Michael Quante

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Michael Quante (* 2. August 1962 in Senden) ist ein deutscher Philosoph. Er hat derzeit die Professur für Philosophie mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster inne. Von 2012-2014 war er in der Nachfolge von Julian Nida-Rümelin Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie.

Leben

Quante studierte von 1982 bis 1989 die Fächer Deutsch und Philosophie an der FU Berlin und der WWU Münster, wo er sein Studium mit einer Examensarbeit über die Marxsche Hegelkritik abschloss. Unter der Betreuung von Ludwig Siep wurde Quante 1992 mit einer Arbeit über Hegels Begriff der Handlung zum Dr. phil. promoviert. Ebenfalls an der WWU Münter habilitierte Quante sich 2001 am Fachbereich Geschichte/Philosophie mit der Schrift Personales Leben und menschlicher Tod. In dem 2002 im Suhrkamp Verlag veröffentlichten Werk versucht Quante, eine Konzeption der personalen Identität für Fragen der biomedizinischen Ethik, insbesondere beim beginnenden und endenden menschlichen Leben, fruchtbar zu machen.

Nach seiner Habilitation arbeitete Quante als Hochschuldozent an der WWU Münster und hatte eine Gastprofessur für Ethik an der HU Berlin sowie eine Lehrstuhlvertretung für Praktische Philosophie an der Universität Duisburg-Essen inne. Mit der Annahme des Rufs auf die Professur für Praktische Philosphie an der Universität Duisburg-Essen wurde Quante 2004 zum Professor ernannt. 2005 erhielt Quante einen Ruf auf die Professur für Philosophie mit Schwerpunkt Praktische Philosophie an der Universität zu Köln. 2009 folgte der Ruf auf die Professur für Philosophie mit Schwerpunkt Praktische Philosophie an der WWU Münster. An der WWU Münster ist er seit 2009 ebenfalls Principal Investigator des Exzellenzclusters Religion und Politik sowie Mitglied der DFG-Kolleg-Forschergruppe Theoretische Grundfragen der Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik.[1] Beginnend mit Band 47 ist Quante zusammen mit Birgit Sandkaulen Herausgeber der Hegel-Studien.[2]

Werk

Als seine Forschungsschwerpunkte benennt Michael Quante Philosophie des Deutschen Idealismus, Philosophie der Person, Handlungstheorie, Ethik, biomedizinische Ethik sowie Rechts- und Sozialphilosophie.[3]

Hegel

Quantes Auseinandersetzung mit Hegel umfasst sowohl historische als auch systematische Interessen, wobei für Quante erstere im Dienste der letzteren stehen. Quantes Interpretationen der hegelschen Philosophie konzentrieren sich dabei insbesondere auf Hegels Praktische Philosophie sowie den gesamten Teil der Philosophie des Geistes (im hegelschen Sinne). Dabei bemüht sich Quante in seinen textnahen Kommentaren insbesondere darum, fruchtbare Lösungsansätze für systematische Fragestellungen, wie sie inbesondere die Debatten der analytischen Philosophie der Gegenwart prägen, zu entwickeln.

In seiner Dissertation Hegels Begriff der Handlung (1993), untersucht Quante den hegelschen Handlungsbegriff, wie er im 'Moralitätskapitel' der hegelschen Grundlinien der Philosophie des Rechts thematisch ist, unter Bezugnahme auf die Debatten der analytischen Handlungstheorie.

In seiner Monographie Die Wirklichkeit des Geistes (2011) , beschäftigt sich Quante unter zahlreichen systematischen Perspektiven mit Hegels Philosophie, wobei die hegelsche Geistphilosophie, aber auch deren Zusammenhang mit Hegels Naturbegriff im Zentrum der einzelnen Kapitel stehen, die aus seinen Aufsätzen zur hegelschen Philosophie hervorgegangen sind.

Marx

In der Marxforschung interessiert Quante sich vor allem für die philosophischen Grundlagen der Marx'schen Theorie, wie er sie in dessen Anthropologie und Handlungstheorie vorzufinden meint.[4] Dabei versucht er eine Kontinuität zwischen dem Frühwerk und dem reifen Marx des Kapital nachzuweisen und die These eines 'epistemologischen Bruchs' zurückzuweisen, wie sie vor allem von Louis Althusser poulär gemacht wurde. Darüber hinaus verfolgt er den philosophisch-ideengeschichtlichen Übergang von Hegel zu Marx nach, indem er den nachheglianischen Debattenkontext im Umfeld der Junghegelianer nachzeichnet. Er arbeitet dabei heraus, welche Theorieelemente Marx von Hegel sowie von anderen Junghegelianern übernimmt und welche er durch Abgrenzung von anderen Personen gewinnt.[5] Neben diesen eher historischen Interessen ist Quantes Auseinandersetzung mit Marx durch Fragen der sytematischen Anschlussfähigkeit für gegenwärtige Debatten motiviert.[6]

Quante ediert derzeit für die Philosophische Bibliothek des Meiner Verlages den ersten Band des Kapital in der auf publikationshistorischen Gründen wenig rezipierten ersten Auflage von 1867 sowie einem Anhang aus der zweiten Auflage von 1872/73, die zugleich die letzte deutschsprachige Ausgabe aus Marxens Hand ist.[7] Der Zugang zu diesen Auflagen ermöglicht es unter anderem, die in der ersten Auflage noch deutlich erkennbaren Bezüge zu Hegel auszumachen sowie die noch von Marx selbst vorgenommen Änderungen zur zweiten Auflage nachzuvollziehen, die in der wirkmächtigen, in den MEW abgedruckten vierten Auflage noch mit den Änderungen durch Engels vermischt sind.

Philosophie der Person

In seinen Abhandlungen zum Begriff der Person[8] stellt Quante die zentrale Bedeutung der personalen Lebensform für das Selbstverständnis von Menschen heraus. Der Begriff der Person bildet für ihn außerdem einen Knotenpunkt zentraler philosophischer Fragestellungen. So kommt ihm nach Quante eine fundamentale Bedeutung in der Bestimmung von Freiheit und Selbstbewusstsein, in der Frage nach dem Verhältnis von Körper und Geist, sowie in der Begründung zentraler moralischer Normen zu. Quante ist in diesem Zusammenhang an der Beantwortung von drei Grundfragen interessiert, die mit Identität der Person verbunden sind: nach den Merkmalen der Personalität, die jemanden oder etwas zu einer Person machen, nach den davon zu unterscheidenden Bedingungen der Einheit und des Fortbestehens von Personen, sowie nach der Rolle der Identität als evaluativem Selbstverhältnis von Personen.

Moralischer Partikularismus

Meist in Zusammenarbeit mit Andreas Vieth arbeitet Quante an einer Konzeption des ethischen Partikularismus.[9] Die dort vertretene Konzeption lässt sich insofern als moderaten ethischen Partikularismus bezeichnen, als dass die moralischen Orientierungsfunktion von Prinzipien nicht grundsätzlich zurückgewiesen wird, sondern lediglich deren Grenzen herausgearbeitet und damit die Bedeutung partikularistischer Elemente in der Ethik herausgearbeitet wird. Die Gegenposition zu einer partikularistischen Ethik benennen Quante und Vieth rationalistische Ethik, gegen die sie insbesondere drei Einwände vorbringen: (i) Ethisches Wissen sei nicht ausschließlich inferentiell, (ii) die Basis von gerechtfertigten Handlungen muss nicht in universellen Gesetzen bestehen und (iii) 'Wahrnehmung' bietet eine primöre und eigenständige Form ethischer Rechtfertigung. Zentral ist deshalb insbesondere eine Konzeption der Wahrnehmung als eigenständige Quelle ethischer Rechtfertigung. Entgegen eine bloß passiven Analyse von Wahrnehmung als Neigung verteidigen Quante und Vieth daher eine aktive Analyse, derzufolge Personen aufgrund ihrer eigenen ethischen Erfahrung und der damit verknüpften Lernprozesse, aber auch aufgrund ihrer Eingebettetheit in soziale und kulturelle Kontexte, in der Lage sind, hervorstechende ethische Eigenschaften in einzelnen Situationen unmittelbar wahrzunehmen.[10] Gleichzeitig soll ein solches Modell Prinzipien als Modell ethischer Rechtfertigung nicht vollständig verwerfen, sondern Platz für partikularistische Prinzipien lassen, die zwar konkret und nicht-inferentiell sind, aber dennoch allgemeine Aspekte aufweisen. [11] In diesem Sinne empfehlen Quante und Vieth auch eine Weiterentwicklung des Tom Beauchamp und James Childress entwickelten principlism, der ihnen zufolge eine Reihe von Unterbestimmtheiten oder gar Ambiguitäten aufweist, insbesondere hinsichtlich des zugrundegelegten Verständnisses von Prinzipien. Beauchamp und Childress wird vorgeworfen, bei ihrer Abgrenzung sowohl gegen kasuistische als auch gegen deduktivistische Ethikkonzeptionen eine ungerechtfertigterweise generalisierte Kritik am Intuitionismus vorzunehmen. Da sie jedoch lediglich eine starke Form des Intuitionismus zurückwiesen, sei ihre Konzeption nicht nur mit einem schwachen Intuitionismus kompatibel, sondern auch gut beraten, bestehende Ambiuguitäten in diese Richtung zu vereindeutigen und damit partikularistische und kasuistische Elemente stärker kenntlich zu machen.[12]

Auszeichnungen

Schriften (Auswahl)

Monographien

  • Hegels Begriff der Handlung. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog (Spekulation und Erfahrung II, 32), 1993 (Englische Übersetzung: Hegel’s Concept of Action. Cambridge: Cambridge UP 2004, Paperback 2010; Spanische Übersetzung: El concepto de acción en Hegel. Barcelona: Anthropos 2010; Italienische Übersetzung: Il Concetto Hegeliano Di Azione. Mailand: FrancoAngeli 2011; Ungarische Übersetzung: A Cselekvés Hegeli Koncepciója. Budapest: L’Harmattan 2011; japanische Übersetzung 2011 bei Libertas/Tokio; französische Übersetzung: Le concept hégélien de l’action. Rennes: Presses universitaires de Rennes 2012)
  • Ethik der Organtransplantation. Erlangen: Harald Fischer Verlag 2000 (gemeinsam mit J.S. Ach & M. Anderheiden).
  • Personales Leben und menschlicher Tod. Frankfurt am Main: Suhrkamp (stw 1573), 2002.
  • Einführung in die allgemeine Ethik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003; zweite, überarbeitete Auflage 2006, dritte Auflage 2008, vierte Auflage 2011.
  • Enabling Social Europe (= Wissenschaftsethik und Technikfolgenbeurteilung Band 26), Berlin: Springer 2005 (gemeinsam mit: B.v. Maydell, K. Borchardt, K.-D. Henke, R. Leitner, R. Muffels, P.-L. Rauhala, G. Verschraegen und M. ´Zukowski); Paperback 2010.
  • Person. Berlin: Walter de Gruyter 2007.
  • Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. Studienausgabe mit Kommentar. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2009.
  • Menschenwürde und personale Autonomie. Demokratische Werte im Kontext der Lebenswissenschaften. Hamburg: Meiner Verlag 2010.
  • Die Wirklichkeit des Geistes. Studien zu Hegel. Frankfurt am Main: Suhrkamp (stw 1939), 2011.

Herausgeberschaften

  • Johann S. Ach & Michael Quante (Hrsg.): Hirntod und Organverpflanzung. Ethische, medizinische, psychologische und rechtliche Aspekte der Organtransplantation (=Medizin und Philosophie II); frommann-holzboog: Stuttgart 1997 (zweite, erweiterte Auflage 1999).
  • Michael Quante (Hrsg.): Personale Identität. (UTB 2082) Paderborn: Ferdinand Schöningh 1999.
  • Christoph Halbig & Michael Quante: Axel Honneth: Sozialphilosophie zwischen Anerkennung und Kritik. Münster: LIT-Verlag 2004.
  • Christoph Halbig, Michael Quante & Ludwig Siep: Hegels Erbe. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004.
  • Kleines Werklexikon der Philosophie. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2012.

Einzelnachweise

  1. http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/personen/antragsteller/quante.shtml
  2. http://www.meiner.de/index.php?cPath=4_34&content=recherche&katseite=1/
  3. http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/personen/antragsteller/quante.shtml
  4. Kommentar in Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte
  5. After Hegel. The Realization of Philosophy through Action, in: D. Moyar (Ed.), Routledge Companion to 19th Century Philosophy, London, Routledge, 2010, S. 197-237
  6. Leiblichkeit, Sozialität und Dependenz: Kategorien einer Kritik der Public Health Ethics, in: Preprints and Working Papers of the Centre for Advanced Study in Bioethics, Nr. 27, 2012; online verfügbar unter http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/kfg-normenbegruendung/intern/publikationen/quante/27_quante_-_kategorien_einer_kritik_der_public_health_ethics.pdf
  7. http://www.meiner.de/product_info.php?cPath=1_181&products_id=3118
  8. Neben eine Reihe von Aufsätzen sind hier vor allem die Monographien Personales Leben und menschlicher Tod, Person und Menschlichkeit und personale Autonomie zu nennen.
  9. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Arbeiten 'Angewandte Ethik oder Ethik in Anwendung? Überlegungen zur Weiterentwicklung des principlism'; (2000); 'Wahrnehmung oder Rechtfertigung? Zum Verhältnis inferenzieller und nichtinferenzieller Erkenntnis in der partikularistischen Ethik.' (2001); 'In defence of principlism well understood.' (2002); 'Which Intrinsicness for Weak Moral Realism?' (2004); 'The structure of perception in particularist ethics.' (2010)
  10. Vgl. 'The Structure of Perception', insb. Abschnitt III
  11. Vgl. 'The Structure of Perception', S. 27-29
  12. Vgl. 'Defending Principlism Well Understood'
  13. http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/personen/antragsteller/quante.shtml
  14. https://www.uni-muenster.de/forschungaz/person/10008
  15. https://www.uni-muenster.de/forschungaz/person/10008
  16. http://www.stifterverband.info/presse/pressemitteilungen/2014_01_30_redler_stiftung/