Benutzerin:Madame/handspindel
Die Handspindel (arch. Spinnwirtel) stellt die ursprünglichste Form des Werkzeuges zum Verspinnen von Fasern dar. Eine Handspindel besteht aus einem stabförmigen Schaft mit einem Wirtel (auch Spinnwirtel, Wirtelstein oder Wörtel genannt) als Schwungmasse.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Da der Spindelschaft aus vergänglichem Material (Holz) gefertigt war, der Wirtel hingegen eher aus unvergänglichem (Keramik, Knochen, Stein, später auch Glas), wird aus Funden wirtelförmiger Objekte auf die Verwendung von Handspindeln geschlossen. Eigenschaften, die einen Wirtel ausmachen, sind eine rotationssymmetrische Form, ein mittiges Loch senkrecht zur Rotationsebene, das groß genug ist, einen Spindelschaft hindurchzustecken, sowie eine gewisse Größe und ein gewisses Gewicht, die für ein gutes Funktionieren (d.h. möglichst lange, gleichmäßige, taumelfreie Rotation) nötig sind. In der Archäologie ist daher eine Verwechslung mit großen Perlen nicht ausgeschlossen.
Älteste Belege von Spinnwirteln stammen in Europa aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. aus den Siedlungen der Sesklo-Kultur in Griechenland. Bereits 2000 Jahre zuvor sollen Ackerbauern in der Levante Textilien hergestellt haben. Ob diese aus Flachs bzw. Lein oder aus tierischer Wolle waren, ist wegen fehlender Erhaltung unklar. Erhaltenes Leinen taucht jedenfalls erst im 4. Jahrtausend in Ägypten auf.
Prähistorische Wirtel sind bisweilen mit symbolhaften Zeichen verziert und wurden wohl Gottheiten als Weihegeschenke dargebracht. Wirtel werden in vielen vorgeschichtlichen Gräbern und Siedlungen gefunden. Ein Spinnwirtel aus Bernstein, gefunden im vendelzeitlichen Frauengrab von Hallveda[1] zeigt durch den Materialwert die besondere Bedeutung.
Als Wirtel wird auch in heutigen Ringspinnmaschinen das Teil bezeichnet, über das die Spindel angetrieben wird. Der Schaft (Stab der Handspindel) alleine wird manchmal auch als Spindel bezeichnet. Das obere Schaftende kann unterschiedlich geformt sein: spitz zulaufend, mit einem Metall- oder geschnitztem Haken, mit einer Kerbe oder Rille, bzw. einer Mittel- oder spiralförmigen Nut versehen.
Funktionsweise der Handspindel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Handspindel hat zwei Hauptfunktionen: Erstens, daran befestigte Fasern miteinander zu verdrehen, indem sie sich eine Zeitlang von selbst weiterdreht, wenn man sie einmal in Schwung versetzt hat. Zweitens die Aufbewahrung fertig gedrehten Garns, das auf den Spindelschaft aufgewickelt wird. Die Handhabung des Faservorrats und der Spindel unterscheidet sich je nach Faser, Verwendungszweck des Garns und kulturellen Gewohnheiten. Drei grundlegende Arten der Handhabung lassen sich unterscheiden:
Fallspindel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hierbei wird der Faservorrat in einer Hand gehalten; die andere Hand dreht abwechselnd die Spindel und zieht die gewünschte Menge Fasern aus dem Vorrat. Das bedeutet, daß die Spindel immer wieder losgelassen werden muß, so daß sie sich frei am Spinnfaden hängend dreht. Mit wachsender Länge des Spinnfadens hängt die Spindel immer tiefer. Spätestens wenn sie den Boden erreicht hat, muß das Garn aufgewickelt werden. Da das Gewicht der Spindel am Spinnfaden hängt, muß dieser eine entsprechende Reißfestigkeit aufweisen, so daß diese Technik sich eher schlecht für kurze Fasern und sehr feine Garne eignet. Außerdem sollte die Spindel besonders symmetrisch und ausgewogen sein, damit sie nicht ins Taumeln gerät. Da der Abstand zum Boden möglichst groß sein sollte, damit man nicht oft aufwickeln muß, steht oder geht die Spinnerin für gewöhnlich.
In der Hand gehaltene Spindel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wird ein Rocken verwendet, sind beide Hände zum spinnen frei, so daß die eine Hand die Fasern auszieht, während die andere ausschließlich die Spindel dreht. Diese Hand hält und dreht ständig die Spindel, so daß zumindest ein Teil des Gewichts vom Spinnfaden genommen wird. Diese Technik ist schneller als die Fallspindel-Technik und eignet sich besser zur Herstellung dünnen Garns. Im europäischen Hochmittelalter und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein finden sich Abbildungen dieser Technik; eine Variation davon ist in Lateinamerika gebräuchlich. Sie kann im Sitzen ebenso wie im stehen und gehen betrieben werden.
Standspindeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wird die Spindel mit dem unteren Ende aufgestützt, spricht man von einer Standspindel (englisch "Supported Spindle"). Um ein seitliches Ausbrechen der Spindel zu verhindern, werden oft spezielle Schalen benutzt, in denen die Spindel steht. Besondere Spindeln sind nicht zwingend nötig, aber oft sind die Fuß-Enden angespitzt, um die Reibung zu minimieren. Da das Gewicht der Spindel nicht am Spinnfaden hängt, können mit Standspindeln besonders feine, kurzfaserige Garne gesponnen werden, oder aber die Spindel kann besonders groß und schwer sein (z.B. Navajospindeln). Die Spinnerin sitzt meistens.
Verschiedene Arten von Handspindeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man unterteilt diese anhand der Form bzw. des Wirtelsitzes in
- Tiefwirtelspindeln (engl. Bottom- oder Down-Whorl), wenn der Wirtel sich unterhalb der Schaftmitte befindet. In Europa war hauptsächlich diese Art von Spindel verbreitet.
- Hochwirtelspindeln (engl. Top-Whorl), wenn sich der Wirtel oberhalb der Schaftmitte befindet. Diese Spindelform benötigt zwingend einen Haken am oberen Schaftende. Der Spinnfaden wird dort unterhalb des Wirtels aufgewickelt. Diese Art von Handspindel war u. a. in Ägypten und Asien verbreitet. Diese Spindel kann nicht nur durch das Andrehen mit der Hand, sondern auch durch das Abrollen des Spindelschaftes über dem Oberschenkel des Spinners angetrieben werden. Hierbei können viel höhere Drehzahlen erreicht werden, wodurch die Produktivität gesteigert werden kann. Dadurch erfreuen sich diese Art von Handspindeln wachsender Beliebtheit und werden heutzutage ausgehend von den USA auch wieder in wachsenden Stückzahlen und mit moderneren Fertigungstechniken hergestellt.
- Sonderformen mit dem Wirtel genau in der Mitte (Akha-Spindel) oder mit zwei Wirteln (Balkanspindel).
Handspinnen heute
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch heute noch dient die Handspindel in vielen weniger entwickelten Gegenden der Erde als Werkzeug zur Herstellung für Textilien des täglichen Gebrauchs. Auch unter der langsam wieder wachsenden Zahl der Hobby-Spinner wird die Handspindel wieder verwendet.
Der Vorteil der Handspindel gegenüber dem Spinnrad ist die Portabilität. Sie kann leicht transportiert werden und auch während vieler Tätigkeiten des normalen Lebens betrieben werden (z. B. beim Schafehüten, beim Gehen, beim Warten auf den Bus oder im Arztwartezimmer). Dadurch relativiert sich die langsamere Spinngeschwindigkeit gegenüber dem ortsfesten Spinnrad etwas. Eine Arbeitskraft in einer heutigen industriellen Spinnerei produziert jedoch mehrere tausend Mal mehr Garn als von Hand, gemessen in kg Garn pro Arbeitsstunde.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Connie Delaney: Spindle Spinning. From novice to expert. Kōkōvōkō Press, Corinth KY 2000, ISBN 0-9660952-0-0.
- Abby Franquemont: Respect the spindle. Spin infinite yarns with one amazing tool. Interweave Press, Loveland CO 2009, ISBN 978-1-59668-155-2.
- Priscilla A. Gibson-Roberts: High whorling. A spinner's guide to an old world skill. Nomad, Cedaredge CO 1998, ISBN 0-9668289-0-9.
- Bette Hochberg: Handspindles. Bette and Bernard Hochberg, Santa Cruz CA 1993, ISBN 0-9600990-4-2.
Einzelnachweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ * Mårten Stenberger: Römische Kaiserzeit. In: Ders.: Vorgeschichte Schwedens (Nordische Vorzeit, Bd. 4). Wachholtz, Neumünster 1977, ISBN 3-529-01805-8, S.391
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Spinnen mit der Handspindel (Landschaftsmuseum Obermain)
- Beschreibung verschiedener Handspindeltypen bei Spinnradclub
- Spinnen mit der Handspindel
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