. Um 2500 wurde die Keilsduift
bernommen, vor allem ihre Lautgruppen. Im Nord-Westen,
im Land der Hethiter, bestanden um 1500 eine Bilderschrift
und die Keilschrift nebeneinander, deren zahlreiche Ideogramme zur Entzifferung verhalfen, weil sie den Inhalt der
Texte in groen Zgen verdeutlichten.
Das Verfahren, mit Hilfe einer Schilfspitze "Ngel" zu
zeichnen, wurde wenigstens zweimal rein phonographisch
gebraucht, einmal fr das Ugaritische um die Zeit, als das
Alphabet in der syrisch-palestinensischen Gegend seinen
Anfang nahm, und zum andern fr das alt-persische Silbenalphabet, als die Perser zur Herrschaft gelangten. Diese
beiden Schriften waren aber nicht von Dauer; das Alphabet
mit Gebrauch der Tintenschrift drang berall durch.
In der Inselwelt der ..gis, auf Kreta und Zypern haben sich
eigenmchtige Kulturen entwickelt, wo die Schrift anfnglich
ebenfalls eine Bilderschrift war. Es kam anscheinend ziemlich
sdmell zu einer Lautschrift, da die Wrter systematisch in
Silben (vom Typ Konsonant und Vokal) zergliedert wurden.
Die Zeichen mit mig komplizierter Ausfhrung sind immer
viel weniger zahlreich als in den !deo-phonographischen
Systemen (80 im B-Linearen auf Kreta, 55 im Zyprischen).
Urschriften in Sprachen, die vor den indo-europischen
Einwanderungen nach Hellas lagen, sind noch nicht entziffert
worden. In den Silbenschriften ist es auf Kreta und in
Mykene auf dem Festland gelungen, griechisch aus der Zeit
etwa zwisdJ.en 1450 und 1200 vor Christus zu lesen, ehe die

Griechen das Alphabet bernommen hatten, und um 500 vor


Christus auf Zypern, als die Griechen dann anderswo sdJ.on
lngst das Alphabet benutzten.
Das letztere ist unter gewissen Umstnden und an einer
bestimmten Stelle, die sich unserer Kenntnis entziehen, am
Ostufer des Mittelmeeres entstanden. Ursprnglich war es
sicher piktographisch wie die anderen Schriften. Aber es war
unmglich, eine Beziehung zu bestimmten hieroglyphischen
Urkunden aus Phnizien zu finden; es ist fraglich, ob es zu
einigen geritzten, auf Sinai entdeckten Urkunden vielleicht
aus der Zeit zwischen 1800 und 1500 vor Christus, mit
wenigen, grob ausgefhrten Zeichen in Beziehung steht.
Eins ist sicher: neben den groen Schriften aus den Kulturen
des Nahen Ostens und 2000 Jahre danach kam es
- unseres Wissens ein einziges Mal - zur Bildung
einer phonographischen SChrift, die auf der Gliederung der
Wrter in ihre kleinsten Teile beruhte und infolgedessen
aus sehr wenigen (kaum mehr als zwanzig) einfachen,
nicht-abbildenden Zeichen bestand: so kam es zur Herrschaft
der Laut-Zeichen oder Buchstaben.
Es war ein echtes "Zeichen der Zeit", nmlich der Augenblick,
wo der nachsinnende Mensch den eigentlichen Bau seiner
Sprache klar einsah und daraus praktische Schlsse zog.
Dies geschah in einer Gegend von kleinen Stadt-Staaten,
wo der Fernhandel ber die Meere und die Wsten zum
Wohlstand beitrug und wo die Brger zweifellos in weitem
Mae an der Verwaltung teilnahmen. Die vielen Leuten
zugngliche Schrift sollte dann die Weiterentwicklung
der Kultur immer mehr erleichtern.
Die GesChichte des Alphabets, von den Ursprngen bis heute,
ist verwickelt. Zu bercksichtigen sind: die Frage der Ausdehnung in verschiedene Richtungen im Zusammenhang
mit sozialen Ereignissen;
nationale Untersmeldungen der geschriebenen ZeiChen,
mehr oder weniger im Zusammenhang mit sthetisChen
Typen;

versChiedene Arten, die LautsChrift zu ergnzen (vor allem


bei der Notierung der Vokale);
verschiedene Arten, die Wrter zu begrenzen, wobei das
IdeographisChe bercksichtigt werden mute.
So berrasChend es audt scheinen mag, es ist nachgewiesen,
da das Alphabet zum erstenmal auf den in der Bibliothek
von Ugarit (im Norden von Phnizien) entdeckten Tfelchen
gebraucht wurde, und diese Keilschrift (von links nach rechts
zu lesen) ist etwa auf die Zeit zwischen 1600 und 1200 vor
Christus festzulegen. Ihre Sprache ist eine Abart des
Westsemitischen, die dem Kananischen und Aramischen
nahe verwandt ist. Sicherlich sind sptestens gegen 1000 vor
Christus (1300 meinen manche Archologen auf Grund von
bestimmten phnizischen Denkmlern) die Zeichnungen, die
zu unserem Alphabet fhren sollten, in Phnizien und den
benachbarten Gebieten sowohl fr das Kananische wie
auch fr das Aramische aufgetaucht. Es war ein Alphabet
von 22 Buchstaben, alles Konsonanten: man schliet daraus,
da die Vokale nidtt unbekannt sein konnten, aber vernachlssigt wurden, und da die Buchstaben in der Tat Silben
mit nicht notiertem Vokal darstellten: ein Stadium zwischen
der Silbenschrift und dem vollstndigen Alphabet. Die
Buchstaben waren in der Gre verschieden, und manche
gingen ber die gewohnte Doppellinie der kleinen Zeichen,
entweder nach oben (Stiel) oder nach unten. Von vornherein
gab es eine Kursivschrift und eine mit getrennten Buchstaben,
die dann auf den harten Stoff der Sarkophage oder der
Grabmler bertragen wurde. In den alten Inschriften, so
wie in der einzig bekannten Inschrift aus dem Moabitischen
(einer anderen kananischen Sprache) sind die Wrter im
allgemeinen durch Punkte getrennt. Es wird von rechts nadt
links gesdtrieben.
Das Aramische, eine andere west-semitische Spradte, hatte
in seinen Anfngen (gegen 1000 vor Christus?) fast dieselben
Buchstaben und wurde audJ. von rechts nach links gelesen.
Da die Griechen, vielleicht gegen 1000 vor Christus, von
den Phniziern das semitische Konsonantenalphabet direkt

borgten und es bernahmen, als es sidJ. in Kleinasien


verbreitete, hat bedeutsame Folgen gehabt.
Die erste Folge war, da das alphabetische System mit
Buchstaben als Konsonanten und Bumstaben als Vokale
vollendet wurde. Um ihre Sprache klar zu notieren, konnten
die Griechen es nidtt unterlassen, die Vokale darzustellen;
sie benutzten dafr einfadJ. die im Griechischen nidtt
existierenden Konsonanten aus dem Semitisdten. So wurde
das phonographische Prinzip bis zu Ende gefhrt. Da die
Griechen die aufeinanderfolgenden Bumstaben lasen, ohne
etwas hinzufgen zu mssen, um die Wrter zu erraten,
haben sie (nach der arebaisehen Periode) auf die Trennungen
der Wrter verzichtet. Erst nach einigen Jahrhunderten
haben sich die Gelehrten damit beschftigt, die Schrift durch
ZeiChen zu vervollstndigen, besonders durdt die Betonung
oder den Wortakzent, dessen Verschiebung in dieser Spradte
Schwierigkeiten zur Folge hat. Spter haben sie die deutlidte
Physiognomie der Wrter wiederhergestellt, trennten sie
durch Abstnde und schrieben sozusagen gruppierte Wrter,
eine fr uns unerlliche Gewohnheit.
In ihrer Schreibweise (nach anfnglichem Zgern: von links
nadt rechts) haben sich die Griechen fr das, was wir groe
Buchstaben nennen, an deutlieb viereckige Formen gewhnt,
wobei diese weder nach oben noch nach unten ragen und
sehr oft symmetrisch sind, was ohne Zweifel sthetisch wirkt.
Spter bildeten sich fr die schnelle Handschrift kleine
Buchstaben.
In Indien ist die Schrift wahrscheinlieb im 5. Jahrhundert vor
Christus erschienen, wurde dem semitischen Konsonantenalphabet ziemlich sicher entliehen, aber fr die meisten
Buchstaben schon von Anfang an mit einer solchen Schreibweise versehen, da die Entlehnung nidtt unbedingt nachgewiesen ist. Eines steht fest: da die Vokale ganz anders als
bei den Griechen festgehalten wurden und da dieses System
zu der Bildung eines Silbenalphabets fhrte. Die bloen Buchstaben werden wie ein von dem Vokal A gefolgter Konsonant
gelesen. A findet sich nmlich am hufigsten. Zeichen (und

nicht Lettern), die nach, vor, ber oder unter dem Schriftzeichen stehen, kennzeichnen kurze oder lange Vokale mit
verschiedenem Klang. Im Satz, dessen Ende seinerseits
gekennzeichnet ist, sind die Wrter nicht getrennt.
Es gibt nicht eine indische Schrift, sondern verschiedene
Formen mit mannigfaltigen Kalligraphien (von links nach
rechts geschrieben).
Es ist sehr aufregend, in den verschiedenen Gegenden der
Welt, wo die Schrift mehr oder weniger eindrang und
verschieden gebraucht wurde, die wechselvolle Geschichte
des Alphabets zu verfolgen und zu sehen, wie es sich ber
die Wege des Handels und der religisen Beeinflussung
verbreitete; wie sich auerdem die Schriftformen mit andersgeartetem Material ndern; in welcher Beziehung die
Schreibkunst zu anderen Knsten steht; wie unterschiedlich
sich der spradtlidte Ausdrud{ an die Rechtschreibung anpat,
usw. Wir knnen hier nur einen uerst begrenzten
Uberblid{ geben.
Aus der alten semitisdten Urform entwid{elten sidt nidlt nur
das Kananisdte und das Aramische; im Sden gibt es einen
eigenen Zweig, vor allem auf sd-arabischen Inschriften mit
symmetrisdt geformten Schriftzeichen (wahrscheinlich unter
griechisdtem Einflu); und wenn vor allem bei den groen
lnsduiften auf Gebuden die Zeilen abwechslungsweise von
redlts nadt links und von links nadt redtts angeordnet sind,
so zeugt dies von dem Wunsdt, dem vor der Fassade hinund hergehenden Besudter ein ununterbrodlenes Lesen zu
erlauben. Die daraus abgeleitete thiopische Sdlrift wird von
links nadt redlts gesdtrieben.
Ein westlidter Zweig ist das Lybisdl-Berberisdle, dessen
Gehraum besdlrnkt geblieben ist und dessen ebenfalls
symmetrisdl geformte, aber originelle Sdtriftzeidlen auf alten
Stelen von unten nadl oben in Reihen angeordnet sind.
Die aramisdle Sdlrift hat 1m semitisdlen Gebiet, wo sidl das
Aramisdle seinerseits auf Kosten des Kananisdlen, des

Ugaritisdlen, das Akkadischen (und des Sumerischen)


ausgebreitet hat, mannigfaltige Sonderformen gebildet, die
von rechts nach links gelesen werden. Daher das viered{ige
Hebrische, dem ein unbestimmtes Los zuteil werden sollte
und das heute die Amtsschrift des israelischen Staates
ist; das Syrische des kleinen Staates Edessa, das noch als
religise Schrift berlebt; das Palmyrische, das in Palmyrien,
ebenfalls einem kleinen Staat, sehr kurzlebig war, nachdem
es die ersten Beispiele an gebundenen Buchstaben entwickelt
hatte, die in dem anderen kleinen Zentrum am Rande
Arabiens, wo das Habaleische gebraucht wurde, hufiger
waren.
Auer dem Semitischen verbreitete sich die aramisdte
Sdtrift gegen Norden ber einen groen Teil Asiens bei
Vlkern iranischer, trkischer und mongolischer Spradle.
Im Sden des semitischen Gebiets selber haben die Beduinen
aus Arabien die Sdtrift von den Nabatheanern entliehen.
Zusammen mit dem Aufsdlwung des Islams sollte diese
Tatsache bedeutende Folgen in der Schrift haben. Die arabische
Schrift war eine schnelle, gebundene Kursivschrift, besonders
wenn man es unterlie, die Vokalzeidten ber oder unter die
Bumstaben zu setzen, wie man es fr den Koran und fr
die Schule madlte. Sie war- teilweise stilisiert-frallerlei
kalligraphische Ubungen und Spiele geeignet, aber sie wurde
auch als Ornament sowohl auf Gegenstnden wie auf Denkmlern, vor allem auf deren Stuckteilen, reichlich gebraudlt.
Sie wurde auer von den Arabern audl von den anderen
Mohammedanern angewandt und verbreitete sidt so in
Vorder- und Zentralasien, in einem Teil Indiens und lndonesiens, sowie in manchen afrikanischen Gegenden.
Die indisdle Sdlrift umfate den Bereidl der indo-arisdlen
Spradlen - bis nach Nepal und das Gebiet der dravidisdlen
Spradlen 1m Sden, aber auf den Spuren des Buddhismus
(der sidl in Indien selbst nidlt halten sollte) hat sie im
Norden Tibet und 1m Sd-Osten einen Teillndodlinas und
den grten Teil lndonesiens erreldlt. Die Sdlriftzeidlen mit

ihrem Silbengehalt zeigen nicht wie im Arabischen leichte


Abwandlungen, sondern bilden zahlreiche Schriften wirklich
verschiedenen Typs, und es wre interessant, sie mit den
Abwandlungen der Ornamentik zu vergleichen.
Die griechische Schrift, die bis heute in ihrer klassischen
Form auf ein kleines Gebiet beschrnkt blieb, hat in diesem
Rahmen verschiedene Ausdehnungen erfahren und sich dabei
zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Richtungen
mehr oder weniger stark verndert.
Im Osten mu man in der Antike gewisse Sprachen Kleinasiens, die nicht fortlebten, wie das Phrygische, beachten.
(Aber diese Sprachen hatten - wenigstens zum Teil - die
semitische Schrift gleichzeitig mit dem Griechischen, vielleicht
sogar vor ihm bernommen). In der christlichen Missionszeit wurde das Griechische in Afrika fr das Koptische
und das Alt-Nubische gebraucht, eine Zeitlang nrdlich des
Sdlwarzen Meeres fr das Germanisch-Gotische, dann fr
die slawischen Sprachen mit einer bis heute gltigen, zwar
eigenen, aber nah verwandten, cyrillisch genannten Schreibform; es folgte also dem Schid{sal der stlichen Kirdte.
Abwegige Nachahmungen mit Bestandteilen fremder Herkunft
findet man in Armenien und Georgien. Da sich heutzutage das
sowjetisdle Ruland einheitlidl fr die cyrillische Schrift
entsdllossen hat, ersetzt diese zum Teil die arabisdie Schrift
und wird bei verschiedenen finnisdt-ugrischen, trkisdten,
mongolischen und anderen Spradten angewandt.
Gegen Westen hat sich die alphabetische Schrift in der
Antike durdt Berhrung der Kulturen, anscheinend jedodl
ohne besondere religise Absicht, verbreitet, besonders in
Italien, sowohl bei den Etruskern, deren Sprache noch
unverstanden und unbekannter Herkunft ist, wie - mit oder
ohne deren Zutun - bei den italischen Vlkern indoeuropischer Sprachen, vor allem bei den Lateinern.
Ansmeinend hat eine besondere Form des Nordens in den
Alpen zu den Runen gefhrt, die in den skandinavisdlen
Lndern eine originelle Form gehabt haben und zum Teil
aus der Magie herzuleitende Anwendungen erhielten.

Die lateinisdte Schrift mit groen Bumstaben hat wie die


griechische meist symmetrische, sehr klare Formen
bekommen. Sie war zu monumentalen Zwecken geeignet,
konnte nach Bedarf grer werden, so da man sie von
ziemlich weit lesen konnte. Zum alltglichen Gebrauch und
fr die Anwendung in Bchern hat sie allerlei Formen mit
einer eigenen Geschichte angenommen, zum Teil mit
sthetischen, zum andern mit praktischen Gesichtspunkten
der Schnelligkeit und Lesbarkeit verbunden.
Aus dem 16. Jahrhundert kann man die gotische Buchsdtrift
erwhnen, die auffllig an den gotischen Baustil erinnert
und die man in den letzten Handschriften und in verschiedenen
Inkunabeln zusammen mit einer besonders schlecht geformten
Kursivsdtrift findet; darauf folgte die besonders nchterne
und klare humanistische Schrift, die bis in die heutigen
Drucke nachwirkt.
Die lateinische SChrift hat sich in Europa verbreitet, zuerst
durch die rmische Verwaltung, dann mit der allmhlidlen
Ausbreitung des Christentums bis zu den Gebieten der
cyrillischen Sdtrift. Whrend der Entded{ungsfahrten und
Kolonisation durch die Europer hat sie einen groen Teil
der Welt erobert, vor allem den amerikanisdlen Kontinent.
Heute ist sie die am weitesten verbreitete Schrift.
Dank der Missionsschulen wurde die lateinisdle SChrift auf
Madagaskar dem Madegassisehen und in lndochina dem
Vietnamischen angepat. Die jetzige indonesisdle Republik
und die Republik der Philippinen haben sie fr ihre Nationalsprachen bernommen. In der chinesisdlen Volksrepublik
wurde sie den Minderheiten gegeben, die keine Schrift
hatten, und man lehrt sie jetzt audl die Chinesen (siehe
oben). Sie hat auch angefangen, den afrikanisChen und
Indianismen Spradlen zu dienen.
Systematisdl vervollstndigt, dient sie dazu, andere Systeme
zu umsdlreiben und die AusspraChe sdtriftlidl festzuhalten.

Die Kunst der Schrift

In ihrer Entwicklung ist die SChrift an die Herstellung


von Sdlreibunterlagen, -gerten und -flssigkeiten
gebunden; sie war lange von der Handfertigkeit der
Kalligraphen und anderer SChreiber abhngig. Eine
bedeutsame Wende war die Vervielfltigung von SChriften
durCh Druckverfahren, der ihrerseits noch eine Papierindustrie
vorausgehen mute. Die Geschichte der Kupferstiche beginnt
in China im 2. Jahrhundert naCh Christus. Die Kunst der
Holzdrucke wurde im 6. Jahrhundert betrieben. Die beweglichen Bumstaben in China und Korea gehen auf das
11. Jahrhundert zurck. In Westeuropa hat nach einem
besChrnkten Gebrauch der Holzdruckkunst die Herstellung
bewegliCher Bumstaben und der Druckpressen im 15. Jahrhundert den AufsChwung des Buches und der Flugschrift
erlaubt: es wurde nun in betrchtliCh erweiterten Kreisen
gelesen, ohne da die Erziehung jedoCh verallgemeinert
worden wre. Die BuChdruckerkunst verlangte natrlich ganz
neue Arten von Technikern (es sei hier nur die SchreibmasChine und ihr Gefolge von Brokrften erwhnt). Im
19. Jahrhundert kam es dann in den entwickelten Industrielndern mit den Tageszeitungen (unter Ausntzung immer
mehr vervollkommneter Maschinen) zum Massendruck und
gleiChzeitig zur allgemeinen SChulpflicht.
Die gesteigerten FortsChritte der Industrie, zu denen die
SChrift als geistiges Hilfsmittel weitgehend beigetragen hat,
haben eben dieser Schrift im Zeitalter der Elektrizitt viele
Konkurrenten erstehen lassen, die die gleichen Beditrfnisse
wie sie befriedigen: erleiChterte Nachrichtenbermittlung
(das Telegramm), Registrierung, Ubertragung und allgemeine
Verbreitung der Nachrichten, Unterricht, Propaganda
(einsChlieliCh Reklame), Zerstreuung. Telefon, Kino,
Radio, Fe111sehen, Tonband bernehmen die Rolle sowohl des
BriefsChreibens wie auCh der Zeitung, der Schul- und Unterhaltungslektre.
Die Bedeutung der SChrift sCheint auf einem Teilgebiet ihrer .
ursprngliChen Anwendungen unangefochten, nmliCh dort,
wo sie dem BuCh vorausgeht, das uns erst in zweiter Linie

als eigentliCher Ausdrum der SChrift ersCheint. Zuerst galt sie


der Besttigung im weiten Sinne des Wortes: die beglaubigte
Mitteilung, der Vertrag, das feierliche Gedenken, das Edikt
oder das Urteil, die religisen Texte, bei deren Wiederholung es auf wortgetreues Hersagen ankam. Dazu das
Testament (das nicht immer holographisch, d. h. eigenhndig
geschrieben war) und der authentische Bericht legislativer
und geriChtlicher Uberlegungen. Unter den spteren Anwendungen sCheinen von Dauer zu sein: der vertrauliche
BriefweChsel, die persnlichen Memoiren, die Notizen und
Konzeptniederschriften fr sptere literarisChe oder erzieherisChe Werke.
In welchem Mae wird die mechanische Registrierung des
Wortes alle diese Anwendungen verdrngen? Inwiefern
wird andererseits die Schrift (mit der Hand oder mit der
Maschine zu Papier gebracht) fr die Vorbereitung eben
dieser verschiedenen Registrierungen in Gebrauch bleiben?
Ein Problem der Zukunft.Die nunmehr 6000 Jahre alte Geschichte war mannigfaltigem
Wandel unterworfen. Die Erscheinung des Alphabets gegen
1500 vor Christus war von entscheidender Bedeutung.
Das Auftauchen der Buchdruckerkunst im 15. Jahrhundert
in Europa war ein neuer Wendepunkt fr die in der ganzen
Welt immer grer werdende Bedeutung der Schrift. Wir
stehen mitten in einem neuen Wandel; wird er zu einem
endgltigen Niedergang der Schrift zugunsten anderer
Erfindungen fhren, die die Sprache von Generation zu
Generation erhalten und weitergeben 1
Marcel Cohen

Ubersetzung aus dem Franzsischen: Jeanne Moll,


Baden-Baden

Die Tafeln

1
2
3
4
5

Die Funktion der Schrift im tgliChen Leben


SChreiben, fr wen?
Elementare ZeiChen
SpreChende Bilderschriften
Marken und Symbole

Die Entwicklung der Schrift


Ostlimes Mittelmeer
6 Frhe Schrifterfinder in Sumer
7 Die Ausbreitung der KeilsChrift
8 Altmittelmeerische SChriften
9 Die gyptischen Hieroglyphen
10 Idem
11 Der semitisChe Stamm
12 Aramische ToChterschriften
13 Hebrisch
14 Die arabisChe SChrift
Indien und Ostasien
15 SChriften in Indien, Tibet und Ostturkestan
16 SChriften in Hinterindien und lndonesien
17 Die chinesisChen SChriftzeiChen
18 ldem
19 Einflu der ChinesisChen SChriftzeiChen
20 ChinesisChe Schreibkunst
21 JapanisChe Schreibkunst
22 OstasiatisChe SChriften im tgliChen GebrauCh
Mittel- und Sdamerika
23 BildersChrift im me:rlkanisdlen Raum

24 Die SChrift der Maya-Vlker


25 Material und Werkzeug
Europa
26 Das Alphabet kommt nach Europa
27 Das Alphabet der Etrusker, Rmer und Germanen
28 Die slawisChen SChriften
29 Handschriften des Mittelalters
30 Papier, BiombuCh und bewegliChe Lettern
31 Die Inkunabelzeit (1450--1500)
32 Die gebrochenen SChrifttypen
33 Die runden Schrifttypen
34 Die vier Familien der runden SChrifttypen
35 Die vielen Gestalten eines Buchstabens
36 Die beiden groen Schriftbereiche
37 Die Ziffern und die Erfindung der Null

Der Gebrauch der Schrift


38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50

Lesen- und SChreibenlernen


Lesende
Modeme DrumteChnik
Die Verbreitung der SChrift
Zeitung und Plakat
Propaganda im zweiten Jahrhundert
Publizitt auf der Strae
PersnliCher Ausdrum und Standardisierung
Die Handschrift
SChrift als Kunst
SChriftelemente in der bildenden Kunst
Kunst als SChrift
Stufen der Kommunikation

Die Vielzahl der Bilder auf den Tafeln 6, 12, 15, 16, 21, 22, 26 und 48 machte eine Wiedergabe aller auf den Textseiten des
Kataloges genannten Vorlagen nicht mglich.

Fotonadlweis:
Albek, Azis, Istambul 7 a; 26 c
American Embassy, Bad Godesberg 40 a, e
Anton, Ferdinand, Mnchen Tafel 23, 24, 25
Arntz, Kunstarchiv Stuttgart 12 k; 6 e; 7 f; 271;
29 c, i, k
Associated Press GmbH, Frankfurt 5 d; 12 b
Associated Press Ltd., London 12 a, c
Aufsberg, Lala, Sonthofen 3 i; 39 c, d
Bernisches Historisches Museum 4 c
British Museum, London 13 e
Casse Nationale des Monnments Historiques, Paris 6 d; 11 e
Chuceville, M., Paris 6 a, g; 7 e, g; 10 c, d, e; 11 h
Coll. F. Vannotte 201
Colombo J.-Gerard, Paris 27 e
Deutsche Presse Agentur GmbH, Harnburg 26 e; 40 g
Deutsches Ardlaeologisdles Institut, Rom 43 c, d, e, f, g, h,
i, k, 1
Goldberg, Dr. A. M. 13 d, f
Hammerhh & Co., Hamburg 37

Handke, Historisches Bildarchiv, Bad Derneck 5 m; 26 b; 27 f;


29 e; 31 a, d, f
Huber, Max, Milano 1; 3 b; 44
Kunstinstitut Marburg 9 a; 10 a; 11 d; 27 k; 39 h
Le Directeur de la Mission Archeologique Fran~aise 7 h
Leve, Manfred, DUsseldorf 44
Lffelholz, Irmgart, Frankfurt 3 a, c, g, k; 4 b, d, k;
5 a, f, g, k; 7 c; 8 a, b, c, d; 9 b, c; 10 g; 11 b, c; 26 a, i; 27 g;
31 c, 1, k; 32 d, e, f, h, i, k; 33 a, b, c, d, e, f, h
Martin-Luther Universitt, Halle 15 a, b, c, d
Musee de l'Homme, Paris 3d, e, f; 4 a, f, g, h; 5 b, I; 16 b, n
Monotype Corporation Ltd. 40 i, h, k
Musee Guimet, Paris 15 h, I, m, o; 16 e; 17 cz, ht, z; 21 i
National Museum' of Finland, Helsinkt 5 h, 1
Pragher, Willy, Freiburg 20 g
Shan, Ben, Gem. Museum van Amsterdam 1
Staatlimes Museum, Berlin 2 c
VIIstein GmbH Bilderdienst, Berlin 8 e; 26 d; 44 e
Vigneau, Andre, Paris 7 b; 11 f
Wlschnitzer, R. 13 b

DieTafeln

1
Die Funktion der Schrift im tglichen Leben

19

Wir sind von Schrift umgeben


zu Hause beim Erwachen
aui der Strae
bei der Arbeit
und der Entspannung.
Die Schrift lt sich aus unserem Leben
nicht mehr wegdenken.
Wie ist sie dahin gekommen?
Dies zu beantworten versucht die Ausstellung.

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Schreiben, fr wen?

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a
b
c

fr die Zeitgenossen
in Briefen und Zeitungen.
Fr die Nachkommen
auf gyptischen Reliefs und im Testament.
Fr sich selber
als kritzelnde Kinder, im Journal und
Notizbuch (hier notiert Gauguin seinen
Gemldetausch mit van Gogh) .

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3
Elementare Zeichen

Die Abbildungen dieser Tafel zeigen


Beispiele frhester Zeichen, aus denen sich
unter bestimmten kulturellen Bedingungen
eine Schrift entwickeln kann. So wird aus
dem Bild der Wellenlinie (a) im semitischen
Kulturbereich der Buchstabe .,M", nach dem
phnizischen Wort fr .,Wasser", von dem
auch der griechische und lateinische
Buchstabe M abgeleitet ist. Die Motive zur
frhesten Zeichenbildung entstammen dem
leben der Jger- und Hirtenvlker: Wege
markieren, Eigentum kennzeichnen, Tausch
und Abgaben fixieren, Abwesendes vergegenwrtigen, die Erinnerung wachrufen,
Geister beschwren. Sie dienen nicht immer
der Mitteilung, sondern sind oft Ausdruck
der eigenen Welterfahrung und -deutung.
Moderne Knstler (h) knnen daher wieder
an ihren Formenschatz anknpfen.

Prhistorische Felsmalerei aus Spanien.


Rechte Reihe: Dmonische Regengeister
sitzen auf den Zeichen fr .,Wasser"
(Wellenlinien), die Hnde ber den Kopf
erhoben. Daneben eine menschliche Gestalt
mit Kopf und ausgebreiteten Armen, in
den Hnden zwei Gestirne, ihre Fe aus
Regenwolkenzeichen. linke Reihe: Abstrakte Gestalten mit der Figur des
Mondes, 2. Jahrtausend v. Chr. Bronzezeit.
Nach Khn, Die Felsbilder Europas,
Stuttgart 1952.

Die Lust am Kritzeln, Straenbild aus


Mailand.
Foto Max Huber.

Abstrakte Zeichen auf Kiesel gemalt,


gefunden bei Maz d' Azil, Sdfrankreich.
Mittlere Steinzeit.
Nach Diringer, The Alphabet,
New York 1948.

Tnzer mit Maske, Malerei auf Stein,


Sudan.
Musee de l'Homme, Paris.

Tnzer mit Antilopenmaske, Malerei auf


Stein, Sudan.
Musee de l'Homme, Paris.
Afrikanische Felswandmalerei in
Bandiagara, Nigeria.
Musee de l'Homme, Paris.

g
Die Zeichen lehnen sich an die Gestalt der
Dinge an, auf die sie sich beziehen. Gelegentlich sind sie jedoch auch abstrakt und nur
fr den verstndlich, der ihre Bedeutung
schon kennt, und daher heute kaum mehr
zu deuten (a, c, g). Sie haben ihre Konvention, sind also Besitz einer bestimmten
Gruppe von Menschen, die ihre Formen
berliefern an die nchste Generation. So
ergibt sich eine gewisse Stabilitt der
Formen, wie sie fr eine ausgebildete Schrift
dann unentbehrlich ist. Die Bildzeichen aus
Kreta (k) sind mit denen der spanischen
Felswnde (a) nahezu gleichzeitig, doch
werden sie in einer hochentwickelten Kultur
verwandt und haben schon den Schritt zur
Schrift getan.

Figuren von sdamerikanischen Felsgravierungen. Bedeutung nicht bekannt.


Nach Koch-Grnberg, Sdamerikanische
Felszeichnungen, Berlin 1907.
Miro, Illustration aus .,a toute epreuve"
von Paul Eluard, Ed. G. Cramer, Genf.
Kreuze, Wappen und Jagdszene,
Freskomalerei auf einer Kirchenwand,
Genhofen Allgu (Deutschland).
Foto lala Aufsberg.

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Bilderschriftzeichen von Siegelabdrcken


aus Kreta. Bilder von Lebewesen und
Gegenstnden, aber auch abstraktornamentale Zeichen dienen als frheste
Schriftzeichen. Minoische Kultur um
2000-1900 v. Chr.
Nach Evans, Scripta Minoa, Oxford 1909.

4
Sprechende Bilderschriften

Die Niederschriften durch Bildzeichen ~ienen


meist als Gedchtnishilfen zur Unterst~tzung
d er mndlichen Uberlieferung. .Ihre Zeichen
.
sind stark vereinfacht und erreichen emen
Grad von Abstraktion, wie er auch ~en
Worten der Sprache eigen ist, d. h. Sie s~ellen
nicht einen individuellen Gegenstand, d1esen
Baum dar, sondern "Baum berhaupt",
und die besonderen Umstnde, die im
speziellen Fall gelten, mssen aus dem Zusammenhang hervorgehen. Bildergeschichten
wandeln sich so zur Bilderschrift (Piktographie), und es kann das .Stadium er~eicht
werden, da ein Zeichen mcht mehr emen
Gegenstand (wie in a und c) sondern dessen
Namen, also ein Wort, reprsentiert.
So enthlt z. B. die aztekische Inschrift (b)
neben de n bildhaften Szenen bereits Wortzeichen (fr die Stammesnamen) und ist
damit auf dem Weg zu einer leistungsfhigeren Schrift, die auch schwierigere
Zusammenhnge wiedergeben kann. In der
aztekischen Inschrift gelten noch die kompositorischen Re geln eines Bildes; in der CunaSchrift (f) dagegen ist nur noch die sprachliche
Reih enfolge der angedeuteten Liedteile
magebend: Die Zeile zeichnet sich ab, hi er
noch in der uralten Weise der w echselnden
Richtung (Rustrophedon: wie der Pflug
gefhrt wird). J e mehr sich Schrift im
eigentlichen Sinne herausbildet, des to
unanschaulicher sind die bildmigen
Elemen te. Die Tafel von der Osterinsel lt
das Piktographische nur noch in Spuren
erkennen. Bei Analphabeten (h) hlt sich
die Bilderschrift jedoch bis in unse r
Jahrhundert.
a

Eskimozeichnung. Szenenfolge zur Erinnerung an einen Jagdzug, auf einen


Knochen geritzt.
Musee de I'Homme, Paris.
Az tekische Bilderschrift ber ein wichtiges
Ereignis. Von links nach rechts: Vier
wandernde aztekische Stmme (Fuspuren!) mit ihren Namenszeichen ber
de n Kpfen. Zusammentreffen an einem
Ort namens Tamoanchan "die Stelle des
Herabkommens" (durch einen gefllten
Baum und einen Altar gekennzeichnet)

mit 8 anderen Stmmen.


Abschied der Stmme voneinander: die
beiden Huptlinge rechts oben, von denen
der eine weint (das Zeichen fr Wasser
unter seinem Auge). Darber die Namen
der 8 Stmme und das Zeichen fr den
gestirnten Himmel: die Szene findet nachts
statt. Die Stmme selbst feiern ein
kultisches Fest (rechts unten).
Aus dem Codex Boturini.
c Bemaltes Bisonfell der Hidatsa-Indianer.
Obere Hlfte: Fnf Kmpferpaare, bei
denen immer der rechte Krieger Sieger ist.
Die Gewehre daneben sind durch eine
Hand als Beutestcke gekennzeichnet.
Die Zeichen der unteren Hlfte knnen
die Zahl der getteten Feinde, vielleicht
aber auch die der Geschenke darstellen.
Auch die Schtzen sind soweit schematisiert, da sie nur noch als Zeichen, nicht
mehr als individuelle Personen erscheinen.
Derart bemalte Felle dienten als Mntel
und demonstrierten den auf kriegerischer
Leistung beruhenden Rang ihres Besitzers.
Be rn. Histor. Museum, Ethnographische
Abteilung,
Sammlung Schoch.
d Verordnung des Gouverneurs von
Tasmanien an die leseunkundigen Eingeborenen.

1. Reihe: der erwnschte Friedenszustand


zwischen Europern und Eingeborenen;
2. Reihe: der offizielle Friedensvertrag;
3. Reihe: ttet e in Schwarzer einen Weien,
wird er gehngt;
4. Reihe : ltet ein Weier einen Schwarzen,
wird er gehngt.
Nsibidi-Schrift, Sd-Nigeria. Ursprung
nicht bekannt.

Stark konventionalisierte Bildzeichen, vor


allem von einem Geheimbund benutzt,
auch als Zaubermittel: (1) Mann und Frau
lieben sich innig und umarmen sich gern
(ausgestreckte Hnde). Sie sind reich,
denn sie besitzen 3 Kissen und je einen
Tisch auf jeder Seite. (2) Ehepaar des
Egbo-Stammes, dessen Zeichen die Feder
ist. (3) Streit zwischen Mann und Frau.
Sie haben ein Kissen zwischen sich und
zeigen sich den Rcken. (4) Mann und

Frau durch einen Flu (Kanus ') g etrennt.


Kreuze sie haben bereits Nachrichtend w
ausget~uscht. Nach Talbot, In the Sha 0
of the Bush, London 1912.
ma
Bilderschrift der Cuna-Indianer, Pa~a
. Zelc
. hen
dienen
Ursprung unbekannt. D1e
..
nes
als Gedchtnissttze fr den Sanger elh
rituellen Gesanges ber die Suche nac
der entwichenen Seele eines Kranken.
Die Zeilen verlaufen abwechselnd von
rechts nach links und umgekehrt (sog.
Bustrophedon).
. eichen
g Holztafel mit unbekannten Schnftz.
. "k) D"le Schnft
der Oster-Inseln (Paz1h
. um Teil
besteht aus etwa 500 Zeichen, d1e z .
Tiere Gegenstnde und Menschen m n
'
verschiedenen
Stellungen un d Hanlieru
f gen darstellen. Jede 2. Zeile steht au
dem Kopf, so da die Tafel beim Le~e~
gedreht werden mu. Alter der Schnf
nicht bekannt.
Musee de I'Homme, Paris.
d st
h Brief eines Yukaghi-Mdchens (Nor 0
Sibirien) an ihren fernen Liebhaber:
1
.,Ich bin allein in meinem Heim. Du h:~
mich verlassen und bist weit weg geg
gen. Du liebst eine Russin (mit weite~e!ll
Rock!) du hast sie geheiratet (unter el
' ihr), aber eure Ehe 1st
. mc
. ht
Dach mit
glcklich (gekreuzte Striche zwische? h
ihnen) . Du wirst Kinder haben, und 1 ~.ck
werde traurig (gekreuzte Striche) zuru
bleiben. Ich werde dich immer lie?e~, der
obwohl es einen anderen Mann g1b '
mich liebt."
Musee de l'Homme, Paris.
.
vo!ll
Gaunerzinken. Mordbrennerzeichen JeS
Ende des 17. Jhs.: in Richtung d es Pf e 1 ten
das 4. Haus wird in der Nacht des nc115
le tzten Mondviertels berfallen.
gs
Nach Gross, Handbuch fr Untersuchun
richter Band 1, Mnchen 1904.
k Ein Weber (a) ist verhaftet (b), wel1 der r
einen Fleischer (c) berauben wollte, e
dab ei verwundet wurde (d) . Der Weber
wurde berwltigt (e) und mute ge
stehen (f). Er hat frher einen Pferdenen
hndler (g) ermordet (h) und bittet se~a
Kameraden, davon nichts auzusagen,
er diesen Fall leugnen will (i).

II II

5
Marken und Symbole

Der Knoten im Taschentuch (a) ist das


alltgliche Beispiel fr einfache Gedchtnissttzen, wie sie der eigentlichen Schrift
vorausgehen und sie begleiten. Die Inkas
in Peru hatten aus Knoten e in kompliziertes
System gebildet, wichtige Dinge, vor all em
Zahlenangaben, festzuhalten (1, m) . Da dies e
.. konkrete Schrift" keine Bilder v erwende t,
mu der Empfnger bereits wissen, um
welchen Sachbereich es sich handelt, wenn
er sie richtig lese n will. Zur seihen Gruppe
gehren die in der buerlichen Arbeitswelt
vieler Vlker blichen Kerbhlzer (h, i).
Sie helfe n nicht nur ber die Unkenntnis
der Schrift hinweg, sondern di enen auch als
Quittung fr Leistungen, die nicht geflscht
werden kann, wenn je der Partner eine Hlfte
de s Holzes b esitzt (h).
Die Kerbhlzer zeigen gelegentlich auch mit
einer Marke an, auf w en sie sich beziehen (i) .
Unabhngig von dem Gebrauch einer Schrift
verweisen Haus- und Viehmarken (f),
Handwerkerzeichen (g), Wappen (c) und
Signets aller Art in abgekrzter Form auf
den Besitzer e ines Gegenstandes, auf die
Herkunft oder den Namen des Trgers.
Oft sind sie viel einprgsamer als der
geschriebene Name und sagen in ihrer
Symbolik etwas aus ber die Rolle, den Rang
und die Bedeutung ihres Trgers (b, c).
Wo Sprache und Schrift versagen mssen,
diene n Wappen oder Flaggen auch heute
noch zur Identifizierung. In gefahrbringenden
Situationen, wo keine Zeit bleibt zum Lesen
eines umstndlichen Textes, sind prgnante,
bildhaft andeutende Warnsymbole ge radezu
unentb ehrli ch (d, e). Hier stt unse re
ausgebildete Schrift an ihre Grenze.

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e

Eine alltgliche Gedchtnissttze: der


Knoten im Taschentuch.
Foto lrmgart Lffelholz.
Herrschaftszeichen: ein Huptlingsinsignium aus Dahomey, Afrika.
Musee de l'Homme , Paris.
Wimpel und Wappen. Einschiffung der
Ritter vom .. Orden zum Heiligen Geist"
zum Kreuzzug. Mit den Wappen des
Papstes, des Kaise rs, von Frankreich,
England, Anjou-Sizilien, Tarent u . a.
Miniatur aus dem Ordens-Statut, 14. Jh.
Louvre, Paris.
Foto Historisches Bildarchiv Lolo Handke.
Verkehrszeichen an einem Engpa.
Foto Associated Press.
Warnzeiche n b ei Lebensgefahr : der
Totenkopf.
Aus Sandberg ,.nu, die kunst und ihre
funktion im leben", Hilversum.
Hausmarken aus Anatolien, Trkei.
Nach Gelb, Von der Keilschrift zum
Alphabet, Stuttgart 1958.
Steinmetzzeichen von den Basaltquadern
der Rheinbrcke bei Koblenz.
Die Nr. 1-108 stammen von dem Bau
der Brcke 1340--1348. Die brigen befinden sich auf spter erneuerten Steinen.
Vielfach sind Andeutungen der typischen
Handwerkszeuge: Hammer, Meiel,
Winkelma, zu erkennen. Jeder Steinmetzgeselle erhielt ein solches Zeichen von
seinem Meister. Es war aus der Mutterfigur der Bauhtte, bei der er freigesprochen war, abgeleitet. Uberall, wo er
arbeitete, hinterlie er sein Zeichen.
Nach Hohmeyer, Die Haus- und Hofmarken, Berlin 1870.
Kerbholz. Im 19. Jh. von finnischen

Gutsbesitzern gebraucht. Links wurden


die Tagedienste von Pferden, rechts die
Tagedienste der Leute eingekerbt.
Kansallis-Museum, Helsinki.
Kerbhlzer aus Finnland. Einfachster Typ.
Auf ihnen wurden Abgaben usw. vermerkt. Die Zeichen nahe der Durchbohrung
geben die Hausmarke oder das Namenszeichen an.
Kansallis-Museum, Helsinki.
k Bauernkalender aus der Steiermark,
Osterreich, fr den Monat September 1398.
Die Buchstaben bezeichnen die Wochentage, die Strichzeichen darunter die Zahlen.
Diese sind vermutlich von den Zeichen
der Kerbhlzer abgeleitet.
Nach Menninger, Zahlwort und Ziffer,
Gttingen 1958.
Knotenschrift, sog. Quipu, aus Peru.
An einen Hauptstrang sind zahlreiche
Einzelschnre geknpft. Sie dienten vor
allem dazu, Zahlen von Vieh, Abgaben
usw. festzuhalten . Daneben konnten sie
auch historische Ereignisse, Briefe u. a.
mitteilen. Die Frbungen der Schnre, die
Art der Knoten und ihr Abstand von der
Hauptschnur helfen die Bedeutungen
unterscheiden. Die Quipus dienten der
Organisation des Inka-Reiches. Jn jedem
Ort gab es kundige Beamte, die die
Aufzeichnungen herstellten und in die
Hauptstadt schickten.
Musee de l'Homme, Paris.
m Ein Inka lt sich von einem Beamten
an Hand eines Quipu Kassenbericht
erstatten. Darstellung in einer zeitgenssischen spanischen Handschrift von
Poma de Ayala.
Foto Historisches Bildarchiv, Handke.

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Marken und Symbole

Der Knoten im Taschentuch (a) ist das


alltgliche Beispiel fr einfache Gedchtnissttzen, wie sie der eigentlichen Schrift
vorausgehen und sie begleiten. Die Inkas
in Peru hatten aus Knoten ein kompliziertes
System gebildet, wichtige Dinge, vor allem
Zahlenangaben, festzuhalten (I, m). Da diese
.,konkrete Schrift" keine Bilder verwendet,
mu der Empfnger bereits wissen, um
welchen Sachbereich es sich handelt, wenn
e r sie richtig lesen will. Zur selben Gruppe
gehren die in der buerlichen Arbeitswelt
vieler Vlker blichen Kerbhlzer (h, i).
Sie hellen nicht nur ber die Unkenntnis
der Schrift hinweg, sondern dienen auch als
Quittung fr Leistungen, die nicht geflscht
werden kann, wenn jeder Partner eine Hlfte
des Holzes besitzt (h).
Die Kerbhlzer zeigen gelegentlich auch mit
einer Marke an, auf wen sie sich beziehen (i) .
Unabhngig von dem Gebrauch einer Schrift
verweisen Haus- und Viehmarken (f),
Handwerkerzeichen (g), Wappen (c) und
Signets aller Art in abgekrzter Form auf
den Besitzer eines Gegenstandes, auf die
Herkunft oder den Namen des Trgers.
Oft sind sie viel einprgsamer als der
geschriebene Name und sagen in ihrer
Symbolik etwas aus ber die Rolle, den Rang
und die Bedeutung ihres Trgers (b, c).
Wo Sprache und Schrift versagen mssen,
dienen Wappen oder Flaggen auch heute
noch zur Identifizierung. In gefahrbringenden
Situationen, wo keine Zeit bleibt zum Lesen
eines umstndlichen Textes, sind prgnante,
bildhalt andeutende Warnsymbole geradezu
unentbehrlich (d, e). Hier stt unsere
ausgebildete Schrift an ihre Grenze.

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Eine alltgliche Gedchtnissttze: der


Knoten im Taschentuch.
Foto Irmgart Lffelholz.
Herrschaftszeichen: ein Huptlingsinsignium aus Dahomey, Afrika.
Musee de l'Homme, Paris.
Wimpel und Wappen. Einschiffung der
Ritter vom .,Orden zum Heiligen Geist"
zum Kreuzzug. Mit den Wappen des
Papstes, des Kaisers, von Frankreich,
England, Anjou-Sizilien, Tarent u. a.
Miniatur aus dem Ordens-Statut, 14. Jh.
Louvre, Paris.
Foto Historisches Bildarchiv Lolo Handke.
Verkehrszeichen an einem Engpa.
Foto Associated Press.
Warnzeichen bei Lebensgefahr: der
Totenkopf.
Aus Sandberg .,nu, die kunst und ihre
funktion im leben", Hilversum.
Hausmarken aus Anatolien, Trkei.
Nach Gelb, Von der Keilschrift zum
Alphabet, Stuttgart 1958.
Steinmetzzeichen von den Basaltquadern
der Rheinbrcke bei Koblenz.
Die Nr. 1-108 stammen von dem Bau
der Brcke 1340-1348. Die brigen befinden sich auf spter erneuerten Steinen.
Vielfach sind Andeutungen der typischen
Handwerkszeuge: Hammer, Meiel,
Winkelma, zu erkennen. Jeder Steinmetzgeselle erhielt ein solches Zeichen von
seinem Meister. Es war aus der Mutterfigur der Bauhtte, bei der er freigesprochen war, abgeleitet. Uberall, wo er
arbeitete, hinterlie er sein Zeichen.
Nach Hohmeyer, Die Haus- und Hofmarken, Berlin 1870.
Kerbholz. Im 19. Jh. von finnischen

Gutsbesitzern gebraucht. Links wurden


die Tagedienste von Pferden, rechts die
Tagedienste der Leute eingekerbt.
Kansallis-Museum, Helsinki.
Kerbhlzer aus Finnland. Einfachster Typ.
Auf ihnen wurden Abgaben usw. vermerkt. Die Zeichen nahe der Durchbohrung
geben die Hausmarke oder das Namenszeichen an.
Kansallis-Museum, Helsinki.
k Bauernkalender aus der Steiermark,
Osterreich, fr den Monat September 1398.
Die Buchstaben bezeichnen die Wochentage, die Strichzeichen darunter die Zahlen.
Diese sind vermutlich von den Zeichen
der Kerbhlzer abgeleitet.
Nach Menninger, Zahlwort und Ziffer,
Gttingen 1958.
Knotenschrift, sog. Quipu, aus Peru.
An einen Hauptstrang sind zahlreiche
Einzelschnre geknpft. Sie dienten vor
allem dazu, Zahlen von Vieh, Abgaben
usw. festzuhalten. Daneben konnten sie
auch historische Ereignisse, Briefe u. a.
mitteilen. Die Frbungen der Schnre, die
Art der Knoten und ihr Abstand von der
Hauptschnur helfen die Bedeutungen
unterscheiden. Die Quipus dienten der
Organisation des Inka-Reiches. Jn jedem
Ort gab es kundige Beamte, die die
Aufzeichnungen herstellten und in die
Hauptstadt schickten.
Musee de l'Homme, Paris.
m Ein Inka lt sich von einem Beamten
an Hand eines Quipu Kassenbericht
erstatten. Darstellung in einer zeitgenssischen spanischen Handschrift von
Poma de Ayala.
Foto Historisches Bildarchiv, Handke.

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Ostliebes Mittelmeer

Frhe Schrifterfinder in Sumer

Die Sumerer im unteren Mesopotamien sind


neben gyptern, Kretern und Chinesen die
frhesten Erfinder eines leistungsfhigen
Schriftsystems. Die Organisation ihrer um
einen Tempel angelegten Stadtstaaten machte
es erforderlich, Einzelheiten ber Abgaben
und Vertrge zu notieren. Die sumerischen
Schriftzeichen entstehen aus den Bedrfnissen
der Tempelwirtschaft. Zunchst benutzt man
dazu bildhafte Zeichen, die unmittelbar an
den Gegenstand selbst erinnern (b, c). Sie
lassen deutlich ablesen, welche Sachbereiche
in dieser allen Kultur eine Rolle gespielt
haben (c). Auch der Wille des Herrschers,
wichtige Staatsakte zu dokumentieren und
vor dem Vergessen zu bewahren, beginnt
sich niederzuschlagen. Das sog. Familienrelief eines Knigs von Lagasch zeigt
Bild und Schrift in der fr diese archaischen
Zeiten charakteristischen Verbindung:
die Figuren reihen sich wie Lettern
auf der Flche, jede mit ihrem Namen
beschriftet, so da Schrift und Gestall als
Einheit erscheinen, wie auch die Schriftzeichen
selbst noch bildhaft sind. Bild und Schrift
untersttzen sich gegenseitig (a). Die Schriftzeichen sind bereits auf die Worte bezogen,
nicht mehr unmittelbar auf die Gegenstnde,
so da genauer unterschieden werden kann,
z. B. ob ,.Pferd" oder ,.Ro" gemeint ist.
Zu dieser Phonetisierung der ursprnglich
piktographischen Zeichen trieb vermutlich
die Notwendigkeit, Namen eindeutig wiederzugeben: Worte, die schwer durch ein
Bildzeichen wiederzugeben sind, werden
durch das Zeichen eines gleich oder
hnlich Iaulenden Wortes bezeichnet, so
etwa wenn ,.Sonne" (engl. ,.sun") fr "Sohn"
(engl. "son") geschrieben wird. Man spricht
dabei von Lautrebus. Mit seiner Hilfe werden
alle sprachlich formulierten Zusammenhnge
schreibbar. Allerdings ist das Verfahren
noch sehr unhandlich. Die Keilschriftsysteme
haben es nur bis zur Silbenschrift gebracht,
bei der 80 und mehr Schriftzeichen verwendet
werden mssen - immerhin ein gewaltiger
Fortschritt, wenn man an die vielen
Hunderle und Tausende von Zeichen einer
Ideen- oder Wortschrift (z. B. der chinesischen)

denkt. Nur einmal bringt es die Keilschrift zur


Buchstabenschrift: in der sog. Ras SchamraSchrift in Ugarit (Syrien) aus der Mitte des
2. Jahrtausends.
Louvre, Paris. Foto M. Chuzeville, Paris.

a
b

Weier Tempel aus Uruk


Tontfelchen aus Uruk, archaische
Schicht 111, um 3300 v. Chr.

Das frhe piktographische Stadium ist


noch deutlich zu erkennen, doch sind die
Zeichen schon in Reihen senkrecht untereinander geordnet. Die Kerben und Lchet
sind Zahlzeichen. Die Schrift ist noch nicht
eindeutig erschlossen.
Nach Falkenstein, Archaische Texte aus
Uruk, Berlin 1936.
c Sog. Familienrelief des Knigs Urnansche
von Lagasch, geschnitzte Kalksteinplatte,
um2400v.Chr. Vermutlich als Weihegabe
im Tempel aufgehngt. Der Knig oben
links im Zottelrock beim Staatsakt des
Mrteltragens fr den Tempelbau,
daneben eine Tochter und vier Shne
mit eingeritzten Namen. Unten der Knig
mit berichterstattenden Beamten, auch sie
durch ihre Namen gekennzeichnet.
Louvre, Paris, Foto M. Chuzeville, Paris.
d Frhe piktographische Schriftzeichen von
den Tontafeln aus Uruk (b), 4. Jahrtaus.
v. Chr. Die Zeichen lassen noch ihren
piktographischen Ursprung erkennen,
sind zum Teil jedoch bereits erheblich
schematisiert. Vermutliche Bedeutungen:
1 Kopf, 2 Mund (das Gemeinte ist
schraffiert) , 3 essen, 4 gehen, 5 Frau,
6 Lwe, 7 Laufhund, 8 Damhirsch, 9 Bergziege, 10 Rind, 11 Wildrind, 12 Kuh,
13 Hund, 14 Schwein, 15 Fuchs, 16 Fisch,
17 eine Fischart, 18, 19 Getreide, 20 Garten,
21 Getreide, 22 Bier, 23 Milch, 24 Himmel,
Gott, 25 Gottheil Inanna, 26 Gottheit,
27 Htte, Stall, 28 Pflug, 29 Schiff, 30 Pfeil,
Leben, 31, 32 Gottheit.
e Astrologische Tafel in sumerischer
Keilschrift.
Musee de I'Homme, Paris.
Geritzter Stein des Knigs Eannatum
von Lagasch. Um 2400 v. Chr.
Foto Vigneau, Ed. "Tel".
g Kaufvertrag aus Lagasch in Keilschrift,
um 2400 v. Chr. (Abb.)
h Sumerische ZylindersiegeL
Oben: Siegel des lbil-Ischtar, Jagdszene,
um 2250 v. Chr. Mille: Heros und Tiere,
um 2750 v. Chr. Unten: Befreiung des
Sonnengottes, um 2250 v. Chr.
British Museum, London,
Foto Kunstarchiv Arntz, Haag.

stliches Mittelmeer

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Die Ausbreitung der Keilschrift

Von den Sumerern haben die aufsteigenden


Vlker des Zweistrornlandes, die Babyionier
und Assyrer, und weiter die Hethiter und
Pe rser das Keilschriftsystem entlehnt und
ihren sprachlichen Gegebenheiten anzupassen
versucht (a, b) . Dabei entfernen sich di e
Schriftzeichen imme r weiter von ihrem
piktographischen Ursprung (c) . Ihre Elemente
werden bis auf den geraden Strich des
Schreibgriffels reduziert, der senkrecht,
waagrecht und im Winkel angeordne t wird.
Das Schriftbild gewinnt dadurch eine geome trische Strenge und strahlt die Rationalitt
di eser junge n, straff organisierten Staaten
aus. Die zahllosen Tontfelchen, die gefunden
worden sind, b eweisen, da die Schrift
unentbe hrlich fr den Organismus der
Staaten geworden ist. Dem Lese unkundige n
teilt oftmals e ine bildliehe Darstellung neben
der abstrakten Schrift mit, worum es sich
handeil (e, f). Doch liegen Bild und Schrift
jetzt auf gesonderten Ebenen, sie verlangen
nicht mehr einander.
Die Schrift ist in de r Regel de r Obhut von
Schreiber-lnnungen (d) anvertraut, doch ist
die Kunst des Lesens und Schreibens auch
sonst vertraut. Knig Assurbanipal
(668-626 v. Chr.) ist der erste Herrscher,
von dem ausdrcklich berliefert ist, dall e r
lesen und schreiben gelernt hat (g). Sein
Verstndnis fr den Wert de s Geschriebenen
lllt ihn in seiner Residenz Ninive eine
umfangreiche Keilschriftbibliothek sammeln,
zu de r auch di e Literaturen benachbarter
Vlker ihre Texte beiste uern.

Tontafel mit assyrischer Keilschrift,


19.-18. Jh. v. Chr., gefunden in Kllepe.
Der Figurenfries (oben) ist mit einem
Stempel eingedrckt.
Foto Aziz Albek.
b Babylonische Keilschrift von der Gesetzesstele des Knigs Harnrnurabi, 18. Jh. v. Chr.
Louvre, Paris,
Foto Andre Vigneau, Ed. "Tel".
c Entwicklungsstufen der Keilschrift
(sumerisch, frhbabylonisch, assyrisch).
Von oben nach unten:
Zeichen fr Vogel, Fisch, Esel, Ochse,
Sonne, hre, Obstgarten.
Nach Gelb, "Von der Keilschrift zum
Alphabet", Stuttgart 1958.
d Assyrische Schreiber eine Liste von
Gefangenen anlegend (Relief). Die Darstellung zeigt deutlich wie die Schreibgriffel gehallen wurden.
e Babylonischer Kudurru, Relie f 9. Jh. v . Chr.
Auf den Kudurrus wurden Verleihungen
und Schenkungen dokumentiert.
Das Bild (oben) zeigt den Vorgang der
Schenkung: den Herrscher mit der Tiara
und den Empfnger; daneb e n Symbole
der Gtter die zu Zeugen angerufen
werden; darunter ein Schreibgriffel (auen
links) als Symbol des Schreibergottes
Nabu.
Louvre, Paris, Foto M. Chuzeville.
Alabastertafel des Knigs Nabu-apal-iddin
von Babyion mit der Bauurkunde fr den
Tempel des Sonnengottes Scharnasch in
Sippar. Das Bild zeigt die Anbetung des
Sonnengottes (im Symbol der Sonnenscheibe), 9. Jh. v . Chr.
British Museum, London, Foto Arntz.

Knig Assurbanipal von Assur mit einem


Leibwchter, 9. Jh. v. Chr. Die Figuren
sind von einer Inschrift bedeckt.
Louvre, Paris.
Foto M. Chuzeville, Paris.

Siegel des Knigs von Karkernisch mit


Keilschriftzeichen und hethitischen
Hieroglyphen, gefunden in Ras Scharnra.
Foto Le Directeur de Ia Mission
Archaeologique Fran<;:aise.

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Ostliches Mittelmeer

Altmittelmeerische Schriften

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Im stlichen Mittelmee rraum entsteht auf
dem Boden jahrtausendealter Siedlungen
seit 2000 v. Chr. die gisch-minoische
Hochkultur mit Kreta als Zentrum. Die
Bedrfnisse einer aufblhenden Zivilisation
fhre n alsbald aus piktographischen Anfngen
zu einer brauchbare n Schriit. Die frhen
Siegel (a) verraten bere its ein sicheres
Formgefhl in der Art, wie die Bildze ichen
in da s Siegeloval eingefgt sind. Vorbildlich
ma g die hohe Kunst der gyptischen Hieroglyphen gewirkt habe n. Doch knnen sie als
eigens tndige Erfindunge n der kretischen
Palastbevlkerunge n von Kno ssos, Phaisto s
usw. gelten. Die Be drfnisse de s Alltags
drngen auch hi er bald ber die bildhalten
Hieroglyphen hinaus zu einer vereinfachten,
linearen Kursiven, die wenig bildhalte
Momente mehr enthlt, jedoch gelufige r zu
sch reibe n ist (e) . Zugleich wird die Anzahl
der bentigten Zeichen dadurch w esentlich
verringert, da aus der Wort- eine Silbenschrill wird. Der Proze de r Rationalisie rung
se tzt sich auch noch in der Weitere ntwicklung
de r Line arschrill selbst fort, die schlie lich
nur no ch 64 s tatt e twa 90 Zeichen verwendet.
Von Kre ta aus hat sich die Schrilt nach
Griechenland (d) und in der gis verbreitet
und ist von Kolonisten auch nach Zypern
gebracht worden. Eines der frhesten Zeugni sse dieses Vorganges zeigt: Die meisten
zyprischen Inschrillen sind in griechischer
Sprache geschrieben. Bestimmte Schwierigke iten de r Schreibung deuten jedoch darauf
hin, da die Schrill ursprnglich fr eine
nichtgriechische Sprache entworfen worden ist.
Die Hethiter hab en nebe n de r bernommenen
Keilschriit (s. Tafel 7, h) seit e twa 1500 v. Chr.
ei ne besondere hi e roglypische Silbe nschriit
ausgebilde t, die von hnlichem Typ ist wie
die kretische. Sie wurde von den Hethitern
als Monumentalschrill fr offizielle In schrillen
verwendet. Ihre e indrucksvollen bildhalten
Zeichen wirkten auch auf den, der sie nicht
zu lesen vermo chte. Auch ihne n kam die
Anregung vielleicht von den prchtigen
Hieroglypheninschrillen de r Pharaonen, doch

sind die Bildzeichen unabhngig von den


gyptischen ausgeformt (f, g). Auch zu dieser
Schriit hat sich alsbald eine Kursive fr die
praktischen Bedrfnisse entwickelt (h).

Hie roglyphe nschrill aus Kreta, mittelminoische Epoche, um 2000-1600 v . Chr.


(Sie geltfelchen). Etwa 150 verschiedene
Zeichen, neb en ideographischen - vermutlich auch e ine Reihe von phonetischen-.
Nach Evans, Scripta Minoa, Oxford 1909.
b, c Tonscheibe mit piktographischen Zeichen,
gefunden im Palast von Phaistos, Kreta,
ca. 1700 v. Chr. (Vorder- und Rckseite).
Die auf beiden Seiten angebrachten Bildzeichen von Menschen, Tieren und Gegenstnde n sind mit Stempeln einge drckt.
a

Insgesamt sind 45 verschiedene Zeichen


zu unterscheiden, die nicht mit der
kretischen Schriit zusammenhngen. Die
Schrillzeichen hneln den hethitischen
Hieroglyphen und waren bisher nicht zu
entziifern. N euerdings hat Professor
S. Davis von der Universitt Witwaterstrand in Sdafrika ihren Inhalt erschlossen: eine Widmung des Herrsche rs
von Phais tos (Nokeul), anllich der
Einweihung seines Palastes, zwischen
1700 und 1800 v. Chr.
Die spiralfrmige Inschriit wird von auen
nach innen gelesen.
Nach Evans, Scripta Minoa, Oxford 1909.
Lineare Inschrift aus Kreta (Klasse A),
mit e inem Schillrohr im Innern einer
Tasse aufgetragen, aus den Hieroglyphe n
(a) seit ca. 16. Jh. v . Chr. entwickelt.
Bestand aus ca. 90 Zeichen, also vermutlich
eine Silbenschrift.
Nach Evans, Scripta Minoa, Oxford 1909.
Inschrift auf einer Tontafel, gefunden in
dem Palast von Pylos, Westkste
Griechenlands.
In dem Palast wurde ein Staatsarchiv mit
ber 600 Tafeln entdeckt, die noch nicht
entziffert werden konnten.
Foto Irmgart Lffelholz.
Hethitische Hieroglypheninschriit aus
Karkemisch am oberen Euphrat, 9. Jh.
v . Chr. (Basaltrelief).
Bustrophedonverlauf der Zeilen. Innerhalb
einer Zeile werden die Zeichen von oben
nach unten gelesen. Die Zeichen blicken
zum Zeilenanfang. Ideographische Schrift
mit phonetischen Elementen.
British Museum, London.
Hethitische Hieroglypheninschriit aus
Karkemisch.
British Museum, London.
Hethitische lmrsive Hieroglyphenschriit,
in Blei geritzte r Brief. Zusammengerollt
im Fundament eines Hauses in Assur
gefunden, vielleicht in magischer Absicht
eingemauert.
Lineare Silbenschrill auf einem Tontafelfragment, ge funden in Enkomi auf Zypern,
letztes Viertel des 13. Jh. v. Chr.
Cyprus Museum.

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Ostliches Mitte lmee r

Die gyptischen Hieroglyphen

Wie die Sumere r (s. Tafel 6) erfinde n die


gypter schon in ltes te r Zeit ein piktographisches Schriftsy stem. Auf der bekannten
Schminkpalette des Name r (g, a) sind
bildliehe Darstellung (die Erschlagung de s
Feindes , di e V e rtre te r de r Stdte unten)
u nd Schriftze ich e n f r di e Name n zusammen
in e ine Flche komponi e rt. Die Bestandteile
sind no ch nich t in eine bes timmte, zeile nmige Leseordnung ge brach t, wi e es eine
Schrift e rforde rte und wi e es sich dann in
de r Re ihung auf de n A nnal e ntfe lche n (g, b)
be re its a bzeichn e t. Die Hie rogl y phe n
re prsenti eren zun ch st ein be stimmtes Wort,
vor all em au ch Namen, di e nicht durch ein
a bbilde nd e s Ze iche n wi e derg egebe n w e rden
k nnen. Die Ze iche n tre te n in fes te Verbindung mit dem Lautwe rt und stelle n
di esen na ch dem Rebusprinzip au ch
unabh ngig von de r ursprngliche n
Bede utung dar. Die ausgea rbe ite te Hie roglyp henschrift ist, hnli ch wie di e kre tische
ode r he thitisch e (s. Tafel 8), e ine Silbenschrift. Doch vollzie ht sie de n Wandel ni ch t
mit v olle r Konsequ e nz, sonde rn behlt
daneben s te ts zahllose ideographi sche
Ze iche n bei und mu ein kompli ziertes
Sy s te m ausbilde n, damit di e Mitteilunge n
e indeutig w erd e n.
Die Bildze iche n lse n sich, sobald sie
Sch riftcharakte r g ewinnen, au s je de r R cksicht
a uf Na turtre ue und Pe rspektive und lie ge n
umrillha!t in de r Flche , man chm al in den
Ste in ve rse nkt. Es e ntw icke lt sich e ine
s tereo ty pe Kon vention, di e sich be r di e
J ahrta usend e hin kaum mehr ve rnd e rt.
Dabe i behalte n di e Ze iche n ein e hoh e
kns lle ri sche Prgnanz. Das h ngt damit
zusamme n, da ll sie in der Rege l f r monumen tal e Gelege nh eite n, W e iheinschrifl e n,
Grabin schriften, Knigsbiographien, o ffi zielle
Denkm le r ve r we nd e t w urd e n, whrend sich
f r den alltgliche n Sch riftve rkehr in de r
Ve rwallung und im Geschlt, de r sich a uf
l'ap yrusbllle rn, Holzplatten, Tonsche rb en
abspi e lt, handli che re Schriftfo rmen ein h rge rn, die sog. hi e ratische und schli e lllich
di e demotische Schrift (10, e und f) . Sie
e nts te he n ni cht mehr du rch de n Meiel

so nd ern aus de r Rohrfeder. Die gypter


hab en auch no ch den letzten Schritt ge tan:
sie hab en ein Kon sona nten-Alphabe t von
24 Buchstaben geschaffen, ohne die le tzte
Kon sequenz zu zie hen, eine reine Buchs tabenschrift auszubild e n.
Bild und Hierogly phe n bleiben fr die
gypte r imme r aufe inander bezoge n.
Die be r 500 Schriftzeichen de r a usgebildeten
Hie rogl y phenschrift erlaub en es immer
wie de r, di e Zeichen so auszusuche n und zu
kombini eren, da sich a uch in ih rem Bild
e tw as von de r Mitte ilung nie de rschlgt.
Die Darstellunge n aus dem Grabe der
K nigin N e fe rtari ze igen eindrcklich, wie
di e symbolischen Obj e kte des Bildes unter
den Hierog ly phen als Schriftele mente
w ie derke hren (z. B. Falke , Scheibe , da s
Le benszeichen in de r Hand de s Gottes) (9 f).
Di e Entziffe rung de r Hieroglyphen, die jahrhund e rte lang als rtselhafte , okkulte Symbo le
a ng ese he n wurd e n, gelang dem Franzosen
Champ ollion 1822 dank eine r Inschrift, die
gleichlaute nd in griechische n und gyptisch en
Zeiche n geschrie be n war (10 h) . Solche
bilingu en Insch rif te n sind b e rhaupt die
un e ntb ehrlichen Helfe r be i der EntschlsseJu ng ve rg e sse ne r Schrifte n und
Sprachen.

Schminkpale tte des Knigs Narmer


(Rckseite), u m 2750 v. Ch r.
De r Knig erschlg t eine n Ge gner. Rechts
fhrt de r Gott Horus, du rch den Falken
symbolisiert, mit dem de r Knig iden tiscll
ist, Unte rgypten gefange n. Unte rgyp ten
wird durch die dort wachsenden Papyrusste nge! da rges tellt. Oben zwischen de n
Ge sichte rn de r Himmelsknigin d e r Natne
des Knigs. Ganz unte n Vertre te r be reits
unterworf ene r Stdte mit ihren Namensze ichen.
Staatliche Museen, Be rlin, Foto Marbu rg.
Annale nt felchen des Knigs Horus-Dje r
ber eine n Empfang de r Frs ten Oberund Unte rgy pte ns. In d e r l. Ze ile links
der Knig in Ge stalt des Horus-Falken,
de r d em Geschehe n, da s im Sinne d e r
Schrift von re chts nach links luft,
entgeg e nblickt Frhe s piktographisches
Stadium de r Hie roglyph enschrift.
Nach Eme ry, Excavations at Saqqara, 1938.
Hie roglypisches Begriffszeichen.
a) Konkre ta : Mann, Kind, Rind , Haus;
b) und c) V e rben : trinl{en, schlage n,
flieg en, w e inen , mhen, schre iben , hacken,
schneiden; d) Zeichen fr Substantive
w e rden auf ve rbale Bedeutunge n bertragen : Auge und sehe n, Man n u nd sitzen,
Schiff und fahr e n, Last und trage n;
e ) Ze iche n fr Konkre ta w e rd e n me taphorisch zu r Dars tell ung von Abstrak ta
v e rwandt : Sonne fr Tag, Mond fr Monat,
Ste rn fr Stunde, BiP.n P. fii r Arbe it.
Nach Sothe , Vom Bilde zum Buchstaben,
Le ipzig 1939.
A us den A nna len Tutmosis 111, Neues
Reich, Mitte des 15. J h. v. Chr.
Louvre , Paris, Foto M . Chuze ville.
Schreibwe ise de s Namens "Ramses II",
20. Dynas ti e , 13. Jh. v . Ch r.
Louvre , Paris, Fo to M. Chuzeville .
De r Gott Re Harakthi und di e Gttin
A me ntit, mit hi e roglyphische r In schrift.
Wandmale rei aus dem Gra b de r Knigin
N efertari , 19. Dyna stie, 13. Jh. v. Chr.
Na ch Egy pte , Paris 1954.
Statu e eines gyptische n Schre ibe rs.
Louvre , Paris.

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Ostliebes Mittelmeer

Der semitische Stamm

Eine d e r folg e nre ichste n Schriitenlwicklunge n is t im Gebie t der syrisch-palstinensischen Kl e instaaten d es 2. und I. Jahr tau send s v. Chr. gelung e n. Hier, im
wichtigsten A us taus ch- und Durchzugsraum
d e r Allen W eil, d er von e ine r re gsame n,
welloiienen Bevlkerung b ewohnt is t,
drngen di e Be drfnisse d es Handel s und
d e r Diplomatie zu zahlreichen Versuche n,
e ine praktikable Schrill zu Iind e n . Oiienbar
ge ng e n die im 2. Jahrlause nd b e kannte n
k e ilschriilirmige n oder hie roglyphi sch e n
Silb en schrifte n mit ihren komplizie rte n
Syste me n, die aus id eo graphischen und
phone ti sche n Eleme nte n zusammengesetzt
sind, ni cht mehr. In de r syrischen Stadt
Ugaril hat man als Unikum e ine k e ilschriitfrmige Schrill e ntdeck t, d e re n Zeich en
Buch s lab e n darste ll e n und die dahe r mit
ein e m viel sparsam eren Ze ich en schatz
a uskommt a ls di e bis d ahin bliche n
Schrille n. Die T e nd e nz g ehl zur V e re infachung hin. U nd es ta u ch en imme r neu e
Versu che v on Bu ch s tab e n-, ge nauer
Konsonale nschriilen auf, die s tatt e twa 80
nur me hr 20-30 Zeiche n b e ntig e n und
damit w ese ntlich h a ndliche r sind. Es g engt
sogar, nur di e Konsonante n zu schre ib e n,
da dies e e ntsch e id e nd fr di e semitischen
Sprachformen s ind. Viel sp te r lgt man
Hilisze ich e n ir die Vokal e hinzu .

<1

.. . Barrakab von
Wandrelief d es K omgs
n um
Sendschirli mit aramische r T.nschn '
750 v. Chr.
.. .
. SchreiberVor d e m thronende n Komg e1n
Vorderasiatisches Museum, Berlin,

Fo to Marburg.
. snoe
Kanaanische Inschrift, gefunden 1n
bei J e rusal e m, um 700 v. Chr.
. discneJI
Bericht vom Durchstich eines unte ru
die
. Tendenz,
Kanals. Be me rkenswer t d..e
ausnach links g e henden Schalte lang
zuziehen.
ts
1
Foto Casse Nationale des MonnmeJ
Historiques.
.
.
t WeiheN e opunischer Vohvstem m
inschriit, Karthago .
Foto Andre Vigneau, Ed . .,Te l".
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Kerarnli<Ibe
rische
Inschrift
aui
e
m
e
m
g
F ragment, um 400 v. Chr.
.. . isch 1s
t v ermutl"ICh d er
phonz
. Schnft
D1e
.
ll Jbinse1
punisch e n e ntl e hnt; die Ibensch e a
.
I te ressen
g ehrte zum karthagi sch e n n .. . ische
gebiet. Die Schrift luft wie di e phoIZ
nach links.
y 0 rl<
Nach Diringer, The Alphabet, NeW
1948.
a Inschrifte n aui ein e m Stei ntf e lche n aus
. . schrill,
h Sabisch-himyarilische St e mm
dem Sinai-Gebie t, Vord e r- und Rckseite ,
um 1500 v. Chr. Vorderseite links:
Sdwestarabien.
u sclte
Seit dem 3.- 2. Jh. v. Chr. Sdsernl
.. Darle h en wird gezahlt im Tempel d er
Schrift mit teilweiser Anlehnung an
Baclal sechs Teile von Hundert".
phnizische Formen. Monumentaler
Rckse ite rechts : .,Dieses ist d e r Zins :
Di e Buchts taben schriite n de r phnizischCharakter.
sech s" . In d e r Nhe e ines Tempels der
pals lin ens ische n St dte s ind natrlich ni cht
Louvre Paris Foto M. ChuzeviJle.
gs
Gttin Bacla t gefunden. Wahrscheinlich
ohn e die A nre gung e n der Hie roglyph e n und
'
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. Tuare '
von Semite n , die die Bergwerke auf d e r
Brie f e ine r F rau vom S tamm d e J
de r Ke ilschrille n de nkba r. Die Schre ibHalbinsel Sinai ausbeuteten.
tielch e n vo n d e r Halbinsel Si n al (a )
Nordairika.
r agh "
Nach Grimme, Alts inaiti sch e Forschungen.
s ind vielle icht Ze ugen ir di e V e rmittlung
Die no ch heule gebruchliche ,.Tl ~~iern
b Inschrifte n auf Tonscherbe n aus Samaria.
de r Hi ero glyph e n. Doch ist de r Ents tehungsg e nannte Schrill ist von d e n_ N UJUI Scltriil
9.--8. Jh. v . Chr.
b e rliefe rt und von d er pumsche n
proze ll noch in histor isch es Dunkel gehllt.
Kursive Schriitly pe . Nach Driver, Semitic
.
de
(i) abgel e itet.
Die bewe glichen Phnizier haben ihre so
Writing, London 1954.
Nach Coh e n, La grande inve nh_on
.
958
praktische und a ll e n Sprache n le icht
c Phniz.is~he Inschriil aui dem Sarkophag
l' ecriture e t SOll evolulion, Pans 1
anschmi e gs ame Sch rill auf ihre n Hand e lsd es Komgs Esmunza ri von Sidon
k thiopische Handschrift.
und
wegen in a ll e H imme lsrichtung e n getragen .
4. Jh. V . Chr.
'
A u s der sabische n (h) entwickell~ !t
Sie wa nd e rte nicht nur in d ie ph nizi sche n
Mit d e r Beschwrung da s G rab unve r sehrt
von den Arabern importie rte SeiH~ j)U
Koloni e n (!) und de re n Einilullgebie te (g, i),
zu lassen, da es k eine Schtze e nthalte
Wird je do ch u nte r gri echi sch e m EJ~ en
s ond e rn tri e b in d er aramische n und in der
und d e r Knig gut mit de n Gttern s teh e
rechtslufig geschrieben. Ihre h~u;:~estel
gri echi sch e n Versio n zw e i m chtige Zw e ig e ,
die d e n F revler b es traf en wrden.
'
Formen gleichen no ch denen d e l
di e s ich schli e llli ch b e r grolle T e il e d e r Erd e
Nach Corpus Inscriptionum Semiticarum
Ze it.
ve rbreite te n.
Paris 1881.
'
Bibliotheque Nationale, Paris .
e

12

O stli ches Mittelmeer

Aramische Tochterschriften

Im 9. und 8. J ahrh . v . Chr. geh en e ine r nach


de m and e re n di e zahlre ichen Kl einstaaten
de r A ra me r im No rden Syr iens im Assy re rReich unte r. Die De portation gro er
Bevlk e rung steile b ewirkt zwa r di e
milit ri sche Entma chtung, v e rbreite t zugleich
je doch di e ara mi sche Sprach e und Buchsta benschrift (vgl. Tafe l 11) im ganzen
Ass yrerl and. U be r ein Jah r tau send hin
entfalte t sie sich vo m Mittelmee r bis n ach
Indi e n a ls Hand els- und Verk ehrss prach e.
Au ch di e Jud e n ge brauche n sie neb e n dem
Heb r ische n ; Teil e des Neu en Tes ta me nts
sind ursprUngli eh in ihr abg e fa flt ge wese n .
Das aram ische A lph a be t di ent bis nach
Ze ntralasien als Grundl a ge za hlreicher
Nationalschri ft en wie de r h e brische n
Qua dratschril l (c). de r a ra bi sch en (e- h), der
sy ri sch en (d) , de r p ersisch en (von de r die
a rm eni sche a bs ta mmt), de r uiguri sch en (k )
und mongolische n (I), de r indischen (Tai el15) .
Le tzte re ha t selbe r wieder eine F ll e vo n
Va riante n he rvo rg ebracht.
In wachsend em Mall e ve rbind e n sich Sch rill
und Re ligio n : Jude ntum, Chri ste ntum und
Islam lege n ihre Le hre n in h eiligen Bche rn
ni e de r (i) , a n de re n Fass ung ke in T Upielche n
ve rnd ert we rd en darf. Das Bu ch w ird zum
kulti sche n Gegens tand . Mit de r Lehre
verb re ite n di e Re ligi one n au c:h di e Schrill,
in de r sie les tg ehalten sind, wobe i oftma ls
lte re e inh eimi sch e Chara ktere ve rdrngt
we rd e n. So di ent h e ute die a ra bisch e Schrill
ni cht nur ir die a ra bische Spra che, sonde rn
a uch fr zahlreiche a nd e re Sprache n
moh a mm e dani sch er V l ke r, wob e i gelege ntli ch
fr e ige nt mli che Sprachl aute ne ue Ze ich en
e rfund en we rde n mulllen . M it de r Schrill,
d ie ihne n ei ne Hochre ligion bringt, we rd e n
di e V lke r a uch in den kulture lle n A u sta usch
e ine r b e rn a ti o nal en Ge me inscha ft einbezo gen un d in ihre n e ige nen sch pferische n
Le is tung e n a nge regt.

Papy ru s fragm e nte mit he brischer Schrift,


gefund en in einer H hl e b eim To ten Meer.
Foto Associated Press.

Kon se rvi erung e iner de r sie ben Schriftroll e n vom Toten Mee r.
Foto Ass ociated Press.

Lede rfra gmente mit he brische r Schrift,


ge fund en in e ine r H hl e beim Tote n Mee r.
Ve rmutli ch eines de r ltes te n Bib elmanu sl<ripte .
Fo to Associa te d P ress .

Ma nuskript in sy ri sch er Schrift


(jakobitische r Ty p).
V on den sy ri sche n Chris ten de r e rsten
J a hrhund e rte e ine au s der aram isch en
Schrift entw ickelte Form .
Foto Bibliothe qu e Nati onal e, Pa ri s.

A rabi sch e Grabin schrift in kufi sch en


Le tte rn, 445 nach mohamme dani sche r
Ze itrechnung (1067 n. Chr.).

Ko ran-Manu skript in arabi sch e n N es hiLe tt ern 1381-1 398.


Zugle ich mit de m kufi schen Typ (f)
e nts tand e n, hat sich di e N eshi-Schri!t
sta rk de m Duktus d e r schre ibe nd en Hilnd
ange p a l. In ihre n ver schie den e n A uspr gung en sind die M eis te rw e rk e
a rabi sche r Kalligraphie e nts ta nde n. A ls
Konso na n te nschrif t werde n ihr v okalische
H ilisze ich en in Fo rm v on Punkte n un d
S triche n b e ige ge ben.
Foto Bibliothe qu e Nation a le , Pa ris.
l iturgisch es M anu sl<ript in arm e ni sch e r
Schrift.
Im 5. Jh . n. Chr. von de m Missionar
M es rop unte r Benutzung gr iechi sch e r
Formen a u s d em p e rsisch e n PahleviA lphabe t und da mit le tzte n En des au s
de m A ram ische n abge le ite te Sch rill. Die
Ma ju ske ln de r e rste n Ze ile in Gesta lt
v on V ge ln und Fische n . Die linke Se ite
stellt die A llfassung des h e iligen Buch es
unte r gttlich e r Inspiration dar.
Foto ibliothe que N a tion a le , Paris .

Na batische Inschrift au s Pe tra, 1.Jh. n . Chr.


Die ara bische n Nabate r, die von
150 v . Ch .r - 105 n. Chr. ein selbstndig es
Knigreich bild e te n, e ntw ick elten die
ara mi sche Schrill we ite r. Von ihre r
Schrift sta mmt die a ra bi sche ab.
Nach Diringer, The Alphabe t, New York
1948.
Arabi sch es Ma nu skript in kufi schen
Le tte rn.
Stre nge r, monum enta ler Schriftcharakte r
vo rzug sweise fr De nlm1 le r, abe r au ch
zur Ni e de rschrif t des Ko ran ge braucht.
Benannt na ch de r mesopotamische n Stadt
Kufa und ihrer Hoch schul e, wo sie w ohl
v on be rhmte n Ka lligraphe n besonde rs
ge pfle gt wu rde. Seit dem 12. Jh . kommt
sie a llmhlich a u e r Ge bra uch .
Foto W es tde utsche Bibliothek, Marburg.

N ach Faulmann, Illustri e rte Geschichte


de r Schrift, \ '\fie n 1880.

Manu skript in uiguri sch e r Schrift


.,Di e Wund e r Mohamme ds ", 15. Jh .
Die beid en obe r en Ze il en in arab ische r
Schrift. Die Uigure n sind e in Trken voll{
Zentra lasie ns. Ihre Schrift ist aus der
sog h di sch e n und letzten Endes au s de r
a ram ische n e nts tand en. Sie war im 13. Jh.
die Kanzl eischrift der Mongole nh e rrsch er.
iblio th equ e Nationale , Paris,
Foto Kuns tarchiv A rntz.
Manuskript in mongolisch e r Schrift.
Mit v e rschi e de nen Ergnzunge n v o n de r
uiguri sch en Schrift (k) abg ele ite t.
Fo to W es tde ut sch e Bibliothe k, M a rburg.

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13

Dstliches Mittelmeer

Hebrisch

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Schon seit de n e rsten vorchristlichen


Jahrhund e rten bedeuten Alphabet und
Schrift de n Jud e n m ehr als nur e in System
sichtbarer Zeichen zur Wiede rgabe von
Gedanken und Sprache, denn Gott selber
hatte sich des Wortes und de r Schrift
be dient, um sich zu ofienbare n. Schon in der
ganz frhen Mystik ist das Alphabet als
Medium de r Schrift zugleich auch Urgrund
und Ordnungsprinzip der Sprache, die das
Instrume nt de r Weltschpfung gewesen war,
denn durch da s gesprochene und dann
geschri ebe ne Wort hat Gott die W elt
e rschaff en. Wort und Schrift der Ofienbarung
geh en daher in den mystischen Anschauungen
schon de r Weltschpfung voraus und die
Ofienbarung, ja alles, was sonst in der Welt
ist, en ts pricht schli e lich einer bestimmten
Ordnung von Konsonanten und Vokalen Schriftze ichen. Da s Wort Gottes durfte zwar
vielfltig ge de ute t werde n, aber niede rgeschrieben als Wort ble ibt es ewig und
unveril nd e rlich.
Seit den ers ten nachchri stlichen Jahrhund erte n wird der Text der Heiligen Schrift
und auch die Schrift selber, mit de r e r
geschri eben wird, bis in di e geringsten
Einzelheiten fe stgel egt. Selbst ofiensichtliche
Schreibfehl e r drfen nicht verndert werden.
Mit der Einfhrung de r Quadratschrift fr
die H eilige n Schriften steht fr die
Pe ntateu chroll e , de r Torarolle, wie sie fr
den liturgi sch en Gebrauch vorgeschrieben ist,
auch die Form jedes Buch stab ens fes t, selbst
jener, di e deformiert bleiben m sse n.
Schrift ist den Juden aber auch sonst und
selbst im profane n Gebrauch imme r noch
e twa s H eiliges geblie ben. Man hi e lt an de r
h eb ri sch en Schrift fes t, selbst wenn man
be reits eine andere Sprache schrieb (so z. B.
de utsch, jiddisch, Iadino, arabisch, juden-

persisch). Die hebrischen Lettern konnten


so symbolhalt fr das stehen, was jdisch
ist - wie z. B. in einigen Bildern Chagalls.

Diese kon servative Tendenz blieb fr die


Entwicklung der hebrischen Schrift immer
b es timmend. Tomrollen weisen, selbst wenn
sie durch Zeit und Raum we it getrennt sind,
nur geringe Unterschiede im Schriftductus
und in de r Gestalt der Buchstaben auf.
In den nichtbiblischen Texten setzt sich die
Kursive nur sehr langsam durch, sie entsteht
aus de r schnell geschriebenen QuadratschrilL
H e ilige Texte (Bibel, Talmud und Liturgie)
werden immer in der traditionellen
Quadratschrift geschriebe n (vgl. d und g).
Aus die se r geht die .,Rabbinische"- oder
Masketschrift, auch ,Raschischrift' genannt,
hervor (vgl. e), die schlielich in die voll
ausg eschriebene Kursive mndet. Die
.,rabbinische" Schrift wird besonders auch
bei Drucken von Kommentaren verwendet.
Rumlich lassen sich die folgenden Grupp en
unterscheiden: Orient, hie rzu gehren
Agypten, Palstina, Syrien und Jemen sowie
Babylonien (vgl. b und e); Spanien, dessen
Schrift seit der Vertreibung der Juden aus
Spanien im ganzen Mittelmeerraum
verbreitet ist (vgl. g); Italien; Deutschland,
desse n Schrift fr Mittel- und Osteuropa
bes timmend ist (vgl. d und k).

Dedikationsinschrilt der Synagoge von


Naaran, Palstina 5. Jh.
Aus .,Die Kunst der Juden", Ner Tamid
V e rlag 1962, Foto R. Wischnitzer.

Buchstabe in Quadratschrilt.

Bibelhandschrift aus einer Rolle fr den


liturgischen Gebrauch, unvokali sierte
Quadratschrilt, Niederlande 18. Jh.
Besitz A. M. Goldberg, Foto idem.

Autograph des Moses Maimonides,


sy rische .,rabbinische" Schrift auf Papie r,
12. Jh.
British Museum or 5519 B,
Foto British Museum.

Whrend sich in der jdischen Kunst wie


auch im Buchschmuck trotz eines gewissen
jdischen Grundstil s meistens der Einflu
de r Umwelt durchsetzt und ohne weiteres
zu erkennen ist, ist dieser Einflu b e i der
Schrill, sofe rn man ihn berhaupt erkennen
kann, immer ganz geringfgig: die Schrift
ist ein Bereich, der den fremden Umwelteinflssen verschlossen bleibt.

Brief auf Tonscherbe (Ostrakon) aus


Lachisch, althebrische Schrift Anfang des
6. Jhs. v. Chr.
Aus H. Torcziner, Lachisch I.

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Brief des Rabbi Menachem Mendel von


Witebsk.
Stark ausgeschriebene Kursive, 2. Hlfte
des 18. Jh.
Foto Archiv A . M. Goldberg.
g Blatt aus einer llibelhandschrilt auf
Pergament, wahrscheinlich aus der
Provence, 130 l.
Det Kongelige Bibliotek Kopenhagen,
Cod. hebr. li.
h Rabbiner beim schreiben.
Darmstdter Haggadah, geschrieben von
Rabbi Meir aus Heidelberg, Anfang 15. Jh.
Landesbibliothek Darmstadt, Cod. or 8.
k

Bibel mit Massora magna et parva,


geschrieben von Salomon ha Kohen, 1325.
llibliotheque Nationale, Paris, lu~ breu V.
Massora, Deutschland, wahrscheinlich
14. Jh.
Wrttembergische Landesbibliothe k
Stuttgart, Cod. ms. hebr. 5.

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Ostliebes Mittelmeer

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Die arabische Schrift

Der Islam ist eine Buchreligion: die Worte


des Propheten haben das heilige Buch der
Mohammedaner, den Koran, geschaiien.
Aus sei nen Worten gewinnen die Araber
die Krall, welche sie befhigt, in eine m
beispiellos raschen, an Alexanders d. Gr.
Feldzge ge mahnenden Siegeszug, einen
groll e n Teil der damalige n Welt zu erobern
und fremd e n Vlkern den Koran und damit
die arabische Sprache und vor allem die
arabische Schrill zu bringen, die in gewissem
Sinn e Weltschrift wird. Vor dem Islam
benutzten die Araber eine sehr einfache ,
kunstlose Ge brauchsschrifl, die wie di e
Schrill de r andere n Semiten von rechts nach
link s Jull; sie is t uns durch Be ispiele aus
de m 6. Jahrhundert bekannt. Bei de r berragend e n Bedeutung, die de r Koran in der
Religion w ie im Leben berhaupt des von
fanati schem Glaubenseifer e rfllte n Arabers
e innahm,e rgab sich wie von selbst de r
Gedanke, dem Buch der Bcher e in seiner
hoh e n Wrd e e nt spreche nd es kostbares
kalligraphisches Gewand zu geben, wie ja
di e schrilllieh e Fixierung seiner Oiienbarung
in den Heiligungsprozell mit e ingeschlossen
is t, wie z. B. di e 68. Sure di e Oberschrift
"Das Schreibrohr" trgt, mit dem hi er das
Schreibrohr ge meint is t, das die heilige n
Bcher zum e rs te n Mal nied e rg eschrieb e n
hat. Dazu kam da s Bilderve rbot, das auller
in Persien (s. al streng befolgt wurde. Die
Rolle der Buchillu s tration bernimmt die
Schrift, di e sich selbs t zum Ornament e nlw ickell und dadurch die Schre ibm eis ter und
d ie an wichtigen Pltzen e rrichte te n Schreibschul e n, di e ja auller fr de n Koran, der
immer im Mittelpunkt aller kalligraphisch en
Ern e ue rung e n steht, auch di e epigraphische
Schrift und die fr Gegenstnde des Kunsthandwe rks, de r Gebrauchswaren usw. e ntwarfen, zu imme r neu e n Erfindungen und
Cestallungen im Schriftw ese n anspornte.
Se hr bald na ch de r Einfhrung de s Islam
ri chte te man da s Augenmerk auf di e Pflege
de r Schn schre ib e kun st, und es ge hrt mit zu
de n erstaunlichsten Talsache n in de r Kunst-

. . . :~ <::::i.; ~ 1,; '.J l.:0 J ; ::J L~~.:.~:,

und KuHurgeschichte der Welt, wie bei


A rabern, Persern, Trken, in Hochasien,
Indien und im sog. Maghrib, d. h. Nordafrika von der Tripolis bis Spanien in der
Zeit vom 7.-17. Jahrhundert eine kaum
zhlbare Vielheit von Schri!tarten mit ihren
Verzweigungen und Abwandlungen entsteht,
mit einem verschwenderischen Reichtum von
Formen, wie sonst in keinem anderen
Schriftsystem. Diese grollartige Entwicklung
leite n zwei Schriften ein: das Kufi, eine
etwas steife, eclge und schwerfllige Schrift
mit vielen Abwandlungen, vielleicht
ursprnglich fr Inschri!ten bestimmt, die
jedoch den Pergamenthandschriften des
Korans vom 7. bis 10. Jahrhund e rt eine
fe ie rliche Wrd e verlieh (vgl. a die Schrift
auf den Standarten; b die einzelne Zeile
beim Ornament; f, l. Reih e ; g 20. Jahrh.,
vielleicht von unserer "Grotesk" beeinflulltj.
Neben dem Kufi entsteht aus der erwhnten
frharabischen Gebrauchsschrift das runde,
schlanke, oft grazise Naskhi oder Neschi
(a u. f, 3. Reihe), die Mutter zahlreicher
a ndere r Schriftarten, wie des sehr regelmigen, schnen Tsuluts (d; e: der berhmte
Thronvers, Sure 2 des Korans, v. 256j , u . f,
2. Re ihe. Das Maghribi, die "West"schrifl,
Ieilet sich direkt vom Kufi ab und ist, wie
es scheint, im 10. Jahrhundert in Kaiman
(Tunisl entstanden (bl. - Wir lwnnten hier
nur wenige Beispiele aus der Uberflle der
vorhandenen Schriften bringen, wollen aber
noch das Schikeste (f, 7. Reihel erwhnen,
eine sehr eigenwillige, ein fast unentwirrbares Knuel von Schriftzgen bildende
Schriftart, im 17 . .Jahrhundert in I-Ierat
(Pe rsi e nl entstanden, die an eine um die
\.Ye nde vom 13. zum 14 . .Jahrhundert aufkomme nd e byzantinische Minuskelform,
den sog. "Fetlaugenstil", erinnert. Ferner
sei das Rihani angefhrt (f, Reihe 41, die
"Sbe lklingen-Schrift", weil die Buchstaben
"scharf wie Sbelklingen" abbrechen.
Schlielllich sei noch auf das schne Eigenprodukt eines Schreibknstlers in erhabener
Seitrift auf einer Fayence (cl hingewiesen.

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b
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d
Die arabische Schriit zerfllt in viele,
auch national bestimmte Schriftarten:
a Aus der Nov e llensammlung des persischen
Dichters Hariri oder el-Hariri (unter dem
Namen "Makaman" bekanntj, geschrieben
in Nashi, Persien 1237.
b Maghribi, eine west-arabische Schrift.
Die Zeile mit Orname nt ist geschrie ben
in Kuli.
c Korantext auf Fayence 1812.
d Monogramm des Sultans Abdul Medschicl
um 1850.
e Korantext in Tsuluts 1925.
f Tabelle mit arabischen Schriftarten, di e
bis 1928 in der Trkei benutzt wurden.
g Das grundlegende Bekenntnis zum Islam
in Kufi (neuere Zeit).

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16

Indie n und Ostasien

Schriften in Hinterindien und lndonesien

Indisch e Kaufleute bringen um Christi Geburt


ihre Schriftsysteme in di e Hfen Hinterindien s. Mit de r Verbreitung des Buddhismus
wird di e Pali-Schrill, in der sein e h eiligen
Schrillen geschrie be n sind, zur Grundlage
auch der e inheimisch en Schrillen in Birma,
Laos, Kambodscha, whrend sie in der
indi sche n H e imat mit dem Buddhismus
vllig verschwindet. Seine e rste Blte auf
hinte rindi schem Bod en erlebte der
Buddhi smu s im sdbirmani sch en Re ich de r
Mon. Von dort wird e r und mit ihm di e
Pali-Schrill nach de m Norden, nach Pagan
a m Irawadi , ve rpflanzt (a, b, c). Die aus
gemeinsamen Wurzeln e nts tamm ende n
Schriftty pen in Laos, Thailand und
Kambodscha erfa hre n im Lauf ihrer
Geschi chte erhebli che Diffe re nzi erung e n
(h, i, k) .
Auf di e indi sche Schrill gehl woh l auch de r
e legante Duktus der altja vanischen Kawi (.. Dicht er"-) Schrill zurck (1, m), deren
ltes tes Zeugnis auf 732 n. Chr. dati er t wird.
Im Battak-Alphab e t von Zentral sum a lra (n)
sind di e Ka wi -Zeich en eckig gewo rd en,
vie ll eicht durch die geglttete Baumrinde
bedingt, welche dort als Schreibmaterial
di e nt. Die fe rnsten A u swirkungen indonesischer Typen Iinden sich auf den
Philippinen (o).

A lte Steininschrill in Pyu-Schrift,


Sdbirma.
Steinabdruck besorgt von Prof. Dr. Karow,
Frankfurt a. M.

b
c

Steinin schri!len auf dem viersprachigen


Pfeiler von Myacidi, Birma, Mille des
11. Jh. n . Chr.
b) Pyu-Schri!t, ltestes bekanntes Dolmment der Pallava-Schrift.
c) Birmanisch e Schrill, ltestes bekanntes
Dokument fr di esen Schriftlyp; auch
sie ist aus de r Pallava abgeleitet.
Steinabdrucke b esorgt von Pro!. Dr. Karow,
Frankfurt a. M.

Magische Figuren eine r Thai-Inschrill


aus Kia ng-Mai, Nordthailand, zum Schutz
de r Stadt bes timmt.
Steinabdruck nach Mission Pavie IndoChine 1879- 1895 von Augus te Pavie,
Paris 1898, Etudes div e rses Bd. 11.
Birmanisches Manuskript auf Palmbltte rn ,
aus de n Yataka-Erzhlungen,
Foto Musee Guimet, Paris.
Manuskript mit magische n Figuren und
Beschrillung in der Sakral schrift Mul,
Kambodscha.
Foto Bibliothequ e Nationale, Paris.
Manuskript in Thai-Schrill aus de m
Ramakie n-Epo s Thailand.

Bild links: de r Dmon raubt die Prinzessin.


Bild rechts: die Affen bekmpfen den
Dmon.
Foto Bibliotheque Nationale , Paris.
h A nfang d e r Erzhlung von de n "Zwlf
Mdchen"
k in h) laotischer, i) kambodschanischer,
k) thailndischer Sprache und Schrift.
Aus Mission Pavie Indo-Chine 11!79- 189 5,
Etudes dive rses I von Auguste Pavie ,
Paris 1898.
Manuskript in javanische r Schrill aus dem
Ra maya na-Epos.
Foto Musee de l'Homme, Paris.
m Manuskript in javanisch e r Schrift und
balinesischer Sprache auf Palmbl tte r.
Foto Bibliothe que Nationale , Paris.
n Manuskript in Battak-Schrift auf g egllt
te r Baumrinde, Zentralsumalra.
Foto Mus ee de I'Homme , Paris.
o Inschrift auf Bambus in Buhil-Scluill,
Philippinen. Foto Musee de l'Homme , Pari s.

Sch ematisch e Dars tellung auf dem Tex ts treifen de r Tafel:


Entwicklung der Schriften in Sdindien,
Ceylon, Hinte rindien und Indonesien.

17

Indien und Ostasien

Die chinesischen Schriftzeichen

Die Bedeutung des chinesischen Schriftzeichens (tze

':t )fr die gesamte

ost-asiatische Kultur ist auerordentlich.


Es ist nicht nur Mitteilungstrger, sondern
darber hinaus, da es jeweils ganze Worte,
Begriffe wiedergibt, besitzt es vom Inhalt,
wie aber auch von seiner Form her
philosophische und knstlerische Aussage,
gleichnis- und bildhaft. Darum wird auch
das Schreiben und das Geschriebene in
Ostasien so hoch geschtzt. Handgeschriebene Gedichte zu Neujahr und zu
Familienereignissen sind seit alters wertvolle
Geschenke. Zahlreiche Gegenstnde von
Estbchen, ber Schwerter, Vasen bis zu
Felsen in der Landschaft werden mit
Schriftzeichen versehen. Und die hufig
berichtete Tatsache, da es in jeder Stadt
und in jedem Dorf in China eine sog.
.,Pagode des Mitleidens" mit den Schriftzeichen Hsi tze T'a gegeben
hat, in der jedes beschriebene Stck Papier
verbrannt wurde, damit es nicht ehrfurchtlos
umkomme, unterstreicht dies anekdotisch.
Das chinesische Schriftzeichen hat als
Bildzeichen wie ideographischen so auch
piktographischen Charakter, doch ist es seit
dem Abschlu seiner Entwicklung schon
lngst kein abbildendes Zeichen mehr,
sondern konzentriert und stilisiert das
Wiederzugebende auf das Wesentliche.
Inwieweit es in seinen Uranfngen genaues
Abbild war, ist noch nicht festzustellen,
da es dafr bis jetzt keine Belege gibt.
Die ersten berlieferten Zeichen sind die
Zeichen auf den sogenannten Orakelknochen
(Chia Ku W e n

"ft.:l. ) aus der Shang-

oder Yin-Dynastie 1766-1122 v . Chr.,


revidi e rte Chronologie 1523-1028 v. Chr.
a

Schriftzeichen auf Orakelknochen


(Abreibung) aus den Funden von Anyang,
nach The Yin-Shang-Site at Anyang,
Nanldng 1946.
Tierknochen und Schildkrtenschalen
werden angebohrt und dann ber Feuer
gehalten bis sich Risse zeigen. Diese
wurden dann von Orakelkundigen zu

Zeichen formiert und gelesen. Noch nahe


dem Gegenstndlichen zeigten diese
Zeichen bereits eine abstrahierte, lineare
Konstruktion, bedingt auch durch die
vorgegebenen Risse. Deutlich erkennbar
ist das zweite Zeichen rechts unten auf
der Abreibung als Mond

.}j

aus dem

spter das seine Grundstruktur beibehaltende Regelzeichen fr Mond }j


(yeh) wurde.
b Zwei Gedichte in Orakelknochen-Zeichen
von Yeh Y-seng, zeitgenssischer
Schreibmeister, Maler und Dichter (nach
Chiang Yee, Chinese Calligraphy,
London 1938/54).
Die moderne Niederschrift zeigt deutlich
die lineare Wiedergabe von Bildern wie
im Aufri, besonders deutlich ist es bei
dem 5. Zeichen der 3. Zeile von oben,
dem Tiger. Yeh Y-seng benutzte die
Orakelzeichen als ihm geme knstlerische Form ohne zu historisieren, da im
Fernen Ostenjede einmal gefundene Form
stndig gegenwrtig ist und benutzt
wird, auch, sollte sie eine Zeitlang
vergessen sein, wieder hervorgeholt
werden kann, ohne Nachahmung zu
werden.
c Bronze-Gefll aus der Shang-Zeit,
nach 1-Ientze, Bronzegert, Kultbauten,
Religion im ltesten China der ShangZeit, Antwerpen 1951.
Erhalten geblieben als frhe Zeugnisse
chinesischer Schriftzeichen sind als nchste
Entwicklungsstufe die zahlreichen Bronzegerte mit Inschriften, meist an der
Innenseite. Auf diesem Bronzegef
findet man sie auch auen als Ornament
verwandt in gleichmiger Wiederholung.
c 2 Bronze-Glocke der Chou-Zeit 1122-255.
Musee Guimet, Paris.
Ebenso wie Gefe und andere Bronzegegenstnde z. B. Schwerter, gibt es auch
Glocken mit Textinschriften in diesen
frhen Zeichen, die eine Weiterentwicklung der Knochenzeichen darstellen.
Diese Zeichen werden auch Ku-wen

t!i J::.

genannt, eine Bezeichnung, die aber auch

gelegentlich fr alle alten Schriftformen


vor den dann folgenden Siegelzeichen
gebraucht wird, die sich vom Ku-wen
nicht wesentlich unterscheiden, aber docl\
eine Synthese der verschiedenen Varianteh
darstellen. Aus der Chou-Zeit sind auch
bereits Steininschriften bekannt.
d Abreibung einer Inschrift auf einem
P'an-Geffl von der San-Familie aus der
Chou-Zeit, nach Chiang Yee, Chinese
Calligraphy, London 1938/54.
Die vergleichsweise einfachen Zeichen
der Orakelknochen sind im Laufe dieser
ersten Entwicklungen bereits durch
Kombination und Abstraktion vollstndiger und zeichenhafter geworden. Wenig
spter entwickelte sich daraus die sogen.
groe Siegelschrift Ta-chuan .

c;z

.7\.1<_

Abreibung eines Ausschnittes aus einer


Steintrommel-Inschrift in Ta-chuan,
nach Chiang Yee, Chinese Calligraphy,
London 1938/54.
Sie zeigt eine typische Ta-chuan, die die
Linien bereits elegant gestaltet und aus
sthetischen Grnden kompliziert, vielfach
durch parallele Doppelung. Die Stein-

!R

trommelinschriften Sh i-ku-w en ;{i


aus der Chou-Zeit gelten als die ltesten
chinesischen Steininschriften.
Im Jahre 221 v. Chr. beseitigten die
Herrscher des Ch'in-Reiches die Choudynastie, die sich auf Konfuzius s ttzte.
Der despotische Herrscher, aber auch
Einiger Chinas, Ch'in Shih Huang-Ti und
sein Beamter Li Szu sind nicht
nur wegen der Verbrennung konfuzianischer Bcher berhmt, sondern auch
durch die von ihnen angeordnete und
erdachte Vereinfachung der Schriftzeichen
zu den sogenannten Kleinen Siegelzeichen
Hsiao-Chuan, 1]-.

~m~ ~-~~

die, in ein System

von 3000 Zeichen gebracht, nun


vor allen Dingen durch Schler und
Studenten benutzt werden sollten. Li Szu
wird auch die erste Anwendung einer
Kombinationsmethode von Bildzeichen
mit phonetischen Zeichen zugeschrieben.
(Forts. --+)

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II

17

Fortse tzung

18

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Indie n und Ostasie n

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A bre ibung e in e r Ge d e nkslein-Inschriil


in de n I-B e rge n v o n H s H s an au s d er
Sd-T'angze it, 618- 906 n. C hr.,
(<lach Chiang Yee, Chin ese Calligr aph y ,
Lo ndon 1938/54).
A ls Ko pi e d e r Schrillzeich e n d es Be amte n
Li Szu aus d e r C h'in-Z e it (221-206) al s o
e in es d er Erfind e r des 1-Isiao- chuan ze igt
es di e se in bes onde rs klare r Au sprgung.
De r Unte rschi e d zwisch e n be id e n Slilionn e n is t ni cht b es ond e rs gro und be i
d e r s te ts a ng ewe nd e te n knstl e ri s ch e n
Fre ih e il mi s ch e n s ich ni cht se ile n be ide
Pormen.
g T e il au s e ine m Ess ay vo n C hao Chih
Ch'i e n, Sta atsmann a us d e r Ch'ing -Ze it,
1644- 1912 (nach C hiang Yee, C hin ese
Calligraphy, London 1938/54 ).
Sie lt d ie Be zi e hung e n zwi sch e n b e id e n
Sie ge lform e n e rk en ne n. A u s d e n Sie g e lze ich e n e nlwi ck e lle s ich d e r Sie g e ls le mp e l,
d e r me is t he ule no ch a us de n Ze iche n
di ese r Forme n kon s trui e rt und zum
Sig ni e re n v e rwa ndt wird .
ht Sie g e ls te mp e l auf d e m b e rii hml e n Tuschbild .. u T'ai Po" v o n Liang K 'ai,
1140- 1210, na ch D. Secke l, Einfhrung
in di e Kunst O s la sie ns, Mn che n 1960, u nd
h2 Sieg e ls le in in Jad e g eschnille n, Mu see
G uime l, Paris.
In stre ng e n Umgre nzung e n, quadratisch
od e r ov al, auch rund, w erd en di e Sie g e lze ich en in h ch s te r Stilis ie rung e inge pal,
e inm a l eckig g e broche n od e r rund
inei nand e r ve rschlunge n, au ch v e rtikal
geordn e t, kaum no ch lesbar o de r d e utli ci1
di e alle n Chu a n-Ze iche n e rkenn e n lasse nd.
Bambu s li e kh e n, beschri e be n und ge bn d e ll, na ch Bolmbi, Ze itschr ift ir
Schre ibkuns t, Kyo to.
Schre ibmate riali e n wa re n zun ch s t
Bambu s- o d e r 1-Iolztie lch e n, di e man zu
.,B ch e rn" bnde ln konnte und e ine A rt
1-Iolzs ty lo s.

Di e Sie g e l (Chuan-)I'onn e n d e r chin es is che n


Schrillze iche n ware n k o mplizi e r te n Orname nt e n gl e ich, fr d e n t gli ch e n Be darf d e r
Lite rat e n und Be amt e n no ch imm e r zu
schwi e rig. So fand in d e r d e r Ch o u-Z e it.
an schli e e nd e n Ha n-Z e it (206 v.- 220 n . Chr.)
d er Ge filngnisdir e ktor C he ng -Miao,
a ng eb li ch fr di e V e re infa chung d e r
Ge fngni sve rwaltung , di e s og e nannte
Ka n zle ischrill Li-shu

.}~1;

. Ein e and e re

Ub e rlie ie rung be haupte t, Ch' e ng Mia o hab e


selb s t im Ge ingnis gese ss e n und whre nd d esse n e in Li-s hu -S y s te m e rdacht. Und e in e
A nekdote b e haupte t auch, da die Li-shu
e ntstande n se i, w e il ung ebilde te Sklave n
und be i d e m damal s gro e n Be dari zu s ch ne ll
a us g e bilde te Be amte die Hs iao-chuan in
({n s ll e risch e m Unve rmg e n .. v e rdorb e n"
htte n. J e de nfall s ware n mit d e r Li-shu d ie
no ch h e ute im tglich e n Gebra uch b e nutzte n
G rundforme n e ntstanden , di e nur noch
g e wisse Variatione n e rfuhre n, wie al s ers te s
di e d e r Li -shu sehr nah v e rwandte Pa-len
J \.Jf . Be gn s tigt wurd e di ese Entwi ck-

lung w a hrsche inli ch durch di e Erfindung de s


Ilaarpin sels.
a

H s Ta-Fu Chih, e in Te xt in Li-s hu von


Chen Man Sh e ng, Schre ibme is te r au s d e r
Ming -Pe riod e , 1368-1644, na ch Chiang
Yee , Chinese Calligraphy, Lo ndon
1938/54. A n di esem Be ispie l ir di e Li -shu
na ch d e m Stil d e r nrdlichen W e i-Pe riode ,
386- 535 is t de utli ch da s Stre ben zur
Sys te mati s ierung und strenger Stilisie rung ables ba r. In ihre r Bre it e im
Ge ge nsatz zu de n v orhe rgeh e nd e n kurv ig e n Sie gelzeiche n , wirkt sie e ckig und
e twa s ze re mo n ie ll.
Obe r di e Entste hung und di e Ko m bination sm e thode des e inze lne n Ze ich e n s,
das selte n au s nur e in e m einzige n abs trahie rte n Bild ge bilde t wurd e , sonde rn
s ich me is t grund s tzli ch a u s d e m Bede utungs tr g e r und d e m A ussprach eze ich e n
zusa mm e nse tzt, gibt es v e rs chie d e ne
Th e orie n. Doch hat man inzwi sch e n sechs
Me thod e n he rau s g e arbe ite t, die be i de r

Ents te hung d es kompl e x e n Ze iche ns


wahr s che inlich ange wand t word e n s ind.
Als e rs te s die formabbild e nd e M e thod e,
Be ispiel e : Sonne

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od e r M e ns ch,

ausge h e nd v on Ri.icl{gra l und Hand:

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N a ch d e m Li-s hu h a be n sich nun, b e r
Zwi sch e nform e n, di e dr e i g e br uchli che n
I'orme n d e r chin es is ch e n Schriftz e ich e n
e nt w ick e ll : d as T s'a o -shu

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zw e i v e rschi e d e n e Wrt e r b e nutzt wird :
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fr Lite ratur w ie au ch lr Omame nt;
um di e s es ab e r von d e r Lite ratur zu
unte rsche id e n, wurd e d e m w e n iiir
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Kombinati o n von Form und A us s prache,


b e zw. Be d e utung und Laute r, nach d e r
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b e ig e g e b e n

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19

Fortsetzung

Indien und Ostasien

Einflu der chinesichen Schriftzeichen

Grasschrift aus dem Chang Ts'ao-shu


das als Kursive des Li-shu zur
Han-Zeit, 206 v. - 220 n. Chr. entstand.
Chang bedeutet Essay und Ts'ao Gras,
aber auch rauh, so da Chang Ts'ao auch
rauhes Essay heien knnte; dies und
auch das Ts'ao-shu, dessen Entwicklung
bis in die Wei-Zeit, 220-265 hineinreicht,
sind weiche , rieselnde und ineinanderBieilende Schriften. Eine zweite Kursivform is t das Hsing-shu oder Laulende
Zeiche n

~-J-$'

, sie entstand fast gleich-

ze itig mit den sogenannte n Regelzeich e n


K'ai-shu

~~

. Hsing-shu zu Beginn

d e r W e i-Zeit und K'ai-s hu gegen Ende


di ese r Periode.
Das Hsing-s hu ist eine sogenannte
Halbkursive, die starke Verbindung zum
K'ai-shu aufweist. Diese Regelschrift ist
die am leichteste n zu identifizierende,
si e gibt klar und deutlich die Strichzahlen an und fhrt die Formen exakt
aus. Spter kam es zu einer gemeinsamen
Entwicklung von 1-lsing-shu und K'ai-shu,
so dall fast je des K'ai-shu-Zeichen ein
korrespondierende s Hsing-shu-Zeichen
besitzt. Es gibt auch ande re Theorien, die
behaupten, dall K'ai-shu sich vor Hsingshu entwickelt habe; jedenfalls findet dies
alles in ziemlich kurzen Zeitabstnden

statt. Im 2. nachchristlichen Jahrhundert


hatte man das Papier erfunden, was die
Entwicklung des Schreibens wesentlich
frderte.
b Teile einer Autobiographie des Mnches
Huai Su aus der T'ang-Zeit, 618-906,
der ein Spezialist fr Ts'ao-shu gewesen
war, nach Chiang Yee a. a. 0.
Von Huai Su wird berichtet, dall er ein
besonderer Liebhaber des Weines
gewesen und seine besten Ts'ao-shu
geschrieben habe, wenn er betrunken
gewesen. Arm geworden hatte er bald
kein Geld mehr Papier zu kaufen, so
pflanzte er Bananenbume um seine
Htte, um auf ihre Bltter schreiben zu
knnen.
c Feng Ch-T'ieh, ein Text von Wang Hsichih, ein Hsing-shu-Manuskript, geschrieben im 4. Jh. n. Chr., nach Chiang
Ye e a. a. 0. Im Gegensatz zu Ts'ao-shu,
das die einzelnen Zeichen oft miteinander
verbindet, stehen hier die Zeichen einzeln;
nur in ihrer Struktur sind sie ilssig und
weich geschrieben.
d Teil eines Briefes von Chung Yu von
Wei in K'ai-shu, nach Chiang Yee a. a. 0.
Es zeigt den Anfang der K'ai-shu-Form,
die jeden einzelnen Strich auszhlbar
erkennen lt und s o fr den offiziellen
Schriftverkehr besonders geeignet war.
Auf dieser Form beruhen auch die
heutigen Druckzeichen.

Entwicklungsbeispiele an den Zeichen ft


Sonne, Mond, Tiger und bekommen (von
rechts nach links), nach Chiang Yee a. a. 0,
Dabei ist zu erkennen, da das Zeichen
Sonne sich vom unmittelbaren Symbol,
dem Kreis mit dem konzentrierenden
Punkt, im Laufe der Entwicklungen nur
wenig entfernt hat, whrend der Tiger,
anfangs noch deutlich als Tier mit Kopf,
Beinen und Schwanz erkennbar, sich abel'
dann rasch durch die lineare Abstraktion
zu einem bloen Gerippe verwandelte,
was durch die Drehung um 90 , d. h . durch
die Senkrechtstellung, noch verstrkt
wird.
g Pinsel, Reibstein und Tusche
Das einfachste Werkzeug zum Schreiben
chinesischer Schriftzeichen. In die Vertiefung des Reibsteins wird etwas Wasser
gegeben, whrend auf dem oberen Teil
der kleine Tuschestein mit Hilfe einiger
Tropfen Wasser verrieben wird. Die
Pinsel sind aus Bambus oder gelacldem
Holz, mit Dachshaaren in verschiedenen
Dicl,en, mit Strke gehrtet oder weich.
h-k Ein Gedicht in K'ai-shu, Hsing-shu,
Ts'ao-shu (von rechts nach links).
Der gleiche Text in den heute gebruchlichsten Schriftformen, wie sie tglich in
Ostasien verwandt werden, geschrieben
von Dr. Tsung-tung Chang. Er zeigt den
Abkrzungsvorgang vom Regelzeichen
bis zur vollen Kursive.
e

Es ist nur verstndlich, da die bedeutende


geistige Tat Chinas, die Entwicklung seiner
Schriftzeichen, auch ber den chinesischen
Sprachraum hinaus wirkte. Eine ganze Reihe
fernstlicher Vlker bernahmen diese
Zeichen im Ganzen oder Elemente daraus
oder lieen sich von ihnen zur Entwicklung
eigener Schriften anregen. Das bedeutendste
Land, das chinesische Schriftzeichen schon
in sehr frher Zeit bernahm, ist Japan.
Zu welchem Zeitpunkt dies geschah, ist nicht
genau bekannt, wahrscheinlich im 4. Jh.
n. Chr. Denn in chinesischen Annalen jener
Zeit findet man Berichte ber Botschaften
japanischer Kaiser, gerichtet an den
chinesischen Kaiser, die chinesisch geschrieben
waren. Doch ist ein japanisches Schriftzeugnis erst aus dem Jahr 712 n . Chr.
erhalten, das Kojiki, das lteste japanische
Geschichtswerk, wenn auch nur in
Abschriften. Die einfache Obernahme der
chinesischen Zeichen gengte aber der, im
Gegensatz zum monosyllabischen Chinesisch,
polysyllabisch aglutinierenden japanischen
Sprache nicht. Sie bentigte Silbenzeichen,
die die grammatischen Vernderungen
phonetisch andeuten konnten. Zunchst
versuchte man es im 8. Jh. mit dem Manyogana, das chinesische Schriftzeichen nach
ihrem Lautwert einsetzte, so genannt nach
dem Manyo-shu, der ltesten japanischen
Liedersammlung, in der sie verwendet wurde.
Im 9. Jahrhundert entwickelte man jedoch
aus der chinesischen Grasschrift Ts'ao-shu
(japanisch So-sho) eine .,phonographische
Silbenschrift", das So-gana, spter Hiragana
genannt, die grammatische Vernderungen
bezeichnen konnte. Eine Schriftform, die
spter fr die spezifisch japanische Schreibkunst von groer Bedeutung wurde.
a

1-liragana-Silbentafel mit Entwicklungsbeispielen dreier Silbenzeichen.


Nach dem Nihon Bunganku Daijiten
geschrieben von D. Nagaya zeigen sie
alle 51 Silben nach a, i, u, e, o in der
Senluechten, und ka, sa, ta, na, ha, ma, ya,
ra, wa in der Waagrechten geordnet.
Die rechte Spalte zeigt die Entwicklung
der Silben a, o, ki aus dem chinesischen

Zeichen: an = Friede, y = mit, an, auf


und chi = wievieL
Katakana-Silbentafel mit Entwicklungsbeispielen dreier Silbenzeichen
Nach dem Nihon Bungaku Daijiten
geschrieben von D. Nagaya. Im 9. Jahrhundert wurde dann aus der chinesischen
K'ai-shu das Katakana hinzuerfunden,
wahrscheinlich als eine Art PriesterStenografie, um den Schlern das Lesen
zu erleichtern. Es ist genau wie das
Hiragana geordnet. Die Zeichen sind
eckiger und werden heute meist fr
Fremdwrter gebraucht.
Japanisches Kind bt Hiragana-Schreiben,
nach D. Keene, Living Japan, London.
Das Uben geht auf groem Papier, mit
groem Pinsel und wohl auch mit groem
Eifer vor sich. In den Schulen wurden
und werden zumeist als erstes die Kanaleichen gelehrt. Aus der Kombination der
Kana-Silbenzeichen mit den chinesischen
Schriftzeichen, japanisch Kanji genannt,
entwickelte sich die fr die japanische
Sprache notwendige Schreibweise.
Einen ebenfalls groen Einilu bte China
auf die Kultur der Koreaner aus. Seit auf
dem Gebiet des Koreanischen Staates
Kokuryo die Chinesen die blhende
Kolonie Lo-Lang, 108-313 errichtet und
dem Koreanischen Volk die Literatur
und das Schreiben gebracht hatten,
schrieb man in Korea Chinesisch.
Koreanisch blieb als Umgangssprache, die
sich vom Chinesischen in Grammatik und
Syntax stark unterschied. Auch in Korea
versuchte man deshalb eine phonetische
Verwendung chinesischer Zeichen und
erfand die Idu-Schrift; nur wenig ist von
dieser Schreibweise erhalten. Erst zu
Beginn der I-Dynastie, 1392-1910, wurde
1440 ein phonetisches Alphabet, das
sogenannte Han-gul erdacht, das sich
zwar vom Chinesischen unterscheidet und
in der Konstruktion keine hnlichkeit
aufweist. Doch sind in der linearen
Struktur und im Schreibrhythmus einige
Beziehungen sichtbar. Spter gab es auch
kombinierte Texte, Koreanische Silben
und chinesische Zeichen, hnlich wie in

Japan. Der Erfindung der Koreanischen


Silbenschrift war 1403 (als Gutenberg
3 Jahre alt war!) die Erfindung des
Druckes mit beweglichen Metall-Zeichen
vorausgegangen.
d

Frhdruck in koreanischer Schrift mit


chinesischem Glossar, im Besitz von
Prof. Dr. 0 . Karow, Frankfurt.
Er lt deutlich erkennen, da diese
Schrift aus einem Kombinationsspiel mit
Stbchen, das dem Knig Sejong (1419 bis
1451) zugeschrieben wird, entstanden ist,
der die chinesischen Zeichenformen wohl
nicht ganz aus dem Gedchtnis bannen
konnte, was sich vor allem auch in der
senkrechten Anordnung ausdrckt. Eine
andere Anekdote berichtet, da der
Knig Sejong durch den Schatten des
Fensterkreuzes zu seiner Erfindung angeregt wurde.

e f g Drei verschiedene koreanische Schreibformen, nach Hinweis von Prof. Dr. 0.


Karow, Frankfurt.
Auch diese .,Stbchenschrift" entwickelte
rasch sich unterscheidende Schriftformen,
die man als Regelschrift, Halbkursive
und Kursive bezeichnen kann.
Im Sden und Sdwesten Chinas gibt und
gab es Volksgruppen, von den Chinesen
die sdlichen Barbaren genannt, noch
nicht vllig erforscht und auf einer
niederen Kulturstufe stehend, die jedoch,
wenn auch unter mehr oder weniger
chinesischem Einilu, eigene Schriften
entwickelt haben. Da gibt es die Lolooder Meo, die mit den Yao verwandt
sind, viehzchtende Bergbauern, ein
sogenanntes mongolides Altvolk mit
europidem Einschlag, ihre Sprache, sogenanntes Thai-Chinesisch, soll im Vokabular mit dem Chinesischen nichts zu tun
haben, doch sieht man in der Schrift
eine Beziehung zur chinesischen Kursiven.
Eine grere Gruppe bilden die LoloVlker zusammen mit den Lisu, Lahu,
Akha und Moso, viehzchtende
Bergbauem im Sden Chinas, zum Teil
bis nach Thailand und Hinterindien
hinein wohnend. Eigene Schriften sind

19

---

Indie n und Ostasien

Einflu der chinesischen Schriftzeichen

vor allen von den Lolo und den Moso


b ekannt :

Dschingis Khans v ernichtet. Be re its 1038


wurde durch Anre gung des Kaisers
Li Yan-hao auf chine sischer Grundlage
eine Nationalschrift fr die tangutische
Amtssprache entwick elt. Da Dschingis
Khan fast alles vernichtet hatte, stieen
erst europische Forsche r im 19. Jahrhundert auf Res te dieser untergegangenen Kultur: auf wenige Steininschriften
und dann unte r ande rem auf eine
umfangreiche Bibliothek, darunte r auch
Holzdruck e , in einer Stupa b ei Kara Khoto
am Flu Etsingol. Grammatik und
Phonetik sind noch kaum geklrt.

ht Lolo-Text mit ideographischen Symbolen,


na ch Exposition B. N.
Erfund en wurden die Lolo-Sy mbol e als
fa s t vllig rein ideographi sch, do ch
we rden sie h e ute syllabisch benutzt. Nur
in ge wissen Grundformen scheinen sie
ganz entfe rnte hnlichkeit mit chine sisch e n Schriftze ichen zu hab en.
Die Moso, di e im Ge biet zwisch en dem
Blau en Flu und dem M ekong sie deln,
hab en eine sehr e igenwillige Schrift sich
e rdacht mit hie roglyphisch en und syllabisch en Zeich en, die in den Texten mit
einande r kombiniert w erden . Die Hie rogly phe n b es teh en wie de rum au s zwe i
G ruppe n, den piktographische n Zeichen
di e Tie re und Ge gen stnde darstellen,
und den ideographischen die ab strakte
Begriffe wi ede rge b en. Die syllabischen
Zeich en, die meist al s Phone tika gebraucht
we rd en, sind ursprnglich aus alten und
mode rn en chin esisch en und einigen
tib e ti sch en Zeichen abgeleite t worde n,
oder v o n den e ntspre che nden piktographisch en .
h~

Tangutische r Text aus dem H si HsiaReich, im Besitz von Prof. Dr. 0. Karow.
Diese Zeichen sind wohl aus einzelnen
Strichele menten zusammengesetzt, doch
di e ganzen Zeichen sind kaum chine sisch
zu n ennen; be sonders auiillig ist die
hufige Wie de rholung kleine r Strichfolg e n.
In der nordstlichen Mongol ei sind
se it dem 5. Jahrhund ert die K'itan
oder Kitai be kannt, die 907 eine eigene
Dynastie grnde ten und 937, nachdem sie
Teile Nordchinas e rob ert hatten, den
chine sischen Namen Liao annahmen.
1114-1125 wurden sie durch die Jucen
(ode r Dschurdsch en) oder Kin fast vllig
v e rnichte t; die Res te gingen 1218 durch
di e Mongolen unter. Als "Be satzungsmacht" und he rrsche nde Dynastie in
Nordchina nahmen sie zwar sehr rasch
chinesische Kultur an, doch entwickelten
sie, wenn auch mit und au s chinesischen
Elementen ein e eigen e Schrift, die vor
allem als Grabinschrift erhalten ist.

Moso-Tex t in hi erogly phisch-ideographische r Schrift mit syllabi sch en Ents prechung en, nach J. Bacot, les Mo-so,
Le ide 11.
Es ist eine r de r e rsten auf diese W e ise
gl ossie rte n Texte. Ne b en den fa.st
r eali sti sch en Bildzeich en taucht 1mme r
wi ede r di e Zeichenform des chinesischen

>J:..

s. Tafel 18,
Zeich ens fr oben : j_
Ab sch n. a a uf.
Ei ne dem Chine sischen w ese ntlich nh er e
Schrift is t di e Schrift des b er eits unte rgegange ne n Volkes de r vom N o rd en
g ekomm e nen Ta nguten, die im N ordwes te n der chin esisch en Provinz Szechua n
h e rrschte n, di e durch geschickte Politik
di e Una bhii ngigk eit von de r chinesisch e n
Sung-Dyna sti e 960- 1279 e rlangte n und
das Re ich Ta-Hsia ode r 1-Isi-Hsia (Groo de r W es t-Hsia ) e rrichte te n 1038- 1227.
1227 wurd en sie durch einen Straiie ldzug

K'itan oder Liao-Text, im Besitz von Prof.


Dr. 0. Karow, Frankfurt.
Noch ist sie nicht entziffe rt, da sie trotz
hnlichkeit mit dem Chine sische n chine sisch nicht le sbar ist. Wahrscheinlich ist
sie ni cht rein ide ographisch, sonde rn
besitzt auch Silben schriftcharakter.
Die Jucen (ode r Dschurdsche n) oder Kin,
ein tungusisch es Volk, hatte 1115 eine
eige ne Dynastie gegrnde t, darauf die
ICitan in Nord-China und 1126 die

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.. dlicbe _
chinesisch e Sung-Dynastie (N or
Sung) besiegt und seine Herrschaft au 1
ge ri chte t. 1233 wurden sie durch
.
Dschingis Khans Nachfolger gdillJ ceJI
vernichte t. Doch war die Macht der u
vor alle m politischer Natur, di e K~JtuJ~JI
es1sc t1 pd
wurde im wesentliche n von c1un
Fachle ute n beeinflut. Trotzdem ents a
eine Juce n-Schrift:
Ju cen-Text e ine r Bittschrift, nach
W. Grub e.
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Sie zeigt noch de utliche r als die ande~n
Tex te chinesische Elemente, ja fa st rel
chinesische Zeichen, die j e doch nich~ h
chinesisch le sbar sind, da sie syJlabtSC
v e rwend e t wurden.

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20

Indien und Ostasien

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Chinesische Schreibkunst

Von de m Augenblick an, von dem di e


chinesischen Schriftzeiche n ihre volle
Ausprgung erfahren hatten, also sptestens mit dem Ta-chuan, der groen
Siegelschrift, wurde sie auch als knstlerisches Gestaltungselement empfunden
und benutzt. Texte, einzelne Zeichen
wurden als Kunstwerke geschrieben,
deren Bedeutung mit dem Ausdruck ihrer
Form zusa mmenstimmte. Ebenso liebt
man es auf Bildern, Texte, Gedichte,
Widmungen zumeist, zu schreiben und
wie selbstverstndlich verbinden sich
Schriftzeichenformen mit den Bildformen,
oft sogar ineinander bergehend. Alle
Schriftformen knn en, einmal entstanden,
zu jeder Ze it angewandt werden. Denn
man bewundert die groe n alten Meister,
s tudi e rt ihre Werke, empfindet sie nach,
ohne s ie je do ch nachzuahme n. Ein bedeutender Zweig de r Tuschmalerei, di e fr
die Verbindung von Bildform und Schriftzeichen besond ers wichtig ist, is t die
Zen-Malerei, die im Zusammenhang mit
de r Zen-Philosophie entsteht.

Zen-Pries ter Tan-Hsia von Yin-t'o-lo,


Tuschblatt nach R. He mpel, Zenga,
Mnchen 1960. Um 1300, mit einer
Aufschrift von Ch'u-shih. Oft stehen
die Schriftzeichen wie selbstndig neben
den Bildmotiven, nicht selten von zweite r
Hand geschri e ben und trotzdem
verbinden sie sich mit ihne n wie ein
kompl eme ntres Bildmotiv, auch wenn
die Figuren fast realistis ch gegeben sind.
,.Fang chang- Tempel-Haupthalle",
montiertes W e rk der Schreibkunst von
Chang Chi-chih, nach Bokubi, Kyoto
Der Wrde des Themas entsprechend sind
hier die Zeichen feierlich und schwer.
Geschrieben im frhen 13. Jahrhundert
(Sdliche Sung-Zeit).
Autobiographische Notiz des berhmten
Ts'ao-Meisters Huai-Su, nach Bokubi,
Kyoto. Hier sind die Schriftzeichen ganz
dynamischer, persnlicher Ausdruck,
unabhngig von aller Konve ntion.
Geschrieben im spten 8. Jh. (T'ang-Zeit) .
Noch strker wird die Verbindung, wenn
die Bildformen frei, fast abstrahierend
ges taltet sind.
Wasserfall am Lu-shan von Y Chien,
nach Bokubi, Kyoto. Dem Dunkel der
runden Bergformen werden die hier wie
Raster wirkenden Zeichen leicht
e ntgegengesetzt.

Auf vielfache Weise verbinden sich


Bildmotive mit den Schriftzeichen:
e Ein Blatt von Tseng Yen-tung, nach
Chiang Yee, Chinese Calligraphy, Iondon
1938/54. Text und figrliche Zeichnung
wachse n ine inander. Die Ze ichen bilden
den Raum, in dem sie, die Figur, dahin zu
schreiten scheint und der nervse Strich
der Figur hat etwas zeichenhnliches.
Geschrieben in der Ch'ing-Dynastie,
1664- 1912.
Au! ein Kakemono montiertes Werk d e r
Schreibkunst von Yeh-chiang
Cheng-yin, nach Bokubi, Kyoto.
Die weichen aber krftigen K'ai-shuZeichen kontrastiere n harmonisch zu d e1
purpurfarbenen, golddurchwirkten Seide
des Kake monos. In der Art wurden
W e rke de r Schreibkunst im Zimmer
aufgehngt, gleich den Landschafts- oder
Blumenbildern.
g Ein Gedicht (Abreibung) von Yang Fa,
nach Chiang Yee, a. a. 0.
Geschrieben in einer reizvollen Mischung
von Li-shu und Ku-we n-Zeichen.
h Gedicht von Hsing T'ung auf ein Kakemono
(Hnge rolle) montiert, im Besitz de s
Museums fr Kunsthandwerk, Frankfurt.
Flssiges Ts 'ao-shu (Grasschrift),
rhythmisi e rt durch di e fa s t rege lmig
verteilten schrgen Pinse lzge.
Geschrieben im 16. Jahrhunde rt
(Ming-Zeit).
Bambus-Kakemono von Hsiang Sheng-mo,
Samlg. Vannotti, Lugano.
Hier scheinen die Naturformen des
Bambus sich in den Ts 'ao-shu-Zeichen
fortzusetzen, aus ihnen emporzuwachsen
wie selbst Naturform. Gemalt und
geschrieben im 17. Jahrhundert.
Vielfltig sind die Mglichkeiten Schrift
und Bildform zu verbinden, fast immer
wachsen sie zu einer Einheit zusammen,
nicht so sehr weil die Zeichen bildhaft
seien, sondern wohl noch eher, weil die
ostasiatische Bildform sich dem Zeichen
nhert, das Zeichen aber fr sich
gesehen ebenfalls eine kns tlerische
Form darstellt.

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21

Indien und Ostasien

Japanische Schreibkunst

Ebenso wie in China halle sich in Japan die


Schreibkunst sehr rasch entwickelt. Von
China natrlicherweise beeinilul, land man
doch bald eine eigene ausgeprgte Form und
einen eigenen Stil, besonders nach der
Erfindung der Silbenschriiliormen, wie vor
allem des So-gana.
Selbstverstndlich stehen in Japan ebenfalls
alle Schrillformen zur Verfgung und
werden auch gebt, doch die spezifisch
japanische Form der Schreibkunst ist vor
allem die Kursiv e , das So-Sho im Zusammenhang mit dem So-gana. Wie in China lieble
man di e Formen des Kakemono, wie des
Makemono, der Hngerollen, wie der
Handrollen. Aui diesen, oit meterlangen
Makemono, schrieb man nicht seilen di e
groen Werke japani scher Literatur, mit
zahlreichen Illustrationen sie versehend, die
sich oil eng mit dem Text zu einem
Gesamtbild verbanden. Dall sich auch eine
grolle Zen-Malerei entwickell halle, ist in
dem Land, in dem die Zen-Philosophie eine
so grolle Bedeutung erlangte, selbstverstndlich. In japanischen Husern, auch den
modernen, die mit ihrer Inneneinrichtung so
aui die moderne westliche Innenarchitektur
gewirkt habe n, findet man noch hufig di e
Tokonoma-Nische, in der oil ein Werk der
Schreibkunsl, japanisch als Sho bezeichnet,
als Kakemono hngt. Auch aui Schiebetren,
dem Teegert und vielen anderen Dingen
bringt und brachte man Schrillzeichen an.
Und da Japan ein Land ist, das lrolz hchster
industrieller Entwicklung, lrolz allem Chaos
der Nachkriegszeit es verslanden hat, seine
Tradition wieder le bendig zu machen und
aus der Erstarrung zu befreien, ist es
mglich, dall die Kunst des Sho di e
Schreiblnmsl in Japan wieder be lebt hat.
Die modernen Sho-Meisler knpfen an die
Erfahrungen besonders des 17. Jh. an,
sie mit den Erfahrungen de s modern e n
Menschen bereichernd .
a

Illustri e rte Sutra, die das Leben Buddhas


beschreibt, nach UNESCO-Sammlung.

Aui dieser Sutra .. vom vergangeneu und


gegenwrtigen Karma" aus dem 8. Jh.
wirken die Schriftzeichen wie ein Sockel
zu dem dargestellten Geschehen.
b Die Geschichte vom Prinzen Genji
(Genji-Monogatari) nach Moriya,
Japanische Malerei, Wiesbaden.
Hier geht der Text eine vllige Verbindung mit den darunter gelegten
Mustern ein, die rieselnden japanischen
So-sho-Zeichen werden zu Bildformen
und die zarten Ornamentformen werden
zu Zeichen.
c Das Zeichen .. Tod" geschrieben von dem
grollen Zen-Meister Hakuin,
1865-1768, nach Bakubi, Kyolo.
Hakuin, fr die heutigen Schreibmeister
ein wichtiger Lehrer, schrieb das Zeichen
.. Tod" sehr hufig; hier versah er es mit
einer Aufschriil: .,Wenn einer dieses
durchschaut hat, ist er ohne Gefahr."
In de r Zen-Malerei wird die Verbindung
von Schrillzeichen und Bildform am
deutlichsten (Abb.).
d

Reisstampfer von Torei, 1721-1792


Tuschbild, nach R. Hempel, Zenga,
Mnchen 1960.
Hier sind Gegenstand, zeichenhall
geworden, und Zeichen fast eines.

Meditierender Mnch von Sengai, 1750 bis


1837 Tuschbild, nach R. Hempel, a. a. 0.
Der Krper wurde mit de m Schreibduktus
gegeben, die berraschende Grobheit
des Pinsels ist bewut und gehrt
gele gentlich zum Stil dieser Zen-Malerei.
Pflaumenzweig und Nachtigall von
Ha k uin, 1685- 1768
Tuschbild, nach R. I-Iempel, a. a. 0.
Das Knorrige als Wesentliches des
Pilaumenzweiges kehrt im Stil der
Ze ichen der Aufschrill auf di esem Blatt
e ines der bedeutendsten Meister dieser
Gattung wieder; ganz leicht schliellen
sich Bild und Zeichen zu einem zusammen.
g .,Alles ist in diesem J>iad enthalten" Religise Worte von Muso Soseki, nach
Bokubi, Kyolo.
Dies Werk der Sho-Kunsl, geschrieben
im frhen 13. Jh. zeigt, dall die elegante

ilssige Form in Japan ebenso beherrscht


wurde.
h Makimono (Handrolle) von Sotatsu mit
einer Aufschrill durch Koetsu,
17. Jahrhundert nach L'art Japanais a
Travers !es Siecles, Paris 1958.
Zwei Meister verbanden sich hier zu
einem Werk und die grazilen Schriftzeichen der Gedichte aus dem Shin-Kokinshu, einer Gedichtsammlung aus dem
13. Jh. unterstreichen die Anmut der Tiere.
Text von Gakutei, Musee Guimet, Paris.
Geschrieben im frhen 19. Jahrhundert
ist es ein gutes Beispiel ir die Mglichkeit Regelzeichen (japanisch: Kai-sho)
mit So-sho zu verbinden.
Auch lebenden Meistern stehen alle
Mglichkeiten und Stile, bis zur freien
gelsten Form, zur Verfgung. Doch bei
aller Freiheit vergessen sie nicht das
Grundzeichen, nicht das Kanji:
k .. Rckkehr zum Ursprung-Kau" von
Morita Shiryu, geschrieben 1961, nach
Sinn und Zeichen, Expos., Darmstadt 1962.
Konzentrierte Leichtigkeit.
Oder mit den alten Zeichen der
chinesischen Bronzen:
Variation einer Inschriil von Nishikawa
Yasushi , geschrieben 1961, nach Sinn
und Zeichen a. a. 0.
Der lebendige Geist des antiken China.
Oder die Strenge der Regelzeichen Kai-sho
in moderner, unabhngiger Gestaltung :
m .,Held- Goketsu" von Inoue Yuichi,
geschrieben 1961, nach Sinn und Zeichen
a. a. 0.: last monumental gewaltig.
Schreiben ist in Ostasien ein ungeh euer
wichtiger Vorgang, und die Schreibkunst
gilt als die hchste aller Knste. Doch
steht sie jedem offen, der die Zeichen
gelernt hat. So gibt es in China wie in
Japan schon fr die Schulkinder Unterricht
in Sho, in Schreibkunst Zahlreiche
Sho-Meister leben vom Unterricht, der
ber die westliche Schnschreibstunde
hinausgehen mull. Und die Sho-Meister
schlieen sich in Japan zu Gruppen
zusammen; viele Zeitschriften belassen
sich allein mit diese r Kunst.

'

22

Indien und O sta sie n

Ostasiatische Schriften im tglichen Gebrauch

h
a

Chinesischer Setzkasten.
Er untersche idet sich kaum von einem
Se tzkasten mit Buchstaben; hier sind es
Zeichen fr Ube rschriften.
Chine sisches Buch.
Im alten Stil als Blockbuch ge bunden.
Da Schriftzeichen fast e inprgsamer sein
knnen als bildliehe Darstellungen, kann
man leicht einsehen; darum ist die
ostasiatische Reklame in der Hauptsache
noch immer auf das Schriftzeichen

Im Fe rn en O s te n, in dem Lite ratur,


Philosophie und Schr e ibkunst so frh so
hoch entwid,elt waren, w urd e au ch frh
der Druck er fund e n. Man sagt ca . 590 in
China al s Blo ckdru ck, dann in de r SungZeil, 960- 1227, e tw a 1050 fand man bereits
di e be we gli ch e n Ze ichen in Ton und Holz.
Die b ew egli ch e n Me tallz e iche n kam e n in
China e rst s pte r, in der s pter en MingZei t, 1368- 1644. Die Erfind u ng der
bew eglichen M e tallze iche n blieb Kor ea
vorb eh a lten 1403. Japan b e rn ahm de n
Blockdru ck von China im 8. J a hrhund e rt.

17. -18. Jh. nach Sammlung StraussNegbauer, Be rlin, 1928.


Bis auf das Gesicht ist der Dichter aus
den Zeichen eines seiner berhmten
Gedichte gebildet.
Schauspielerbild von Tomigawa Fusanobu
18. Jh. nach Sammlung Strauss-Negbauer
a. a. 0 .
Die Zeichen umrahmen das Bild, spren
den Kontouren nach, sich ihm so
verbindend.
Moderner Siegelstempel von Ikui Shikawa
nach Bokubi, Kyoto.
Noch immer werden die alten Zeichen
v e rwandt.
Moderner Buchdruck I, Textausgabe
kla ssischer Literatur.
Kanji mit Hiragana-Zeichen kombiniert,
auch als Lesungsangaben neben den
Kanji bei besonders schwierigen Texten,
wie hier der Ausgabe eines berhmten
alte n Mrchens, das Taketori-Monogatari,
des Mrchens vom Bambussammler,
Ve rlag Iwanami, Tokyo.

Moderner Buchdruck II, Sachtexte


Kanji-Hiragana-Katakana kombiniert in
horizontaler Anordnung, gemischt mit
lateinischen Buchs taben, in einem Nach-

abgestellt:

schlagewer){ fr Zeitungsjapanisch,

St ra e in Tol{yo, Re staurant-Schilder,
nach D. Kee n, Living Japan, London.
Ihre Zeichen werden zu Bildern und man
liest im Vorbe rgehen nicht mehr,
sonde rn denkt nur die ange gebenen
Begriffe (Abb.).

Asahi-Shimbun, Tokyo.

Strae in Fusan, Korea, Foto M. Lindenau .


Re klamefahnen mit koreanischer Schrift,
ganz hnlich wie in vielen andern
osta siatischen Stdte n .
Eine hoh e Blte e rreichte in Japan de r
Farbholzdruck, de r dort al s populre
Kunst v e rstanden, w e it v erbreite t, ab e r
nicht so hoch geschtzt war, doch einen
gro en Einflu auf den W e sten ausbte .
Auch hier gibt es di e Ve rbindung von
Bild und Schriftze ich e n.
Portrt des Dichte rs Kakinomoto no
Hitomaro au s de r Moronobu-Schul e

Der Entwurf fr mode rn gebundene


Bcher hat sich in letzter Zeit in Japan
sehr entwicke lt und bringt interessante ,
sehr mod erne ebe nfalls meist auf dem
Schriftzeichen basierende, Lsungen.
k

Mode rn e Buche inband I mit Titel in Kanji


und Kana.
Frei gestalte t doch lesbar, der Titel
ima no ningyo, Mode rne Puppen,
Verlag Nihon Keizai, Shimbun-sha, Tokyo.
Mod erne r Bucheinband II, nur mit
Kanji entworfe n.
Die strenge harte Form der Kanji wird
hier auf e inen raffinierten Grund ge se tzt ;
di e arabischen Ziffe rn fgen sich de m gut
an. Es ist de r Titel e ine r Ze itschrift fr
mod e rn e Musik der Ongaku no tomo sha ,
de r Musikfre unde ge se llschaft in Tokyo .

23

Mittel- und Sdamerika

Bilderschriften im mexikanischen Raum

Unter den vielen Kulturen, die im alten


Mexiko teils nebeneinander, teils nacheinander heranreiHen und wieder verblhten,
sind hierzulande nur die Azteken zu einem
Begriif geworden. Sie standen - wie die
Inka in Peru - am Ende einer langen
indianischen Kulturentwicklung, die durch
den unglcklichen Aufeinanderprall zweier
gegenstzlicher Welten ihr jhes Ende fand.
Das historische Gedchtnis dieser als letzte
in das fruchtbare Hochtal von Mexiko
eingewanderten ,.Barbaren" reichte kaum
mehr als einige Jahrhundert zurck.
Die theokratischen Kulturen der klassischen
Zeit sowie der formative Geist der vorklassischen Stmme lag bereits vor der
Ankunft der Europer im Nebel der Vorgeschichte. Nur die unbersehbaren Ruinen
der kultischen Zentren, wie Teotihuacan und
Monte Alban, widerstanden den zerstrenden Mchten der Kriege und der erbarrnungslosen Natur. Fr die Azteken waren di e se
Pyramiden die Hinterlassenschaft von
Menschen einer der vier vorangegangenen
Welten. Erst die Spaten der Archologen
unseres Jahrhunderts konnten sich in die
Zeit zurcl{graben. Wissenschaftler legten
das Gefundene wie Steinehen zusammen,
bis das gewaltige Mosaik der alten .. Neuen
Welt" entstand. Schriftlose und namenlose
Vlker erhielten behelfsmige Namen von
Fundpltzen und heutigen Provinzen. Groe
Flchen des Mosaiks sind noch unbedeckt
und manche bleiben es vielleicht auch fr
immer.
Die Grundlage fr die hhere Kulturstufe in
Mesoamerika war die Kultivierung der
Maispflanze. Mais, der zweitgrte Ernhrer
der Menschheit, setzte dem unsteten
Nomadenleben der Jger und Sammler ein
Ende. Nach den letzten Forschungen geschah
diese einschneidende Wandlung zwischen
5000-3500 v. Chr. Das Abbrennen und Roden
der Wlder sowie die Zeit der Aussaat
traten in den Vordergrund des menschlichen
Denkens. Die unsichtbaren und scheinbar
launischen Krfte der Natur wurden zu
abstrahierten Bildern von Agrargttern, die
ihren Kult und zu bestimmten Zeiten ihre

Opfer forderten. Aus dieser Notwendigkeit,


,.die Gtter zu ernhren", entwicl,elte sich
der Kalender und seine Schriftzeichen, beides
von einer Elite geschaffen, die den
Schamanen und Magier mit seinen Zeichen
verdrngte.
Die ltesten Monumente mit Schriftzeichen,
die sog. ,.Danzantes" (Tnzer) sind etwa um
das 7. Jh. v. Chr. von einem uns unbekannt
gebliebenen Volk mit Steinwerkzeugen
in Stein geschnitten worden. Stilistisch weisen
die Bilder von Monte Alban I zur
olmekischen, auch La-Yenta-Kultur genannt,
an der Golfkste hin. In diesem subtropischen
Gebiet fand sich das bisher lteste entzifferte
Datum, das nach unserer Zeitrechnung dem
Jahr 31 v. Chr. entspricht. Das Volk, das es
hinterlie, verschwand; nicht aber seine
Errungenschaften. Kalender und Schrift
sowie Teile ihrer religisen Vorstellungen
lebten bei anderen Vlkern weiter, die
stndig versudllen, das Gegebene zu verbessern. Sowohl im Kalender wie auch in
der Schrift erwiesen sich die Maya-Indianer
als die Erfolgreichsten. (Siehe nebenstehende
Tafel) . Die mexikanischen Vlkerschaften,
Zapoteken, Totonaken, Tolteken, Mixteken
und zuletzt die Azteken, konnten sich niemals
in ihren Schriftzeichen ganz vom NaturVorbild lsen.
Aus lterer Zeit zeigen Steinmonumente
meist mythische oder halbmythische Bilderfolgen. Sie sind unmittelbare Vorlufer
- vielleicht auch Zeitgenossen - lngst
verwitterter Bilderschriften.
Aus der mixtekischen Kultur sind die
schnsten Faltbcher erhalten geblieben, die
uns nahezu lckenlos bis in das 7. Jh.
zurckfhren und die Genealogien ihrer
Herrscherhuser aufzeichnen. Noch weiter
zurck verlieren sich die Uberlieferungen
dieser sowohl knstlerisch als auch kriegerisch so begabten Bergbauern im Mythischen
und berichten von halbgttlichen Vorfahren,
die bei Apoala aus einer Hhle, in einer
anderen Schrift ist es ein Baum, in die Welt
traten und das Volk der Mixteken zeugten.

Die Azteken, die ,.parvenus", wie H. D. Disseihoff sie so treffend bezeichnet, bernahmen
Form und Technik der mixtekischen Bilderschriften. Als arme und nur geduldete kleine
Stammesgruppen wanderten sie in die
Mesa Central ein. Sie waren wie junger
Wein in alten Schluchen, und sie verstanden
es, im Laufe von weniger als 200 Jahren
teils mit Diplomatie, teils mit Gewalt fast
alle mexikanischen Vlker unter ihre
Tributhherrschaft zu bekommen. Die ,.Schrift"
wird damit erstmalig im alten Mexiko in
den Dienst der Wirtschaft gestellt, ein
Vorgang, der sich in der ,.Alten Welt"
bereits 3000 Jahre v. Chr. vollzog.

(l

Was bei den Bilderschriften der Mixteken


noch einer religisen Partitur, in schillernden
Farben und sensiblen, streng gehaltenen
Formen glich, zeigt sich bei den Azteken
meist nur als eine unknstlerische Paraphrase.

a, c

Stelen in Monte Alban


mit ltesten Schriftzeichen, um 500 v. Chr.,
wahrscheinlich Kalenderberechnungen.
b, d Stelen aus der klassischen Periode,
500-1000 n. Chr.
Im Hintergrund Tempelpyramiden.
e Abstammung ausgedruckt durch Fustapfen: ,.vier Krokodile" = Sohn von
,.acht Hirsch-Tigerklaue" und ,.dreizehn
Schlange-Blumenschlange"
(beachte die Zahl der Kugeln).
Huptling ,.Neunhaus" zieht in den Krieg
und macht Gefangene.
g Indianische Bilderhandschrift, um 1500.
Der Eroberer Cortes wird mit Geschenken
empfangen. Beischriften in aztekischer
Sprache mit lateinischen Lettern.

24

Mittel- und Sdamerika

Die Schrift der Maya-Vlker

Fast 2 Millionen Maya-Indianer leben heute


noch in den Republiken von Mexiko
(Yucatan, Chiapas), Guatemala, in den
westlichen Teile n von Honduras und
EI Salvador. Ihre Vorfahren waren die
Trger de r blhendsten Hochkultur de r
N eu en Weil". Seit Jahrhunderten aber
j'i e gen di e groen kultische n Stdte der
kla ssische n Zeit (292- 909 n. Chr.) verlassen
in den unb ewohnten und schwer zugnglichen
Regenwldern von Peten und Chiapas und
sind b erwuch e rt von der gierigen Vegetation
des tropis chen Dschungels.
A rchitektur, Bild und Schriftmonumente
s tanden ganz im Di enst theokratischer
Priester-Frsten, de r von ihnen geprgten
Religion und ihres lebensnotwe ndigen
Kalenders, der an Genauigkeit sogar unse ren
he utigen b e rtraf.
.. Di ese Leute ve rwen de n bes timmte Ze ichen
oder Buchstaben, mit denen sie in ihren
Bchern di e alle Geschichte und ihre Lehren
ni e dersch rieben. Durch diese Lettern sowie
Zeichnung en und bes timmte Figuren vers tehen sie di e Geschi chte und knn en sie
auch and ere n ve rs lndlich mach e n und lehre iL
Wir fanden e in e grolle A nzahl di eser Bcher,
und als sie nichts enthi elte n, was nicht de n
Abe rglaub e n und die Lge n d es Teufels
zeigte, ve rbra nnten wir a ll e, zum groen
Bedauern und Leid diese r Leute."
Als Rechtfe rtigung seiner Ausschre itungen
schrieb de r nad1 Spanien zur ckb e orde rte
Bischof Die go de Landa 1556 di ese Ze ile n
in seiner .. Re lacion de las cosas de Yucatan".
Die Menschen de r .,Alten W elt", die im
Angesicht der d steren Dome und unter der
Bedrohung de r fanatischen Inqui sition
he ranwuchsen, konnten den ungehe uren
Schaden , den di e Bcherverbrennungen und
da s Ze rs t rungswerk der glubigen
Missio nare anrichteten, wohl kaum e rm esse n.
Von der grollen A nzahl Maya-Bcher entgingen nur dre i dem zerst re nde n Klima
de r Tropen oder de n Flammen de r Inquisition
und fanden ihre n Weg nach Europa. A ls
Dok um ent, wie als Kunstwerk ste ht der

Dresdener Codex an der Spitze. Seine


Hie roglyphen berechnen die Umlaufzeit des
Planeten Venus, der durch seine doppelte
Funktion sowohl als Morgenstern wie auch
als Abendstern in der altamerikanischen
Religion eine wesentliche Rolle spielte. Wie
wichtig der Venus-Umlauf ir den SonnenKalender ist, ergibt sich durch Multiplikation:
8 Sonnenjahre (365 X 8 == 2920) ergeben
genau 5 Venusjahre (584 X 5 == 2920). Damit
erreichten die he rvorragenden Mathematiker
und Astronomen eine alle 8 Jahre wirksame
Kontrolle ihres Sonnenkalenders. Neben
diesen beiden Kal endern find e n sich aui den
Stelen noch luneare Berechnungen sowie
.,die Zhlung de r Tage" Tzolkin, e ine ir
den Bauern gebruchliche Zeitrechnung mit
dem Jahr zu 260 Tagen. Die Kalenderhieroglyphe n, e twa ein Drittel der bekannten
Schriitzeidlen, sind be reits seit Jahrzehnten
e ntschlsselt. Sie Iinden sich an vi e len
Tempeln und Treppen, sind eingeritzt in
Stelen, den .,Zeitmessern" der Maya, oder
auf lmltische Geie gemalt. So be gegnet
un s in diese r allen und gelehrten Kultur
- di e unabhngig v on den Indern die
abstrakte Zi!ie r Null anwandte und fr die
es kein auch noch so weit zurckliegendes
Datum gab, das nicht berechne t und niedergeschrieben werden konnte - e ine zeitliche
Sequ enz, die von 292-909 n. Chr. lckenlos
is t. Wir wissen von dieser Kultur das WANN
aber wir wissen nicht WER und WARUM. '
Wir kenne n nicht e ine historische Persnlichke it aus di ese r Zeit, keinen der alten Namen
ihrer verla ssenen Stdte, noch wissen wir
w ie sie sich selbs t nannte n.
'
I'ast 1000 beschrifte te Stelen, geschnitten
mit Feuerstein- oder Obsidianmesse rn, zeigen
Prieste r bei de r Ausbung ihres Kultes,
begl e itend e Hi eroglyphe n geben di e Zeit
wieder. Tre ppen und Wandtalein w ollen mit
ihren Bild- und Schrillzeichen zu u ns reden,
allein w ir verste he n sie nicht, vielle icht no ch
nicht; denn die be red tste Kultur im Alten
Amerika sollte auch zu e iner der schweigsamsten werden. Was uns bleibt, ist das
Staun en vo r ihrer ar ti stischen wie wisse nschaftliche n Leistung. Was ble ibt, ist das Bild

in ihrer Schrift das nie leeres Gebilde ist,


sondern mit a~deren Zeichen sich zu einem
gster
selbstndigen Kunstwerk formt. In JUn

Zeit verkndeten drei junge sowjetische


Mathematiker die Entzifferung der MayaSchrift mit Hilie einer elektronischen
.. te
Reche nmaschine. In 40stndiger Arbeit Jos
das Elektronengehirn die Aufgabe, von d~~
so mancher Wissenschaltier trumte und tur
die die gesamte Bevlkerung der Erde mehrere
tausend Jahre bentigt htte. Mit der Entzifferung alle in aber ist es noch nicht getan.
.. Archologen und Historiler mssen nun.
versuchen, de r entzifferten Sprache" -Wie
der sowjetische Gelehrte Soboljew sagt.,ihre ursprngliche Seele zu geben."

b
c

e
f

. TiJ<al,
Vorder- und Rckseite von Stele Ill
Guate mala, mit lteste m Maya-Da tum:
8. 12. 14. 8. 15 (6 Juli 292 n. Chr.) .
Stele in Honduras aus 782.
Zwei ganziigurige Initialen an der Sp.~tzer
von Glyphenserien s tellen Periodentrage '
672 dar.
Todesgott und junger Maisgott
l
Detail Dresdener Codex, 12. Jahrhunder
(5mal v e rgrert).
.
Markie rstein mit Ballspie ler, 580 n. Chi
Farbig be malte Schale mit Pries teriigur.
Kopfzahlen mit W erten v on 0- 19,
auch Punkte und Balke n wurden
verwendet:
. = e ins, . . . = dre i, - = fnf,
= sie bzehn.
Datumsglyphe n aus Stuclc
Trbalken mit lie gende r Figur und
Datumsglyphe n.

,~e~

'!
h

25

Mittel- und Sdamerika

Material und Werkzeug

123 verschiedene Sprachfamilien, durch


keine verwandtschaltliehen Bande miteinander
verknpft, sind uns von den Menschen
bekannt, die ein hislorischer Irrtum mit dem
Sammelnamen "Indianer" bedachte. Gegen
Ende der lelzlen Eiszeit vor etwa 15 000 bis
25 000 Jahren kamen in kleinen Gruppen
die Einwanderer von Asien ber die Berings tralle nach der "Neuen Welt" herber.
Aus den Minderheiten der frhen Jger und
Sammler si nd grolle Stmme und Vlker
herangewachse n. Aber nur wenigen war die
Enlwicldung zu einer I-Iochkullur beschieden.
Abhngig von klimatischen und geographischen Bedingungen entstanden drei grolle
Kullurzenlren: im heutigen Mexiko, mit der
aztekischen Kullur in der Ietzleu Phase, und
e twas weiter sdlich die Kultur der Maya.
Die drille I-Iochkullur bild e te sich im zentrale n
Andenraum und sollte ihren Abschlull mit
dem gewalligen Imperium der Inka haben.
Doch diese gesellschaillich so erfolgreiche
Kullur kannte keine Schrift. Ihre Aufzeichnungen sind in de n Gehirnen der
Quipucamaycoc, den "Bewahrern von
Knotenschnren", festgehallen und von
Genera lion zu Generalion mndlich weitergegeben worden. Die farbigen Schnre
(Quipu) mit den ei ng eknpfte n Knoten
dienten den slaallichen Beamte n als
Gedankens llze , ohne das begleitende Wort
sind sie ein lebloser Gegenstand, wie der
Knopf im Taschen tuch, der un s an etwas
erinnern sollte.
Die Maya, wie auch die mexikanischen
Vlker, Olmeken, Zapoteken, Tolteken,
Mixteken und zuletzt di e Azteken, kannten
das geschriebene Wort. Es fand sich in Fels
geritzt, in Stein gehau en, gebrannt in Ton
und gernaH auf Fresken. Aus sptere r Zeit
si nd mete rlange Fallbcher erhallen, die aus
Wildleder oder dem "amatl" auch "quauhamall" genannt, dem mexikanischen Pflanzenpapie r bestehen. Auf gekalktem Untergrund
sind mit feinen Pinselstrichen geschichlliche
wie religise Vorgnge und Ideen festgehalten. Namen und Jahresglyphen begleiten
die Personen und nicht selte n wird auch di e
Abs tammung de r Darg es leiHen ebenfalls

aufgezeichnet. Die Namensglyphen sind eine


Kombination von 20 Zeichen mit 13 Ziffern,
die gleichen des mexikanischen Kalenders,
denn der Tag der Geburt ist zugleich der
Name fr das ganze Leben. Die zarten Farben
in den Bilderschriften spielten eine wichtige,
meist symbolische Rolle. Aus Mineralien,
pilanzlichen und tierischen Stoffen wurden
sie gewonnen. Einer kleinen Laus wegen, die
die rote Eisenfarbe verstrkte und nach der
blauroten Seite brachte, haben die Azteken
- so wenigstens wird berichtet - die
Zapoteken unterworfen. In den Tributlisten
jedenfalls erscheint diese Blattlaus (Cochenille)
neben kostbarsten anderen Gtern.
Alle Schriftbemhungen der mexikanischen
Vlker blieben mit dem Bild, das heillt mit
dem Gegenstand verhaftet. Nur den MayaIndianern gelang es, eigenartigerweise ohne
sichtbaren Ubergang, sich vom Gegenstand
zu lsen und selbstndige Zeichen zu finden,
bei denen nur noch selten etwas an das
Vorbild erinnert. Bei den Ziffern, und nach
dem heutigen Stand der Forschung kann
man sich mit Sicherheit nur auf Datumshieroglyphen beziehen, gab es zwei Schreibarten, die wahrscheinlich einst eine weltliche
und eine sakrale Bedeutung ausdrckten.
Der weltlichen Schreibweise mit dem
abstrakten Zeichen fr die Ziffer 0, Punkte
fr die Einerwerte und Balken fr die Ziffer 5,
steht die sakrale mit ihren sog. Kopfvarianten
gegenber. Ob es sich dabei um Gtterbilder
handelt, ist heute schwer zu sagen, jedoch
gut mglich, denn wie im kath. Kalender
beispielsweise der hl. Antonius von Padua
den 13. Juni betre ut, so standen bei den
Maya auch jeder Tag und jeder Zeitabschnitt
unter dem Patronat e iner Gottheit.
Die Anfnge der Schrift im Alten Amerika,
die sich vom geometrischen Ornament und
magischen Zeichen ber das Ideogramm zur
Hieroglyphe entwickelte - der nchste
Schritt wre das alphabetische Zeichen - ,
si nd am deutlichsten an den irdenen Stempeln
sichtbar. Die Aussagen di ese r alten "Druckwerkzeuge" sind fragmentarischer Natur und
ausgerichtet auf das Hervorrufen bestimmter

Assoziation. Mit magischen Bildzeichen


bedruckten sie ihre Kleidungsstcke und daS
einheimische Papier; und nicht zuletzt
schmckten sich die Menschen damit in
ihrer Halbnacktheit selbst.
Sie rollten ber Geflle schon in frhester
Zeit ihre abstrakten Motive und spter ihre
rein geometrischen und gegenstndlichen
Muster. Manches Bild, das bereits vor
1
3000 Jahren in einen dieser irdenen StemP.~d
geschnitten wurde, erwies sich als ein Urbl
des menschlichen Geistes und kehrt in
modernen Bildern unseres Jahrhunderts
wieder.

Die Maya schrieben ihre Hieroglyphen


auf steinerne Stelen,
b mit Werkzeugen aus Fe uerstein
c und schnitten ihre Scluift in steinerne
Treppen,
d mit Werkzeugen aus Obsidian,
e mit Stein beschrieben sie Stein.
Sie schrieben die Genealogie ihrer
Herrscherhuser auf Hirschleder oder
auf Papier,
d
ur e.
g das aus Pflanzenfasern hergesle llt W
h Die Grnder von Monte Alban schnitten
ihre Kalenderzeichen in Becher aus Ton
Fast alle Bewohner Mittelamerika's .
und der Kste von Peru bedruckten mit
Stempeln ihre Krper und Gewebe.
k Die Bewohner der Golfkste ritzten ihre
Gttergeschichten in Bein,
und die Mixtek e n gosse n mit Hilfe der f
verlorenen Form die Kalenderzeichen au
ihre goldenen Anhnger.
. . 11
m Auch die Maya malten ihre Schriftzec11e
auf keramische Geflle.
n Die Inka von Peru benutzten geknotete
Schnre, um ber Untertanen und Wareil
buchzufhre n.

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26

Euro pa

Das Alphabet kommt nach Europa


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Sptes te ns im I 0. J h . v. Chr. gelangt di e


phn izisch e Schrill zu den G ri ech en , v ermutlich durch semHiseh e Kau Heute ve rmittelt.
Di e lteste n Inschriite n zeigen Bu ch stab en,
di e mit de n phnizisch en in h o h em Ma
b e re instimm en, au ch we rd en sie , wi e di ese,
zun ch s t no ch v on rechts na ch links, im Sinn
der nat rliche rwe ise v orgeh e nd e n schreibe nde n I-la nd, geschrie be n, eh e sich di e Sch re ibung
vo n links n a d1rechts, we lche das Gesch rie b e ne
unve rd e ckt mitl ese n lllt, e inbrgert. A uch
di e Buch sta b ennam e n we rd en mitb e rnom men. Die G ri eche n ve rv ollkommnen da s
A lph a bet, indem sie besond er e Buch sta ben
fr di e Vo kal e hi nz ufg en, di e in de n
se mitischen Schri iten n icht geschri e be n
we rd e n. Im 4. Jh. v . Chr. se tzt sich in all en
gri echi schen La nd scha lte n de r ionisch e
Sch riftt yp (d) al s gem e insame Form durch.

Inschrift au s Lydie n, Klei na sie n,


4. Jh. V. Chr.
Die lydische Schrift is t zum grllten Teil
dem Formen bestand de r griechi sch e n
entnomme n.
Foto A ziz Alb ek, Istanbul.

Staatsv e rtra g zwischen Ath e n und Sam\>s


be r die V erle ihung des ath e nis ch en
Brgerrechts a n die tre uge blie b en e n
Samie r, 405 v . Chr. (Ma rmorsul e).
Ak rop olis-Museum , A th e n, Foto Ulls tei11.

Papyrushandschrift in grie chische r


Unzialschrift, 2. Jh. v. C hr.
Mit den e rs ten Kapite ln des Johann esEvange liums. Eines der ltes ten Dolwm ente d es n eu e n Testame ntes.
Foto dpa-Bild.
Kopti sche H a nd schrift mit arabische n
Titeln , um 1480 n. Ch r.
Von d en christliche n gypte rn aus der
gri echisch en Unzi a le unt er Hinzunahme
e inige r dem o ti sch e r Ze ichen (s i eh e Tafe)
10) ge bilde t.
Bibliothequ e Na tionale , Pa ri s.

In der k lass ischen Ze it ge winnt di e Schrift


e ine harmonisch- au sgewogen e Fa ss ung in
de r sog. La}lidarschrift (d) .
De r Duktus des Schre ibrohrs ode r de s Pinse ls
hat zu r A u sbildung e ine r m ehr ge rund e ten
Form, de r Unz ial e (e ), gefhrt, di e di e A usga ngsba sis fr di e k opti sch e (f) und die
slawi sch e (g) Schrift wurd e. Seit dem 9. Jh.
n. Chr. ta ucht di e Minuskelschrift (h) auf,
di e "K le inbuchs tabe n" v e rw end e t und di e
O be r- un d Unte rlng en besonde rs b eton t.
Da sie ge l ufige r zu schre ibe n ist, ve rdrngt
sie im Sch ri ft verke hr allmhli ch di e Un zialschrift .
Die G ri eche n ha be n da s A lphab e t in zwei
grollen Str ng en a n di e wes t- und di e oste uropischen V lke r we ite rg ege be n
(s. Ta feln 27 und 28) . Es hat seitdem nur
noch g e ringfgige Erg nzung en seines
Bestan des, je doch mannigfa che s!ilis tische
A usgestalt unge n seiner Formen e rl e bt.

Inschrift auf einer Sule von de r Insel


Le mnos, um 630 v. C hr., in e iner noch
nicht e rschlosse nen Sprach e. Die Schrift
ze igt gro e A hnliehk e il mit de r etru skisch e n (Tafel 21), so da beide vielle icht
de ns e lbe n Ursp rung sort auf dem g rie chi~ ch e n Fes tland hab e n. Ze ile nv e rlauf no ch
Bus trophe do n .
N ach Cohen, La grande Inv e ntion de
l'e criture e t SOll evolution, Paris 1958.

To ns cherbe mit dem Name n und Stadtbe zirk des ath e nischen Staatsmannes
The mi stokl es, al s "Stimmz e ttel" fr seine
Verbannung abge ge b en , 471 v. Chr.
Foto Histori sches Bildarch iv 1-Iandke.

Manuskr ipt in k y rilli sche r Schrift,


II. Jh. n. Chr.
A u s de r gri e chischen Unz iale e ntw ickelt
und durch e inige Ze ich en fr besondere
slaw ische Laute e rg nzt.
Na ch Coh en, La gra n de Inv e ntion de
l'ecriture e t so n e volu tion, Paris 1958.
h Griechi sch es Manuskript in Minus){ e!schrift au s de m Kloste r von Pa phos
(Zype m), 12. Jh. n . Chr.
Biblio the que N a tiona le , Paris .
Dre isprachige Inschriit auf dem Sockel
eine r M e ta llsule , ge fund e n in Sardinie11,
um 180 v. Chr.
Votivgabe e ines ka rthagi schen Bea mten
an de n Gott der He ilkuns t n ach e ine r
He ilung. Ze ile I: late inisch, Ze ile 2 und 3 :
grie chisch, Ze ile 4 und 5: phnizisch .
Die b eiden letzter e n verlau fe n von
rechts na ch links.
Nach Corpus inscriplionum Semitica nun,
Paris 1881.
(auf dem Tex tstre ifen de r Tafe l:
Ka rt e de r Einflu richtunge n) .

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27

Europa

Das Alphabet der Etrusker, Rmer und Germanen

G ri echi sch e Kolon is te n bringe n auch ihr e


Schritt mit n ach Italie n. Vi elle icht h a t das im
9 . Jh. v. Chr. g e grnd e te C umae , N e ape l,
di e Ve rmittl e rroll e g espi elt. Die Schrill wird
zu e r s t vo n d e n Etrusk e rn auig enomme n, und
zw ar zu e ine m sehr irhe n Ze itpunkt,
v ie ll eicht im 8. Jh ., d a s ie ihr e Ze il e n noch
linl,slufig schre ib e n in d e r Fo rm, w ie es di e
Gr iech e n ursprnglich v on d e n Ph nizi e rn
g e le rnt h a tte n (a , b) . Trotz zahlr e ich e n
tu sch rille n is t es noch nicht g elung e n , d ie
versch o lle n e S prach e d e r Etru s k e r w ie d e r zu
e rschli e Ue n . M it v ie le n a nde re n Kulturgte rn
b ernehme n di e Rme r au ch d as A lph ab e t
vo n d e n e tru skisch e n Nachbarn. In de r Fo rm,
di e s ie ihm ge g eb e n habe n, h a t es s ich be r
w e ite Te il e d er E rde aus g ebr e ite t.
\ Vie d ie G riech e n arb e ite n a u ch die R m er
<HIS d e n unb eh o li e n e n Le tte rn d e r F rhzeit (c)
e in e m o nume nta le La pidarschrill a u s , in d e r
s ich di e Ma jes t t d es Imp e rium Ro m a num
d a rs te ll e n kann und die vo r a ll e m a ul d e n
o liiziell e n De nkm le rn ve rwende t w ird (d).
De r Ve rgl e ich mit der Bro n zetalei (e ) ze igt,
w ie di e Schrill b ew un t disz ipliniert und a u s
we n igen G rund e le m e nle n , a u s g ewog en in
H h e und B re ite kon s tr uie rt wi rd . D iese
kl ass isch e , d e m M aler i<tl d es S te in es a ng e m essen e Schrilli o rm b e h lt ihr e Faszin a tion
b is in di e Ge g e n war t. N icht nu r di e
Re n aiss ance h a t a ui s ie zur ck gegr ill e n ,
so nde rn a u ch die mod e rne n G ro tesk schril le n
s ind ihre m rati o n a le n Ge is t verwa n d t.

Jung e Rme tin mit G riii e l und Schr e iblaie \. W a ndg em lde a u s Pompe ji,
um 70 n . C hr.
N ationalmu seum N eap el, Fo to Histo risch es
Bildarchiv Handke .

Ku rs ivschrill v o n d em Wach s l iel ch e n


e ines p omv e ja n isch en Ba nki e rs , mille d es
l. Jh. n . C hr. Diese K ur s iv e b e nutz t die
la te inisch e K avita lscluiil (d) und die nt a ls
Gesch ils - und DiJlloma le n sch rill bis ins
9. Jh. n . C h r.
h

e rg n z t b zw . e rse tzt d a b e i lte re Kullze ich en.


Whr e nd so ns t in d er Schrill die Entwicklung
v om kulti sch e n 'LUm pro la u e n Gebrauch lhrl,
beschrnke n die g erm a ni sch e n Rune nme is te r
e ine aus g e bilde te , pra ktikable Schrill aul
d e n kultisch -magi sch e n Be re ich (i, k) . Mit d e r
A u sbr e itu ng d es C hris te ntums w e icht d ah e r
die Ru nen sch rill d e r mit d e r n eu en Le h re
verbunde n e n l ate inisch e n Schrill, do ch is t s ie
in a b g e legen en Geb ie te n Schwe d e n s no ch bis
in unse re Ze it in Gebr a u ch g e w esen.

Die mit d e r Roh rlede r od e r d e m G rille\


gew g e n e n Sch reibschrille n w irke n d a g e g e n
schweb e nde r, el e g <mle r, schl a n ke r, a u ch w enn
s ie n och, w ie d ie Rus ti ca (h) , di e Ve rsali o rm
der Kapita lis behalte n. Ja, die Kapita lschrill
gew innt ei n e n se n s ib e l-inle ll eklu e ll e n
C h arakte r , w e nn s ie vo n g e le nk ig e r Hand
a u f e in W a ch s liii e lch e n g e ritzt wi rd (g) .
D ie ger m a ni sch e Run e n schrill is t e in e U mund We ile rb ildung nordita lisch e r Alphab e te und mun vo r d e m 3. J h . n . Chr. n ach
Ska ndin av ie n, ihr em H a uplverbre itungsgeb iet, g e la ngt se in . Sie w ird ur s prngli ch
nu r zu k ulti sch-magi sch e n Zweck e n (Z a ub e r,
Loswe rl e n, Besch w rung) v e rwend e t und

La te in isch e Ha nd schrill in Ruslica-Type ,


a u s d e r ,.Psych o ma chia" d es Prud enlius ,
6. Jh. n. C hr.
Die Rus tica is t d ie k lassisch e r m isch e
Schrill und bis in d ie S p la nlil'e in de n
H a ndschrille n vo rhe rrsch e nd. Sie e rli scht
mit d e r rmisch e n K ultur im 6. Jh., w ird
je do ch in d e r Karo ling e rze it a ls Au s ze ich nungsschrill w ie d e rbele bt.
Biblio lhe que Na tiona le , P a ris.
Palimpses t. D e r Text e ines P salme n k omme ntars A u g u s tins (in M inusk e lsch r ill) is t a ui e ine m P e rga m e nt
g eschri eb e n, aui d e m iri.ihe r e in Tex t v on
C ice ro g est a nde n hat. Diese r wurd e vorh e r
abgewasch e n, um d as w e rtv oll e Schr e ibmate rial wie d e r verwende n zu l'nn e n .
Die mod e rne Fototechnik v e rm a g auch
d e n ur s prnglich e n Text wie d e r s ichtbar
zu mach e n. Beis vie \ li.ir d ie Sch w ie rigk e ile n b e im Wie d e rg ew inne n verscholle n e r antike r Lite ratur.
Fo to Bibliotec a V atic ana.

Etruskisch e In schriit a u i d e r Wand e ines


G rab es, lin k sl ulig. Na ch Buo n a mici ,
Epigralia e lrusca , F ir e nz e 1932.

Das e trusk isch e Alphab e l v on Ma rs iliana


aui d e m Rand e in e r Schr e iblaie l,
c a . 8. -7 . Jh. v. C hr., linkslufig.
A rch olo g isch es M u seum Flore n z. Nach
Buona mi ci, Epigraiia e lrusca , Fire n ze 1932.

Alleste l a te inisch e Inschrill aui d e m


,.Iapis nig e r" v om Fo rum Romanum, um
600 v. Chr., in Bus trophe don-W e ise
(d. h . die Richtung w ech selnd) g eschrieb e n.
De m l a te inisch e n A lpha b e l lie gt das
e tru skisch e zu G runde.
F oto A linari, Flo re n z.
d

Inschriil vom Tilusbog e n in Ro m in


monume nta le r la teinisch e r K apita \schriit,
l. Jh. n. Chr.
F oto A linari, Flore n z.
Rmisch e Inschrill e ines Senalsb eschlus ses a u i e in e r Br onze plalte, 186 v. C hr.
Nach Rilschl, M onume nla prisc. \ a linit.

Ge rmanisch e r Run en s t e in aus Sk e nala,


U Jlpland/Schw e d e n.
Sog. Bautas te in: Ged e nks te in ii.ir e ine n
T o te n, 11. Jh. n. C hr.
Die Rune ninschriit is t in das allgermanisch e
Drach e nornam e n t v e rschlung e n.
Fo to M a rburg.
Felsbild a u s Schw e d e n : S igurd l te t d e n
rune nbe d eckte n Drach e n F a inir,
Ra m s u n d sb e rg, Sder m a nla nd/Sch we d e n,
11. Jh. n . C hr.
D e r Gebrauch d e r Run e nzeich e n is t e ng
mit Kult und My thos verbunde n .
F oto K un s tarch iv A rnlz.

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28

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Europa
tT IIHAt.l l tt 't.

Die slawischen Schriften sind aus der


griechischen Schrift entwickelt. Die christliche n Missionare Kyrill und Methoctos
schufen im 9. Jh. fr ihre kirchlichen Zwecke
aus de r griechi schen Minuske l di e glagolitische Schrift, von de r e in rund e r bulgarische r (c} und ein eckige r kroati scher Typ (d)
bes tand en hab en. De m Bedrfnis de s
Slawischen entsprechend, wurd e n de n
ursprngli ch 38 Le tle rn weite re Ze ichen
hinzugefgt, so da da s slawische A lphabe t
schli e lich auf 48 Bu chstab en anwu chs.
An Stelle de r gla golitische n Schri ft , die
durch wa chsend e Pl chtigke il schw erer zu
lese n wa r, wurd e di e au s de r g riechischen
Un zial e (a} ents tan de ne sog. "ky rillische "
Schrift (b) ge bild e t. A us ihrer halbun zial en
Porm (h} s tammt di e Druckschrift (i), di e
Pe te r de r Groll e Anfa ng des 18. Jh . ve re in fache n lie ll. Ihm ist di e mod e rn e ru ssische
Druckschrift zu ve rdanken (k), der spiile r
(z. B. l !JJ 7) w eite re Ve re infachunge n folgte n.
Sie ha t eine Ve rbreitung gefund e n, di e sich
du rcha us mit de r late inischen ode r arabischen
Schrift messe n l<ann .
Beme rlw ng:
Nach de n ne ueslen Fo rschung en is t di e
Kyrilli ca fa s t ode r e benso alt wie di e
Glagolili ca !

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Griechische Unziale, 9. Jh. n. Chr.


Bibliotheque Nationale, Paris.
Kyrillische Unziale, 1056/57, altrussischer
Evangelientext
Nach Ostromirovo Evangelie,
S. Petersburg 1889.
Glagolitische Handschrift in bulgarischem,
rundem Duktus, 11. Jh., altkirchenslawischer Evangelientext
Aus "Evangelium Assemani Codex
Vaticanus 3 Slavicus glagoliticus"
Pragae 1929.
Glagolitische Handschrift in kroatischem,
eckigem Duktus, 1395, Evangelientext
Aus "Evangelia slavice", Paris 1843.
Kyrillische Handschrift mit Neumen, 17. Jh.
altrussischer Gesangtext der Altglubigen.
Bayerische Staatsbibliothek, Mnchen.
Kyrillische Kursive, 17. Jh.
Text aus einer altrussischen Sammelbandschrift

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Die slawischen Schriften

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ol.ll!t.l.u..n.I.IIUIII..l,

;::~::.~~'::t

Aus Pogodin "Obrazcy slavjanskago


devlepisanija", Moskau 1841.
g Das Fest der Schrift zu Ehren der
hl. Kyrill und Me thody, welch e de m
bulgarischen Volk di e Schrift brachten,
wurde alljhrlich in Sofia ge fe iert.
Fes tlich e r Umzug mit den Bildern der
He ilige n und Tafe ln mit den kyrillisch en
Buchstabe n.
Foto Willy Pragher, Freiburg.
h Kyrillische Halbunziale , 1377,
a ltrussische Nes torchronik.
Aus Karskij "Sla v janskaja kirillovska ja
pale ografija", Leningrad 1928.
Kyrillische Druckschrift.
Aus Russische A rithme tik, Tite lseite ,
Mosk a u 1703.
k Kyrillische Druckschrift, durch Pe ter de n
Grolle n mod e rni siert. Erste r Drucl{ in
di ese r Type , Ru ssische Ge ometrie , Titelseite, 1708. Na ch Siegel "Russkij
grazda nskij s rift", Moskau 1959.
t
Ru ssisches A lphabe l und Samme lalphabe
all e r he utige n k y rillische n Alphilbe ie der
UdSSR, au ch der nichts lawische n.
Nach Sie ge l a.a.o.
'fl
m Mode rn e ru ss ische Ausze ichnungssehn
Nad! Cern ichov -Sobol ev "Pos lroe ni e
sriftov ", Moskau I 958.

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29

Europa

Handschriften des Mittelalters

Schon die christlich werdende Antike bevorzugt bewut im Gegensatz zu der klassischen
Versalschrift, die als antik-heidnisch
empfunden wurde, die der Rustica verwandte,
beseelte re Unzialschrift. Die Tendenz, die
Buchs tabenlngen nach oben und unten zu
dehnen, setzt sich immer deutlicher durch,
z. B. in de r eigentmlich stilisierten merowingischen Diplomschrift (a) oder der
ang elsch sischen Halbunziale (e). Sie mndet
in de r Minuskelschrift, deren irische Variante
(d) mit der charakteristischen eckigen Form
durch missionie r ende Mnche nach England
und auf den Ko ntine nt ge bracht, im 8./9. Jh .
je do ch durch di e ka rolingi sch e Minusk el (c)
a bgelst wird. Vom Hofe Karl s des G ro en
(b) bre ite l sich e in seit de r A ntik e unb e kannte r Sinn fr e infach e und klare Schriftform
und kalligraphi sch e Buchg es taltung (b, c)
a us . Di e karolingi sch e Minu sk e l se tzt sich
fas t im ga nze n A bendland dureiL
In antik e r Tra dition le bt di e Minu ske l ganz
a u s der Uundung des Schriftzuges. Doch ni cht
da s Schr eibzeug, son de rn de r Stilwill e
bestimmt di e Form. Denn e benf alls au s de m
Fede rzug e ntw icke lt sich di e vllig and e rsa rtig e gotische Tex tu ra (g), di e im II. Jh .
in Belgie n und N ordfrankre ich e nts te ht.
W hrend di e karolingi sche Minu ske l de m
rom a ni schen Bau stil e ntsp rach, zeigt di e
Tex tura di e spitze Ges treckth eil des Gotischen . Streckung und Brechung der Rundunge n, spachte lfrmige Ve rstrkung de r
O be rl ng e n, w inkliges Ve rbind e n de r kanti gen Schatte ns tri che durch fe ine Haars tri ch e
si nd ihre Ke nnze iche n. A uf Ko sten de r
Les barke it se tzt s ich di e ge ome trische
Kon struktion gl e ich gebaute r Schaftreih e n
durch. Das Orname ntal e wird zum selbstndig e n W e rt je nseits de r Funktion, wi e
e s immer w ie de r in de r Schrift geschi eht.
Auch di e go ti sche Schrift w ird e urop isch e r
Ge rn e inbesitz . Di e e rste n Dru cke r we rd e n
im 15. Jh . ihre Lette rn zum g roen Te il
n ach ihr schn eid e n (s. Ta fel 31). Whrend
de r s treng e o rn a mental e Charakte r di e
Tex tura beso nd e rs fr liturgische Manu skripte empfi ehlt - sie he illl dah e r a uch

Mi ssal-Schrift - , e xis ti e rt n e be n de r Buchschrift e ine v e reinfachte kursiv e Schreibschrif t


fr den tglich en Gebrauch . Ihr ist die
Bas tarda entsprossen, di e im 15. Jh . zur
prelise n Zie rschrift der kulture ll fhr e nd en
wes te urop ische n H fe wird (i) .

Me rowingi sche Diplom schrift


Ein T yp zwische n antik e r Unziale und
mittelalte rli ch e r Minuskel. Schlu e ine r
Urkund e des K nigs C hilp erich I. 583:
,. Signum chilp e rici gluriosi regis I e go
e ltricus palatinus scriptor recognoui. I
data anno domini ca e incarnat (ionis)
DC VI indic tion e VIII. anno re gni
chilp e ri ci regis X XII. I a ctum rutomagi in
ge nrali conu entu III nuna s magii m e nsis."
N ach Faulmann, Illustrie rte Geschichte de r
Schrift, Wi e n 11!80.

b Unterschrift Karl d. Groen.


In das von dem Schreiber gemalte Monogramm fgte der Kaiser mit eigener Hand
nur den Vollzugsstrich.
c Manuskript in karolingischer Minuskel,
.. Wessobrunner Gebet", 9. Jh. Angelschsischem Schreibgebrauch folgend wird
.,enti" (.. und") durch 7 wie de rgege ben.
Die Vo rs ilbe ,.ga" b e ze ichnet die durchs trich en e Rune ,.X".
Baye risch e S taatsbibliothe k, Mn ch en,
Foto Kunstarchiv A rntz.
d Manuskript mit irische r Minuske l.
Aus ,.The book of Ma c Carkaig" .
e Manusk ript in a nge ls chsische r Halbunzia le mit Initial e.
Au s dem Evange liar von Lindes farn e , um
700. Text: ,.In principico e rat verbum
e l v e rbum e rat apud de um."
Foto His tori sch e s Bildarchiv Handke .
Buchseite aus dem ,.Liber sacrame ntorum"
Paps t G re gors d. Gr. 9. Jh.
Na ch Mo numenta paleographica Vind obone nsia, Leipzig 1910.
g Urkund e aus Spanie n b e r e ine
Sche nkung in vi sigothische r Kursiv e , 989.
Spanische Variante de r karolingische n
Minusk e l. Unte r de n 7 Tex tze il e n s teh en
in vi e r Kolumn en di e beglaubigte n
Signature n d e r Ze ugen.
Nach Villada, Pale ografia espaiiola,
Madrid 1923.
h Spanisches Manuskript in gothischen
M inusk eln.
Au s .. Re glas del jue go de aj e dre z" von
dem Rey Sabio, 1283 (Schachreg e l-Buch) .
Na ch V illada, Pale ografia e spaiiola,
Madrid 1923.
Franzsi sch es Manuskript in Bastarda.
Au s .,Livre du Gouve rnem e nt des roi s e t
des princes ", Anfang des 15. Jhs.
Die Miniatur s tellt de n Bau e ines Klo ste rs
dar.
Bibliothek v on St. Geni ev e , Foto Kun s tarchi v A mtz.

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30

a
Europa

Papier, Blockbuch und bewegliche LeUern

Papier, Blockbuch und b ew e gli ch e Buchs tab en


Me ie lwe rk in Ste in und Handschrift auf
Pe rgame nt s ind langsam e Re produktionsm e thod en.
Die V e rvi elfltigung de r Schrift ist durch
vi e le Erfindunge n b e dingt:
Pa pier und Tinte , Druckform und A bdruck ,
b ewe gliche Buchstab e n.

Papie r.
Se it 105 n. Chr. fabrizi e re n die Chinese n
Papie r. Die se Erfindung wanderte
whre nd e ines Jahrtausends wes twrts
und e rr e ichte Europa im 11. Jh.
Blockbuch.
Das Abdrucken von Siegeln (450) fhrt e
ber di e Herstellung von e ine r Million
magischer Formeln (Japan 770) zum e rste n
Blockbuch: die Diamond Sutra, China 868.
Bewe gli ch e Buchstaben.
Die be de utendste Erfindung: die be w e glichen Buchstaben.
Zue rst in Ke ramik, 1050, dann in Zinn,
1150, Holz, 1300, und schlie lich in Bronze ,
1390. Sechzig Jahre s pte r kam Gute nbe rg 's Entde ckung 1450.
(aus : The invention of printing in C hina
and its spread w es tward, by Thomas
Francis Carter, revis e d by L. Carrington
Goodrich, sec. e d., The Ronald Press ,
N . Y.)

31

Eu ropa

Die Inkunabelzeit (1450-1500)

Die Entwicklung der Wissensch aften und der


humanistischen Literatu r lt bereits vor d e r
Erfindung des Buchdrucks den Bedarf an
v e rvielfltigt en Manuskripte n b e trchtlich
ansteigen. Die Schreibergilden der Universittsstdte haben alle Hnde voll zu tun.
So beschftigt z. B. der florentinische Buchhnd ler Vespasiano da Bisticci um 1450 bis
zu 50 Kopis ten. Erst durch die Erfindung des
Letterngieinstrumentes (a) durch Gutenberg
gelangen jedoch die Versuche zur mechanischen Vervieliltigung, die vom Vorbild des
Stempels her bereits bis zur Zusammensetzung von Holz lettern gediehen waren, in
ein Stadium, wo sie es ernsthalt mit de n
Kopisten aufnehmen knnen . Die Erfindung
des Papiers, die , durch die Araber aus China
vermittelt, auch im Abendland bekannt wird,
liefert den billigen Schreibstoff. Die neue
Technik des Buchdrucks, um 1450 von Gutenberg in Ma inz erprob t, erlebt sofor t einen
ungeheuren Aufschwung. In krzester Frist
ents tehen in ganz Europa Druckereien, vor
allem in den Handelss tdten, die das ntige
Kapital zu investieren vermgen und einen
grollen Bedarf an Druckerzeugnissen haben.
In den ers ten 50 Jahren werden mehr als
2000 verschiedene Schriftarten geschnitten (e).

Letterngu mit einem Handgiellinstrumen t, wie es Gutenberg erfu nd en


hat.
Foto Historisches Bildarchiv Handke.
Seite aus der Bibel, die Gu te n berg u nd
Fust als eines der ersten Bcher druck te ,
Ma in z 1453. Goihisehe Textursch rift
Zusammenstellung der M -Versalien aus
gothischen Druckschriften der Inkunabe lzeit.
Nach Haeb ler, Typenrepertorium d er
Wiegendrucke, Leipzig 1922.
Buchdruckerei im ausgehenden 16. Jh .
Stich von Th. Galle nach ein er Zeich nu n g
von J. Stradanus. Arbe it am Setzkas ten
(links ), Einfrben (hinten ), Drucke n
(rech ts ), Zusammen trage n der aus gedruckten Bogen (vorne).
Seite aus der ltesten niederde u tschen
A u sgabe des "Reinecke Vos " , gedruckt in
Lbeck 1498.
Fo to Kunstarchiv Arntz.
Buchdruckerei im 16. Jh.
Aus Jost Amman "Stndebchlein".

Die Dr ucktypen gliedern sich von Anfang an


in zwei groe Stmme: die "gebrochenen"
Typen, die der gotischen Minuskel fo lgen
(s. Tafel 32), und die gerundeten Typen der
Antiquaschriften, die die karolingische
Minuskel zum Vorbild haben und antike
Formen wiederbe leben wollen (s. Tafel 33).

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g Seite aus den Ep istolae des Gaspari n i


Pergamensis, gedruckt von Gering-KrantzFriburger in Paris um 1470.
Bibliotheque Nationale, Paris.
h Seite aus den Fabeln des sop , gedruck t
von William Caxton, London 1483.
Caxton hat den Buchdruck in Eng land
eingefhrt. Er war Ubersetzer, Verleger
und Dru cker in ein er Person.
Ti te lblatt von "Lilio de Medicina " des
Gordonio, gedruckt von Ungut und
Stanislaus, Sevilla 1495, in Rotunda Schrift.
k Seite aus den Schriften des hl. Hierony mus , gedruckt von den Brdern de
Gregoriis, Venedig 1498.
Antiquaschrift und RenaissanceSchmuckleis ten.
Druckerpresse des Jodocus Baditts in
Paris, 1498-1535.
Als Druckersignet benutzt, Ho lzschnitt.

Foto Historisches Bildarchiv Handke.


Die ersten Drucker bilden ihre Lettern
genau denen der Handschriften nach
(s. Tafel 29). Sie erreichen in ihren Drucken,
den sog. Inkunabeln oder Wiegedrucken,
sogleich eine technische und knstlerische
Hhe, die ihre Werke zu den kostbarsten
Stcken der Bibliotheken macht. Auch den
reichen Buchschmuck der Handschriften
bernehmen sie. Noch jahrzehntelang arbeiten
in den Druckereien die Illumina toren und
Rubrikatoren an den handgemalten oder
holzgeschnitzten Initialen, Zierleis ten und
oft auch den groen Anfangsbuchstaben der
Abstze (b, c, h) . Die Holzschnitt-Illustrationen
verbinden sich zu einer kaum wieder
erreichten graphischen Einheit mit der
Schrift (c, i, k). Reiche Li tera turliebhaber
freilich lassen sich noch bis ins 17. Jh. hinein
kostbar illuminierte Handschriften ihrer
Lie blingsautoren herstellen und auf kostbarem Pergament drucken .

32

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Europa

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Die gebrochenen Schrifttypen

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Jiltc. ~~e; cOo(eG ctt(i.
pttmi(e<Sj( e(t <cmpG ~ c:
Die ersten Drucker hatten hauptschlich die
gotische Schreibschrift zum Vorbild ihrer
Lettern genommen (s. Tafel 29). Dieser
.,gebrochene" Schrifttyp setzt sich vor allem
nrdlich der Alpen durch, whrend in Italien
eine gerundete Form der gotischen Schrift,
di e sog. Rundgotik, benutzt wurd e . Er findet
seine eigentlich e Ausprgung in de r
Fraktur (b), die sich zum Teil aus Anregungen
der kaiserlichen Kanzleikalligraphie
entwickelt. Eine Frhform der Fraktur ze igt
die sog. Te uerdanktype, so genannt nach
dem be rhmte n Buch Kai ser Maximilians I.
.. Teu e rdank" (2. Ausg. gedruckt 1519 in
Augsburg von de m Hofbuchdrucker Hans
Schn sp e rg e r) - (b) . Charakte ristisch ist
di e Brechung de r Schfte, die Schwingung
de r Kleinbuchstaben, die Gabelung
bes timmt e r Oberlngen, ein mehr oder
weniger ausgeprgter Wirbel in d en
Unterlngen und der .. Elefantenrssel" der
Ve rsalien. Die Stre ng e der gitterartigen,
steilen gotischen Schrift (s. Tafel 29) lst sich
zu oft labyrinthischer Ornamentik (d), so da
di e Schrift auch dem dynami sch b e wegt en
Barock gem ble ibt. Whrend di e fr den
Buchdruck ge bruchlichen Typen k e ine
weitere Entwicklung zeigen, ja a llmhlich
degene ri e ren, n ehmen sich die Schreibmeiste r
diese r Schrift mit besonderem Vergngen an,
da sie di e v irtuosen Knste ihre r Federn zu
demon s tri e ren e rlaubt (d, e , !, h) . Dem
stereotypen Buchdruck se tz e n sie die
Variationsbreite und Anpassungsfhigkeit
de r Handschrill en tg egen (e , f), de r sie
zugleich e in hoh es Ma an Exaktheit
abzugewinnen v e rmg en. Fr Urkunden und
o!iizielle Schrift stcke b e di ent man s ich ihrer
geschickte n I'edern bis zu Beginn des 19. Jh .
Im 20. Jh. weich t die Fraktur imme r m e hr
den rational e re n Antiqua-Schriften
(s. Tafel 33).

~~tUobmifcrmmci

~tu a6 oritibU6 i!tjnlintl mcio

8ctctt\Jibactarcf)(mgdc-9c,
t(n~ mc in plio:llr non pereil

in trcmcnt~o iubino.~rch<m,
gdc ~ilti Pcrgmtitl quan~

c()a(cu~Cm~

Bastard-Schrift von Mansion, Brssel1484 .

mit in abiuto:ift mcram p:o;


p:tum ruigdfi fllolioMimii :
qui~\Xltmc b~ic:cc ,pcc,

H1C!tct~ Oll ptqi)Utt~WXi)2


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<S110 ppictus cjro mibi


pccmro:i-<Scfw mi6i m
iitibus Nct1utl oicc mcc.

J]oincs:

b lteste Fraktur-Schrift von Jobamt


Schnsperger.
Aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians
1514.
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Rodonda- (Rotunda-) Schrift.


Aus Juan de Yciar .,Arte subtilissima, por
Ia qual se e nseiia a escrivir pe rfectamente", Saragossa 1550.

d Seite aus e iner Nrnbergischen Chronik


von 1591, Handschrift.
Ge rmanisches National-Muse um, Nrnb e rg.
e

Texturschrift Schreibvorlagen aus dem


Schreib musterbuch des Wolfgang Fugger,
Nrnberg 1553.
Frakturschrift Schreibvorlagen aus dem
Schreibmusterbuch des Wolfgang Fugger,
Nrnberg 1553.

Englische Kanzleischrift .,Courthand".


Aus dem Schreibmusterbuch von A yres,
London 1698.
Ein e schwe r lesba r e, mit Ze iche n aus der
Normannenzeit durchse tzte Type , di e bis
ins 18. Jh. hinein in Gebrauch bleibt.
William Morris, Kelmscott-Press, im
19. Jh. wiederbelebter mittelalterliche r
Scluiftcharakter. Seile aus .,Historyes of
Troye", London 1892.

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Fette "Deutsch e Schrift".


Von Rudolf Koch 1906-1910 e ntwickelte
mode rne Frak tur. Von de r Schriftgieerei
Klingspor geschnitten.
Nach Rodenbe rg, In de r Schmie de der
Schrift, Berlin 1940.

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33

Europa

Die runden Schrifttypen

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Die Humanisten des 15. Jh. whlen fr den


Druck der wiederentdeckten antiken
Autoren eine aus der karolingischen
Minuskel hergeleitete Schrift. In der
karolingischen Minuskel waren di e
Manuskripte g eschri e ben, in denen di e alle n
Autoren berliefert worden sind, und man
hielt sie flschlicherweis e fr di e ursprngliche antike Schrill. Die Grundformen der
Antiqua werden im 15./16. Jh. festgelegt und
erfahr e n seitdem keine wesentlichen
Anderungen me hr. Im Gegensalz zu d e n
schwing e ndb ewegten und steilen Zg e n der
f'raklur-Typen (s. Tafel 32) zei gen sie ein
statisch-harmonisches Bild. Sie sind in
hoh e m Mae der geometrischen Konstruktion
und d er rationalen Analyse ihre r Forme lemente zugnglich (a, c) . Jed e Le tter
e rsche int als Individuum fr sich, das seine
Schnheil durch da s ausgewogene Verhltnis
zur Fliiche g ew innt.

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Als Schrill der humani s tischen Literatur wird


die Antiqua in ganz Europa verbreitet.
A n ihre r Gestaltung hab e n bed e utend e
Schrillknstl e r aus d e n verschiedensten
europilischen Nationen teil, vor allem die
Franzosen Nicolas Jensen, Claude Garamond,
Firmin Didot (f), d e r Italien e r Giamballista

Bodoni (e). de r Englnder John Baskerville,


d er Deutsche .Johann Michael Fleischmann.

Aus der Tradition der humani s tis ch en


Schre ibschrill e nts te ht b e reit s im 15. Jh. eine
Kursivschrift: le icht, !lssig, fa s t spielerisch.
Dem bedeutenden Verleger Aldus Manulius
kommt sie w e gen ihre r Schmalheit zurecht
als Schrift fr di e .. A ldin en ", die ers ten
kleinformatigen Tasche nb cher, di e e in e n
ri e s ig e n Absatz Iind en. Doch k.ann sich die
Kursive auf di e Dauer n e be n d e r Antiqua
nur als A uszeichnungsschrill hallen.

f{fj lr/1 lrJJl


~

Zu Be ginn d es 19. Jh. erscheinen serifenlose


Typen (g), di e vor allem in der Werbung,
fr Plakate und sachliche Texte verwendet
werden und in ihrer Sachli chkeil d e m Geist
d e r mod ernen W e lt e ntspr echen .

1!!! '/J

Die Bedingtheil durch d e n technischen


A pparat s tabili s iert die Drucl{schrillen und
lllt nur eine beschrnkte Formenentwicklung zu, im Gegensatz zu der f'ormenflle
der Ha ndschrifte n. Daher Iinden handgeschri e bene Tex te , insbeso ndere Urkunden,
diplo m atische Briefe, Aklenslcke, auch je tzt
noch Interessenten. Bis zum Ende des 18. Jh .
hiilt s ich da s Gewe rbe der Schnschreiber,
d ie auch im runden Schreibstil oHmals
unbe rlroii e ne Prachtstcke d e r Kalligraphie
li efern (b).

Konstruktion lateinischer Versalien durch


Johann Neudriier.
b Spanische Cancelleresca-Kursive.
Aus .. Arte de Escrivir" von f'rancisco
Lucas (1570 geschrieben). Madrid 1608.
c Konstruktion kursiver Schrifliormen.
Aus dem Schreibmusterbuch des Spaniers
Aznar de Polanco, Madrid 1719.
d Didols Antiqua, um 1800 in Paris.
e Aldus-Antiqua.
Seite aus der .. Hypnero lomachia
Poliphili ", Venedig 1499, von Francesco
Griiio geschnittene Type. Die Antiqua
wird durch Aldus Manutius, einen der
bedeutendsten Verleger, die je gedruckt
hab e n, zur inte rnational e n Anerkennung
gebrach t.
Bodonis An tiqua in drei Schrillgrllen .
Aus d e m .. Manu a le Typograf ico ", Parma
1818.
g Griechische Kursive.
Gedruckt von Estienne, Paris 1551.
h Barocke kursiv e Schre ibschrift.
Aus d e m Schreibmusterbuch .,Spieghel
d e r Schrijfkonste" d es Jan van den Velde,
notterdam 1605.
Moderne Plakatschrift auf e in e r Hauswand in Madrid.
Foto Woll Voslell.

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34

Europa

Die vier Familien der runden Schrifttypen

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medireval

garamond

1780

didot-bodoni

bodoni

1815

egyptienne

rockwen

181 S

sans serif

gill-grotesk

Di e vier Familien werden unte rschi ede n


na ch den Schraffierungen: dre ieckig,
linie nhaft, quadratisch und ohne
Schraffi erung en (sa ns serif) .
Die Schr<lffi e rung e n leiten da s Auge von
links na ch rechts der Zeil e e ntlang. Die
Entwicklung hlt Schritt mit de r Verfeinerung
der Papi e rfabrikation.
Von je de r Familie ex isti e ren viele Varianten.

35

Europa

Die vielen Gestalten eines Buc hstabens

Der u ch st abe k ann unen dli ch v i el e Fo rm en


ann ehmen w i e der M en sch. J ede r sch a fft si ch
sein eigen es A lphabet. Da r auf b eruht d ie
Gra phologi e.

36

Europa

Die beiden groen Schriftbereiche

Vor 3000 Jahren gelang es den Bewohne rn


e iner phnizischen Stadt, die einzelnen
Laute aus de r Sprache zu isolieren.
Fr jede n Laut fanden sie e in Ze iche n.
Die Griechen bildeten diese Erfindung weiter
aus. Das rmi sche Re ich und di e christliche
Kirche verbreiteten die Buchstabenschrift in
die westliche Welt.
Das ., a" wurde vom franzsischen Drucker
Garamond (1480- 1561) geschnitte n.
In Chin a spricht man noch heute trotz des
offizie llen Peking-Chinesisch stark vone inande r abweichende Dialekte. Doch durch
die Schrift kann man sich vers tndigen.
Man braucht zwar Tausende von Zeichen
und da s macht das Lesen- und Schreibenle rn e n ni cht le icht.
W e r aber auch auerha lb des chinesischen
Re ich es di e Zeichen kennt, wird e twas
von der Be deutung e ines chinesischen Tex tes
e rahn e n.
In Japan je do ch kann man chinesische
Texte auf japanische Weise (Syntax)
lesen und somit leicht verste he n.
Eine Schrift a lso , die fr den ostasiatischen
Kulturbereich trotz verschiedener Sprachentwi cklunge n e ine Gemeinschaft schuf.
Da s hi er abgebildete Ze ichen be de ute t .,He ld"
und wurde vom japanische n Schre ibme iste r
Inou e Yuich i im Jahre 196 1 geschri eben.

37

Europa

Die Ziffern und die Erfindung der Null

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1000 + 500

5 10

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1000 + 500

J I0

Aegypt

1000 + 9

Babylo

+ .C

100 50

5 X 360 : 1800
7 x 20 14 0
10 I 10

50

Hellas

Roma
Maya

-+:JLa3i.+
1 X 1000 + 9

100 + 5

10

China
India 5

I 9o
Der pythagoreisch e Le hrsalz (a) und das
Re ch e nbre tt (b) hab e n lange ausgeholfen,
bis um 500 v. Chr. die Hindus di e Null erfand e n
und da s Prinzip d er Position d er Ziiiern.
Darnil eriine len sie der Mathematik ne ue
Wege. Die hindu -a rabi sch en Ziiie rn wurden
zu ei ne r Weltschrift

l'JJo

Europ::

19 50

Europc

38

Der Gebrauch der Schrift

Lesen- und Schreibenlernen

c
d

g
h

Lese n- und Schr eibe nl e rn e n aller Me nschen


ist ei nes de r Hauptziele der UNESCO:
die W e lt ohne Ana lphabeten.

Von Kind e rn erfundenes A lphabet.


Nach Cohen, La grande inve ntion de
l'ecriture e t son evolution, Paris 1958.
Seite au s de m .,ABC- und Lese bchle in "
von M . J. Buno, Danzig 1650. Die Bilde r
sollen de n Schlern das Einprge n der
Laute, die mit den Lettern zu verbind e n
sind, e rle ichtern: z. B. .,W" durch das
Weh des ge prgelten Knaben, .,Q" durch
den Kopi de r Kuh.
Althollndische Fibe l.
Mdchen aus Haiti le rnt in de r Musterschule de r UNESCO Lesen und Schreiben .
De r Kamp! gegen de n Analphabetismus
gehrt zu de n Hauptaufgabe n de r
UNESCO.
De r Schreiber.
Rte lzeichnung von Dome nico Zampie ri,
17. Jh. Wien, Albertina.
Foto Kunstarchiv Arntz.
Schreibunterricht im allen Japan vor de r
Errichtung iientlicher Schulen.
Foto Historisches Bildarchiv Lolo Handke .
Straenschreiber in Gaza.
Foto Associated Press.
Junge Buchhallerinnen beim Erproben
e iner mod ernen, e lektroni sch geste u e rten
Bankbuchungsmaschine.
Fo to dpa-Bild.
Originalseiten von Fibeln.
Frauen aus Nigeria beim Fihelunterricht.
Fo to George Rodger, Magnum-Foto, Paris.
Die hl. Anna unterrichtet im Lesen der hl.
Schriit. Barockplastik in de r I>iarrkirche
von Blaichach/ Allgu.
Foto Lala A uisberg, Sonthofen.
Ein blindes Kind lies t die Blinde nschriit.
Diese wurde von de m e rblind e te n
franz s isch e n Schustersohn Louis Braille
e riunde n und h e ute aui de r ganze n Welt
b e nutzt.
Foto dpa -Bild.

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Frauen aus Nigeria beim Fibelunterrichl.


Foto George Rodger, Magnum-Foto, Paris.

39

Der Gebrauch der Schrift

Lesende

a
b
c

Lesende Frau.
Foto Abisag Tllmann, Frankfurt.
Rembrandts Sohn Titus lesend, um 1656.
Kuns this torisches Museum, Wie n.
Foto Kuns tarchiv Arntz.
Plas tik von d em A ltar der Hube r-Kap elle
in Kempte n.
Fo to Lala Aufsbe rg.
Le hrende r A pos tel, Plas tik von einem
Alta r in de r Sebalduskirche ,
N rnb e rg, 1485.
Foto La la Aufsberg.
l esend es Mdch en,
Gemlde von Gus tav A. H ennig.
Foto His torisch es Bildarchiv Handke.
De r Bche rw urm,
Ge m lde v on Spitzwe g.
Foto His torisches Bildarchiv Handke.
Blinder di e e rs te transparente Blindenze itung de r W elt mit den Finge rn
a btas te nd lesend.
Foto Ass ociate d Pre ss.
De r Kronprinz Ramses II., a us e ine m Buch
Hymne n rezitie rend, dan eben di e Lis te
de r kn igli che n Vo rfahr en,
gy ptisches Re lie f.
Foto Marb urg.
Vor de r A nschlagsul e.
Foto A bisag Tiillmann.
Die Ze ilungslese r,
Lithographie v on Daumie r.
:roto His torisches Bildarchiv Handke.
In die Ze itung vertie ft.
Foto dpa-Bild.

I<

40

Der Gebrauch der Schrift

Moderne Drucktechnik

b
Bis um 1800 nde rt sich an der im 15. Jh.
e rfund ene n Buchdrucl{lechnik mit Handsalz
und hlze rn er Presse wenig. Das gesteigerte
Bildungs- und Wissenschaftsbedrfnis weiter
brgerlicher Schi chte n, das Aufldrung und
Liberalismus geweck t hab en, ma cht je do ch
auch di e Drucktechnik fr di e vervielflligle
Leis tung ma schin eller Produktion reif. 1810
erfinde t Friedrich Knig di e Dampfpresse.
Sie druckt s tatt der 300 Bogen mit de r
Handpresse bis zu 4000 Bogen in der Stund e.
Diese r Fortschritt kommt vor allem d e r
Zeitungspresse zu gute, di e sich bald auf
tgli ches Erscheinn und hoh e Au flag e n
e inrichtet. Weitere Fortschrille bringe n di e
Letterngiellmaschine, zue rst von William
Church 1822 lwn s trui e rt, und Giuseppe
Mazzinis Setzmaschine von 1843. Di e
he utig e n Millionenauflagen mod e rn e r
Drucke re ie n komm e n mit Hilfe ri esiger
Rotationsmaschin en (e) zustand e. Der
H<mdsatz ist heute auf typographisch
beso nd e rs schwierige oder sthetisch
anspruchsvolle Arbeiten (Anze ige n,
bibliophil e Drucke ) beschrnkt. Da s Feld
be he rrsche n di e Setzmaschinen na ch dem
Linotype-System, das jeweils ganze Zeilen
giet und entsprechend ra sch zu arbeiten
vermag (g), oder dem Monotype-System (i),
da s einzelne Buchslaben zu Ze ilen zusammenlgt, wobei ein Lochstreifen (h) zwischen
Setz- und Giemaschine vermitteil und auch
komplizierteren Satz erlaubt. Die jngs te
Entwicklung sind die Filmsetzmaschinen,
di e di e Geschwindigkeit de r Sa tzherste llung
bis an di e u e rs te Grenze he raufg eschraubt
haben (k, 1). Durch die ma schin ell e Vervielilligung ist di e Schrift in alle Bezirke des
menschlichen Dase ins einge drung e n, und es
gibt kaum mehr ei nen Vorgang uns e res
Lebens, den sie ni cht informierend,
koordinierend, kontrollierend, registriere nd,
inte rpre ti e rend begleitet.

Erste eiserne Buchdruckpresse von Lord


Stanhope 1800 e rfunden. Ersetzte die
hlzerne n Pressen und erlaubte ein
schnelleres und leichteres Drucken.

b Schnellpressensaal der k. und k. Staatsdru ck e rei in Wien. Im Vordergrund eine


Setzmaschine, um 1840.
c De r erste Zeitungsrotationsdrucl, 1846
von de r Firma Hoe in New York gebaut.
Mit Hilfe d es rotierenden Zylinders war
es zum e rste n Mal mglich 15 000 bis
20 000 Drucke in d er Stunde h erzustellen.
d Moderne Druckpress e.
Foto USIS.
e Moderne Rotationspresse. Sie kann
400 000 Ze itungsexe mplare in der Stunde
drucke n.
Foto American Embassy, Bad Godesberg.
Einlache Setzmaschine des 19. Jhs. fr
Zeitungssatz.
g An einer Linotype-Se tzmaschine. Mit
di eser Maschine werden je weils ganze
Zeilen gesetzt und gegosse n.
Foto dpa -Bild.
h Getasteter Lochstreifen liir den Letterngu mit der Monotype-Maschine.
Foto Monotype Corporati011 Ltd.
Mit de r Monotype -Se tzmaschine
gegossene Le tte rn. Die Monotype giellt,
im Gegensatz zur Linotype , Einzelbuchstaben.
Foto Monotype Corporation Ltd.
k

111

.. Monophoto "-Filmselzmaschine. Arbeitsle istung etwa 12 000 Buchstaben in der


Stunde.
Foto Monotype Corporati011 Ltd.
Matrizenrahmen fr den Satz mit der
Filmsetzmaschine.
Foto Monotype Corporation Ud.

m Ze itung 1929.

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Der Gebrauch der Schrift

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Die Verbreitung der Schrift

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best that can be

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a die lateinische Schrift


b die kyrillische
c die chinesische
d die banum-Schrift
e die arabische
f
die hebrische
g die indische Schrift

42

Der Gebrauch der Schrift

Zeitung und Plakat

=.Q ___ . . . . .

D'e Ub e rwindung des Absoluti smus , da s


' h nd e Lesen- und Schreibe nlerne n
~~~ed::eGrndung de r mod e rn en Demokratie
. - da s V e rlang en nach schn eller
11 e te n
Information
he rv or. D'Ie mo de rne DruckI nik hi e lt Schritt und e rlaubte d ~ n .
tec.itungen,
I
d 1' eses Be drfni s zu be fn e dige n.
Ze

43

Der Ge brauch de r Schrift

Propaganda im zweiten Jahrhundert

Pro paganda im zwe iten Jahrhund e rt.


Die Trajans ule in Rom schilde rt di e be iden
Kri e ge de r Rme r gege n die Da ke r
(101- 106), di e A ktivit te n vom Heer in
Feindesland.
Die Sul e w urd e 113 n. Chr. e rrichte t.

Das rmische Lage r mi t h re nl ese nd en


Krie ge rn

44

Der Gebrauch der Schrift

Publizitt auf der Strae

Wohin wir uns be gebe n, b erall be ge gne n


wir Schrill - na chts und tagsbe r - in
de r Stadt und dra uen - W e rbung und
Mitteilunge n f r de n Verkehr - einladend
zum Kauf, zur Einkehr, zur politische n
Ste llungnahme ode r zum Ve rgnge n - in
de r Luft, auf den Wnden, unte r den
F en - fachm nnisch entworfen ode r v on
ungebte r Hand geschrieben.

45

Der Gebrauch der Schrift

Persnlicher Ausdruck und Standardisierung

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b
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W hre nd die Schrift imme r me hr s ta nd a rdi s ie rt wird, sucht di e Pe rsnlichke it sich in


einze lne n Buchstaben auszudrcken .

Stuttgarter Passionale um 11 75.


Decame ron e Manlona 1472.
Hol zschnitt aus e inem Schre ibme is te rbu ch.
Otto Eckmann : Ze iche n fr .,Die Wo ch e ".
Sandb e rg: Ka talogumschlag.
Dubuffe t: Initiale.
g Elsevie r Buchschrift.
h A. M. Ca ssandre : Bifur.
i-1 A rb e ite n e ine r Kun s tg e we rb eschul e
vo n he ute.

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STUV

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46

Der Gebrauch der Schrift

Die Handschrift

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In de r Hand schrift findet di e Schrift
p ersnliche Form und Ausdruck, vor all em
in de r Unterschrift. Sie wurde in frher e n
Jahrhund erlen das ganze Leb en hindurch an
b es timmte n ideale n Schre ibnorme n orien tiert.
Erst im 19. Jh. ls t sich di ese Bindung
jen seits de r Schuls tube mehr und mehr auf,
so da di e Handschrift zum A u sdruck de r
seelisch-ge istig e n Verfassung des Schre ibe nde n wird. Eine eige ne wissenschaftliche
Disziplin, di e Graphologie, e n ts teht, di e sich
mit der psychol ogi schen Au sde utung de r
Handschrill b eschftigt.

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Der Gebrauch der Schrill


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In Asien sind Schrift und Bild ursprnglich


das geschriebene Zeichen, das mit dem
angegebenen Gegenstand gle ichzeitig
Stimmung, Gedanken und die erfahrene
Erkenntnis .,bezeichne t". Schon in den
Werken frher er ostasiatischer Schreibkunst
verdichtet sich eine Weltschau in den Linie n
eines geschriebenen Zeichen (s. Hakuin,
Tf. 21) wobei es bere its im 17. Jahrhdt. zu
freien neuen Chiffren kam. Auch in den
Blttern moderner japanischer Schreibmeister, deren W erktitel nicht in einfacher
Bedeutung zu verstehen sind, wird das
Schreiben des Schriftzeichens zu einer
Erfahrung des Ich-Weltve rhltnisses, die sich
in mediti er ender Auswahl des Zeichens, dem
kontinuierlichen Rhythmus der Linienfhrung
in der Konzentration auf das Wesentliche
vollzieht. Revolutioniere nde Berhrung mit
de m Westen fhrte zur Rckbesinnung auf
di e Tradition der Freiheit frherer Jahrhund erte.
Auerhalb Asiens erscheint eine Art von
Zeichenmalerei gegen Mitte des 20. Jh., diesem
zuweil en verwandt. Sie hat zwar im Grunde
nichts mit der asiatischen Kalligraphie zu tun,
da sie nicht vom Zeichen .. von Etwas"
ausgeht, hat aber doch hinsichtlich der
ZeichengeiJung Einflsse aufgenommen, wenn
sie auch fast immer Zeiche n fr etwas Neues,
noch nicht Formuliertes sucht. Be ide Wege
tre ff e n sich in Malern wie Mark Tobey/USA,
Alco pley /USA, Georges Mathieu/Frankreich.
In den Lndern der Buchstaben-Schriften
kam man ber die Kursiv-Schrift, ber das
Verbinden der Buchstaben durch den
handschriftlichen .. Zug" auch zum Bild.
Im Psychogramm wurde es der Seele
sozusagen selbst be rlassen, sich nied e rzuschreiben. Da di e Seele aber keine
Buch s tab en kennt, entsteht eine neue
.,Schrift", die durch ihre n Bewegungsa usdruck
Bildwirkung e rhlt.

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Der franzsische Dichter Mallarme gab


1897 seinem Werk .. Ein Wrfelwurf" eine
so eigene Form, dall Text und Satz zu
einer neuen Einheit wurden.
Das gleiche tate n in ganz origineller
Weise die Deutschen Vostell und Jrge n
Becl,er, 1960. (Abb. links unten)
Der Maler Emil Seimmacher fand fr
seinen e igenen Namen die passende
Schrift.
Guillaume Apollinaire greift, inde m er
seinen Gedichten die Form des
behandelte n Gegenstandes gibt, auf frh e
Vorbilder zurck.

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48

Der Gebrauch der Schrift

Schriftelemente in der bildenden Kunst

Lettern im Bild wurden zum ersten Mal


durch den Kubi smus von Georges Braque
1913 v e rwendet, dann von Pablo Picasso und
Juan Gris.
Die Buchstaben wurden entwe de r gemalt
oder auch als re ales Material (Zeitungsausschnitt) in das Bild ge klebt (hier hab en
di e Collagen ihre n A nfang).
Bis h eule hab en fas t all e be kannten Male r
imme r wie de r Bilde r mit Buch stab en
geschaffe n, von denen manche, wi e die der
Kubi s te n, di e Collage n von Schwitte rs oder
di e "Villa R" von Paul Kl ee be rhmt wurden.
Auch exis tie ren vi ele Kompositionen mit
Titeln wi e "l'ecriture ", .. Alphabe t", "ABC",
"Ge heimschrift" .

Lette rn innerhalb des Bild es stelle n meistens


ein graphisches ode r rumli ches El ement der
Komposition dar; zuweilen wird ein
Buchstabe , der sich aus and e ren Buchs tabe nBruchslcll en he rau s als klar lesbar zu
e rke nne n gibt, zum Hinwe is auf e twas
Bestimmtes genommen (auf de r Tafel da s
A-Bild von Rob e rl Rausche nb e rg/New Yorl1
als Hinwe is auf am e rikanische Abs lralde dann zus tzli ch vom Landesmuse um in
Darmstadt al s Hinweis auf di e A uss te llung
be nutzt).
Die I'uluri sten bra chten Bewegung in di e
Le tle rn; ihre Bilde r rcke n in di e Na chbarschaft de r .. geschri ebe nen" Ze ichnungen, in
de nen sich Schrift und fr eie g ra phische Linie
ve rmischen : Buchslaben w e rd e n zum Bild.
Vo rl ufe r diese r Entwi cklung sind di e
,.poemes obj e ts " (Mallanne , Apollinaire) und
auch e inige Arbe ite n des Jug e nd stils (l'art
nouv eau).
Be rhmtes te r Bildlexl: Pa ul Kl ees Gedi cht
"Einst dem Grau de r N a cht e ntlau cht" .
Gebilde , die gan z aus Bu ch slaben
komponie rt sind, wo di e Le tte r einziges
Element is t, habe n in d em Holl nd e r H. N.
W e rkman ihren Erfind e r und Meiste r. Sie
w e rd en in der Kuns t de r mod e rne n
Typog raphie fortg ese tzt.

Le tte rn im Bild wurd e n zum ers ten Mal


durch den Kubismu s verwende t (Georges
Braque 1913).
Die Fre iheit de r unge wohnte n Form ve rle iht
dem Bild neue Spannung. Der Buchs tabe
ve rlor se ine n alte n Sinn und wurd e wi ede r
zur Form.
Be i Picasso (a), Paul Kl ee und Rau schenbe rg
be kommen die Le tte rn eine ne ue
Monumentalitt wie be i de n gyptern.
Sie w e rden zu neuen Gebilden komponie rt
wi e be i Marine tti und W e rkmann, ode r
zum Mus te r: Burkhardt und Vostell (i) .

, . 10

de

49

Der Gebrauch der Schrift

Kunst als Schrift

Das Werbebild bedient sich der Schrift,


ja mull sich meist der Schrift bedienen, um
verstndlich zu sein. Trotzdem ist klare
Lesbarkeit nicht immer notwendig. Schwer
Leserliches verfhrt zum genaueren Hinsehen
und damit wird der Zweck erreicht.
Oft gehen Lesbarkeit und direkter Bildsinn
eine Synthese ein, so wie bei der glcklichen
Lsung des .. musica-viva "-Plakates.
Unleserlich - fr den Uneingeweihten und
den nach klarer Bedeutung Suchenden sind die Geheimschriften, die magischen
Schriften, Liebesnachrichten und frei
erfundene schrifthnliche Zeichenzusammenstellungen.
Zeichnungen, die quasi .. geschrieben" sind,
finden sich oft in der Moderne, sei es, dall
sie sich aus schrifthnlichen graphischen
Elementen aufbauen oder nur Assoziationen
zu mathematischen Formeln oder zu Notenschriften hervorrufen.

1
Die Handschrift des Knstlers, wie beim
Namenszug, wird zum Hauptmoment im
Bild.
Van Gogh
Eine Mauer, von Brassal fotografiert
Miro
Mathieu
Arabisches Kalligramm des neunzehnten
Jahrhunderts
Klee
Cuixart
k Japanische Zeichen
Alcopley
Steinberg

h
a
b
c
d
e
f
g
i,
I
m

50

Der Gebrauch der Schriit

Stufen der Kommunikation

Fernsehen
Telefon, Grammophon, Radio
Telegraf
bewegliche Buchslabe n
di e Null - eine W eltschrift
di e Lautschrift : da s Alphabet
di e Be griffsschrift: da s Ideog ramm
da s Bild
di e Sprache .
Ecrilure Wriling Escrilura Schrift
Telekommunikation.

ecr itur e, writing , escr itu ra, schr i ft

tele co mm unication

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