Aminata Touré (Politikerin, 1992)
Zur senegalesichen Premierministerin, siehe Aminata_Touré_(Politikerin,_1962)
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Aminata Touré (* 15. November 1992 in Neumünster) ist eine deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) und seit dem 29. Juni 2022 die Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung im Kabinett Günther II. Seit dem 1. August 2024 ist sie zudem stellvertretende Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. Sie ist Deutschlands erste afrodeutsche Ministerin. Von 2017 bis 2022 war sie Mitglied und von 2019 bis 2022 Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages.[1][2]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ihre malischen Eltern flohen nach dem Putsch in Mali 1991 nach Deutschland.[3] Touré lebte mit ihrer Familie zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft, die Familie befand sich laut Eigenangaben lange in Kettenduldungen und bekam nach zwölf Jahren deutsche Pässe.[4][5] Als Touré 13 Jahre alt war, verließ der Vater die Familie. Die Mutter, deren Studienabschluss in Deutschland nicht anerkannt wurde, zog ihre vier Töchter danach alleine groß.[6]
Nach dem Abitur 2011 an der Gemeinschaftsschule Faldera in Neumünster begann Touré ein Studium der Politikwissenschaft und Französischen Philologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, das sie 2016 mit dem Bachelor abschloss.[7] Ein Auslandssemester verbrachte sie 2013/2014 an der spanischen Universität Complutense Madrid.
Aminata Touré heiratete 2018, das Paar lebt getrennt. Sie lebt mittlerweile in einer neuen Beziehung.[8]
Politische Tätigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Partei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 2012 wurde Touré Mitglied der Grünen Jugend Kiel, zu deren Sprecherin sie 2013 gewählt wurde. Von 2014 bis 2017 war sie Mitarbeiterin der grünen Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg, zunächst als studentische Hilfskraft, dann als persönliche Referentin / wissenschaftliche Mitarbeiterin. Von 2013 bis 2017 war sie Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht im Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen.[9] 2016 wurde sie als Beisitzerin in den Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein gewählt. Dieses Amt übte sie bis zur Landtagswahl 2017 aus.
Landtagsabgeordnete (2017–2022)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zur Landtagswahl 2017 trat Touré im Landtagswahlkreis Neumünster für ihre Partei an.[10] Auf der Landesliste nahm sie Platz 11 ein. Bündnis 90/Die Grünen erzielten aufgrund ihres Zweitstimmenanteils zehn Sitze, die durchgängig durch die Landesliste zu besetzen waren. Als Monika Heinold zur Finanzministerin ernannt wurde und ihr Mandat niederlegte, rückte Touré für sie nach.
In der 19. Wahlperiode agierte Touré als Sprecherin für Antirassismus, Flucht und Migration, Frauenpolitik und Gleichstellung, Queerpolitik, Religion sowie Katastrophenschutz und Rettungsdienste. Sie gehörte dem Innen- und Rechtsausschuss, dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und als stellvertretendes Mitglied dem Petitionsausschuss an.
Als antirassismuspolitische Sprecherin wirkte sie maßgeblich am Zustandekommen des Landesaktionsplans gegen Rassismus des Landes Schleswig-Holstein mit.[11]
Vizepräsidentin im schleswig-holsteinischen Landtag (2019–2022)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem Tourés Fraktionskollege Rasmus Andresen bei der Wahl des Europäischen Parlaments im Juni 2019 ins Europaparlament gewählt wurde und sein Amt als Vizepräsident des Landtags niederlegte, wählte der Landtag sie am 28. August 2019 zu seiner Nachfolgerin.[2] Sie hatte das Amt bis Juni 2022 inne und war damit die erste afrodeutsche und zugleich jüngste Vizepräsidentin eines deutschen Landtages.[12]
Sozialministerin nach der Landtagswahl 2022
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im November 2021 benannten Bündnis 90/Die Grünen Touré und Heinold zum Spitzenduo für die Landtagswahl 2022. Heinold wäre bei einem Wahlsieg als Ministerpräsidentin vorgesehen gewesen.[13] Bei der Landtagswahl, bei der die Partei mit Touré auch das Thema soziale Gerechtigkeit in den Fokus rückte, konnten Bündnis 90/Die Grünen mit 18,3 Prozent der Zweitstimmen ihr bis dahin bestes Ergebnis in Schleswig-Holstein erzielen und wurden nach der CDU zweitstärkste Kraft.[14]
Nach der Landtagswahl 2022 zog Touré schließlich über die Landesliste in den Landtag ein. Am 29. Juni 2022 wurde sie zur Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung im Kabinett Günther II ernannt und legte ihr Landtagsmandat nieder. Mit Touré stellen Bündnis 90/Die Grünen erstmalig eine Sozialministerin Schleswig-Holstein.
Am 1. August 2024 übernahm Touré zudem das Amt der stellvertretenden Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein im Kabinett Günther II von der bisherigen Amtsinhaberin Monika Heinold.[15]
Politische Positionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Asyl- und Migrationspolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag zeigte sich Aminata Touré als erklärte Gegnerin des Systems der Abschiebehaft.
Nach einer gescheiterten Bundesratsinitiative der schleswig-holsteinischen Jamaika-Regierung im Frühjahr 2021, um Abschiebehaft für Minderjährige zu verbieten, war das Land Schleswig-Holstein gezwungen, gemeinsam mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern eigene Abschiebehafteinrichtungen in Glückstadt zu errichten. Zuvor hatte Schleswig-Holstein Menschen in Abschiebehafteinrichtungen anderer Bundesländer unterbringen müssen.[16]
Die Initiative fand große Unterstützung bei Pro Asyl, Landesflüchtlingsräten und weiteren Hilfsorganisationen.
Von einem Wechsel der Bundesregierung nach der Bundestagswahl 2021 erhoffte sich Touré einen Paradigmenwechsel in der Asyl- und Migrationspolitik.[17]
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen setzten sich Bündnis 90/Die Grünen unter der Federführung von Aminata Touré dafür ein, sowohl die Gleichstellungs- als auch die Migrationspolitik zukünftig im Sozialministerium zu verorten.[18]
Um die Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten zu entlasten, verdoppelte die Landesregierung in Tourés bisheriger Amtszeit die Zahl der Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen von 4300 im Juni 2022 auf 8500 Plätze im November 2024[19]. In mehreren Vereinbarungen mit den Kommunalen Landesverbänden sowie zwei Spitzengesprächen wurden Vereinbarungen zur finanziellen Entlastung der Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten getroffen.[20][21]
Am 23. Juli 2024 verabschiedete das Kabinett die Integrationsstratgie des Landes Schleswig-Holstein[22], die kurz- und langfristige Maßnahmen beinhaltet, um die Integration und gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund weiter zu stärken.
Ein wichtiger Bestandteil Tourés Migrationspolitik ist die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, möglichst rasch nach ihrer Ankunft.[23] Hierzu stellte Touré im April, in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge (LaZuF) und der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, das Pilotprojekt zum Kompetenzscreening in den Landesunterkünften Rendsburg und Boostedt vor.[24] Das Kompetenzscreeening soll zukünftig auf weitere Landesunterkünfte ausgeweitet werden.
Kitapolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als eine der ersten Handlungen im neuen Amt stellte Touré im Herbst 2022 die Fachkräfte-Stärken-Strategie vor[25], um mehr Fachkräfte für Kitas zu gewinnen. Kurzfristig wurde der Einstieg für Helfende Hände zur Entlastung des Fachpersonals, die Möglichkeit Sozialpädagogische Assistentinnen und -Assistenten (SPA) als Gruppenleitung einsetzen zu können und die Erleichterung des Quereinstiegs umgesetzt. Außerdem wurde die Kapazität der praxisintegrierten Ausbildungsplätze (PiA) von rund 350 auf 800 erhöht, seit 2024 investiert das Land jährlich 10 Mio. Euro zusätzlich in diesem Bereich.[26]
Unter der Jamaika-Regierung aus CDU, Grünen und FDP wurde eine große Kita-Reform auf den Weg auf den Weg gebracht. Bereits damals wurde eine Evaluation der Ergebnisse vereinbart.[27] Auf Basis der Evaluationsergebnisse und aus persönlichen Gesprächen mit Eltern, Fachkräften, Trägern und Kommunen, wurden die Handlungsfelder Verlässlichkeit in der Kindestagesbetreuung, Verbesserung der Fachkräfte-Situation und eine faire Finanzierung zwischen Land, Kommunen und Eltern als besonders dringlich definiert.[28]
Trotz angespannter Haushaltslage gelang mit der Anpassung des Kita-Gesetzes die Schließung der Finanzierungslücke von 110 Mio. Euro ohne eine Erhöhung der Elternbeiträge. Mit 758 Mio. Euro[29] gibt Schleswig-Holstein nun so viel Geld wie noch in das Kita-System. Um Verlässlichkeit in der Betreuung zu verbessern, wurde der bisherige starre Betreuungsschlüssel durch einen neuen flexiblen Anstellungsschlüssel ersetzt.[30]
Jugendpolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kabinett Günther II hat sich im Koalitionsvertrag im Abschnitt „Kinder und Jugendliche“ zu zahlreichen konkreten Maßnahmen verpflichtet. Als Sozialministerin möchte Touré die Jugendbeteiligung im Land stärken. Dazu möchte sie eine jugendpolitische Strategie für Schleswig-Holstein entwickeln bei der „Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen“.[31] Außerdem soll die Etablierung einer legitimierten Kinder- und Jugendvertretung im Landtag geprüft werden.[32]
Buch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wir können mehr sein. Die Macht der Vielfalt. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021, ISBN 978-3-462-00061-0.
- Hörbuch: Wir können mehr sein. (Autorenlesung), Argon Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-7324-5659-8.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Manuela Junghölter: Aminata Touré (* 1992). Bringt euch ein, werdet sichtbar! In: Manuela Junghölter: Starke Frauen aus Schleswig-Holstein. Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 2020, ISBN 978-3-8313-3256-4, S. 91ff.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website von Aminata Touré
- Interview mit Aminata Touré in der taz: Grüne Aminata Touré über junge Politik; „Was wollt ihr, old people?“, taz.de, 30. Juni 2019
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Aminata Touré | Bündnis 90/Die Grünen. Abgerufen am 9. Juli 2017.
- ↑ a b Grüne Touré neue Vizepräsidentin des Kieler Landtags. In: Sueddeutsche.de. SZ, 28. August 2019, abgerufen am 28. August 2019.
- ↑ Die jüngste Abgeordnete im Landtag. In: rtlnord.de. RTL Nord, 28. November 2017, abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ Aminata Touré wandelt auf Obamas Spuren an der Waterkant. Abgerufen am 26. Juni 2024 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Aminata Touré kandidiert für den Landtag Schleswig-Holstein – Aminata Touré. Abgerufen am 24. Juni 2023.
- ↑ Julian Staib: Aminata Touré: Immer diese Frage nach der Herkunft. In: FAZ.NET. 13. August 2023, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 13. August 2023]).
- ↑ Aminata Touré – Grüne Jugend SH ( vom 8. Juli 2017 im Internet Archive)
- ↑ Inga Gehrcke: Touré-Baby mit neuem Lebensgefährten – Ministerin erwartet im Mai ihr Kind. In: shz.de. 8. November 2024, abgerufen am 9. November 2024.
- ↑ schleswig-holstein.de – Ministerin. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Aminata Touré wird Direkt-Kandidatin zur Landtagswahl 2017 ( vom 28. Juli 2018 im Internet Archive)
- ↑ Aminata Touré zum Aktionsplan gegen Rassismus. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Matthias Wyssuwa: Grünen-Politikerin Touré: „Ich bin nicht euer Feigenblatt“. In: faz.net. FAZ, 28. August 2019, abgerufen am 21. Juni 2020.
- ↑ NDR: Nachrichten aus Schleswig-Holstein. Abgerufen am 1. August 2024.
- ↑ CDU gewinnt deutlich, Grüne auf Platz zwei. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Schwarz-Grün in SH: Schneider und Touré sollen Heinold ersetzen. In: ndr.de. 25. Juni 2024, abgerufen am 25. Juni 2024.
- ↑ Esther Geisslinger: Initiative von Schleswig-Holstein: Kein Kind in Abschiebehaft. taz, 27. Mai 2021, abgerufen am 27. Juli 2022.
- ↑ Aminata Toure: Aminata Toure zur Abschiebehaft in Glückstadt. In: Schleswig-Holsteinischer Landtag. 16. August 2021, abgerufen am 27. Juli 2022.
- ↑ shz.de: Touré: Warum Gesundheit kein Ressort ihres Ministeriums ist | SHZ. 11. Juli 2022, abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Zuwanderungsberichte. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Integrationsministerin Aminata Touré zieht Jahresbilanz: 16.500 Geflüchtete kamen 2023 nach Schleswig-Holstein. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Land unterstützt Kommunen mit zusätzlich 61 Mio. Euro für die Aufnahme und Integration von Geflüchteten. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Integrationsministerin Touré legt Entwurf einer Landesintegrationsstrategie vor. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Schnellere Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Annika Paetow: Pilotprojekt für Flüchtlinge in SH: So sollen sie schneller Arbeit bekommen. 29. April 2024, abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Sozialministerin Aminata Touré im schleswig-holsteinischen Landtag: „Mit unserer Fachkräfte-Stärken-Strategie wollen wir die Personalsituation in der Kindertagesbetreuung verbessern“. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Fachkräfte-Stärken-Strategie. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Kitareform – Evaluation. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ 10 Punkte-Kita-Paket vorgestellt. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ schleswig-holstein.de – Medieninformationen – Landtag beschließt neues Kita-Gesetz – Inkrafttreten zum 1. Januar 2025. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ NDR: Neues Kita-Gesetz verabschiedet: Das ändert sich für Kinder, Mitarbeitende und Eltern in SH. Abgerufen am 11. Februar 2025.
- ↑ Aminata Toure: „Wir wollen eine jugendpolitische Strategie für Schleswig-Holstein entwickeln“ – Pressemitteilung. In: aminata-toure.de. 7. Januar 2022, abgerufen am 27. Juli 2022.
- ↑ Jugendpolitische Fortschritte in Schleswig-Holstein. In: Jugendgerecht.de. Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe, 30. Juni 2022, abgerufen am 27. Juli 2022.
Personendaten | |
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NAME | Touré, Aminata |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen), MdL Schleswig-Holstein |
GEBURTSDATUM | 15. November 1992 |
GEBURTSORT | Neumünster |