Bericht
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Bericht
des Naturwissenschaftlichen
Vereins für Bielefeld und Umgegend e. V.
über das Jahr 2019
57. Bericht
des Naturwissenschaftlichen
Vereins für Bielefeld und Umgegend e. V.
Redaktion
BJÖRN KÄHLER
2020
ISSN 0340-3831
Herausgeber:
Naturwissenschaftlicher Verein für Bielefeld und Umgegend e. V. (gegr. 1908)
Vorsitzende: Dipl. Biol. Claudia Quirini-Jürgens
Dipl. Biol. Mathias Wennemann
Redaktion: Dipl. Ing. (FH) Björn Kähler
Geschäftsstelle:
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namu:
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www.namu-ev.de, E-Mail: naturkundemuseum@bielefeld.de
Die Verfasser sind für den Inhalt und Form ihrer Beiträge selbst verantwortlich.
Inhalt Seite
K aplan, U.; Keiter, M.; Höcker, C.: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines
temporären Aufschlusses der Unterkreide in Oerlinghausen
(Teutoburger Wald, NW-Deutschland) 4
Schulze, W.: Zum Auftreten der Linden- oder Malvenwanze Oxycarenus lavaterae
(Fabricius, 1787) (Insecta, Heteroptera, Lygaeidae, Oxycareninae) in Westfalen 82
Mit 24 Abbildungen
Inhalt Seite
1 Einführung 6
1.1 Lage des Aufschlusses 6
1.2 Geologischer Überblick 6
1.3 Sammlungen 7
2. Stratigraphie 14
2.1 Profilbeschreibung 14
2.2 Stratigraphie 14
3 Paläogeographie 19
3 Strukturgeologie 21
3.1 Schichtung 21
3.2 Klüftung 21
3.3 Störungen 22
3.4 Diskussion der Strukturelemente 23
4 Ergebnisse 24
Danksagung25
Literatur/References25
Verfasser:
Ulrich Kaplan, Eichenallee 141, 33332 Gütersloh, E-Mail: U.K.Kaplan@t-online.de
Mark Keiter (Naturkunde-Museum Bielefeld), Adenauerplatz 2, 33602 Bielefeld,
E-Mail: dr.mark.keiter@bielefeld.de
Christian Höcker, Brunsiek 8a, 33619 Bielefeld, E-Mail: christian.hocker@gmail.com
Kaplan, Keiter, Höcker: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines temporären Aufschlusses 5
Zusammenfassung Abstract
massigen Kamm des Tönsbergs vorgeschaltete Rheinische Masse (Stille 1911, Baldschuhn &
Hügelkette, die sich aus kieseligen Partien Kockel 1999, Drozdzewski 2003, Drozdzewski &
der Flammenmergel-Formation aufbaut. Den Dölling 2018).
weiter nordöstlich folgenden Tönsberg bilden
die Sandsteine der Osning-Formation, die als
Osning-Sandstein bezeichnet werden. Die äl- 1.3 Sammlungen
testen kreidezeitlichen Ablagerungen sind am
nordöstlichen Fuß des Tönsbergs Sedimente Die im Aufschluss gesammelten Fossilien
der Oesede-Formation, die in Wealden-Fazies und Proben sind im Naturkunde-Museum
vorliegen. Bielefeld (NMB) und im LWL-Museum für Na-
Alle Schichtglieder der Kreide stehen im turkunde, Münster (WMNM) hinterlegt.
Raum Oerlinghausen steil nach Südwesten
einfallend, saiger oder sogar leicht überkippt
an. Wie in anderen Abschnitten des Teuto-
burger Waldes überschob sich hier in der
hohen Oberkreide im Rahmen transpressiver
Tektonik entlang der Osning-Störungszone
das Niedersächsischen Tektogen über die
Abb. 3: Ausschnitt der Geologischen Karte 1:100.000 bei Oerlinghausen, TIM-online.de, © Land NRW. Der temporäre
Aufschluss und die verfallenen historischen Aufschlüsse am Tönsberg sind markiert.
Fig. 3: Excerpt of Geological Map 1:100,000, area around Oerlinghausen, TIM-online.de, © Land NRW. The temporary
outcrop and the historical quarries along the Tönsberg are marked.
8 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Abb. 4: Geologisches Profil Baustelle ehemalige Jugendherberge, Oerlinghausen, Profilaufnahme durch die Autoren,
Mai 2019, ma = Millionen Jahre.
Fig. 4: Geological profile of the outcrop, as documented by the authors, May 2019, ma = million years.
Kaplan, Keiter, Höcker: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines temporären Aufschlusses 9
Abb. 5: Südlicher Aufschlussbereich, Osning-Formation, hohes Oberbarremium und Aptium, 20. April 2019.
Fig. 5: View of the southern outcrop area, April 20, 2019.
Abb. 7: Mittlerer Aufschlussbereich mit Störungszone, Osning-Formation, Oberbarremium, 23. Mai 2019.
Fig. 7: Fault zone in the central area of the outcrop, May 23, 2019.
Abb. 8: Unmittelbar Hangendes der Störungszone (siehe Abb. 7), Bleichungsnester mit Pflanzenresten und
Kohlegenisten, Osning-Formation, Oberbarremium.
Fig. 8: Hanging wall of the fault zone depicted in Fig. 7, areas of bleaching with plant remains and accumulations
of coal fragments, Osning Formation, Upper Barremian.
Kaplan, Keiter, Höcker: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines temporären Aufschlusses 11
Abb. 11: Obere Belemniten-Lage, 10 m über Profilbasis, Osning-Formation, Oberbarremium, Maßstab 10 cm,
Bildausschnitt 158 cm breit, 89 cm hoch, A limonitisch inkrustierte Schichtoberfläche, B nicht limonitisch inkrustiert.
Pfeile markieren zerbrochene Belemniten, WMNM P 78621, Präparation Tina Kockmeyer, LWL-Museum für Naturkunde,
Münster.
Fig. 11: Upper belemnite layer, 10 m above base of profile. Osning-Formation, Upper Barremian, scale: 10 cm, area
of photograph 158 cm wide, 89 cm high. A bedding plane encrusted with limonite, B bedding plane, not encrusted.
Arrows mark broken belemnites.
Abb. 14: Probe der konglomeratischen Lage, 16,8 m über Profilbasis, Osning-Formation, Grenzbereich Barremium -
Aptium.
Fig. 14: Sample of conglomerate layer, 16.8 m above base of profile. Osning Formation, transition Barremian - Aptian.
14 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
2.2 Stratigraphie
nomenklatorisch emendiert von Mutterlose keine klare Einregelung erkennen und liegen
(1995) Ammoniten folgender Unterstufen der teilweise nicht schichtparallel (Abb. 10 f, h).
Unterkreide belegt: Polyptychites oerlinghusa- Messbare erhaltene Längen variieren zwi-
nus – Untervalanginium; Dichotomites (Dicho- schen 55 und 65 mm. Markant treten sechs
tomites) bidichotomoides – Obervalanginium; großflächige Steinkerne der Muschel Camp-
Acanthodiscus spp. – Unterhauterivium; Sim- tonectes (Maclearnia) cf. cinctus in Erscheinung
birskites spp. – Oberhauterivium; Paracrioceras (Abb. 10, A–F), die zum Teil übereinander ge-
denckmanni – Oberbarremium. schoben wurden. Das Exemplar an der rechten
Die erhaltenen Belemniten-Hohlräume oberen Ecke (Abb. 10 B) ist fast komplett mit
in der unteren und oberen Belemnitenlage Schlossrand und Wirbel erhalten. Es hat eine
im unteren Abschnitt des Profils deuten auf größte Länge von 170 mm und eine größte
Oberbarremium hin, auch wenn sie wegen Breite von 125 mm. In der unteren Hälfte des
ihrer Erhaltung nicht genauer bestimmbar Blocks treten verschiedentlich inkohlierte
sind, (frdl. pers. Mitt. J. Mutterlose, Bochum). Holzreste teilweise mit Bleichungszonen
Die Bioturbation besteht durchgehend aus auf (Abb. 10, I–II). Auch sie zeigen wie die
Grabgängen mit einem Durchmesser um 10 Muscheln und die Belemniten eine unregel-
mm (Abb. 16) und geht auf die Aktivitäten von mäßige Lagerung.
Krustazeen und Echiniden zurück. Abb. 11 zeigt die obere Belemniten-Lage
Im Block der unteren Belemniten-Lage an der leicht überkippt stehenden Aufschluss-
(Abb. 10) konnten 6 Belemniten-Hohlräume wand vor der Bergung. Die aufgeschlossene
identifiziert werden (Abb. 10 a–g). Sie lassen Schichtfläche ist leicht unduliert und fast
Abb. 16: Typische Bioturbation des Osning-Sandsteins. Fig. 16: Typical bioturbation of the Osning Sandstone.
16 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Abb. 17: Lamellibranchiatenfauna, A, B, E Panopea sp., D Camptonectes (Maclearnia) cf. cinctus (J. Sowerby, 1822), C, E
Entolium orbiculare (J. Sowerby, 1822), F Buchia cf. keyserlingi (Lahusen, 1888). A, C–F Lesestücke zwischen Profilmeter
5–11,5, Oberbarremium, B 17 m unter Profiltop, Aptium, alle Osning-Formation. Maßstabsbalken je 1 cm.
Fig. 17: Lamellibranchiata, A, B, E Panopea sp., D Camptonectes (Maclearnia) cf. cinctus (J. Sowerby, 1822), C, E Entolium
orbiculare (J. Sowerby, 1822), F Buchia cf. keyserlingi (Lahusen, 1888). A, C–F profile m 5-11,5, Upper Barremian, B 17 m
below top of profile, Aptian, Osning-Formation. Scale bars 1 cm.
Kaplan, Keiter, Höcker: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines temporären Aufschlusses 17
vollständig mit Limonit dünn inkrustiert in ihnen die Anreicherung von kleinen, etwa
(Abb. 11 A). Am unteren Rand, durch einen 1 mm großen Kohlestückchen. Diese fehlen in
zentimetergroßen Versatz getrennt, ist die dieser Häufung im überliegenden Sediment.
die Schichtfläche limonitfrei (Abb. 11 B). Ins- Dieses wurde damit nach der Verfüllung der
gesamt lassen sich 17 Belemniten-Hohlräume Gänge erodiert und deutet auf eine Sedimen-
zählen. Alle liegen schichtparallel. Ihre Länge, tationsunterbrechung hin.
soweit vermessbar, variiert zwischen 50 mm Im Aufschluss markieren die beiden dicht
und 82 mm. Einzelne auf Abb. 11 mit einem aufeinander folgenden konglomeratischen
Pfeil markierte Exemplare liegen mehr oder Lagen bei Profilmeter 15,8 und 16,8 (Abb. 14)
weniger quer zur Strömungsrichtung und den Abschluss dieser regressiven Entwick-
sind angebrochen. lung. Hier treten markante Lydit-, Milchquarz-
Zwischen 5 m und 11,5 m tritt eine Lamel- und stark tonig verwitterte Gerölle auf,
libranchiatenfauna mit Panopea sp. (Abb. 17 partiell in einer tonigen Matrix. Sie deuten
A, E), Camptonectes (Maclearnia) cf. cinctus auf ein proximales, küstennahes Liefergebiet
(Abb. 17 D), Entolium orbiculare (Abb. 17 C, E) hin. Lydite kommen regional nur im Unter-
und Buchia cf. keyserlingi (Abb. 17 F) auf. Sie karbon vor, das im Bereich des südöstlichen
wird begleitet von Pflanzenresten (Abb. 18), Sauerlandes und vermutlich im Bereich des
von denen nur die kleinen Fiederchen von Lippstädter Gewölbes anstand. Die westlich
Weichselia ludovicae (Abb. 18 A, B) bestimm- angrenzende Landoberfläche wurde wäh-
bar sind und ein größeres artikuliertes Stück rend der Unterkreide von Ablagerungen des
als Farn angesprochen werden kann (Abb. Oberkarbons gebildet. Im Profil kommen
18 D). Dieses konnte nicht geborgen und nur bis 9 m über den konglomeratischen Lagen
fotographisch dokumentiert werden. Weitere wiederholt Lagen mit Kohleschmitzchen vor,
Pflanzenreste sind sonst unbestimmbar (Abb. gröbere Gerölle fehlen. Die Annahme eines
18 C). Der einzige Faunenbeleg aus dem Apti- distaleren, küstenferneren westlichen Liefer-
um ist eine Panopea sp. (Abb. 17 F). In ähnlicher gebietes liegt nahe. Damit könnten die bei-
Zusammensetzung kommt diese Fauna und den dicht aufeinander folgenden konglome-
Flora beispielsweise auch im Hauterivium der ratischen Lagen als Sequenzgrenze gedeutet
Gildehaus-Formation vor und ist ein Indikator werden, auch wenn Erosion und Sedimen-
für einen flachmarinen und küstennahen tation in einem flachmarinen küstennahen
Sedimentationsraum (vgl. Kemper 1992). Sedimentationsraum in einem unruhigen
Die Thalassinoides-Lage bei 11,4 m (Abb. Milieu analoge Erscheinungen hervorrufen
12, 13) besteht aus einem polygonalen Netz können. Ihre Stellung im Profil legt nahe, dass
von Krustazeen-Grabgängen mit drei Stock- sie die Grenze von Barremium und Aptium
werken. Die Größe einzelner Zellen differiert markiert. Speetzen (2005) beschreibt regressi-
zwischen 7 und 10 cm, der Querschnitt der ve Bewegungen und Hiati im mittleren und
Grabgänge liegt meist um 10 mm, gele- mit unserem Aufschluss kontemporären
gentlich bis 30 mm, während die selteneren oberen Barremium der Osning-Formation
Thalassinoides-Gänge anderer Profilabschnit- des Eggegebirges. Mutterlose & Bornemann
te bis zu 50 mm breit werden können. Die (2000) postulieren für das Niedersächsische
Höhe der hier erhaltenen Stockwerke beträgt Becken im Barremium/Aptium-Grenzbereich
etwa 10 cm. Die Gänge gehen teilweise in eine größere Diskordanz. Es besteht auch
ausgebreitete ausgebleichte Flächen mit An- eine Sequenzgrenze im Barremium/Aptium-
reicherungen von Kohle- und Pflanzenhäcksel Grenzbereich an der Basis des beckenwärti-
über. Die Füllung der Grabgänge ist im gen Fischschiefers bzw. OAE 1a im südlichen
Gegensatz zum umgebenden Sediment nicht Nordseebecken (Jeremiah 2000, Jeremiah et al.
ockerfarben, sondern hellgrau. Auffällig ist 2010). Das absolute Alter der Grenze beträgt
18 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Abb. 18: Pflanzenfossilien: A, B Weichselia ludovicae Stiehler (1857), C Pflanzenreste, unbestimmbar, D Farn,
unbestimmbar, A, B, C Lesestücke zwischen Profilmeter 8-9, D Profilmeter 3,5, Oberbarremium, alle Osning-Formation,
Maßstab in A-C: je 1 cm.
Fig. 18: Plant fossils: A, B Weichselia ludovicae Stiehler (1857), C plant remains, indet., D fern, indet., A, B, C profile m 8-9,
not in-situ, D Profilmeter 3,5, Upper Barremian, Osning-Formation, Scale bars in A-C: 1 cm.
Kaplan, Keiter, Höcker: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines temporären Aufschlusses 19
von Oerlinghausen (Hendricks & Speetzen 1983). Ursachen hindeuten: (1) stärkere Wasserbewe-
Über Flüsse wurden auch die nicht seltenen gungen, (2) Zerbrechen durch diagenetische
Pflanzenreste transportiert, von wenigen Kompaktion oder (3) Zerbrechen infolge
artikulierten Stücken über unbestimmbare tektonischen Drucks. Die Stege zwischen den
inkohlte Holzreste bis zu kleinen Kohlestück- fragmentierten Abdrücken sind mit Sediment
chen (Abb. 18). verfüllt (Abb. 11), so dass ein diagenetisches
Zerbrechen – auf jeden Fall vor Lösung der
karbonatischen Hartteile – am wahrschein-
lichsten ist. Der obere Teil der Schichtfläche,
mit A markiert, ist mit Limonit inkrustiert. Der
untere, mit B markiert, durch eine Kluft von
der oberen getrennt und wenige Zentimeter
versetzt, ist nicht inkrustiert.
3 Strukturgeologie
Abb. 23: Zentraler Teil der Aufschlusswand, Blick nach NE. Schraffierte Flächen markieren die aufgeschlossene große
abschiebende Harnischfläche.
Fig. 23: Central outcrop area, looking NE. Hatched areas mark exposed parts of large normal fault plane.
Kaplan, Keiter, Höcker: Stratigraphie, Paläontologie und Tektonik eines temporären Aufschlusses 23
Abb. 24: Subparallel bis parallel zur Schichtung verlaufende Störungen, hier in einem herausgelösten Block mit
Konglomeratlage. (a) Blick von oben auf zwei spitz aufeinander zu verlaufende Harnische. (b) dieselben Harnischflä-
chen in Profilansicht und ihre Beziehung zur Schichtung.
Fig. 24: Fault surfaces, oriented subparallel to parallel with bedding surfaces, conglomerate block, not in-situ.
(a) surface of the block with two fault surfaces branching off at an acute angle. (b) the same fault planes in side view
and their geometrical relationship to bedding.
24 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
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Berichte Naturwiss. Verein für Bielefeld und Umgegend 57 (2020),, S. 30 – 57
Inhalt Seite
1 Einführung 31
2 Methode 31
2.1 Erhebung der Daten 31
2.2 Auswertung der Daten 31
2.3 Danksagung 31
3 Ergebnisse und Diskussion 32
3.1 Allgemeine Ergebnisse 32
3.2 Verbreitung der Wasservögel 32
3.3 Seltene Gastvögel 37
4 Wasservögel und Gewässer 37
4.1 Gewässerstrukturen 37
5 Vergleich der Erhebungen von 2001 und 2018 39
6 Empfehlungen für die Anlage und Sanierung von Gewässern 41
7 Zusammenfassung 41
8 Literatur 42
Anhang I: Korrekturen zu Härtel, H. (2019): Die Vogelwelt an Stillgewässern der Stadt
Bielefeld und der Stadt Halle/Westf. 2018 – eine Übersicht. Berichte Naturwiss. Verein
für Bielefeld und Umgegend 56: 100–145 43
Anhang II: Verbreitungskarten 44
Anhang III: Bilder zweier Gewässer 57
Verfasser:
Heiner Härtel, Konradstraße 9, 32312 Lübbecke
Härtel: Wasservögel auf Stillgewässern im Raum Bielefeld und Halle im Jahr 2018 31
Im Jahr 2018 wurden auf 125 Stillgewässern Als Wasservögel im engeren Sinne werden
bzw. Stillgewässergruppen die Bestände der folgende an Gewässer gebundene Vögel an-
Wasservögel im Raum Bielefeld und Halle von gesehen: Lappentaucher, Kormoran, Reiher,
Mitgliedern der vogelkundlichen Arbeitsge- Entenartige, Rallen und Möwen.
meinschaft des Naturwissenschaftlichen Ver- Die Verbreitung der Vogelarten wird mit
eins Bielefeld (NWV), Mitgliedern des NABU der Hilfe von Karten (s. Anhang) oder bei
Bielefeld und weiteren Helfern erfasst. Ein Ka- wenigen Nachweisen textlich beschrieben
talog der Gewässer mit Ergebnissen ist bereits und auf Besonderheiten der Verbreitung
2019 in den Berichten des NWV erschienen eingegangen.
(Härtel & Ornithologische Arbeitsgemeinschaft). In Für Bielefeld liegt die Auswertung der
dieser Arbeit werden die Ergebnisse ausge- Ergebnisse aus dem Jahr 2001 vor (Beisenherz
wertet. et al. 2003). Daher bietet sich hier ein direkter
Vergleich der Ergebnisse in Bezug auf Häufig-
keit und Verteilung an. Weiterhin können die
Arbeiten von Bongards et al. (1999), Schleef et
2 Methode al. (1999) und Albrecht (2015) zur Bewertung
der Ergebnisse genutzt werden. Gesamtöko-
2.1 Erhebung der Daten logische Vergleiche hat bereits Albrecht (2019)
in seiner Publikation über die Gewässer der
Eine ausführliche Beschreibung der Me- Stadt Gütersloh gezogen.
thode ist bereits publiziert worden (Härtel &
Ornith. AG 2019). Neben den Brutvögeln wur-
den gleichfalls nichtbrütende Wasservögel 2.3 Danksagung
erfasst. Hausgeflügel, Vögel aus Haltungen
oder sogenannte Gefangenschaftsflüchtlinge Gedankt wird allen Personen, die sich die Zeit
wurden gleichfalls erfasst, um eine Basis für nahmen, bei diesem Projekt mitzuarbeiten:
zukünftige Erhebungen und Analysen zu Andreas Bader, Holger Bekel, Giovanna
haben. Die Beschränkung auf im Regelfall drei Birnbaum, Heinz Bongards, Marieluise Bon-
Begehungen hat sich bewährt. gards, Simon Brockmeyer, Armin Deutsch,
Eine grobe Erfassung anhand von Luftbil- Laura Fels, Heiner Härtel, Ralf Jochmann, Gert
dern und Karten (Härtel 2017) ergab einen Klages, Helga Lubrich, Rainer Massmann,
Bestand von mehr als 800 Stillgewässern (ein- Astrid Musmann, Meinolf Ottensmann, Frank
schl. Regenrückhaltebecken) in Bielefeld und Püchel-Wieling, Michael Pfenningschmidt,
Halle, so dass eine vollständige Kartierung J. Pfenningschmidt, Rebekka Rasche, Ulrike
undurchführbar war (Karte 1). Daher ist die Rosenhäger, Karsten Sassenberg, Andreas
Kartierung als Stichprobe zu sehen. Größere Schäfferling, Jürgen Schleef (Bio-Station GT/
Gewässer sind von den Beobachtern bevor- BI), Wolfgang Strototte, Dirk Wegener, Nele
zugt worden. Wolter, Sarah Zimmer.
Neben Abgrabungsgewässern existieren Gedankt wird Birk Härtel (Freiberg/ Sa.)
im Untersuchungsgebiet fast ausschließlich für die Hilfe mit dem GIS Programm, Jürgen
Staugewässer. Auch der Heideweiher „Kam- Albrecht, Birk und Ina Härtel für Anregungen
peters Kolk“ in Bielefeld-Senne geht wahr- und Ratschläge bei der Abfassung der Arbeit.
scheinlich auf den Abbau von Torfen geringer
Mächtigkeit zurück (Saletzki 2002).
32 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
an (Karte 8). An Gewässern ist meist ein Gellershagenpark beobachtet. Zukünftig soll-
Brutpaar anzutreffen, lediglich am Obersee te vermehrt auf die Färbung der Entenküken
wurden zwei Brutpaare beobachtet. In den geachtet werden, um bessere Einsicht in das
Rieselfeldern Windel kam es 2018 zu keiner Phänomen der Mischlinge zu bekommen.
Brut.
An 28 untersuchten Gewässern konnte Die Warzenente ist eine aus Ostasien stam-
die Stockente als Brutvogel nachgewiesen mende domestizierte Form der Moschusente
werden, wobei in Einzelfällen eine Zuwande- (Cairina moschata).
rung der Familien aus dem Umland vorliegen Zwei Warzenenten wurden in Sennestadt
kann. Auf weiteren 50 Gewässern wurden am Teich nördlich der Vennhofallee festgestellt.
Stockenten als Gastvögel gefunden. Damit ist
die Stockente mit Abstand der Vogel mit der
weitesten Verbreitung in der Region. Parktei-
che werden regelmäßig besiedelt (Karte 9). 3.2.14 Reiherente (Aythya fuligula)
Als Rastplätze werden hingegen auch sehr
kleine Teiche vorzugsweise von Männchen Die Reiherente ist die einzige im Gebiet
genutzt. regelmäßig brütende Tauchente. Auf den
Teichen im Bürgerpark und am Austerweg
waren erfolgreiche Bruten. Nicht besetzt
3.2.12 Hausente (Anas platyrhynchos f. sind dagegen der Obersee, die Teiche Win-
domestica) del, Bracksieks Teich und der Bockschatzhof,
welche 2001 noch besiedelt waren (Beisen-
Hausenten hielten sich im Grünzug am herz et al. 2003, Bongards et al. 1999, Härtel
Meierteich, bei Olderdissen und bei Dalbke 1992, Schleef et al. 1999). Von den Gastvögeln
auf. Brutnachweise fehlen. Ein Mischling werden eher siedlungsnahe und größere
Hausente x Stockente wurde auf dem Teich im Gewässer bevorzugt. Im Verlauf der Untersu-
chung wurden an 24 Gewässern Reiherenten Das kleinste Gewässer mit einem Brutpaar
beobachtet, die Paare schritten jedoch nicht hatte eine Fläche von rund 400 m², das Kleins-
zur Brut (Karte 10). te mit erfolgreicher Brut 600 m². 31 Gewässer
Grüneberg et al. (2013) beschreibt noch die lagen in Parkanlagen oder im Siedlungsraum.
Tendenz zur Ausbreitung der Reiherente. Wichtig ist ein dichter Uferbewuchs oder
Gleichzeitig ist jedoch auch das Verlassen eine dicht bewachsene Insel. Waldteiche
„traditioneller Brutgewässer“ zu beobachten. werden gemieden und in der halboffenen
An einigen Gewässern, die für Ostwestfalen- Landschaft scheint die Nähe von Häusern
Lippe bei Härtel (1992) genannt werden, und Gehöften bevorzugt zu werden. Wege in
schreitet sie nicht mehr oder nur noch unre- Ufernähe stören wenig, wenn sie durch dichte
gelmäßig zur Brut. Gebüschsäume, unzugängliche Uferbereiche
und Inseln abgeschirmt werden.
Der Teich im Bürgerpark, der in der Ver-
3.2.15 Blässhuhn (Fulica atra) gangenheit bis zu drei Brutpaare beherbergte
(Hoffman-Kobert 1995), war 2018 nur von einem
Wie die Karte zeigt bevorzugt diese Art Paar besetzt. Durch vorausgegangene Bau-
größere Gewässer, die eher in der freien Land- und Pflegemaßnahmen hat sich der Charakter
schaft liegen. Die Vorkommen im Bielefelder des Gewässers geändert. Das Verfolgen der
Osten gehören zumeist zu ausgedehnteren weiteren Entwicklung des Teiches und seines
Parks. Zu den 26 Gewässern mit Bruten kom- Umfeldes wird daher von großem Interesse
men noch 12 mit Sommervorkommen (Karte sein.
11), die überwiegend im Süden Bielefelds Von 28 Paaren liegen Angaben über die
liegen. Außerhalb von Parkanlagen werden Zahl der Jungvögel vor. Zu berücksichtigen
Gewässer mit einer Fläche von mehr als ist, dass das Schicksal der Jungvögel bis zum
5000 m² bevorzugt. Verlassen der Familie oder auch Spätbruten
nach der letzten Kontrolle nicht ermittelt
wurden. Vier Paare waren ohne Bruterfolg,
3.2.16 Teichhuhn (Gallinula chloropus) ein Paar hatte im Nordpark bei drei Bruten
13 Jungvögel. Im Durchschnitt ergeben sich
Mit der Besetzung von 35 Brutgewässern 3,4 Jungvögel pro Brutpaar. Drei Paare in der
verweist das Teichhuhn die Stockente und halboffenen Landschaft hatten insgesamt
das Blässhuhn, welche wenig höhere Brut- zwei Jungvögel.
bestände aufweisen, auf die Ränge zwei und
drei (Karte 12). Bei den weiteren Einzelbeob-
achtungen ohne Brutnachweis kann es sich 3.2.17 Wasserralle (Rallus aquaticus)
auch um besonders heimliche Brutpaare
handeln, diese Gewässer sind als potentielle Da Wasserrallen am Tage nur unregelmäßig
Brutgewässer aufzufassen. rufen, wurde in keinem Fall von den Kartierern
Das einzige Lachmöwenvorkommen In Bie- Die Zahlen in Tabelle 8 geben wieder, dass
lefeld und Halle verteilt sich auf drei Gewässer größere Gewässer von den Vögeln zur Brut
in den Rieselfeldern Windel, wo die kleinen bevorzugt werden, da an 62 % der Gewässer
Kolonien auf Nistflößen liegen. Ausschlag- gebrütet wird, diese Gewässer aber 91 %
gebend ist hier weniger die Gewässergröße der untersuchten Wasserfläche ausmachen.
als die Anwesenheit sicherer Nisthilfen, da Tabelle 9 zeigt den zunehmenden Anteil be-
Koloniebrüter gegenüber Beutegreifern in der siedelter Gewässer in Abhängigkeit von ihrer
Nacht besonders gefährdet sind. Beobachtun- Größe. Mit einer Fläche von 1000 m² nimmt
gen von Gastvögeln liegen vom Obersee, dem die Eignung der Gewässer als Brutplatz für
Abgrabungsgewässer bei Meyer zu Bentrup Wasservögel sprunghaft zu.
und den Teichen am Bockschatzhof vor. Ausschließlich das Teichhuhn nutzt kleine-
re Gewässer zur Brut.
Unter Berücksichtigung aller Wasservogel-
beobachtungen (Brutvögel und Gastvögel)
ergeben sich Karte 13 und Tabelle 10. Die
Gewässer bis 1000 m² Wasserfläche sind
zumindest zeitweilig als Lebensraum für
Art Ort Wasservögel von Bedeutung. Auch Gewässer
Weißwangengans Obersee ohne dauerhafte Wasserfläche können dem
Branta leucopsis Aufenthalt von Wasservögeln dienen (Nah-
Rothalsgans Abgrabung rungssuche bei Graureiher und Stockente).
Branta ruficollis Meyer zu Bentrup
Graukopfgans Abgrabung
Chloephaga poliocephala Meyer zu Bentrup 4.1 Gewässerstrukturen
Brandgans Obersee
Tadorna tadorna Aus den Ergebnissen der Kartierung zeigt
Löffelente Obersee, sich, dass als Brutgewässer ungeeignete Ge-
Anas clypeata Rieselfelder Windel wässer klein sind oder vorzugsweise von Wald
Krickente Obersee, eingeschlossen werden. Halboffene Land-
Anas crecca Rieselfelder Windel schaft oder Siedlungen mit Grünanlagen sind
Schnatterente Obersee, dagegen für viele Arten förderlich. Wichtig ist
Anas strepera Rieselfelder Windel das Abschirmen durch Gehölzstreifen an Land
Gänsesäger Obersee oder Schwimmblattpflanzen auf dem Wasser
Mergus merganser gegen Störungen. Bei kleineren Gewässern
Silbermöwe Obersee (unter 0,5 ha) können in Einzelfällen auch
Larus argentatus Inseln diese Funktion übernehmen.
Tabelle 7: Seltene Gastvögel
38 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Tabelle 10: Verteilung der Wasservögel (Brut- und Rastvögel) auf die verschiedenen Gewässergrößen
Härtel: Wasservögel auf Stillgewässern im Raum Bielefeld und Halle im Jahr 2018 39
5 Vergleich der Erhebungen von 2001 Wie Tabelle 11 zeigt, ist der Anteil der zur
und 2018 Brut genutzten Gewässer fast gleich. Die
Verteilung der Gewässer auf die unterschied-
Zum Vergleich der Kartierungsergebnisse lichen Größenklassen (Tabelle 12) ist ähnlich.
von 2001 (Beisenherz et al. 2003) mit denen von Nur bei den Gewässern von mehr als 0,5 ha
2018 werden nur die Daten von Bielefelder Fläche ist ein deutlicher Anstieg zu sehen (vgl.
Gewässern herangezogen. Tabelle 12).
Der Rückgang des Haubentauchers fällt
wegen der geringeren Zahl an Gewässern
Jahr 2001 2018
scheinbar nicht dramatisch aus, doch wur-
Gewässer 176 113 den 2018 alle vormals besetzten Gewässer
besetzte Gewässer 104 (59%) 69 (61%) untersucht, so dass nur noch der Obersee
Tabelle 11: Zahl der kartierten und besetzten als Brutgewässer bleibt. Der Höckerschwan
Stillgewässer 2001 und 2018 in Bielefeld hat dramatisch im Bestand abgenommen,
Tabelle 12: Verteilung der Wasservögel (Brut- und Rastvögel) auf die verschiedenen Gewässergrößen
Tabelle 14: Besetzung von Stillgewässern durch die Stockente 2001 und 2018
Tabelle 15: Besetzung von Stillgewässern durch das Blässhuhn 2001 und 2018
Tabelle 16: Besetzung von Stillgewässern durch das Teichhuhn 2001 und 2018
selbst wenn man das nicht-brütende Paar Dramatischer ist der Rückgang beim Bläss-
(Meyer zu Bentrup/Heepen) hinzunähme. huhn (Tab. 15). Einem höheren Nutzungsanteil
Die Gefährdung durch den Menschen, auch der Gewässer zwischen 0,5 ha und 1 ha steht
vereint mit seinem Hund, wie bei dem Paar der Rückgang auf allen anderen Gewässern
am Schildescher Friedhof, ist als ein wichtiger gegenüber. Gewässer mit weniger als 1000 m²
Faktor anzusehen. sind vollständig aufgegeben worden.
Stockente, Blässhuhn und Teichhuhn sind Das Teichhuhn besiedelt in vergleichbaren
gleichfalls im Bestand zurückgegangen und Umfang (Tab. 16) die Bielefelder Gewässer wie
können wegen der Datenlage genauer be- 2001.
trachtet werden. Geringer genutzt werden Teiche zwischen
Nach den Ergebnissen in Tabelle 14 wer- 1.000 und 2.500 m², erheblich stetiger ist die
den kleine Stillgewässer nicht oder sehr viel Art 2018 auf Gewässern zwischen 5.000 und
seltener von der Stockente als Brutplatz bzw. 10.000 m². Die Untersuchung 2018 schloss
Aufenthaltsort zur Jungenaufzucht angenom- erheblich mehr große Gewässer ein, was die
men. Nur die Gewässer mit mehr als einem geringere Verbreitung auf diesen Gewässern
viertel Hektar Wasserfläche werden noch mangels geeigneter Strukturen zur Folge
ähnlich häufig genutzt. Die Kleingewässer haben kann. Der Bruterfolg lag 2001 bei 2,24
unter 1000 m² sind geräumt worden. Jungvögeln pro Brutpaar gegenüber 3,4 in der
Härtel: Wasservögel auf Stillgewässern im Raum Bielefeld und Halle im Jahr 2018 41
vorliegenden Untersuchung. Im ländlichen 5. Das Ausbringen von Futter für die Wasser-
Bereich fehlt die Art an vielen Stellen und ist vögel soll durch Gestaltungsmaßnahmen
trotz ihrer weiten Verbreitung (Tab. 16) im zusätzlich unterbunden werden.
Bestand zurückgegangen (Tab. 13).
Die Ursachen für diese Entwicklungen sind Die Bilder 1 und 2 im Anhang zeigen zwei
nicht eindeutig festzulegen: unterschiedliche Gewässer im Bielefelder
- die Gewässer und ihr Umfeld verändern sich Stadtgebiet.
(deutlich bei Bracksieks Kuhle in Schildesche
und am Obersee);
- Gehölzpflanzungen umgeben mittlerweile
viele Kleingewässer mit einem dichten 7 Zusammenfassung
hohen Baumbestand, so dass der An- und
Abflug vieler Wasservögel erschwert wird; Die Vogelkundliche Arbeitsgemeinschaft
- die Zahl der sicheren Nistplätze hat ab- erfasste im Jahr Frühjahr und Frühsommer
genommen, es herrscht Konkurrenz mit 2018 die Brut- und Rastbestände von Was-
anderen Tierarten (Schmuckschildkröten, servögeln auf Stillgewässern in Bielefeld und
Gänsearten); Halle (Westf.) mit einer Methode, die schon
- die Einwanderung von Nesträubern (Wasch- 2001 bei einer früheren Erfassung genutzt
bär, Marderhund); wurde. An 73 von 117 Gewässern schritten
- die Nutzung des Gewässerumfeldes durch Wasservögel zur Brut. Gewässer von weniger
den Menschen, was von Sport über Event- als 0,1 ha Fläche wurden nur vom Teichhuhn
kultur bis zum Stöbern von Hunden beim als Brutplatz genutzt. Für die Wasservögel
Spaziergang reicht (Albrecht 2015, Albrecht wichtig ist ein halboffenes Umfeld, ein freier
et al. 2017). Anflug auf das Gewässer und eine sichere
Brutmöglichkeit, die durch eine Nistinsel mit
etwas Bewuchs oder auch stellenweise dichte
Gehölzbepflanzung gewährleistet werden
6 Empfehlungen für die Anlage und Sa- kann. Kleine Gewässer und von dichtem Wald
nierung von Gewässern umgebene Gewässer werden nicht besiedelt.
Im Vergleich zu 2001 sind in Bielefeld Grau-
Aus den Ergebnissen lassen sich für die gans, Hausgans, Nilgans und Lachmöwe als
Gestaltung von Parkgewässern folgende neue Brutvögel aufgetreten. Haubentaucher,
Empfehlungen ableiten, wenn die Anwesen- Höckerschwan, Stockente, Blässhuhn und
heit von Wasservögeln gefördert werden soll: Teichhuhn sind im Bestand zurückgegangen.
1. Gewässer sollten über mehr als 1000 m² Verschiedene, mögliche Ursachen werden
Wasserfläche verfügen. Heimische Pflanzen genannt und Empfehlungen für die Neuge-
im und am Wasser sind zu bevorzugen. staltung bzw. Umgestaltung von Stillgewäs-
2. Rückzugsräume sollen durch stellenweise sern gegeben.
dichte Uferbepflanzung geschaffen werden.
Eine Insel ist in diesen Bereichen förderlich.
3. Wege sollten nicht rundum direkt am Ufer
verlaufen.
4. Das Umfeld des Gewässers soll einen of-
fenen oder halboffenen Charakter haben.
Gräser und Kräuter sind die Grundnahrung
für viele Wasservögel, was bei der Grünflä-
chenpflege zu beachten ist.
42 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Anhang I:
Korrekturen zu Härtel, H. (2019)
Die Vogelwelt an Stillgewässern der Stadt Bielefeld und der Stadt Halle/Westf. 2018 –
eine Übersicht. Berichte Naturwiss. Verein für Bielefeld und Umgegend 56: 100–145.
Bild 1: Teich am Bültmannshof (Sch01) mit Fontäne, Insel und Uferabschnitten mit dichtem Ufergehölz
(Foto: Rainer Massmann)
Bild 2: Kleiner Teich in Brake „Sieben Teiche“ (Hep08) mit kleiner Wasserfläche und Wald rundum.
(Foto: Giovanna Birnbaum)
Berichte Naturwiss. Verein für Bielefeld und Umgegend 57 (2020),, S. 58 – 80
Inhalt Seite
1 Einleitung 60
2 Anlass der Untersuchung 60
3 Geologie und Hydrologie 60
4 Methode 61
5 Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 62
6 Die vertikale Verbreitung 62
7 Die Vegetation steht in Beziehung zu den Belichtungsverhältnissen
(floristische Untersuchung) 64
8 Das Nahrungsspektrum (faunistische Gewässeruntersuchung)66
9 Prädatoren 68
10 Quelltyp, Sediment, Wasserführung und Gefälle des Quellbaches 69
11 Der Jahreslauf der Temperatur (Luft, Wasser, Sediment) 69
12 Die Vergesellschaftung 71
13 Verhaltensbeobachtungen 71
14 Frage der Bodenständigkeit 73
15 Verbreitung im Kreis Lippe mit möglichen Besiedlungskorridoren 73
16 Der Klimawandel verändert Lebensbedingungen76
17 Schutz 77
18 Danksagung 77
19 Literatur 77
Anhang79
Verfasser:
Ulrike Hoffmann, Prof.-Schacht-Str. 2, 32657 Lemgo, E-Mail: mahpa@web.de
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 59
Zusammenfassung
Mit vorliegender Arbeit konnte über konnte ein Fundnachweis geführt werden.
zielorientierte Suche von 2017 bis 2019 eine Trotz der festgestellten Zahl von 62 Ein-
wesentliche Lücke im Kenntnisstand zur Ver- zeltiersichtungen müssen die Vorkommen
breitung und zur Bestandssituation der Ge- im Kreisgebiet als eher individuenarm
streiften Quelljungfer (Cordulegaster biden- gelten. Cordulegaster bidentata bleibt eine
tata) an der Nordgrenze ihres europäischen seltene Art, deren Schutzstatus über RL 2
Verbreitungsgebietes geschlossen werden (stark gefährdet) weiterhin gerechtfertigt
(vergl. Abb. 17 und 18 im Anhang). Die Unter- ist, insbesondere in Anbetracht der hohen
suchung zeigt, dass die nordhessischen und Verantwortung, die wir in Europa für diese
südniedersächsischen Vorkommen im Kreis endemische Art tragen. Nach verschiede-
Lippe ihre nördliche Fortsetzung finden und nen Prognosen und Beobachtungen muss
ein gemeinsames Siedlungsareal darstellen. der Einfluss, den der Klimawandel auf den
Eine Besiedlung über den Weserraum ist für Lebensraum Quelle und Quellbach ausüben
die östlichen lippischen Quellgebiete als sehr wird, als durchaus gravierend eingeschätzt
wahrscheinlich anzunehmen, die westlichen werden (LANUV 2010, 2016). Dies betrifft zum
Vorkommen entlang der Osningkette hinge- einen den Anstieg der Durchschnittstempe-
gen könnten mit einer Kolonisation aus dem raturen und des Weiteren die sich ändernden
Einzugsgebiet des Rheins in Verbindung Niederschlagsmengen und ihre jahreszeit-
gebracht werden. Die begründete Vermu- liche Verteilung. Hinzu kommt, dass sich
tung, dass im Kreis Lippe zwei verschiedene durch den erzwungenen Waldumbau viele
Populationen aufeinandertreffen, müsste der Quellhabitate und damit ihre Eignung für
über genetische Tests abgesichert werden. die Besiedlung durch C. bidentata in Zukunft
Nur an 20 % der 201 kartierten, potentiell verändern werden.
geeigneten Quellstandorte und Quellbäche
60 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Mit einer Körperlänge von 8 cm und einer Die bewaldeten Mittelgebirge des Kreises
Flügelspannweite von annähernd 10 cm zählt Lippe sind einerseits durch die Schichtrippen
die Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster des Teutoburger Waldes und des Eggegebir-
bidentata) zu den größten einheimischen ges gekennzeichnet und andererseits von
Libellenarten. Trotz ihrer bemerkenswerten plateauartigen Bergrücken geprägt, wie sie
gelb-schwarzen Tracht und der kontrastie- beeindruckend im Winterberg-Heinberg-
renden grünen Komplexaugen lagen bisher massiv und dem Schwalenberger Wald in
nur wenige Beobachtungen oder Fundnach- Erscheinung treten. Höchste Erhebungen
weise aus dem Kreis Lippe vor. Entlegene, oft werden am Köterberg mit 496 m ü. NN und an
unwegsame Quellareale in den Wäldern der der Preußischen Velmerstot mit 464 m ü. NN
Mittelgebirge sind ihr Lebensraum und zufäl- erreicht.
lige Begegnungen daher eher selten. Umso Regenbringende Westwinde treffen im
erfolgversprechender sollte es sein, gezielt Grenzbereich zur Münsterländer Tieflands-
nach ihr zu suchen. bucht auf die ersten Gebirgsbarrieren, so dass
exponierte Höhen des Osningzuges (Egge-
gebirge, Teutoburger Wald) jährliche Nieder-
2 Anlass der Untersuchung schlagssummen von 1.000 mm bis 1.400 mm
(Velmerstot) vorweisen können (Klimaatlas).
Als europäischer Endemit1 beschränkt sich Ursächlich für den Reichtum an Quellen
das disjunkte (zerstreute) Verbreitungsareal sind stets wiederkehrende geologische
von Cordulegaster bidentata auf Südost- bis Strukturen: So kommen in wiederholtem
Mitteleuropa und erreicht in NRW und Wechsel wasserführende Gesteinsschichten
Südniedersachsen mit den ausstreichenden auf tonig-mergelige Trennschichten zu liegen,
Mittelgebirgen seine nördliche Verbreitungs- so dass vielerorts ausgeprägte Schichtquell-
grenze. Der hohen Verantwortung für die horizonte vorzufinden sind. Sandsteine der
Bestandserhaltung der Art trägt die Einord- Unteren Kreide (Teutoburger Wald/Egge-
nung in die Rote Liste Nordrhein-Westfalens gebirge) und mächtige Rhätsandsteine des
(LANUV 2011) mit RL 2 (stark gefährdet) Rech- Oberen Keupers formen die Deckschichten
nung. Fund- und Fortpflanzungsnachweise der Bergrücken und Plateaus und fungieren
der Gestreiften Quelljungfer sind daher stets neben dem Schilfsandstein als großflächige
von besonderem Interesse. Obgleich die Wasserspeicher, die in leichter Schrägstellung
Art allgemein als selten gilt, zeigen Untersu- ihre Feuchtigkeit gleichmäßig über das Jahr
chungen von Bussmann (2013) und anderen im hinweg abgeben und die Vielzahl perennie-
Süderbergland, dass bei gezielter Nachsuche render Quellen begründen.
auch in weiteren Gebietsteilen von stabilen Bruchtektonik während des Tertiärs, im Zu-
Populationen (LANUV 2011) ausgegangen sammenhang mit der Auffaltung der Alpen,
werden kann. Anknüpfend an die Arbeiten hat im Triasblock des Lippischen Berglandes
von Tamm (2015) für Mittel- und Nordhessen zu zahlreichen Verwerfungen und Graben-
und Liebelt et al. (2010/2011) für den Kreis brüchen geführt, die den Fluss der unterir-
Höxter soll untersucht werden, wie sich die dischen Wasserströme stören. So finden sich
Vorkommen der Gestreiften Quelljungfer im insbesondere am Rand geologischer Gräben,
Kreis Lippe darstellen und hier ihre nördliche dort, wo Juratone das Wasser zum Aufsteigen
Fortsetzung finden. oder Austritt zwingen, stark fördernde Kluft-
1 Art, die nur in einem relativ eng begrenzten Gebiet
quellen oder Hangvernässungen, wie z. B. am
einheimisch ist. Südabfall des Schwalenberger Waldes, am
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 61
dem Gewässer zugeführt. Eine Genehmigung mit der höchsten Fundortdichte waren die
der Unteren Naturschutzbehörde Detmold Gewässer mit je zwei patrouillierenden Männ-
lag vor. chen besetzt. Dies scheint im Kreis Lippe den
maximalen Besatz darzustellen. Bisweilen
bildeten nah beieinander liegende Quellen
5 Nachweise der Gestreiften Quelljungfer ein einheitliches Flugrevier.
(Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe Eine Beziehung der Nachweise zu den
Niederschlagsverhältnissen deutet sich an
Für die adulten Fluginsekten erfolgten die (vergl. Tab. 1). 82 % der Funde lagen in Mit-
Kartierungen in den Jahren 2018 und 2019 telgebirgsregionen mit mehr als 1.000 mm
jeweils mit Beginn der Reproduktionsperiode Jahresniederschlag, unterhalb einer Jahres-
Ende Mai und wurden bis in die ersten Au- niederschlagssumme von 934 mm waren die
gusttage fortgesetzt. Dabei orientierten sich potentiellen Quellstandorte nicht besiedelt.
die Kontrollgänge an der Tagesphänologie Die Niederschläge im Kreis Lippe sind in der
der Imagines (vergl. Abb. 11) (Steinberg et al. Regel gleichmäßig über das Jahr verteilt,
2000). Es erwies sich als großer Vorteil, die neben der Größe des Einzugsgebietes die
Kartierungen im Team zu zweit vorzunehmen, wesentlichste Voraussetzung für das Vor-
da so ein längerer Gewässerabschnitt zu über- handensein perennierender Quellen, die für
blicken war. Eine Verständigung über Zuruf die lange Larvalperiode der Art von fünf bis
ermöglichte es, die Zahl der patrouillierenden sechs Jahren (Sternberg et al. 2000) notwendig
Männchen oder zufliegenden Weibchen ex- sind. Mit regenbringenden Westwinden
akt festzustellen und ihre Flugstrecken genau und Steigungsregen werden die höchsten
zu verfolgen. Jahresniederschlagswerte am Eggeosthang
Insgesamt kamen nach Vorauswahl (1.375 mm), im Teutoburger Wald an der
(Bussmann 2013, Tamm 2015) im Kreis Lippe Grotenburg (1.208 mm), auf dem Bergmassiv
201 Quellbereiche in die Untersuchung. des Schwalenberger Waldes (1.149 mm) und
An vierzig von ihnen (20 %) konnten Nach- im Extertal auf der exponierten Hohen Asch
weise geführt werden, sei es über ein frisch (1.114 mm) erreicht (Klimaatlas NRW).
geschlüpftes, sich in der Aushärtungsphase
befindliches Weibchen, über flugfähige Ima-
gines oder durch Larvenfunde im Sediment 6 Die vertikale Verbreitung
der Gewässer. Dank zielorientierter Suche war
die Gestreifte Quelljungfer mit 62 festgestell- Die Mittelgebirge des Kreises Lippe lassen
ten Exemplaren in den Mittelgebirgen des sich der kollinen bis submontanen Höhenstufe
Kreisgebietes häufiger anzutreffen als nach zuordnen und erreichen am Köterberg mit
bisherigem Kenntnisstand zu vermuten war. 496 m ü. NN nahezu die Fünfhundert-Meter-
Bedenkt man jedoch, dass an 80 % der poten- Marke. Da die Quellaustritte unterhalb der als
tiell geeigneten Gewässer der Nachweis nicht Wasserspeicher fungierenden Deckschichten
gelang, wird deutlich, dass C. bidentata zu zu finden sind, verwundert es nicht, dass sich
den seltenen Arten gerechnet werden muss. die vertikale Verbreitung der Gestreiften Quell-
Etwa die Hälfte der besiedelten Quellberei- jungfer auf einen deutlich engeren Bereich von
che wurde nur von einem Männchen beflo- 140 m bis auf maximal 360 m ü. NN erstreckt.
gen. Doch insbesondere in den Kerngebieten
2 Exemplare
cf. Cordulegaster boltonii
64 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Knapp zwei Drittel (64,5 %) der Funde von 7 Die Vegetation steht in Beziehung zu
Cordulegaster bidentata konzentrieren sich auf den Belichtungsverhältnissen
den Höhenbereich von 200 m bis 300 m ü. NN. (floristische Untersuchung)
Immerhin 22,5 % bevorzugen im Schwalen-
berger Wald, dem Eggegebirge, dem Osthang Die Fundorte von Cordulegaster bidentata
des Köterberges und bei Linderhofe Höhenla- wurden im Rahmen der aktuell laufenden
gen von 320 m bis auf 360 m ü. NN ansteigend. Florenkartierung des Landes NRW (LANUV
Von weitaus geringerer Attraktivität erweist 2013–2019) von der Autorin auch floristisch
sich der kolline Bereich zwischen 140 m und untersucht und bewertet (vergl. Tab. 2).
170 m ü. NN. Mit insgesamt 53 kartierten Pflanzenarten
Am Hasselbach (auf 170 m Höhe), einem und davon sechs Arten der Roten Liste vermit-
mehr als ein Meter breiten und mehr als teln die Quellstandorte ein Bild relativer Un-
50 cm tiefen Fließgewässer im NSG „Donoper versehrtheit. Die Brennessel (Urtica dioica) als
Teiche“, waren zwei gegen die Strömung Hoch-Nährstoffzeiger hat noch nicht Einzug
fliegende Quelljungfern zu beobachten, bei gehalten, wenngleich das Ruprechtskraut (Ge-
denen es sich wahrscheinlich um Cordulegas- ranium robertianum) bisweilen als Stickstoff-
ter boltonii gehandelt haben dürfte. und Störzeiger zu finden ist. Die sich sonst
vielerorts mit Gartenabfällen ausbreitende
Hänge-Segge (Carex pendula) (Abb. 3) tritt
im Schwalenberger Wald noch in seltenen,
einheimischen (indigenen) Beständen auf,
was auf einen eher mäßigen anthropogenen
Einfluss hindeutet.
Tab. 2: Pflanzenaufnahme 2018/19 an den Fundorten der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata).
WEBL Weserbergland; 1 vom Aussterben bedroht; 2 stark gefährdet; 3 Gefährdet; x ungefährdet;
indigen an diesen Fundorten einheimisch, kein Gartenflüchtling!
Lateinischer Name Deutscher Name Rote Liste-Status Lateinischer Name Deutscher Name Rote Liste-Status
LANUV (2011) LANUV (2011)
NRW WEBL NRW WEBL
Ajuga reptans Kriechender Günsel Glyceria fluitans agg. Gruppe Flutender Schwaden
Angelica sylvestris Wald-Engelwurz Gymnocarpium dryopteris Eichenfarn
Cardamine amara Bitteres Schaumkraut Hypericum tetrapterum Geflügeltes Johanniskraut
Cardamine pratensis Wiesen-Schaumkraut Impatiens noli-tangere Gewöhnliches Springkraut
Carex acutiformis Sumpf-Segge Impatiens parviflora Kleinblütiges Springkraut
Carex paniculata Rispen-Segge x 3 Juncus effusus Flatter-Binse
Carex pendula Hänge-Segge indigen ! Luzula sylvatica Wald-Hainsimse
Carex remota Winkel-Segge Lycopus europaeus Ufer-Wolfstrapp
Carex strigosa Dünnährige Segge 3 3 Lysimachia nemorum Hain-Gilbweiderich
Carex sylvatica Wald-Segge Lysimachia nummularia Pfennigkraut
Chrysosplenium alternifolium Wechselblättriges Milzkraut Mentha spec. Minze
Chrysosplenium oppositifolium Gegenblättriges Milzkraut Myosotis scorpioides Sumpf-Vergissmeinnicht
Circaea alpina Alpen-Hexenkraut 3 2 Oxalis acetosella Wald-Sauerklee
Circaea lutetiana Großes Hexenkraut Phegopteris connectilis Buchenfarn
Circaea x intermedia Mittleres Hexenkraut Primula elatior Hohe Schlüsselblume
Crepis paludosa Sumpf-Pippau Ranunculus ficaria Scharbockskraut
Deschampsia caespitosa Rasenschmiele Scirpus sylvaticus Wald-Simse
Deschampsia flexuosa Draht-Schmiele Scrophularia umbrosa Geflügelte Braunwurz
Dryopteris borreri Borrer´s Schuppenfarn x 3 Scutellaria galericulata Sumpf-Helmkraut
Dryopteris carthusiana Gewöhnlicher Dornfarn Solanum dulcamara Bittersüßer Nachtschatten
Dryopteris dilatata Breitblättriger Dornfarn Stachys sylvatica Wald-Ziest
Dryopteris filix-mas Gew. Wurmfarn Stellaria aquatica Wasserdarm
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe
Tab. 3: Aufnahme der Quellfauna an sieben unterschiedlichen Quellstandorten (z. T. März und Mai 2018) fett gedruckt: wertgebende, diagnostische Arten
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe
67
68 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Abb. 7: Quellfauna mit augenlosem Höhlenflohkrebs Abb. 8: Larve des Feuersalamanders mit den weißen
Niphargus spec. Foto: U. Hoffmann Schenkelpunkten. Foto: U. Hoffmann
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 69
eingestuft werden. Larven können unter La- Patrouille-Flug inspizieren die Männchen
borbedingungen tagelang bei 25 ° C bis 26 °C alle Einzelheiten, um über jedem der kleinen
gehalten werden, ohne Schaden zu nehmen strömungsberuhigten Gumpen kurz zu ver-
(Sternberg et al. 2000). Nach Fränzel (1985) und harren (Abb. 10). Dem Betrachter gegenüber
Dombrowski (1989) (zitiert nach Sternberg et al. zeigen sie sich wenig scheu und sind ihm
2000) ergibt sich die Bevorzugung der kühle- beim ersten Aufeinandertreffen recht inter-
ren Bachoberläufe und der Quellbereiche in essiert zugewandt. Es macht den Eindruck,
erster Linie aus der Habitatpräferenz der Ima- dass sie selbst geringste Veränderungen an
gines. Vermutlich hat Cordulegaster bidentata ihrem Gewässer aufmerksam verfolgen und
an der Nordgrenze ihres Verbreitungsareals zu erkunden suchen. Angekommen im oft
in den Quellregionen der Mittelgebirge eine besonnten Quellbereich, folgen kleine Run-
Nische gefunden und sich an die Kaltwasser- den oder ein steiler Aufstieg, um in schnellem
verhältnisse angepasst. Sternberg et al. (2000) Flug zum Ausgangspunkt des Patrouillefluges
schlagen daher gemeinsam mit weiteren zurückzukehren und das Spiel von neuem zu
Autoren vor, die Gestreifte Quelljungfer als beginnen.
„kaltwasseradaptierte Eurytherme“ zu be- Die Frage, ob Quelljungfer-Männchen
zeichnen. Entscheidend dürfte das Vorhan- Reviere besetzen, wird kontrovers diskutiert.
densein einer Nahrungsgrundlage sein, das Aus den Beobachtungen im Kreis Lippe geht
sie in der Quellbachfauna gefunden hat, hervor, dass sie mit hoher Stetigkeit festge-
die an gleichmäßig temperierte, eher kühle, legte Gewässerbereiche befliegen, deren
sauerstoffreiche Bedingungen gebunden ist. Grenzen von einmündenden Seitenquellen,
Als Konsequenz der niedrigen Gewässertem- Seitenbachzuflüssen, hohem Bewuchs, quer-
peraturen verlängert sich die larvale Phase liegenden Hindernissen (gefallene Bäume,
der Großlibelle und macht die Art empfindlich Schlagabraum), Talverengungen oder den
gegenüber Umweltveränderungen. Bachlauf kreuzenden Wegen gekennzeichnet
12 Die Vergesellschaftung
13 Verhaltensbeobachtungen
100-mal stetig abnahm. Ginge man von einer 14 Frage der Bodenständigkeit
hundertprozentigen Erfolgsquote aus, dann
würde dies einer Ablage von mehr als 600 Dazu stehen die Larvenfunde (Abb.14), die
Eiern entsprechen. mit der Sieb- und Erschütterungsmethode
(Stephan 2012) im gesamten Untersuchungs-
gebiet erhoben wurden, in einem eklatanten
Missverhältnis. Beide Techniken erwiesen sich
als wenig effektiv. Insgesamt konnten nur vier
Larven nachgewiesen werden. Nimmt man
ergänzend den Fund von H. Sonnenburg am
Eggeosthang hinzu, so fällt die Bilanz mit fünf
Larvenfunden an drei Fortpflanzungsgewäs-
sern recht gering aus.
Bodenständigkeitsnachweise für die Ge-
streifte Quelljungfer über Larven und Exuvien
(keine Funde) konnten im Kreis Lippe damit
nur sehr eingeschränkt geführt werden. Die
Besatzdichten scheinen im Untersuchungs-
gebiet, an der nördlichen Arealgrenze der
Art, recht klein zu sein. Dennoch ist aus der
Vielzahl und der räumlichen Konzentration
der Imaginal-Nachweise auf eine Boden-
ständigkeit der Libellenart im Kreis Lippe zu
schließen.
Abb. 12: frisch geschlüpftes Weibchen mit Legestachel. 15 Verbreitung im Kreis Lippe mit
Foto: U. Hoffmann möglichen Besiedlungskorridoren
Abb. 14: Quelljungferlarven, rechts mit sich ausbildenden Flügelanlagen. Fotos: U. Hoffmann
Abb. 15: Fundortkarte (Cordulegaster bidentata) Kreis Lippe 2017-2019 (U. Hoffmann)
Datenlizenz Deutschland – tim-online – Version 2.0 (Bearbeitung)
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 75
Abb. 16: westliche und östliche Verbreitungsareale von Cordulegaster bidentata. Entwurf U. Hoffmann.
Kartengrundlage Westermann Schulatlas (1973)
76 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Anschein nach hat die Besiedlung vom Weser- 76 Tage, während sie bei 20 °C innerhalb von
raum her stattgefunden und der Großlibelle 14 Tagen bereits zu 75 % abgeschlossen ist.
an den Osthängen des lippischen Berglandes Ebenso verkürzt sich mit dem Anstieg der
geeignete Habitate eröffnen können. Gewässertemperaturen die Gesamtdauer der
Interessant wäre es zu klären, ob die west- Larvalentwicklung für die Mittelmeerart C. bi-
liche Verbreitungslinie an Egge-Gebirge und dentata von fünf bis sechs Jahren auf vier Jahre.
Teutoburger Wald (Abb. 15) die Fortsetzung Den begrenzenden Faktor stellt jedoch
einer vom Rheintal ausgehenden Kolonisati- die Sauerstoffsättigung dar, die mit steigen-
on darstellt, die über das Bergische Land, dem den Wassertemperaturen abnimmt. Zum
Mittelgebirgsrand entlang der westfälischen einen reagieren junge Larven der Gestreiften
Bucht folgend möglicherweise den Osningbo- Quelljungfer empfindlich auf sinkenden Sau-
gen im Kreis Lippe erreicht, um im Auslaufen erstoffgehalt, da sie noch nicht zur Rektalat-
von Teutoburger Wald und Wiehengebirge mung befähigt sind (Fränzel 1985 zitiert nach
ihren Endpunkt zu finden (Menke et al. 2016). Sternberg et al. 2000) und zum anderen droht
Möglicherweise treffen im Kreis Lippe zwei mit dem Verlust der an hohe Sauerstoffwerte
unterschiedliche Populationen aufeinander und gleichmäßig niedrige Temperaturen
(Abb. 16). Gewissheit in dieser Frage kann nur angepassten Quell(bach)fauna die Nahrungs-
eine genetische Untersuchung erbringen. grundlage wegzubrechen.
Nach dem LANUV Klima-Fachbericht (2016)
für NRW verstärkt sich die Variabilität der
16 Der Klimawandel verändert Jahresniederschläge mit einer Verlagerung
Lebensbedingungen der Regensummen in das Winterhalbjahr und
einer signifikanten Zunahme der Starknieder-
Der Einfluss, den der bereits zu beobach- schläge und Trockenperioden. Insbesondere
tende Klimawandel auf Quellbereiche und in den Jahren 2018 und 2019 waren im Un-
Quellbäche ausüben wird, muss als gravierend tersuchungsgebiet extreme, langanhaltende
eingeschätzt werden. Dies betrifft den An- Trockenperioden mit Hitzerekorden zu ver-
stieg der Jahresdurchschnittstemperaturen zeichnen. Die Wasserspeicher füllen sich nicht
und die Veränderungen der Niederschlags- mehr vollständig auf, was sich je nach Höhen-
mengen und ihre jahreszeitliche Verteilung. lage und Einzugsgebiet in verminderter Quell-
Im Zeitraum zwischen 1881 und 2015 ist schüttung und einem Hangabwärtswandern
in Nordrhein-Westfalen bereits eine Erhö- der Quellaustritte bemerkbar machen kann.
hung der Jahresmitteltemperaturen um 1,4 K Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass per-
(Kelvin) zu verzeichnen. Von 1891 bis 2015 hat ennierende Quellen zeitweise trocken fallen.
auch die Zahl der heißen Tage mit mehr als Zwar können größere Larven der Gestreiften
30 °C um 3 Tage zugenommen, gleichzeitig Quelljungfer in feuchtem Schlamm eingegra-
verringerte sich die Zahl der Eistage, an denen ben sporadische Trockenzeiten zusammen mit
die Temperatur ganztägig unter 0 °C bleibt, Hungerperioden überstehen (Fränzel 1985 zi-
um 5 Tage (LANUV 2016). tiert nach Sternberg et al. 2000), doch wird dies
Als positive Effekte könnten sich für die nicht für Zukunftsszenarien gelten. Aufgrund
Gestreifte Quelljungfer ein früherer Beginn der negativer Wasserbilanzen drohen potentielle
Fortpflanzungsperiode und eine Verkürzung Lebensräume verloren zu gehen und damit zu
der Entwicklungsdauer durch höhere Was- einer Einschränkung des Habitatangebotes für
sertemperaturen einstellen. Nach Dombrowski C. bidentata im Kreis Lippe zu führen.
(1989 zitiert nach Sternberg et al. 2000) beträgt Die sich abzeichnenden Waldschäden und
bei 12 °C Wassertemperatur die Entwicklungs- der durch den Klimawandel erzwungene
zeit der Embryonen unter Laborbedingungen Waldumbau können für die gefährdete Libel-
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 77
lenart Beeinträchtigungen bis hin zu Verlusten Brockhaus T.; Roland, H.-J.; Benken, T.; Conze, K.-J.;
ihrer Lebensräume zur Folge haben. Günther, A.; Leipelt, K. G; Lohr, M.; Martens, A.;
Mauersberger, R.; Ott, J.; Suhling, F.; Weihrauch,
F.; Willigalla, C. (Hrsg.) (2015): Atlas der
17 Schutz Libellen Deutschlands (Odonata). Libellula
Supplement 14: 1–394.
Der Klimawandel wird Quellbereiche nach-
haltig verändern. „Die größte Gefahr besteht Bussmann, M. (2013): Nachweise der Gestreif-
[…] darin, dass aufgrund der negativen Wasser- ten Quelljungfer Cordulegaster bidentata
bilanz perennierende Quellen zeitweise oder Sélys, 1843 (Odonata: Cordulegastridae) in
sogar ganz versiegen. Dies gilt ungeachtet Quellbächen des Unteren Lennetales (Mär-
dessen, dass die Habitate nach § 20 BNatSchG kischer Kreis, NRW). In: Natur und Heimat
bzw. § 62 LG NRW fast ausnahmslos gesetzlich (Hrsg. LWL-Museum für Naturkunde), 73.
geschützt sind. Es sollte daher gezielt ein Jg., Heft 1, 1–10.
Monitoring für diese Art eingerichtet werden
(da die Art weder auf den Anhängen II und IV Dijkstra, K.-D.; Lewington, B. & R. (2014): Libellen
der FFH-RL berücksichtigt ist, noch durch die Europas. Deutschsprachige Ausgabe. Bern.
EU- oder BArtSchVO streng geschützt ist, zählt
sie nicht zu den ‚planungsrelevanten‘ Arten in Engelhardt, W. (1967): Was lebt in Tümpel, Bach
NRW, was ihrer besonderen Bedeutung nicht und Weiher. Stuttgart.
gerecht wird). In den Schutz der Quellen sollte
auch zumindest das unmittelbare Einzugsge- Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen
biet einbezogen werden“ (Behrens et al. 2009). (1978, 1986, 1990, 1995): Erläuterungen
zu den Geologischen Karten 1:25.000 der
Blätter 3918 Bad Salzuflen, 4019 Detmold,
18 Danksagung 4020 Blomberg, 4119 Horn-Bad Meinberg.
Krefeld.
Herzlichen Dank an Joachim Hoffmann für
die Mithilfe bei der Kartierung, Matthias Hottel Greis-Harnischmacher, W. (2000): Bemerkungen
für Literaturhinweise zu Niederschlagsdaten zum Vorkommen von Cordulegaster biden-
und Mathias Lohr für die Zurverfügungstel- tata in Hagen. In: Schlüpmann, M.; Grüne,
lung von Verbreitungskarten der Gestreiften G. (Red.): Beiträge zur Libellenfauna in
Quelljungfer (NRW und Deutschland). Südwestfalen. Der Sauerländische Natur-
beobachter Nr. 27, 115–120.
LANUV (2010): Klima und Klimawandel in Liebelt, R.; Lohr, M.; Beinlich, B. (2010/2011): Zur
Nordrhein-Westfalen. Daten und Hin- Verbreitung der Gestreiften und der Zwei-
tergründe. LANUV-Fachbericht 27. Reck- gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster
linghausen. www.lanuv.nrw.de/fileadmin/ bidentata und C. boltonii) im Kreis Höxter
lanuvpubl/3_fachberichte/30027.pdf (Insecta, Odonata, Cordulegastridae). In:
Naturkunde zwischen Egge und Weser,
LANUV (2011): Rote Liste der gefährdeten Heft 22: 3–18.
Pflanzen, Pilze und Tiere in Nordrhein-
Westfalen, 4. Fassung, Band 2 – Tiere. Menke, N.; Göcking, C.; Grönhagen, N.; Joest, R.;
Lohr, M.; Olthoff, M.; Conze, K.-J. (2016):
LANUV (2016): Klimawandel und Klimafolgen Die Libellen Nordrhein-Westfalens. LWL-
in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse aus Museum für Naturkunde, Münster.
den Monitoringprogrammen 2016. LANUV
Fachbericht 74. Recklinghausen. www. Mey, D.; Kunz, B.; Leipelt, K. G. (2015): Cordu-
lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fach legaster bidentata (Selys 1843). Libellula
berichte/fabe74.pdf Supplement 14: 2014–2017.
LANUV (2017): Daten zur Natur in Nordrhein- Preussisch Geologische Landesanstalt (1917, 1922,
Westfalen 2016. Recklinghausen. 1927): Erläuterungen zur Geologischen Kar-
te von Preußen und benachbarten deut-
LANUV: ELWAS. Fachinformationssystem für schen Ländern 1:25.000 der Blätter 3820
die Wasserwirtschaftsverwaltung in NRW. Rinteln, 3920 Bösingfeld, 4021 Pyrmont,
www.elwasweb.nrw/elwas-web/index.jsf 4121 Schwalenberg. Berlin.
LANUV: Geschützte Arten in Nordrhein- Schlüpmann, M. (2000): Die Libellen des Süd-
Westfalen. artenschutz.naturschutzinforma westfälischen Berglandes. In: Schlüpmann,
tionen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe M.; Grüne, G. (Red.): Beiträge zur Libellen-
fauna in Südwestfalen. Der Sauerländische
LANUV: HYGON (Hydrologische Rohdaten Naturbeobachter Nr. 27: 5–44.
Online) luadb.it.nrw.de/LUA/hygon/pegel.
php?karte=nrw_n Schwab, H. (1995): Süßwassertiere. Ein ökologi-
sches Bestimmungsbuch. Stuttgart.
LANUV (letzte Änderung 17.05.2019): Kartier-
anleitungen in Nordrhein-Westfalen. NFKO Stephan, U. (2012): Einfluss der Untersuchungs-
Quellbereiche. methoden.naturschutzinfor methoden auf die Erfassung von Cordule-
mationen.nrw.des/methoden/de/anleitung/ gaster-Larven. In: Mercuriale – Libellen in
NFKO Baden-Württemberg, Bd. 12: 45–52.
LANUV: Klimaatlas NRW, Hrsg.: Landesamt Sternberg, K.; Buchwald, R.; Stephan, U. (2000):
für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Cordulegaster bidentata Sélys, 1843. In:
NRW unter Verwendung von Daten des Sternberg, K.; Buchwald, R. (Hrsg.): Die Libellen
Deutschen Wetterdienstes und des Landes Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen
NRW. www.klimaatlas.nrw.de (Anisoptera), 173–190.
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 79
Anhang
Abb. 17: ergänzte Verbreitungskarte NRW, Fundnachweise 2017–2019 im Kreis Lippe (U. Hoffmann)
Kartengrundlage: Menke et al. (2016)
80 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Abb. 18: ergänzte Verbreitungskarte Deutschland, Fundnachweise 2017–2019 im Kreis Lippe (U. Hoffmann)
Kartengrundlage: Brockhaus et al. (2015)
Hoffmann: Nachweise der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) im Kreis Lippe 81
Berichte Naturwiss. Verein für Bielefeld und Umgegend 57 (2020),, S. 82 – 87
Mit 5 Abbildungen
Die Linden- oder Malvenwanze Oxycarenus dern der Balkanhalbinsel vor (Rabitsch 2008).
lavaterae (Fabricius, 1787) aus der Familie der Etwa mit der Jahrtausendwende breitete sich
Bodenwanzen (Lygaeidae) stammt ursprüng- die Art nach Norden aus und erreichte die
lich aus dem westlichen und zentralen Mittel- Slowakei, den Süden Tschechiens, Österreich,
meerraum. Zu Verbreitung und Lebensweise die Nordschweiz, in Deutschland den Ober-
liegt eine umfangreiche Fachliteratur vor. rhein und in Frankreich die normannische Ka-
Diese relativ kleine Art (5–7 mm Körperlän- nalküste (Rabitsch & Adlbauer 2001, Billen 2004,
ge) soll pro Jahr zwei Generationen hervor- Wermelinger et al. 2005, Hoffmann 2005, Kment et
bringen. Die Tiere saugen an den Samen von al. 2006, Wachmann et al. 2007). Aus demselben
Malvengewächsen s. l. (Malvales: Malvaceae, Zeitraum liegen einzelne Fundnachweise aus
Tiliaceae); vor allem in Mitteleuropa ist die hier Brandenburg und Finnland vor (Deckert 2004,
meist genannte Pflanze die Winterlinde (Tilia Rabitsch 2008), dabei dürfte es sich aber um
cordata). Besonders auffällig sind im Herbst eingeschleppte Individuen gehandelt haben.
und im Winter die Massenansammlungen Es fällt auf, dass nach der Besiedlung des
an Linden (Abb. 1, 3). Trotzdem gibt es keine südlichen Mitteleuropas für etwa ein Jahr-
konkreten Hinweise auf Schädigungen der zehnt Nachweise über ein Voranschreiten
besiedelten Bäume, und zum gegenwärtigen der Arealerweiterung ausblieben. Erst ab
Zeitpunkt gibt es auch keinen Grund, diese etwa 2014 erfolgten in relativ schneller Folge
Art als Schädling zu betrachten oder gar ge- neue Beobachtungen vor allem im Bereich
zielt Insektizide gegen sie einzusetzen. der Rheinschiene: Nordbaden und Hessen,
Seit den 80er und vor allem den 90er Jah- Rheinland (2017 Köln) bis ins westliche Ruhr-
ren des vergangenen Jahrhunderts hat Oxyca- gebiet (2018 Gladbeck) und den Südosten der
renus lavaterae sein Areal in östliche Richtung Niederlande (2016 Maastricht) (Hoffmann &
erweitert und kommt jetzt auch in allen Län- Schmitt 2014, Schneider & Dorow 2016, Göttlinger
* XXXII: Mitt. ArbGem. westfäl. Entomol. 35 (Heft 1), 15-18. Bielefeld (2019)
Verfasser:
Werner Schulze, Samlandweg 15a, 33719 Bielefeld; E-Mail: WSchulze@entomon.de
Schulze: Zum Auftreten der Linden- oder Malvenwanze in Westfalen 83
Abb. 1, 2: Ansammlung von Imagines und Nymphen der Lindenwanze O. lavaterae am Stamm und an dickeren Ästen
einer Winterlinde bei der Bültmannshofschule in Bielefeld; aufgrund der Reflexion des Sonnenlichtes erscheinen die
eigentlich durchsichtigen Vorderflügel-Membranen weiß (Fotos: Inge & Werner Schulze)
& Hoffmann 2017, Hoffmann 2020, www.wanzen- Funde in Bayern (zuerst im Bayerischen
im-ruhrgebiet.de/artenprofile/oxycarenidae/ Wald) erfolgten 2016–2018 (Bräu 2019). Die
oxycarenus-lavaterae/, zuletzt aufgerufen am Nähe zu Tschechien und den Süden Ost-
23.1.2020) und aktuell zuletzt bis ins östliche deutschlands lassen hier eine Zuwanderung
Westfalen. von Osten her als wahrscheinlich erscheinen,
In Ostdeutschland ist O. lavaterae jetzt während die Beobachtungen im westlichen
in allen Bundesländern mit Ausnahme von Deutschland eher auf ein Einwandern von
Mecklenburg-Vorpommern nachgewiesen. Süden bzw. Südwesten schließen lassen.
Erste Beobachtungen gab es 2016 in Sach- In der letzten Oktoberwoche des vergan-
sen, vor allem im Jahr 2019 wurde dann eine genen Jahres wurde in Bielefeld an mehreren
massive Ausbreitung der Art festgestellt: Winterlinden neben dem Pausenhof der Bült-
Thüringen, Sachsen-Anhalt (Hanselmann 2016, mannshofschule sowie an der angrenzenden
Göricke 2019). In Potsdam (Brandenburg) Kurt-Schumacher-Straße ein starker Befall
konnte am 27.11.2019 ein starker Befall (ge- mit Larven und Imagines der Lindenwanze
schätzt weit über 10.000 Tiere) im Innenhof festgestellt (Abb. 1, 2). Bis dahin gab es kei-
zwischen dem Ministerium für Wissenschaft, nen Hinweis auf Vorkommen im östlichen
Forschung und Kultur und dem „Haus der Westfalen und in weiter nördlich gelegenen
Natur“ (Lindenstraße) festgestellt werden Regionen in Nordwestdeutschland. Der Autor
(Thomas Schmitt, Werner Schulze). Ebenfalls des vorliegenden Beitrags berichtete bei der
in 2019 wurden weitere Vorkommen vor Mitgliederversammlung der AG westfälischer
allem aus dem südlichen Brandenburg und Entomologen im November 2019 über die bei
Berlin bekannt (Bäse & Deckert, in Vorberei- uns neu aufgetretene Insektenart, spontan
tung für Heteropteron/Köln). konnten weitere Anwesende entsprechende
84 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Beobachtungen mitteilen, die sie jetzt als der Lindenwanze Oxycarenus lavaterae vor
Art und von ihrer Bedeutung her einordnen (Stand Januar 2020):
konnten. Bielefeld (Bültmannshofschule, Kurt-Schuma-
Die Tiere saßen dicht neben- und auch cher-Straße; Oktober/November, Uwe Will,
übereinander auf einer Gesamtfläche von I. & W. Schulze, Abb. 1 & 2)
mehreren Quadratmetern. Sie waren alle Minden (Hasenkamp, Oktober 2019, Angelika
bei warmem Herbstwetter zur Sonne hin Altemark)
ausgerichtet, bevorzugt an Spalten und rissi- Ennigerloh/Kreis Warendorf (2019, Bernd
gen Bereichen der Borke beginnend in einer Grundmann)
Höhe von etwa 1,5 m bis in die Wipfelregion Bielefeld-Baumheide (Johannisbachaue;
der Bäume. Ende Oktober war der Anteil von November 2019, I. + W. Schulze)
Nymphen an den Wanzenpopulationen Bielefeld (Innenstadt: zwischen Oberntorwall
noch relativ hoch, im November und Januar und Klasingstraße sowie am Luttergrünzug
wurden fast nur noch ausgewachsene Tiere an der Russheide, 2019, Dennis Kriegs)
beobachtet. Auf drei jeweils 1 cm2 großen Bielefeld-Heepen (in großer Anzahl an Linden
Probeflächen wurden am 30.10. alle Tiere im Bereich des Friedhofs; 23./26.1.2020,
(überwiegend Nymphen, die kleinsten etwa W. Schulze, Abb. 3 & 4). Anders als bei den
1 mm im Durchmesser) eingesammelt und Beobachtungen im Herbst saßen die Tiere
gezählt: 26, 31 bzw. 33 Individuen. Hochge- jetzt nicht mehr auf der offenen Fläche
rechnet würde man also bei 2 m2 bedeckter (Abb. 1), sondern fast ausschließlich in den
Stammfläche auf über eine halbe Million Spalten der Rinde, und sie kamen bis an
Individuen kommen. den Stammfuß vor, Abb. 3.
Jetzt liegen aus dem östlichen Westfalen
die folgenden Beobachtungen zum Auftreten
Schulze: Zum Auftreten der Linden- oder Malvenwanze in Westfalen 85
Bräu, M. (2019): Die Lindenwanze Oxycarenus Hoffmann, H-J. (2005): Oxycarenus lavaterae
lavat[h]erae (Fabricius, 1787) (Heteroptera: (Fabricius, 1787) nun auch im Norden Frank-
Oxycarenidae) und die Marmorierte reichs und im SW Deutschlands. - Heterop-
Baumwanze Halyomorpha halys (Stål, 1855) teron 21: 25–27. Köln.
(Heteroptera: Pentatomidae) nun auch in
Bayern. - Beitr. bayer. Entomofaunistik 19 Hoffmann, H.-J. (2020): Ständig „neue“ Wanzen
[im Druck, mitgeteilt von Markus Bräu am in NRW! Neozoen und Arealerweiterer
11.01.2019]. Bamberg. unter den Heteropteren in Nordrhein-
Westfalen. - Entomologie heute. Düssel-
Deckert, J. (2004): Zum Vorkommen von Oxyca- dorf. [im Druck]
reninae (Heteroptera, Lygaeidae) in Berlin
und Brandenburg. - Insecta 9: 67–75. Berlin. Hoffmann, H-J. & Schmitt, R. (2014): Die Malven-
wanze Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787)
Faber, T. & Şengonca, Ç. (1996): Verbreitungs- (Heteroptera, Lygaeidae) breitet sich im
gebiet der erst in jüngerer Zeit nach Rheintal nach Norden aus. - Heteropteron
Deutschland eingeschleppten Wolligen 41: 14–18. Köln.
Napfschildlaus Pulvinaria regalis Canard an
Park- und Alleebäumen. - Gesunde Pflan- Kment, P.; Vahala, O.; Hradil, K. (2006): First re-
zen 48(6): 221–223. Berlin. cords of Oxycarenus lavaterae (Heteroptera:
Oxycarenidae) from the Czech Republic,
with review of its distribution and biology.
- Klapalekiana 42: 97–127. Praha.
Schulze: Zum Auftreten der Linden- oder Malvenwanze in Westfalen 87
Rabitsch, W. (2008): Alien True Bugs of Europe Wermelinger, B.; Wyniger, D.; Forster B. (2005):
(Insecta: Hemiptera: Heteroptera). - Zoo- Massenauftreten und erster Nachweis von
taxa 1827: 1–44. Auckland. Oxycarenus lavaterae (F.) (Heteroptera,
Lygaeidae) auf der Schweizer Alpennord-
Rabitsch, W. (2010): Chapter 9.1. True Bugs (He- seite. - Mitt. Schweiz. Ent. Ges. 78: 311–316.
miptera, Heteroptera). In: Roques, A.; Kenis,
M.; Lees, D.; Lopez-Vaamonde, C. ; Rabitsch, W.; Nach Einreichen des Manuskriptes, aber
Rasplus, J.-Y. ; Roy, D. B. (eds.): Alien terrest- noch vor der Drucklegung konnte die
rial arthropods of Europe. - BioRisk 4(1): gerade erschienene Arbeit von Peter Schäfer
407–433. Sofija. [doi: 10.3897/biorisk.4.44; eingesehen werden, darin werden eine Reihe
www.pensoftonline.net/biorisk] aktueller Fundnachweise (alle von 2019) der
Lindenwanze aus dem westlichen Westfalen
Rabitsch, W. & Adlbauer, K. (2001): Erstnachweis mitgeteilt:
und bekannte Verbreitung von Oxycarenus
lavaterae (Fabricius, 1787) in Österreich Schäfer, P. (2019): Faunistisch bemerkenswerte
(Heteroptera: Lygaeidae). - Beitr. Entomo- Wanzen aus Nordrhein-Westfalen (Insecta:
faunistik 2: 49–54. Wien. Heteroptera) III. - Natur u. Heimat 79:
105–120. Münster.
Schmitz, G. (1997): Zum Wirtspflanzenspek-
trum von Pulvinaria regalis Ca[r]nard (Hom.,
Coccidae). - Gesunde Pflanzen 49: 43–49.
Berlin.
Inhalt Seite
1 Einleitung 89
2 Die Eggemoore 89
3 NATURA 2000 und LIFE 91
3.1 Was ist LIFE? 91
3.2 Ablauf und Aufbau von LIFE-Projekten 91
4 Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ 92
4.1 Planung 92
4.2 Grunderwerb bzw. langfristige Pacht von Moorflächen 119
4.3 Konkrete Erhaltungsmaßnahmen des LIFE-Projektes 120
4.4 Öffentlichkeitsarbeit 125
4.5 Projektsteuerung 127
4.6 Wie geht es weiter? 127
5 Literatur 128
Verfasser:
Peter Rüther, Biologische Station Kreis Paderborn-Senne, Birkenallee 2, 33129 Delbrück
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 89
wiegend zum Landschaftsraum „Egge und gangsbereich zwischen dem maritimen Klima
Eggevorland“, der im äußersten Westen vom in Westeuropa und dem kontinentalen Klima
Landschaftsraum „Paderborner Hochfläche“ in Osteuropa. Das Klima im Projektgebiet ist
abgelöst wird. Das Gebiet wird von dem gemäßigt kontinental mit schwachen subat-
fast vollständig bewaldeten und in Nord- lantischen Einflüssen.
Süd-Richtung verlaufenden Höhenzug des Die Vorflut der „Eggemoore“ ist auf die
Eggegebirges sowie dessen Übergänge in die Sauer ausgerichtet, welche im Sauerbachtal
umgebende Landschaft bestimmt. Während entspringt, zunächst nach Westen fließt, spä-
das „Eselsbett“ von Offenland umgeben ist, ter in nordwestlicher Richtung und nördlich
sind die beiden anderen Teilgebiete in Wald- von Lichtenau in nördliche Richtung fließt. Im
flächen eingebettet. Teilgebiet „Schwarzes Bruch“ entwässert der
Das Geländeniveau im ca. 11 ha großen südliche Teil an dem Gut Bülheim direkt in die
Teilgebiet „Eselsbett“ verläuft entlang der Sauer, der mittlere und nördliche Teil entwäs-
Ostseite auf etwa 327 bis 333 Meter NN und sern über ein nach Norden verlaufendes Gra-
fällt von hier in westlicher Richtung deutlich bensystem in den Odenheimer Bach. Dieser
ab. Am Westrand betragen die Geländehöhen hat seinen Oberlauf im Teilgebiet „Schwarzes
dann nur noch etwa 322 bis 320 Meter NN. Bruch“ in Form einer ausgedehnten, sehr
Das Teilgebiet „Schwarzes Bruch“ befindet flachen Quellmulde, die im Laufe des Quartärs
sich in einer ungefähr in Nord-Süd-Richtung vollständig vermoort ist.
verlaufenden Geländesenke. Im mit ca. 22 ha Das Festgestein ist weiträumig von einer
größeren Südteil ist das Gelände relativ eben nur dünnen Quartär-zeitlichen Lockerge-
ausgebildet mit Geländeniveaus in der Band- steinsdecke (< 2 m) überdeckt; nur in den
breite von etwa 341 bis 342 Meter NN. Im ca. Talbereichen von Sauerbach und Odenheimer
8 ha umfassenden Nordteil steigt das Gelände Bach sowie im weiteren Umfeld vom „Esels-
deutlich nach Südwesten auf bis zu etwa 344 bett“ erreichen sie stärkere Mächtigkeiten
Meter NN an. Die im Teilgebiet „Sauerbachtal als 2 Meter. Bei der Überdeckung handelt es
Bülheim“ gelegenen weiteren fünf kleinen sich um Torf, Auenlehm, Schwemmlehm und
Teilflächen mit Flächengrößen zwischen ca. Fließerde.
0,09 ha und 0,63 ha liegen hier auf Geländeni- Der oberflächennahe Wasserhaushalt der
veaus von etwa 317,5 Meter NN (Westteil) bis Teilgebiete wird wesentlich geprägt durch
etwa 328,5 Meter NN (Ostteil). die geohydraulischen Eigenschaften des Fest-
Die Bodenübersichtskarte für Nordrhein- gesteinskörpers und die weiträumige Erstre-
Westfalen (Maßstab 1:50.000) weist für das ckung der unterirdischen Einzugsgebiete. In
Teilgebiet „Eselsbett“ und dessen Umfeld den drei Teilgebieten stehen Kreide-zeitliche
überwiegend Gleye, Braunerden und Nieder- Sandstein-Komplexe in Form des Gault- und
moorböden auf. Daneben sind Kolluvien und Osning-Sandsteins an. Nach der Hydrogeolo-
Podsol-Braunerden vorhanden. Im Teilgebiet gischen Karte Blatt L4318 Paderborn bilden
„Schwarzes Bruch“ herrscht Niedermoor vor. diese Sandsteine einen zusammenhängenden
Im Nordosten tritt Stagnogley großflächiger Grundwasserleiter. Das Grundwasser bewegt
hinzu. Äußerst randlich findet sich zudem sich hierbei überwiegend in einem gut was-
Braunerde. Die Niederung der Sauer wird von serleitenden Kluftsystem. Das weniger gut
Niedermoorböden bestimmt. Die Hanglagen wasserwegsame Porensystem des Sandsteins
werden von Podsol-Braunerden eingenom- stellt einen guten Speicher dar, welcher sein
men. Wasser quasikontinuierlich abgibt. So ist dann
Nordrhein-Westfalen gehört zur gemäßig- auch in dem grundwasserneubildungsarmen
ten Klimazone Mitteleuropas im Bereich der Sommerhalbjahr an den Quellaustritten die-
Westwindzone und befindet sich im Über- ses hydrogeologischen Systems eine stetige
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 91
Grundwasserexfiltration gegeben. Dies ist ein VS- und der FFH-RL ein zentraler Baustein
begünstigender Faktor für die Standorteigen- gewesen. LIFE ist damit ein wichtiges Instru-
schaften von Extremstandorten wie Mooren. ment zur Umsetzung von NATURA 2000, dem
Die ältesten Festgesteinsschichten stehen zusammenhängenden Netz von Schutzgebie-
im Sauerbachtal rechtsseitig an. Dies sind ten innerhalb der Europäischen Union (EU).
Schichten des Oberen Buntsandstein der Das Land Nordrhein-Westfalen nutzte das
Serien Röt 2 und Röt 3. Aufgebaut werden Förderinstrument LIFE von Anfang an sehr
diese von Ton- und Schluffstein. Aufgrund intensiv und hat potentielle Antragsteller für
ihrer wasserstauenden Eigenschaften tritt das LIFE-Projekte stets professionell begleitet.
in dem auflagernden Osning-Sandstein zirku- Daher wurden bzw. werden bisher 36 LIFE-
lierende Grundwasser hier bevorzugt zu Tage. Naturschutz-Projekte in NRW mit einem Bud-
(Angaben aus K aiser et al. 2016 sowie Meyer & get von mehr als 100 Mio. Euro durchgeführt.
Gries 2016) Aktuell gibt es 13 laufende Projekte, Stand
September 2019.
3 NATURA 2000 und LIFE 3.2 Ablauf und Aufbau von LIFE-Projekten
3.1 Was ist LIFE? Jede neue Phase von LIFE beginnt damit,
dass die EU-Kommission eine Verordnung
Die Buchstabenkombination „LIFE“ steht über die Förderkriterien und die Zuschussre-
als Abkürzung für ein Finanzierungsinstru- gelungen erlässt. Dann werden in einem jähr-
ment der Europäischen Union (L’Instrument lichen Aufruf (sog. calls for proposals) Antrag-
Financier pour l’Environnement). Seine steller aufgefordert, Anträge einzureichen. In
Entstehung beruht auf der Verabschiedung einer Bewertungs- und Beratungsphase wird
der EU-Vogelschutzrichtlinie (VS-RL) im Jahr dann in jedem Jahr darüber entschieden,
1979 sowie der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie welche der eingereichten Anträge gefördert
(FFH-RL) im Jahr 1992. Die auf Grundlage werden. Die Anträge sind sehr umfangreich
dieser beiden EU-Richtlinien benannten bzw. und beinhalten eine vollständige Planung al-
ausgewiesenen Schutzgebiete bilden das eu- ler im Laufe des Projektes durchzuführenden
ropaweite Schutzgebietsnetz NATURA 2000. Maßnahmen, mit entsprechenden Begrün-
Mit der Verabschiedung dieser wichtigen dungen und Finanzplanungen. Seit 2017 gibt
Naturschutzrichtlinien wuchs die Erkenntnis, es ein zweiphasiges Antragsverfahren, d. h.,
dass eine finanzielle Förderung zur Erhaltung dass die Antragsteller zuerst eine Projektskiz-
und Verbesserung der Lebensräume und ze einreichen und erst nach einer positiven
Arten, die in den Richtlinien benannt sind und Bewertung durch die EU einen vollständigen
für die Schutzgebiete ausgewiesen werden Antrag stellen dürfen. LIFE-Projekte verlangen
müssen, unerlässlich ist. So wurde 1992 ein eine nationale Kofinanzierung in gleicher
einheitliches Finanzierungsinstrument für Höhe wie der EU-Anteil, die in NRW in der
Umwelt- und Naturschutzvorhaben auf eu- Vergangenheit in der Regel vom nordrhein-
ropäischer Ebene geschaffen und erhielt die westfälischen Umweltministerium erbracht
einprägsame Abkürzung „LIFE“. wurde. Da das Land NRW LIFE-Projektideen
Bis heute durchlief LIFE verschiedene Pha- vor einer Antragstellung an die EU prüft,
sen mit geänderten Förderschwerpunkten gab und gibt es hier eine zusätzliche landes-
und Verwaltungsabläufen. Von Anfang an interne Projektphase.
bis heute ist aber stets die Förderung von Die Erarbeitung eines Antrages für ein LIFE-
Maßnahmen für Lebensräume und Arten der Projekt ist sehr aufwändig. LIFE-Projekte sind
92 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
in der Regel keine kleinen Projekte, sowohl Die Gesamtkosten für das LIFE-Projekt
in Bezug auf die Maßnahmen und das damit „Eggemoore“ in Höhe von rd. 1,8 Mio. Euro
zusammenhängende Finanzvolumen als werden aufgebracht von der Europäischen
auch in Bezug auf die Laufzeit (in der Regel Union (rd. 50 %), vom Land Nordrhein-
dauern LIFE-Projekte 5 Jahre). Als sehr gro- Westfalen (rd. 30 %) und vom Landesbetrieb
ben Richtwert kann man angeben, dass die Wald und Holz NRW (rd. 20 %). Die Biologische
Antragstellung für ein LIFE-Projekt etwa 2–3 Station verfügt über keine Eigenmittel und
Monate Arbeitszeit erfordert. brachte einen geringen symbolischen Betrag
In den Projektanträgen müssen alle Maß- als Eigenanteil in das Projekt ein.
nahmen aufgeführt sein, die in der Projekt-
laufzeit umgesetzt und für die Mittel der EU
eingesetzt werden sollen. Die Maßnahmen
werden gegliedert in: 4 Das LIFE-Projekt „Eggemoore“
• A-Maßnahmen: Vorbereitende Maßnah-
men, Ausarbeitung von Managementplä- Der Antrag für das LIFE-Projekt „Eggemoo-
nen und / oder Aktionsplänen re“ wurde im September 2012 bei der Euro-
• B-Maßnahmen: Kauf / langfristige Ver- päischen Kommission eingereicht und nach
pachtung von Grundstücken und / oder einer Revisionsphase Anfang 2013 mit Un-
Ausgleichszahlungen für Nutzungsrechte terzeichnung einer Finanzhilfevereinbarung
• C-Maßnahmen: Konkrete Erhaltungsmaß- („Grant Agreement“) für das Projekt „LIFE12
nahmen NAT/DE/000136 Schutz und Entwicklung der
• D-Maßnahmen: Überwachung der Auswir- Moor-Lebensräume im südlichen Eggegebir-
kungen der Projektmaßnahmen (Monito- ge“ im August 2013 bewilligt. Projektbeginn
ring) war der 1. Juli 2013. Das Projekt war ursprüng-
• E-Maßnahmen: Sensibilisierung der Öffent- lich bis zum 30.06.2018 befristet, wurde aber
lichkeit und Verbreitung der Ergebnisse zwischenzeitlich aus verschiedenen Gründen
• F-Maßnahmen: Gesamtprojektdurchfüh- bis zum 31.12.2019 verlängert.
rung und Überwachung des Projektfort-
schritts
4.1 Planung
Einige Maßnahmen des LIFE-Projektes
„Eggemoore“ wurden von den drei Projektbe- Wie in jedem großen und komplexen
günstigten selbst durchgeführt, mit anderen Naturschutzvorhaben bildete auch im
Maßnahmen wurden externe Firmen beauf- LIFE-Projekt „Eggemoore“ eine detaillierte
tragt. Fachplanung die Grundlage für die Umset-
Die finanziellen Mittel, die zur Umsetzung zung konkreter Erhaltungsmaßnahmen in
eines LIFE-Projektes bewilligt werden, müssen den Schutzgebieten. Mit der Erstellung eines
in einem Finanzplan auf die o.g. Maßnahmen- Schutz- und Entwicklungskonzeptes wurde
typen und auf bestimmte Kostengruppen die Arbeitsgruppe Land und Wasser (ALW)
aufgegliedert werden, z. B.: aus Beedenbostel beauftragt. Teil 1 des Kon-
• Personalkosten zeptes ist ein hydrogeologischer Fachbeitrag,
• Reisekosten der von dem Ingenieurbüro Heidt + Peters aus
• Kosten für externe Unterstützung Celle bearbeitet wurde. Teil 2 des Konzeptes,
• Landkauf und Landpacht der Management- und Biotopverbundplan,
• Verbrauchsgüter wurde von ALW unter Beteiligung lokaler
• Andere Kosten Experten bearbeitet.
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 93
Abb. 3: Grundwasserstand von Messstellen im Teilgebiet „Schwarzes Bruch“ mit ungestörtem (3a) und gestörtem (3b)
Wasserhaushalt (aus Meyer et al. 2016)
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 95
Die obersten 0,10 bis 0,20 m des Torfkör- 4.1.2 Management- und Biotop-
pers bestehen in der Regel aus einer Weiß- verbundplan
torfauflage. Torfbildend sind Sphagnen der
Cuspidata-Gruppe. Es sind nährstoff-tolerie- Der zweite Baustein des Schutz- und
rende Arten, welche Schlenken-bildend sind Entwicklungskonzeptes ist der Manage-
und in Übergangsmooren und zum Teil auch ment- und Biotopverbundplan, der folgende
in Niedermooren Verbreitung finden. Darun- Anforderungen erfüllen soll (s. z. B. Bernotat et
ter lagert eine stark bis sehr stark zersetzte al. 2002, K aiser 2003):
Schwarztorfauflage. Die Torfe sind genetisch • Problemorientiertheit („so viel wie nötig
als Hang- und Quelltorfe einzustufen. Auch und so wenig wie möglich“)
auf ungestörten Standorten sind diese Torfe • Überschaubarkeit (die Stofffülle so aufberei-
hier meist stark zersetzt. Eine Ursache hierfür ten, dass Informationen einfach und schnell
kann der vergleichsweise hohe Sauerstoffge- auffindbar sind)
halt in zutretendem Quell- und Hangwasser • Nachvollziehbarkeit (Aussagen, Zielszena-
sein. rien und Entwicklungsziele folgerichtig in
Im Liegenden der Moorgebiete steht in einer Kausalkette aufbauen)
der Regel ein nur gering wasserdurchlässiges • Kontrollierbarkeit (Möglichkeiten bieten, die
Sediment in Form von Schluff, Fließerde oder Effizienz von Maßnahmen mit vertretbarem
stark verwittertem Festgestein an. Diese Aufwand zu prüfen)
grundwasserstauende Basis in Verbindung
mit oberflächennahen Hang- und Quellwas- Arbeitsschritte einer solchen Fachplanung
serzutritten sorgt für einen ganzjährig relativ sind eine Bestandsaufnahme, eine Bestands-
ausgeglichenen Wasserhaushalt. analyse (erste Aus- und Bewertungen), die
Definitionsgemäß ist Moor ab einer Torf- Ableitung von Zielvorstellungen, ein Soll-Ist-
mächtigkeit von 0,30 Meter gegeben. Auf Vergleich (Abweichung des realen Zustands
dem 11,6 ha großen Teilgebiet „Eselsbett“ ist vom Soll-Zustand), eine Ursachenanalyse
auf 7,0 ha Moor ausgebildet; im zentralen Teil sowie die Beschreibung konkreter Pflege- und
sind Torfmächtigkeiten von > 1 Meter gege- Entwicklungsmaßnahmen zur Erreichung des
ben, das Maximum beträgt hier 2,09 Meter. Soll-Zustandes (vgl. auch K aiser 1999).
Im Mittel hat der Torf im Eselsbett-Moor eine Zur Bestandsaufnahme gehören eine
Mächtigkeit von 0,75 Meter. Im „Schwarzes Beschreibung des Untersuchungsgebietes, die
Bruch“ ist auf der nördlichen und etwa 8,4 ha Ermittlung der aktuellen sozioökonomischen
großen Teilfläche der Moorkörper nur auf etwa Rahmenbedingungen, eine Analyse der Land-
0,54 ha ausgebildet; die mittlere Torfmächtig- schaftsgeschichte und Landschaftsentwick-
keit beträgt 0,37 Meter, die größte Torfmäch- lung, eine Beschreibung der aktuellen Nutzung
tigkeit wurde mit 0,69 Meter festgestellt. Auf und der bisher durchgeführten Maßnahmen
der südlichen Teilfläche, das eine Größe von des Naturschutzes sowie eine Zusammenstel-
22,3 ha hat, ist auf 14,3 ha Moor ausgebildet; lung von Daten zur biotischen Ausstattung. Die
die maximale Torfmächtigkeit beträgt 1,04 biotische Ausstattung des Projektgebietes soll
Meter und im Mittel sind es 0,59 Meter. Die im Folgenden näher betrachtet werden.
Torfmächtigkeiten im „Sauerbachtal Bülheim“
betragen bis zu 1,52 m, die mittlere Torfmäch-
tigkeit liegt zwischen 0,40 und 0,74 Meter. 4.1.2.1 Biotop- und Lebensraumtypen
(Angaben aus Meyer et al. 2016)
In Nordrhein-Westfalen erfolgen flächen-
deckende Erfassungen von Biotoptypen in
der Regel nach den Vorgaben des LANUV
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 97
Tab. 3 (Fortsetzung): Übersicht über bemerkenswerte Sippen im Untersuchungsgebiet mit Angaben zur Gefährdung
und zum Schutzstatus sowie zum Vorkommen
) Es handelt sich offensichtlich um eine Ansalbung und nicht um ein natürliches Vorkommen.
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Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 101
Tab. 3 (Fortsetzung): Übersicht über bemerkenswerte Sippen im Untersuchungsgebiet mit Angaben zur Gefährdung
und zum Schutzstatus sowie zum Vorkommen
) Es handelt sich offensichtlich um eine Ansalbung und nicht um ein natürliches Vorkommen.
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Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 103
Die für die Vegetationsaufnahmen ange- zehn Torfmoose), darunter 17 Arten der Roten
legten Dauerflächen wurden im Jahr 2014 Liste; die gefundene Art der Gattung Pellia
von Dr. Carsten Schmidt (Münster) auch muss noch durch weiteres Material verifiziert
nach den darin vorkommenden Moosarten werden. Außerhalb der Dauerflächen wurden
abgesucht. Insgesamt konnten 53 Moosarten weitere 22 Moosarten der Roten Liste gefun-
auf den Dauerflächen nachgewiesen werden den, so dass im Projektgebiet insgesamt 39
(13 Lebermoose und 40 Laubmoose, darunter Moosarten der Roten Liste vorkommen (Tab. 4).
Tab. 4 (Fortsetzung): Im Jahr 2014 nachgewiesene Moosarten der Roten Liste im Projektgebiet der „Eggemoore“
(Nomenklatur nach Schmidt 2011a, 2011b)
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 105
Tab. 5: Im Jahr 2014 nachgewiesene Brutvogelarten der Roten Liste NRW in den Teilgebieten der „Eggemoore“ mit
Angabe der Revierzahlen
Rote Liste für Nordrhein-Westfalen und das Weserbergland (RL NRW, RL WEBL) nach Sudmann et al. (2011): 0 = ausgestorben oder
verschollen, 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, R= durch extreme Seltenheit (potenziell) gefährdet,
G = Gefährdung unbekannten Ausmaßes, V = Vorwarnliste, D = Daten unzureichend, * = ungefährdet, S = dank Schutzmaßnahmen
gleich, geringer oder nicht mehr gefährdet (als Zusatz zu V, 3, 2,1 oder R), – = nicht nachgewiesen.
ESE = Teilgebiet „Eselsbett“ // SCH = Teilgebiet „Schwarzes Bruch“ // SAU = Teilgebiet „Sauerbachtal Bülheim“
106 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
zwischen März 2014 und Juli 2014 für die tag- zessionsflächen und ausgemagerten Grün-
aktiven Arten und mindestens zwei weiteren landflächen in der unmittelbaren Umgebung
Begehungsterminen zwischen März und Juli beobachtet werden. Im Teilgebiet „Schwarzes
für die nachtaktiven Arten. Erfasst wurden alle Bruch“ fehlen echte Hochmoorarten wie der
Arten der Roten Liste NRW nach der Methode Hochmoor-Perlmuttfalter (Boloria aquilonaris),
der Revierkartierung. Nach dem Ende der das Große Wiesenvögelchen (Coenonympha
Hauptkartierzeit erfolgten zur Kartierung tullia) und der Hochmoor-Gelbling (Colias
bestimmter Arten (Sperlingskauz, Haselhuhn) palaeno) vollständig und kamen dort auch
weitere Begehungen von September 2014 bis seit mindestens vierzig Jahren nicht mehr vor.
Ende 2015. Dabei konnten insgesamt 19 Arten
der Roten Liste NRW nachgewiesen werden
(Tab. 5).
Bei dieser Untersuchung wurden auf 14 fläche) vorkommt. Durch die (in Nordwest-
Probeflächen 25 Tagfalterarten und zwei Deutschland) enge Bindung an Moorlebens-
Widderchen-Arten festgestellt (Tab. 6). Be- räume ist die Art eine geeignete Leitart für die
merkenswert ist das Vorkommen des Sumpf- Entwicklung der Moorgebiete. Aktuell fehlen
veilchen-Perlmutterfalters (Boloria selene), den Teilgebieten des LIFE-Projektes nicht nur
der auf Teilflächen im Teilgebiet „Eselsbett“ echte Hochmoorarten – der letzte Nachweis
in hoher Dichte (> 50 Individuen pro Probe- des Hochmoor-Perlmutterfalters (Boloria
sein und auch als Falter die eng begrenzten Imagines wurden halbquantitativ durch
Habitate kaum zu verlassen, da sie bei Licht- Abgehen und Kontrolle der Gewässerufer
fängen am Rande des „Eselsbett“ bisher nicht erfasst. Dies erfolgte durch Sichtbeobachtung
registriert wurde. und gegebenenfalls Kescherfang. Außerdem
wurden weitere Beobachtungen protokolliert,
die auf Bodenständigkeit der Arten schließen
4.1.2.5 Libellen lassen (Schlupf, frische Tiere sowie Fortpflan-
zungsverhalten, wie Revierverhalten, Kopulae,
(Die Libellen der Eggemoore wurden von Tandems und Eiablage).
Matthias Lohr erfasst, s. K aiser et al. 2016) Als „bodenständig“ werden Funde frisch
Die Erfassung der Libellenfauna erfolgte geschlüpfter Tiere und Exuvien gewertet, als
an insgesamt 14 Gewässern in den beiden „potentiell bodenständig“ werden Arten mit
Teilgebieten „Eselsbett“ (5 Gewässer bei Fortpflanzungsverhalten (Revierverhalten,
7 Begehungen) und „Schwarzes Bruch“ (9 Tandem/Kopulation, Eiablage) an Gewässern,
Gewässer bei 9 Begehungen). Im Teilgebiet die ihren Habitatansprüchen entsprechen,
„Sauerbachtal Bülheim“ wurde lediglich eine eingestuft. Alle anderen Beobachtungen
stichprobenhafte Suche nach Larven der Ge- werden der Kategorie „Gast“ zugeordnet.
streiften Quelljunger (Cordulegaster bidentata) Insgesamt wurden an den 14 Gewässern 25
durchgeführt. Arten nachgewiesen. Davon wurden 16 Arten
mittels Exuvienfunden als bodenständig und
momentan fehlen. Die Art benötigt solche deutlich auf das hohe Besiedlungspotenzial
Gewässer, da größere submerse Torfmoos- zumindest durch die Kleine Moosjungfer
bestände das Larvalhabitat der Art sind (zum (Leucorrhinia dubia) hin.
Beispiel Sternberg & Buchwald 2000) und bei Im Teilgebiet „Eselsbett“ ist aufgrund der
größeren Wasserstandsschwankungen und momentan eher meso- bis eutrophen Wasser-
zum Teil temporärer Wasserführung sich nicht verhältnisse eine Besiedlung durch moortypi-
in größerem Umfang entwickeln können. sche Arten unter den aktuellen Bedingungen
Ähnliches gilt für die Kleine Binsenjungfer nicht zu erwarten. Aus naturschutzfachlicher
(Lestes virens), die Nordische Moosjungfer Sicht wertgebende Arten temporärer Gewäs-
(Leucorrhinia rubicunda), die Große Moos- ser, die potenziell hier vorkommen könnten,
jungfer (Leucorrhinia pectoralis) und die sind die Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum
Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica), flaveolum) und die Glänzende Binsenjungfer
welche zwar nicht eine solch enge Bindung (Lestes dryas).
an Torfmoosbestände besitzen wie die Kleine Aufgrund des guten Kenntnisstandes zur
Moosjungfer (Leucorrhinia dubia), jedoch Ökologie der Arten und auch zu den regio-
ebenso auf permanente Gewässer mit einer nalen Vorkommensschwerpunkten lässt sich
Mindesttiefe von mehreren Dezimetern sowie eine Artengruppe aus vier Arten definieren,
nicht zu starken Wasserstandsschwankungen die im Weserbergland bevorzugt Moorle-
angewiesen sind. bensräume besiedelt: Torf-Mosaikjungfer
Im Teilgebiet „Schwarzes Bruch“ soll mit (Aeshna juncea), Speer-Azurjungfer (Coena-
der Anlage und Entwicklung von Gewässern grion hastulatum), Gemeine Binsenjungfer
durch Erhöhung und Stabilisierung der (Lestes sponsa) und Schwarze Heidelibelle
Wasserstände vor allem im südlichen Teil die (Sympetrum danae). Diese Arten kommen im
Ansiedlung moortypischer Arten gefördert Teilgebiet „Schwarzes Bruch“ vor. Im Teilge-
werden. Dabei ist nicht unbedingt davon biet „Eselsbett“ fehlten sie zu Projektbeginn,
auszugehen, dass eine solche Besiedlung kommen hier aber mittlerweile vor. Die im
rasch stattfinden wird, da Vorkommen der „Eselsbett“ zu Projektbeginn vorgefundenen
entsprechenden Arten in der Senne oder im Arten sind weit verbreitete Arten mit einem
Schwalenberger Wald mindestens 20 bis 30 breiten Spektrum besiedelter Lebensräume
km entfernt liegen. Die Beobachtung einzel- (Frühe Adonislibelle – Pyrrhosoma nymphula,
ner, vagabundierender Moosjungfern (Leu- Hufeisen-Azurjungfer – Coenagrion puella
corrhinia cf. dubia) im Jahr 2014 weist jedoch und Blutrote Heidelibelle – Sympetrum sangu-
ineum).
zu wissen, wann und an welchen Stellen „A: 5 Morgen […] an den Sieckmann in Schwar-
Entwässerungsmaßnahmen oder Aufforstun- zebruch zur Ackernutzung verpachtet“
gen durchgeführt wurden. Von Interesse sind „B: 5 Morgen an (...) Huck zu Kleinenberg zur
auch Torfstiche und eventuelle Eingriffe zur Torfnutzung verpachtet (...)“ und
Nutzbarmachung (Meliorationen). „C: 9 Morgen, welche der Gutsbesitzer Tenge, als
Für Recherchen zur Nutzungsgeschichte Besitzer der Glashütte Marschallshagen, zur
der „Eggemoore“ leisteten zwei Praktikantin- Torfnutzung zu pachten wünscht“.
nen der Biologischen Station wertvolle Hilfe.
Verena Laustroer und Annkathrin Hömberg Fläche C ist mit einer Bleistiftzeichnung um
recherchierten im Kreisarchiv in Büren und im eine größere Fläche ergänzt (D B 6 Neuenheer-
Landesarchiv in Detmold. In Büren waren Do- se 369). Diese Karte lässt sich insoweit zeitlich
kumente ab 1920 zu finden, im Landesarchiv eingrenzen, als dass der erwähnte Gutsbesit-
konnten u.a. Unterlagen des Forstamtes Neu- zer Tenge die Glashütte Marschallshagen 1831
enheerse ab etwa 1825 eingesehen werden. erworben hat, der Betrieb frühestens 1836
Diese Unterlagen wurden soweit möglich aufgenommen wurde und die Fabrik 1864 an
ausgewertet. Weitere Unterlagen fanden sich einen anderen Fabrikanten weiter verpachtet
bei der Bezirksregierung Detmold. Außerdem wurde und 1880 der Betrieb ganz eingestellt
wurde die verfügbare Sekundärliteratur aus- wurde. Sie datiert also auf 1831–1864 und ist
gewertet. damit die älteste gefundene Kartendarstel-
Im Teilgebiet „Eselsbett“ ist eine der ehe- lung zum Teilgebiet „Schwarzes Bruch“.
maligen Torfstichkanten auch heute noch gut Über die tatsächliche Nutzung der zur
im Gelände zu erkennen. Sie bildet eine gut Verpachtung vorgesehenen Grundstücke
sichtbare Geländemarke. Bilder im Bestand liegen keine weiteren Dokumente vor. Dass
des LWL Medienzentrums aus dem Jahr 1975 die Nutzung dennoch ausgiebig war und
(Bildautor: Hans Hild) vermitteln einen guten die gekennzeichneten Flächen in Folge im
Eindruck von der Situation fünf bis sechs Sinne des Eigentümers weitgehend melioriert
Jahre nach Ende des Torfabbaus. Im Teilgebiet waren, zeigt ein weiteres Dokument in der
„Schwarzes Bruch“ sind die menschlichen Ein- Akte. In einem Brief des Ministeriums für
griffe nicht auf den ersten Blick auszumachen. Landwirtschaft, Domänen und Forsten an die
Doch auch hier sind z.B. im digitalen Gelände- Königliche Regierung vom 18. Juli 1880 ge-
modell Gräben und Torfstiche zu erkennen. nehmigt diese, dass die „nahezu ausgenutzte,
Ende Mai des Jahres pachtlos gewordene
Forstbetriebsfläche im Distrikt 78/ neu86/
4.1.3.1 Nutzungsgeschichte des Teilge- der Oberförsterei Neuenheerse, nicht weiter
bietes „Schwarzes Bruch“ verpachtet, sondern aufgeforstet wird.“ und
weiter „Wenn die Aufforstung der Fläche
Erste Kartendarstellungen des „Schwarze- nich[t](?) in der nächsten Zeit ausführbar ist,
bruch“ stammen etwa aus der Zeit von 1848 ist die Fläche in der Zwischenzeit durch Ver-
bis 1875. Eine Karte (Abb. 10) trägt den Titel: pachtung zur Viehweide nutzbar zu machen.“
„Situationsplan von den zur Acker und Torf- Eine weitere Karte im Landesarchiv Det-
nutzung verpachteten Flächen im Forstdistrict mold, die vermutlich nach der Karte in Abb.10
Schwarzebruch, Forstrevier Neuenheerse“. entstanden ist, zeigt im südlichen Teil des
Hier sind drei Flächen eingezeichnet und be- Teilgebietes „Schwarzes Bruch“ einen Torf-
schriftet (vergleiche Replik des Originals). Jede stich, dessen Größe mit 3,447 ha angegeben
der Flächen wird in einer Legende genauer ist. Auch der heutige Borstgrasrasen im west-
beschrieben: lichen Teil ist als Acker mit 1,299 ha markiert.
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 117
enthielte, der sich zu Brennzwecken eigne. Die se geplant. Bei günstiger Witterung rechne
Firma sei bereit, diesen Torf auszubeuten und man damit, dass die Abtorfung in zwei Jahren
für den Kreis Büren zu verwenden. Der Autor beendet sei. Nölting erklärt zudem, er wolle
schreibt, die Oberförsterei Neuenheerse sei die Verantwortung übernehmen, aus den Flä-
nicht abgeneigt, die Abtorfung zu genehmi- chen in den nächsten 10 Jahren brauchbares
gen. Man weist darauf hin, dass die Abtorfung Ackerland und Wiesen herzurichten. Am 10.
des Ödlandes für landwirtschaftliche Zwecke Oktober 1920 erklärt man sich dem Vorschlag
äußerst nützlich sein werde. Zu dieser Zeit der Forstdirektion einverstanden, den Forst-
herrschte offenbar eine große Brennstoffnot fiskus mit einem Prozentsatz am Reingewinn
im Kreis Büren. zu beteiligen. Nölting legt ein „Promemoria“
In einem Vertrag wurden „Vereinbarungen vor, aus dem sich die Vertragsbedingungen
zur Entnahme von Torferde aus dem Esels- ergeben sollen:
bett und dem Schwarzen Bruch“ zwischen Gebiet: Südlich der Straße nach Willebades-
Wilhelm Nölting & Co und der Oberförsterei sen liege das 80 Morgen große Schwarze
Neuenheerse abgemacht: Die Firma Nölting Bruch, nördlich davon das 56 Morgen große
erhält Erlaubnis aus dem südlichen Teil des Eselsbett; beide Moore seien als Hochmoore
Schwarzen Bruches „Moor“ zu entnehmen. anzusprechen und lieferten vorzüglichen
„Die abgetorften Flächen sind zu ebnen, asche-armen Brenntorf, wobei das Schwarze
Löcher und Wälle dürfen hierauf nicht zurück- Bruch älter und damit geeigneter sei.
bleiben“, Gräben bedürfen der Genehmigung Historie: In den 70er Jahren des 19. Jahrhun-
durch das Kreisbauamt Büren. Das Anlegen derts „bezogen die Bewohner der umliegen-
offener Feuerstellen auf dem Moor ist zur den Ortschaften aus diesen Moorfeldern ihren
Verhütung von Waldbränden strengstens un- Brenntorf“, da dann Kohlelieferungen einsetz-
tersagt. Für jeden Kubikmeter trockenen Torfs ten, brauchte man das Moor nicht mehr, es
zahlt die Firma der Forstkasse zu Lichtenau geriet in Vergessenheit. In den letzten Jahren
nach erfolgter Aufmessung 6 Mark. Am 10. (vor 1920) gewann es wieder an Bedeutung.
August 1920 meldet die Firma Nölting an die Ab 1919 wurden Versuche unternommen,
Oberförsterei Neuenheerse, dass man, um die das Moor praktisch auf seine Brauchbarkeit
Abtorfung umsetzen zu können, Torfpressen zu prüfen. Versuchsweise wurde im Sommer
aufstellen werde und zudem Arbeiter und 1920 mit einem Gefangenen-Kommando
Gefangene beschäftigen wolle. im Schwarzen Bruch Maschinentorf herge-
Um Übersicht über die aufkommenden stellt. Dieser sei hervorragend geeignet für
Kosten zu bieten, reicht Nölting am 15.09.1920 Hausbrand und Kesselfeuerung. Die im Moor
eine detaillierte „Abrechnung über das ver- genutzte Lokomobile, die die Torfmaschine
suchsweise eingerichtete Torfwerk Schwarzes antrieb, verbrauchte 8 Centner Torf am Tag.
Bruch“ ein. Es seien 4500 Centner (oder mehr) Arbeiterfrage: Da man befürchtet, mit freien
Torf vorhanden, dessen Abbau 500 Mark im Arbeitern Lohnstreitigkeiten zu haben, erwägt
Monat kosten werde. Es wird beschrieben, man das Heranziehen von Strafgefangenen,
das erste Jahr sei ein Versuchsjahr, man hoffe das sei auch wesentlich günstiger.
erst noch auf die endgültige Übertragung Erforderliche Mittel: eine Baracke, 3 Lo-
der Flächen an die Firma Nölting. Folgender komobilen, 5 Torfpressen, Gerätschaften,
Plan wurde vorgelegt: Man wolle mit drei Verschiedenes (185.000 Mark) // Arbeiter
Torfpressen auf der Südseite des Schwarzen (270.600 Mark) // - Betriebsunkosten : Miete
Bruches beginnen (das Schwarze Bruch für 4000 m Feldbahngleise und Kippwagen,
enthalte 30.000 cbm abtorfbare Moormenge, Transportkosten, Gehälter für höhere Arbeiter
das entspreche 120.000 Centnern trockenen (12.500 Mark)
Torfes). Für das Eselsbett sei nur eine Torfpres- Produktionsmengen: 140 Centner am Tag,
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 119
4.3.2.2 Bau von Moordämmen Unternehmer und von Experten aus anderen
Moorschutz-Projekten eingebracht wurde.
Durch Moordämme werden diffuse Große Probleme bereitete z. B. die Tatsache,
Wasserabflüsse unterbunden, die durch dass viele Wasserlöcher und Schwimmdecken
Torfabbau entstanden sind und in Richtung bei der Planung gar nicht berücksichtigt
auf die Moorrandbereiche verlaufen. Die werden konnten, weil sie erst erkennbar
Moordämme halten das aus Niederschlägen wurden, als die Weiden entfernt waren. Au-
resultierende Oberflächenwasser zurück. ßerdem erfolgten als unmittelbare Folgen
Bei Hangmooren mit einem leichten Gefälle der Gehölzrodungen Störungen der oberen
erfolgt dies auf unterschiedlich hoch gele- Torfstrukturen, wodurch die Tragfähigkeit
genen Teilflächen. Die Struktur von Damm- des stark wassergesättigten Bodens weiter
systemen muss an die Morphologie des eingeschränkt wurde. Da die Torfdämme nur
jeweiligen Moores angepasst werden. Jeder dort hätten aufgebaut werden können, wo
einzelne Damm verläuft hierbei jeweils auf
einem Höhenniveau. Diese Form der Wasser-
rückhaltung wurde im Teilgebiet „Eselsbett“
umgesetzt. Im Teilgebiet „Schwarzes Bruch“
wurden am Südwestrand des Gebietes
zwei Moordämme angelegt, von denen
einer die Funktion einer alten Spundwand
aus Kunststoff übernimmt, die mittlerweile
spröde und brüchig geworden war. Ein
weiterer Moordamm wurde im Norden des
Teilgebietes „Schwarzes Bruch“ erforderlich
und sichert private Nachbargrundstücke vor
steigenden Grundwasserständen.
Bereits in der Antragsphase wurde erkenn-
bar, dass die Moor-Renaturierung im Teilge- Abb. 15: In den zentralen Abschnitten wurden die
biet „Eselsbett“ die größte Herausforderung Moordämme mit einem Holzkern gebaut
(Foto: Peter Rüther).
des Projektes sein würde. Ein wesentlicher
Grund dafür ist neben der ausgedehnten
Weiden-Sukzession das Fehlen konkreter
entwässernder Strukturen, wie sie in vielen
Mooren mit Torfabbau – so auch im Teilge-
biet „Schwarzes Bruch“ – vorhanden sind.
Stattdessen ist das „Eselsbett“ geprägt durch
eine raue Oberflächenstruktur mit vielen
kleinen oberflächlichen Rinnsalen, von denen
einige nur im Winter-Halbjahr erkennbar sind,
und nur wenigen erkennbaren Erosionsrin-
nen. Die Wiedervernässung im Teilgebiet
„Eselsbett“ konnte auch tatsächlich nicht
einfach wie aus einem Lehrbuch umgesetzt
werden. Vielmehr musste die Fachplanung Abb. 16: Schon kurze Zeit nach Fertigstellung der
Dämme im Teilgebiet „Eselsbett“ konnte man die
der Hydrologen mehrmals angepasst werden.
wasserstauende Wirkung erkennen – trotz der geringen
Dazu war externer Sachverstand erforderlich, Niederschläge und der hohen Temperaturen im Sommer
der glücklicherweise von einem erfahrenen 2018 (Foto: Peter Rüther).
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 125
Abb. 17: Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Abschlusstagung des LIFE-Projektes am 26.09.2019 in der Universität
Paderborn (Foto: Katrin Fieseler)
Rüther: Das LIFE-Projekt „Eggemoore“ – Natur- und Klimaschutz im südlichen Kreis Paderborn 127
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132 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Mit 3 Abbildungen
Es ist Ende September. Schönes Wetter. Auf Radweg verläuft auf einer Art Damm, rechts
meiner Radtour von Sennestadt nach Minden geht es recht steil in ein tiefer gelegenes klei-
habe ich in Bünde die Werre erreicht. Ich fahre nes Gehölz, unübersichtlich, mit viel Totholz.
auf dem besonders schönen Abschnitt des Beim Vorbeifahren fällt mein Blick auf einen
Werreradwegs zwischen Löhne-Bahnhof und liegenden Stamm unten mit einem auffälligen
Bad Oeynhausen. Jetzt liegt die Werre links weißen Fleck!
neben mir, vorbei an den Tennisplätzen, mein
Verfasser:
Thomas Kiper, Hunteweg 28, 33689 Bielefeld
134 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Boletus, 29, 2006, Heft 2, Seite 71 und 72 die Verfärbung zur Mitte hin bei den älteren
Exemplaren noch etwas fortgeschritten.
Heike Heklau & Heinrich Dörfelt zu ihren Nun beginne ich, das Terrain im Umkreis
Pilzfunden in der Mongolei: „Von besonderer von 50 Metern zu untersuchen, durch un-
Bedeutung scheint uns […] der vielhütige wegsames Unterholz und Totholz vorbei an
Porling zu sein, den wir in sehr ähnlicher vielen Schwefelköpfen, Glimmertintlingen,
Form in montanen Lärchenwäldern des Mon- Holzkeulen, Haustintlingen, Lackporlingen,
golischen Altai sammeln und als Polyporus Spitzschuppigen Stachelschirmlingen stoße
obductus BERK. [= Osteina obducta (BERK.) ich auf eine weitere Fundstelle des Knochen-
DONK] bestimmen konnten. Es ist eine selte- porlings, wieder auf einem liegenden Stamm,
ne, im wesentlichen Lärchen begleitende Art und dann noch eine, und dann noch eine. Ich
der borealen Zone und montaner Regionen bin glücklich! Ich bin sprachlos. Fotos machen.
der temperaten Zone der Holarktis. […] Irgendwann muss ich mich losreißen. Ich
Makroskopische Merkmale: mehrhütige Por- denke, ich hoffe, dass ich nun alle Knochen-
linge, Gesamtdurchmesser um 15 bis 25 cm, porlinge in Löhne entdeckt habe!
Einzelhüte meist seitlich, oft exzentrisch,
selten fast zentral gestielt. Hutdurchmesser
unregelmäßig meist um 4–6 cm. Hymeno- Meldung
phor schmutzig weiß, Röhren kurz, stets unter
3 mm lang. Trama weiß, Poren 0,2 mm (an Marieluise Bongards hat dankenswerter-
den Huträndern) bis 0,6 mm im Durchmesser, weise den Pilz getrocknet und am 5. Oktober
unregelmäßig, teils zusammenfließend. 2019 beim Treffen der Westfälischen Pilzfreun-
Röhrenwände besonders an den Stielen de in Alme vorgelegt. Die Prüfung ergab, dass
teilweise zahnförmig aufgelöst. Hymenophor es sich tatsächlich um den in Deutschland
weit am Stiel bis an den gemeinsamen Strunk bisher extrem selten gefundenen Knochen-
herablaufend, Poren hier längs orientiert und porling handelt. Die Fundstelle wird nun in
oft mehrere mm lang; Hutoberseite kahl, jung die Kartierung aufgenommen. Und ich werde
feinfilzig, schmutzig weiß bis blass hellbraun, auch im nächsten Jahr diese Fundstelle wieder
[…], trocken hellocker bis haselbraun; Oberflä- aufsuchen. Mal gucken!
che der Stiele und des gemeinsamen Strunkes
gleichfarbig […].“
Zwei widersprüchliche Hobbys
21.06. Sonnenbeobachtung
anschließend Björn Kähler: „Der
aktuelle Sternenhimmel und Neues
aus Raumfahrt und Forschung“
12.07. Sonnenbeobachtung
16.07. Björn Kähler und Globotom: „50 Jahre
Apollo 11 – Lange Nacht des Mondes“
musikalischer Themenabend
09.08. Sonnenbeobachtung
13.09. Björn Kähler: „Der aktuelle Sternen-
himmel und Neues aus Raumfahrt
und Forschung “
11.10. Beobachtungsabend
08.11. Beobachtungsabend
13.12. Björn Kähler: „Der aktuelle Sternen-
himmel und Neues aus Raumfahrt
und Forschung “
138 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Bericht aus dem Naturkunde- sehr lange greift und das Interesse von
Museum über das Jahr 2019 Grundschulen stark von den jeweiligen Son-
derausstellungen abhängt, kann zum jetzigen
von Isolde Wrazidlo, Sabine Palm und Mark Zeitpunkt noch keine Aussage über den Erfolg
Keiter dieser Maßnahme gemacht werden.
Am 07. November 2018 (Sitzung Nr.
Das Naturkunde-Museum blickt erneut KA/033/2018) beauftragte der Kulturaus-
auf ein ereignis- und arbeitsreiches Jahr 2019 schuss der Stadt Bielefeld das namu und die
zurück. Eines der großen Highlights war schon Verwaltung, mit Unterstützung des Förder-
früh im Jahr das große Familienfest zum vereins ein Zukunftskonzept für das Museum
25-jährigen Jubiläum unseres Fördervereins in räumlicher, personeller und konzeptionel-
am 3. März 2019. Über 500 Gäste feierten ler Hinsicht zu erstellen. Inzwischen wurde
mit und erlebten ein vielfältiges Programm: ein Grobkonzept vorgelegt. Eine Vorstudie
Mikroskopierstation (Abb. 1), Fossilien zum soll zeigen, ob die Neue Hechelei im Ra-
Anfassen, Schminkaktion, Bewegungspar- vensberger Park grundsätzlich als Museums-
cours, Seifenblasenwerkstatt, Samenbomben standort geeignet ist, bevor ein Fachbüro für
zum Selbermachen - und nicht zuletzt Heinz Museumsplanungen konkrete Konzeptionen
Flottmann live mit seiner "Kleinen Insekten- beginnen soll. Bereits im Stadium der Vorstu-
kunde". Ein rundum gelungenes Fest, das die sollen Experten des LWL-Museumsamtes
nur durch das großartige Engagement vieler für Westfalen beratend involviert werden,
Fördervereinsmitglieder gelingen konnte. um allen relevanten Museumsfunktionen den
notwendigen Raum zu geben.
liebtheit. Eine Lebendtier-Ausstellung ist für und durchgeführt wurden. Zusätzlich fand in
ein Naturkunde-Museum immer ein großes Kooperation mit der WissensWerkStadt Biele-
Wagnis. Nicht nur wegen des erheblichen feld eine 9-teilige Vortragsreihe statt.
Organisationsaufwands, sondern vor allem in
Bezug auf Sicherheit, tiergerechte Unterbrin-
gung und Betreuung. In all diesen Belangen
punkteten Familie Steige und Tierbetreuer
Markus Oulehla (Abb. 2) derart überzeugend,
dass wir uns entschlossen haben, in der ersten
Jahreshälfte 2020 erneut mit ihnen zusammen
zu arbeiten.
Abb. 4: Ausschnitt aus der Videoinstallation "Salienz". Abb. 5: Studenten des CeBiTec stellen ihre Mini-
Foto: Anastassia Gneiding. Präsentation „Synthetische Biologie“ vor.
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Bericht aus dem Naturkunde-Museum 141
einzelligen Krankheitserregern. Dazu wurde schen Einheit, die ansonsten nur noch anhand
DNA in einer Proteinhülle in die Erreger einge- alter, stark verfallener Steinbrüche studiert
bracht, wodurch diese unschädlich gemacht werden kann: dem Osning-Sandstein (Abb. 6).
werden konnten. Entsprechend groß war das Interesse, und
die Baugrube zog über mehrere Wochen Geo-
logen und Paläontologen - unter anderem des
1.6 Wanderausstellung "Land – Küste – namu, der Paläontologischen Bodendenkmal-
Meer" pflege Münster, des Geologischen Dienstes
NRW und der Ruhr-Universität Bochum - an.
Vom 6. April bis 3. November 2019 zeigte Zahlreiche Fossilien und Gesteinsproben
das Landesmuseum Natur und Mensch Ol- konnten geborgen werden, darunter auch
denburg die Wanderausstellung „Land - Küste eine Schichtfläche mit eingeregelten Belem-
– Meer: Einblicke in die Schatzkammern des niten und eine Stufe mit mehreren großen
Nordens“. Diese Ausstellung ist ein Gemein- Camptonectes-Muscheln. Beide Objekte sind
schaftsprojekt des Museumsverbundes der als paläontologische Bodendenkmäler ein-
Nord- und Ostseeregion e. V. ("NORe", siehe gestuft und befinden sich in der Obhut des
Barilaro 2017). Das Naturkunde-Museum Bie- LWL-Museums für Naturkunde Münster. Sons-
lefeld ist eines der elf Mitgliedshäuser dieses tige Proben sind in der Sammlung des namu
Verbundes und hat wie jedes Haus eine Vitri- archiviert. Die Ergebnisse der detaillierten
ne mit Originalobjekten aus seiner Sammlung Aufschlussaufnahme sind in diesem Band
bestückt. Schwerpunkt der Bielefelder Vitrine veröffentlicht (K aplan et al., 2019).
ist die erdgeschichtliche Entwicklung des
Mesozoikums und die immer wieder wech-
selnden Klima- und Umweltbedingungen 2.2 Molluskensammlung Andreas Scholz
während dieser Epoche.
Zuvor war die Ausstellung bereits in den Im Herbst 2019 wurde dem Naturkunde-
Räumen der Zoologischen Sammlung der Museum eine wissenschaftliche Mollus-
Universität Rostock zu sehen. Nächste Station kensammlung aus dem Nachlass von Herrn
wird Lübeck sein – im dortigen Museum für Andreas Scholz überlassen. Herr Scholz war
Natur und Umwelt gastieren die Bielefelder Diplom-Biologe und als langjähriger Mitar-
Fossilien vom 20. Februar bis 29. November beiter beim Umweltamt, Kreis Lippe tätig.
2020. Er verstarb im Sommer 2019 (Meier, 2019)
und äußerte noch zu Lebzeiten den Wunsch,
seine Sammlung als Schenkung an das Na-
2 Wissenschaft und Sammlung im namu turkunde-Museum Bielefeld zu übergeben.
2019 Die Sammlung umfasst über 1.600 terrest-
rische, limnische und marine Schnecken- und
2.1 Aufschluss Tönsberg Oerlinghausen Muschelarten sowohl regionaler als auch
europäischer bzw. außereuropäischer Her-
Zu Beginn des Jahres 2019 machte der kunft, daneben auch Alkoholpräparate und
Abriss der alten Jugendherberge Oerling- entsprechende Fachliteratur (Abb. 7).
hausen am Tönsberg und die Planungen für Von besonderem Interesse ist eine kleinere
ein umfangreiches Neubauprojekt auf dem Teilsammlung verschiedener Großmuschelar-
betreffenden Grundstück von sich reden. Die ten (Unionidae), deren Biologie, Verbreitung
umfangreichen Ausschachtungsarbeiten zum und Ökologie im ostwestfälischen Raum von
Bau einer Tiefgarage sorgten für hervorragen- Herrn Scholz im Rahmen eines Auftrags des
de Aufschlussverhältnisse in einer geologi- Regierungspräsidenten Detmold im Jahr 1992
142 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
effektiven Amphibienschutz, weshalb Brigitte Und dies alles trotz zunehmender Erschwer-
Bender diese Daten auch der Stadt Bielefeld nisse wie Flächenverbrauch durch Gewerbe
zur Verfügung stellt und zusätzlich in wis- oder Wohnungsbau entlang von Amphibien-
senschaftlichen Aufsätzen analysiert. Hinzu routen und Amphibienlebensräumen, immer
kommt ihre Aufgabe bei der Koordination der weniger ehrenamtlicher Sammler oder sich
ehrenamtlichen Sammler an etlichen Straßen verschlechternder Zustände etlicher Kleinge-
in Bielefeld, das Auswerten der Stundenzettel wässer. Hinzu kommen unerfreuliche nächt-
der Sammler, damit diese eine Aufwands- liche „Begegnungen“, Müllablagerungen am
entschädigung erhalten können, sowie ihr Zaun, Zaunzerstörungen jeglicher Art etc.
Bemühen, neue Sammler anzuwerben, u. a. Und dies – nicht zu vergessen – ehrenamtlich,
durch gezielt hierzu gehaltene Vorträge. Vor aber vom Stundeneinsatz quasi wie ein Voll-
allem aber die praktische Arbeit hat es ihr und zeitjob. Der Verein freut sich daher sehr, dass
ihren Mitstreitern seit Jahrzehnten angetan. Brigitte Bender aufgrund dieses beachtlichen
Während andere, besonders im Alter von Bri- Engagements, auch im Namen ihres Teams, als
gitte Bender, längst abends „wohlig“ im Bett eine von nur sechs Bielefelder Frauen für den
liegen, ist sie wie andere Amphibienbetreuer Bielefelder Frauenpreis 2018 nominiert wurde,
auch Nacht um Nacht fast das ganze Jahr über, eine große Ehre. Der Vorstand gratulierte ihr
vor allem aber in der Zeit zwischen März und während der Mitgliederversammlung herzlich
November an Straßen unterwegs, um Tiere zu dieser großen Auszeichnung.
vor dem sicheren Straßentod zu bewahren. Im weiteren Verlauf der Jahreshauptver-
sammlung war auch die Annahme eines
Angebotes vom Naturwissenschaftlichen
Verein in der Bielefelder Naturschule positiv
zu vermelden. So wanderte eine 6. Klasse des
Gymnasiums am Waldhof unter fachlicher Be-
treuung von Claudia Quirini-Jürgens begeis-
tert von ihrem Gymnasium am Waldhof bis
zu einem Amphibienzaun am Poetenweg, um
dort beim Sammeln der Amphibien zu helfen.
Eine tolle Klasse, die wahrlich begeistert von
den Tieren am Zaun war und sehr behutsam
mit den Tieren umging, aber auch vorab
durch ihre sehr engagierten und interessier-
ten beiden Biologie-Lehrerinnen ins Thema
eingeführt worden war. Die Klasse wanderte
am Ende auch komplett wieder zurück, aus
Sicht der Vorsitzenden ein inzwischen selten
gewordenes Ereignis, da man kaum noch
Wanderungen von Klassen erlebt oder aber
die Kinder reisen per Bus oder Elterntaxi an.
Somit ein schöner Tag und aus Sicht aller Be-
teiligten ein großer Erfolg. Inzwischen kamen
weitere Anfragen von Lehrern zum Jahr 2020,
Der Vorstand überreichte während der Jahreshaupt- es bleibt somit zu hoffen, dass unser Verein
versammlung Brigitte Bender ein passendes Präsent
zum Thema „Amphibien und Frühjahrswanderung“ als
auch über die Bielefelder Naturschule wieder
Dankeschön für die geleistete Arbeit, stellvertretend etwas bekannter bei Kinder- und Jugendver-
auch im Namen der gesamten AG Amphibien anstaltungen wird.
146 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
zeigt, dass es immer noch gute Kooperation Die Jahrestagung startete mit dem Vortrag
mit der Presse geben kann, möglicherweise in von Thomas Finke (Abteilungsleiter der
kleineren Orten besser als in einer Stadt wie Grünunterhaltung und Ausbildung im Um-
Bielefeld mit vielen Akteuren, die in der Presse weltbetrieb der Stadt Bielefeld) zum Thema
genannte werden möchten. „Naturnahe Flächenpflege im Stadtgrün – ein
Im Anschluss an die Mitgliederversamm- lösbarer Widerspruch?“
lung dankte Claudia Quirini-Jürgens allen Herr Finke erläuterte die Maßnahmen der
Anwesenden und Vereinsmitgliedern für die Grünunterhaltung zur naturgemäßen Flä-
vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten. chenpflege im Rahmen des Biodiversitätspro-
jektes „Urban NBS“ im Grünzug „Schlosshof-
bach“. Die positiven Ergebnisse des Projektes
Jahrestagung 2019 sollen zukünftig Anlass dafür sein, weitere
Wiesen- und Gebrauchsrasenflächen im Biele-
Die Jahrestagung des Naturwissenschaftli- felder Stadtgebiet unter dem Gesichtspunkt
chen Vereins fand am 10.11.2019 im Vortrags- der Steigerung der Biodiversität zu entwi-
saal des Historischen Museums Bielefeld statt. ckeln. Herr Finke stellte dabei klar, dass bei
Es wurden 4 interessante Vorträge gehalten, allen zukünftigen Maßnahmen die Aspekte
die Tagung war entsprechend sehr gut be- Steigerung der Biodiversität, Akzeptanz der
sucht und der Saal mit ca. 90 Personen gut Bevölkerung sowie die Auswirkungen auf den
gefüllt. Aufwand berücksichtigt werden müssen. Nur
Thomas Finke während seines Vortrages vor einer seiner Folien, die bereits im Grünzug Schlosshofbach erfolgreich
umgesetzte Maßnahmen aufzeigte
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Bericht der Vorsitzenden 149
Nach der Mittagspause folgte ein Vortrag Kaum einer würde heute Tagfalter
von Claudia Quirini-Jürgens (Biologische „Schmetterlinge“ nennen, ein alter Name
Station Gütersloh/Bielefeld) zum Thema „För- („Schmetten = Sahne“) für Tagfalter, die früher
derung der Biodiversität im Kreis Gütersloh offensichtlich in großer Anzahl an Milch- und
und im Stadtgebiet von Bielefeld – Bielefelder Sahnebehältern saßen und mit ihren Rüsseln
Ackerrandstreifenprogramm-Projekt Arten- Milch- oder Sahnetropfen aufsaugten und
reiche Lebensräume im Kreis GT“. somit als Sahneräuber galten. Hierzu passt
Auch in unserer Region ist ein drastisches auch gut der britische Name „butterfly“. Ein
Artensterben von Tieren und Pflanzen zu aus heutiger Sicht kaum vorstellbarer Anblick.
verzeichnen. Erkennbar wird dies an früher Selbst frühere Allerweltsarten wie die Ku-
weit verbreiteten Arten wie z. B. dem Kiebitz, ckucks-Lichtnelke oder die Wiesen-Margerite
dessen Bestand überall stark abgenommen sind aus vielen Flächen verschwunden. Um
hat, so auch in Bielefeld von fast 70 Brutpaaren diesem Trend entgegen zu wirken wurde 2019
noch im Jahr 2004 auf nunmehr nur noch 20 im Kreis Gütersloh das Projekt „Artenreiche Le-
Brutpaare. Auch Amphibien wie der Kamm- bensräume für die VITAL.Region GT8“ unter der
Molch und selbst Erdkröten oder Grasfrösche Leitung der Biologischen Station Gütersloh/
sowie insbesondere Insekten, erkennbar Bielefeld e. V. ins Leben gerufen. An diesem
an kaum noch gaukelnden Tagfaltern oder Projekt beteiligen sich die in der VITAL.Region
Nahrung suchenden Bienen sind deutlich befindlichen acht Kommunen sowie landwirt-
seltener geworden, in manchen Landstrichen schaftliche Vereinigungen, Naturschutzver-
fast kaum noch zu sehen. bände, Imker, Jäger und weitere Akteure. Aber
auch die nicht in der GT8-Region eingebun- Genau dies wird seit 1987 im Bielefelder
denen Kommunen im Kreis Gütersloh sollen Ackerrandstreifenprogramm der Stadt Bie-
in das Projekt mit zusätzlichen kreiseigenen lefeld umgesetzt. Hier finden sich über das
Mitteln einbezogen werden. Ziel des Projektes gesamte Stadtgebiet von Bielefeld verteilt
ist es, den Artenreichtum im Kreisgebiet durch sowohl Ackerflächen mit klassischen Acker-
geeignete Maßnahmen zu fördern. Hierzu randstreifen von ca. 5–7 m Breite, aber auch
gehören: Erhalten und Schaffen von blütenrei- komplett extensiv genutzte Ackerflächen,
chen Wiesen, Naturschutzfachliche Pflege von darunter auch einige Kompensationsflächen,
Wegrändern, Extensivierung von Ackerflächen, bis hin zu Schwarzbrachen. Die meisten
Kiebitz- und Feldlerchenschutz, Erproben von dieser Flächen dienen dem Schutz seltener
Alternativen bei Energiepflanzen, Anlegen von Ackerwildkräuter, einige aber gerade auch
Amphibienschutzgewässern, Anpflanzen von im Bielefelder Süden dem Schutz der letzten
Hecken, Bereitstellen von Nisthilfen, u. a. für Bielefelder Kiebitze. Frau Quirini-Jürgens
Eulen, Infomaterialien für naturnahe Gärten stellte in ihrem Vortrag daher zum einen das
entwickeln, Aktionen in Kitas, Schulen, Bil- Vital-Projekt im Kreis Gütersloh auch mit
dungseinrichtungen durchführen sowie eine bereits umgesetzten Maßnahmen vor, ging
entsprechende Öffentlichkeitsarbeit inklusive aber auch auf das vorbildliche Ackerrandstrei-
Exkursionen. fenprojekt der Stadt Bielefeld mit anschau-
Wichtigstes Ziel hierbei ist es, dass an lichen Bildern und Daten ein. Dieses Projekt
erster Stelle der Erhalt von artenreichen Bio- trägt seit Jahrzehnten dazu bei, hochgradig
topen stehen muss. Dies bedeutet, dass vor vom Aussterben bedrohte Ackerwildkräuter
jedweder Maßnahme die angedachte Fläche wie den Einjährigen Ziest (Stachys annua)
fachlich begutachtet werden muss, um nicht oder die stark gefährdeten Ackerwildkräuter
möglichweise durch Anlegen von Blühwiesen, Acker-Ziest (Stachys arvensis) und das Feldlö-
etc. den letzten Standort einer unscheinbaren wenmaul (Misopates orontium) neben vielen
Pflanzen- oder Tierart zu zerstören, weshalb weiteren gefährdeten Pflanzenarten im Raum
die kostenlose Beratung von an Maßnahmen Bielefeld das Überleben zu sichern.
Interessierten auch ein Schwerpunkt des Den letzten Vortrag der Tagung hielt Klaus
Projektes neben dem Umsetzen von Maßnah- Nottmeyer, Leiter der Biologischen Station
men ist. Denn viele Flächen benötigen oft nur Ravensberg im Kreis Herford zum Thema „Kie-
eine naturschutzgerechte Pflege, um vielen bitzschutz“ im Kreis Herford“. Klaus Nottmeyer
heimischen Tieren und Pflanzen als Lebens- legte in seinem Vortrag sehr anschaulich dar,
raum zu dienen: An geeigneten Standorten
können zusätzlich neue Biotope geschaffen
werden. Hierfür eignen sich auch kleine Flä-
chen, Wegränder, Grünanlagen, Privatflächen
oder Firmengrundstücke. Zusätzlich bieten
vor allem extensiv genutzte Ackerflächen
Ackerwildkräutern und Feldvögeln einen
Lebensraum. Da sich Wildkrautsamen jahr-
zehntelang im Boden halten, reicht meist der
Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutz-
mittel aus, um einen schönen Blütenaspekt zu
erhalten. Solche Flächen dienen Feldvögeln
wie der Feldlerche, dem Rebhuhn oder dem
Kiebitz auch als Brutplatz. Klaus Nottmeyer zeigt bei seinem Vortrag u. a. ein vor
dem Überfahren gerettetes Kiebitz-Küken.
152 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
dass auch im Kreis Herford die Situation der geführt, davon 11 vor Ort. Dies allein zeigt den
Kiebitze alles andere als rosig ist, vergleichbar Aufwand des Kiebitzschutzes und dies alles
zum leider landesweiten Negativtrend. ohne die Gewähr, dass der Kiebitz im Kreis Her-
So geht die Biologische Station Ravensberg ford dauerhaft zu halten sein wird. In anderen
für das Jahr 2019 von einem Brutbestand von Kreisen mit deutlich mehr Kiebitzbruten ist ein
26–28 Brutpaaren aus (2003 waren es immer- vergleichbarer Aufwand kaum leistbar bzw.
hin noch 60–70 Brutpaare!). Klaus Nottmeyer nicht zu finanzieren. Flächendeckend ist die
zeigte in seinem Vortrag vor allem auf, wie Anlage von Schwarzbrachen (mind. 10 % der
zeitintensiv der Schutz dieser noch vorhan- Nutzfläche) in den Brutgebieten der Kiebitze
denen Kiebitze ist. Allein für das Finden der (Feldvogelschwerpunktgebiete) eine erfolg-
Gelege, das Ansprechen der betroffenen versprechende Maßnahme, die landesweit, mit
Landwirte, das Sichern bzw. Markieren der genügend Geld ausgestattet, laufen müsste,
Gelege und die Effizienzkontrolle des Schlupf- um dem bedrohlich abnehmenden Landesbe-
und Bruterfolges ist sehr viel Zeit und Personal stand insgesamt besser helfen zu können.
vonnöten. Hierzu zählt auch ausnahmsweise Klaus Nottmeyer bedankte sich auch bei
das Einsammeln von bereits geschlüpften Kü- allen Helfern, z. B. bei denen, die Kiebitze über
ken vor einer anstehenden Bewirtschaftung. ornitho.de oder direkt an die Station gemeldet
Letztendlich wurden 2019 ungefähr 14 Junge haben.
flügge (10 davon sicher), bei zwei Standorten
war der Ausgang der Bruten ungewiss. An
mindestens vier zusätzlichen Standorten Gemeinsame Publikation von IHK, Land-
kam es zu vereinzelten Brutversuchen, die wirtschafts- und Naturschutzverbänden
aber früh aufgegeben wurden bzw. verloren
gingen. Insgesamt konnte die Station drei Viele Firmen verfügen über teilweise grö-
juvenile Kiebitze bei den Rettungsaktionen ßere Flächen, die zum einen Reserveflächen
auch beringen. für eine potentielle Erweiterung darstellen,
Von den Hauptkolonien des Kreises zum anderen der Firmenbegrünung dienen.
Herford sind zwei durch längerfristige Ver- Diese Flächen werden zumeist eher konventi-
träge gesichert, für eine weitere gibt es einen onell gepflegt, könnten aber vielfach mit klei-
jährlichen Vertrag. An allen anderen Stellen neren oder größeren Maßnahmen ökologisch
wurden die Gelege entweder markiert (2) aufgewertet werden.
oder die Bewirtschaftung wurde ausgesetzt Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass
(1) bzw. abgesprochen (1). Im NSG Füllenbruch auch Firmen zur Flächenversiegelung und
wurde eine 3er Kolonie zusätzlich mit einem zum Landschaftsverbrauch beitragen,
Elektrozaun geschützt, um die Prädation zu wurde beginnend im Herbst 2018 in einem
minimieren. Der Zaun lief seit dem 02.04.2019 Gemeinschaftsprojekt der regional tätigen
um eine Fläche von 1,4 ha und wurde alle Naturschutz-/Umweltverbände zusammen
2–3 Tage kontrolliert und musste zweimal mit Vertretern der Landwirtschaftsverbände
frei gemäht werden. Hier wurden von zuletzt und der Industrie- und Handelskammer
noch zwei Paaren sicher drei flügge Jungtiere Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) die 32-seitige
beobachtet. Am 11.06.2019 wurde der Zaun Broschüre „Ökologische Gestaltung von
abgebaut. Unternehmensstandorten – Praxisbeispiele
Für die Erfassung der Kiebitze und die in Ostwestfalen“ entwickelt. Die Broschüre,
Nachkontrollen im Jahr 2019 waren über 40 die im Juni 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt
Kontrollen nötig. Dabei sind die Zaunkontrol- wurde, beinhaltet vorbildliche Umwelt-
len meist nicht enthalten. Mit 10 Bewirtschaf- maßnahmen regionaler Unternehmen, die
tern oder Eigentümern wurden 28 Gespräche andere Firmen zum Nachmachen anregen
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Bericht der Vorsitzenden 153
Die Kooperationspartner stellen die gemeinsame Broschüre vor: Stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer Harald
Grefe, IHK-Referent Gerald Blome, Prof. Dr. Roland Sossinka (BUND), Dr. Wiebke Homann (NABU), Karsten Otte (Stiftung
Natur Ravensberg, Bezirkskonferenz Naturschutz), Claudia Quirini-Jürgens (Naturwissenschaftlicher Verein, Biologische
Station Bielefeld-Gütersloh), Werner Schulze (Westf. Entomologen), IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff, Martin
Enderle (Pro Grün BI), Hubertus Beringmeier (Westf.-Lippischer Landwirtschaftsverband), Stephan Sauer (Westf.- Lippi-
scher Landwirtschaftsverband) (Foto: IHK)
Vor allem der Zahn der Zeit hat den Tafeln deutlich zuge-
setzt, nur wenige wurden mutwillig beschädigt
(Fotos: Thomas Keitel) Verlauf des Naturpfades
156 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Breitengrad im Bereich Bethel. Es handelt sich vor ungebremsten Flächenverbrauch, die Kli-
um keinen Rundweg, er ist aber an beiden En- maentwicklung, die Nutzungsänderung auf
den an den öffentlichen Personennahverkehr nahezu allen Biotopen mit entsprechenden
angeschlossen (Linie 1, Haltestelle Rosenhöhe, Folgen für einen Großteil der Pflanzen- und
Linie 2, Haltestelle Prießallee). Tierarten. Und man gewinnt den Eindruck,
Aufgrund des inzwischen sehr desaströsen dass zwar wie auch früher schon, verbal viel
Zustands der noch vorhanden Tafeln, hat sich politisch versprochen wird, man gerne auch
im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe gebildet, als Ehrenamtlicher eines Vereins wie der
teils bestehend aus Mitgliedern unseres Ver- unsere in Stadtgremien der unterschiedlichs-
eins, die schon früher an der Neukonzeption ten Art „beschäftigt wird“, aber in der Umset-
mitgewirkt hatten, aber auch neuen Interes- zung gerade hinsichtlich des ungebremsten
senten. Im Jahr 2020 soll versucht werden, ein Flächenverbrauchs ergibt sich doch ein ande-
Konzept zur Neubelebung dieses Pfades zu res Bild.
erstellen, bevor weitere Zeitungsberichte er- Schon die Gründungsväter unseres Vereins
scheinen in der Form „wer kennt die Besitzer beklagten den Umgang mit der Landschaft;
dieser alten Tafeln“? aus unserer Sicht würden wir uns wünschen,
wir hätten noch so eine Landschaft wie vor
100 Jahren. Solange wir aber noch vor unserer
Ausblick Haustür Vogelarten wie den Kiebitz oder die
Goldammer erleben dürfen, teils auch mit-
Nicht zuletzt Projekte wie dasjenige der AG erleben können, wie manche Tierarten sich
Praktischer Naturschutz oder aber die Bera- wieder ausbreiten, u. a. das Schwarzkehlchen
tung unseres Vereins vom Umweltbetrieb der oder die Feldgrille sowie auch eine leichte
Stadt Bielefeld zur Steigerung der Biodiversi- Zunahme mancher Pflanzenarten wie u. a. der
tät der Bielefelder Grünflächen sowie unsere Bienen-Ragwurz, eine heimische Orchidee, zu
Zugehörigkeit zur Veranstaltergemeinschaft verzeichnen ist, vermutlich alles positive (?)
des Radio Bielefeld neben den vielen Gre- Folgen der Klimaänderung, lohnt es sich nach
mienbesetzungen und Aktivitäten unserer wie vor, sich für unsere Natur einzusetzen und
Mitglieder zeigt, dass der Naturwissenschaftli- hierfür auch den Bekanntsheitsgrad unseres
che Verein nach wie vor in der Stadt und dem Vereins weiter bzw. wieder zu stärken.
Umland präsent ist. Claudia Quirini-Jürgens (Vorsitzende)
Intensiviert wurde auch wieder die Zusam- (Text und Fotos, soweit nicht anders benannt)
menarbeit der Bielefelder Umweltverbände.
Dies zeigt sich an den vielen aktuellen Stel-
lungnahmen zum Flächenverbrauch oder
zur Waldnutzung oder an der gemeinsamen
Erstellung mit den anderen Partnern der IHK-
Broschüre. Diese Zusammenarbeit soll 2020
auf das Thema Gärten / naturnahe Gartennut-
zung ausgeweitet werden.
Nichtsdestotrotz, wie bereits in den letzten
Vorsitzendenberichten geäußert, fehlt nach
wie vor der Nachwuchs. Auch stellt sich
zunehmend die Frage, was ein Verein wie
der unsere bezogen auf die Entwicklung un-
serer Stadt, unseres Umlands bewirken kann.
Hierzu reicht allein ein Blick auf den nach wie
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Nachrufe 157
Nachruf Dietrich Büscher schon früh auf Spaziergängen von seinen El-
tern mit der Pflanzenwelt der Gegend vertraut
Am 7. Oktober 2019 starb plötzlich und gemacht. Als Schüler des Städtischen Gymna-
unerwartet Dietrich Büscher. Er gehörte seit siums in Siegen nahm er an Exkursionen des
den 1980er Jahren zu den bekanntesten und aus Dortmund stammenden Biologielehrers
sicherlich auch emsigsten Botanikern Nord- Dr. Franz Rombeck teil und musste schon damals
rhein-Westfalens. Dietrich Büscher erforschte ein Herbarium anlegen, um gute Zensuren zu
nicht nur jahrzehntelang die Flora Nordrhein- erlangen. Nach dem Abschluss des Abiturs
Westfalens, sondern setzte sich auch aktiv und im Jahr 1963 absolvierte er 1963 bis 1964 den
energisch für den Erhalt der Natur ein. Mit ihm Dienst bei der Bundeswehr. Seinen eigentli-
verliert unser Verein einen der besten Kenner cher Traum, Biologie zu studieren, ordnete er
der hiesigen Flora und ihrer Veränderungen in dem Wunsch seiner Eltern unter und studierte
den letzten 40 Jahren. 1964–1969 Jura in Marburg und Münster. Sein
Dietrich Büscher wurde am 04.12.1943 in weiterer Weg im Rahmen der Ausbildung zum
Weidenau (heute Siegen) als das vierte von Juristen führte ihn über Hamm und Münster im
sechs Kindern geboren, seine Eltern waren Jahr 1970 erstmals auch nach Dortmund, wo
beide Apotheker. Er wuchs in Geisweid (heute er – nach einer zwischenzeitlichen Anstellung
Siegen) sowie in Siegen selbst auf und wurde als Rechtsanwalt in Siegen – ab 1974 ansässig
war. Hier arbeitete er bis zu seiner Pensionie-
rung am 01.01.2009 als Verwaltungsjurist am
Landesoberbergamt NRW (zuletzt als Regie-
rungsdirektor) und war mit Naturschutz- und
Umweltrecht befasst. Dortmund wurde sein
Lebensmittelpunkt und Zentrum seiner bo-
tanischen Aktivitäten. Er führte damit die Tra-
dition berühmter Botaniker der Stadt wie Dr.
Christian Wilhelm Ludwig Eduard Suffrian (* 1805,
† 1876) und Dr. Heinrich Franck (* 1852, † 1939)
fort, die die ersten Floren Dortmunds geschrie-
ben hatten (Suffrian 1836, Frank 1886–1910,
1912). Dietrich Büscher plante von Beginn an die
Abb. 1: 2014 auf einer Exkursion im NSG Siesack in Veröffentlichung einer neuen Flora der Stadt,
Dortmund (A. Jagel). deren Bearbeitungsstand er zwischendurch
immer wieder bekannt gab (z. B. Büscher 1983).
1977 lernte Dietrich Büscher den Dortmun-
der Floristen Hermann Neidhardt (* 1930, † 2003)
kennen, von dem er auf gemeinsamen Ex-
kursionen viel lernte und auch die botanisch
interessanten Orte der Region gezeigt bekam.
Im Jahr 1979 wurde er von Neidhardt für die Be-
setzung des Dortmunder Landschaftsbeirats
vorgeschlagen, dem er daraufhin seit 1980 bis
zuletzt angehörte. Durch diese Mitgliedschaft
motiviert, verstärkte er noch seine botani-
schen Erforschungen Dortmunds und bald
Abb. 2: 2014 auf dem Westfälischen Floristentag in bildete sich um ihn eine interessierte Gruppe,
Münster (S. Wiggen). mit der er botanisieren ging. Fünf Jahre war
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Nachrufe 159
schaftliche und politische Entwicklungen sah, Kulbrock, P.; Loos, G. H.; Neikes, N.; Schumacher,
mischte er sich ein, erhob lautstark seine Stim- W.; Sumser, H.; Vanberg, C. (2011): Rote Liste
me und ließ nicht locker, um Missstände aus und Artenverzeichnis der Farn- und Blüten-
dem Weg zu räumen. Gleichzeitig geizte er pflanzen, Pteridophyta et Spermatophyta, in
nicht mit Lob, wenn ihm etwas besonders gut Nordrhein-Westfalen, 4. Fassg. – LANUV-
gefiel. Seine Stimme in Westfalen wird kaum Fachber. 36(1): 51–183.
zu ersetzen sein und es bleibt zu hoffen, dass
sein Lebenswerk, seine Flora von Dortmund, Suffrian, C. W. L. E. (1836): Beitrag zur genauern
deren Veröffentlichung er nicht mehr erlebte, Kenntniss der Flora von Dortmund. – All-
zumindest posthum erscheinen wird. gem. Bot. Z. 20 u. 21: 305–316 u. 321–326
Armin Jagel (Regensburg).
Büscher, D. (2019): Weitere Funde des Büscher, D. (2013): Zur Ver- und Ausbreitung
Schwarzstieligen Streifenfarns (Asplenium der Impatiens-Arten in Raum Dortmund. –
adiantum-nigrum L.) im Ruhrgebiet. – Natur Dortmunder Beitr. zur Landesk. 45: 37–43.
& Heimat (Münster) 79(2/3): 93–94.
Gausmann, P.; Büscher, D. (2012): Anmerkungen
Büscher, D. (2018): Felsen und Mauern be- zu einem Dortmunder Vorkommen der
wohnende Farne in Dortmund und seiner Efeu-Sommerwurz (Orobanche hederae
engeren Umgegend. – Dortmunder Beitr. Vaucher ex Duby), einer in Nordrhein-West-
Landeskde. 48: 35–70. – Natur & Heimat falen seltenen Art. − Jahrb. Bochumer Bot.
(Münster) 77(1/2): 64–70. Ver. 3: 50–57.
Büscher, D. (2017): Gräser der Inseln Malta Gausmann, P.; Keil, P.; Fuchs, R.; Sarazin, A.; Bü-
und Gozo im Herbarium MSTR. – Natur & scher, D. (2011): Eine bemerkenswerte Farn-
Heimat 77(1/2): 64–70. flora an Mauern der ehemaligen Kokerei
Hansa (Dortmund-Huckarde) im östlichen
Gausmann, P.; Büscher, D.; Keil, P.; Loos, G. H. Ruhrgebiet. – Florist. Rundbr. 44: 71–83.
(2016): Flora und Vegetation der ehema-
ligen Zeche und Kokerei „Hansa“ in Dort- Geyer, H. J.; Büscher, D.; Loos, G. H.; Bomholt,
mund-Huckarde im östlichen Ruhrgebiet G. (2011): Rezente Ausbreitung, Ökologie
(Nordrhein-Westfalen). – Dortmunder Beitr. und Vergesellschaftung von Eragrostis
Landeskde. 47: 45–104. multicaulis Steud. (sensu lato) in Westfalen.
– Decheniana (Bonn) 164: 23–31.
Gausmann, P.; Kordges, T.; Loos, G. H.; Büscher, D.;
Fuchs, R.; Buch, C.; Keil, P. (2016): Vorkommen Kretzschmar, E.; Büscher, D. (2011): Fauna und
von Cyperus eragrostis LAM. (Frischgrünes Flora des einstweilig sichergestellten
Zypergras, Cyperaceae) im Ruhrgebiet, geschützten Landschaftsbestandteils
einer bislang in Deutschland seltenen Ad- „Pleckenbrinksee“ in Dortmund-Wickede.
ventivart. – Decheniana 169: 35–50. Erster Bericht. – Dortmunder Beitr. Landesk.
43: 19–49.
Büscher, D.; Loos, G. H. (2015): Das Dortmunder
Westerholz (Fredenbaum) – aus forst- Raabe, U.; Büscher, D.; Fasel, P.; Foerster, E.; Götte,
geschichtlicher, naturhistorischer und R.; Haeupler, H.; Jagel, A.; K aplan, K.; Keil, P.;
floristischer Sicht. – Dortmunder Beitr. Kulbrock, P.; Loos, G. H.; Neikes, N.; Schumacher,
Landeskde. 46. W.; Sumser, H.; Vanberg, C. (2011): Rote Liste
und Artenverzeichnis der Farn- und Blüten-
Büscher, D. (2015): Exkursion: Dortmund- pflanzen, Pteridophyta et Spermatophyta, in
Mengede, NSG Siesack. – Jahrb. Bochumer Nordrhein-Westfalen, 4. Fassg. – LANUV-
Bot. Ver. 6: 78–79. Fachber. 36(1): 51–183.
Büscher, D. (2014): Exkursion: Dortmund, Grop- Büscher, D. (2010): Die Gattung Eragrostis N.
penbruch. – Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 5: M. Wolf – Liebesgras (Poaceae) in und um
81–84. Dortmund. – Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 1:
87–97.
Büscher, D. (2013): Exkursion: Dortmund-
Hörde, Phoenixsee. – Jahrb. Bochumer Bot. Büscher, D. (2010): Nachruf auf Heinz Dahlhaus. –
Ver. 4: 89–92. Natur & Heimat 70(3): 103–104.
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Nachrufe 163
Gausmann, P.; Sarazin, A.; Neikes, N.; Büscher, D. Büscher, D.; Geyer, H. J. (2006): Bericht über die
(2010): Vorkommen der Dryopteris affinis- Kryptogamen- und Frühblüher-Exkursion
Gruppe in der Westfälischen Bucht und am 18. März 2006. – Bierbrodtia 2.
dem Niederrheinischen Tiefland. – Jahrb.
Bochumer Bot. Ver. 1: 64–74. Büscher, D. (2006): Die Pflanzenwelt in den
Dortmunder Naturschutzgebieten. In: Stadt
Keil, P.; Buch, C.; Büscher, D.; Fuchs, R.; Gausmann, Dortmund (Umweltamt): Naturschutzgebiete
P.; Haeupler, H.; Jagel, A.; Loos, G. H.; Kricke, R.; in Dortmund: 48–61.
Kutzelnigg, H.; Sarazin, A.; Sumser, H. (2010):
Artenvielfalt auf der A 40 im Ruhrgebiet. – Büscher, D. (2006): Kurzmitteilungen zu neue-
Natur in NRW (Recklinghausen) 4: 11–17. ren Funden bemerkenswerter Gefäßpflan-
zenarten im mittleren Westfalen. – Natur &
Büscher, D. (2009): Beiträge zur Flora der Nord- Heimat (Münster) 66(4): 129–136.
seeinsel Borkum. - Abh. Westf. Mus. Naturk.
71(2): 3–96. Loos, G. H.; Büscher, D. (2006): Die Situation der
Salzpflanzenflora im Kreis Unna. – Naturre-
Büscher, D.; Keil, P.; Loos, G. H. (2008): Neue port (Unna) 10: 96–109.
Ausbreitungstendenzen von primär als
Eisenbahnwanderer aufgetretenen Pflan- Büscher, D. (2005): Über Vorkommen des
zenarten im Ruhrgebiet: Die Beispiele Knotigen Klettenkerbels, Torilis nodosa (L.)
Eragrostis minor, Geranium purpureum und Gaertn., insbes. in Dortmund. – Natur &
Saxifraga tridactylites. In: Dynamik der Heimat (Münster) 65(3): 93–96.
synanthropen Vegetation. Festschrift für
Prof. Dr. Dietmar Brandes. – Braunschweiger Büscher, D. (2004): NRW-Pflanzenverbreitungs-
Geobot. Arb. 9: S. 97–106. atlas erschienen. – Natur & Heimat (Müns-
ter) 64(1): 27–28.
Geyer, H. J.; Loos, G. H.; Büscher, D. (2008): Re-
zente Vorkommen von Adventivpflanzen Büscher, D. (2004): NRW-Pflanzenverbreitungs-
und Apophyten auf Bahnhöfen im mittle- atlas erschienen. – Natur- u. Tierschutz in
ren Westfalen und ihre Ausbreitungsten- Dortmund 19(1): 32–33.
denzen. In: Dynamik der synanthropen
Vegetation. Festschrift für Prof. Dr. Dietmar Büscher, D. (2004): Hermann Neidhardt. – Natur &
Brandes. – Braunschweiger Geobot. Arb. 9: Heimat (Münster) 64: 61–62.
177–188.
Büscher, D. (2003): Vorwaldbildner auf
Loos, G. H.; Keil, P.; Büscher, D.; Gausmann, P. Bergbau-, Industrie- und Bahnbrachen in
(2008): Beifuß-Ambrosie (Ambrosia elatior Dortmund. In: Phytodiversität von Städten.
L., Asteraceae) im Ruhrgebiet nicht invasiv. 5. Braunschweiger Kolloquium (31. Okto-
– Florist. Rundbr. 41: 15–25. ber–2. November 2003). – Braunschweig.
Loos, G. H.; Margenburg, K.; Margenburg, B.; Büscher, D.; Loos, G. H. (2003-2002): Ein Vor-
Büscher, D. (2008): Pflanzen-Neubürger als kommen von Trifolium subterraneum L. in
„Problempflanzen“? – Die Beifuß-Ambrosie Westfalen. – Florist. Rundbr. 34(1/2): 73–77.
als vermeintlich invasive Pflanzenart. – Na-
turreport (Unna) 12: 109–114.
164 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Bomholt, G.; Büscher, D. (2002): Ein Nachweis Büscher, D. (1996): Anmerkungen zur Gefäß-
der Efeu-Sommerwurz (Orobanche hederae pflanzenflora im mittleren Westfalen,
Duby) in Westfalen und weitere bemer- insbesondere zu floristischen Beobachtun-
kenswerte Pflanzenfunde bei Enningerloh- gen in den Kartierungsjahren 1994-1996.
Ostenfelde (Kreis Warendorf). – Florist. – Dortmunder Beitr. Landesk. 30: 113–179.
Rundbr. 34(1/2): 69–72.
Büscher, D. (1995): Einiges zur Bahnflora des
Büscher, D. (2000): Zur Ausbreitung einiger Ruhrtales bei Witten und Hattingen. – De-
Pflanzenarten entlang von Verkehrswegen cheniana 148: 9–13.
im mittleren Westfalen. – Flor. Rundbr. 33:
92–97. Büscher, D.; Loos, G. H. (1993): Neue Beob-
achtungen zur Ausbreitung von Senecio
Büscher, D. (1999): Salztolerante Pflanzen in inaequidens DC. in Westfalen. – Florist.
Mittelwestfalen. – Braunschweiger Geobot. Rundbr. 27(1): 41–49.
Arb. 6: 193–200.
Büscher, D. (1993): Zur Verbreitung des Gelben
Büscher, D. (1999): Zur Ausbreitung einiger Eisenhutes im mittleren Westfalen und
Pflanzenarten entlang von Verkehrswegen in Teilen des Süderberglandes. – Natur &
im mittleren Westfalen. – Florist. Rundbr. Heimat (Münster) 53(2): 61–63.
33(2): 92–97.
Büscher, D. (1991): Über die Erforschung der
Wolff-Straub, R.; Büscher, D.; Diekjobst, H.; Fasel, Wolladventivflora von Kettwig/Rhld. und
P.; Foerster, E.; Götte, R.; Jagel, A.; K aplan, K.; Dülmen/Westf. durch den Dortmunder
Koslowski, I.; Kutzelnigg, H.; Raabe, U.; Schu- Apotheker Julius Herbst in den dreißiger
macher, W.; Vanberg, C. (1999): Rote Liste der Jahren dieses Jahrhunderts. – Florist. Rund-
gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen (Pte- br. 25(1): 40–45.
ridophyta et Spermatophyta) in Nordrhein-
Westfalen 3. Fassg. – LÖBF-Schriftenr. 17: Büscher, D. (1991): Übersicht über Flora und
75–171. Vegetation des Biotops in der Erdbrügge
in Herdecke-Semberg. – Cinclus (Herdecke)
Büscher, D. (1998): Zur Flora des ehemaligen 19(2): 11–18.
Zechengeländes „Adolf von Hansemann“
in Dortmund-Mengede. – Dortmunder Büscher, D. (1991): Zur Vegetation des Brachge-
Beitr. Landesk. 32: 73–82. ländes in Dortmund-Kirchhörde. – Natur &
Tierschutz in Dortmund 6(1): 79.
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Nachrufe 165
Büscher, D.; Loos, G. H. (1990): Thymus serpyllum Blana, H. (1984–1990): Bioökologischer Grund-
L. em. Mill. s. str. in der Westfälischen Bucht lagen- und Bewertungskatalog für die
wiedergefunden. – Göttinger Florist. Rund- Stadt Dortmund. Teil 1: Allgemeine Grund-
br. 24: 10–12. lagen für das gesamte Stadtgebiet (1984),
Teil 2: Landschaftsplangebiet Dortmund-
Büscher, D.; Raabe, U.; Wentz, E. M. (1990): Cras- Nord (1984), Teil 3: Landschaftsplangebiet
sula helmsii (T. Kirk) Cockayne in Westfalen. Dortmund-Mitte (1985), Teil 4: Landschafts-
– Göttinger Florist. Rundbr. 24(1): 8–9. plangebiet Dortmund-Süd (1990). Unter
ständiger Mitarbeit von Böcking, H.; Büscher,
Büscher, D. (1989): Zur weiteren Ausbreitung D.; Gorki, H. F.; Hallmann, G.; Kretschmar, E.;
von Senecio inaequidens DC. in Westfalen. Neugebauer, R. – Hrsg.: Stadt Dortmund,
– Göttinger Florist. Rundbr. 22(2): 95–100. unter Beteiligung des KVR.
Vogel, A.; Büscher, D. (1989): Verbreitung, Ver- Büscher, D. (1983): Die Verbreitung der in einem
gesellschaftung und Rückgang von Apium weiteren Raum um Dortmund beobachte-
repens (Jaqu.) Lag. und Teucrium scordium L. ten Gefäßpflanzen – Prodromus (Unveröff.
in Westfalen. – Flor. Rundbr. 22(1): 21–30. Manuskript). Dortmund.
Büscher, D.; Loos, G. H.; Loos, W. (1987): Kleiner Büscher, D. (1983): Einige Vorkommen des
Bestimmungsschlüssel für Ackerwildkräu- Schwarzbraunen Zypergrases (Cyperus fu-
ter des Kreises Unna. – Naturförderungsge- scus L.) im Süden der Westfälischen Bucht.
sellschaft des Kreises Unna. – Natur & Heimat (Münster) 43: 57–59.
Büscher, D. (1986): Zur Vegetation eines lang- Büscher, D. (1983): Eriophyllum lanatum (Pursh)
fristig angepachteten Feuchtgebietes des Forbes auch in Westfalen. – Göttinger Flo-
Bundes für Vogelschutz und Vogelkunde rist. Rundbr. 16(3/4): 89.
e. V. Herdecke-Hagen. – Cinclus (Herdecke)
14(2): 26–29. Büscher, D. (1982): Die Vegetation im Deipen-
becker Wald und am Dellwiger Bach bei
Büscher, D. (1986): Ackerwildkräuter im Kreis Dortmund-Lütgendortmund. – Dortmun-
Unna. – Schrift der Naturförderungsgesell- der Beitr. Landesk. 16: 51–62.
schaft für den Kreis Unna e. V. Unna.
Büscher, D. (1982): Drei Neufunde des Acker-
Büscher, D. (1985): Der Spiek bei Witten- Kleinlings (Centunculus minimus L.) im
Bommern – ein schützenswerter Teil der Raum Dortmund. – Natur & Heimat (Müns-
Ruhraue. – Dortmunder Beitr. Landesk. 19: ter) 42(2): 61–63.
71–78.
Büscher, D. (1981): Beiträge zum Vorkommen
Büscher, D. (1984): Über Vorkommen des Abste- des Gefingerten Lerchensporns und der
henden Salzschwadens (Puccinellia distans Grünen Nieswurz in Dortmund und Um-
[L.] Parl.) und der Mähnen-Gerste (Hordeum gebung. – Dortmunder Beitr. Landesk. 15:
jubatum L.) im östlichen Ruhrgebiet. – Dort- 17–24.
munder Beitr. Landesk. 18: 47–54.
Bei längerem Weg über trockenes Gelände am Dornenkamp in Bad Salzuflen erfolgte die
zog sich die Rückwanderung bis Ende Juni Betreuung diesjähriger Erdkröten, erstmalig
hin, da waren die meisten Schutzzäune längst begann am Horstheider Weg in Bielefeld der
abgebaut. Schutz der Metamorphlinge. Die diesjährigen
An den meisten Stellen fehlten, im Erdkröten wanderten an den Heeper Fichten
Vergleich zu den Vorjahren, mind. 1/3 der ab der 2. Juniwoche ab.
hinwandernden Amphibien. An der Bechterdisser Straße in Bielefeld
An der Friedenstraße in Leopoldshöhe wurde auch dieses Jahr durchgehend betreut
wurde ein Radweg gebaut; von 1888 Amphi- sowie das Gras entlang der Schutzzäune
bien in 2018 reduzierte sich die Anzahl auf 561 per Hand gemäht. Ab 8. Juli bis 14. Oktober
Amphibien in 2019 (nur 15 % der Teichmolche erreichten 1.568 diesjährige Erdkröten (meist
in 2018) An der Bechterdisser Straße wurde < 25 mm) plus 90 (> 25 mm) die Zäune; leider
2/3 der Amphibienanzahl im Vergleich zu nur wenig diesjährige Grasfrösche. Aufgrund
2018 notiert. der extremen Trockenheit waren weniger
An der Beckendorfstraße sind die alten Amphibien unterwegs, das Moos in den
Laichgewässer völlig verlandet. Amphibien- Fangeimern wurde mindestens 1x täglich
betreuer hatten kein gutes Gefühl mehr angefeuchtet.
Amphibien hier abzusetzen.
2018 war schon die seit Jahrzehnten Herbstwanderung der Amphibien
schlechteste Frühjahrssaison, 2019 war An der Bechterdisser Straße „Ex-Erdbeer-
schlimmer; Wetterextreme, wie lange Tro- feld“ wurden zwischen dem 15. August bis 16.
ckenphasen, Starkregen Sturm u. a. jährliche November nur 851 (2017: 5.275) Amphibien
Beeinträchtigung wie Reduktion der Lebens- notiert. Insgesamt wurden hier in diesem Jahr
räume und der Gewässer, der Insektenmangel nur 3.432 Amphibien notiert, bei all den Bau-
und auch unzureichende Schutzmaßnahmen maßnahmen, Rodungen mit schwerem Gerät,
bewirken eine stete Dezimierung der Am- Mulchmähen in Gewässernähe während die
phibien. Gewitter mit Starkregen am 20. Mai diesjährigen Erdkröten abwanderten, Mähen
spülte das Schlammwasser Straßen wie Wege anderer Bereiche zumeist bei Nässe etc. nicht
herunter, auch Amphibienschutzzäune wur- erstaunlich. Die Wiese, Wanderkorridor wie
den von den Schlammmassen herunter auf Lebensraum, wurde dieses Jahr erfreulicher-
die Erde gedrückt. weise nach dem Abbau der Schutzzäune erst
am 11. November gemäht, bzw. bis Bodentiefe
Saisonaler Schutz im Sommer geschreddert, gemulcht.
Im trockenen Sommer 2019 wurden an An der Eickumer Straße wurde der Herbst-
der Bechterdisser Straße nur etwa 1/3 der zaun Mitte August aufgebaut. Der Zaunauf-
Amphibien wie in 2018 an den Schutzzäunen bau (StrNRW) war wieder nicht fachgerecht,
eingesammelt. arbeitsreich wie demotivierend für das kleine
Amphibien-Betreuer befreiten am Gut Amphibienbetreuer-Team, diese wurden im
Eckendorf die Schutzzäune vom Schlamm des Herbst 2019 vom Team Beckendorfstraße
Starkregens, richteten sie wieder auf. Diesjäh- unterstützt.
rige metamorphosierte Erdkröten wanderten
ab 5. Juni am Gut Eckendorf in die Fangeimer. Dauerhafter Schutz
Bis 21. Juli wurden 168 (in 2018: 21.800) einge- Friedenstraße in Leopoldshöhe: etwa am
sammelt (nur in Richtung Bielefelder Straße). 30. Juni bekam B. Bender die Fotos von der
Ab 24. Juni wurden auch die Leitzäune ab- Baumaßnahme „Schutz“–Anlage Friedenstra-
gebaut, bei Höchstwerten um 30 bis 37 Grad ße, Kreis Lippe. Die Leitelemente aus 2,5 mm
und betontrockenem Boden kein Spaß. Auch starkem Stahlblech erhitzen sich auf mehr als
168 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
60 °C, auf dieser Blech-Lauffläche nicht nur Laarer Straße: Hier stand 2019 kein Rückzaun
für Amphibien ein Problem. Junge winzige mehr, der Hinzaun, schlecht aufgebaut, teils
Erdkröten wandern auch tagsüber im Juni bereits unten liegend und ohne Fangeimer.
ab, junge Molche wenige Wochen später. Die Damit verlassen Amphibien (3 Molcharten!)
trichterförmige Zuführung in den „Tunnel“ genau in einer Kurve die Schutzzäune und
wurde in die verkehrte Richtung gebaut. Der wandern über die Straße. Ein Hinweisschild
Tunnel, eine zweckentfremdete Abwasserröh- auf Amphibienwanderung stand!
re mit Betonboden und runden Wänden usw. Die Schutzzäune an beiden Landesstraßen
Mehr Fehler kann kaum jemand machen! Am Bielefelder und Eckendorfer Straße in Leo-
8. Juli haben Mitarbeiter der Firma Volkmann poldshöhe sowie der „Rütli“-Schutzzaun in
& Rossbach mit den Korrekturen angefan- Bielefeld wurden am 15.05. abgebaut, ohne
gen und die ca. 155 Meter wieder heraus Absprache mit Koordinatoren oder Amphi-
genommen und wenig besser gesetzt. Die bienbetreuern. Nach längerer Trockenphase
weglaufenden Seiten der Tunnelröhre wur- wurde vom Deutschen Wetterdienst Regen
den abgetrennt. Am Donnerstag 11.07. fanden mit abendlichen 12–13 °C Grad vorhergesagt
Amphibienbetreuer zwei offenstehende – also bestes Wanderwetter für Amphibien
70 cm tiefe Abwasserrohre, die senkrecht in ab 15.05. Leider hatte aus dem Raum Bielefeld
die Erde gesetzt worden waren mit einem jemand Abbau gemeldet. Das wurde von
Durchmesser von 40 cm; bis Montag, 15.07. Straßen NRW zum Anlass genommen ohne
hätte alles von Kleinkind bis Igel hier hinein- Rückfrage alle Bereiche abbauen zu lassen
fallen können. (der weitere Abbau an anderen Straßen wur-
Amphibienbetreuer deckten diese zwei de verhindert, da ein Betreuer durch Zufall vor
tiefen Fallen gleich provisorisch ab, trotzdem Ort war). Im nächsten Jahr soll es in der Kom-
befand sich am Sonntag ein Teichmolch munikation mit Straßen NRW besser werden!?
darin, schon etwas dehydriert. Kompetenz Abbau nur noch nach Rückmeldung mit den
im Straßenbau schließt Fachwissen im Betreuern vor Ort!
Amphibienschutz eher selten ein. Und noch In 2019 koordinierte das Umweltamt den
immer warten Amphibienbetreuer auf Amphibienschutz an der Beckendorfstraße.
Korrekturen der Schutzanlage, damit der Am- An der Beckendorfstraße wurden die Schutz-
phibienschutz funktionieren kann. Die beiden zäune nach zwei Reklamationen der erfah-
fehlerhaft eingebauten Kleintiertunnel an der renen Amphibienbetreuer nicht korrigiert.
Bechterdisser Straße sind seit dem Einbau in Zudem wurden Anfang April bei durchge-
2013 noch funktionslos, mangels Pflege seit führten Baumfällarbeiten teils die Zäune und
2016 zugewachsen. Die Kleintiertunnel müs- ein Eimer zerstört. Der Zaun wurde wieder
sen nun zügig korrigiert mit Leitsystem und aufgerichtet, stand danach aber senkrecht,
Auffangrosten ergänzt werden, bevor auch nicht fachgerecht. Ebenso wurde hier Ende
hier ehrenamtliche Amphibienbetreuer die Mai der Endeimer sowie ein Teil des oberen
Geduld verlieren. Nordzauns bei Mäharbeiten beschädigt.
An der Beckendorfstraße sind die alten
Vermischtes Laichgewässer völlig verlandet und sollen
Feuersalamander, Waldeidechsen oder nicht mehr ausgebaggert werden. Mind. 400
Blindschleichen wurden 2019 kaum noch Meter entfernt wurden als Ersatz zwei kleine
notiert. Tümpel ausgebaggert. Von einem Feld weni-
Am 4. Juni 2019 wurde die 1. Lucilia-befal- ge Meter oberhalb der Gewässer läuft wahr-
lene Erdkröte 2019 an der Bechterdisserstraße scheinlich Dünger etc. in die Tümpel; Graurei-
notiert, der letzte Befall am 7. Oktober. her und Stockenten hatten sich eingefunden,
ein Pärchen Kanadagänse brütete, das Skelett
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Aus den Arbeitsgemeinschaften 169
sern entfernt, wurde ein Parkplatz abgebaut, Ein Grillabend der Gemeinde Leopoldshö-
die Wiese in einen provisorischen Parkplatz he als Abschlusstreffen und Dankeschön für
verwandelt und ein großes Parkhaus gebaut. Amphibienbetreuer war für alle Mitstreiter
Kaum stand das Parkhaus, wurde eine riesige wieder ein leckerer und wunderschöner ge-
Baugrube ausgehoben, mit Folie ausgekleidet mütlicher Abend.
über Monate wurde hier gearbeitet bis der
Keller? Ende 2019 ausgebaut wurde. Erdhau- Medienarbeit
fen, Baumaterial usw. und nur wenige Meter 30 Jahre gibt es nun unsere AG Amphibien
entfernt Gewässer und Lebensraum, nicht nur und Reptilien; auf der Mitgliederversamm-
von Amphibien. Diese große Baustelle hätte lung des NWV wurde im März ein hübsches
amphibiensicher eingezäunt werden müssen! Blumen/Froschkörbchen überreicht!
An der Bechterdisser Straße wurden im Einige Presseartikel in Bielefeld und Leo-
November 2018 Bäume im Lebensraum Süd poldshöhe erschienen.
gerodet, dabei drei Benjeshügel (inkl. Lebe- Die Seiten der AG Amphibien & Reptilien
wesen) mit abgeschoben. Die Benjeshügel auf der Homepage des Naturwissenschaftli-
mussten neu errichtet werden um Amphibien chen Vereins wurden öfter aktualisiert.
in dem nun leeren Lebensraum dort sicher vor Die Wanderausstellung „Heimische Am-
Hunden, Trockenheit etc. abzusetzen. phibien – „Biologie+Schutz“ hat noch freie
Nach langer Trockenheit und endlich Termine.
warmen, feuchtnassen Nächten mit Amphi- Wie immer wurden E-Mails und telefoni-
bienwanderung wurden am 17.10. auf der sche Fragen von Bürgern beantwortet. Sehr
Südseite der Bechterdisser Straße hinter viel Lob bekamen auch etliche Amphibienbe-
Amphibienschutzzäunen wiederum mit treuer von Bürgern.
schwerem Gerät Bäume gefällt und alles fest Brigitte Bender
gefahren, Stämme wurden auf der Wiese
gelagert. Aus diesem Bereich der Südzäune
kommen im Herbst diesjährige Amphibien
wie rückwandernde Amphibien, die von AG Astronomie / Volkssternwarte
Nord kommenden Amphibien wurden nachts
zuvor dort in die erneut angelegten Benjes- Wie schon im Vorjahr sollte auch im Som-
haufen abgesetzt und auch diese wurden mer 2019 wieder eine Mondfinsternis von uns
abgeschoben. Das sind immer wieder starke aus beobachtbar sein. Nach dem „Besucher-
Beeinträchtigungen, die nicht nur die im Bo- Schock“ des letzten Jahres war uns klar, dass
den eingegrabenen Amphibien dezimieren wir das so nicht noch einmal durchführen
sondern auch andere Tierarten. wollten und konnten. Das mussten wir auch
Diese Umstände tragen alle zu einer De- gar nicht, wie sich im Frühjahr entwickelte:
motivation der ehrenamtlichen Amphibien- der Bielefelder Elektronik-Künstler Globotom
Betreuer bei. Wir ehrenamtlichen Betreuer vor warb für eine Zusammenarbeit. Anlässlich des
Ort versuchen unser Möglichstes, um unser Apollo-11-Jubiläums kam die Idee zu einem
aller Umwelt zu schützen und zu erhalten. Das musikalischen Themenabend rund um die
ist in den letzten Jahren immer schwieriger Apollo-Geschichte. Live gespielte Sphären-
geworden und auch der Zeitaufwand auf klänge von Globotom im Wechsel mit zahlrei-
unserer Seite wird immer größer. chen historischen Bild- und Filmaufnahmen
Die Zusammenarbeit, Begehungen und sowie Erzählungen rund um das bemannte
Planungen mit der Gemeinde Leopoldshöhe, Raumfahrtprogramm der Amerikaner in
deren Bauhof, dem NABU und den Medien thematisch perfekter Kulisse, der Sternwarte.
waren wie jedes Jahr erfreulich und fruchtbar. Ein kurzer Blick in den Kalender fand das
Aus dem Vereinsjahr 2019 – Aus den Arbeitsgemeinschaften 171
Elektronik-Künstler Globotom bei Live-Performance zu Trotz Bewölkung war Merkur im Teleskop als winziger
Apollo 11, begleitet von kunstvollen Animationen Punkt vor der Sonne zu erkennen. .
Björn Kähler erklärt mit Modellen den technischen Die Wolken waren ausnahmsweise leicht durchsichtig, so
Ablauf des Fluges zum Mond. dass der Blick auf die Sonne von uns aus möglich war.
perfekte Datum für dieses Jahres-Highlight: ten die 25 Besucher das seltene Ereignis bei
der 16. Juli. Nicht der bekannte erste Schritt uns durch die hohen Wolken ein bisschen
auf dem Mond sondern das Start-Datum der hindurch beobachten.
Saturn-V. Am späten Abend sollte die totale An den meisten der ohnehin schon wenigen
Mondfinsternis sichtbar werden. Bei so vielen Beobachtungsabenden war es mindestens
Highlights konnten wir keinen „normalen“ bedeckt, einen Sternenhimmel gab es kaum
öffentlichen Abend anbieten, die Besucher zu sehen. Dann ist es gut, die Abende für die
würden uns wieder überlaufen. Wir begrenz- vielen Besucher mit Vorträgen, Rundgängen
ten die Teilnehmerzahl auf 50 und boten Kar- und Diskussionen kurzweilig zu gestalten.
ten nur im Vorverkauf an. Nach nur wenigen Dank neuer sehr aktiver Mitglieder gelang
Tagen war der Abend ausverkauft. dies 2019 wieder sehr gut. Die Personalsorgen
Es wurde ein perfekte „Lange Nacht des der letzten Jahre schwinden allmählich.
Mondes“, nur das Wetter bescherte uns keinen Die Besucherzahlen für das Jahr sind eher
kurzen Blick auf die partielle Mondfinsternis. unterer Durchschnitt, insgesamt knapp 400
Anstelle der Beobachtung gab es improvisier- Besuchern, darunter die Hälfte in Gruppen-
te Sphärenklänge auf der Dachterrasse, live veranstaltungen (für Kinder und Erwachsene).
nur auf einem Smartphone gespielt. Angesichts der wenigen Veranstaltungsaben-
Auch am 11. November zum Merkurtransit de 2019 dennoch ein positives Ergebnis.
war das Wetter nicht ideal. Zum Glück konn- Björn Kähler
172 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Die Exkursion am 28. Juli 2019 führte in den Teutoburger Wald bei Ibbenbüren. In Quellmooren am Nordhang des
Sandsteinzuges wachsen dort seltene Pflanzen wie Moorlilie und Gagelstrauch. Nach einer Stärkung im ehemaligen
Kloster Gravenhorst ging es zum nahegelegenen Naturschutzgebiet „Alte Fahrt”, einer früheren Trasse des Mittelland-
kanals, heute abgebunden und teilweise verfüllt. Hier konnten interessante Arten der Sandmagerrasen, Gewässer und
Ufer nachgewiesen werden. Kleines Foto: Moorlilie bei Ibbenbüren. (Fotos: U. Soldan)
möchten, sind in der AG immer herzlich will- und bleiben auch für das Regionalherbar der
kommen! Solide botanische Grundkenntnisse AG Geobotanik zuständig.
bzw. die Bereitschaft, sich einzuarbeiten, sind Carsten Vogelsang
dabei natürlich von Vorteil.
Fast 20 Jahre lang haben Peter und Gerald
Kulbrock die AG Geobotanik geleitet; maß-
geblich beteiligt waren sie in dieser Zeit z. B. AG Ornithologie
an der Neuauflage der Flora von Bielefeld-
Gütersloh. Anfang 2019 haben die beiden die Die Vogelkundler trafen sich 2019 zu vier
Leitung der Arbeitsgemeinschaft abgegeben Abendveranstaltungen im Seminarraum des
und in jüngere Hände gelegt. In ihre Fußstap- Naturkundemuseums am Adenauerplatz.
fen werden nun Carsten Vogelsang, Stefan 19.01.: Heiner Härtel (Lübbecke): Zur Lebens-
Wiens und Thomas Keitel zu treten versuchen. weise von Spechten.
„Die Kulbrocks“ bleiben aber auch künftig 21.02.: Andreas Bader (Halle): Kernbeißer im
geobotanisch aktiv; so fungieren sie weiter Garten.
als Leiter der Regionalstelle OWL bei der 30.10.: Herbert Wagner (Löhne): Lichtbilder-
anstehenden Neubearbeitung der Roten Liste vortrag – Eulen. Allgemeine Berichte
174 Berichte Naturwiss. Verein Bielefeld 57 (2020)
Bleiglanzspiegel aus der Maibolte bei Lemgo würfeliger Vaesit X (NIS2) mit Milleritnadeln Stbr. Calcit
Sauerland
Michael Blaschke
Dr. Dietrich Bley
Dr. Heinz Bongards
Prof. Dr. Siegmar Breckle
Dr. Martin Büchner
Prof. Dr. Peter Finke
Eckhard Möller
Jörg Neumann
Dr. Inge Schulze
Dr. Michael von Tschirnhaus
Wolfgang Wilker
Heinz-Dieter Zutz