Unterhalts Broschuere
Unterhalts Broschuere
Unterhalts Broschuere
über die
UNTERHALTSBERECHNUNG
im
Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ............................................................................................................................ 4
I. Einführung ................................................................................................................ 4
a) Regelfall ................................................................................................................ 8
b) Sonderfall .............................................................................................................. 9
c) Regelmäßige Aufwendungen ................................................................................10
Exkurs: Umstieg aus dem Asyl-Regime in das NAG-Regime............................................12
Exkurs: unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger .........................................13
II. Einkommen ..............................................................................................................15
a) Familienbeihilfe ....................................................................................................16
b) Kinderbetreuungsgeld und Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld .............................17
c) Alimente - Kindesunterhalt ...................................................................................18
d) Spareinlagen bzw. auf Konten verfügbares Guthaben ...........................................18
e) Arbeitslosenbezüge ..............................................................................................21
f) Notstandshilfe ......................................................................................................21
g) Sozialhilfe .............................................................................................................21
h) Ausgleichszulage...................................................................................................22
i) Pflegegeld ............................................................................................................22
j) Unterhaltsleistungen (gesetzliche/vertragliche) ....................................................23
k) Leistungen einer Unfallversicherung, Invaliditätspension ......................................25
l) Abfertigungen (Einmalzahlungen) .........................................................................25
m) Wohnbeihilfe........................................................................................................25
n) Stipendium ...........................................................................................................25
o) Insolvenz des Zusammenführenden ......................................................................26
III. Unterhaltsmittel.......................................................................................................27
Exkurs: „Einstellungszusagen“ und arbeitsrechtliche Vorverträge .................................28
IV. Unterhalt .................................................................................................................30
Exkurs: Kriterien des § 47 Abs. 3 NAG ...........................................................................31
V. Tragfähigkeit/Leistungsfähigkeit...............................................................................35
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Vorwort
Es wird daher empfohlen, im Hinblick auf eine eventuell aktualisierte Fassung des Leitfadens
die Homepage des BMI zu besuchen bzw. die aktuellen Ausgleichszulagenrichtsätze auf der
Homepage des Sozialministeriums abzurufen. Aktuellste höchstrichterliche Judikatur ist
zudem dem Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes – RIS – zu entnehmen.
I. Einführung
Als Hintergrund für diese Bestimmung sind EU-rechtliche Vorgaben anzuführen, wie die
Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung vom 22.
September 20034, in der die Voraussetzungen, unter denen Drittstaatsangehörigen ein
Aufenthaltstitel erteilt werden kann, festgelegt sind. So wird in Art. 7 der RL 2003/86/EG
normiert, dass der Nachweis über feste und regelmäßige Einkünfte, die den Lebensunterhalt
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Bei der innerstaatlichen Umsetzung dieser Richtlinie musste berücksichtigt werden, dass es
in Österreich an sich keine gesetzliche "Mindestpension" gibt. Da die Regelung des § 293
ASVG5 über die Ausgleichszulage eine nahezu identische Funktion – wie die einer
Mindestpension – erfüllt6, wird im NAG betreffend die erforderliche Höhe an
Unterhaltsmittel auf die Richtsätze dieser Bestimmung verwiesen.
Die Beurteilung der Höhe der Unterhaltsmittel sowie die Berechnung des eigenen
Einkommens setzt eine gewisse Kenntnis der hiefür maßgeblichen Rechtsgrundlagen – vor
allem die des NAG, aber auch im sehr eingeschränkten Ausmaß die des Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) – voraus.
2009/22/0350.
8 Sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Was darunter zu verstehen ist, wird weiter im Abs. 5 des § 11 NAG ausgeführt:
Durch diesen Verweis auf die Höhe der Ausgleichszulage nach § 293 ASVG orientierten sich
die erforderlichen Unterhaltsmittel – wie umseitig angeführt – an der sogenannten
„Mindestpension“. So müssen derzeit einem erwachsenen zuziehenden Fremden
mindestens € 966,65 als Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen. Näheres zur Ermittlung der
Höhe des zu erreichenden Betrages folgt im Kapitel II.
Das nachfolgende Kapitel III erläutert den Begriff Einkommen und gibt einen Überblick
darüber, was als feste und regelmäßige Einkünfte herangezogen werden kann und wodurch
diese geschmälert werden.
Der Lebensunterhalt kann nicht nur durch eigenes Einkommen, sondern auch durch
Unterhaltsansprüche (gesetzlicher Unterhaltsanspruch: z.B. Kinder gegenüber Eltern,
vertraglich: Haftungserklärung – in bestimmten Fällen) abgesichert werden. Im Falle eines
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Eine Möglichkeit, den gesicherten Lebensunterhalt nachzuweisen, stellt die Abgabe einer
Haftungserklärung – nicht zu verwechseln mit einer Verpflichtungserklärung10 oder
„Einladung“ – dar. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, dass dies nur in den
im Gesetz ausdrücklich angeführten Fällen zulässig ist (§ 11 Abs. 6 NAG).
9 VwGH vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0241; 15. Dezember 2015, Ra 2015/22/0106.
10 Im Gegensatz zum NAG sieht das Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. Nr. 100/2005 idgF in § 21 Abs. 3 die Möglichkeit der
Abgabe einer Verpflichtungserklärung – welche der Haftungserklärung ähnelt, allerdings nicht mit ihr ident ist – zur
Erteilung eines Visums vor.
11 VwGH vom 11. November 2013, Zl. 2011/22/0040.
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a) Regelfall
Beträge
Unter Berücksichtigung der Tabelle ergibt sich als Berechnungsgrundlage daher für den
Regelfall folgendes Schema:
Einzelperson € 966,65
Ehepaar/eingetragene Partner € 1.524,99
pro Kind € 149,15
12 Eingetragene Partnerschafts-Gesetz - EPG BGBl. I. Nr. 135/2009 idgF.
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b) Sonderfall
13 VwGH vom 28. Juni 2006, Zl. 2002/21/0028; 3. März 2011, Zl. 2008/22/0633.
14 Neben der in § 29 NAG ausdrücklich normierten Mitwirkungspflicht des Fremden hat der Antragsteller auch nach der
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel
nachzuweisen, dass er nicht nur über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein
Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den
Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass
der Antragsteller einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen kommen. VwGH vom 5. Juli
2011, Zl. 2010/21/0169; 19. April 2012, Zl. 2008/18/0270; 18. Oktober 2012, Zl. 2011/23/0129; 11. November 2013, Zl.
2012/22/0083.
15 VwGH vom 22. März 2018, Ra 2017/22/0177.
16 VwGH vom 22. März 2018, Ra 2017/22/0177.
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c) Regelmäßige Aufwendungen
Jene Beiträge, die das für die Unterhaltsberechnung maßgebliche Einkommen schmälern,
sind in § 11 Abs. 5 NAG17 demonstrativ aufgezählt.
„Der Aufenthalt des Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft
(Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine
Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften
ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige
eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere
durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte
nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu
der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner
Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der
Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine
Haftungserklärung, ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das
pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr.
79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen
sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des
Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen und die
Ausgleichszulage.“18
auch die im vereinbarten Pauschalmietzins enthaltenen Betriebskosten umfasst; VwGH vom 25. Mai 2020, Ra
2019/22/0151;
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• Im Fall, dass regelmäßige Aufwendungen (z.B. Zahlungen für Miete oder Kredite) das
feste und regelmäßige Einkommen des Antragstellers schmälern, hat der Wert der freien
Station einmalig unberücksichtigt zu bleiben („Freibetrag“). Dies bedeutet, dass
letztlich nur jene Mietbelastungen oder andere in der beispielhaften Aufzählung des
zweiten Satzes des Abs. 5 genannte Posten, vom im Abs. 5 genannten Einkommen in
Abzug zu bringen sind, welche über dem in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG genannten
(Frei)Betrag liegen. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass der Betrag des § 292
Abs. 3 zweiter Satz ASVG die notwendigen Unterhaltsmittel in Höhe der in Betracht
20
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 30. März 2020, Ra 2019/22/0210 neuerlich bestätigt, dass Betriebskosten von
dem in § 11 Abs. 5 NAG verwendeten Begriff der Mietbelastungen erfasst sind (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2012, ZI.
2010/21/0346; vgl. weiter die Entscheidungen VwGH vom 23. Jänner 2020, Ra 2019/22/0236, sowie VwGH vom 21. Februar
2017, Ra 2016/0095, in denen eine Berücksichtigung der Ausgaben für Strom und Gas bzw. der Betriebskosten – implizit –
akzeptiert wurde).
21 VwGH vom 19. April 2016, Ra 2015/22/0153; VwGH vom 25. Mai 2020, Ra 2019/22/0151;
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kommenden Richtsätze des § 293 ASVG dann schmälert, wenn z.B. gar kein Mietaufwand
oder andere Abschlagszahlungen anfallen.22
Gemäß § 11 Abs. 5 letzter Satz NAG sind jedoch bei Erstanträgen soziale Leistungen nicht zu
berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen
würde. Ein Antragsteller muss demnach bei der Erstantragstellung nachweislich im Stande
sein, seinen Lebensunterhalt in Österreich auch ohne Inanspruchnahme öffentlicher sozialer
Gelder bestreiten zu können und darf sich somit nicht auf den zukünftigen Erhalt von
Leistungen der öffentlichen Hand berufen. Als Beispiele sind Sozialhilfeleistungen und
Ausgleichszulage23 angeführt, welche demnach bei Erstanträgen bei der
Einkommensberechnung nicht zu berücksichtigen sind (siehe dazu Kapitel III.
Ausgleichszulage).
Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut des letzten Satzes des § 11 Abs. 5 NAG deutlich ergibt,
bezieht sich gegenständliche Regelung nur auf Erstanträge und nicht auf
Verlängerungsanträge. Unter dem Begriff „soziale Leistungen“ sind ferner ausschließlich jene
der öffentlichen Hand zu subsumieren.
In Fällen des § 45 Abs. 12 NAG, in denen ein Antragsteller bereits vor Antragstellung auf
Erteilung eines NAG – Aufenthaltstitels Sozialhilfe/Mindestsicherung bezieht, stellt der
VwGH24 fest, dass diese Leistungen – wenn es sich hier um keinen Erstantrag handelt – nicht
als Einkommen des Antragstellers zu werten ist und hält dazu fest:
„Ungeachtet dessen, dass in § 11 Abs. 5 letzter Satz NAG 2005 unter den dort bezogenen
sozialen Leistungen auch die (im ersten Satz dieser Bestimmung angesprochenen)
"Sozialhilfeleistungen" genannt werden, kann aus dieser Bestimmung nicht der
Umkehrschluss gezogen werden, dass Sozialhilfeleistungen, auf die bereits vor der Erteilung
22 VwGH vom 24. Juni 2010, ZI. 2010/21/0164 bis 0166; VwGH vom 28.05.2015 zu Ra 2015/22/0009.
23 VwGH vom 20. August 2013, ZI. 2012/22/0027; 16. September 2015, Ro 2014/22/0047 (Ausgleichszulage).
24 VwGH vom 13. Dezember 2018, Ro 2017/22/0002.
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Für EWR-Bürger, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht auf Grund der Freizügigkeit25 in
Anspruch nehmen, und deren Angehörige gelten auf Grund von EU-Vorgaben weniger
strenge Regeln. Da sich hier das Aufenthaltsrecht direkt aus dem Unionsrecht ergibt, werden
keine Aufenthaltstitel ausgestellt, sondern sogenannte Dokumentationen26. Zwar müssen
auch EWR-Bürger – sofern sie nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG erfüllen –
nachweisen, dass sie über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts
(kein Fall der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen oder der Ausgleichszulage)
verfügen, jedoch dürfen gem. EU-Vorgaben27 keine diesbezüglichen festen Richtsätze
festgelegt werden (vgl. § 51 Abs. 1 Z 2 NAG).
Aus der Rechtsprechung28 ergibt sich allerdings, dass zur Berechnung der ausreichenden
Existenzmittel für freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger gem. § 51 Abs. 1 Z. 2 NAG die
Sozialhilferichtsätze als Anhaltspunkt herangezogen werden können. Am 01.06.2019 ist das
Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Kraft getreten.29 Bis zum Inkrafttreten der
Ausführungsgesetze der Länder sind nach wie vor die Leistungen aus der
„Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ als Anhaltspunkt heranzuziehen.
Konkretisierend legen auch die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Auslegung und
Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie vom 3. Juli 2009 (COM (2009) 313 final) klar, dass zur
Beurteilung der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, primär darauf
25 Das Konzept der Freizügigkeit soll hier nicht näher erörtert werden, doch bedeutet Freizügigkeit das unionsrechtliche
Recht eines EWR – Bürgers/ Schweizers, sich in Österreich aufzuhalten, wobei grundsätzlich ein Element der qualifizierten
Grenzüberschreitung im EWR – Raum notwendig ist.
26 Im Gegensatz zu konstitutiv – d.h. rechtsbegründend – zu erteilenden Aufenthaltstitel weisen Dokumentationen einen
Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. Nr. L 158 v. 30.04.2004, S. 77, idF der Berichtigung ABl. Nr. L 229 v.
29.06.2004, S. 35, - Art. 8 Abs. 3 Z. 4.
28 VwGH Erkenntnis 2006/18/0032 vom 13.03.2007.
29 Kundgemacht in BGBl I Nr. 41/2019. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sieht vor, dass die Bundesländer innerhalb von
sieben Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes entsprechende Ausführungsgesetze zu erlassen haben (siehe dazu:
https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/armut/3/2/Seite.1693914.html).
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abzustellen ist, ob der EWR-Bürger (und die Familienangehörigen, die ihre Rechte auf
Aufenthalt von diesem ableiten), die nationalen Kriterien für den Bezug von Sozialhilfe
erfüllen würde.
EWR-Bürger verfügen demnach nur dann über ausreichende finanzielle Mittel, wenn das
Ausmaß dieser Mittel höher ist als der Grenzwert, unter welchem „Bedarfsorientierte
Mindestsicherung“ gewährt wird. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel müssen
dabei nicht periodisch sein und können auch in Form von akkumuliertem Kapital vorhanden
sein. Ausreichende Existenzmittel liegen jedoch nicht vor, wenn der EWR-Bürger diese auf
die Lukrierung von Ausgleichszulagenleistungen stützt30.
30 Siehe dazu: EuGH vom 19. September 2013, Rechtssache Brey, C-140/12, wonach u.a. die Ausgleichszulage als
„Sozialhilfeleistung“ angesehen werden kann.
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II. Einkommen
Neben der in § 29 NAG ausdrücklich normierten Mitwirkungspflicht des Fremden hat der
Antragsteller initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel
nachzuweisen, dass er nicht nur über die Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines
Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines
Aufenthaltes gesichert erscheint.31
Als Einkommen zählt dabei jede Geldleistung, die dem Antragsteller zu Verfügung steht. Aus
der Rechtsprechung des VwGH ist ableitbar, dass nicht „Momentaufnahmen“ von
Bedeutung sind, sondern Durchschnittswerte im Sinne einer Prognoseentscheidung
heranzuziehen sind. Dies deshalb, um etwaige saisonale Schwankungen (bei unselbständig
Erwerbstätigen) oder Auftragslagen (bei selbständig Erwerbstätigen) berücksichtigen zu
können.
Um ein Einkommen heranziehen zu können, muss es sich gem. § 11 Abs. 5 NAG um feste und
regelmäßige Einkünfte handeln, welche geeignet sind, den für die Dauer des beantragten
Aufenthaltstitels zu erwartenden Lebensbedarf in Österreich zu sichern.
Folglich sind Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld (da fest und regelmäßig), sowie andere
regelmäßige Sonderzahlungen bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.
Fallbeispiel:
Besteht neben dem monatlichen Gehalt in der Höhe von € 1.200,- Anspruch auf jährlich zwei
weitere Sonderzahlungen in der Höhe von € 1.200,- so erhöhen diese das monatliche
Einkommen: (1.200 x 14) / 12 = € 1.400,- monatliches Einkommen.
Auch müssen lt. VwGH Erk. 95/19/1183 „Naturalleistungen“ (z.B. freie Verpflegung) zum
Einkommen hinzugezählt werden, wenn sich diese lt. VwGH Erk. 95/19/1192 aus
31 VwGH vom 19. April 2012, Zl. 2008/18/0270; 18. Oktober 2012, Zl. 2011/23/0129.
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Unterhaltsansprüchen ergeben32.
a) Familienbeihilfe
Anspruchsberechtigt für die Familienbeihilfe ist die Person, deren Haushalt das Kind
angehört bzw. die die Unterhaltskosten trägt, kann aber auch das Kind selbst sein33 (§§ 4
Abs. 7, 6 Abs. 1, 2 und 5, 10 Abs. 5 FLAG)34.
• Erstanträge:
Der VwGH stellt in seinem Erkenntnis vom 29. März 2019, Ra 2018/22/0080 unter Rz 7.2
fest, „dass nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck die Familienbeihilfe ausschließlich
für jene Person zu verwenden ist, für die sie bezahlt wird. Folglich ist es - in einem Fall wie
dem hier gegenständlichen - nicht erlaubt, bei der Prüfung des Nachweises ausreichender
Unterhaltsmittel für den Fremden die dem Zusammenführenden für ein Kind gewährte
Familienbeihilfe zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 2007/18/0689). Diese
Überlegungen sollen indes für den Kinderabsetzbetrag nicht gelten (…).“
Das bedeutet konkret etwa im Falle des Ehegattennachzugs: lebt die Ankerperson mit einem
Kind für das Familienbeihilfe bezogen wird, bereits in Österreich und will der
drittstaatsangehörige Ehegatte nachziehen, so hat der Betrag der Familienbeihilfe, der über
den Kinderabsetzbetrag hinausgeht bei der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel außer
Betracht zu bleiben und darf nicht angerechnet werden.35
VwGH vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/21/0346, wonach „Essensbeiträge“ zu berücksichtigen sind; VwGH vom
17. November 2015, Ro 2015/22/0005.
33 VwGH vom 17. September 2019, Ra 2019/22/0106.
34 Familienlastenausgleichsgesetz BGBl. I Nr. 376/1967 idgF.
35
So auch bestätigt wieder in: VwGH vom 17. September 2019, Ra 2019/22/0106; VwGH vom 25. Mai 2020, Ra
2019/22/0151;
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
• Verlängerungsanträge:
Die Familienbeihilfe ist nach der ständigen Judikatur des VwGH auch im
Verlängerungsverfahren grundsätzlich nicht anzurechnen. Als Ausnahme gilt die im
Erkenntnis des VwGH vom 17. September 2019, Ra 2019/22/0106 vorliegende Konstellation,
in der der Antragsteller die Familienbeihilfe für sich selbst bezieht.
Als Anspruchsberechtigter für das Kinderbetreuungsgeld gilt nach § 2 Abs. 1 KBGG37 der
jeweilige Elternteil. Bei Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 8 bzw. einer Dokumentation
gem. § 9 NAG, wenn der Lebensmittelpunkt von Elternteil und Kind in Österreich liegt,
besteht ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Kinderbetreuungsgeld pro futuro und
rückwirkend bis zur Geburt (bei nachgeborenen Kindern).
• Erstanträge:
Durch den letzten Satz des § 11 Abs. 5 NAG, der durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I
Nr. 111/2010 eingefügt wurde, ist klargestellt, dass das Kinderbetreuungsgeld bzw. Beihilfe
zum Kinderbetreuungsgeld bei Erstanträgen dann nicht bei der Einkommensberechnung
mitzuberücksichtigen ist, wenn ein Rechtsanspruch auf diese soziale Leistung der
öffentlichen Hand erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde.
• Verlängerungsanträge:
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c) Alimente - Kindesunterhalt
Mit Kindesunterhalt ist grundsätzlich die Unterhaltsverpflichtung von Eltern gegenüber ihren
Kindern gemeint.
Leben das Kind und ein Elternteil bzw. beide Eltern nicht im selben Haushalt, so hat das Kind
Anspruch auf den Unterhalt in Form von Geldleistungen.
Darunter versteht man einen vom Gericht oder aufgrund privater Vereinbarung
festgesetzten Geldbetrag, der ausschließlich der Bedürfnisdeckung des Kindes dient.
Diese Geldunterhaltsleistungen, die dem gesetzlichen Vertreter des Kindes - sofern dieses
nicht volljährig ist - auszuzahlen ist, können nicht vom gesetzlichen Vertreter bei der
Berechnung dessen Familieneinkommen berücksichtigt werden, da sie ausschließlich für die
Kinder zur Deckung derer Bedürfnisse dienen39.
Der VwGH hält in seinem Erkenntnis vom 6. August 2009, ZI. 2008/22/0391 fest, dass den
Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaktes 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP
120) zu entnehmen ist, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel u.a. auch durch
Spareinlagen in Betracht kommt.40
Ob auf Konten verfügbares Guthaben bzw. ob Spareinlagen zur Sicherung des Unterhaltes
herangezogen werden können, hängt von den näheren Umständen des Einzelfalles ab.41
18
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Maßgeblich für den Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel in Form von Spareinlagen bzw.
auf Konten verfügbares Guthaben ist demnach, dass
Wichtige Kriterien:
• Wie hoch ist der Differenzbetrag, damit das Richtsatzeinkommen erreicht wird?
Je höher der Differenzbetrag, desto höher muss das Guthaben sein. Wenn etwa ein
monatlicher Differenzbetrag von € 500,- fehlt, damit das Richtsatzeinkommen erreicht wird,
Zusammenführenden in Betracht (vgl. etwa VwGH 24.6.2010, 2008/21/0354). Die Ersparnisse sind dabei auf jenen Zeitraum
anzurechnen, für den der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen ist (…) (vgl. VwGH 13.12.2018, Ro 2017/22/0002).“
42 Der VwGH anerkennt in seinem Erkenntnis vom 6. August 2009, ZI. 2008/22/0391 fallbezogen einen Kontoauszug eines
österreichischen Kreditinstitutes mit einem erheblichen Kontostand zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel und
wiederholt, dass der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen hat,
dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint, wobei insoweit die Verpflichtung
besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zu Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich
sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Der
VwGH verweist in seinem Erkenntnis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005 (RV 952
BlgNR 22. GP 120), denen zu entnehmen ist, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel u.a. durch Spareinlagen in
Betracht kommt. In diesem Sinne: VwGH vom 22. September 2009, ZI. 2007/18/0659; 10. November 2009, ZI.
2008/22/0859; 30. August 2011, ZIl. 2008/21/0086; VwGH vom 19. September 2012, ZI. 2009/22/0310; VwGH vom 18.
Oktober 2012, ZI. 2011/23/0129; VwGH vom 10. September 2013, ZI. 2013/18/0046.
43 Siehe VwGH vom 15. Juni 2010, Zl. 2008/22/0937, in dem dieser ein Sparguthaben auf einem Konto bei der
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
ist zu prüfen, ob dieser Betrag (theoretisch) monatlich von der Einlage abgehoben werden
könnte und wie lange die Ersparnisse zur Lebensführung ausreichen würden.
Fallbeispiel:
Ein Antragsteller legt ein entsprechendes Sparbuch/Einlage vor. Bei einer einzigen Person
müssten pro Jahr z.B. € 11.599,80 (€ 966,65 x 12) angespart sein, um das gesamte fehlende
Einkommen zu ersetzen (beachte: “doppelte Richtsätze“ hinsichtlich des Aufenthaltstitels
„Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit“).
Feststeht nach ständiger Rechtsprechung des VwGH, dass bei der Unterhaltsberechnung im
NAG zu unterscheiden ist, ob ein befristeter Aufenthaltstitel beantragt wurde oder es sich
um ein Verfahren zur Erteilung eines unbefristeten Niederlassungsrechtes handelt. Wird
demnach ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ beantragt, ist bei der in Form einer
Prognoseentscheidung durchzuführenden Unterhaltsberechnung ein unbefristetes
Niederlassungsrecht zugrunde zu legen (vgl. § 20 Abs. 3 NAG). Dies bedeutet beispielsweise,
dass etwa der ausschließliche Nachweis eines Sparguthabens in Höhe von ca. € 7.000,- für
die Erbringung des Nachweises einer dauerhaften Lebensführung ohne Inanspruchnahme
20
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
e) Arbeitslosenbezüge
f) Notstandshilfe
g) Sozialhilfe
Die Sozialhilfe hat die Aufgabe, hilfsbedürftigen Menschen die Führung eines
menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen. Hilfsbedürftigkeit liegt vor, wenn der
notwendige Lebensbedarf bzw. Lebensunterhalt weder durch den Einsatz der eigenen Kräfte
und Mittel (Einsatz der Arbeitskraft, Einsatz von Einkommen und Vermögen) oder durch
familiäre Unterhaltsleistungen noch auf Grund eines sozialversicherungsrechtlichen oder
45Vgl. dazu auch VwGH vom 17. September 2019, zur Berücksichtigung befristeter Arbeits- bzw. Ausbildungsverträge im
Rahmen der Prognose (hier Lehrvertrag, der bereits 16 Monate nach Abschluss nach Erteilung des „Daueraufenthalt – EU“
endet).
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Der Bezug von Bedarfsorientierter Mindestsicherung bzw. künftig von Leistungen auf
Grundlage des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes stellt – wie bisher – keinen
Einkommensbestandteil dar.46
h) Ausgleichszulage
Durch den letzten Satz des § 11 Abs. 5 NAG, der durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I
Nr. 111/2010 eingefügt wurde, ist klargestellt, dass die Ausgleichszulage bei Erstanträgen
dann nicht bei der Einkommensberechnung mitzuberücksichtigen ist, wenn ein
Rechtsanspruch auf diese soziale Leistung der öffentlichen Hand erst durch Erteilung des
Aufenthaltstitels entstehen würde (siehe dazu auch Kapitel II. Exkurs: unionsrechtlich
aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger).
Der VwGH bezeichnet den letzten Satz des § 11 Abs. 5 NAG als „eindeutigen
Gesetzeswortlaut“ und judiziert entsprechend, dass in einem Erstantragsverfahren die
Ausgleichszulage, die dem Ehemann der Beschwerdeführerin erst dann zustünde, wenn er
nach stattgefundenem Familiennachzug mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt
lebt, bei der Berechnung des verfügbaren Einkommens nicht berücksichtigt werden darf47.
i) Pflegegeld
46 Zuletzt bestätigt durch VwGH vom 13. Dezember 2018, Ra 2017/22/0002: „Die Zielsetzung der Erteilungsvoraussetzung
des § 11 Abs 5 NAG 2005 besteht darin, dass nur in solchen Fällen ein Aufenthaltstitel erteilt wird, in denen eine
Unterstützung durch Sozialhilfeträger nicht notwendig sein wird (siehe VwGH 27.1.2011, 2008/21/0411). Sind die Fremden
für ihre Lebensführung jedenfalls auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen in Form der Mindestsicherung
angewiesen, ist die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG 2005 - gemessen allein an der Vorgabe des § 11 Abs. 5 erster
Satz NAG 2005 - nicht erfüllt.“
47 VwGH vom 20. August 2013, Zl. 2012/22/0027; 16. September 2015, Ro 2014/22/0047.
22
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Für den Fall, dass „krankheitsbedingt kein besonderer Sachaufwand anfällt, mit dem
Pflegegeld daher die erforderlichen persönlichen Pflegeleistungen abgegolten werden
können und diese Leistungen nicht von Dritten, sondern den nachziehenden Angehörigen
selbst erbracht werden, stünde dieser Betrag dem Zusammenführenden gemeinsam mit den
Nachziehenden zur Verfügung und könnte für die Bestreitung des Unterhalts des
Nachziehenden verwendet werden.“
j) Unterhaltsleistungen (gesetzliche/vertragliche)
Mit Erkenntnis Zl. 2009/22/0241 vom 17. Dezember 2009 stellte der VwGH hinsichtlich der
Relevanz von Unterhaltsleistungen für ein NAG Verfahren folgendes klar:50
„Der in § 11 Abs. 5 NAG erwähnte Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen,
etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. Eine
Einschränkung der zum Nachweis der Unterhaltsmittel geeigneten gesetzlichen
Unterhaltsansprüche enthält das NAG nicht.
Im Fall eines vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruches, der durch Beibringung einer
Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat,
nachzuweisen ist, legt § 11 Abs. 6 NAG demgegenüber fest, dass die Zulässigkeit, den
48 VwGH vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0632 mit Verweis auf VwGH vom 23. April 1998, Zl. 97/19/1075 und VwGH vom
28. Oktober 1998, Zl. 96/19/0918.
49 BGBl. I Nr. 110/1993 idgF. § 1 Bundespflegegeldgesetz idF. BGBl. I Nr. 40/2014 lautet: „Das Pflegegeld hat den Zweck, in
Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit
wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes,
bedürfnisorientiertes Leben zu führen“.
50 Weiter dazu im Erkenntnis des VwGH vom 12. Oktober 2010, ZI. 2007/21/0091); 18. Dezember 2012, 2011/23/0129,
mwN; zuletzt in VwGH vom 28. Mai 2019, Ra 2019/22/0036 und VwGH vom 8. Oktober 2019, Ra 2018/22/0260 (hier wird
bestätigt, dass die Außerachtlassung der finanziellen Unterstützung durch die Eltern des Ehemannes bei der Berechnung
der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel mangels Vorliegen eines gesetzlichen bzw. vertraglichen Rechtsanspruches
nicht zu beanstanden ist.
23
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG mit einer
Haftungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG erbringen zu können, ausdrücklich beim
jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein muss.
Daraus ergibt sich nun, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Fremden, seine
Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene
Fälle einschränkte, in denen dies im Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt (bzw. sogar die
Vorlage einer Haftungserklärung verpflichtend angeordnet) wurde“.
Gesetzliche Unterhaltsleistungen, die für den Betreffenden selbst und nicht etwa dem
Betreffenden als Obsorgeberechtigten für eine andere Person [vgl. Ausführungen zu Punkt C
- Alimente] geleistet werden) bestimmt sind, sind somit dem Einkommen zuzurechnen;
allerdings zählen nur die tatsächlich geleisteten Unterhaltsleistungen (und nicht schon
allfällige Ansprüche darauf). Wenn der Unterhaltsverpflichtete seinen Verpflichtungen nicht
nachkommen kann, ist der vereinbarte Unterhalt nicht zu berücksichtigen.
Fallbeispiel:
Eine brasilianische Staatsangehörige ist Mutter eines minderjährigen Kindes. Der
österreichische Lebensgefährte der Mutter, welcher nicht der Vater des Kindes ist, zahlt
freiwillig € 500,- pro Monat Unterhalt für dieses Kind. Die Brasilianerin möchte nun auch ihre
beiden Kinder aus erster Ehe aus Brasilien nachholen. Diese Unterhaltsleistung in der Höhe
von € 500,- ist bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen, da sie einerseits auf
Freiwilligkeit (somit die Zahlungen auch jederzeit eingestellt werden könnten) – und nicht
auf einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch beruht – sowie andererseits für den Unterhalt
des Kindes bestimmt ist.51
51 Dazu VwGH vom 22. März 2018, ZI. Ra 2017/22/0186: Eine Berücksichtigung der Zuwendungen an die Ehefrau des
Antragstellers durch ihre Mutter bei der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel würde daher
voraussetzen, dass insoweit ein Rechtsanspruch der Ehefrau gegenüber ihrer Mutter besteht. Da dieser aber weder in Form
eines gesetzlichen, noch eines vertraglichen Unterhaltsanspruchs dargelegt werden konnte, bestätigt der VwGH die
Rechtsansicht der belangten Behörde, dass bei der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel der aus dem
Dauerauftrag resultierende Betrag zu Unrecht in Anschlag gebracht wurde, weil diese Summe freiwillig zur Verfügung
gestellt werde und der Dauerauftrag jederzeit widerrufen werden könne. Ebenso vom VwGH vom 8. Oktober 2019, Ra
2018/22/0260 (siehe oben).
24
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Gleichgelagert sind Sachverhalte in denen sich der Antragsteller zum Nachweis des
ausreichend gesicherten Lebensunterhalts auf die Unterhaltsleistung seines
Lebensgefährten beruft, da zwischen diesen kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht.52
l) Abfertigungen (Einmalzahlungen)
Fallbeispiel:
Eine Abfertigung in der Höhe von € 6.000,- steht einem beantragten Aufenthaltstitel für ein
Jahr gegenüber. 6000 / 12 (Monate) = € 500,-. Somit können € 500,- pro Monat dem
Einkommen hinzugerechnet werden.
m) Wohnbeihilfe
Wohnbeihilfe ist eine Sozialhilfeleistung und kein Einkommensbestandteil. Sie kann daher
nicht zum Einkommen dazugerechnet werden.
n) Stipendium
Ein Stipendium gilt für den Zeitraum der Gewährung als festes und regelmäßiges Einkommen
und kann somit herangezogen werden.
25
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Sollte es sich beim „Zusammenführenden“ um eine Person handeln, welche infolge einer
„Insolvenz“ ein Schuldnerregulierungsverfahren anstrebt und daher einen Offenbarungseid
bei Gericht abzulegen hat, so sind die vor Gericht getätigten Aussagen zu den Einkommens-
bzw. Vermögensverhältnissen – mangels anderslautender Regelungen im Niederlassungs-
und Aufenthaltsgesetz (NAG) – primär auch für ein etwaiges aufenthaltsrechtliches
Verfahren verbindlich. Hat der Zusammenführende im Insolvenzverfahren die Aussage
getätigt, er sei zahlungsunfähig, ist dies natürlich auch für das NAG – Verfahren hinsichtlich
der finanziellen Leistungsfähigkeit des Zusammenführenden von Bedeutung.
Generell sind Raten aus einem Schuldenregulierungsverfahren ebenso wie der Mietzins
Belastungen, die nach Berücksichtigung des Wertes der freien Station von den zur Verfügung
stehenden Einkünften abzuziehen sind, da diese Ratenzahlungen die zur Verfügung
stehenden Einkommensmittel des Einzelnen schmälern.
26
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
III. Unterhaltsmittel54
Die geeigneten Nachweise für einen gesicherten Lebensunterhalt sind in § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-
DV geregelt, wobei es sich dabei zumeist um Nachweise über wiederkehrende Leistungen
(Lohnzettel, Pensions-, Renten- oder Versicherungsleistungen), aber auch um eigenes
Vermögen in ausreichender Höhe handelt.
Möchte sich ein Fremder auf Leistungen eines verpflichteten Dritten (gesetzlicher
Unterhaltsanspruch bzw. Haftungserklärung) berufen, so ist ein Nachweis dieser Leistungen
sowie der Leistungsfähigkeit durch den/des Dritten anzuschließen.
In seinem Erkenntnis vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0683, stellte der VwGH fest,
dass bei der Einkommensberechnung auch „Unterstützungsleistungen“ durch Adoptiveltern
(= gesetzliche Unterhaltsverpflichtung) maßgeblich sein können. Der VwGH betont, dass das
NAG nicht vorsehe, dass der Unterhalt des nachziehenden Familienangehörigen nicht auch
durch andere Einkommensquellen als durch das Einkommen der zusammenführenden
54 Für türk. Staatsangehörige siehe zu bestimmten Fallkonstellationen z.B. VwGH vom 15. Dezember 2011, Zl.
2007/18/0430; 19. Jänner 2012, Zl. 2011/22/0313; 2. Oktober 2012, Zl. 2011/21/0231.
55 In diesem Zusammenhang stellt der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25. März 2010, ZI.2007/21/0557, im Hinblick auf
den Nachweis von Unterhaltsmittel fest, dass der Annahme, dass lediglich Kontoauszüge geeignet wären, das Vorliegen von
in § 47 Abs. 3 Z 3 NAG festgelegten Voraussetzungen nachzuweisen, nicht gefolgt werden könne. Ebenso dazu VwGH vom
15. April 2010, ZI. 2008/22/0071; so auch VwGH vom 20. Oktober 2011, ZI. 2009/21/0277: Eine Beweismittelbeschränkung
auf die urkundliche Vorlage von Zahlungs- oder Kontobelegen ist dem Gesetz nämlich nicht zu entnehmen (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, ZI. 2009/21/0089, mwN).
27
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Sollte daher eine „Einstellungszusage“ als tragfähige Grundlage für das Vorliegen
notwendiger Unterhaltsmittel herangezogen werden, so hat eine „Einstellungszusage“,
ebenso wie arbeitsrechtliche Vorverträge, zumindest 2 inhaltliche Kriterien – neben der
Anführung der Vertragspartner - zu erfüllen:
56 Vgl. Dazu der OGH in seinem Erkenntnis vom 13.11.1996, 9 ObA 2122/96s.
57 vgl. „onlineLehrbuch“ Zivilrecht der Universität Innsbruck, Kapitel 6 ff, http://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/
58 VwGH vom 22. Juli 2011, ZI. 2011/22/0083: „ungeeigneter“ Arbeitsvorvertrag, da diesem weder das Ausmaß der
vereinbarten Arbeitsleistung noch die in Aussicht genommene Entlohnung zu entnehmen sind; VwGH vom 8. November
2018, Ra 2018/22/0246; zuletzt VwGH vom 25. April 2019, Ra 2019/22/0058: Ein als "Arbeitsvorvertrag" bezeichnetes
Schriftstück, das Angaben über das Ausmaß der Tätigkeit und die Entlohnung enthält, muss nicht jedenfalls (als
Umkehrschluss zu den Ausführungen des VwGH in 2011/22/0083) als Nachweis des Vorhandenseins ausreichender
finanzieller Mittel akzeptiert werden, wenn zurecht davon ausgegangen werden könne, dass hinsichtlich des vorgelegten
Arbeitsvorvertrages kein tatsächlicher Rechtsbildungswille zwischen Antragsteller und mutmaßlichem Arbeitgeber vorliege
und eine Beschäftigung des Antragstellers nicht zu erwarten sei.
28
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
1. Inhaltliche Bestimmtheit (Art der Beschäftigung, Höhe des Bruttolohnes, Anzahl der
Wochenstunden, Sozialversicherung, Arbeitszeit, Dauer der geplanten Beschäftigung)
2. Zeitbestimmung
59VwGH vom 26. Jänner 2009, Zl. 2009/22/0219 (fallbezogen mit Blick auf eine unselbständige Erwerbstätigkeit) sowie
VwGH vom 21. Dezember 2010; ZI. 2009/21/0096 und vom 18. Februar 2010, Zl. 2009/22/0217.
29
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
IV. Unterhalt
Mehrmals verlangt das NAG etwa in §§ 47 Abs. 3 bzw. 52 NAG im Zusammenhang mit
Familienzusammenführungen bzw. dem Nachzug von sonstigen Angehörigen als
Voraussetzung, dass dem Antragssteller vom Zusammenführenden im Herkunftsland
Unterhalt geleistet wurde bzw. wird.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass unter Unterhalt grundsätzlich Leistungen zur
Sicherstellung des Lebensbedarfs einer Person verstanden wird.
⮚ Das bedeutet, dass die Unterhaltsgewährung notwendig ist, damit der Antragsteller
im Herkunftsland seine Grundbedürfnisse abdecken kann, dass also ein Bedarf an
Unterhalt vorliegt60.
Welche Höhe der geleistete Unterhalt aufweisen muss, hängt somit vom Einzelfall ab, etwa
ob der Antragsteller ohne diese Summe aus seinen anderen Mitteln seinen Lebensbedarf
abdecken könnte (🡺 Bedarf an Unterhalt, siehe oben) und auch von der Kaufkraft im
Herkunftsland.
⮚ Es ist nicht erforderlich, dass der Unterhalt bereits seit Geburt oder seit mehreren
Jahren geleistet wird.
⮚ Entscheidend ist vielmehr, dass der Unterhalt nicht nur kurzfristig – etwa als
einmaliges Geldgeschenk oder lediglich zum Zwecke der Erfüllung des Kriteriums
„Leistung von Unterhalt“ iSd § 47 Abs. 3 NAG – sondern mit der Absicht einer
dauerhaften notwendigen Unterstützung geleistet wird. Ein Zeitraum von einigen
Monaten kann im Einzelfall durchaus reichen.
60Dies wurde durch das Urteil des EuGH in der Rechtssache JIA C-1/05 vom 9. Januar 2007 bestätigt, in dem der Gerichtshof
aussprach, dass „um zu ermitteln, ob den Verwandten (…) der erforderliche Unterhalt gewährt wird, muss der
Aufnahmemitgliedstaat prüfen, ob sie in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage sind, ihre
Grundbedürfnisse selbst zu decken.“ Weiters hielt der EuGH fest, dass „nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sich die
Eigenschaft als Familienangehöriger, dem „Unterhalt gewährt“ wird, aus einer tatsächlichen Situation ergibt, die dadurch
gekennzeichnet ist, dass der erforderliche Unterhalt des Familienangehörigen (…) materiell sichergestellt wird“.
Siehe zum Thema auch das Urteil des EuGHs vom 5. September 2012, Rechtsache Rahman, C-83/11; vgl. VwGH vom 17.
November 2015, Ro 2015/22/0005.
30
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
⮚ Bezüglich der Intervalle ist festzustellen, dass es unerheblich ist, ob die Zahlungen
monatlich erfolgen oder für einen größeren Zeitraum (z.B. vierteljährlich), solange
sie tatsächlich geleistet werden.
Der VwGH judiziert, dass es nicht ausreicht, wenn ein zum Zeitpunkt der Entscheidung im
Herkunftsstaat lebender Antragsteller irgendwann vor Antragstellung (oder bloß im
Zeitpunkt der Antragstellung) im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hat. Dies würde weder
dem Wortlaut der Bestimmung des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG noch der Intention des § 47
31
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Abs. 3 NAG gerecht, da ansonsten das in der Bestimmung enthaltene Wort „bereits“
überflüssig sei.
Darüber hinaus ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur jenen Angehörigen die Möglichkeit des
„Familiennachzuges“ einräumen wollte, wenn ein – in den Fällen des § 47 Abs. 3 NAG näher
definiertes, aber nicht zwingend finanzielles (vgl. etwa § 47 Abs. 3 Z 3 lit. c NAG)
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zusammenführenden und Nachziehenden gegeben ist.
Eine solche Interpretation wird dadurch erhärtet, dass auch in den Fällen der Z 3 des § 47
Abs. 3 NAG der Zusammenführende – ebenso wie in den Fällen des § 47 Abs. 3 Z 1 und Z 2
NAG, in denen lediglich eine gegenwärtige Unterhaltsleistung gefordert wird, nicht aber
(zusätzlich) eine vergangene – der Gesetzgeber angeordnet hat, dass der
Zusammenführende unbeschadet eigener Unterhaltsmittel des Nachziehenden eine
Haftungserklärung abzugeben hat.
Auch dadurch tritt zutage, dass der Gesetzgeber bei der Familienzusammenführung nach
§ 47 Abs. 3 NAG in erster Linie jene Angehörigen im Blick hatte, die während des
Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen
sind.
32
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Unterhalt beziehende Angehörige im Sinne des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG sind nur solche, die – bis
zuletzt – auf Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden angewiesen waren und es reicht
nicht, dass sie irgendwann vor Antragstellung im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben
(in weiterer Folge Verweis auf VwGH vom 3. März 2011, Zl. 2010/22/0217🡪 siehe Punkt 2.).
In diesem Sinne siehe auch: VwGH vom 21. September 2017, Ra 2017/22/0009.
Der VwGH stellt zum vorliegenden Sachverhalt fest, dass für die Beurteilung, ob eine im
Rahmen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG maßgebliche Unterhaltsleistung vorliegt, die
tatsächlichen Gegebenheiten ausschlaggebend sind, das Bestehen einer Rechtspflicht zur
Leistung von Unterhaltszahlungen wird nicht vorausgesetzt.
Es macht nach Ansicht des VwGH einen Unterschied, ob die Leistungen der Ankerperson,
ausschließlich dem Antragsteller oder auch weiteren Familienangehörigen zugutekommen.
Diese Verhältnisse sind festzustellen, nur dann kann beurteilt werden, ob die
Unterstützungsleistung der Ankerperson an den Antragsteller in einem Ausmaß erfolgt, dass
Letztgenannter für die Bestreitung seines Unterhalts darauf angewiesen ist oder ob es sich
bloß um freiwillige Zuwendungen handelt, die keinen maßgeblichen Beitrag zur Bestreitung
des Unterhalts darstellen.
33
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Wichtig ist daher nach Ansicht des VwGH die Abgrenzung von „Unterhaltsleistungen“ zu bloß
„freiwilligen Zuwendungen“.63
Der VwGH verweist auf ein zivilrechtliches Verständnis hinsichtlich der Leistungsform, in der
Unterhalt erbracht werden kann. Danach stellen die Zurverfügungstellung von Wohnraum
und eines Fahrzeuges grundsätzlich „Unterhaltsleistungen“ dar.
Der VwGH erinnert daran, dass der Gesetzgeber bei der Familienzusammenführung gemäß
§ 47 Abs. 3 NAG in erster Linie jene Angehörigen im Blick hatte, die während ihres
Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen
sind. Es soll nur jenen Angehörigen die Möglichkeit des Familiennachzuges eingeräumt
werden, bei denen ein – in den Fällen des § 47 Abs. 3 NAG näher definiertes, aber nicht
zwingend finanzielles – Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ankerperson und Nachziehendem
gegeben ist.
Eine – von § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG vorausgesetzte – finanzielle Abhängigkeit ist per se
jedoch nicht schon deswegen gegeben, weil das Einkommen des Antragstellers unter dem
Existenzminimum des Herkunftsstaates liegt. Andererseits steht auch der Umstand allein,
dass der Antragsteller selbst ein regelmäßiges, geringes Erwerbseinkommen erzielt, der
Annahme nicht entgegen, dass er auf Zahlungen der Ankerperson angewiesen ist.
63 Neuerlich bestätigt in VwGH vom 8. Oktober 2019, Ra 2018/22/0260 (die Außerachtlassung der finanziellen
Unterstützung durch die Eltern des Ehemannes bei der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel mangels
Vorliegen eines gesetzlichen bzw. vertraglichen Rechtsanspruches ist nicht zu beanstanden.)
34
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
V. Tragfähigkeit/Leistungsfähigkeit
Infolge der ständigen Judikatur des VwGH64 ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit das
Existenzminimum nach der EO unbeachtlich. Der VwGH judiziert, dass eine
Haftungserklärung dann tragfähig ist, wenn die „Existenz des Zusammenführenden und des
Nachziehenden“ (ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen) gewährleistet ist.65
In Anwendung dieser Judikatur auf die geltende Rechtslage gilt daher Nachstehendes:
64 VwGH vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0637; VwGH vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0632; VwGH vom 19. Jänner 2012,
ZI. 2009/22/0137.
65 Der VwGH in seinem Erkenntnis vom 3. April 2009, ZI. 2008/22/0711 zur Frage der Existenzsicherung desjenigen, der
eine Haftungserklärung im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG abgegeben hat: Gesteht nämlich der Gesetzgeber mit dem Hinweis
auf den Ausgleichszulagenrichtsatz einer mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt lebenden Person zu, dass der
sogenannte "Haushaltsrichtsatz" für die Unterhaltsbedürfnisse beider Ehepartner ausreicht, ist die Existenz des
Zusammenführenden auch dann gesichert, wenn ihm gemeinsam mit seinem Ehepartner der Haushaltsrichtsatz zur
Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden verwendet wird;
ebenso VwGH vom 15. April 2010, ZI. 2008/22/0094; VwGH vom 27. Mai 2010, ZI. 2008/21/0165 und VwGH vom 21. Juni
2011, ZI. 2010/22/0006 mit Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 9. September 2010, ZI. 2008/22/0470 („Der
Beschwerdeführer rügt zutreffend, dass die belangte Behörde das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers bei der
Berechnung des Haushaltsnettoeinkommens nicht berücksichtigt hat.“).
66 Dazu hält der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30. April 2009, ZIen. 2007/21/0445 und 0449 aber auch fest, dass im
Grunde der genannten Bestimmungen nicht deshalb zwei Anträge auf Erteilung einer „NB – sonstiger Angehöriger“
abgewiesen werden dürfen, weil die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel des Vaters zwar für einen, nicht jedoch für
beide Beschwerdeführer gemeinsam ausreichen; ebenso VwGH vom 24. Juni 2010, ZI 2008/21/0051 und VwGH vom
21. Juni 2011, ZI 2008/22/0825.
35
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
• Der VwGH geht davon aus, dass der Ehegatte des Zusammenführenden grundsätzlich
bereit ist, mit seinem Einkommen den Nachziehenden zu unterstützen. Nur wenn
aufgrund der Familienverhältnisse und den diesbezüglichen Angaben des Ehegatten
der Schluss zu ziehen ist, dass kein Konsens der Ehepartner darüber besteht, mit dem
den „Haushaltsrichtsatz“ übersteigenden Einkommen den Nachziehenden zu
unterstützen, hat der Zusammenführende zweimal den Einzelpersonenrichtsatz – für
sich und den erwachsenen Zuziehenden - aufzubringen. Liegt es jedoch nicht in der
Intention des Ehegatten des Zusammenführenden, den Nachziehenden mit seinem
eigenen Einkommen entsprechend unterstützen zu wollen, sollte er dies der Behörde
mitteilen.
67Dies steht im Einklang mit der a.o. Rspr. des VwGH, der zwar in seinem Erkenntnis vom 3. April 2009, ZI 008/22/0711
feststellte, dass etwa eine Mietbelastung oder ein Wert der „freien Station“ unbeachtlich sei, weil dies u.a. dem Gesetz (in
der damals geltenden Fassung) nicht zu entnehmen sei. Auf Basis dieser Judikatur stellt nunmehr jedoch der geltende § 11
Abs. 5 NAG in Entsprechung der genannten Kriterien des VwGH darauf ab, dass bestimmte (demonstrativ aufgezählte)
regelmäßige Aufwendungen im Rahmen der Unterhaltsberechnung als einkommensschmälernd zu beachten sind.
36
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Tragfähigkeit einer vorliegenden Haftungserklärung zu prüfen. Wird diese verneint, muss das
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) befasst werden.68
68 Dazu VwGH vom 1. April 2019, Ra 2017/22/0169: Bei der Prüfung der Tragfähigkeit einer Haftungserklärung handelt es
sich um eine Prüfung des Vorhandenseins ausreichender Unterhaltsmittel iSd § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG 2005. Folglich
ist eine Beurteilung nach § 11 Abs. 3 NAG 2005 sehr wohl vorzunehmen, wenn die Antragsabweisung (ungeachtet der
Bezugnahme allein auf das in § 47 Abs. 3 NAG 2005 normierte Erfordernis des Vorliegens einer Haftungserklärung) der
Sache nach auf § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG 2005 - danach bestimmt sich allein die Tragfähigkeit der Haftungserklärung -
gestützt wird (vgl. VwGH 24.6.2010, 2008/21/0558; 20.1.2011, 2008/22/0866).
37
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
VI. Unterhaltsansprüche
Zum Einkommen zählen wie im Kapitel III bereits erwähnt auch Unterhaltsansprüche. Diese
sind im NAG durch zwei Regelungen umschrieben.
Im § 2 Abs. 4 Z 3 NAG ist festgelegt, dass diese nicht nur nach Rechtsgrundlage69, sondern
insbesondere nach tatsächlicher Höhe und Leistung zu beurteilen sind. Es ist daher der
Nachweis zu erbringen, dass die Geldmittel auch real zur Verfügung gestellt werden
(Nachweise über die Überweisung etc) und nicht nur über den Unterhaltsanspruch an sich,
welcher bloß eine Anwartschaft darstellt.
Aber auch der Unterhaltsverpflichtete hat die nach § 11 Abs. 5 NAG erforderlichen
Voraussetzungen zu erfüllen.
Haftungserklärung
Eine Haftungserklärung ist eine von einem österreichischen Notar oder einem inländischen
Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie
für die u.a. Kosten aufkommen bzw. haften und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum
Tragen der Kosten nachgewiesen wird (§ 2 Abs. 1 Z. 15 NAG).
69 Etwa ABGB oder IPRG; zu letzterem ist aber festzuhalten, dass das IPRG lediglich bestimmt, welches Recht anzuwenden
ist; deshalb gilt nicht „automatisch“ das ausländische Recht, sondern muss darauf geachtet werden, ob nicht das
ausländische Privatrecht auf das österreichische Recht zurückverweist; es ist aber für den Antragsteller nicht unzumutbar,
dass er selbst diesen Nachweis (des Anspruches) erbringt (vgl. dazu § 29 Abs. 1 NAG).
38
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
gelinderer Mittel70 - sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder
Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr.
80/2004 umsetzt, entstehen. Dabei muss nun die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen
der Kosten zum Zeitpunkt der Erklärung nachgewiesen werden (§ 2 Abs. 1 Z. 15 letzter Satz
NAG).
Auch im Fall der Vorlage einer Haftungserklärung hat der Antragsteller daher - unabhängig
von der Tragfähigkeit derselben - nachzuweisen, dass er über einen alle Risiken
abdeckenden Krankenversicherungsschutz71 verfügt. Der Haftende kann allerdings die
Kosten der vom Antragsteller abgeschlossenen Krankenversicherung übernehmen, wobei
dies die Behörde wiederum im Rahmen der Tragfähigkeitsprüfung beachten muss, da die
Kostenübernahme die zur Verfügung stehenden Mittel des Haftenden schmälert.
70 Kosten, die im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenen Maßnahmen entstehen könnten, können nur dann in die
Berechnung einfließen, wenn konkrete Anhaltspunkte für ihr Entstehen und ihre Höhe vorhanden sind (VwGH vom 18.
März 2010, 2008/22/0637).
71 Zu den Anforderungen an einen alle Risiken umfassenden Krankenversicherungsschutz im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG:
39
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Die Zulässigkeit, den Nachweis der Sicherung des Lebensunterhaltes durch Abgabe einer
Haftungserklärung erbringen zu können, besteht nur dann, wenn dies beim jeweiligen
Aufenthaltszweck ausdrücklich angeführt ist (§ 11 Abs. 6 NAG).
Generell wird zwischen obligatorisch (d.h. sie muss vorgelegt werden) vorzulegenden
Haftungserklärungen:
• Angehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten Österreichern, EWR-Bürgern und
Schweizern (§ 47 Abs. 3 NAG)
• Sonderfälle der Niederlassung von Angehörigen von EWR – Bürgern (§ 56 Abs. 1
NAG)
• Sozialdienstleistende (§ 66 NAG)
40
Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
In den Fällen der §§ 47 Abs. 3, 66 sowie 56 Abs. 1 NAG ist das Vorliegen einer
Haftungserklärung eine gesetzlich normierte Erteilungsvoraussetzung, was bedeutet, dass
bei einem diesbezüglichen Mangel (keine Vorlage einer Haftungserklärung) der
Aufenthaltstitel ex lege nicht erteilt werden kann.
§ 2 Abs. 6 NAG72 sieht vor, dass für einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines
Aufenthaltstitels die Vorlage nur jeweils einer Haftungsklärung zulässig ist. Treten mehrere
Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen
Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.
Damit ist klargestellt, dass pro beantragtem Aufenthaltstitel die Vorlage jeweils nur einer
Erklärung zulässig ist. Es ist aber erlaubt, dass sich durch eine Erklärung mehrere Personen
als Mitschuldner verpflichten. Diese Personen haften dann „zur ungeteilten Hand“ gemäß §
891 ABGB. Der Gläubiger (hier: etwa die belastete Gebietskörperschaft) ist somit berechtigt,
von jedem der Schuldner die gesamte Forderung oder nur Teile nach seinem Belieben zu
verlangen (insgesamt 100%). Damit ist auch klargestellt, dass jeder Haftende (um als solcher
auch anerkannt werden zu können) im Rahmen der Prüfung der Tragfähigkeit der Erklärung
auch für sich allein die (gesamten) erforderlichen Mittel nachweisen muss. Wenn ein
Schuldner von mehreren schuldbefreiend an den Gläubiger geleistet hat, folgt die weitere
Aufteilung im Innenverhältnis der Mitschuldnergemeinschaft den Bestimmungen zum
Regress gemäß § 896 ABGB.
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Dies ändert allerdings nichts daran, dass sich der Verpflichtete im Innenverhältnis etwa
durch – der Notariatspflicht unterliegende - Unterhaltsverträge mit einem Dritten seinen
eigenen Unterhalt absichern kann, wobei die Zulässigkeit der vertraglichen Konstruktion
und die Tragfähigkeit der Unterhaltsverträge jeweils im Einzelfall unter analoger
Heranziehung der Regeln betreffend Haftungserklärung („Tragfähigkeitsprüfung“) zu
beurteilen ist. Die Durchsetzbarkeit des staatlichen Regressanspruches muss jedenfalls
gegeben sein und kann der Zusammenführende die aus der Haftungserklärung entstehende
– und ihn selbst treffende – Einstehungspflicht nicht einfach auf eine dritte Person
abwälzen.
Davon getrennt zu sehen ist allerdings die (zivilrechtliche) Frage einer Heranziehung des
Verpflichteten im Regressfall trotz der Unzulässigkeit der Haftungserklärung im NAG -
Verfahren, denn die Unzulässigkeit einer Vorlage aus aufenthaltsrechtlicher Sicht ändert
nichts an der Gültigkeit bzw. Durchsetzbarkeit des zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts.
Wenn hingegen eine dritte Person (z.B. ein Onkel, Tante, Nichte, Neffe) einen
Unterhaltsvertrag mit der zusammenführenden Person abschließen würde, wäre das
Einkommen dieser Person zu akzeptieren. Es müsste aber in einem solchen Fall ein
regelmäßiger Unterhalt gewährleistet sein und müsste die Tragfähigkeit des
Unterhaltsvertrages gegeben sein (keine Umgehungshandlung) und dies auch mit
geeigneten Unterlagen nachgewiesen werden.
74Wenn in einem solchen Fall trotz der zwingenden Notwendigkeit der Haftungserklärung durch den Zusammenführenden
weitere Personen (durch Unterzeichnung der Haftungserklärung) hinzutreten, kann dies aber zivilrechtliche Auswirkungen
für die Haftenden untereinander entfalten.
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Neben der in § 29 NAG ausdrücklich normierten Mitwirkungspflicht des Fremden hat der
Antragsteller auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes initiativ, untermauert
durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht nur über
Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein Unterhalt
für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Selbige Grundsätze
gelten – da auch die Haftungserklärung letztendlich (u.a.) ausreichende Unterhaltsmittel für
den Antragssteller sicherstellen soll – ebenso für die Haftungserklärung.
Der VwGH differenziert in seiner Judikatur ferner zwischen einer Haftungserklärung gem. § 2
Abs. 1 Z 15 NAG und einer in § 21 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz für Visaerteilungen
vorgesehenen Verpflichtungserklärung. Das Höchstgericht judiziert, dass die Vorlage einer
Verpflichtungserklärung im NAG-Verfahren nicht geeignet ist, das gesetzliche Erfordernis der
Vorlage einer Haftungserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG zu erfüllen75.
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Kann die Voraussetzung der ausreichenden Unterhaltsmittel gem. § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs. 5
nicht erfüllt werden, stellt dies grundsätzlich einen Versagungsgrund dar, d.h. der
Aufenthaltstitel kann nicht erteilt werden.
Im Hinblick auf den Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK78 ist
jedoch in § 11 Abs. 3 NAG normiert, dass selbst in Ermangelung der Voraussetzungen des §
11 Abs. 2 Z 1 – 6 der Titel erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat-
oder Familienlebens gem. Art. 8 EMRK geboten ist79.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind
insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt
des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-,
Fremdenpolizei und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt
entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden
zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Dies bedeutet, dass, falls die erforderlichen Unterhaltsmittel nicht zur Gänze nachgewiesen
werden können, bei einem aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Anspruch auf Familiennachzug
trotzdem der Aufenthaltstitel zu erteilen ist.80 Es sind dabei neben den o.a. im Gesetz
angeführten Kriterien in jedem konkreten Einzelfall die persönlichen Interessen des
Antragsstellers mit den gegenläufigen staatlichen Interessen abzuwiegen,81 82 sowie die
Kriterien der Angemessenheit und Zumutbarkeit alternativer Möglichkeiten83 zu
berücksichtigen.
80 Wie der VfGH, unter Heranziehung der einschlägigen Rechtssprechung des EGMR (Sen gegen die Niederlande) im
Erkenntnis vom 08.10.2003, G119, 120/03 dargelegt hat, kann eine Familienzusammenführung nämlich ausnahmsweise
direkt durch Art 8 EMRK geboten sein. Dabei kommt es in besonderem Maße auf die konkreten Umstände des
Familienlebens an, insbesondere wenn einem gemeinsamen Familienleben im Heimatstaat der Fremden wesentliche
Hindernisse entgegenstehen, oder der Aufenthalt eines Teiles der Familie in einem Staat derart gefestigt ist, dass eine
Übersiedlung in den Heimatstaat unzumutbar ist.
81 VwGH vom 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0387; 15. Dezember 2011, Zl. 2010/21/0240; 26. Juni 2012, Zl. 2010/22/0184;
Rahmen eines siebenjährigen Inlandaufenthaltes, das alleinige Argument des „unsicheren Aufenthaltes“ während eines
Asylverfahrens nicht ausreichend ist, um eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch eine Ausweisungsentscheidung
auszuschließen bzw. die Zulässigkeit einer Ausweisung zu begründen.
83 z.B. gemeinsames Familienleben im Herkunftsstaat.
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
VII. Berechnungsbeispiele
Beispiel 1:
Der Verpflichtete A hat einen Monatsbezug (inklusive 13. und 14. Monatsgehalt) von
€ 2.920,-. Er ist sorgepflichtig für ein Kind und seine (nicht erwerbstätige) Ehefrau.
Der A hat für sich und seine Ehefrau den „Ehegattenrichtsatz“ in Höhe von € 1.524,99 sowie
€ 149,15 für ein zu versorgendes Kind, darüberhinausgehend hat er für die Zuziehende den
Einzelpersonenrichtsatz in Höhe von € 966,65 aufzubringen.
A verfügt über ein monatliches Einkommen in Höhe € 2.920,-, von diesem ist lediglich ein
Betrag in Höhe von € 100,05 (= Mietkosten der Zuziehenden nach Abzug des „Wertes der
freien Station“84) abzuziehen ist. Es verbleibt ihm ein verfügbares Einkommen in Höhe von €
2.819,95. Dieser Betrag übersteigt das von ihm aufzubringende Haushaltseinkommen in
Höhe von € 2.640,79.
Die von ihm abgegebene Haftungserklärung ist daher tragfähig.
Beispiel 2:
Die alleinerziehende B hat einen Nettomonatsbezug von € 2.150,-. Sie ist sorgepflichtig für
ein Kind. Es fallen keine Mietkosten an. B will nun eine Haftungserklärung abgeben, um
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
dadurch die Unterhaltsmittel für ihre zuziehende Mutter zu sichern. Ihre Mutter würde in
einer eigenen Wohnung leben. Die Miete dafür beträgt € 270,-.
Die Miete ist nicht zu berücksichtigen, da sie unter dem „Wert der freien Station“ liegt.
Da B über ein monatliches Einkommen in Höhe von € 2.150,- verfügt und dieses das
monatlich nachzuweisende Einkommen übersteigt, ist die von B abgegebene
Haftungserklärung tragfähig.
Beispiel 3:
C hat einen Nettomonatsbezug von € 1.860,-. Er ist sorgepflichtig für seine nicht
erwerbstätige Ehefrau. B will den Unterhalt für seine beiden im Ausland lebenden Nichten
sichern. Die Nichten sind 18 und 20 Jahre und möchten in Österreich studieren und in der
Eigentumswohnung des Onkels wohnen.
Das Haushaltseinkommen besteht aus dem Nettoeinkommen des C. Diesem ist das
aufzubringende Richtsatzeinkommen in Höhe von € 2.592,69 gegenüber zu stellen, welches
hier besteht aus dem Ehegattenrichtsatz in der Höhe von € 1.524,99 und dem zweifachen
„Studentensatz < 24 J“ in der Höhe von jeweils € 533,85.
Beispiel 4:
D möchte zu seiner in Österreich lebenden Ehegattin, welche für ein dreijähriges Kind
sorgepflichtig ist, ziehen. Die Gattin bezieht fiktives Kinderbetreuungsgeld in Höhe von
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
€ 436,-- sowie Familienbeihilfe in Höhe von € 114,-. Weiters „unterstützt“ der Vater der
Gattin diese monatlich mit einem Betrag in Höhe von € 500,--. Diesbezüglich wird ein
Einzahlungsbeleg vorgelegt. Es fallen keine Mietkosten an.
Die nachzuweisenden Unterhaltsmittel gem. § 293 ASVG betragen für ein Ehepaar, das im
gemeinsamen Haushalt lebt, € 1.524,99 und für ein Kind € 149,15. Es müssten somit
Unterhaltsmittel von monatlich € 1.674,14 nachgewiesen werden.
Der nur einmal nachgewiesene freiwillige Überweisungsbetrag des Vaters der Gattin kann
nicht berücksichtigt werden, da erstens kein gesetzlicher bzw. vertraglicher Anspruch
besteht und zweitens die einmalige Zahlung zudem nicht als regelmäßiges und festes
Zusatzeinkommen gewertet werden kann (siehe Kapitel II. i).
Der VwGH stellt zudem in seinem Erkenntnis vom 29. März 2019, Ra 2018/22/0080 (siehe
Kapitel II a.) fest, dass es nicht erlaubt sei, bei der Prüfung des Nachweises ausreichender
Unterhaltsmittel für den Fremden die dem Zusammenführenden für ein Kind gewährte
Familienbeihilfe zu berücksichtigen. Das gelte aber nicht für den Kinderabsetzbetrag.
Das monatliche Einkommen in der Höhe von € 550,- reicht somit nicht aus, um den
Lebensunterhalt des D sowie seiner Ehefrau zu sichern.
Beispiel 5:
Unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 NAG möchte die A zu ihrer in Österreich
lebenden eingetragenen Partnerin B ziehen. In deren Haushalt (Eigentumswohnung) lebt
auch die Tochter der B.
B bezieht ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von € 1.100,-. Ihre leibliche Tochter
verdient monatlich € 1.000,-.
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Informationsbroschüre über die Unterhaltsberechnung im NAG BMI
Beispiel 6:
A bezieht ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von € 2.200,-. Er möchte den Unterhalt
für seinen erwachsenen, zuziehenden Sohn B sichern. Dieser wird in einer eigenen Wohnung
wohnen, an Mietkosten fallen monatlich € 500,- an. Die Mietbelastung für die Wohnung des
A beträgt € 240,- (diese ist hier rechnerisch unbeachtlich, da sie den Wert der freien Station
in nicht übersteigt).
A verfügt über ein monatliches Einkommen in Höhe € 2.200,-, von diesem ist lediglich ein
Betrag in Höhe von € 200,05 (= Mietkosten des erwachsenen Sohnes nach Abzug des
„Wertes der freien Station“) abzuziehen. Es verbleibt ihm ein verfügbares Einkommen in
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Die von A abgegebene Haftungserklärung ist daher tragfähig. Aufgrund der tragfähigen
Haftungserklärung ist auch der nachzuweisende Unterhalt iSd § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG iVm Abs.
5 ausreichend gesichert.
Beispiel 7:
A bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von € 2.050,-. Er möchte den Unterhalt für
seine nachziehende, erwachsene Schwester B sichern. Sein Monatseinkommen wird durch
fiktive monatliche Alimentationszahlungen in Höhe von € 250,- sowie eine monatliche
Kreditbelastung in Höhe von € 150,-, somit durch regelmäßige Aufwendungen in Höhe von
insgesamt € 400,- geschmälert (es fallen keine Mietkosten an).
A verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von € 2.050,-, von diesem ist
lediglich ein Betrag in Höhe von € 100,05 (= Gesamtbetrag der Belastungen Kredit/Alimente
nach Abzug des „Wertes der freien Station“) abzuziehen. Es verbleibt ihm ein verfügbares
Einkommen in Höhe von € 1.949,95. Dieser Betrag übersteigt das von A aufzubringende
Haushaltseinkommen in Höhe von € 1.933,30.
Die von A abgegebene Haftungserklärung ist daher tragfähig; durch die tragfähige
Haftungserklärung ist auch der nachzuweisende Unterhalt iSd § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs. 5
ausreichend gesichert.
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