Partyschlager

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Auf diesem Foto ist Mia Julia im Bierkönig zu sehen.
Mia Julia bei einem Auftritt im Bierkönig auf Mallorca (2013)

Partyschlager[1][2] (auch Party-Schlager,[3] Partymusik[4]) ist ein seit den 1990er Jahren populäres Subgenre des Schlagers bzw. der Stimmungsmusik, das Stilmittel aus volkstümlichem Schlager, Eurodance, EDM, Techno und Hands Up verwendet. Innerhalb des Partyschlagers bzw. der Partymusik gibt es verschiedene nach Thema und Anlass bezeichnete Bereiche, etwa Ballermann-,[5] Après-Ski-,[6] Karnevals-,[7] Oktoberfest- oder Wies’n-Hits[8].

Geschichte und Verbreitung

Als Vorläufer der Ballermann-Musik gilt die Gruppe Die 3 Besoffskis,[9] deren größter Hit Puff von Barcelona (1975) 1999 von Mickie Krause gecovert wurde. Stücke des Genres werden seit den 1990er Jahren auf Kompilationen veröffentlicht, etwa der Reihe Ballermann-Hits (seit 1995 bei EMI Electrola[10]). Bekanntheit erlangte das Genre mit Stücken wie König von Mallorca (1999) von Jürgen Drews (Text: Erich Öxler, Musik: Klaus Hanslbauer) und 10 nackte Friseusen (1999) von Mickie Krause und Lou Richter. Seit den 1990er Jahren erscheinen Schlagerklassiker als „Party“-Remixe, etwa Wahnsinn (1983/1996) von Wolfgang Petry oder Marmor, Stein und Eisen bricht von Drafi Deutscher (1965/1998).[11][12] Seit 2006 wird der Ballermann-Award verliehen. Beim seit 2011 verliehenen smago! Award gibt es Kategorien wie „Wiesn-Hit des Jahres“ und „Erfolgreichster Partyschlagersänger des Jahres“ (männlich und weiblich).

Charakteristiken

Almklausi mit Publikum auf dem Festival La Ola! Mannheim (2016)
Mickie Krause auf dem Laufsteg der Bühne beim Festival Oberhausen Olé (2022)

Partyschlager stehen in der Tradition von Stimmungsliedern. Drehen sich die Texte primär um Alkohol, Party und Sex, werden die Trinklieder umgangssprachlich auch als „Sauflieder“ bezeichnet.[13] Charakteristisch für viele Stücke ist eine inszenierte Live-Atmosphäre mit Publikumsgeräuschen. Sie beginnen häufig mit einem gesprochenen Intro, das die Ansage eines Livekonzerts simuliert, und enthalten manchmal Pausen im Gesang, die zum Mitsingen des Publikums einladen.

Bei der Aufführung der Musik in Diskotheken, auf Festivals und Volksfesten steht die Live-Performance der Sänger, die sich auch als „Stimmungssänger“ bezeichnen,[14] und die Interaktion mit dem Publikum im Zentrum. Sie singen überwiegend zu einem Backing Track, also ohne Liveband.[15]

Regelmäßig werden bekannte Schlager gecovert, neu interpretiert, betextet und zumeist mit elektronischem Schlagzeug und 4-to-the-floor-Rhythmus arrangiert,[13] z. B. Was wollen wir trinken (BOTS) zu Jan Pillemann Otze (Mickie Krause), Eviva España (u. a. Hanna Aroni) zu Elvira ist schwanger (Peter Wackel), Jambalaya (u. a. Gerhard Wendland) zu Fliegt ’ne Kuh in Peru (Die Autohändler).[16]

Eine Studie aus dem Jahr 2021, die 84 deutschsprachige Songs einer populären Spotify-Playlist für Ballermann-Musik („Mallorca für alle – Ballermann Hits 2020 – Mallorca Hits“) auswertete, ermittelte ein durchschnittliches Tempo von 133,3 bpm (Minimalwert: 70; Maximalwert: 160). Die Stilistik entspricht damit den gängigen Geschwindigkeiten von Techno/Trance und House. Unter den vertretenen Interpreten waren mit Mia Julia, Isi Glück und Ina Colada nur drei weibliche. Die häufigsten Tonarten waren A-Dur (18,3 %), gefolgt von a-Moll (12,2 %), B-Dur (12,2 %) und e-Moll (8,5 %). Die Themen der Stücke entfielen auf die Kategorien Alkohol (23,2 %), Urlaub auf Mallorca (19,5 %), Party (17,1 %), sexualisierte Frau (13,4 %), Frau (8,5 %), Humor (6,1 %), Deutschsein (3,7 %) und Fußball (2,4 %).[15]

Eingang der Diskothek Oberbayern mit den Farben der bayrischen Flagge an der Platja de Palma

Die umgangssprachlich nach Orten und Anlässen benannte Musik (Ballermann, Après-Ski, Karneval, Oktoberfest) wird nicht nur dort, sondern auch auf nach ihnen benannten Partys unabhängig von Ort und Jahreszeit gespielt, etwa auf großen Schlagerfestivals oder -paraden wie dem Hamburger Schlagermove und in Diskotheken im ländlichen Raum.[17] Dieses Phänomen wurde als „peripherer Karneval“ bezeichnet.[7] Die Darstellung der deutschen Identität bzw. Heimat im Fremden, wie sie nicht nur in Texten, sondern auch in den Diskotheken Bierkönig, Mega-Park und Oberbayern in Palma de Mallorca sowie auf der sogenannten „Schinkenstraße“ inszeniert wird, wurde mit dem vom Ethnologen Hermann Bausinger geprägten Begriff der „Binnenexotik“ beschrieben.[15]

Bekannte Künstler

Zu den bekanntesten Vertretern des Partyschlagers gehören:

Erfolgreichste Stücke

Zu den meistverkauften Singles mit Goldstatus (mehr als 200.000 verkaufte Einheiten) zählen die Titel Mallorca (da bin ich daheim) von Mia Julia, Biste braun, kriegste Fraun und Eine Woche wach von Mickie Krause, Saufen – morgens, mittags, abends von Ingo ohne Flamingo, Helikopter 117 (Mach’ den Hub Hub Hub) von Tobee sowie Dicht im Flieger (2022) von Julian Sommer. Das Stück Johnny Däpp (2016) von Lorenz Büffel (geschrieben von Ikke Hüftgold und Dominik de Leon) war 2020 der erste Partyschlager-Hit, der Platin erhielt.[18] Das Stück Layla von DJ Robin und Schürze, offizieller Sommerhit 2022, erreichte als erster Partyschlager Platz 1 der deutschen Singlecharts.[19][20] Das Musikvideo zum Stück Amsterdam von Axel Fischer (2008) wurde 2013 als erstes Partyschlager-Musikvideo mehr als 10 Millionen Mal bei YouTube aufgerufen.[21]

Literatur

  • Julio Mendívil: Ein musikalisches Stück Heimat: Ethnologische Beobachtungen zum deutschen Schlager. transcript Verlag, 2008, ISBN 978-3-8394-0864-3.
  • Mirjam Stahl / Patrik Mähling: Peripherer Karneval. Entwicklung – Gestalt – Pendants. In: Massen und Masken: Kulturwissenschaftliche und theologische Annäherungen. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-16400-3, S. 191–204.
  • Christoph Jacke und Julio Mendívil: Heimat 2.0. Über Konstruktionen und Imaginationen von Beheimatung in der deutschsprachigen Schlagermusik. In: Frank Thomas Brinkmann, Johanna Hammann (Hg.): Heimatgedanken: Theologische und kulturwissenschaftliche Beiträge. Springer-Verlag, 2018, ISBN 978-3-658-22253-6, S. 45–66.
  • Marina Schwarz: Schon wieder besoffen – Kleinbiotop Mallorca und der Wunsch nach Exzess. In: Dies. (Hg.) Das verdächtig Populäre in der Musik: Warum wir mögen, wofür wir uns schämen. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-658-32690-6, S. 175–190.

Einzelnachweise

  1. Oliver Bekermann: "Wunder gibt es immer wieder": eine Untersuchung zur gegenseitigen Abhängigkeit von Alltagskommunikation und deutschem Schlager. BoD – Books on Demand, 2007, ISBN 978-3-8370-0045-0 (bekermann.com [PDF; abgerufen am 29. Juli 2022]).
  2. Simon Mues: Der deutsche Schlager im DaF-Unterricht, Masterarbeit, FU Berlin, 2012, S. 43 f., PDF
  3. Thomas Schulz: »Bumm, bumm, bumm!« In: Der Spiegel. 8. Juli 2007, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 31. Juli 2022]).
  4. Harald Scholz: "Ein Hoch auf uns...": Facetten deutschsprachiger Popularmusik. LIT Verlag Münster, 2017, ISBN 978-3-643-13699-2, S. 63 (google.de [abgerufen am 28. Juli 2022]).
  5. Mendívil 2008, S. 227.
  6. Yvonne Niekrenz: Rauschhafte Vergemeinschaftungen: Eine Studie zum rheinischen Straßenkarneval. Springer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-531-93086-2, S. 138 (google.de [abgerufen am 10. August 2022]).
  7. a b Mirjam Stahl, Patrik Mähling: „Peripherer Karneval. Entwicklung – Gestalt – Pendants“. In: Massen und Masken: Kulturwissenschaftliche und theologische Annäherungen. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-16400-3, S. 191–204.
  8. Georg Brunner: „Von Musikantenstadl bis Ballermann. Anmerkungen zum 30-jährigen Jubiläum der ,Zillertaler‘ (ein Beitrag zur Musiksoziologie)“. In: Sänger- und MusikantenZeitung, Jg. 45, 6/2002, S. 453–457, PDF
  9. Michael Schmich: „Schöner, jünger, geiler“: Die Ballermann-Hits sind zurück. In: RADIOSZENE. 8. August 2022, abgerufen am 7. Oktober 2022 (deutsch).
  10. Various - Ballermann Hits '95. Abgerufen am 29. Juli 2022.
  11. Das sind die 10 beliebtesten Partyschlager. Abgerufen am 9. Oktober 2022.
  12. Andreas Gabalier, Mickie Krause - wer singt den besten Party-Schlager? Abgerufen am 8. Oktober 2022.
  13. a b Jacke/Mendívil 2018, S. 49.
  14. Stimmen gegen Nazi-Stimmungsmache: Musi gegen rechts. In: Die Tageszeitung: taz. 7. September 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 8. Oktober 2022]).
  15. a b c Schwarz 2021, S. 180–184.
  16. Simon Mues: Der deutsche Schlager im DaF-Unterricht, Masterarbeit, FU Berlin, 2012, PDF, S. 44.
  17. Michael Fischer: Diskotheken im ländlichen Raum: Populäre Orte des Vergnügens in Südwestdeutschland (1970-1995). Waxmann Verlag, 2020, ISBN 978-3-8309-9129-8, S. 197 (google.de [abgerufen am 28. Juli 2022]).
  18. MZ: Remus, Robens, Kegelbrüder: In der neuen "Goodbye Deutschland"-Folge geht es an den Ballermann auf Mallorca. 24. Juli 2022, abgerufen am 29. Juli 2022.
  19. RTL aktuell vom 12. Juli 2022
  20. Ballermann-Hit „Layla“ auf Platz 1 der Charts - warum ist Sexismus so erfolgreich. Abgerufen am 28. Juli 2022.
  21. Schlagerbarde Axel Fischer: Münsteraner schafft bei Youtube 10 Millionen Klicks. In: Münstersche Zeitung, 4. Januar 2013